Hülfsbeisißer: 1) Lange, Adolf, Gastwirth und Ackerbürger, zu Bergen. 2) Röbke, D S{uhmacermeister, zu Bergen. 3) Gooß, W,, Fabrikant, zu ergen. 4) Wittstock, August, Müllermeister, zu Bergen. 5) Ethé, Malte, Kaufmann, zu Bergen. 6) Badestein, Bäckermeister, zu Bergen. 7) Freese, F., Senator und Maurermeister, zu Bergen. 8) Friedris, E., Rittergutsbesizer, zu Paßig. 9) Breitspreher, H., Gutspächter, zu Siggermow. 10) Gottschalk, Malte, Gutspächter, zu Kayseriß. Beisitzer aus der Klasse der Versicherten:
1) Mau, Julius, Kutscher, zu Lancken bei Saßniß. 2) Jasmund, C., Statthalter, zu Lüttkevißp. 3) Möller, Statthalter, zu Kosdorf. 4) Wilken, August, Arbeiter, zu Sagard. 5) Durmrath, Karl, Arbeiter, zu Alt-Reddevitz. 6) Ewert, Wilhelm, Arbeiter und Häusler, zu Pantow. 7) Siebrecht, Heinrich, Arbeiter und Häusler, zu Beuchow. 8) Hopp, C, Statthalter, zu Dumseviz. 9) Böttcher, Moriß, Kathen- mann, zu Malzien. 10) Gathen, Christof, Gärtner, zu Plüggentin,
Hülfsbeisigzer: i :
1) Kufaktl, F, Stellmachergeselle, zu rg: 2) Binz, Friy, Gerbergeselle, zu Bergen. 3) Rebesky, Werkführer, zu Bergen. 4) Graening, A, Brunnenmacher, zu Bergen. 5) Stoll, Otto, Haidtimaggebllte, zu Bergen. 6) Hardenberg, W,, Hausdiener, zu
ergen. 7) Garlepow, Arbeiter, zu Bergen. 8) Fehlt zur Zeit. 9) Küther, Statthalter, zu JIarniy. 10) Iark, Ludwig, Arbeiter und Häusler, zu Sehlen. V, Bezirk des Schiedsgerichts: Stadtkreis Stralsund. Siy des Schied8gerihts8: Stralsund.
Vorsitzender: Paetow, Königlicher Negierungs-Assefsor , zu Stralsund. L 28
Stellvertretender Vorsißender: Dr. von S{weinichen, Königlicher Regierungs-Rath, zu Stralsund. /
Beisitzer aus der Klasse der Arbeitgeber.
1) Bartens, Fabrikdirektor, zu Stralsund. 2) Weidemann, Brauereibé sitzer, zu Stralsund. 3) Jrrmann, Brandmeister, zu Stral- sund. 4) Bebrndt, Buchdruckereibesißer, zu Stralsund. 5) Becher, Möbelhêändler, zu Stralsund. 6) Wilken, Goldschmied, zu Stralsund. 7) Raschke, Tapezier, zu Stralsund. 8) Schuly, H. F., _Tischler- meister, ¿zu Stralsund. 9) Preht, Hotelbesißer, zu Stralsund. 10) Stodfleth, Schlächtermeister, zu Stralsund.
Hülfs8beisitzer. A 4
1) Grönbagen, Ingenieur, zu Stralsund. 2) Klingenberg, Gürtler- meister, zu Stralsund. 3) Affer, Töôpfermeister, zu Stralsund. 4) Ritter, P, Kürshnermeister, zu Stralsund. 5) Vaumert, Bild- hauer, zu Stralsund. 6) Zander, Bäckermeister, zu Stralsund. 7) Freese, Vergolder, zu Stralsund. 8) Fehlt zur Zeit 9) Darmer,
abrikant, zu Stralsund. 10) Steinbring, Bauunternehmer, zu tralfund. A : Beifitzer aus der Klasse der Versicherten.
1) Lux, Siedemeister, zu Stralsund. 2) Feblt zur Zeit. 3) Fehlt zur Zeit. 4) Fehlt zur Zeit, 5) Nehls, Tis(ler, zu Stralsund. 6) Will, Maler, zu Stralsund. 7) Mumm, Zimmerpolier, zu Stral- sund. §8) Neumann, Bodenmeister, zu Stralsund. 9) Fekblt zur Zeit. 10) Braeder, Modelltisler, zu Stralsund.
Hülfsbeisiger. h
1) Burmeister, Maurerpolier, zu Stralsund. 2) Fehlt zur Zeit. 3) Sacht, Maschinist, zu Siralsund. 4) Vetter, Scmied, zu Stral- sund. 5) Friedrihs, Maschinenbauer, zu Stralsund. 6) Sült, Muühlenbauer, zu Stralsund. 7) Benz, Maler, zu Stralsund. 8) Tornow, Tischler, zu Stralsund. 9) Wittmüt, Arbeiter, zu Stral- sund. 10) Piel, Bierfahrer, zu Stralsund.
Berlin, den 9. April 1891,
Der Minister für Handel und Gewerbe. Jn Vertretung: Magdeburg.
Kunst und Wissenschaft. Die Büchersammlung des Kaiserlichen Patentamts.
Mit der am 1. Juli 1877 erfolgten Errichtung des Kaiser- lihen Patentamts war auch die Nothwendigkeit der Her- stelung einer thunlichst reichhaltigen tehnishen Bücherei ge- eben, und zwar zunächst für die Prüfungsbeamten der Be- Dirde selbst, Es kam auf Befriedigung der Erfordernisse an, welche das deutsche Prüfungsverfahren herauskehrt ; nach §. 2 des Patent- geseßes vom 25. Mai 1877 soll eine Erfindung u. A. dann nicht als neu gelten, wenn sie zur Zeit der Anmeldung in öffent- lichen Drucschriften sich bereits derart beschrieben findet, daß danah die Benußung durch andere Sachverständige möglich ist, Als nothwendig für die Beschaffung standen in erster Reihe die amtlichen Veröffentlihungen ausländisher Patent- ämter; ihnen schlossen sich nihtamtlihe Veröffentlihungen über ertheilte Patente, sodann solhe über das in- und aus- ländishe Patentrecht an. Weiter war auf Samm- lung technisher Schriften selbst Bedacht zu nehmen, und zwar nicht etwa nur auf die in besonderen A über die einzelnen Jndustriezweige enthaltene Literatur, sondern auch auf jene, welche in kleineren oder größeren Auf- säßen über zahlreihe Fachzeitschriften zerstreut ist.
Unter Berücksihtigung dieser Gesichtspunkte erfolgte die Jnangriffnahme des Unternehmens in 1877.
Der weitaus größte Theil der Bücher wurde käuflich er- worben. Zum s\{hnelleren Anwachsen der neuen Bücherei trug di2 vormalige Königlich - preußishe Gewerbe- Akademie ihr Theil bei, indem sie dem Patentamte einige hundert Bände hauptsählih britischer Patentschriften und sonstiger Veröffentlihungen des Londoner Pateutamts überließ. Auch ausländische Regierungen stellten ihre Patent- veröffentlihungen als Geschenke zur Verfügung. Jn der Folgezeit trat ein Austausch dec amtlihen Veröffentlichungen zwischen dem deutschen Patentamte und denjenigen anderer Länder ein. Jn diesem Tauschverkehr mit Deutschland stehen
egenwärtig: Belgien, Frankreih, Großbritannien, Jtalien,
a Luxemburg, Norwegen, Oesterreih-Ungarn, Queensland, Rußland, Schweden, Schweiz, Spanien, die Vereinigten Staaten von Amerika und Viktoria. Abgesehen von diesem in Folge des Austausches eingehenden Zuwahse und den Geschenken von Handelskammern, welche ihre Programme und Jahresberichte zur Verfügung stellen, und außer den Gaben einzelner Pri- vater — hier sei insbesondere tankend eine größere, in leßter Zeit der. Bücherei zugegangene Schenkung des Hrn. Fngenieurs Veitmeyer in Berlin hervorgehoben— ist die Bücherei auf den An- kauf der benöthigten Werke angewiesen. Der jährliche Draa beläuft fih auf etwa 2000 Bände. Der gegenwärtige Bestand macht in rurider Angabe 40 000 Bände aus.
Dieser Büchershay seßt sih aus drei großen Gruppen zusammen.
Zunächst ist die große Sammlung der Veröffentlihungen der Patentämter der oben aufgeführten Länder zu erwähnen. Dieselben sind bis auf kleine Lücken vollständig vorhanden.
An diese Sammlung \chließen sich Fachzeitschristen in
roßer Zahl an; fast sämmtliche Einzelgebiete der Jndustrie find vertreten. Ueber 400 laufende Zeitschriften werden z. Z. gehalten. Die dritte große Gruppe umfaßt in der Hauptsache die besonderen Lehr- und Handbücher über Einzelgebiete der «Fndustrie, Sie bietet einen überaus reihen und mannig-
faltoen Jnhalt und erstreckt sh von den Werken rein wissen- aftlichen und allgemeinen Jnhalts bis zu den Beschreibungen auch von Jndustriegebieten geringsten angs. Besondere Hervorhebung verdient hier die Abtheilung Patentwesen, welche in der Sammlung sämmlicher auf diesem Gebiete ersheinenden literarishen Erzeugnisse Vollständigkeit zu erzielen sucht. Demnächst sind vornehmlich zu erwähnen die Abthei- lungen Chemie, Physik, Gesundheitspflege, Landwirth- chaft, Mechanik , auwesen mit Unterabtheilungen, Bergbau, Textilindustrie, welhen si{ch noch eine
anze Reihe kleinerer Abtheilungen zur Seite stellt. Manches seltene Werk \{müdckt die Reihen dieser Sammlungen; zahl- reihe Atlanten und Zeichnungen bilden einen besonders werth- vollen Bestand. S
Diese Auswahl tehnisher Werke steht würdig neben der- jenigen der Königlich tehnishen Hochshule in Charlottenburg und in Berlin wohl einzig da. / :
Ecklärlich ist daher, daß Stimmen der Presse, niht minder aber technischer Vereine u. A. m. seit längfter Zeit dem Wunsche nah thunlihster Aufshließung der Bücherei für das Publikum Ausdruck gegeben haben. Nicht ohne Bedauern hat das Amt die Berücksichtigung dieses Wunsches in dessen vollem Umfange sich aber fo lange versagen müssen, als die Diensträume in dem früheren Amtegebäude nur unzureihend zur Verfügung standen. Nachdem indessen bei Entwerfung der Baupläne für das inzwischen fertig gestellte neue Dienstgebäude (NW. Luisenstraße 33/34) nicht bloß auf die Gewinnung heller, eine ordnungsmäßige Verwaltung ge- stattender Räume für die Aufstellung der Büchersammlung Bedacht genommen, sondern auch in der Auslegehalle des Gebäudes ein von Außen leicht zugänglicher geräumiger Lesesaal geschaffen worden ist, bietet sih jeßt Gelegenheit, jenem Begehren nach- zukommen. Die Einrichtung is dahin getroffen, daß der Lesesaal des Patentamts vom 15. d. Mts. ab nicht bloß, wie bisher bis 4 Uhr Nachmittags, sondern bis 9 Uhr Abends geöffnet bleibt, sodaß also das Publikum jezt mit Ausnahme der Sonn- und. Feiertage täglich von 9 bis 9 Uhr Bücher un- eingeshränkt einsehen kann. Damit ist insbesondere denen die Möglichkeit der Bewerkstelligung literarisher Studien ge- boten, welhe, im Erwerbsleben stehend, erst in den Abendstunden die Möglichkeit der Beschäftigung mit wissenschaftlihen Dingen finden. Bücher leihweise aus- ugeben, wie gleihfalls als wünschenswerth bezeihnet worden ist, verbietet sich durch die Rülsiht auf die Erfordernisse des Geschäftsbetriebes im Jnnern der Behörde selbst.
In dem Leseraum findet sih eine vollständige Sammlung der bisher erschienenen Patentschriften der deutschen Patent- behörde (ungefähr 56 000) zu unmittelbarer Benußung aufgestellt. Die Einsichtnahme dieser nah den bez. Patent- klassen geordneten Sammlung wird sich für diejenigen empfehlen, welche als Anmelder von Erfindungen aufzutreten beabsihtigen; die Durchsiht bezügliher Patentschriften ist geeignet, nicht selten exkennen zu lassen, daß der anzumeldende Gegenstand entweder in vollem Umfange oder zum Theil bereits Gemeingut geworden ist, und daß es in solhen Fällen zum Schuße von Enttäuschungen dient, wenn entweder die Anmeldung unterbleibt oder eine entsprehende Einschränkung der Anmeldung von vornherein in das Auge gefaßt wird.
Ein Verzeichniß der Büchersammlung iît in der Aus- arbeitung begriffen; die Veröffentlihung desselben wird sih indessen voraussihtlich nicht vor Ende des Jahres bewerk- stelligen lassen, E
Zunächst handelt es sih bei der längeren Offenhaltung der Bücherei um einen Versuch; von der Erfahrung wird abhängen, inwieweit dieser Versuch sich als ein solcher erkennen läßt, dessen Vexranstaltung auch in weiteren Kreisen der hauptstädtishen Bevölkerung Beifall findet so, daß die Einrihtung zu dauernder Beibehaltung sih empfiehlt. Die an anderen Orten gemachten Wahrnehmungen sprechen dafür; beispielsweije in London ift die Bücherei des Patentamts im Laufe des vergangenen Fahres von über 90000 Besuchern benußt worden.
— Der Geheime Regierungs-Rath Professor Heinrich von Treitschke ist, der „Nat.-Ztg.“ zufolge, in Folge eines Augen- leidens, das ihn auf längere Zeit zur Unthätigkeit verurtheilt, nach Heidelberg abgereist. —
— Am Sonntag, 5. d. M., fand nach der „N. A. Z.* im Senats- saal der Akademie der Künste hier eine Sitzung des Gesammtcomités für das in Berlin zu errihtende gemeinsame Denkmal von Haydn, Mozart und Beethoven statt. Das Comité ist jegt auf etwa sechzig Mitglieder in Berlin und funfzehn aus anderen Städten angewachsen und besteht aus Musikern und Kunfstfreunden aller Kreise. Der geshäfteführende Aus\{huß unter dem Vorsitz des Professor Blumner, welchem Geheimer Ober-Regierungs-Rath Dr. Jordan als Schriftführer zur Seite steht, berihtete über die bisher gethanen S(ritte, erwähnte u. A. die Anzeige an den Magistrat, welche die Deputirung von zwei Mitgliedern in das Comité (die Stadträthe Sarre und Dr. Weber) zur Folge gehabt hat, und legte den Entwurf zu dem in nächster Zeit zu cilallénden öffentlihen Aufruf vor, welcher im Wortlaut festgeitellt wurde.
— Die Sitzung der Gesellschaft für Erdkunde am Sonnabend eröffnete, wie die „N. A. Z.* berichtet, der Vorsißende Dr. Reiß mit der Mittheilung, daß der Aus\{huß und Beirath beschlossen hat, dem Staats - Minister Dr, von Goßler den Dank der Gesellshaft für die ihr und der Geographie während seines Wirkens als Minister gewährte Förderung in Form einer künstlerisch ausgestatteten Adresse auszusprehen. Ferner hat der Auéshuß bes{lofsen, die für dieses Jahr zur Verfügung stehende Karl Ritter-Medaille nicht, wie es bisher üblich war, einem der kühnen Erforshec Afrikas zuzusprehen, sondern einem jener stillen Talente zuzuerkennen, die im Arbeits- zimmer, s{heinbar ohne jede äußere Belohnung, die so wihtige und \{chwierige Arbeit ausführen, die Materialien zu verarbeiten, welche von den Forshungsreisenven herbeigeschafft werden; es wurde daher die Karl Ritter - Medaille dem bekannten Kartographen Dr. Haffenstein in Gotha verliehen. — Der Generalsekretär der Gesellshaft, Hauptmann Kollm gab einen kurzen Bericht über den Verlauf des neunten deutschen Geographentages in Wien, der von nahezu 700 Theilnehmern — der größten bisher er- reihten Zahl — besucht war und in dessen Sißungen zwanzig wissen- \chaftlihe Vorträge gehalten wurden. leichzeitig mit dem Geographentage konnten die Wiener Geographen ein 990jähriges Jubiläum ihrer Wissenschaft feiern; im Jahre 1391 wurde nämlich an der Wiener Universität die erste geographische Vorlesung gehalten. Zum Schluß hielt Dr. D. Warburg cinen sehr interessanten und mit lebhaftestem Beifall aufgenommenen Vortrag über eine Reise nach den Bonin- und Volkano-Inseln im Stillen Ocean.
— Zum 50 jährigen Gedenktage des Vereins für Eisen- bahnkunde hat dieser, wie die „Nat.-Ztg.“ berichtet, folgende Preisaufgabe ausgeschrieben: Da eine Geschichte des preußischen Eisenbahnwesens in vollem Umfange ein zeitroubendes und \{chwieriges Werk ist uud nur nah umfassenden Vorarbeiten fertig gestellt werden kann, so wird als Preis8aufgabe cine Studie verlangt, welche einen
Beitrag zu dieser Geschichte liefert. Es kann sowohl die Ent-
wicklung des gesammten preußisGen Eisenbahnwesens inner- halb eines bestimmten Zeitabschnittes, als auch die Ent- wicklungsges{hichte einer größereren preußischen Bahn oder eines wichticen preußishen Eisenbahn-Verbandes, oder aber die Entwickelung bestimmter Zweige des preußischen Eisenbahßhnwesens, 3. B. des Betriebes bezw. auch wiStiger Theile desselben, der Per- sonentarife, der Gütertarife u. f. w. gewählt werden. Es kommt dabei wesentli darauf an, daß der betreffende Gegenftand eingehend behandelt und wissenshaftlih durchgeführt ist. Die Bearbeitung muß in deutsher Sprache abgefaßt sein und bis zum 1. Mai 1892 an den Verein für Eisenbahnkunde, Berlin M. cte L L 92/93, ein- geliefert werden. Zur Ertheilung von einem oder mehreren Preisen ist ein Betrag von 2000 #4 ausgeseßt. hs
— Die vor einiger Zeit gefaßte Absiht, das Märkische
rovinzial-Museum in dem Gebäude der ehemaligen Waaren-
örse unterzubringen und dieses für den gedahten Zweck städtischer- seits anzukaufen, ist, der „Nat.-Ztg.* zufolge, wieder fallen gelafsen worden, da sich die Unmögli(kecit herausgestellt hat, jenes Gebäude einer solhen Bestimmung anzupassen. In Folge defsen ift man bet dem Plan, den Museumsbau, mit welchem si der Magistrat in diesen Tagen befassen wird, im Köllnischen Park, an der Wallstraße, und zwar in der Axe der neugeplanten Waisenbrücke aufzuführen, stehen geblieben. Das Gebäude wird dort bei einem Grundrißflähenraum von 1700 OQuadratmetern völlig freistehen und demgemäß, was besonders vor- theilhaft ift, Licht von allen vier Seiten erhalten können. Höchst wahrscheinlich wird zur Gewinnung eines geeigneten Entwurfs ein Le Wettbewerb unter den hiesigen Architekten ausgeschrieben werden.
— Die große Denkmünze des R. internationalen medi- zinischen Kongresses vom Jahre 1890 ist der „N. Pr. Z.“ zu- folge soeben zur Ausgabe gelangt. Es bedurfte einer halbjährigen Arbeit zur Vollendung der dafür nöthigen Prägestempel. Die Denk- münze ist im Durchmesser von 7 cm in Silber und in Bronze ge- prägt und na den Angaben des Geheimen Medizinal-Raths Pro- fessor Dr. Virhow und unter der künstlerishen Leitung des Regie- rungs-Baumeisters Jaffé ausgeführt worden. Auf der Hauptseite sieht man auf der Erdkugel, auf einem Throne sizend, einen kräftig modellirten Aeskulap. Als Umschrift steht: „X. Internationaler Meedizinischer Kongreß Berlin 1890,“ Die Rückseite zeigt eine tref- lihe Ansicht der Stadt Berlin, von der Sieges\äule aus gesehen, mit dem von Lorbeerzweigen bedeckten Berliner Stadtwappen, umgeben von den großen Wappen der meistbetbeiligten neun Staaten, und nennt die Namen aller anwesend gewesenen anderen cinunddreißig Staaten. Ueber der Stadtansiht wird der Name des an dem Kongreß betheiligt gewesenen Mitgliedes eingeprägt. Es if ein hervorragendes Stück der deutshen Medaillen-Prägekunst, hergestellt in der Berliner Medaillen-Münze, Otto Oertel, Gollnowstr. 11 a.
— Vor einem Jahre wurde die Elektrotechnishe Ver- fuchsstation zu Magdeburg eröffnet. Schon jetzt blickt dieselbe auf eine reihe Thätigkeit zurück und liefert somit den Beweis, daß die Gründung derselben einem Bedürfniß entsprohen hat. In gleicher Weise wie die Dampfkesselrevisionsvereine hat sie für ihre Mitglieder — die Anzahl derselben is bereits zu einer stattlihen Höhe ange- wachsen — jährlich wiederkehrende Revistonen elektrischer Anlagen übernommen und nach dieser Richtung im Interesse der Be- siger eine außerordentli segensreihe Thätigkeit entwickelt, welche um so werthvoller sein dürfte, als die Versuchsftation in Magdeburg in ihrer Existenz vollständig unabhängig von elektrotehnischen Firmen ist und somit bei Abgabe ihrer Urtheile keinerlei Rücksichten zu nehmen hat, taher vollständig objektiv und unparteiisch urtheilen kann. Diese Thätigkeit erstreckt \ich über ganz Deutshland. Neben den Revisionen beschäftigt sih die Versuchsstation au mit der Prü- fung unb Begutachtung von “Kostenanshlägen für elektrishe Ein- richtungen, giebt Rath und Auskunft über elektrisde Bedarfsartikel und theilt ihren Mitgliedern die Erfahrungen, welche sie bei den Revisionen sammelt, in Form von Flugblättern, Circularen u. dergl. mit. In den nächsten Tagen wird der erste Jahresbericht der Versuchs- station zur Ausgabe gelangen, Wir wünschen diesem gemein- De Unternehmen au für die fernere Zeit Gedeihen und weitere
rfolge.
— Im weiteren Verlauf der Sißung vom 8. April des X. Kongresses für innere Medizin inWiesbaden sowiecin der Nachmittagésizung hielten folgende Herren Vorträge: Quincke-Kiel über Hydrocephalus, Sandmeyer-Marburg und Münzer-Prag über Forschungen, die in den betreffenden Universitäts-Laboratorien in Bezug auf Diabetes und in Bezug auf pathologische Histologie des mensch{chlihen Rücckenmarks angestellt wurden. von Jaks{ch-Prag be- richtete über eine neue Methode, Gallenfarbstof im Blut nach- zuweisen. Litten-Berlin demonstrirte eine Handcentrifuge zum Filtriren und rasheren Sedimentiren von mensch{lichen Secreten. Professor Eichhorst-Zürih spra über Fehler der Sehnenreflexe bei Tabes dorsalis, von Frey-Leipzig über Widerstandsmessungen am menschlichen Körper; endlih Leubuscher-Jena über Aus\{heidung von Salzsäure im Magen von Nerven- und Geisteskranken. j
Die leßte Sitzung wurde, wie die „Frkf. Z.“ berichtet, dur kleinere Vorträge auszefüllt: Edlefseu-Kiel beri{tete über die Entstehung des vesiculären Lungengeräusches, Mordhorst-Wiesbaden über Gicht, Krönig- Berlin über die klinish-anatomishen Verbältnisse der Lungengrenzen, H. Wolff-Görbersdorf über den Begriff: Heilung der Lungentuberku- lose; bei leßterem Thema ergriff von Ziemssen-Müncen das Wort, um unter ehrenvollster Anerkennung der großen Verdienste, die si der verstorbene Brehmer-Görbersdorf um die Begründung der hygieinisch-roborirenden Anstaltsbehandlung der Lungenleidenden er- worben hatte, seine reichhaltigen Erfabrungen Über das, was man gewöhnlich unter Heilung von Schwindsucht versteht, mitzutheilen. Bortragender betonte besonders, daß der größte Theil der Lungen- leidenden der Disziplin bezüglich ihres hygieinishen Verhaltens ent- behrte, und daß die weitere Gründung von entsprehenden Sanatorien, in denen dieses pädagogishe Moment in den Vordergrund trete, an Höhenkurorten 2c. ein Bedürfniß sei,
Hr. R. Schmalz-Dresden berichtete über Blutantersuchungen bei Anämie, Hr. Poscher-Berlin brahte Mittheilungen über Diabetes- Forschungen, Hr. Fleiner- Heidelberg sprach über die Addifon'sche Krankheit, zuleßt Hr. Moriß-München über alimentäre Glykosurie.
Nach einem kurzen Rückblick auf die Arbeiten des verflossenen Konaresses {loß Hr. Quincke-Kiel den zehnten Kongreß für innere Medizin; als Themata für den im Jahre 1892 in Leipzig ab- zuhaltenden Kongreß stehen tn Aussicht: 1) Physiologische und thera- peutishe Bedeutung des Eisens. 2) Die Meningitis in ihren ver- \chiedenea Formen. 3) Die Elektrotherapie, 4) Die Behandlung \{wererer Anämien.
Die Zahl der Theilnehmer des diesjährigen Kongresses hatte zu leßt die Höhe von 300 erreicht.
— Ueber die Entdeckung eines altrömishen Theaters wird der „Nat.-Z.“ aus Triest berihtet: Nachgrabungen, die unter der Leitung des Professors Puschi in Barcola an der Küste, auf halbem Wege zwischen Triest und Miramar angestellt vurden, haben ein interessantes Resultat ergeben, indem es gelang, k? Umfassungs- mauern eines großartigen rômishen Bauwerks, offenbar ¿ines Theaters, bloßzulegen. Das Bauwerk besteht aus einer äußeren polygonalen Mauer und einer innern Rundmauer; der innere Durhmesser beträgt 45 m. Man fand ferner einige Gräber mit aht wohlerhaltenen Skeletten.
— Der „Messager d'Athènes* meldét, daß die Ausgrabungen, welche die amerikanishe arhäologische Schule von Athen in Eretria auf Cuboia anstellt, unter anderen Kunstgegenständen von einiger Bedeutung ein goldenes Diadem von hohem künfstlerishen Werth zu Tage gefördert haben. Aber noch wichtiger wäre, wenn sie sih bestätigte, die Nachricht von der Auffindung des Grabes des Aristoteles, von dem man weiß, daß er in Chalkis am Euripus geftorben ist. Man hat nämli einen Sarkophag mit der Inschrift ristoteles gefundeu. Der Anfang ift verstümmelt, Der Direktor der amerikanischen Schule hegt aber noch einige Zweifel über die Richtigkeit der Beziehung auf Aristoteles und möhte weitere Resultate der Ausgrabungen abwarten.
M V7. Nigtanuiklißes.
Türkei.
Die „Agence de Constantinople“ erfährt aus zuverlässigster Duelle, daß bezüglich der ostrumelishen Frage von keiner Seite bei der Pforte Schritte unternommen seien.
Serbien.
__ Belgrad, 12. April. Jn der gestrigen Vormittags- fizung der Skupschtina sicherte die Regierung in Beant- wortung der Fnterpellation betreffs des Kasernen- baues eine Untersuchung zu. Jn der Abendsißung verlas der Präsident ein Schreiben König Milan's, dur welches die Regentschaft benachrichtigt wird, König Milan wolle bis zur Volljährigkeit König Alexander's Serbien verlassen, um das Land zu beruhigen. Der Präsident beantragte, König Milan den Dank der Skupschtina auszusprehen und eine Resolution anzunehmen, welche die Regierung auffordert, bei der Königin Natalie dahin zu wirken, daß sie dem Beispiel des Königs Milan folge. Es {loß sich hieran eine sehr erregte Debatte. Die radikalen Abgeordneten Vica und Rado- vanovic sprachen fih für eine gleichzeitige Lösung der Frage des Aufenthalts der Königin Natalie in Serbien aus und beantragten, daß von dem Präsidium der Skupschtina eine hierauf bezügliche Resolution eingebracht werde. Die liberale Opposition (Garashanin) und die radikalen Dissidenten beantragten, den Brief des Königs Milan zur Kenntniß zu nehmen, und erklärten, den Antrag Vica-Radovanovic ablehnen zu müssen, weil derselbe der Ge- shästsordnung widersprehe. Der Antrag gelangte jedo mit geringer Stimmenmehrheit zur Annahme. Das Präsi- dium unterbreitete der Skupschtina hierauf eine im Sinne dieses Antrages gefaßte Resolution, welche eine noch leb- haftere Debatte hervorrief. An derselben betheiligten sih gegen 40 Redner, darunter Garaschanin, Leschjanin und viele Mitglieder der Opposition und Dissidenten. Die oppo- sitionellen Redner bezeichneten die Resolution als verfassungs3- und geseßwidrig und als einen Gewaltakt, die Fassung der Resolution würde das Ansehen Serbiens schädigen. Die Opposition verlangte namentlihe Abstimmung über die Resolution, der Präsident verweigerte dieselbe, was eine tumultuarishe Scene hervorrief, die fast eine halbe Stunde dauerte und an der sih auch die Zuhörer auf der Galerie betheiligten. Ebenso stürmisch gestaltete sih die Debatte über die von der Regierung eingebrahte Vorlage, nach welcher dem Könige Milan a conto der Civilliste eine Million E auf drei Fahre im Voraus bewilligi werden soll.
oh vor der Abstimmung über die Vorlage, welche mit geringer Majorität genehmigt wurde, entfernte |isich ein großer Theil der Abgeordneten.
Heute wurde die Skupschtina durch einen Ukas der Regenten geschlossen.
Bulgarien.
Sofia, 11, April. Die „Agence Balcanique“ bezeihnet die Blättermeldung bezüglich angeblicher Schritte der bulgarishen Regierung bei Rußland und Betreffs Verhaftung und Auslieferung der Mörder Belt- schew's als vollständig unbegründet. Es sei kein der- artiger Schritt erfolgt und noch weniger eine Note an NRuß- land gerichtet worden.
Dänemark.
(F) Kopenhagen, 11. April. Fn einer am Donnerstag unter dem Vorsiß des Königs abgehaltenen Staatsrath s- sißung wurde dem Marine-Ministerium die Vollmacht er- theilt, außer den von beiden Thingen des Reichstages zufolge des Finanzgeseßentwurfs für 1891/92 bewilligten Aus- gaben noch 1195755 Kronen für Marinezwedcke ver- wenden zu dürfen. Davon sind bestimmt: 300 000 Kronen für Seekriegêmaterial, 219 300 Kronen für passive Seeminen, 190000 Kronen für die Vollendung eines Torpedobootes erster Klasse, 115 000 Kronen für die Unterhaltung der Kriegs- \chifffe und deren Fnventarium, 106 240 Kronen für die Unter- haltung der Marinewerfst, 45 000 Kronen für die Anbringung eines Widders an dem Panzerschiff „Odin“, sowie verschiedene kleinere Beträge zur Anschaffung von Artilleriematerial, Hand- waffen 2c.
Amerika.
Vereinigte Staaten. Staatssekretär Blaine hat die Depesche des Marchese di Rudini über das in New- Orleans stattgehabte Lynchgeriht noch immer nicht beantwortet. Präsident Harrison berieth fih, dem „R. B.“ zufolge, am 9. d. M. über eine Stunde ang mit Blaine und dem Hülfs-Staatssekretär Moore über die Fassung des juristishen Theils der Erwiderung der Devescbe, Die nt erpretation des mit Jtalien geschlossenen Vertrages soll derartig aufgesezt werden, daß fie auh für fünftige Fälle dienen kann. Moore gilt für eine Autorität auf dem Gebiete des Völkerrechts und Staatsrehts der Ver- einigten Staaten. Präsident Harrison wünscht, daß die Antwort mit solcher Klarheit abgefaßt werde, daß sich nichts daran deuteln lasse. (Vgl. Jtalien. Die Red.)
Jn New-Orleans nahmen am 9. d. die Verhand- lungen gegen den Detektiv O’'Malley ihren Anfang. Derselbe steht bekanntlih unter der Anklage, die Jury in dem
rozeß wider die Mörder Hennessey's bestohen zu haben.
wei Advokaten führen die Vertheidigung des Gefangenen.
ie die „A. C.“ berichtet, begaben sich ungefähr 30 Bürger, welch2e sämmtlich bewaffnet waren, in den Gerichtssaal, um durch ihre Bli einen ‘Druck auf die Jury auszuüben und eine Beschleunigung des Verfahrens zu veranlassen. Sie erwarten, daß wenigstens über eine der gegen O’Mally erhobenen Anklagen noch in diesem Monat ein Urtheil gesprohen werde, Und seien entschlossen, jeder ershleppung entgegen- utreten. Die Großjury widmete sich den ganzen Lag chindurch der Untersuchung des an den italienishen Ge-
Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.
1891,
Berlin, Montag, den 13. April
fangenen vollzogenen Lynhgerihts. Das Verhör der Gefängnißbeamten ergab jedoch kein besonderes Resultat, da sie sich hinter die Ausfluht zurückzogen, nicht Augen- zeugen der Erschießung der Ftaliener gewesen zu sein. Aus gleichem Grunde vermochten fie angebli nur einige wenige der Lyncher zu identifiziren. Die Großjury veranlaßte darauf die Vernehmung aller Zeitungsberichterstatter, welche bei dem Lynchgeriht zugegen gewesen waren. Einige von diesen nannten die Namen von Personen, welche Waffen getragen hatten. Die Großjury wollte ihren Bericht heute, Montag, unterbreiten.
Der Union League Club, eine der angesehensten und einflußreihsten New-Yorker Vereinigungen, faßte auf seiner am Donnerstag abgehaltenen Zusammenkunft Beschlüsse, welche einerseits das Lynchgeriht in New-Orleans entshieden verdammen, andererseits jedoch betonen, daß die Mehrheit der Theilnehmer daran weder aus Feinden des Landes bestanden, noch die freien Jn- stitutionen desselben zu gefährden beabsihtigt habe. Sie wären keine Anarchisten oder Revolutionäre, sondern vielmehr ge Freunde ihres Landes, welche in dem Kampfe gegen die Organisation ausländischer Verbrecher nur zu einem falshen Vêttel gegriffen hätten. Die Vereinigten Staaten müßten gegeu die Einwanderung von ausländischer Unwissenheit, Armuth und Verbrechen beshüßt werden. So- fortige Maßnahmen wären dringend nothwendig.
__ Das Handels- und Verkehrs3amt in New-York be- absihtigt, bei der Legislatur eine Petition einzureichen, daß diese den Präsidenten der Vereinigten Staaten ersuchen möge, in seiner nächsten Botschaft die besondere Aufmerksamkeit des Kongresses auf den wehrlosen Zustand der Einfahrt in den New-Yorker Hafen zu lenken und s{leunige Maßnahmen zur besseren Vertheidigung desselben zu treffen.
Chile. Nah in New-York eingegangenen Nachrichten des „W. T. B.“ aus Jquique vom 8. d. M. haben die Znsurgenten Arica und Tacna genommen und sind jomit jezt im Besiß des Nordens von Chile bis na Copiapo. Die Beseßung der Städte sei ohne Widerstand erfolgt; die Regierungstruppen hätten sich nah der Grenze von Bolivia geflüchtet.
Argentinien. Der Flottenkommandant Admiral Solier und mehrere Generale, welhe ein Manifest gegen die Kombination Mitre-Rocca unterzeichneten, sind, wie „N. B.“ aus Buenos-Aires meldet, verhaftet worden. Das in den leßten Tagen verbreitet gewesene Gerücht von einem Aufstande in Tucuman wäre jedoch nah neuerlich vorliegenden Nachrichten grundlos, °
Haus der Abgeordneten. 66, Sißung vom Sonnabend, 11, April 1891,
_DerSizung wohnen der Präsident des Staats-Ministeriums, Reichskanzler von Caprivi und der Minister des Jnnern Herr furth bei. :
__Die zweite Berathung der Landgemeindeordnung wird fortgeseßt bei 8. 42, Hiernach steht das Gemeinderecht demjenigen Gemeindeangehörigen zu, welcher entweder ein Wohnhaus im Gemeindebezirk besißt oder von seinem Grund- besiß in der Gemeinde mindestens 3 # Steuer entrichtet oder zur Staatseinkommensteuer oder nah einem fingirten Steuer- saße von mindestens 4 veranlagt und herangezogen ist, Die Worte „und herangezogen“ sind erst von der Kom- mission eingefügt worden. /
Abg. Rickert beantragt, die Worte „und herangezogen“ zu streichen.
Abg. Breiherr von Huene: Die Kommission habe die Regie- rungsvorlage in diesem Paragraphen mehrfach geändert, und er möhte niht empfehlen, diese Aenderungen gut zu heißen, Die erfte Aende- rung beziehe si darauf, daß nit nur den jeßigen Hausbesitzern das Gemeindewablrecht erhalten bleiben folle, sondern daß auch ihre Nach- kommen dieses Reht niht verlören, selbst wenn der Steuersaß nicht der für einen Hausbesißer sonst nothwendige sei. Zweitens solle das Gemeindewahlreht nur Denjenigen gegeben werden, welche zu 4 M Steuer nit nur veranlagt seien, sondern diese Steuer auch wirkli zablten. Wolle man auch diejenigen heranziehen, die nur zur Steuer veranlagt feien, sie aber niht zahlten, so werde man einen eigen- thümlichen Untershied machen zwischen Leuten, die weniger als 600 M Einkommen und sol@en, die mehr Einkommen hätten, aber beide zu den Gemeindelasten nihts beitrügen. Das würde duraus ungerecht- fertigt und auc praktisch undurch{führbar sein. Er bitte also, diese Abänderungsanträge abzulehnen und den Kommissionsantrag unver- ändert anzunehmen.
Minister des Jnnern Herrfurth:
Ich war gestern am S{lusse der Sißung nit im Stande, den Ausführungen der Hrrn. Abgg. Rickert und von Zedlitz zu diesem Para- graphen vollständig zu folgen. Da der fstenographishe Bericht noh nit erschienen ist, werde ih mich auf dasjenige beshränken müssen, was die Zeitungen gebraht haben, und was ich soeben aus der Rede des Hrn. Abg. von Huene als Entgegnung auf jene Einwendungen vernommen habe.
Der Hr. Abg. Rickert hat hiernach materiell die Bestimmung in §. 42 zu Nr. 6 c bemängelt, er hat deren Beseitigung beantragt mit der Absicht, ohne Nücksiht darauf, ob eine Heranziehung der- jenigen Gemeindeabgabenpflihtigen, welche weniger als 900 A Ein- kommen haben, zu den Gemeindeabgaben erfolgt oder nit, ihnen doch das kommunale Wahl- und Stimmrecht beizulegen.
Der Hr. Abg. Freiherr von Zedliy hat materiell gegen diese Bestimmung nichts eingewendet, bemängelt aber die Fassung der- selben, und zwar wie ich demnächst ausführen werde, meines Erachtens allerdings mit vollklommenem Recht.
Meine Herren, dieser §. 42 ist ja einer der wichtigsten Paragraphen der Landgemeindeordnung; er enthält eine der erheblichsten Neuerungen, welche diese Landgemeindeordnung bei der Regelung der ländlihen Gemeindeverhältnifse überhaupt bringt. Ih habe bei der Einführung der Landgemeindeordnung in der ersten Berathung dies ausführlich dargelegt und will kurz die Gründe rekapituliren, welche die Königliche
Staatsregierung bewogen haben, eine derartige Regelung vorzushlagen,
| Bauernstand
wie sie in der Regierungsvorlage enthalten ist, um danach die Stellung zu präzisiren, welche sie ihrerseits den Abändervngsvorshlägen der Kommission gegenüber eingenommen hat.
Bisher war das kommunale Wahblrecht — abgesehen von den allgemeinen Erfordernissen, die der §. 42, 1 bis 5 aufführt, — ganz aus\{ließlich an den Besiß eines Wohnhauses in der Gemeinde ge- knüpft. Ein Census, d. h. irgend ein fixirter Betrag an Staatssteuern als Vorbedingung des Wabhlrechts war nicht vorhanden. Der Vor- {lag der Staatsregierung ging dahin: nah einer Seite hin dieses Wahlrecht zu beschränken, nach der anderen Seite hin es zu erweitern ; es zu beshränken bezügli derjenigen Hausbesitzer, welhe niht einen Minimalbeitrag von mindestens 3 A an Grund- und Gebäudesteuer entrihten, es auszudehnen aber auf Alle, auch die Ni@teingesessenen, insoweit dieselben ein Einkommen von mehr als 660 beziehen. Der Grund hierfür war der, daß die Staatsregierung im Anschlusse an fast sämmtlihe Gemeindeverfassung8geseze in Preußen zu dem Prinzip sich bekannte, daß das allgemeine Wahlrecht für die Gemeinden nicht eingeführt werden könne, daß ein Census festgehalten werden müsse, und daß zweckmäßig dieser Census auch für die Hausbesigzer festzustellen sei, wiewohl sie ihn niht so boch fixirt, wie er in anderen Gemeinde-Verfafsung®gesetzen, namentlich in den Landgemeindeordnungen der westlihen Provinzen, festgestellt ist. Andererseits aber glaubte die Staatsregierung davon ausgehen zu müssen, daß es nit länger mehr möglich sei, den nicht- angesessenen Mitgliedern der Gemeinde das Stimmrecht voll- ständig zu entziehen, au wenn sie von ihrem Einkommen einen Betrag an Steuer zahlen, welcher diesen Minimalsat des Census überstiege, zumal wenn sie von diesem ihrem Einkommen auc zu dem Gemeindeeinkommen erhebliche Beiträge leisten,
Der Grund der Ausdehnung des Stimmrehtes auf die Nict- angesessenen ist in den Motiven der Vorlage und von mir in der ersten Lesung dahin präzisirt worden, es sei zunähst eine Forderung der Billigkeit, daß diejenigen, welche erhebliße Beiträge zu den Gemeindeabgaben bezahlen, au an dem Gemeindestimmreht bethéiligt werden, daß, wer mitthate, auch das Re(t haben solle, mitzu- rathen. Sodann aber habe ich als zweiten Grund angegeben, daß es wesentlich auG im Interesse der Gemeinden felbst liege, diese Elemente für die Gemeinde dienstbar zu mahen, sie in den Kreis der Gemeinde heranzuziehen, ihnen die Theilnahme an dem Gemeinde- leben zu ermöglichen, die Liebe zur Gemeinde dadur zu wecken, daß man fie mitrathen lasse in den Angelegenheiten der Gemeinde. Es ift ja ausdrücklich von dem Herrn Minister-Präsidenten bei der Ein- führung der ‘ Reformgesetze darauf hingewiesen worden, daß es der Zweck des vorliegenden Entwurfs sei, innerhalb der Gemeinde diese Thâtigkeit auf breitere Kreise zu übertragen.
Meine Herren, wenn das mit gewissen Redewendungen, von denen ih niht weiß, ob fie überhaupt bestimmt sind, ernsthaft genommen zu werden, als eine Depossedirung oder Demokratisirung des Bauernstandes bezeihnet wird, so genügt es, glaube ih, einfah auf die Erfahrungen hinzuweisen, die wir in Preußen selber gemacht haben, Wir können uns theoretische Erörterungen darüber sparen; denn wir haben in praxi derartige Einrichtungen seit länger als einem Menschenalter mit bestem Erfolge in den westlihen Landes- theilen gehabt. Meine Herren, wir haben in Westfalen, wo die Land- gemeindeordnung weitergehende Bestimmungen zu Gunsten der Nit- angesessenen enthält, einen Bauernstand, der so selbstbewußt, so in sich gefestet, so zäh, so in bestem Sinne durhch und dur konservativ ist, daß die Landestheile, für welhe diese Landgewmeindeordnung be- stimmt ist, si freuen könnten, wenn sie einen gleichen besäßen. Und, meine Herren, wenn wirkli Einzelne, wie der Hr. Abg. Gerlih gestern ausführte, jede Landgemeindeordnung, sie möge einen Inhalt haben, welchen sie wolle, fürchten, wie das Fledckfieber, so könnte ich denen vur wünschen, daß sie einmal Zeit und Gelegenheit fänden, ih die westfälishen Bauernverhältnisse etwas näher anzusehen, — i glaube, sie würden das Gruseln vor einer Landgemeindeordnung verlernen. (Sehr rihtig!) Nebenbei gesagt, können sie auch noch etwas dort lernen, z. B. die Thatsache, daß es in Westfalen einen hochangesehenen, wohlsituirten Stand der Großgrundbesizer, der ih des größten Einflusses in wirthschaftliher, sozialer und politischer Hinsicht erfreut, giebt, und daß diese Grundbesißer doch nicht in Gutsbezirken wohnen. (Hört, bört!)
Meine Herren, wenn in dieser Weise die Staatsregierung die Vorschläge Ihnen unterbreitet hat, so hat sie do nach eingehender Erwägung keinen Anstand genommen, ihren Widerspruch gegen die Aenderungen, welche die Kommission vorgenommen hat, im Wesentlichen fallen zu lassen, Der Hr. Abg. von Huene hatte bereits bei der ersten Lesung hervorgehoben, es sei nicht genügend, wenn die Staats- regierung den Häuslern ihr Wahlrecht für ihre Person bei- behalte, sondern es müsse jedem ohne Rücksiht auf die Höhe seiner Steuerzahlung dieses Wahlreht auch in Zukunft vorbehalten bleiben. Nachdem ich auf Grund dieser Anführungen des Hrn. Abg. von Huene über den Umfang, in welhem Häusler ihr Wahlrecht verlieren würden, nähere Ermittelungen veranlaßt habe, habe ih in der Kommission meinen Widerspruch dagegen fallen lassen, daß das Wahlrecht der Häusler unverändert dauernd beibehalten werde ohne Rücksiht auf die Höhe eines von ihnen zu entrihtenden Steuersaßzes.
Ich kann es nun zwar niht für zweckmäßig erachten, wenn weiterhin die Kommission in Nr. þ diejenigen Gemeindeangehörigen eingeshoben hat, die zwar nicht mit einem Wohnhause, aber mit Grundbesiß angesessen sind, von demselben aber nur einen Jahres- betrag von 3 l an Grund- und Gebäudesteuer zahlen und doch das Wahlrecht erhalten sollen, wenn ihr Gesammteinkommen weniger als 660 M beträgt. Aber mit Rücksiht darauf, daß allerdings das Moment des Angesessenseins in den Landgemeinden von sehr großer Bedeutung, „und daß die praktishe Tragweite dieser Bestimmung nur gering ist, habe ich au hiergegen einen Widerspruch nit erhoben.
Was nun aber den dritten Punkt anlangt, die Nr. c, so habe