1891 / 92 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Wenn ihr uns diesen Kardinalpunkt unserer Forderungen bewilligt, wollen wir euch eine ganze Menge von Sünden, die ihr auf dem Gewissen habt, vergeben. Also, meine Herren, die Aussiht der Sündenvergebung dur Herrn Grillenberger (Heiterkeit) kann mich von dem Standpunkt nicht abbringen, den ich mir erlaubte, kurz zu izziren. y "R muß nun noch in einer anderen Beziehung auf die Be- merkungen zurückommen, die der Hr. Abg. Grillenberger gestern gethan hat. Da ist es ganz besonders die Anführung, daß in dem Erlaß Seiner Majestät vom 4. Februar 1890 die geseßlihe Regelung der Arbeitszeit für sämmtlihe Lohnarbeiter in Aussicht gestellt Diese Behauptung bevarf einer Widerlegung. Ich erlaube mir, furz die Worte mitzutheilen, die er dabei im Auge gehabt haben muß. In dem Erlaß Seiner Majestät des Kaisers om 4, Februar ist gesagt: uit Aa v ian Ausbau der Arbeiter-Versicherungsgeseß- gebung sind die bestehenden Vorschriften der Gewerbeordnung über die Verhältnisse der Fabrikarbeiter einer Prüfung zu unterziehen, um den auf diesem Gebiete laut gewordenen Klagen und Wünschen, soweit sie begründet sind, gerecht zu werden.

Diese Prüfung hat davon auszugehen, daß es eine der Auf- gaben der Staatsgewalt ist, die Zeit, die Dauer und die Art der Arbeit so zu regeln, daß die Erhaltung der Gesundheit, die Gebote der Sittlichkeit, die wirthschastliden Bedürfnisse der Arbeiter und ihr Anspru auf geseßliche Gleichberechtigung gewahrt bleiben.

(Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)

Unter den Schwierigkeiten

sagt dann der leßte Saß —, | welche der Ordnung der Arbeiterverhältnisse in dem von Mir

beabsichtigten Sinne entgegenstehen, nehmen diejenigen, welche aus der Nothwendigkeit der Schonung der heimischen Industrie in ihrem Wettbewerb mit dein Auslande ih ergeben, eine hervorragende Stelle ein. : Meine Herren, in dem Allerhöchsten Erlaß, der eine Prüfung darüber anordnet, nah welchen Richtungen hin das Loos der Arbeiter zu ver- bessern sei, ist mit keinem Wort davon die Rede, welche Maßnahmen in das Gese aufgenommen werden sollen. Wenn das, was der Hr. Abg. Grillenberger behauptet, in dem Erlaß gestanden hâtte, so wäre zweifellos die Folge gewesen, daß mindestens in der Vorlage, die Seitens der preußischen Staatsregierung dem Bundesrath vorgelegt ist, die For- derung des Maximalarbeitstages für die männlichen erwachsenen Arbeiter enthalten gewesen wäre; denn es ist völlig undenkbar, daß das preußische Staats-Ministerium ih in direkten bewußten Gegensaß zu den For- derungen Seiner Majestät seßt. j Die Behauptung über den Inhalt des Allechö{hsten Erlasses ist also eine völlig unrichtige, und mit dem Nachweis, daß diese Behaup- tung unrichtig ist, ist meines Erachtens auch der Beweis für die Unrichtigkeit der Behauptung erbracht, daß, wie der Hr. Abg. Grillen- berger \ih gestern ausdrückte, es Mächte giebt, die stärker sind als tas Kaiserlihe Wort. Als diese Mächte hat er naher die Furt vor den Kapitalisten bezeichnet. Die Furt vor den Kapitalisten hat nah seiner Auffassung die verbündeten Regierungen bestimmt, diese Gesebßesvorlage an das hohe Haus zu bringen. úedenfalls eine neue Behauptung! Meine Herren, bisher habe ih angenom- men, daß man vielleiht der Ansicht sein kann, es sei nach diesen und jenen Richtungen hin den Wünschen der Arbeiter nicht genügend Rechnung getragen. Darüber läßt \sih streiten daß aber der Grundgedanke dieser Vorlage die Furcht vor dem Kapital ist, das ist eine außerordentlich neue Behauptung, deren Richtigkeit nachzuweisen Hrn. Grillenberger gestern niht gelungen ift. Wenigstens kann das, was er in dieser Richtung vorgebraht hat, vor einer Prüfung nicht bestehen. Er hat gesagt: den Beweis für diese Behauptung finde ih vor Allem in dem Austceten des Handels-Ministers von Berlepsh meiner Person. Bei Beginn der Berathung in diesem Hause und in der Kommission ließen seine ersten Reden auf eine starke Strömung in den Regierungskreisen für einen ausgedehnten Arbeitershuß {ließen ; jekt ist das anders, jeßt folgt man jeder Anregung, die von Sciten der Unternehmer ausgeht. Meine Herren, ih be- haupte, daß das eine vollkommene Verkehrung der Thatsachen ift. Ih habe nie einen anderen Standpunkt vertreten, als den, von welhem die Vorlage ausgeht. Jh habe ihn von Anfang an vertreten, in meinen ersten Reden gerade so gut, wie in meinen Bemerkungen in der Kommission und während der leßten Tage, und ih muß es als unrichtig bezeichnen, daß mir in meinen Aeußerungen irgend ein anderer als der früher eingenommene Standpunkt nachzuweisen ist. Im Gegen- theil, im Laufe der Verhandlungen habe ich Gelegenheit gehabt, zu bemerken, daß die Vorlage nicht alle Mißstände beseitigen kann, deren Vorhandensein wir nit bestreiten, Ich habe darauf hingewiesen, daß cine Reibe von Gewerbebetrieben durch die Bestimmungen der Vorlage nicht getroffen wird und daß wir einer speziellen Geseßgebung für diese Gewerbetriebe niht werden entbehren können. Als solche habe ih das Scankgewerbe und das Verkchrsgewerbe bezeichnet, welche die Vorlage von der Regelung ausnimmt. Ich habe auf die Verhältnisse der Gehülsen im Handelsgewerbe hingewiesen, die na- mentlich auch in Bezug auf die Länge der Beschäftigungszeit einer geseßlichen Regelung bedürften. ¿

Nun, meine Herren, einen zweiten Beweis für seine Be- hauptung, daß die FurŸht vor den Kapitalisten die Regierung veran- laßt habe, die Vorlage in dieser Gestalt einzubringen, hat der Hr. Abg. Grillenberger aus den Vorgängen ges{chöpft, die in einer Broschüre geschildert sind, betitelt: „Ein Komplott gegen die deutsche Arbeiterklasse“, ih nehme an, daß die Herren meistens im Besitz dieser Broschüre sind, daß die Herren von der Sozialdemokcatie die Mühen und die Ausgaben niht gesheut haben, mit dieser kleinen Broschüre sämmtlichen Mitgliedern des Reichstages nahezutreten. I bedauere, bemerken zu müssen, daß, wie ih fürchte, Mühe und Aus- gaben unnüß vergeudet sind.

Was ist der Inhalt dieser Broschüre? Kurz folgender : Vor dem 1, Mai v. I. koalirten \ch au vielen Orten unseres Vaterlandes die Arbeiter, um den Arbeitgebern einen freien Tag am 1. Mai zu oktroyiren, ohne inneren Grund, lediglich in dem Bestreben, die Probe zu machen, ob die Organisation der Arbeiter stark genug sei, um ihren Willen au in einem Punkte dur{zusegen, der gar keine innerlihe Berechti- gung hat. Daß dieser Forderung gegenüber sich nunmehr die Arbeit- geber koaliren und dem entgegentreten, das halte ih für eine ganz natürliche Sache (sehr richtig !), und thatsächlich sind sämmtliche Schrift- stücke, die hier darüber enthalten sind, lediglich solche, die eine Koalition

gewesen sei.

Feier des 1. Mai. Wenn nun auch Staatsbetriebe bei dieser Gelegen- heit \sich mit den Unternehmern von Berlin in Verbindung geseht haben, so kann ih darin nichts weiter finden als eine völlig gerecht- fertigte Reaktion gegenüber dem Versu, die Maifeier durh- zusezen. Die Staatsbetriebe, die hier in Frage sind, die des Krieg®- Ministeriums und des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten, beschäftigen eine außerordentlich große Zahl von Arbeitern, die mit ihren Arbeiter- genossen der Stadt Berlin in naher Verbindung stehen, sih mit ihnen foaliren zum Zweck, den 1. Mai zu feiern; daß da der fiskalische Bes trieb in dieser Beziehung genau so zu beurtheilen ift, wie ein Privatbetrieb, daß er Mittel und Wege sucht, si mit anderen Arbeitgebern zu verständigen, weil er diesen Eingriff nicht zugeben will, wer will denn daraus einen gerechtfertigten Vorwurf erdcben ? Nein, meine Herren, meiner Auffassung nah is in diesem Buch mit dem großartigen Titel: „Ein Komplott gegen die deutsche Arbeiterklasse“ niht das Geringste bewiesen. (Sehr wahr.)

Meine Herren, die Behauptung des Hrn. Abg. Grillenberger, daß die Furcht vor dem Kapitalismus die Regierung bei dieser Vor- lage leite, ist ja nur als eine Steigerung des Vorwurfs anzusehen, den wir von Anfang an gehört haben, des Vorwurkfs, daß der Unter- nehmergeist uns und das Haus beseelt.

Dieser Vorwurf hat ja verschiedene Variationen durchgema8t; zunächst gesellte sich zu ihm sein Zwillingsbruder der „Arbeitertrußz“, dann wurde von dem Hrn. Abg. Bebel die graziöse Behauptung, will ih einmal sagen, aufgestellt, daß die Vertreter der verbündeten Re- gierungen Kommis der Unternehmer seien, und endli find die Herren nun dazu gekommen, den Regierungen und ihren Vertretern vorzu- werfen, daß die Furht vor dem Kapitalismus der Leiter ihrer Gedanken sei, wenn sie die sozialpolitische Geseygebung in die Hand nehmen. Meine Herren, wir müssen ja diefen Vorwurf bitter empfinden, und derselbe könnte uns ja die Lust nehmen, weitere Versu&e zu machen, das Loos der arbeitenden Klassen auf geseßgeberishem Wege zu ver- bessern. Dies darf aber nicht der Fall sein, weil wir wissen, daß diese Vorwürfe dem großen Schaß von Phrasen entlehnt sind, die eine Parteileitung niht entbehren kann, die ohne solche starken An- griffe gegen ihre Gegner die Herrschaft über die Geister, die sie wah rief, nit aufrecht erhalten kann. (Bravo! rets.)

Abg. Dr. Barth: Der Handels-Minister babe gemeiat, er (Redner) habe Laa die Schutzollpolitik sei absihtlich eingeführt, um die Interessen der Arbeiter zu benactheiligen. Es bâtte eine Art Bosheit darin gelegen, davon kônne selbstverständlih nicht die Rede sein. Er habe heute niht zum ersten Male ausgeführt, daß der Protektionis- mus keinen anderen Charakter baben könne, als die Bevorzugung des Kapitals, das in der Landwirthschaft und Industrie angelegt sei, zu Ungunsten der Arbeiter. Diejenigen, die diese Politik unterstüyt bâtten, bâtten nit absichtlih die Arbeiter benachtheiligen wollen, aber fe seien sich dessen bewußt gewesen, daß, wenn fie ihre anderen Zwecke er- reihen wollten, sie die Arbeiter hätten benatheiligen müssen.

Ahg. Auer: Der Abg. Dr. Hartmann habe mit großem Auf- wand von Pathos erklärt, daß er sih vor feiner (des Redners) Partei nit fürhte; das glaube er ihm aufs Wort, namentlich in feiner Eigenschaft als Staatsanwalt. Der Abg. Dr. Hartmann habe dann aus einer Aeußerung des Abg. Bebel den Schluß gezogen, daß die Sozialdemokraten drohten, und hinzugefügt, daß er fich vor diesen Drohern niht fürchte, daß er aber die Konsequenzen einer folhen Drohung gezogen und den Sozialdemokraten mit allen Macht- mitteln entgegentreten würde. Nichts liege seiner Partei ferner, sie könnte garnihts Thörichteres thun wollen unter den gegebenen Um- ständen und Angesichts der thatsähhlichen Maÿtvertheilung, als sich in Drohungen der Mehrheit gegenüber zu ergehen. Er sei ein langiähriges Mitglied dieses Hauses; er habe den Verhandlungen 1877 über die erste Gewerbeordnungs-Novelle beigewohnt und seitdem mehrmals gleihen Verhandlungen. Und nun vergleiche man die Stellung der verschiedenen Parteien von heute und vor 10—15 Jahren zu dieser Frage! Das Centrum habe sih für die geseßliche Einführung des Normalarbeitstages erklärt, selbst aus den Reihen der Nationalliberalen sei eine ähnlihe Erklärung Seitens eines Großindustriellen gekommen. Au die Konservativen hätten dasselbe erklärt. Selbst unter den Freisinnigen befinde sis ein Mitglied, welches dem Normalarbeitstage anhänge, der Aby. Dr. Harmening. Hiernah müsse es den Sozialdemokraten fernliegen, daß sie mit Gewalt ihr Ziel zu erstreben gedächten. Schon heute sei eine Mehrheit für den Normalarbeitstag vorhanden; nur über die Stundenzahl gingen die Meinungen auseinander. Wer verlange einen gleihmäßigen Normalarbeitstag? Der Marximalarbeitstag schließe do nicht die Gleihmäßigkeit ein. Es sei damit nur eine Zeit ge- geben, über die niht hinau8gegangen werden könne. Für den sanitären Normalarbeitstag sei auch der Staats-Minister Freiherr von Berlepsch. Er (Redner) möchte ihn um eine Vorlage für Einführung des fanitären Normalarbeitstages ersuhen. Die übrigen Schlüfse, die si daraus er- geben würden, die Lohnregulirung, die die Sozialdemokraten als Nebenzwecke verfolgten, wollten sie gar nicht darin ausgesprochen haben. Es sei ihnen völlig galeihgültig, aus welchen Gründen die Regierung einen \olhen Antrag bringe. Der Abg. Leuschner habe dann den Einwand gemacht, daß derartige Maßnahmen nur im Wege internationaler Vereinbarung getroffen werden könnten. Was würde der Abg. Leuschner, der ja ein begeisterter Vorkämpfer der Scuyzollpolitik sei, gesagt haben, wenn die Sozialdemokraten 1878 erklärt hätten, so lange nit alle Staaten Sqchutzölle ein- führten, au Deutschland sie nicht einführen könnte. Der Abg. Leuschner habe gemeint, daß, wenn die Arbeitszeit verkürzt werde, so würden die Arbeiter nur häufiger in dunst- und rauch« eshwängerte \chlechte Kneipen gehen. Allerdings in der L die wohlventilirten Weinkneipen zu besuen, seien sie niht. Daß die Arbeiter mit dec Abkürzung der Arbeitszeit zunächst niht einverstanden seien, gebe er (Redner) dem Handels- Minister zu. Die Arbeiter seien auch empört gewesen über die Ein- schränkung der Kinderarbeit. Diese Elemente, die fo \chlecht über ihr eigenes Wohl unterrichtet seien, dürften doch nicht aus Veaggeend sein in solhen Sachen. Könne man aus größer:n Arbeiterkceisen der Länder, wo der Maximalarbeitstag eingeführt sei, ein Zeugniß anführen gegen diese gefeßliche Bestimmung? Dagegen seien Tausende von Zeugnissen dafür vorhanden, daß diese Arbeiter mit aller Energie daran festhielten. Daß der sozialdemokratishe Antrag ch in Bezug auf seinen Einfluß auf die Lohnregulirung von den übrigen Scuß- bestimmungen des Geseßes unterscheiden solle, sei niht richtig. Auch die lezteren Bestimmungen hätten niht nur einen sanitären Charakter, sondern würden ebenfalls, wenn auch nicht in dem Umfange wie dieser Antrag, auf die Lohugestaltung einwirken. Die Av39nahmen in der Shweiz und in Oesterreich hätten wieder eine große Rolle gespielt. Der Meinung des Staats-Ministers, daß hier im Gegensaß zur S weiz das Geseß mit rigoroser Härte ausgeführt werden würde, weil die deutschen Bureaukraten zu eckig seien und sih niht der Volksanshauung akkommodiren würden, könne er (Redner) nicht beistimmen. Wo es ih um die Vortheile der Unternehmer handele, verliere ih die Eckigkeit der Bureaukraten S Daß das Geseg übertreten werde und in der ersten Zeit eine gewisse Latitüde obwalten müsse, könne kein Grund sein, das Geseg überhaupt nit zu erlassen. Wie froh wären die deutschen Arbeiter, wenn, wie der Abg. Dr. Barth von Oesterrei angeführt habe, nur in 605 Fällen jährlih das Arbeitsmaximum überschritten würde! Der Einwand, daß bei ge- segliher Festsegung einer Maximalzeit au Betriebe mit kürzerer Arbeits» zeit angereizt würden, ihre Arbeitszeit bis auf das Maximum auszu-

die Arbeitszeit aus ; es sei also vortheilhaft, wenn sie dabei nit über

ein gewisses Maß hinausgehen dürften. Wenn der Abg. Dr. Barth

die industrielle Reszrvearmee auf die glcihe Linie stelle mit dem Referve-

fonds und den Reservemaschinen der Geschäfte und Unternehmungen,

so übersehe er do®, daß jene Armee Menschen seien, die dow an ch

eiwas Anderes seicn, als ein beliebiges Rohmaterial oder eine Ma-

schine; diese Bemerkung erkläre sih eben nur aus dem rein manchester-

liden Standpunkt des Abg. Dr. Barth. Unangenehm bei der Ein-

führung des Normalarbeitstages seien nur die Uebergangsverbältnifse.

Gewiß seien beute viele Vortheile, viele Genußmittel dem

Arkeiter zugängli4% im Verglei zu früheren Zeiten; aber der

Unterschied der Lebenslage der Arbeiter und der der hökeren

Klassen sei heute eher ein größerer als früher. Von diesem

Standpunkte aus erst bekomme man das richtige Bild von der

fogenannten Verbesserung der Lebenslage der Arbeiter im Allgemeinen.

Die Wohnungsverbältnisse, die Lebensweise habe \ich in den leßten

Jahrhunderten dur weg verbessert, aber sehr viel mehr zu Ungunsten

der Arbeiter als der besser s\ituirten Klassen. Eins aber fei erreicht, die Anerkennung, wenigstens theoretish, der Gleihberehtigung mit den übrigen Bevölkerunagsklafsen. Nun sage der Staats-Minister, der SFnbalt der von den Sozialdemokraten beigebrahten Broschüre be- wiese nichts für die gegen das Unternehmerthum erhobenen An-

\{uldigungen. Handelte es \si{ch nur um die Stellungnahme zum

1. Mai, dann ließe \sich über die Sache reden. Aber der Staats- Minister sei \{le&t unterrihtet, es sei nit wahr, daß der Metall- arbeiterverband bloß für diesen Tag ih engagirt habe. Ein Einblick in das Verbandsstatut werde ihn eines Besseren belehren; in § 2 heiße es: Als unkerechtigte Strikes werden \solche angesehen , welche auf Erzwingung höherer Löbne gerichtet sind, gleichviel ob mit oder ohne Kontraktbru@. Das Mäntelchen des Kontraktbruhs falle also hier hinweg. Dec frühere Kriegs-Minister von Verty habe aus- drücklih an Hrn. Friy Kühnemann geschrieben, daß die „wüsten Agitatoren“ von der vaterländishen Arbeit ausgeschlossen en sollten. Es würten Listen solher Agitatoren aufgestellt, hier habe er eine in der Hand, auf der sich 170 Namen befänden; die Mascinenbauanstalt von Schwarzkovff zeige darin an, daß zwanzig namhaft gemachte Arbeiter auf die Liste gebracht und darin weiter zu fübren seien; datirt sei das Sriftstück vom 2. Oktober 1890, also recht lange nah dem 1. Mai. Bei jedem Einzelnen werde der Grund angegeben, weshalb er auf die Liste müsse; da heiße es z. B., der Eine habe in besonders hervorragender Weise für die inter- nationale Sozialdemokratie agitirt; ein Anderer habe über Verhält- nisse in der Fabrik in öffentliher Versammlung entstellte Mittheilungen gemaht, ein Dritter habe zum Beitritt zu Fachvereinen aufgefordert. Entlassen könne die Fabrik die Arbeiter, aber auf Grund dieser Dinge die Arbeiter in eine \{chwarze Liste hineinzubringen, diese durch ganz Deutschland zu verbreiten, um ihnen die Möglichkeit zu nehmen, irgendwo Arbeit zu bekommen, wer könne _das rechtfertigen? Die Sache gehe aber noch viel weiter. Ein Schreiben der Eisenbahn- direktion Berlin an Hrn. Friy Kühnemann besage, daß binsichtlih der „wüsten Agitatoren und Unruhstifter“ die Königlichen Eisenbahn- hauptwerkstätten fh dem Vorgehen des Verbandes der Metall- industrie anshließ-n sollten, Es seien sogar Irrthümer in diesen Listen mit unter.;elaufen. In einigen Fällen hätten die Unter- nehmer selbst 2m Streihung von Namen aus der Liste der Agitatoren ersuht, weil die Leute ganz unschuldig auf die Liste gekommen seien; am 4. August sei noŸ cin folher Antrag gestellt worden. Manchmal habe es also Monate lang gedauert, bis die Betreffenden wicder zu ihrem Recht gekommen seien. Es handele ch hier um einen fortgeseßten Treubruch der Arbeitgeber gegen die Arbeiter. Der Abg. Biehl habe im vorigen Fabre aus Hamburg einen Fall angeführt, wo ein Meister von seinen Arbeitern gezwungen worden sei, aus der Jnnung auszutreten. (Vize - Präsident Graf Ballestrem: Diesen Fall habe weder der Staats-Minister erwähnt, noch habe der Abg. Biehl hier gesprochen ; er bitte also den Redner, zum 8. 136a zu sprehen.) Er glaube also, die Ausführungen des Staats-Ministers widerlegt zu haben, weil seine Voraussetzungen eben absolut falsche seien. Es. sei Thatsache, daß die Königlichen Behörden mit den industriellen Verbänden gemein- same Sade gemacht hätten, um den Arbeitern das ihnen gewährleistete Koalitionsrecht zu s{mälern. Ee

Abg. Dr. Bs l tcher: Er könne sih in der prinzipiellen Behand- lung der Sache den Ausführungen des Abg. Dr. Barth anschließen. Veber den im § 120e geseßlich festgelegten sanitären Maximalarbeits- tag könne seine Partei niht hinausgehen. ühre man den aút- stündigen Arbeitstag ein, so bestehe die Gefahr, daß in den Bee trieben, wo eine kürzere Arbeitszeit bestehe, diese bis zu acht Stunden hinaufgeschraubt werde. In den Betrieben aber, bei denen eine länger: Arbeitszeit nothwendig sei, würde die Reduktion der Arbeitszeit zu einem Rückgange der Produktion führen, wie man dies zum Theil auch in Oesterreih und der Schweiz erlebt habe. Darüber, daß in kürzerer Zeit ein größeres Arbeitsquantum erreiht werden fönne, fehle es bis jeckt an jedem statistishen Anhalt. Er sei überzeugt, die Einführung des achtstündigen Arbeitstages würde zu einem Ruin der mittleren und kleinen De- triebe führen zum Vortheil der großen. Die erwähnte Reserve- armee würde garnit ausreichen, um das Manko an Arbeitskräften zu ersegen, wie eine Statistik im Buéhdruckereigewerbe beweise, wo man den elfstündiaen Arbeitstag eingeführt habe. Die Erfahrungen der Schweiz und Oesterreichs seien nicht dazu angethan, um au hier den elfstündigen Arbeitstag einzuführen. Er erinnere nur an den übermäßigen Gebrauch der Ueberzeiten. So lange man es nit fertig bekomme, daß die Sache international geregelt werde, könne seine Partei ih nicht entschließen, zu dem aximalarbeitstag über- zugehen. Man möge es dem freien Ermessen der Arbeiter überlaffen, sich von den Arbeitgebern die Arbeitszeit zu er- ringen, welche sie für nothwendig hielten. Die Arbeiter seien im Besige der Koalitionsfreiheit. Die heutige [ange Debatte habe wenigstens den Vortheil gebabt, denjenigen Arbeitern, welche nicht unter dem Banne der Sozialdemokratie ständen, die Augen geöffnet zu haben. : / Abg. Freiherr von Stumm: Er glaube nit, daß mit den technishen Fortschritten eine Konzentration der Arbeit verbunden ge- wesen sei. Er könne doch niht zugeben, daß der Arbeiter weniger angestrengt werde, wenn er eine kürzere Zeit arbeite. Das Umge- kehrte sei der Fall. Der englishe Arbeiter könne viel eber zu dieser Einrichtung übergehen, weil er im Allgemeinen besser effe, als der deutshe Arbeiter. Der deutshe Arbeiter mae fich lieber ein Vergnügen oder besuhe sozialdemokrati\che Feste. Einen allgemeinen Maximalarbeitstag jur alle Industrien gleichmäßig halte er für eine Utopie für alle Zit Er hoffe fogar, der Bundesrath werde in der Ausübung seiner Befugniß auf Grund des §. 120e nicht zu weit gehen. Er hoffe, der Bundesrath werde sih sehr bald überzeugen, daß auf diesem Gebiete äußerste Vorsicht geboten sei. Wenn man dem Metallindustriellen-Verband die schwarzen Listen vorwerfe, fo habe man do in der Broschüre ganz ebenso eine shwarze Liste von Firmen veröffentlicht. Wenn der Abg. Bebel nun sage, er und seine Partei thue nichts Uebles, alles Unrecht komme von der andern Seite des Hauses, so erinnere er (Redner) den Abg Bebel an den Ausspruch E Abg. Grillenberger: Wic müssen die Herren auf den Kopf auen.

Die Diskussion wird geschlossen.

Die Abgg. Ver. Hirsch, Bebel, Leushner und Pr. Hammaqher erklären zur Geschästsordnung, daß ihnen durch den Schluß der Debatte das Wort, zu dem sie sich rechtzeitig gemeldet hätten, abgeschnitten worden sei.

Der Antrag auf Sinlthrung des zehnstündigen Normal- arbeitstages sowie der Antrag auf Einführung des neun- stündigen von 1894 und des actstündigen von 1898 ab wird

abgelehnt. G Um 43/, Uhr wird die weitere Berathung auf Sonnabend

11 Uhr vertagt.

der Arbeitgeber vorbereiten oder befestigen sollen gegenüber der Frage der

dehnen, bedeute nichts, denn gerade bei angehenden Krisen dehnten | die Unternehmer, wie der Abg. Grillenberger gestern dargelegt habe,

2 92.

Der Salonwagen Seiner Majestät des Kaisers.

Der zum Gebrau Seiner Majestät des Deutschen Kaisers be- stimmte Salonwagen wurde, wie wir einem Aufsaß der „Zeitschrift für Bauwesen“ von dem Eisenbahn- Direktor Büte in Magdeburg entnehmen, ursprünglich für die Bedürfnisse Seiner Majestät als Prinz Wilhelm entworfen, wobei Behufs Vermeidung der Mit- führung weiterer Wagen auf die Unterbringung der Herren des Ge- folges und der Dienershaft Bedacht zu nehmen war. Déeshalb erscheinen troy der großen Länge des Wagenkastens von 17 300 mm die neben dem Salon belegenen, für tie Benußung Seiner Majeiät bestimmten Nebenräume etwas beshränkt. Die Umgrenzung des lihten Raumes für die festen Theile des Wagens wurde auf Grund von Verhandlungen mit den Verwaltungen der meisten europäischen Eisenbahnen so festgestellt, daß die fast unbeschränkte Lauffähigkeit des auf zwei dreiachsigen Orebgestellen ruhenden Wagens auf allen wi en Eisenbahnen von normaler Spurweite sichergestellt ift. Die Breite des Wagenkastens beträgt 2900 mm.

Die Eingangsthüren befinden fic an den beiden Enden des Wagens und führen in Vorräume, welhe auf 2440 mm äußere Breite einge- zogen sind. Vor den Thüren am Haupteingange, d. h. am Vorraum neben dem Salon, sind bequeme, vollkommen zufammenklappdbare

Treppen angebracht, während die etwas fteileren Treppen vor den Thüren des Nebeneinganges am anderen Ende des Wagens nur ¿um Theil bewegli angeordnet sind. Aus dem am Haupteingange befind- liden Vorraum führt eine Flügelthür in den die ganze Breite des Wagens cinnehmenden Salon von 4860 mm Länge. Neben diesem, durch eine Drehthür verbunden, liegt das 2200 mm lange Schlafgemach Seiner Majestät, an welches, durch eine breite Sciebethür zugänglich, der 950 mm breite, für Seine Majestät be- stimmte Nebenraum grenzt. Das Schlafgemah und der Nebenraum sind nicht in der ganzen Breite des Wagens durcgeführi, vielmehr befindet fih neben ibnen, vom Salon aus dur eine Drehthür ab- gelWlossen, ein Seitengang, welcher in seiner Fortseßung die Ver- vindung zu den übrigen Räumen des Wagens hersteUt. An dem Seitengange liegen zwei je 1500 mm lange Halb-Abtheile für die Herren des Gefolges, ein 2100 mm larger Voll-Abtheil für die Dienerschaft, ein Nebenraum von 790 mm Länge für die Herren des Gefolges und ein ebenfolher Raum von 900 mm Länge und 1000 mm Breite für die Dienershaft. Hieran endlich {ließt sh der Vorraum mit dem Nebeneingange aa. Um den Uebergang von den Vorräumen aus nah anderen, ähnli gebauten Fahrzeugen zu ermöglichen, sind an den Stirnwänden Vorbauten angebraht. Die Herrihtung des Ueber- gangs geschieht in der Weise, daß in die im Untergesteli der Wagen eingebauten Kästen eine Eisenplatite (Uebergangsbrücke) ein- gehoben und mit den Wagen dur Bolzen verbunden ist. Zum S@{ut des Uebergangs gegen die Witterungseinflüfse wird an die Vorbauten ein dieselben vollklommea umsch{[ließender, gefalteter Lederbalgen anges{hraubt. welher des besseren Aussehens roegen im Innern mit einem anknöpfbaren Futter aus braunem Stoff ver- sehen wird. :

Das Untergestel, des Wagens ift zum größtea Theil in Holz augeführt, um einen möglichst sanften und geräushlosen Gang des Wagens zu erzielen. Die Bedahung is mit Segelleinen ausgeführt, welches în der forgfältigsten Weise in dicke Bleiweißfarbe verlegt worden iït. An der gewölbten Seitendecke is zur Abführung des Regenwassers eine Kupferrinne angebraht, welchbe, von der Mitte aus nah den Seiten abfallend, in Röhren entwäfsert, die in den cin- springenden Ecken der Vorbauten angeordnet find.

_ Die Erwärmung des Wogens erfolgt dur cine Warmwasser- beizung, die im Wesfentlicen aus dem eigentli®en Heizapparat oder Ofen, dem Warmwasserbehälter oder Expansionsgefäß, dem den Ofen und das Erxpansionsgefäß verbindenden Stcigerohr und ferner zwei, an beiden Seiten des Wagens entlang laufenden Heizrohrsystemen nebst Heizkörpern besteht, Die Nebenräuwe für die Diecnerschaft und die Herren des Gefolges werden nur durch die dort befindlihen TLeile der Leitungsrohre gebeizt, dagegen sind in dem Voll-Abtheil, in deu Halb-Abtbeilen, im Nebenraum Seiner Majestät unter dem W2#{ch- tis, im S@lafgemah Seiner Majestät unter dem Spiegel und im Vorraum am Haupteingange in der Wand nav dem Salon zu Rippenbcizkörper an die Zuleitungsrohre angeschlossen worden. Diese Heizkörper sind mit den Ußteren durch je ¿zwei Hähne verbunden, durch deren gleihzeitigecs Oeffnen oder Schließen erstere ein- oder aus- ge\{waltet werden können. Durch Anschriften „Warm“ und „Kalt“ find die bezüglihen Stellungen der Hähne gekennzeihnet. Im Salon ist, wie son erwähnt, kein Heizkörper ¿ur Aufftellung gelangt, sondern es ift hier auf jeder Seite des Wagens sowohl die Zu- als Rüd- laufélcitung als Doppelstrang ausgeführt, sodaß si auf jeder Längs- seite des Raumes vier Rohrstränge Über einander befinden. Die Rege- lung der Wärme geschieht hier in der Weise, daß dur% S(ließen zweicr nach dem Schlafgemach zu liegenden Hähne der Wasserumlauf in einem der Robrstränge jeder Seite verhindert und so die halbe Heizfläche im Salon außer Thätigkeit gesezt wird. An dem auch in diesem Falle now in Thâtigkeit verbleibenden Rohrstrange sind die Heizkörper des Vorraumes angeschloffen. j

__ Die Liftusg de: jenigen Räume, welch2 Oberlihtaufbau befißen, erfoigt durch Oeffnungen, welche in demselben angebraht und dur Sthieber regulirbar gema@t sind, ar im Schlafgemah sind zur Erzielung einer besonders kräftigen Lüftung außer den Schiebern noh Sauger auf dem Dache angewendet wocden In einzelnen Räumen find au die Laternen so eingerichtet, daß sie beim Brennen eine kräftige Lüftung bervorbringen. Die Lüftung der Vorräume dagegen wird dur einige in den Seitenthürenangebrachte, mit Schiebern ver- ichließbare Oeffnungen bewirkt. : :

Bebufs Kühlhalturg der Räume des Wagers im Sommer ift das Dach des Oberlichtaufbaues mit einer sogenannten Sonnendecke, d. b. einer auf das eigentlihe Da aufgebrachten, weiß gestricenen Holzdecke versehen, zwiihen welcher und dem Dache si cin Zwischen- raum befindet, den die Luft frei durstreifen kann. Außerdem kann über das Dach der von Seiner Majestät benußten Räume eine Lein- wanddecke mittels Riemen an einer auf dem Seitendabe an den Leinenhaltern befindlichen Stange befestigt und durch Wasser geneyt werden. Leßteres geschieht mittels der für die Heizung be- nußten Pumpe, durch welche das Wasser aus den Kaltwasscrbehäl- tern entnommen und in die auf dem Dae befindlihe, mit feinen SprißlöDern versehene Rohrleitung gepreßt wird. Zur Kühblung sind ferner an der Außenseite des Wagens vor den Fenstern des Salons und StlafgemaHes Stabvorhänge mit verstellbaren Blättern an- gebraht, welwe von den Räumen des Wagens aus bewegt werden könne. Für das Befahren von Bahnstrecken mit unzureihendem lichten Raume sind diese Stabvorhänge abuchmbar cingerihtet.

Für die Beleuchtung des Wagens dient Fettgas, welches in drei am Untergestell angebrahten Behältern von zusammen 3010 1 Inhalt mitgcführt wird. Zwei der Behälter haben je 5000 mm Länge, während der in der Mitte des Wagens angeordnete kleinere Behälter 3200 mm lang ift. Der äußere Durhmesser aller drei Bebälter be- trâgt 530 mm. Der Gasvorrath der Behälter reiht bei an- dauerndem Brennen fämmtlicher Lampen für etwa 26 Stunden aus. Die gesammte Beleuchtung ift von Julius Pintsh (Berlin) geliefert und verlegt. Die Verlegung der Leitungen is in der üblichen Weise thunlihft außerhalb der Räume des Wagens erfolgt. In der Hauptleitung find zwei Absperrhähne eingeshaltet und zwar ciner unter dem Wagen dit hinter dem Drudckregeler, der andere im

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 18. April

Vorraum neben dem Ofen. Die Lampen sind sogenannte Intensiv- lampen, bei denen die zur Verbrennung kommende Luft vorgewärmt und neben der Ersparniß an Gas ein helleres Licht entwickelt wird. Die Lampen sind mit Doppelglocken versehen, von denen die äußeren zur Erzielung eines möglihst sanften Lichtes zumeist in matten Glas bergestelUlt sind. Die Lampen find zum Theil einflammig, zum Theil mehbrflammig ausgeführt. Davon befinden sich im Seéitengange, in dem Vorraum am Nebencingange, in den Nebenräumen für die Herren des Gefolges und für die Dienerschaft einflammige Lampen, in dem Swhlafgemah und Nebenraum Seiner Majestät, feruer in den Abtheilen und im Vor- raum am Haupteingange dreiflammige Lampen. Der Salon entbält in den vier Ecken der gewölbten Seitendecke je eine breiflammige und in der Mitte eine vierxflammige Lampe. Sämmtliche im Salon vorhandenen Lampen sind in der Decke des Oberlichtaufbaues bezw. in der gewölbten Seitendecke fla eingebaut, weil durch die reie Be- leuchtung des Raumes alle Theile desfelben belihtet werden. In den Abtheilen dagegen sind die Lampen des Oberlichtaufbaues wegen tiefer angebracht, um den Sißpläßen mehr Lit zuzuführen und auch eine Be- leuhtung der gewölbten Seitendecke zu erzielen. Die Lampen sind sämmtlich mit reiver Verzierung versehen und vergoldet. Für die Regelung der Lichtstärke sind praktishe Vorrichtungen vorhanden.

In der Hardy Bremsvorrichtung ift ein Kabel mit Anschlufß- stußen untergebracht, um bi Einstellung des Wagens auf öster- reichischen Bahnen die Durchführung der dort für das Geben der Durchgangs8fignale gebräuchlichen elektrischen Leitungen zu ermöglichen.

In dem Wagen ift ferner eine elektrische Klingelanlage wit drei Läutewerken zur Ausführung gekommen. Die Glocken der letzteren haben, um sie von einander unterscheiden zu können, verschiedene Tonhöhen er- halten. Eins diefer Läutewerke befindet sich an der Decke des Seitenganges, den Halb-Abiheilen gegenüber, das zweite im Diener-Abtheil, das dritte im Vorraum über de:n Ofen, Die beiden ersteren dienen aus- s@ließlich dem Gebrauchß Seiner Majestät des Kaisers, während das dritte Läutewerk zur Benußung der Herren des Gefolges be- stimmt ift. 1

Was die Ausftattung der Räume betrifft, so ist der Vorraum am Haupteingange bis unter die Decke in Holz getäfelt, Die Füllungen find durch Stabwerk gebildet, das Rahmen- und Stabwerk in Zaba, einem rothbrauaen, dem Mahagoni ähnlihen Holze aus- geführt. Die Theilung der Wantflä&en dur Pilaster u. s. w. ift in Nußbaumholz bewirkt. Die Leisten sind in s{hwarzem mattirten Birnbaumholz hergestellt. Die Decke selbst is mit Leinroand be- spannt und auf blauem Grunde bemalt Die Umrahmung derselben wird durch Ornamente in dunklerem Blau mit Gold gebildet, während d:r mittlere Theil durch ein Sternmuster ausgefüllt ift. An der cinen Stirnwand sind zwei in Hondurasholz ausgeführte, zu- fsammenklappbare Lolzstühle aufgebängt. An der anderen, nab dem Saîon zu liegenden Stirnwand befindet sich im unteren Theil der- selben ein angemessen dur@gebildetes Heizgitter, hinter welhem, in der Wand cingebaut, die Ripperkörper zur Erwärmung des Vor- raumes Aufnahme gefunden haben

Der Salon it in besonders reicher Weise ausgestattet. An Möbeln befinden sib in demselben ein bequemes Sopha, ein aus- ziehbarer und ein fcster Polsterstubl, zwei gewöhnlihe Stühle, ferner ein kleinerer und ein größerer Klapptisch und ein Schreibschrank. An allen Möbeln sind scharfe Kanten und Ecken durchaus veruieden, damit Verleßungen durch dieselben während der Fahrt hervorgerufen werden können. Die Polstermöbel sind mit einem in matten Farben gehaltenen Wolistof (Brokvyne), die beiden aus Hondurasholz gefertigten Stühle dagegen mit Leder bezogen. Unter deim Sopha ift eiu großer Schubkasten zur Aufnahme von Gegen- isländen angebracht. Die beiden Klappüsbe, deren Platten einen dunkelblauen Tucbbezug erhalten haben, sind aus dem gleihen Holz wie die Stüble angefertigt, Der Schreibschrank ist mit herabklappbarer Schreibplatte versehen, hat mehrere vershließ- bare Schubfächer, sowie andere kleinere Abiheilungen zur Auf- nahme von Schreibgegenständen erhalten und ist in seinem oberen Theil mit einer Uhr ausgerüstet. Derselbe if in seinem Leistenwerk aus Hondurasholz ausgeführt, während die Füllungen in Olivenholz und Paliffanto 1rait reihec eingelegter Arbeit und Shnitzwerk her- gestcVt sind. Die beiden Wandschränke sind in der starken Wand zwishen Salon und Vorraum über den Heizkörvern des letzteren ein- gebaut und nur zur Aufnahme kleinerer Gegenstände bestimmt. JZhre Thüren haben auf einem Grunde von Olivenholz den preuß:\{en und den deutshen Adler in reickcher eingelegter Arbeit erhalten. Die zwischen den Sthränken liegende Thür ist in den gleihen Hölzern auëgeführt und in ihren oberen Feldern mit Intarsien des Reichs- \{chwertes und Szepters ausgestattet. An den Secitenwänden befindet sich unmittelbar über dem Fußboden die Heizung, die mit einem Gitter in geshliffener und feuervergoldeter Bronze bekleidet ist. Die unteren Theile der Wände von der Heizung bis zur Fensterbrüftung wurden mit blau und gold gestreiftem Stoffe (Brokyne) bekleidet, in welchem si ein größeres, aufsteigendes Muster befindet.

__ Das Leistenwerk der Wände wic des ganzen Raumes, aus\{ließ- li der Deckte, wird durch Hondurasholz gebildet, und ist dur reiche Schrägzereien und Vergoldungen an den Ornamenten noch bcf\onders belebt. Zu den Umrahmungen der Füllungen bezw. Intarsien wurde zumeist grünlies Palifsanto und grauer Aborn verwendet, als Grund für die Intarsien ist aus]sch{ließlich Olivenkolz gewählt. Die Wand- flähen zwischen den Fenstern sind mit Holzbekleidbungen in eingelegter Arbeit verfehen. Die Fenster sind durch flache, geshnitzte Pilaster eingerahmt, welche leßteren darüber be- findlive Kästen zur Aufnahme der in bronzefarbener Seide ausgcfüßrten Spriagvorbänge tragen. Die Fenster sind sämmtlich als Doppelfenster ausgebildet, von denen die tleineren aufziehbar und der leichteren Beweglichkeit halber mit Gegengewihten ausgestaitet, die großen mit festen, doppelten Spiegelscheiben versehen sind.

Die über Fensterhöhe beginnende gewölbte Seitendecke ift au an den Stirnwänden herumgeführt und durch ein aufliegendes Leisten- werk mit reiher Snitzerei in Felder gethcilt. In den Feldern über den großen Fenstern und über dem St{reibscrank sind in Silber ge- gofsene, mit vergoldeten Bronzerahmen versehene Medaillons, welche die fünf Hauptstrôme Deutschlands darstellen angebraht. Ueber den kleinen Fenstern dagegen find etwas kleinere, in gleihen Materialien ausgeführte Medaillons mit der preußischen Krone angeordnet. Ueber der Thür des Haupteingangs befindet si, in Hondurasbolz geshnißzt, in reicher, muschelförmiger Umrahmung die deutshe Kaiserkrone.

Der Oberlicotaufbau ift mit matt gesch{liffcncn, ornamentirten Fenftern versehen. Die Schieber und deren Deckungen find in ver- S Bronze ausgeführt. Zwischen den Oberlictfenstern und den üftungsöffnungen des Raumes sind kleine Schilde mit dem Namens- zug Seiner Majeftät oder mit der deutschen Kaiserkrone angebracht. Die abgerundeten Ecken des Oberlihtaufbaues, in welchem die vier dreiflammig-n Laternen eingebaut find, haben ebenfalls Holz- befleidung mit eingelegter Arbeit erkalten, dagegen sind die Stirnwandtheile des Oberiihts wiederumn mit Bronzeornamenten auë- gestattet. Die aus einem Stü hergestellte Dee ist durch drei gröfere, längliche, und zwei kleinere, mehr quadratishe Felder gegliedert. Der Grund der Decke besteht aus indishem Buchsbaum, auf welhem zwishen den erwähnten Feldern in ges{chmackvoller Umrahmung der deutsche Adler viermal eingelegt angeordnet ist, wobei besonders {ön naturgefärbte Hölzer, wie Grenadilla, Palissanto, Satiné u. \#. w. zur

nicht |

1891.

baumholz mit Bronzeornamenten ausgeführt, während der Gcund der Felder zum Theil aus deutschem Buchsbaum mit eingelegten Orna- menten in hellem Honduras, zum Tbeil auh aus dem \{hönen elfenbeinartigen Holz der Stehpalme hergestellt ift, Az den Wänden find noch zwölf Kerzenlampen für die Nothbeleuchtung auf vergoldeten Bronzearinen angeordnet. Der Fuß- boden ift mit einem großgemusterten Moquettce-Teppih von dunkel indigoblqauem Grunde belegt, dessen Muster auch in allen übrigen Räumen des Wagens Verwendung gefunden hat.

Im Sc{hlafgemach haben Aufstellung gefunden: ein vollständiges

Bett mit metallenem Gestell, ein kleiner, stoffbezogenec Stuhl und ein Spiegel zwishen den Fenstern mit davor befindlihem Klapp- tishchen. An der Stirawand nah dem Nebenraume zu (Fußende des Bettes) ist eine Etagère zur Aufnahme kleinerer Gegenstäave und an der Längswand über dem Bett dur die ganze Länge des Raumes eine große O augebracht. Am Kopfende des Bettes ist eine abnehm- bare Konsole als Nazchttish angeordnet. Unter dem Spiegel befindet ih ein durch ein Bronzegitter umkleideter Heizkörper. Die an der Außenwand über dem Fußboden liegende Hceizrohrcleitung ist, wie im Salon, dur ein ebensolhes Gitter bekleidet. Die Bekleidung der Wände bis zur Fensterbrüstung is in Stoff mit helblauem Grunde und grünliWen, golddurchsGofsenen Ornamenten ausgeführt. Die Wandbekleidung bis zum Anfang der gewölbten Seitendecke ist im Rahmen- und Leistenwerk durch Nußbaum, der Grund der Intarsien aus ungarisher Maser-Cshe mit Umrahmungen aus Buchsbaum gebildet. Die gewölbte Seitendecke, ebenso die Decke des Oberlih1s ist mit eingelegter Arbeit auf hellem Grunde (Buchsbaum) auszestattet ; das Oberliht hat in derselben Weise wie der Salon Fenster und Lüftungsschieber erhalten. Die Seitenwandfenster sind außer mit Springvorhängen in bronzefarbener Seide auch noch mit Schiebe- gardinen in gleihem Stoffe ausgerüstet, An der Stirnwand nah dem Salon befindet sich ein Bronzearm mit zwei Kerzen als Noth- beleuhtuna. __ Der Nebenraum für Seine Majestät ist vom Schlafgemah dur eine breite Schiebethür getrennt, sodaß bei geöffneter Thür eine sehr bequeme Verbindung zwischen beiden Räumen hergestellt is. Die Thür ist auf beiden Seiten gleichmäßig, in der Art der JIntarsirungen des Scbiafgemachs ausgestattet. Die Holztäfelungen des Nebenraumes sind in ähnlichen Hölzern und in ähnlicher Weise wie diejenige des Schlaf- gemahs ausgeführt. Bis zu einer Höhe von etwa 1390 mm sind die Wände mit Porzellanfliesen bekleidet, wele in der Königlichen Porzellan- manufaktur in Charlottenburg zum Theil mit ornamentaler, zum Theil mit landscaftliher Bemalung angefertigt sind. Die Wasch- vorritung, über welcher Gläfer und Wasserflashe Aufstellung ge- funden baben, ist mit Marmorplatte und bemaltem Porzellanbecken versehen; cin darüber befindliher Habn gestaitet die Entnahme kalten Wassers. Unter dem Waschtish, dessen seitlihe Wände vergittert sind, befindet sich ein Heizkörver. Die neben dem Waschtisch« liegende Nothtbür is dur cine als Handtuchhalter ausgebildete Neberlegstange verriegelt, welche erst entfernt werden muß, um das Thürshloß öffnen zu können. Einige an den Wänden fest angebrachte Spiegel, Wandarme für Kerzenbeleuchtung, Kiciderhak:n u. |. w vec- vouständigen die Ausstattung. An dem Fenster der Nethtbür befindet sih ein Springvorhang und eine Schiebegarvine von dem hierfür tim Schlafgemach verwendeten bronzefarbenen Stoffe.

Von dcm Seitengang ift derjenige Theil, welLer sich neben deim Swülafgemah für Seine Majestät befindet, in etwas reiczerer Aus- stattung als der übrige Theil des Ganges gehalten. Unterhalb der Fensterbrüstung sind die Wände mit demselben Stoff ausgeschlagen, welcher im Salon zur Wandbekleidung benußt ift, oberhalb der Fensterbrüftung dagegen bis zum Anfang dcs gewölbten Daches sind die Wände mit Ledertapete (Ledcrschnititarbeit) bekleidet, welche auf bellcm Grunde dunklere, getriebene Ornamente, zum Theil auch figür- live Darstellungen, nämli zwei Kindergestalten, Sinnbilder des Krieges und des Friedens, erhalten hat. Das Rahmen- und Leisten-

Anwendung gelangt sind. Die Umrahmung der Felder ift in Nuß-

werk dieses Raumes, ebenso die in Stabwerk hergest:llte Decke ist in Eichenholz ausgeführt, welches Jahrhunderte im Wasser gelegen und dadur eine tiefbraune Färbung erhalten hat. Durch theilweise Anbringung shwarzer Leisten und geringer Ver- goldung_ wird die Wirkung der Ausstattung noch gehoben. An der Wandfläcbe sind vier aus Hondurasholz gefertigte Klappitühle an- gelehnt, wie fole aud im Vorraum am Haupteingang untergebracht sind. Der übrige Theil des Seitenganges ist in seiner unteren Hâlfte mit Lineleum bekleidet, während oberhalb der Fensterbrüstung bis zum Dach hellfarbige, grünliche Lincrusta (Walton) oder Patent. Relief-Tapete Verwendung gefunden hat. Die lange. tonnenförmig ausgebildete Decke is in Stab- werk as White-wood und Nußbaumbholz hergestellt und durch Querriegel aus dem leßteren Material in Felder getheilt. Auch das übrige Rahmen- und Leistenwerk des Raumes is in Nußbaumholz von ver- fcicdener Färbung gefertigt. Die kleineren Fenster sind beweglich, die großen fest. Dieselben können durh Sciebegardinen bedeckt werden. Sämmtliche vom Seitengange nah den Abtheilen bezw. dem Neben- raum Seiner Majestät führenden Thüren sind als S(iebethüren Sf id In die Wand hincinshlagend sind einige Klappsize an- gebracht.

Die Anordnung der Abtheile für die Herren des Gefolges ift im Allcemeinen die gleihe wie die der Halb-Abtheile in den Sclaf- wagen, nur find fie etwas länger gehalten als diese. Dieselben ent- balten je einen Siß mit bewegliher Rückenlehne, welche leßtere in der Nackt bo@ geklappt wird, um die unteren Sitze als Stlaflager be- nugen zu können. Die hochgeklappte Lehne ist in diesem Falle zur Aufnahme von Sahen u. st. w. wohl geeignet. Die zwischen den Halb- Abtßeilen befindlihe Trennungswand. an welcher klcine Klapp- tischchen angebraGt sind, ist mit einer Thür versehen. Die Wand ist zum Herausnebhmen eingerihtet, wodur die beiden Abtheile zu einem einzigen Raume vereinigt werden können. Die Sitze und Rückenlehnen find mit einem dunkel gemusterten Wollenstoff bezogen, welher au ¿ur theilweisen Bekleidung des unteren Theiles des Wände benutzt worden ift. Zu dem Rabmen- und Leistenwerk der Wände sind ver- \ciedene Hölzer, so z. B. Nußbaum-, graues Ahorn-, \{warzes Birn- baumholz u. s. w. verwendet, In denselben Hölzern, zum Theil aub mit Tarxu®ê-Leistenwerk und besonders reicher Ausstattung sind die Thüren gehalten. Die Tbür in der Wand zwischen den Abtheilen ist im oberen Theil mit einem Spiegel versehen. Die gewölbte Seitendecke bat eingelegte Arbeit in ges{chmackvollem Rahmenwerk erbalten. Der Oberlichtaufbau weist gemusterte Fenster und in hellem Aborn ausgeführte Lüftungs- \Mieber auf. Die Deckenfelder sind in belleren Hölzern, verschiedenen Abornarten (Vogelauge) u. \. w , das Leistenwerk in Nußbaum und Tarus ausgefühct. Die nah den Sizen zu belegenen Fenster sind als feste, die andern als beweglihe ausgebildet. Unter den leßteren sind die Heizkörper angeordnet, welhe mit einem durchbrobenen Kösten umgeben sind. An fonftigen Gegenständen sind noch arößere Gepäck- neße, Notblampen, Aschbecher u. \. w. angebraßt. Der Stoff der Sbeimayorhänge ist die überall im Wagen verwendete, broncefarbene

eide.

In dem Abtheil für die Diener sind die Sißze und Rückenlehnen in gleiher Weise ausgeführt wie diejenigen der Halb-Abtheile, der Stoffbezug ist jedoch etwas einfacher. In diesem Abtheil werden auch die howgeklappten Rückenlehnen in der Weise, wie solches bei den Swlafwagen- üblich ift, als Swlaflager benußt. Die zur Herstellung der Stlaflager benöthigten Matragen, Keilkifsen, Decken und Wäsche- gegenftände find, wie in den Halb-Abtheilen, unter den Sigzen bezw. hinter