1891 / 88 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches.

Dentsches Reich.

Preußen. Berlin, 14. April.

Nach telegraphischer Meldung aus Jquique ift das deutsche Kohlenschiff „Rajah“, nahdem es von dem Geschwader der cilenishen Kongreßpartei freigegeben war, am 11. d. M. in Jaquique eingetroffen.

Major von Wissmann is dur Allerhöhste Ordre unter dem Ausdruck besonderer Zufriedenheit von jeinem Kommissorium als Reicbskommissar von Oft - Afrika in Gnaden entbunden worden. Das ihm Seitens des Reichskanzlers gemahte Anerbieten, weiterhin als Kom- missar zur Verfügung des Gouverneurs von Ost-Afrika dem Reiche Dienste zu leisten, hat Major von Wissmann angencmmen, gleichzeitig aber einen Ddreimonatigen Urlaub für Europa erbeten und erhalten.

Nah der im Reichs-Eifenbahnamt aufgestellten, in der Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „Reihs- und Staats - Anzeigers“ veröffentlichten Nachweisung der aus deutschen Eisenbahn®En ausshließlich Bayerns im Monat Februar d. J. beim Eifenbahnbetriebe (mit Aus\shluß der Werkstätten) vorgekommenen Unfälle waren im Ganzen zu verzeihnen: 12 Entgleisungen und 4 Zusammenstöße auf freier Bahn, 25 _Entgl-isungen und 20 Zusammenstöße in Stationen und 192 fonstige Unfälle (Ueberfahren von Fuhrwerken, Feuer im Zuge, Kesselerplofionen und andere Ereignisse beim Eisenbahnbetriebe, sofern bei legteren Personen getödtet oder verleßt worden find). Bei diesen Unfällen findim Ganzen, und zwar arößtentbeils dur eigenes Verschulden, 200 Personen verunglüdckt, fowie 54 Eisenbahnfahrzeuge er- beblih und 153 unerheblich beschädigt. Von den beförderten Reisenden wurden 3 getödtet und 5 verleßt, und zwar ent- fallen: je eine Tödtung auf die Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn-Direktionen zu Erfurt und zu Brom- berg und auf die Reihs-Eisenbabnen in Elsaß-Lothringen, je eine Verleßung auf den Verwaltungsbezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion (linksrh.) zu Köln, auf die Reichseisenbvahnen in Elsaß-Lothringen und die Großherzoglich vadishen Staats- eisenbahnen. Von Bahnbeamten und Arbeitern im Dienst wurden beim eigentlihen Eisenbahnbetriebe 30 getddtet und „140 ver: leßt, von Steuer- u. \. w. Beamten 1 getödtet und 3 verlegt, von fremden Personen (eins{lteßlic der nicht in Dienst befindlihen Bahnbeamten und Arbeiter) 16 getödtet und 4 verleßt. Außerdem wurden bei Nebenbeshäftigungen 36 Beamte verlezt. Von den sämmtlihen Unfällen deim Eisenbahnbetriebe entfallen auf: A. Staatsbahÿne1 unter Staatsverwaltung stehende zusammen 33 471,35 km Betriebslänge und geförderten Achskilometern) 248 Fälle, mäßig, d. h. unter Berückfichtigu! gesi meter und der im Betriebe gewesenen Längen, n _ waltungsbezirken der Königlichen Eisenbahn-Direltionen Köln (rechtsrh.), zu Breslau und zu Erfurt die meisten Ur vorgekommen. B. Privatbahnen (bei zujammen 2929S Betriebslänge und 27 761 310 geförderten Achstilometern 7 Fälle, davon find verhältnißmäßig auf der LUded- Büchener Eisenbahn, auf der Werra-Eisendzhn und au

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Hessischen Ludwigs: Eisenbahn die meisten Unfêële vorgekommen.

4 +

Der Kaiserlihe Gesandte bei der Deizerisen genossenschaft, Wirkliche Geheime Rath und Kammerh-rr Bülow ist von dem ihm Allerhöst bewilligten kurz Urlaub nach Bern zurückgekehrt und hat die Ge\ck@aste Gesandtschaft wieder übernommen.

Der neuernannie Regierungs - Assessor ist der Königlihen Regierung zu worden. :

Die Regierungs - Referendare Hartwig Dr. jur. Walter aus Köslin, Dr. jur. Hammer aus Ÿ dam, Graf von Finckenfiein aus Marienwerder 5 von Wrede aus Aachen und Dr. jur. Reumont Aachen haben am 11. d. M. die zweite Staatëprüfung für den böberen Verwaltungsdienfst bestanden.

S. M. Kanonenboot „Fltis“, Kommandant Korvetten- Kapitän Ascher, beabsihtig heute (Dienstag) von Shanghai nah Chinkiang (China) in See zu gehen. S. M. Kanonen- boot „Hyäne“, Kommandant Kapitän-Lieutenant Plachte, ist, von Kamerun kommend, am 11. d. M. in Sierra Leone eingetroffen.

Bayern.

München, 13. April. Seine Majestät der Kaiser von Oesterreih begab sih gestern unmittelbar nah seiner An- kunst nach dem Palais Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Leopold und empfing daselbst, wie die „Alg. Ztg.“ meldet, den Besuh Seiner Königlichen Hoheit des Prinz-Regenten: sowie der übrigen Prinzen. Der Kaiser erwiderte den Besuch im Laufe des Vormittags. Nachmittags war zu Ehren des Kaisers bei dem Prinzen Leopold Tafel, Heute Morgen erledigte der Kaisec die aus Wien hier einge- langten Einläufe und ritt hierauf mit der erlauchten Tochter im Englischen Garten spazieren. Nachmittags fand wieder eine Tafel zu Ehren Seiner Majestät bei dem Prinzen Leopold statt, zu welcher noch der Prinz-Regent geladen war. Abends 8 Uhr 30 Minuten kehrte der Kaiser mit dem Schnellzuge über Salzburg nah Wien zurück. Die Prinzessin Gisela, der Prinz Leopold sowie die Mitglieder der österreichischen Gesandtschaft waren zum Abschied auf dem Bahnhofe an- wesend.

Württemberg.

Stuttgart, 13. April. Jhre Majestäten der König und die Königin find, wie der „St.-A. f. W.“ schreibt, dur den Tod der dur hervorragende Geistes: und Charakter- eigenschaften ausgezeichneten Großfürstin Dlga Feodorowna, mit welcher Höchstsie innig befreundet waren, und welche erst

im leßten Herbste einige Zeit zum Besuhe bei Jhren |

Majestäten in Friedrihshafen verweilte, in tiefe Trauer ver- t worden. : ; les Der Königliche Hof hat für die verstorbene Grosifürstin

auf zwei Wochen Trauer angelegt. i 2

Die Kammer der Abgeordneten berieth in_ ibrer Sizung vom 11. den Eisenbahn-Etat. Dabei äußerte sich der Staatë-Minister Dr. von Mittnaccht über die einheitliche Gestaltung der Personen- und Gepäcktarife in Deutschland, nah dem E es A. f. W.“ mitgetheilten

tortlaut sciner Rede, wie folgt: E bekenne als meine Ansiét, daß ich großen Wert lege auf eine einbeitlide Geftaltung der Personen- und Gepäcktarife in ganz Deuti{land. Dabei theilen wir aber allerdings die Auffaffung des Beri®tertatters vollkommea, daß man bei dieser Frage einer urter Umständen weitgehenden Tarifermäßigung den dadur etwa entstehenden Ausfall in unseren Einnabmen erxft im Auge bebalten muß. Bei den Verhandlungen über Vereinfaungen kommt insbesondere in Frage der Wegfall der Rückfahrkarten, soweit fie mit Preitermäfßigung verbunden sind, der Wegfall von Rundreisckarten und von Gesfell- \haftékartcn. Daaeoen würden Arbeiter-, au Zeit- oder Abonne- mentéfarten und Scülerkarten beftzben bleiben. Der Wegfall der 1IV. Wagenklasse, der Wegfall des Freigeväcks berührt zurächst Nord- deuts&land, mabt aber dert allerdings besondere Stwieriakeiten, nameutli® wegen der IV. Wagenklafse, und darin Hat der Beriéterstatier vollkommen Ret, daß, wenn der Norden seine IV. Wagenklasse aufgiebt, es ganz unausbleiblich ift, daß künftig die IIIl. Wagenklasse nur den Einheitsfaß von 9 A annebmen farun, wie er jeßt für die IV. Klasse bestebt, denn es ift T&lecterdines undenkbar, daß man im Norden eine Erböbung für die sdblechteft situirte Klafie von Reisenden eintreten laffen würde. Der sogenannte Zonentarif, sei es nun na% ungarishem Muster oder na Zferrci@isem Vorgang oder na§ noch weitergebenden Verichlögen, dat nad dem bisherizen Lauf der Verbandlungen keine Aufsicht auf Annabme bei den deuts%en Staats-Eifen- babnverwaltungen; & würde also bei dem Kilometertarif bleiben. Hefen.

Darmstadt, 14. April. Die Ankunft Seiner Majestät des Kaisers in S&lißt ift der „Darmst. Ztg.“ zufoige vom 2. d. M. auf den 26., die Abreise von dort

auf den 29. d. M. vershoben worden.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 14. April. Das Herrenhaus hat, wie „W.

T. B.“ meldet, gestern einstimmig den Erlaß einer Adresse auf die Thronrede bes{lossen und eine Kommission von ein- undzwanzia Mitgliedern zur Abfassung der Adresse gewählt. Im Abgeordnetenhause wurde eine Einladung Lienbacher's verlesen, worin die Abgeordneten aller Par- teien aufgefordert werden, an der freien agra- rishen Vereinigung theilzunehmen, um alle die Agrarreform betreffenden Anträge zu berathen. Der Einladung ist die Erklärung hinzugefügt, daß dur die Tbeilnabme an der Vereinigung die politishe Parteistellung niht berührt werde. Unter den eingelaufenen Petitionen befindet fh eine solde der Jndustriellen und Ge- werbetreibenden Nordböhmens über die Regelung der Arbeitsverhbältnisse, in welcher die strenge Handhabung des Vreß- und Vereinsgeseßes gegenüber den anarhi- tien Bestrebungen und Maßregeln gegen die Ter- firung der Arbeiter . verlangt werden. Zur Ver- efanate ferner die ftaatsre{tlih: Detlaration czeSiséen Abgeordneten Böhmens. Es heißt die chischen Abgesrdneten betraGteten es als Pflicht, uners@ütterliczen Re&tébewußtsein Ausdruck zu und zu erkfläâren, daß dur die Theilnahme en Berathungen des Reichsraihs dem wiederholt nten Staatêreite des Königreihs und der Krone i i b werde. Sie würden mit

5 daëselbe zur thatsäSGlihen

Inter diefer ReSts-

geordnetenhause an der

[ler seiner Länder that-

m ijt von 36 czehischen

ibrem

Konservativen bes{loß die Wahl dern bestehenden Präfidtums sowie die

liedern bestehenden parlamentarishen

iTavis{hen und dalmatinischen

[l der Parteien für die Aus- get vetenhauses ist folgendermaßen fest: en. Es erbielten für den sechtunddreißiger Aus- iGuß die Linke 12, der Klub der Konservativen 10, die Rolen 8, die Jungczehen 2, die deutshe Nationalpartei 2, der Coroniniklub und die Wilden je einen Vertreter. Dasselbe proportionale Verhältniß sol auch für die Ausschüsse mit anderer Mitgliederzahl eingehalten werden. : * Der Oberste Sanitätsrath hat den Entwurf eines JFmpfgeseßes festgestellt. Dasselbe beruht auf dem Grund- saß der allgemeinen obligatorischen erstmaligen JZmpfung der Kinder in dem ersten Lebensjahre und der obligatorischen Wiederimpfung vor Beendigung des schulpflihtigen Alters.

Bei den gestrigen Wiener Gemeinderaths-Wahlen im ersten Wahlkörper (Dee) wurden 44 Liberale und ein Antiliberaler (in Hernals) gewählt. Jn diesem Be- zirke ist auch eine Stichwahl erforder ih, Unter den Gewählten befindet sich der bisherige Bürgermeister Dr, Prix. Der neue Gemeinderath zählt daher bis auf die erwähnte Stichwahl 96 Liberale und 41 Antiliberale. ;

In der gestrigen Sißung des ungarischen Unter- hauses richtete der Abg. Ugron an die gerung eine Jnterpellation darüber, ob es wahr sei, daß der Minister für Landesvertheidigung ungarische Landwehr-Obersten aufgefordert habe, in die gemeinsame Armee über: zutreten, und, wenn dies dec Fall, womit dieses pflicht- verleßende und die heimische Landwehr shädigende Verfahren motivirt werde.

Großbritannien und JFrland.

Im Unterhause theilte der Kanzler der Schatzkammer Gosden gestern va daß am 23. d. M. die Vorlage des Budgets erfolgen werde. :

In Prin outh wurden zu Ehren des Contre-Admirals Schröder und der anderen Offiziere vom deutschen Uebungsgeshwader gestern glänzende Festlichkeiten veranstaltet. Nachmittags fand bei dem Divisions-Komman-

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ein Festmahl im Marine-Offizierskasino statt, das der Herz von E präsidirte. Auf das Festmahl folgte ein Ball bei dem Admiral Sir Walter Grubbe. Heute früh gedachten die deutshen Offiziere die Regierungs-Etablissements zu be- suhen und am Nachmittag wollte ihnen zu Ehren der Herzog von Edinburg eine Gartengesellshaft geben. um Nachfolger dee kürzlih verstorbenen Thomas Baring, als Vertreter der City im Parlament, haben die Kon- servativen den Direktor und früheren Gouverneur der Bank von England Hucks:Gibbs aufgestellt. j i

Am 192. April feierte der „A. C.“ zufolge der älteste Admiral der britisGcn Flotte, Sir Provo William Parry Wallis seinen 100, Geburtstag. j Aus Rangun vom 12. April wird dem „R. B.“ berichtet : Der vom Kapitän Presgrave am 3. April entsandte Bote, welher dem Lieutenant Grant den bevorstehenden Entsaß mittheilte, kam am 9. April bei diesem in Thobal _an, drei Tage nah dem Massenangriff der Manipuriten auf Fort Alunataung. Lieutenant Grant trat darauf den Rückzug an. Er hatte nur einen Todten und zwei Verwundete. Morgen (13 ) werden sowohl Lieutenant Grant wie Kapitän Presgrave in Tamu erwartet. Aus dem Vorstehenden erhellt, daß das Gerücht, Lieutenant Grant sei mit seiner Schaar gefangen genommen worden, unbegründet it.

Frankreich.

Paris, 14. April. Fhre Kaiferlihe und Königliche Hoheit die Kronprinzessin - Wittwe von Oesterrei - Ungarn, Erzherzogin Stephanie, sowie Jhre Hoheiten der Herzog und die Herzogin von Sasen-Coburg-Gotha sind laut Meldung des „W. T. B.“ gestern von Cannes nah Nizza abgereist.

Der General Appert, St. Peterêburg, ist gestorben.

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chemaliger Botschafter in

ie Deputirtenkammer wird sh, der „Fr. C.“ zu- folge, nah ihrem Wiederzusammentreten mit einem wihtigen Gesezesvorshlag des Justiz-Ministers Betreffs einer Aende- rung in der Organisation des Staatsraths befassen. Der Staatsrath is gegenwärtig in fünf Ausschüsse getheilt : Einer für Streitfälle, ein legislativer Ausshuß und drei Ver- waltungs8auss{üsse. Der Justiz-Minister schlägt nun vor, aus der legislativenSektion die gegenwärtig eine ziemlich untergeordnete Rolle spielt eine zweite Sektion für Streitfälle zu machen, die der erîten in den Verhandlungen der unaufhörliÞh wachsenden Zahl der Fälle helfen foll. Das MWMittelmaß von Entschei- dungen, das in den Jahren 1876—1880 jährli 1465 Fâlle betrug, stiea in den Jahren 1881—1885 auf 1757 und 1886— 1889 auf 1947 Fälle jährlih. Außerdem verbleiben am 31, De- zember jeden Jahres noch ungefähr 2000 unerledigte Akten. Um dem nun abzuhelfen, verlangt der Justiz-Minister die Schaffung eines zweiten Ausshusses für Streitfälle. Außerdem s{lägt der Minister die Schaffung zweier neuer Posten für Berichterstatter über Bittschriften, dreier für Auditoren erster Klasse, eines Auditors zweiter Klasse vor, um dieje den neuen Mitgliedern dieser neuen Sektion einzuverleiben. Auf diese Weise würde der Perfonalbestand der Requeten- meister von 30 auf 32, jener der Auditoren von 36 auf 40, darunter 15 erster und 25 zweiter Klasse, erheben. Die Zahl der Staatsräthe wäre niht vermehrt. Jn Folge Unter- drückung der legislativen Sektion sollen die Geseßesvorschläge unter die Verwaltungsausshüsse verth:ilt merden oder, wenn es statthaft ist, einer Kommission vorgelegt werden, die aus Mitgliedern der verschiedenen Sektionen, die vom Bize- Präsidenten des Staatsraths in Uebereinstimmung mit den einzelnen Seftions-Präfidenten zu bezeichnen wären, zusammen- gesegt sein foll. Rußland und Polen. e Grosfürstin Olga Feodorowna, Gemahlin Zroßfürften Michael Nikolajewitsch und Mutter des i der russishen Armee ausges{hlossenen Groß- Michael, deren in Charkow erfolgtes Ableben ern bereits gemeldet haben, war eine Schwester oßheriogs von Baden. Der Tod erfolgte, wie „W. T. B.“ aus Karlsruhe gemeldet wird, in der vom Sonntag zum Montag um 12 Uhr. Nur ihr Sobn der Großfürst Nikolaus Michaelowitsh war bei i Die Großfürstin verließ St. Petersburg, um auf ärztlichen Rath in der Krim Erholung und Stärkung zu suchen nah einem mehrfa& dur Unwohlsein getrübten Winter. Die Abreise erfolate in der Nacht vom Dienstag, dem (., und Mittwoch, dem 8. Am Donnerstag nöthigte eine Halsentzündung zur Unterbrechung der Reise in Charkow. Sonnabend, den 11. früh, war diese Krankheit gehoben, aber shon am Abend trat eine ausgebreitete Rippenfellentzündung auf, welche sofort von den Aerzten als äußerst gefährlih erklärt wurde, indem ein lang- jähriges Herzleiden den unmittelbaren Verfall der Kräfte her- beiführte, der bereits in der Frühe des Sonntags einen solchen Grad erreichte, daß der Zustand der hohen Kranken als lebens- gefährlich sich kennzeihnete. Gegen Abend trat Bewußtlosigkeit ein, sowie völlige Entkräftung und Nachlaß der Herzthätigkeit. Großfürst Michael Nikolajewitscch reiste auf die erfte Nachricht der {weren Erkrankung von St. Petersburg ab, um sih zu seiner Gemahlin zu begeben, und sollte gestern Abend in Charkow eintreffen. Jn einem Kaiserlichen Manifest über das Ableben der Großfürstin Olga Feodorowna heißt es, daß die Großfürstin sich Behufs Heilung ihrer Krankheit auf der Reise nah der Krim befunden habe. Die Großfürsten Michael Nikolajewitsch und Georg Michaelowitsh reisten am 11, d. M. nah Charkow ab und haben somit die hohe Kranke nicht mehr am Leben gefunden. Ueber die Beisegung der verstorbenen Großfürstin ist noch nihts veröffentliht worden, dagegen ist bereits eine dreimonatliche Hoftrauer angesagt. Der Hof versammelt sich, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, heute N. hmittag in der Jsaaks-Kathedrale zu einer Seelenmesse für die Verstorbene. Die Veranstaltung öffentlicher Vergnügungen ist auf drei Lage untersagt. A : i Jm Reichsrath soll dieser Tage, wie der „Grashbanin“ erfährt, das Projekt des neuen Zolltarifs zur Berathung kommen. Ja eriter Linie gelangen die neuprojektirten Ae auf Chemikalien, Apothekerwaaren und Farbstoffe zur Durthficht.

Ftalien.

Jn der gestrigen Sißung des Senats erklärte bei her Berarhung des richtig gestellten Budgets für 1890/91 ver Schaß-Minister Luzzatti: Die Regierung wolle einen wohl eingerichteten allgemeinen Zolltarif unh La nbel#4- verträge und sei für billige Compensationen, er Zenat

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danten General Harrison eine Gartengesellshaft und am Abend

bewilligte s{hließlich das Budget mit 24 gegen 4 Stimmen.

Spanien.

Ueber die telegraphish bereits erwähnte Rede, welche der Minister-Präfident Canovas del Castillo kürzlih im Senat über die soziale Frage gehalten hat, gehen der „P. C.“ aus Madrid noch folgende näheren Mittheilungen zu: Hr. Ca- novas führte aus, daß unter allen Parteien des Landes Uebereinstimmung Betreffs dieser Frage herrshe, welche in einem monarchischen Staate denselben Charakter besitze wie in einem Staate von republikanischer Verfassung. Er kündigte an, daß die Regierung eine aus Politikern veriliebéioe Rich- tung zusammenzuseßzende Kommission mit der Aufgabe betrauen wird, einen Entwurf für die in Spanien Gee Sozial- reformen auszuarbeiten, welcher sodann den Cortes zur Be- rathung zugehen wird. Der Minister-Präsident erklärte ferner, es sei den Arbeitern in Spanien Ruhe und Mäßigung in ihrem eigenen Interesse zu empfehlen, da sie durh Maßlosigkeiten keinerlei Erfolge erzielen würden. Die Regierung beabsichtige nicht, Kundgebungen der Arbeiter, welche den geseßlihen Nahmen nicht überschreiten, Hindernisse zu bereiten; alle Manifestationen von anarchistishem Charakter würden aber mit Energie unter- drüdt werden. Zur Frage der Einführung des achtstündigen Arbeitstages bemerkte Hr. Canovas, er erachte es für sehr schwierig, ein gleihmäßiges Maximum -für die Dauer des Arbeitstages in allen Ländern fe\tzustellen. Solle dieses Ziel erreiht werden, so könnte es nur durch ein binbdendes Ueber- einkommen zwischen allen Staaten der Welt geshehen. Die Jnitiative hierzu müsse jedoh von den großen Jndustriestaaten ausgehen; Spanien sei nicht zu einer solchen berufen.

Schweiz.

Die Kriminalkammer des Bundesgerichts hat die wegen des Tessiner Aufstandes Angeklagten vor das Geschworenengeriht von Zürich verwiesen. Als Präsident wurde der Bundesrichter Olgiati designirt.

Belgien.

Die Frage der Erweiterung des Stimmrechts ist nun- mehr entschieden und das allgemeine Stimmrecht ohne weitere Erörterung beseitigt worden. Wie schon telegraphisch gemeldet, hat der Centralausshuß der Kammer, welcher aus Mitgliedern der maßgebenden Parteien besteht, die Fortdauer des Census- wahlregimes allerdings in sehr gemäßigter Form bes{lo}sen, und das Ministerium is} damit einverstanden. Bisher betrug dem „Hamb. Corr.“ zufolge der Wahlcensus für die Kammerwahlen 42 Fr., für die Provinzialwahlen 20 Fr., für die Gemeindewahlen 10 Fr. Dieser verschiedene Census hört jeßt auf. Für alle drei Wahlen wird ein gleihmäßiger Wahlcensus von 10 Fr. festgeseßt; die jeßigen 409 640 Ge- meindewähler werden also fortan auch die Kammer wählen. Gleichzeitig wurde beschlossen, das 25. Lebensjahr für die Wahl- berechtigung festzuseßen. Somit sind nur noch zwei Punkte zu entscheiden. Die Regierung und die Klerikalen wollen, um von den sechs Millionen Einwohnern des Landes wenigstens 600 000 Bürgern das Stimmrecht zu ertheilen, das Stimmrecht auch denen bewilligen, welhe ein Haus, Theile eines Haujes oder bebautes Land von einem noch zu vereinbarenden . Werthe innehaben. Die Liberalen fordern dagegen die unbedingte Aufrechterhaltung des bisherigen Fähigkeitswahlrechts als Gegenleistung. Mag über diese beiden Punkte auch noch eine Einigung irgend welcher Art herbeigeführt werden, die ent- sheidende Thatsache, daß das allgemeine Stimmrecht nicht be- willigt wird, steht fest,

Serbien.

Belgrad, 14. April. Nah einer Meldung des „W. T. B.“ aus Pest foll die Königin Natalie es ab- gelehnt haben, den Minister des Fnnern, welcher ihr den bekannten Beschluß der Skupschtina mittheilen wollte, zu empfangen.

Montenegro.

Cettinje, 13. April. Die Großfürstin Miligza ist, wie „W. T. B.“ meldet, nah Cannes abgereist.

Schweden und Norwegen.

__(F) Stodcholm, 11. April. Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Dänemark sowie der Prinz Christian und die Prinzessin Luise kamen heute Vor- mittag hier an und wurden von dem König Oscar nebst den Prinzen Carl und Eugen auf dem Centralbahnhofe auf das Herzlichste begrüßt.

Nach dem Bericht des Staatscomptoirs haben die Staats- einnahmen in den ersten drei Monaten dieses Jahres be- tragen: Zölle 6 859 280 Kronen gegen 8 062 960 Kronen, Branntweinsteuer 2 128 103 Kronen gegen 2 935 300 Kronen, Staatseisenbahnen (abgelieferte Uebershüsse) 1 600 000 Kronen gegen 1 800 000 Kronen oder zusammen 10 587 383 Kronen gegen 12 798 260 Kronen in der gleihen Zeit des Vorjahres.

Beide Kammern des Reichstages haben unter Befürwortung des Staats-Ausshusses der Regierung die Voll- macht ertheilt, daß sie alle südlich von Norrland belegenen und pachhtfrei werdenden Staatsdomänen, die von 400 bis 500 Kronen Pacht einbrachten, nah Fürgutbefinden wieder verpahten oder aber verkaufen kann. Alle Einnahmen aus solchen verkauften Domänen sollen zum Ankauf von Forsten oder von zur Aufforstung geeigneten Ländereien verwendet werden.

Der besondere Reichstags-Aus\{uß, dem die Vorlagen der Regierung, betreffend die Unfallversiherung der Arbeiter und wegen Errichtung einer Reichs-Ver- sicherungs8anstalt, überwiesen worden sind, beantragt die Ablehnung dieser Vorlagen. Der Geseß:-Ausschuß hat die von der Regierung beantragte Aenderung des Dienstpflichtgeseßes, wonach die Uebungszeit der Dienstpflihtigen künftig 90 Tage betragen soll, mit 10 gegen 5 Stimmen angenommen.

(F) Christiania, 11. April. Das Odelsthing ver- handelte am Donnerstag über den Antrag des Abg. Torkelson wegen Abschaffung des militärishen Treu- und Huldi- gungs2eides, dessen Annahme das Justizcomité empfohlen hatte. Von mehreren Abgeordneten wurde der Antrag lebhaft betämpst. Es wurde darauf hingewiesen, daß die Erinnerung an den abgelegten Eid unter gewissen kritishen Verhältnissen auf das Pflichtgefühl der Soldaten stärkend einwirken könne. Der Umstand, daß man in Schweden und Dänemark den Fahneneid für die Armee, aber nicht für die Marine ab- geschafft habe, müsse dazu auffordern, diese Sache niht zu

überstürzen, um so mehr, als das Storthing erst kürzlich die Regierung ersucht habe, die Frage wegen der EDeRtaisung ut All- !adrinai in Erwägung zu nehmen. Der Vertheidigungs-Minister taatsrath Holst erklärte, daß er keinen Grund wisse, weshalb

des Fahneneides, geaen welche er kein Bedenken hege, gemacht werden solle. Das Odelsthing nahm denn auch den Antrag mit allen gegen 19 Stimmen an.

Amerika.

_ Vereinigte Staaten. Es wird jeßt von der amerika- nishen Regierung nahe stehender Seite darauf aufmerksam gans daß Ftalien keinen bestimmten Termin für die

ntwort auf die Note des Marchese di Rudini ver- langt habe. Die Regierung der Vereinigten Staaten wolle die vorliegenden Fragen vorsihtig behandeln und erst die Nationa- lität der Opfer des Volksgerihts in New-Orleans sicher fest- stellen und sich über deren Vorleben in Ftalien erkundigen. Das Staatsdepartement werde ferner der italienishen Regie- rung die Uebel unbeschränkter Einwanderung vorführen, ea die Vereinigten Staaten jeßt so stark zu leiden

ätten.

Die „Mail and Expreß“ veröffentliht eine Depesche aus Washington, derzufolge Staatssekretär Blaine erst nah dem 12. Oktober mit der canadishen Kommission berathen werde, da Präsident Harrison persönlih an den Ver- handlungen theilnehmen wolle. Staatssekretär Blaine habe der Kommission mitgetheilt, daß et bereit sei, über die folgenden drei Angelegenheiten zu konferiren: die Beringssee-Streitig- keit, die neufundländische Fischerei-Streitigkeit und den auf Gegenseitigkeit beruhenden Handelsvertrag zwishen Canada und den Vercinigten Staaten, aber wohlverstanden in der eben angegebenen Reihenfolge. Der Handelsvertrag könne nicht zur Sprache kommen, ehe die Behringssee-Streitigkeit geordnet worden sei.

Im Washington-Territorium is ein neuer Fall von Lynchgericht vorgekommen. Eine Schaar von vierzig masfirten Leuten stürmte das Gefängniß und lynchte zwei

(örder, welchen ein neuer Prozeß bewilligt worden war.

Dem New-Yorker „Sun“ wird aus New-Orleans ge- meldet: die Große Jury werde in ihrem demnähst zu er- wartenden Bericht über die Ermordung Hennessy's ein Geständniß des Ftalieners Poliß, eines der Gelyn(hten, mittheilen. Danach habe Poliß zugestanden, daß er einer Versammlung von 10 durch das Loos bestimmten Mitgliedern beigewohnt habe, in welher über die Art der Ermordung Hennessy's und die dazu geeigneten Mittel beshlossen worden sei. In dem Hause des Scuh- machers Monasterio habe später eine zweite Versamm- lung statigefunden, an der er (Polit) aber nit theilgenommen habe ; bei dieser Versammlung sei, als Hennessy auf das Haus zugekommen, ein vorher verabredetes Zeichen gegeben worden, die Theilnehmer an der Versammlung hätten sih nah dem Ausgang des Hauses gestürzt und auf Hennessy, der auf der anderen Seite der Straße dahergekommen sei, Neuer gegeben. Er (Poliz) habe von der That erst am darauf folgenden Sonntage Kenntniß erhalten.

__ Argentinien. Nah aus Buenos-Aires in Paris eingetroffenen Nachrichten des „W. T. B.“ hätte der Minister des Fnnern seine Demission gegeben.

Asien. China. Der Großfürst-Thronfolger von Ruß- land ist, wie „R. B.“ meldet, von Canton, wo ex von den

“chinesishen Behörden empfangen wurde, nah Foohow und Hankow weitergefahren.

Afrika.

Aus der Kapstadt, vom 11. April, meldet „R. B.“: Der Kolonialsekretär kündigte gestern (10.) in einer in Aliwal North gehaltenen Rede an, daß die Kap-Kolonie in Kurzem nicht mehr, wie bisher, 20 000 Pfd. Sterl. für die Verwaltung des Basutolandes zu zahlen haben werde. Desgleichen habe sich die Reichsregierung damit ein- verstanden erklärt, daß die Kap-Kolonie das Betshuana- land annektire. Die Regierung beabsichtige, die Kolonie so viel als möglih zu vergrößern, um die Kap: Kolonie zum ersten Staat der südafrikanischen Konföderation zu machen. Jm Pondoland haben dem „N. B.“ zufolge unter den Häuptlingen heftige Kämpfe stattgefunden. Umlilangaso hat sich den Behörden des Kaps ergeben. Was die Behauptung der Portugiesen betrifft, daß die britishe südafrikanishe Gesellshaft auh Massi- kesse besegt halte, so erklären die Beamten der Gesellschaft, daß schon im leßten Dezember in Gemäßheit des Wunsches Lord Salisbury's die Weisung ergangen sei, die Truppen der Gesell- haft von Massikesse zurückzuziehen. Als jedo die Vertreter der Gesellschaft in Mutasa eintrafen, seien die Portugiesen, welche in Massikesse waren, geflohen und hätten ihre Waaren den Eingeborenen überlassen. Daraufhin habe der Verwalter des Maschonalandes einige Leute nah Massikesse abgeordert, um zu verhindern, daß das Eigenthum der Portugiesen ge- raubt würde.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (98.) Sißzung des Reichstages, welLer der Staats-Minister Freiherr von Berlepsh beiwohnte, stand auf der Tagesordnung die Forisezung der zweiten Berathung des Gesegentwurfs, betreffend die Abänderung der G e- w M BARA auf Grund des Berichts der VIII. Kom- mission. i e Berathung wurde fortgeseßt mit §. 134 a, welcher aulel : __ Für jede Fabrik, in der regelmäßig mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden, ist innerhalb vier Wochen nah Inkrafttreten dieses Gesetzes oder nah der Eröffnung des Betriebes eine Arbeits- ordnung zu erlassen. Für die einzelnen Abtheilungen des Betriedves können besondere Arbeitsordnungen erlassen werden. Der Erlaß erfolgt durch Aushang (§. 134 e Absayz 2).

Die Arbeitsordnung muß den Zeitpunkt, mit welhem sie in Wirksamkeit treten soll, angeben und von demjenigen, welcher sie erläßt, unter Angabe des Datums unterzeichnet sein.

Abänderungen ihres Inhalts können nur dur den Erlaß von Nachträgen oder in der Weise erfolgen, daß an Stelle der be- stehenden eine neue Arbeitsordnung erlassen wird.

Die Arbeitsordnungen und Nachträge zu denselben treten frühestens zwei Wochen nah ihrem Erlaß in Geltung.

Hierzu liegt folgender Antrag des Abg. Auer u. Gen. vor :

Im §. 134a Absatz 1 die Worte:

„in der regelmäßig mindestens zwanzig Arbeiter beschäftigt werden“ zu streichen.

zwischen der Armee und der Marine bezüglih der Aufhebung

__ Abg. Dr. Hartmann erklärte sih für die Kommissions- fassung mit Hinweis auf die Praxis, in welcher für kleinere Betriebe eine Fabrikordnung nicht nöthig sei. / Abg. Wurm trat den Ausführungen des Vorredners entgegen unter Bezugnahme auf den Fall, daß die Maschinen- stricker von ihren Arbeitgebern als Hausindusirielle bezeichnet würden, um sie der Fabrikinspektion zu entziehen und \o die Kinderarbeit aufs Aeußerste ausnußen zu können. Das E habe aber diese Betriebe als Fabrikbetriebe an- gesehen.

Nach einer nohmaligen Entgegnung des Abg. Dr. Hart- mann wurde der §. 14a unter Ablehnung des Antrags Auer u. Gen. unverändert angenommen.

Der §. 134b lautet:

Die Arbeitsordnung muß Bestimmungen enthalten: 1) über Anfarg uyd Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit, sowie der für die erwabsenen Arbeiter vorgesehenen Pausen; 2) über Zeit und A!t der Abrechnung und Lohnzahlung; 3) sofern es nicht bei den geseßlichen Beftimmungen bewenden soll, über die Frift der zulässigen Aufkündigung, sowie über die Gründe, aus welchen die Entlaffung und der Austritt aus der Arbeit ohne Auf- kündigung erfolgen darf; 4) sofern Strafen vorgesehen werden, über die Art und Hôhe derselben, über die Art ihrer Festseßung und, wenn sie in Geld bestehen, über deren Einziehung und über den Zweck, für welchen fie verwendet werden sollen; d) sofern die Ver- wirkung von Lohnbeträgen nah Maßgabe der Bestimmung des §. 134 Absatz 2 ausbedungen werden foll, über die Verwendung der verwirkten Beträge.

Strafbestimmungen, welche das Chrgefübl oder diz guten Sitten verletzen, dürfen in die Arbeitsordnung nibt aufaenommen werden. Geldstrafen dürfen den Betrag des ortsüblichen Tagelohns (S. 8 des Krankenversiherungsgesezes vom 15, Juni 1883, Reichs- Gesezbl. S. 73) niht übersteigen und müssen zum Besten der Arbeiter der Fabrik verwendet werden, Das Ret des Arbeit- gebers, Schadensersaß zu fordern, wird durch diese Bestimmung nicht berührt.

Dem Besitzer der Fabrik bleibt überlassen, neben den in Absay 1 unter 1 bis 5 bezeichneten, noch weitere die Ordnung des Betricbes und das Verhalten der Arbeiter im Betriebe betreffende Bestimmungen in die Arbeitsordnung aufzunehmen. Mit Zustim- mung eines ständigen Arbeiteraus\{u}es können in die Arbeitsordnung Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter bei Benutzung der zu ihrem Besten getroffenen, mit der Fabrik verbundenen Einrich- tungen, fowie Vorschriften über das Verhalten der minderjährigen Arbeiter außerhalb des Betriebes aufgenommen werden.

Hierzu lagen folgende Anträge vor: Abg. Auer u. Gen.: a, Die Ziffern 3 und 5 zu streichen. b. Im Absatz 2 hinter den Worten „Geldstrafen dürfen“ zu seten: eim Laufe einer Lohnperiode*.

c. Im Absay 3 den S{lußsaßtz zu streichen.

Abg. Freiherr von Stumm:

Im zweiten Absatz statt der Worte „ortsüblihen Tagelohns* bis aussließlih „nicht* zu seßen: „durchscnittlihen Tage8arbeits- verdienftes“.

Abgg. Dr. Gutfleisch, Dr. Hirsch und Gen.:

In §. 134b Absag 3 im leßten Saß anstatt der Worte „der minderjährigen Arbeiter“ zu seßen: „der Arbeiter unter 18 Jahr alt“.

Abg. Gutfleish u. Gen. :

Zu §. 134b Ziffer 5 hinter „Absatz 2* einzuschalten:

edurch Arbeitsordnung oder Arbeit8vertrag ausbedungen wird“ und die Worte „ausbedungen werden soll* zu \treihen.

Abg. Freiherr von Stumm bezeichnete die Verhandlung über diesen Paragraphen als die wichtigste und folgenshwerste, weil dadurch die Arbeiteraus\chü}se eingeführt werden. Die Fabrik- ordnung müsse auch auf das sittlihe Verhalten des Arbeiters außerhalb des Betriebes Einfluß gewinnen. Das Strafgelder- maximum müsse bis zur Höhe des durhschnittlihen Tagesarbeits- verdienstes reihen; am Besten wäre es aber, wenn das Straf- geldermaximum der freien Vereinbarung zwischen Arbeitgebern und Arbeitern unterliege, denn wenn der Staat in diese Dinge eingriffe, so gebe es \{ließlich kein Aufhören für das Eingreifen, und die Konsequenz sei der Staat der Sozial- demokraten. Werde sein Antrag abgelehnt, so sei das in so hochherziger Weise begonnene Werk des Arbeitershußes gründlich verdorben, und einem so gestalteten Geseß, das man als das Anlegen der Axt an die Monarchie bezeihnen müsse, könne er niht zustimmen.

Abg. Dr. Hirs\ch leugnete diese große Wirkung der von der Kommission vorgeschlagenen Strafgrenzen, die im Gegen- theil mit Rüksicht auf den nothwendigen Lebensunterhalt der Arbeiterfamilien hoch genug angeseßt seien. Genaue Fixirung der Strafgrenzen sei das Mindeste, was der Staat sih vorbehalten müsse, wenn er dem Einzelnen eine Strafbefugniß gebe, die mit unseren ganzen heutigen Nehtsanshauungen eigentlih nur {wer vereinbar sei. Die Arbeiterausshüsse würden ein sehr segensreih wirkendes Bindeglied zwishen Arbeitern und Arbeitgebern sein, und es sei auffällig, daß die Sozial- demokraten diese Ausschüsse so heftig befehdeten, die auf ähn- liher Grundlage beruhenden Arbeiterkammern aber anstrebten. Auch Abg. Bebel gab seinem Erstaunen über die Be- deutung Ausdruck, die Abg. Hnr von Stumm dem vor- liegenden Paragraphen beigelegt hätte. Die Arbeitgeber faßten ihre Stellung den Arbeitern gegenüber so auf, als ob sie auch eine Sittenpolizei der Leßteren außerhalb der Arbeitsstätte darstellten man müsse fragen, ob dies mit dem Verbot der Aufnahme von gegen die guten Sitten verstoßenden Be- stimmungen in der Fabrikordnung vereinbar sei? Jm Uebrigen sei wenig gegen die Kommissionsfassung einzuwenden, nur müsse man das Strafgeldermarimum auf das möglichst niedrige Maß herabdrücken und den zu diesen uv mitwirkenden Antrag Auer annehmen, wonah das Strafgeldermaximum in einer Lohnperiode nur einmal verfügt werden dürfe. Die Fabrikordnungen müßten gründlih um- gestaltet werden jeßt machten sie vielfa das den Arbeitern ustehende Koalitionsrecht dadurh zu nichhte, daß sie die ethätigung desselben unter Strafe stellten; dies müßte beseitigt werden, wie auch niht minder diejenigen Straf- bestimmungen, welche in Privat- und leider auhch in Staats- werkstätten, z. B. denen der Kaiserlihen Werften, für gewisse politishe Gesinnungen angedroht seien. Die Arbeiter- ausschüsse, wie sie hier vorgeshlagen seien, könnten ihren Zweck nicht erfüllen, weil sie nicht aus freier Wahl der Arbeiter hervorgingen, sondern von den Unternehmern nah deren Belieben eingeseßt würden; das sei durchaus niht dasselbe, wie die von den Sozialdemokraten in Vor- \hlag gebrachten, von den Arbeitern selbst aus ihrer Mitte zu erwählenden Arbeiterkammern.

Een begründete diesen Antrag, indem er die Zahl 20 als zu hoh gegriffen bezeichnete.

_ Bei Shluß des Blattes ergriff das Wort der Staats: Minister Freiherr von Berterbn :