1891 / 87 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

ih \@ließlih auß mit dem Sinn, der in der Kommission von den Antragstellern bei dieser Aenderung verbunden worden ist, mi ein- verstanden erklären zu können geglaubt, babe aber gegen die Fassung noch sehr erheblihe Bedenken geltend zu machen. Meine Herren, der Sinn dieses Absazes geht doch wobl nur dabin, daß in der Regel zwar der Steuersaß von 4 M oder will ich richtiger sagen ein Einkommen von 660 M als die unterste Grenze für das Kommunal- Stimm- und Wahlrecht gelten soll, daß es aber mögli sein solle, diejenigen Gemeindeangehörigen, welche nicht zur Staatseinkommen- steuer veranlagt sind, welche also nicht mehr wie 900 Mark zahlen, von dem Gemeinderehte auszuschließen, wenn sie nicht zu den Ge- meindeabgaben herangezogen werden.

Meine Herren, es entspriht das ungefähr dem, was in den rheinishen Städten besteht, wo man auch die untere Grenze des Census fixirt, aber die Möglichkeit einer Erhöhung zugelaffen hat, nur allerdings mit der meines Erachtens schr zweckmäßigen Beigabe, daß diese Ausschließung von dem Gemeinderechte nur dann eintreten soll, wenn keine Heranziehung zu den Gemeindeabgaben stattfindet. Also i kann sagen, mit dem Sinne, welcher dieser Bestimmung bei- gelegt werden soll, bin ich einverstanden, aber, meine Herren, i glaube, in der Fassung, wie sie hier vorliegt, kann fie niht bleiben. Ich bitte si zu vergegenwärtigen, welcher Zustand eintreten würde, wenn wir keine weitere Bestimmung hätten, als die unter dem §. 42, 6c. Im Januar soll nach der Abänderung, die Hr. von Meyer (Arnswalde) gestern durhgeseßt hat, die Liste der stimmfähigen Mit- glieder aufgestellt werden ; und nun, weiß denn der Schulze, ob im folgenden Etatsjahre überbaupt die in Rede stehenden Gemeinde- angehörigen zu den Gemeindeabgaben herangezogen werden? Wir haben ja eine ganze Reibe von Gemeinden, deren gewöhnliche Bedürfnisse durch ihre gewöhnlihen Einnahmen gedeckt werden, die aber für jede außer- ordentlihe Ausgabe eine Steuer aus\chreiben müssen. Da nun auc ein Etat nah den Anträgen der Herren Konservativen in Zukunft nicht aufgestellt werden soll, fo weiß man also nit vorher, ob diejenigen Per- sonen, die 660 bis 900 M Einkommen baben, als \timmfähige Mit- glieder aufzuführen sind, oder nit. Er weiß es nicht, er kann thun, was er will, er wird es mögliherweise do falsch machen. Sie Ffönnen auf diese Weise geradezu dabin kommen, daß Jahr um Jahr das Stimmrecht in der Gemeinde weselt. Jn diesem Jahre wird Feine Steuer erhoben, da sind die betreffenden Censiten ni ht wahl- berechtigt; im folgenden Jahre wird eine Steuer erboben, dann bekommen sie das Wahlrecht, im dritten Iabre wird wieder keine Steuer erhoben, da verlieren sie es wieder. Meine Herren, es kann fogar eine derartige Bestimmung tendenziss mißbraucht werden. Es kann sehr wohl die Gemeinde beschließen, in dem Iahre, wo der Gemeindevorsteher gewäblt wird, erbeben wir keine Steuer. Dann sind diejenigen, welche zwischen 660 und 900 A Einkommen baben, von dem Rechte der Theilnahme an der Waßl aus8ges{lofsen, im folgenden Jahre haben sie dann desto mehr zu zahlen.

F glaube also, es wird nichts übrig bleiben, als daß Sie diese Bestimmung mindestens bei der dritten Lesung in formeller Beziehung ändern etwa nah der Richtung bin, daß man sagt: das Stimmre({t bekommt jeder, welcher mehr als 660 M Einkommen hat, mit der Maßgabe, daß durch Ortsstatut die niht zur Staats8einkommen- steuer berangezogenen Gemeindeabgabepflihtigen unter Freilassung von der Heranziehung zu Gemeindeabgaben von dem Gemeinderecht aus8- ge\{lossen werden können. Dann baben wir wenigstens eine feste ortsftatutarishe Regelung, die so lange bestebt, bis das Ortsftatut wieder abgeändert wird, und die nicht bei jeder einzelnen zufälligen Beschlußfaffung über die Aufbringung der Gemeindeabgaben si ändern kann. Sollte nah dieser Ribtung bin der Paragraph, wie ih hoffe, von irgend einer Seite geändert werden, so würde ich meinerseits gegen die Abänderung, die die Kommission vorgenommen hat, Namens der Staatsregierung Einwendungen nit zu erbeben haben. (Bravo!)

Abg. Rickert: Die Absiwt seiner Partei gehe dabin, daß alle Diejenigen das Stimmrecht erhielten, welche ein Einkommen von mehr als 650 (4 hâtten, ganz gleihgültig, ob sie zur Gemeindefsteuer herangezogen seien, oder nicht. Die Bestimmung der Vorlage würde zu den wunderbarsten Konsequenzen führen. Er werde bei der dritten Lesung dazu einen Antrag stellen. Zunäwhst werde er zufrieden fein, wenn das Haus die Worte „und herangezogen“ streihe. Die Besorgnifse der Rechten, daß man MEpOY das Stimmrecht zu weit autdehnen könne, widerlege die Statistik, denn die Zahl, welhe zum Stimmre®t binzukomme, sei verschwindend klein, so daß die Zulaffung dieser Leute zum Stimmreht thatsählich eine minimale Bedeutung babe. Aber man werde nicht \chnell genug damit anfangen, den Kreis derer zu erweitern, welche in der Gemeinde mit- arbeiteten, sei es direkt an den Gemeindeversammlungen oder in- direkt bei der Wahl der Gemeindevertreter. Diese Bethei- ligung an den Arbeiten der Gemeinden sei ein besseres Mittel gegen die Sozialdemokratie als das ängstlihe Fernhalten der Leute vom Stimmrecht. Man habe hier genügende Kautelen in dem Drei- klassenwahlsystem und darin, daß zwei Drittel der Gemeindevertretung Grundbesitzer sein sollten. Materiell sei die Sathe nicht so unbedeu- tend. In Sachsen hätten z. B. diejenigen Leute das Stimmrecht, die es in Pommern nit häiten. Man sage, der Bauer verlange, daß nur Derjenige am Stimmrecht theilnehmen könne, der auch wirkli Steuern bezahle. Seien denn aber die Hand- und Spanndienste nicht ein vollkommenes Aequivalent für die Steuern? Seine Partei würde bedeutend weiter gegangen sein, als die Regierungsvorlage. Sie wünsche, daß alle die, welche einen selbstständigen Hauskalt bâtten, in die dritte Klasse ohne Weiteres zugelassen würden. Dieses Minimum würde wohlthätig wirken bei der Gestaltung der Gemeindeverhältnisse.

_ Abg, von Rauchaupt: Seine Freunde würden für die Kom- missionsfassung stimmen. Daß sie sonst durhaus geneigt seien, fh auf den Boden der Regierungsvorlage zu stellen, hätten fie bei Z. 15 bewiesen. An dem dabei festzesezten Grundsaß möchte er nit rütteln. Seine Partei glaube, daß damit auch manter S(wierigkeit bei Einführung der ganzen Landgemeindeordnung vorgebeugt werde. Es sei indeß zweifelhaft, ob man die seitherigen Gemeindeversammlungen noch in Funktion lassen könne und dürfe, bis die neuen {i konstituirt bâtten oder ob ein Bacuum zuzugeben sei, bis die neuen Vertretungs- körper da seien. Es werde sehr {wer sein, mit dem 1. April 1893 \chon in allen Gemeinden die neuen Gemeindevertretungen in Aktion treten zu lassen. Theilweise erledige sib dieses Bedenken allerdings dadur, daß das Ortsftatut auf drei Jahre noch für die Ueber- gangézeit aufrecht erhalten werden könne. Seine Partei sei dafür, daß Censiten bis zu 900 #4 stimmberechtigt seien, soweit sie zur Steuer herangezogen würden, Gegenwärtig sei rehtens, daß die Gemeinde beschließen könne, ob sie die Personen, die von der Staatssteuer frei seien, zur Kommunalsteuer herauziehen wolle. Er sehe hon, daß die Linke diesen Grundsay umstoßen wolle um des Stimmrechts willen. Soviel über die Nichtangesessenen. Was aber die Angesessenen betreffe, so habe die Regierungsvorlage allerdings eine sehr wohlgemeinte Absicht, indem sie die Häusler, die ja überall, Leider verleitet durch gewisse sozialdemokratishe Einflüsse, fh in einer Gegnerschaft zu den Bauern befänden, nur soweit zum Stimmrecht

solle. Nach der Regierungsvorlage würde etwa die Hälfte der Häusler vom Stimmrecht ausges\{lofsen sein und die wolle seine Partei auch noch zum Stimmrecht zulassen. Bedenken habe sie aber da- gegen, daß Vorausseßung für das Stimmrecht ein Steuersaß von mindestens 3 4 für den Grundbesig in der Gemeinde sein solle. Sie werde si über diesen Punkt aber erst bis zur dritten Lesung definitiv \{lüssig machen können.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Meine Herren! Die Ausführungen des Hrn. von Rauchhaupt veranlassen mi, noch auf drei Punkte aufmerksam zu maten. Er bat gesagt, es wäre wohl sehr zweifelhaft, wie die Einführung der Landgemeindeordnung si gestalten würde, namentli, ob rehtzeitig die neuen Gemeindevertretungsorgane würden konstruirt werden können und wie si der Uebergang gestalten würde. Er hat Bezug genommen auf den neu zugefügten Absatz in §. 142, der in etwas, aber do nit vollständig dieses Bedenken erledige. Meine Herren, das Bedenken erledigt sich aber meines Erachtens vollständig durch den zweiten Absay des §. 144, welcher lautet:

Wegen der Vorbereitungen für die nothwendig werdenden Neu- wahlen ist alsbald nah der Verkündigung des Geseges Anordnung zu treffen. Die Vollmacht der bisherigen Mitglieder der bestehenden Gemeindevertretungen erlischt mit dem Zeitpunkte des Inkraft- “” tretens des Gesetzes, doch bleiben dieselben bis zur Einführung der neugewählten Gemeindeverordneten im Amt.

Sodann mö@te ih ihm gegenüber darauf verweisen, daß der Grundsaß, wonach alle Gemeindeangehörigen, auch diejenigen mit weniger als 900 #4 Einkommen gemeindeabgabepflichtig sind und nur freigelassen werden können, si in thesi ausdrüdlich aus- gesprochen findet in §. 9.8 = na E ä

Endli möthte ih noch bemerken: ich schließe mi den Aus- führungen des Hrn. Abg. von Rauthaupt in Betreff der Bedenken gegen die Bestimmung in §. 42, 6 b vollständig an. Ich habe nur zugestimmt, weil ih mit ihm annebme, daß sie vraktisch von sehr geringem Werthe sein wird, daß sehr wenige Gemeindemitglieder vor- banden sein werben, welche Grundbesiß baben mit einem Steuer- betrage von 3 4 Grundsteuer, aber do& nit wenigstens 4 F Ein- kommensteuer zu entrihten baben. Wenn der Hr. Abg. von Rauth- haupt diesen Passus streihen will, so bin ih durchaus damit ein- verstanden, und ih will sagen: das ist für mi nur noch eine Steigerung des Wunsches, daß scine Anträge zu §. 48 abgelehnt werden; dann habe ih einen doppelten Vartheil davon. (Heiterkeit.) Abg. Freiherr von Huene bält cs für zweckmäßia, sich über die bessere Fassung der bestrittenen Vorschrift dieses §. 42 bis zur

dritten Lesung zu vereinbagen. i: Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa: Der Abg. von

Rauchhaupt wolle nur den Zweifel aufflären, welche Gemeindever- tretungen die entsheidenden Beslüste zu fassen habe, die alten oder die na diesem Geseße neu zu wählenden.

42 wird unverändert angenommen. : Nah §. 45 soll das Gemeinderecht u. A. ruhen, wenn ein Gemeindemitglied die Gemeindeabgaben nit gezahlt hat, bis

zur Entrichtung derselben. E Abg. von Meyer (Arnswalde) will diese Bestimmung ganz

streiten, während Abg. Sch{midt (Warburg) das Ruhen des Ge- meinderechts erft na erfolgter Vermahnung eintreten lassen will. Minister des Jnnern Herrfurth:

Meine Herren! Ich \{ließe mi den Ausführungen der Hrrrn. Abgg. von Strombeck und von Rau{hauvt vollständig an; man könnte sogar, wenn eine derartige Bestimmung niht vorhanden wäre, \{ließlid zu dem Resultat kommen, das Wablrecht ruhte nit, sondern würde verloren geben. Ich glaube, wir müssen die er- wäbnte Bestimmung haben. Aber i balte den Zusaß, der von dem Hrn. Abg. S{midt vorges&lagen ift, für durhaus zweckmäßig und mö@te bitten, daß Sie diesen Antrag annehmen.

8, 45 wird mit dem Antrag Schmidt angenommen. : Die Berathung des 8. 47, der von der Vertretung bei Ausübung des Stimmrechts handelt, wird ausge)eßt.

8. 47 a zählt die Erfordernisse auf für die Ausübung des Stimmrechts durch Vertreter. L

Aba. Bobtz bemängelt die Auslafsung des Empfanges von Armenunterstüzung als Grund für die Unzulässigkeit der Vertretung. Abg. von Rauchhaupt wünscht auch die Hinzufügung der- jenigen Personen, welhe das Stimmrewht felbft verloren haben. Aba. von Strombeck erklärt scine Uebereinstimmung mit den beiden Vorrednern. E e s E Abg. Smidt (Warburg) bält diese Bestimmungen nit für

nothwendig s : S E Abg. Bob versu@t, die Notbwendigkeit der Zusäße nochmals

M a abecdt bält die Hinzufügung des Anschlufses der Per- sonen, welche Armenunterstüßung empfangen, nicht für nothwendig. Minister des Jnnern Herr furth: Den Ausführungen des Hrn. Abg. Hobrecht kann ih mich nik vollständig anschließen. Wenn er den leßten Say des §. 47a si ansieht, wie er gedruckt ift, so wird er finden, daß er au s gerückt ist, Wäre er eingerückt, so lönnte man ihn lediglich auf Nr. 5 be- ziehen. So, da er ausgerückt ist, bezieht er sich auf alle Nummern. Es ist deshalb richtig, daß, wie der Hr. Abg. Boht beantragt, zur Klarstellung hinter dem Worte „der“ hinzugefügt wird „zu 2 bis 5“

Wenn ih mich also für diesen Antrag ausspreche, so möchte ih do sagen, ich habe zwar leine erheblihen Bedenken auch gegen den von ihm zu 1 beantragten Zusaß; die Absicht der Staatsregierung, einen solhen Zusay zu machen, hat jedo nit vorgelegen. Sie hat vielmehr geglaubt, in den Fällen dieser Vertretung möglich| wenig denjenigen, der in die Nothwendigkeit kommt, bei Ausübung seines Stimmrechts si vertreten zu lassen, cinzushränken.

Die Abstimmung über §. 47a wird ausgeseßt bis nah Ecledigung des §. 47, zu welhem inzwischen ein Antrag des

Aba. von Schal scha eingegangen is, wona großjährige Besige

r vor vollendetem 24. Lebensjahre und un evormundete

Besißerinnen durh männliche Gemeindeglieder vertreten werden

können. Ferner beantragt Abg. von S chalsha, den fen Absatz

des §. 47, wona selbständige E a n Besiterinnen,

Witliwen und auswärts wohnende Personen zur eigenen Aus- übung ihres Stimmrechts befugt sind, zu streichen und dafür zu seten: Auswärts wohnende Stimmberehtigte, welche das 24. Lebens- jahr zurückgelegt haben, und auswärts wohnende Vertreter Bevormundeter können das Stimmrecht persönlih ausüben, sind aber befugt, sh durch männliche Gemeindeglieder vertreten zu lassen. Abg. von Rauchaupt beantragt, Personen, welhe aus» wärts ihren Wohnsitz haben, die Ausübung des Stimmrechts durch

J

Abg. von Schalscha: Sein Antrag wolle die Zulaffung weib- liher Gemeindemitglieder aus\{ließen, weil dazu kein Bedürfniß vor- liege. Ein galanter Schulze werde gegenüber der Volubilität weib- ldi ua en den Sch{luß der Debatten nit herbeiführen können. eiterkei

Abg. von Meyer (Arnswalde) bittet um Streichung des Slußsatzes. : Ï

Abg. von Rauchaupt wünsht dur seinen Antrag feftzu- legen, daß auswärts wohnende Besißer befugt sind, in der Gemeinde- vertretung zu erscheinen.

Minister des Jnnern Herrfurth:

J kann mich meinerseits mit den Ausführungen des Hrn. Abg. von Raugthaupt nur einverstanden erklären; es ist in anderer Form die Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Die Regierungs- vorlage hat si aber ihrerseits an den Grundsay gehalten, der in den anderen Landgemeindeordnungen ausdrücklich ausgesprochen ist, und zwar in ciner Form ausgesprochen, die ih dem Hrn. Abg. von Salscha auch zur Annahme empfehlen möchte, daß nämli gesagt worden ist: das Gemeinderecht kann nur von Gemeindegliedern männli@en Geshlehtes ausgeübt werden. Es ist jet nur eine andere Fassung; im Uebrigen kann ih mi aber fonst nur den Ausführungen ans{ließen.

Abg. Graf Kanit glaubt den Frauen das Stimmrecht wahren zu sollen. Das Stimmret der Frauen sei geltendes Recht nach der Landgemeindeordnung von 1856, und er konftatire, daß das nah seinen Erfabrungen in Ostpreußen und Schlesien nicht zum Nachtheile der Gemeinden ausgeschlagen habe. Es handele si bier niht um die Frauenemanzipation, sondern um altbewährtes Recht. Er bitte um Ablehnung des Antrages von Schalfcha.

Abg. Ri tert: betont, daß das Stimmre({t der Frauen geltendes Recht sei, welches keinerlei Nachtheile im Gefolge gehabt habe. In Bezug auf die Volubilität der Zunge seien die Männer den Frauen gewachsen. In dem Empfange von Armenunterstützung sehe er kein Hinderniß, die Vertretung zu übertragen. :

Abg. Schmidt beantragt, in dem Paragraphen überall „Ge- meindeglied“ durch „Gemeindemitglied“ zu E Zu Gunsten des Antrages Schalscha sei zu erwägen, daß es großen Unterschied machen werde, ob cine berückende Schönheit oder eîne affreuse Häßlichkeit in der Gemeindevertretung sei. :

Abg: Freiherr von Huene macht darauf aufmerksam, daß nah der Logik des Grafen Kaniß auf Grund des 8, 6 der Landgemeinde- ordnung von 1856 au Minderjährige das Stimmre(ht haben müßten. Abg. Dr. Eberty {ließt sih den Ausführungen des Abg. Grafen Kaniy an. : .

Abg. Graf Kanißy sucht die Aeußerung des'Freiherrn von Huene auf Grund der Landgemeindeordnung von 1856 zu widerlegen.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Meine Herren! Ich muß zugeben, daß die Ausführungen des Hrn. Abg. Grafen von Kaniy in Betrcff des faktis bestehenden Zu- standes richtig sind; ich glaube aber, seine Deduktionen in Betreff des bestehenden Ret s zustandes treffen nit ganz zu. Das Stim m- recht der Frauen, welches faktish in sehr vershiedenen Landes, tbeilen z. B. besteht, kann meines Erachtens niht gestüßt werden auf 8, 6 des Gesetzes vom 14, April 1856. (Sehr richtig!) Nah der Richtung hin sind meines Erachtens die Deduktionen des Hrn. Abg. Freiherrn von Huene unbediagt dur{schlagend; aber, meine Herren, sie sind, glaube i, allerdings zu stützen auf den §. 3 dieses Gesetzes,

worin es heißt: Die Tbeilnabme an dem StimmreWt und die Art der Ausübung

in der Gemeindeversammlung wird durch die bestehende Ortsver- fassung bestimmt. Und es ift allerdings richtig, daß in einer großen Reibe von Gemeinden cine derartige Ortsverfassung bestanden hat, welche durch den §. 6

dieses Gesetzes niht abgeändert worden ist. :

Im Uebrigen kann ih nur wiederholen: wo wir kodifizirte Land- gemeindeordnungen haben, ift es ausdrücklich, und meines Erachtens mit Ret, ausgesprochen, daß nur Gemeindemitglieder männlichen GesGlechts an der Gemeindeversammlung und an der Gemeinde- vertretung theilnehmen sollen. Diefe Absicht hat au der Regierungs- vorlage stillschweigend zu Grunde gelegen. Ich kann mi deshalb nur mit dem Antrage von Rauchhaupt auf Streichung des letzten Zusatzes zu §. 47 einverstanden erklären.

Damit {ließt die Debatte.

Jn der Abstimmung wird der Antrag von Schalsha im Frsten Theile abgelehnt, der Antrag von Raugÿhaupt und der zweite Theil des Antrages von Schalscha angenommen.

ZU 8. 47a wird der Aas Boh Angen mon.

8. 48 lautet nah dem Beschlusse der Kommission :

Der Regel nah steht jedem einzelnen Stimmberehtigten eine Stimme in der Gemeindeversammlung, jedoh mit folgenden Maß-

ben, zu: ; J : L L M S Mindestens zwei Drittel sämmtlicher Stimmen müssen auf die mit Grundbesiß angesessenen Mitglieder der Gemeindeverfammlung entfallen. Uebersteigt die Anzahl der niht angesessenen Gemeinde- glieder den dritten Theil der Gesammtzahl der Stimmen der Mit- glieder der Gemeindeversammlung, so haben die ersteren ihr Stimmrecht durch eine jenem Verbältnisse entsprehende Anzahl von Abgeordneten auszuüben, welche sie aus ihrer Mitte auf die Dauer von sechs Jahren wählen. 2) Denjenigen Besißern, welche von ihrem im Gemeinde- bezirke belegenen Grundeigenthume einen, Jahresbetrag von 30 bis aus\Mließlich 75 4 an Grund- und Gebäudesteuer entrihten, sind je 9, denjenigen Besißern, welhe von diesem ihrem Grundeigenthum einen Jahresbetrag ron 75 bis aus\chließlich 150 # entrichten, je 3 und denjenigen Besißern, welche 150 # oder mehr entriten, je 4 Stimmen beizulegen. 3) Kein Stimmberechtigter darf in der Gemeindeversammlung mehr als ein Drittel der Gesammtzahl der Stimmen führen.

Nah der Vorlage sollten die Befißer, welche 75 bis 225 46 Grund- und Gebäudesteuer zahlen, zwei, die über 225 M zahlen, drei Stimmen haben.

Hierzu beantragen

1, die Abgg. von Rauchhaupt und Gen.:

die Nummern 2 und 3 dergestalt zusammenzufafsen, daß den- jenigen Besißern, deren im Gemeindebezirke belegene Grundftücke die der übrigen an Werth oder Größe erheblich überr1gen, wenn ihr

Stimmrecht nit in einem angemessenen Ver iltnifse ¿u den

von ibnen getragenen Gemeindelasten und -Abgabe steht, mehr als

eine Stimme dur Gemeindebeshluß beigelegt werden kann, jedo darf kein Stimmberechtigter mehr als ein Drittel der Gesammtzabl der

Stimmen erbalten. Kommt ein solher Beschluß nicht zu Stande,

so soll der Krei8ausshuß befugt sein, die etwa erforderlihe Er-

gänzung des Stimmrechtes zu beshließen, Es soll also dana jede geseßlihe Norm bezüglich der Vermehrung des Stimmrechts des größeren Grundbesi ers beseitigt werden.

IIL. die Abgg. Barthold u. Gen. :

daß durch Örtsstatut Grundbesißern, welche die im ersten Ab- saß erwähnten Steuersäße entrihten, eine größere Zahl von

Stimmen, jedoch nit über drei, vier und sechs Stimmen beigelegt

werden könne. Den Gewerbetreibenden der dritten Gewerbesteuer-

klasse sollen zwei Stimmen, den Gewerbetreibenden der ¿weiten

Gewerbesteuerkflafse drei Stimmen und den Gewerbetreibenden der

zulassen wolle, als sie zur Gebäudesteuer beitrügen. Seine Partei aber wolle, daß, wer ein Wohnhaus habe, auch stimmberechtigt sein

Vertreter nicht zu gestatten. Ferner will auch er den leßten Sah streichen.

ersten Gewerbesteuerklasse vier Stimmen beigelegt werden,

TIT. die Abgg. Ridckert u. Gen. : 1) Nr. I statt wenigstens F zu sagen „mindester. s die Hälfte“ ; 2) prinzipaliter Nr. 2 und 3 zu streichen, event. die Regierungs- vorlage wiederherzustellen, wona dentenigen Besißern, welhe von ihrem im Gemeindebezirk belegenen Grundeigenthum einen Jahres- betrag von 75 bis aus\{ließlich 225 G an Grund- und Gebäude- fteuer entrihten, je 2 und denjenigen Besitzern, welche von diesem ihrem Grundeigenthum einen Fahresbetrag von 225 A und mehr an Grund- und Gebäudesteuer entrichten, je 3 Stimmen in der Gemeindeversammlung beizulegen sind, während durch Ortsftatut die vorstebend angegedvenen Sätze erhöht werden können, IV. Abg. Freiherr von Huene: et A ip e L DABI 160 M N „20*, die Zahl Ee ur , un e Zahl „150* durch „100“; 2) als zwei Ablay E M 2 Page! G i G E E e Dur rts\tatut können die vorstehend angegebenen Grund- u Se Ee erhöht Zedlig E O . Abg. Freiherr von Zedliß: Für den Fall der An- nahme des Antrages sub IV. demselben hinzuzufügen: „Den Gewerbetreibenden der dritten Gewerbesteuerklasse sind 2 Stimmen, den Gewerbetreibenden der zweiten Gewerbesteuer- klasse sind 3 Stimmen und den Gewerbetreibenden der ersten Ge- werbesteuerklasse sind 4 Stimmen beizulegen. Für den Fall der Erhöhung der Zahl der Stimmen der Gruni- besißer ist die vorstehende Stimmenzahl entsprechend zu erhöhen. Abg. Freiherr von Huene: §. 48 sei ciner der bedeutungsvollsten der ganzen Vorlage, Durch frühere Bestimmungen habe man ganz neue Gemeinden gleihsam konstituirt. Es seien Mitglieder in die

Gemeinde als thätige und wahlberehtigte Mitglieder aufgenommen, die es früher niht gewefen seien. Der Uebergang von alten zu neuen Zuständen müsse nun zweckmäßtig ausgeglihen werden, und zu diesem Zweck werde in der neuen Gemeinde den bisherigen einzig \timm- berehtigten Hausbesißern ein Vorzug gegeben. Dieser folle erstens da- dur geschaffen werden, daß die Eingesessenen mehr als die Hälfte der Stimmen der Gemeindevertretung hätten. Außerdem werde be- \timmt, daß auch die Größe der gezahlten Grund- und Gebäudesteuer das Stimmrecht so vermehren solle, daß bis zu vier Stimmen auf einen Mann vereinigt sein könnten. Sein Antrag wolle nun eine wesentliche Aenderung hier einführen. Nach seinen Ermittelungen gehe {hon jeßt die Grenze der Vermehrung der Stimmzahl des Einzelnen weit unter 20 M herunter. Darum?“ glaube er die von ihm vorgeschlagene Aenderung zur Annahme empfehlen zu können. Die konservative Partei halte es niht für zweckmäßig, bestimmte Zahlen in das Gefeß zu stellen, sondern diese wolle fie der orts\statutarishen Regelung über- lassen. Die Konservativen nähmen nun an, daß diese erste Thätigkeit der neuen Gemeinden, die Bestimmungen über die Gemeinde- vertretung, niht gerade zu Gunsten der alten Gemeindemitglieder ausfallen dürften, darum sollten die Kreisaus\{üsse den Beschluß ergänzen dürfen; aber für eine so werthvolle Einrichtung er auch den Kreitaus\huß halte, so dürfe man ihm doch auch niht zu große Vollmachten einräumen. Der Kreisaus\{uß folle die Gemeinde- beshlüsse ean gen nicht aber, wie es ihm hier zugewiesen werde, für die Gemeinde Beschlüsse fassen. Er sei zu der Ueberzeugung ge- kommen, daß man auch mit Verhältnißzahlen nur {wer fertig werden könne. Er glaube, daß man bci der Fixirung einer Grenze von 20 gerade den Besiß, der fo groß sei, daß ihm eine besondere Berücksichtigung bei der Leitung der Gemeindeangelegenheiten gebühre, au genügend berückfichtige. Mehr als 4 Stimmen solle man aiht in einer Person vereinigen, weil es do \chließlich niht bloß darauf ankomme, die Steuerzahler abstimmen zu lassen, fondern man müsse auch die Tüchtigkeit der Person berüdcksichtigen. Das komme namentlich bei Gemeindeämtern in Betracht. ie Selbständigkeit der Gemeinden, welche der Abg. von Rauchhaupt vorsclage, sei ja geltendes Recht; aber dieses geltende Recht auf die neu zu \{affenden Gemeinden zu übertragen sei ein gar gefährliches Ding. Der Antrag von Zedliß wolle nun au die Gewerbesteuer bei der Erhöhung der Stimmenzahl berücksichtigen. Das werde keine große praktische Bedeutung haben. Denn die industriellen Unter- nehmungen, die so groß seien, daß sie eine erheblihe Gewerbesteuer zahlten, hätten auch einen solchen Grundbefiß, daß {on dadurch Ihnen das den Großindustriellen gebührende Stimmrecht in der Gemeinde gewährleistet sei. y

Inzwischen ist noch ein Antrag des Abgeordneten Grafen Kaniß eingegangen, wonach der Antrag Rauchhaupt dahin geändert werden soll, daß den Großgrundbesißzern niht mehr als eine Stimme beizulegen ist, statt „beigelegt werden kann.“

Abg. von Tiedemann (Labischin): Der Antrag Rickert empfehle sih deswegen nicht, weil, wie die Erfahrung lehre, in Folge der neueren Geseßgebung über die Freizügigkeit und des Unterstüßungs- wohnsißes eine sehr fluktuirende Bevölkerung auf dem Lande si aufhalte; ja, au ein großer Wesel in dem Besiß der kleineren

Grundstellen finde statt, während die \spannfähigen Höfe fast sämmt- li in derselben Hand blieben; und darum sei es sehr bederklih, mehr als ein Drittel der Stimmen den Gemeindeangehörigen zuzuweisen, die man nicht als seßhaft betrahten könne. Der Antrag von Rauch- haupt würde, da er sehr dunkel gehalten sei, zu großen Zweifeln Anlaß geben können , und {hon darum möchte er ihn nit angenommen sehen. Außerdem aber müßten in Bezug auf das so wichtige Gemeinde-Stimmrecht ganz bestimmte Normen existiren. Nach dem Anirage von Rauchhaupt könne es z. B. dahin kommen, daß von 30 vorhandenen Stimmen, 10 von Nichteingefefsenen ausgeübt würden, die übrigen 20 von 2 Bauern. Eine solche bäuerlihe Oligarchie würde sehr bedenklich sein und der sfozial- demokratisWen Bewegung die Wege bahnen. Da die Grundsteuer eine ganz verschiedene Bedeutung in den verschiedenen Provinzen habe, so möchte es sich wohl empfehlen, nicht eine bestimnte Steuer fest- zusetzen, sondern eine gewisse Latitude nah dieser Richtung hin zu lassen, und mit dieser im Antrag von Zedliß enthaltenen Aenderung bitte er den Kommissionsvorschlag anzunehmen.

Abg. v. Rauchhaupt: Sein Antrag wolle nichts weiter als die schon jeßt bestehenden geseßlichen Bestimmungen auch für die Zukunst festhalten. Wer wie er, lange Zeit in der ländlihen Ver- waltung gelebt habe, wisse, daß es sich mit diesen Bestimmungen fehr gut leben lasse. Nah dem Vorschlage der Kommission könne es leicht Tommen, daß der Bauer mit seinem Tagelöhner zugleich in der Ge- meindevertretung siße, und das würde der Stellung des Bauern wohl niht entsprehen. Er glaube nicht, daß durch seinen Antrag der Sozialdemokratie die Wege geebnet würden, denn etwas Aehnliches wie er vorshlage, bestehe auch in der Wahlordnung für das preußische Abgeordnetenhaus, und man werde doch nicht sagen, daß diese Wahl- ordnung der Sozialdemokratie die Wege ebne, Der Kreis8aus\{chuß sei nah seiner ganzen sehr weise geregelten Zusammenseßung wohl geeignet, die Gemeindebeshlüsse zu ergänzen. Der Kommissions- vorshlag werde zu noch größeren praktischen Schwierigkeiten führen, als sein Antrag; wenn etwa 10 Angesessene und 20 Niht- eingesessene in einer Gemeinde seien, müsse man jenen eatweder 20 Stimmen zubilligen oder die 209 Nichteingesessenen auf Stimmen reduziren, damit sie das ihnen gehörige Drittel niht überschritten. Auch wenn 20 Häusler und 30 Nichteingesessene vorhanden seten, müsse man die Stimmenzahl der Nichteingesefsenen herunterseßen. Es sei niht böser Wille, der ihn zu seinem Antrage veranlafsez; denn hier handele es sich wahrhaftig niht um den Veovam ns fondern um die Kräftigung der bäuerlihen Gemeinden. Die nteressen des Großgrundbesißes würden erst bei der Bildung der Zweckverbände zur Sprache kommen. Ganz unsympathisch sei ihm der Antrag des Centrums. . Er bitte das Haus, die Frage niht bloß vom rein politishen Gesichtspunkt zu regeln. Denn der Bauernstand, um den es ih hier handele, sei die alte und wohlbewährte Basis unseres Staatslebens und unserer Armee. Er bitte, diese auch weiterhin zu hüten.

Minister des Jnnern Herrfurth: J bin mit Hrn. von Raucbhaupt darin einverstanden, daß wir Hier bei §8. 48 bei einer der wichtigsten Bestimmungen der Landgemeinde-

ordnung stehen; und wenn er erklärt hat, daß seine Fraktion ihre Stellung zu dem ganzen Gesetze von der Gestaltung dieses Paragraphcn würde abhängig machen, so gilt dies, glaube ich, nicht von seiner Fraktion allein; insbesondere gilt es auch von der Königlichen Staatsregierung. (Bewegungz hört, hört!)

Meine Herren, es is nach den Verhandlungen, welche in der Kommission über diesen §. 48 in sehr eingeheader Weise gepflogen worden find, ja mit Sicherheit zu erwarten gewesen, daß eire große Reihe von Anträgen für die zweite Berathung im Plenum gestellt werden würde. Jch bin niht von der Zahl derselben überrascht, bei dem einen allerdings von der Faffung. Diese Anträge wollen sämmtlich eine Abänderung der Kommissionsvorschläge bezw. der Regierungsvorlage, und mein Wunsch geht dahin, daß keiner dieser Anträge angenommen werden möchte (hört !). Die Anträge gehen nach verschiedenen Richtungen hin. Der eine will die Bestim- mungen der Kommissionsbeshlüsse zu Ungunften der Grundbesitzer abändern, die anderen wollen sie zu Gunsten derselben, sowie zu Gunsten der Gewerbetreibenden vershärfen. Der Antrag Eberty will zunächst das Verhältniß der Angesessenen und der Nichtangesessenen anders gestalten, er will den Minimalsaß der Angesefsenen in der Gemeinde- versammlung auf die Hâlfte herabsezen. Jh habe bereits bei der ersten Berathung meinen entshiedenen Widerspruch hiergegen erklärt ; i muß an demselben festhalten. Denn, meine Herren, für die Landgemeinden ift der Grundbesitz, ist die Landwirthschaft ein fo aus\{laggebender Faktor, daß es meines Era{tens ohne eine Gefährdung dieses werthvollsten Faktors niht möglich ift, den Grundbesiß ganz gleih zu stellen in Bezug auf die Theilnahme an den Landgemeindeangelegenhciten mit den Nichtangesessenen (sehr richtig! rechts), Jh bin auth der Meinurng, an dem Grundsaß, daß in der Landgemeinde- versammlung und in der Landgemeindevertretung die Majorität der Angesessenen gesichert sein muß, ift unbedingt festzuhalten. Wir können nicht die Hand dazu bieten, daß die Nitht- angesessenen vielleiht mit Hülfe von ein paar Häuslern die übrigen Angesessenen, die Bauern, majorisiren. Jch glaube deshalb mi gegen den Antrag Eberty zu a unbedingt erklären zu sollen, und ebenso gegen den Prinzipalantrag zu b, welcher darauf hinaus- geht, wenigstens ein unbedingt gleihheitlihes Stimmreht inner- halb der Gemeindevertretung herzustellen und jede Bevorzugung des großen Grundbesitzes auszuschließen. Aber ebensowenig kann ih mich mit denjenigen Anträgen einverstanden erklären, welhe von den Abgg. Barthold urd Freiherr von Huene und Freiherr von Zedlitz gestellt sind, und welche die Bestimmungen der Regierungsvorlage über das Maß der dem größeren Grund- besig zugestandenen Mehrzahl von Stimmen noch erheblich erweitern wollen. Meine Herren, ich eremplifizire au hier wiederum auf Westfalen und den westfälishen Bauernstand, wo die Bestimmung si bewährt und nirgends zu Bedenken geführt hat, daß in der Ge- meindeversammlung an si ein gleihheitlißes Stimmrecht stattfindet, und eine Mehrzahl von Stimmen nur demjenigen beigelegt werden soll, welcher von seinem Grundbesiß mehr als 225 # Steuern zahlt. Die Regierung hatte \ich ihrerseits nah eingehender Erwägung ent- \{chlofsen, erheblich unter diesen Saß heruntergehen, weil die Ver- hältnisse in den öftlihen Provinzen doch gegenüber jenem potenten und werthvollen Grundbesiß wesentlich vershieden sind. Die Regierung ist deshalb auf ein Drittel jenes Satzes heruntergegangen und \{lägt vor, zwei Stimmen bereits demjenigen Grundbesiß zu geben, welcher 75 M Steuer entrichtet, und eine weitere Stimme dem Grundbesitz, welcher mehr als 225 A. zahlt.

Nun bat Ihre Kommission diese Säße, während bereits die Regierung auf cin Drittel der westfälischen Säße heruntergegangen war, noch auf ein Drittel der Vorschläge der Regierung ermäßigt ; denn sie hat den Saß von 75 A ermäßigt auf 30 f, den Saß von 125 M auf 75 F, und hat dann noch eine weitere Klasse bei einem Steuerbetrage von mehr als 150 4 eingeführt. Meine Herren, ich glaube, die Kommission ist hierin bereits schr weit gegangen, und halte es für bedenklich, wenn der Hr. Abg. Freiherr von Huene und der Hr. Abg. Barthold und Genossen in einer gewissen Uebereinstimmung in der Sache, wenn au bei Verschiedenheit in der Form, nun wiederum diese Zahl um ein Drittel ermäßigen. Was diese beiden Anträge an- langt, so muß ih sagen: der Antrag des Hrn. Abg. Freiherrn von Huene empfiehlt sh durch eine größere Klarheit und Schärfe in der Fassung ; sein Antrag ift ja materiell derselbe, den der erste Absatz des Antrages des Hrn. Abg. Barthold enthält. (Zurufe rechts: Nein!) Der Hr Abg. Barthold sagt: die Säße können um ein Drittel ermäßigt werden, sie fönnen von 30 auf 20, von 150 auf 100 M herabgeseßt werden, und sie können erhöht werden.

Der Hr. Abg. Freiherr von Huene will sie ebenfalls auf diese Zahlen herabseßen und sagt: sie können aber erhöht werden. Ich glaube also, meine Herren, materiell sind in Betreff der Zahlen beide Anträge durchaus gleihwirkend. Aber mir ist der Antrag des Hrn. Abg. Freiherrn von Zedliß nah einer Richtung hin lieber; er stellt nämlich als Regel die Sätze fest auf 30, 75 und 150 K, und es muß eine ortsstatutarische Regelung stattfinden, wenn eine Herabseßung eintreten soll, während der Hr. Abg. Freiherr von Huene mit einem geringen Saße anfängt und nur eine Erhöhung zuläßt. Deswegen muß ih, obwohl mir beide Anträge nit erwünscht sind, sagen, daß der Antrag der Hrn. Abg. Barthold und Genossen doch event, mir den Vorzug zu verdienen \{heint. Daß man, wenn in der Beilegung einer Mehrzahl von Stimmen an den größeren Grundbesiß so weit gegangen werden soll, nun auch den großen Gewerbebetrieben eine größere Stimmenzahl wird bei- legen müssen, erkenne ih an, und ih würde gegen eine entsprechende Berücksichtigung des Gewerbebetriebs bei der Normirung meinerseits einen Widerspruch nicht erheben. Ih wende mich nun zu dem An- trag des Hrn. Abg. von Rauchhaupt und will da gestehen, daß ih allerdings dur die Form desselben einigermaßen überrasht war. (Sehr richtig! links). Ich habe diesen Antrag nicht erwartet, nit etwa wegen der Vorverhandlung über die Landgemeindeordnung in der Kommission, sondern im Hinblick auf die Verhandlungen, welche hier in diesem hohen Hause vor ganz kurzer Zeit bei Gelegenheit des Antrages des Hrn. Abg. Bachem inbetref der rheinischen Städte- ordnung gepflogen worden sind.

Meine Herren ! Es wurde damals von dem Herrn Antragsteller meines Erachtens mit vollem Recht hervorgehoben, das kommunale Stimm- und Wahlrecht sei ein solches Grundrecht, daß dasselbe innerbalb eng begrenzter Schranken geseßlih geregelt werden müsse, und daß man den Gemeinden nicht überlassen könne, ihrerseits be-

liebig in weiten Schranken dieses Stimmrecht anders zu normiren,

(Hört, hört ! links und im Centrum.) Damit hat sih die rechte Seite des Hauses ausdrücklich einverstanden erklärt. (Hört, hört ! links und im Centrum.) Sie haben dieses Pcinzip angenommen, und die Staatsregierung hat in Anerkennung dieses Prinzips den Paragraphen des Einkommensteuergeseßes entsprechend gestaltet. (Zu- rufe und Unruhe rechts.) Meine Herren, nun wollen Sie doch nit eiwa sagen: dort handle es sich um Stadtgemeinden der Rheinprovinz und hier handle es \sich um Land- gemeinden des Ostens. (Zurufe rechts:; Gewiß!) Sie sagen also: Ja, Bauer, das if ganz was Anders! (Große Heiterkeit und sehr gut! links und im Centrum.) Nein, meine Herren, die Staatsregierung steht nach wie vor auf dem Standpunkt : ein solches kommunales Grundreht, wie es das Stimm- und Wahl- re@t is, muß geseßlih in möglichst engen Schranken festgelegt werden (sehr ritig! links und im Centrum). Das kann der beliebigen Willkür einer Gemeinde oder einer kommunalen Aufsichts- behörde nicht überlassen werden. (Lebhafter Beifall links und im Centrum.) Ich möhte darauf aufmerksam machen, daß das- jenige, was gegen den Antrag des Hrn. Abg. Bachem damals an- geführt worden ist, es handle sich ja nur um die Wahrung der Gemeindefreibeit, das hier béi diesem Antrage doch wahrhaftig nicht angeführt werden kann, wo auédrüdcklich im leßten Absaßz gesagt ift: wenn ihr ni{t wollt, dann müßt ihr, dann wird euh gegen euren Widerspruch eine folche Regelung des Stimmrehts zu Gunsten der größeren Grundbesißer von dem Krei8ausshuß oktroyirt. Das ift do, meine Herren, das \screiendste Gegentheil von dem, was man Gemeindefreiheit und Gemeindeordnung nennen könnte. (Sehr richtig! links.) Meine Herren, ih gebe zu: die Ausdrücke des Antrags sind zum Theil dem Gesetze vom 14. April 1856 entnommen (Zurufe), nicht alle in ihrem ganzen Wortlaute, aber diese Bestimmungen haben ih als nit genügend bewährt (Widerspruch rechts) und find eben derartige ih möchte sagen Gummielastikumausdrüde: „erheblih“, „angemessen“, verhältnißmäßig“. Meine Herren, das ist keine Regelung, wie wir für diese Frage sie wünshen. Das können Sie doch nit etwa als eine organische Regelung bezeichnen wollen gegen- über der der Staatsregierung und der Kommissionsbeschlüsse; hier handelt es sh einfah um den Gegensaß zwischen gesetzlicher Regelung und Willkür. (Unruhe rets, sehr gut! links.)

Meine Herren, die Bedenken, die der Abg. von Rauchhaupt gegen die Beschlüsse der Kommission geltend gemacht hat, sind meines Erachtens auch faktish nicht zutreffend. Er hat zunähst gesagt: es behagt dem Bauern nit, mit seinen Tagelöhnern in einer Gemeinde- versammlung an demselben Tisch zu fißen. Meine Herren, das ist meines Erachtens gänzli ungerechtfertigt. Jch gebe zu, der Bauern- stolz und die Bauernfähigkeit ist ein äußerst werthvoller Faktor in unserem wirth\chaftliGen und sozialen Leben, den wir gar nicht entbehren können; wenn er aber einen derartigen Ausdruck findet, dann ist es nicht mehr Bauernstolz, sondern Bauernhocchmuth. (Große Varuhe rechts; sehr gut! links.) Der Abg. von Tiedemann hat bereits mit Recht darauf hingewiesen, daß dieser Antrag es gestattet, daß gegen Widerspruch der Gemeinde zwei Bauern es kann ja der eine auch ein Großgrundbesißer sein, dessen Gut der Gemeinde wider seinen Willen zugelegt worden is zwei Drittel sämmtlicher Stimmen bekommt und alle Uebrigen nur mit einem Drittel abgefunden werden, cine Grenze nah oben ist zahlenmäßig garnicht festgestelt. Bei dem von dem Abg. v. Rauchhaupt angegebenen Beispiel, wo es sh um 20 Häusler und 5 Bauern handelte, würden den 5 Bauern 40 Stimmen beigelegt werden können.

Meine Herren, ich kaun nur wiederholen: die Staatsregierung glaubt, daß sie cinen rihtigen Mittelweg in ihren Vorschlägen eingeschlagen hat, und sie hat sih bei Normirung dieser Säge an die Gutachten gehalten, die ihr von allen Behörden zugegangen waren. Die Staatsregierung will aber bei dem Werth, der von einem großen Theil des Hauses auf eine Normirung geringerer Sätze gelegt wird, keinen Widerspruch dagegen erheben, daß die Kommissionsvorshläge, welche die Säße der Regierung um ein Drittel vermindern und die Zahl der Stimmen um 25 9% erhöhen, angenommen werden, Dagegen möchte ich Sie bitten, alle Ab- änderungsvorschläge zu diesem Paragraphen, vor allen aber den An- trag des Hrn. Abg. v. Rauchhaupt abzulehnen. (Bravo! links.)

Aba. Dr. Krause: Die fozialpolitishen Gegensäße würden nicht dadur überbrüdt, daß man die Bauern gegen die Eacildüner, die Angesessenen gegen die Nichtangesessenen ausspiele, sondern da- dur, daß diese zusammengebracht würden. Das Stimmrecht müsse geseßlih festgelegt werden, das Centrum habe selbst ein großes Ge- wicht darauf gelegt, daß diese Frage nicht in das Belieben der ein- zelnen Gemeinden gelegt werde. Es handele sich bier nicht um die Freiheit und Selbständigkeit der Gemeinden, sondern darum, daß der am Ruder befindlihen Interessentengruppe oder Partei das Recht gegeben werde, den Gegnern das Wahlrecht zu beschränken. Diesen Standpunkt habe das Centrum durch feine Reden beim Einkommen- steuergeseß in Bezug auf die städtishen Wahlen vertheidigt. Die Anträge wollten die Willkür des Kreisaus\{chusses und der Gemeinde feststellen. Namentlih der Antrag von Rauchhaupt biete durchaus keine rihtige Grundlage, auf welcher man aufbauen könnte.

Abg. Freiherr von Zedligß empfiehlt den Antrag Bartbold, wonach die Gemeinden das Recht haben sollen, die Grundsteuersäße der Kommission zu erhöhen oder, wo die Grundbesißer bisher ein höheres Stimmrecht hätten, zu ermäßigen, jedoch leßteres nur um ein Drittel. Der Gegensatz, welcher hier in Frage stehe, sei nicht so erheblih, als man nach den Debatten annehmen sollte. Der kon- servative Antrag lasse allerdings den Gemeinden eine größere Frei- heit, aber dafür schiebe er den Kreisaus\{hüssen die Aufgabe zu, da, wo die Gemeinden einen Beschluß nit faßten, ihrerseits die Sachen zu ordnen; vor diesem Danaergeschenk müsse der Kreisaus\{chuß be- wahrt werden. Der Antrag von Huene und der Antrag seiner Partei bezweckten in gleiher Weise die Festhaltung des Grundsages, daß eine geseßlihe Regelung gegeben werden solle. Während aber der Antrag von Huene einen Maximalsaß als Regel hinstelle, wolle feine Partei eine mittlere Linie als gefchlie Regel feststellen, Eine Erhöhung des Stimmrechts gegenüber der Kommissionsvorlage wolle fie nur so weit gestatten, als bereits bisher ein höheres Stimm- reht dem Grundbesiß zu Theil geworden sei. Die Sätze des Antrags von Huene paßten wegen der Verschieden- heit des Bodenwerthes nicht für alle Gegenden. In Gegenden mit ganz hoher Grundsteuer sei ein Betrag von 20 4 an Grund- steuer viel zu niedrig, als daß man diesem Grundbesiß regelmäßig ein höheres Stimmrecht geben könne. Dagegen treffe der Kommissions- vorshlag ungefähr die Mittellinie zwischen dem Klein- und Großbauern- stande. Der Antrag seiner Le gebe alle möglichen Garantien, um das Stimmrecht den örtlihen Interessen entsprechend zu regeln; er gebe das Nothwendige, gehe aber niht darüber hinaus und vermeide all die schweren praktishen und grundsäßlihen Bedenken, welhe gegen den konservativen Antrag sprächen. erde die Grund- und ebäudesteuer allein zu Grunde gelegt, so würden die Gewerbetreibenden in der That zu \{lecht gestellt. Die Gewerbesteuer müsse daher mit-

berechnet werden. Es entsprehe der Gerechtigkeit, au den Ges