1891 / 99 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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Gf Om o tén U df A T E E E E A A E E E N E F L d S,

abgabe festseßt, wird bis zur Beendigung der Berathung über die technischen Vorschriften des Entwurfs und über die Kontrole ausgesezt. §8. 3 (Zahlungspflicht), 4 (Verjährung), 5 und 6 (Befreiung von der Zuckersteuer) werden ohne Debatte ge- nehmigt, desgleihen der zweite Abschnitt „Steuerkontrole“ S8. 7 bis 63 en bloc auf Antrag des Abg. Dr. von Bennigsen.

Darauf wird die Berathung abgebrochen.

Séhluß gegen 5 Uhr. Nächste Sißung Mittwoch 11 Uhr. (Fortseßung der Berathung.)

Entscheidungen des Reichsgerichts. Ein shiedsrihterlihes Verfahren, in welches sih die

Parteien eingelassen haben, ohne die Unzulässigkeit des \chiedsrihter-

lichen Verfahrens geltend zu mahen, kann, nach einem Urtheil des Reichsgeriht, I. Civilsenats, vom 17. Januar 1891, sodann nit im Klagewege wegen Unzulässigkeit des \chiedsrihterliwen Ver- fahrens angefochten werden. Ist beispielsweise unter den Berliner Schlußscheinbedingungen ein Börsengesf châäft abgeschlofsen worden, welches vor dem Schiedsgericht vom Beklagten zu seiner materiellen Rechtfertigung als ein reines Differenzges chäft bezeihnet wird, ohne deshalb die Zulässigkeit des \shiedsrihterlihen Verfahrens über- haupt zu bestreiten obgleih er dazu berechtigt war —, so kann er den für ihn ungünstigen Schiedsspruch niht mehr wegen Unzulässigkeit des Verfahrens anfechten.

Wird auf Grund der 88. 35?—356 Thl. I. Tit. 5 Allg. preuß. Landrechts von dem Getäuschten die Aufhebung des Vertrages verlangt, so hängt in diesem Falle, anders als im Falle der Redhibition wegen Gewährleistung §§. 325 ff. Thl. 1. Tit. 5 Allg. preuß. Landrechts die Befugniß zur Aufhebung des Vertrages und zur Rückforderung des Geleifleten auf Seiten des Getäuschten nit davon ab, daß er das Kaufobjekt in wesentlich unverändertem Zustande zurücktzugewähren im Stande ist. Auch nach Allg. preuß. Landrecht ist anzunehmen, daß die Befugniß zum Rücktritt fortfällt, wenn der Getäuschte nach erkannter Täushung über den Vertrags- gegenstand in einer Weise verfügt, welche mit der demnächst verlangten Aufhebung des Vertrages unvereinbar is, weil daraus eine Aner- kenntniß des Vertrages folgt §§. 186 ff. Th. I Tit. 5 Allg. preuß. Landrechts. Urtheil des MReichsgerihts, 1. Civilsenats, vom 4. April 1891.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 27. April gestellt 7736, nit recht- zeitig gestellt keine Wagen.

Subhafstations-Resultate.

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 97. April 1891 die nachverzeihneten Grundstücke zur Versteigerung: Koppenstraße 3, der Frau Malermeister Auguste Holz gehörig ; ferner Paulstraße 24, dem Kaufmann H. A. Freise gehörig. Die Versteigerung fand jedoch nicht statt, da das Verfahren wegen derselben aufgeboben wurde. :

Berlin, 27. April. (Wollbericht d. Ctrbl. f. d. Textil-Ind.) Das Geschäft beschränkt sih jeßt fast aus\{ließlich auf den Artikel ungewaschene Wolle, in welchem in voriger Woche ca 2000 Gtr. abgeseßt wurden. Der Haupttheil davon wurde von einem rheinischen Kammgarnspinner genommen, während der Rest nah der Lausiß ver- fauft wurde. Preise hielten sich unverändert auf dem bis- herigen Niveau. Die Bestände bleiben in Folge des hlanken Absaßes

flein und dürften auch in nächster Zeit keine Vergrößerung er- fahren, da für die neuen Ankünfte bereits Reflektanten vorhanden sind. Im Kontraktgeshäft in Rückenwäsche ist es noch sehr fill. Die Thatsate, daß die Kämmer sich vom inländischen Produkt fast während der ganzen Campagne fern gehalten haben, und die Ver- muthung, daß sie au ferner diese Zurückhaltung bethätigen werden, läßt deutli erkennen, daß sich die überseeisheu Wollen für diese Abnehmer billiger stellen. Um die Konkurrenzfähigkeit wieder herzu- stellen, müßten unsere Wollen unter den vorjährigen Preisen ver- zun werden, wozu sich die Besiger bisher noch nicht entschließen onnten.

Die gestrige Generalversammlung der Aahen-Münchener Feuerversiherungsgesell\cchaft beshloß die Vertheilung einer Dividende von 450 #6 pro Aktie und die Abschreibung von 514 092 M für gemeinnüßige Zwecke und von 164092 # zur Er- böhung der Dividenden-Ergänzungsreserve. Die Aachener Rüdck- versiherungsgesell\chaf\t vertheilt 120 4 pro Aktie.

Die „Köln. Ztg.“ meldet, daß vom Aufsihhtérath der Aktien- gesellschaft für Eisenindustrie und Brückenbau in Duisburg für die bevorrechtigten Aktien 13 9% und für die Stamm- aktien 12 9% Dividende vorgeschlagen find. 5

Die neunzehnte ordentliße Generalversammlung der Zwickauer Bank genehmigte den Geschäftsbericht, die Bilanz, \o- wie die Gewinn- und Verlustberechnung, ertheilte die Entlastung und beschloß die Verwendung des Reingewinnes nah dem Vorschlag der Direktion. Die ferner auf der Tagesordnung stehenden Anträge auf Erhöhung des Grundkapitals und Statutenabänderung konnten nit zur Erledigung gelangen, da die geseßlich erforderlihe Anzahl von Aktien niht vertreten war; diese Gegenstände werden daher einer außerordentlihen Generalversammlung nochmals zur Beschlußfassung vorgelegt werden. Die Auszahlung der Dividende pro 1890 von 7 °/o = 21 pro Aktie erfolgt von heute ab.

In der gestrigen Generalversammlung der Aktionäre der Hessischen Ludwigsbahn wurde die vom Aufsichtsrathe vor- geshlagene Dividende von 4F 9/0 für das verflossene Geschäftsjahr genehmigt; die aus dem Verwaltungsrathe ausscheidenden Mitglieder wurden wiedergewählt. Von der Verwaltung der Hessischen Lud- wigébahn is mit Bezug auf die Verhandlungen über die Verstaat- lihung der Bahn in der Kammer eine Denkschrift verfaßt worden, welche morgen erscheinen soll.

Das „Gewerbeblatt aus Württemberg“, heraus- gegeben von der Königlichen Centralstelle für Gewerbe und Handel in Stuttgart, hat in Nr. 17 des 43. Jahrgangs vom 26. April cr. folgenden Inhalt : Ueber Brin ge Rae durch den Verkehr mit ausländiscen Robhäuten, Die Ueberwindung der Plabfrage bei Jacquard-Maschinen mit großer Platinenzahl. Verschiedene Mittheilungen. Entscheidung des Reichsgerichts. Preisaus- schreiben. Neues im Landes-Gewerbe-Museum. Aus dem Lese- zimmer der K. Centralstelle. Jahresberichte der Fabrikinspektoren für das Königreih Württemberg für das Jahr 1890.

Leipzig, 27. April. (W. T. B.) Kammzug - Termin- handel. La Plata. Grundmuster B. pr. April H, pr. Mai 4,377 #, pr. Juni 4,40 #4, pr. Juli 4425 A, pr. Auguste 4e a M Fer h] M, pr. Oktober 4,472 #,

, emvoer 4, , pr. Dezember 4,475 4, pr. Ianuar 4,47

msay 10000 kg, Ruhig. s S : 1M M daran 27. April, (W. T. B) Wollauktion. Wolle

Glasgow, 27. April. (W. T. B.) Die Verschchiffungen vonRohe isen betrugen in der vorigen Woche 7440 Tie da 8370 Tons Ras E, K 4 erigen Jahres.

Bradford, 27. April. (W. T. B.) Wolle fest, | en, NeRA S R e offe R, mäßig le fest, Garne

New-York, 27. April. C D. eute find 500 000 Dollars Gold zur Ausfuhr nah E O A Das heute zur Ausfuhr nach Europa bestellte Gold im Beirag oen 900 000 E n ar Paris bestimmt. i e Supply an Weizen 223440009 Busbels, do. Mais 2 464 000 Bushels. S as

Mannigfaltiges.

Heute, am Tage der feierlihen Ueberführung der irdishen Hülle des Feldmarschalls Grafen Moltke nach_ dem Lehrter Bahnhof, ist die als ein Ruhmesdenkmal des Dahingeschiedenen erbaute Moltke-Brücke am Königsplag in ihrem reihen fünfstlerishen S@&mudck enthüllt worden. Noch gestern waren viele Arbeiter ge- \châftig, um die leßte Hand an die Skulpturen, die mächtigen Kan- delaber und Balustraden zu legen. Noch bis kurz vor seinem Tode hat Graf Moltke bei mehreren Besuchen den Fortgang der Arbeiten an dem ibm gewidmeten Werke besibtigt und namentli an den Büsften und Statuen der Brücke sein lebhaftes Interesse bekundet. Bei der S(wierigkeit, alle Einzelheiten genau zu sehen, heute der greise Herr, wie die „Nat.-Ztg.“ mittheilt, nicht die Mühe,- auf den Ge- rüsten und schmalen Balken entlang zu klettern, selbst an Stellen, wo mancher Jüngere einen Fehltritt gefürchtet hätte. * Jede Unterstüßung des Architekten, der ihn bei der Besichtigung führte, lehnte der Graf lähelnd aber entshieden ab. Als ihm das Kolofsalrelief ae wurde, in welchem Professor Begas das Porträt des Feldmarschalls in Stein gemeißelt hat, sagte Graf Moltke scherzend: „Na, \o böse, wie mih Hr. Begas da gemacht hat, sehe ih doch wohl nit aus. Für den Tag der Ueberführung hatte der Architekt der Brücke, Otto Stahn, eine besondere Trauerdekoration ausgeführt. Das Porträt Moltke’s is von einem Immortellenkranz umgeben, an der Außen- seite der Brücke sind umflorte Tannenguirlanden angebracht, und die ee ai welche den ganzen Tag über brennen werden, sind umflort.

Am 24. d. M. fand der „N. Pr. Z.*" zufolge die diesjährige Generalversammlung des Preußischen Frauen- und Jung- frauen-Vereins in dem festlih dazu geshmückten Offizier-Kasino des Königlichen Invalidenhauses statt. Die hohe Protektorin des Vereins, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl, wohnte der sehr zahlreih besuhten Versammlung bei, in welcher zunächst von dem Schriftführer ein kurzer Bericht über die Thätigkeit des Vereins abgestattet wurde. Darin wurde besonders die eifrige Arbeit der Damen des Vorstandes und die mit vielen Mühen und Sorgen verknüpfte Thätigkeit derjenigen Damen hervorgehoben, welche die Rethercen übernommen haben. Der Vermögensbestand des Vereir s ist gegen den Abschluß des vorigen Jahres fast unverändert geblieben, ebenso die Einnahme, aber die Ansprüche an den Verein, welcher #ch die Unterstüßung von Invaliden aus den Feldzügen, deren Arbeitsunfähigkeit sich nah Feststellung ihrer Penfion vergrößert hat oder erst nach Ablauf der für die Pensionsansprüche geseßlich normirten Zeit hervorgetreten ift, sowie von deren Angehörigen zur Aufgabe gemacht hat, sind immer mehr im Wachsen begriffen, sodaß zur gedeihlihen Fortentwickelung die Zunahme der Beiträge dringend wün|schenswerth erscheint. Aus dem Jahresbericht ist ferner zu ent- nehmen, daß im Jahre 1890 750 einmalige Unterstüßungen in Höhe von 541305 e und an etwa 20 Nothleidende fortlaufende Unter- stüßungen im Ganzen 1878,40 4 gezahlt sind. Um in dem Wesen des Vereins auch den frischen, shaffensfreudigen Geist zum Ausdruck zu bringen, hatte man eine musikalishe Unterhaltung und ein ge- selliges Zusammensein veranstaltet. Die Versammlung fand dur eine kurze Ansprahe des Pfarrers Dürselen von der evangelischen SFnvalidenhaus- Kirche, welher das erhebende Gefühl der stillen, segens- reihen Thätigkeit der Damen des Vereins zum Ausdruck brate, einen würdigen Abschluß.

Am 24. d. M. feierte der Königliche Musßkalien-Inspektor bei der General-Intendantur der Königlichen Schauspiele Hr. H. Friese sein sechzigiähriges Dienst-Jubiläum.

Hermsdorf u. K. Wie der „Schles. Ztg.“ gemeldet wird, ist zwischen der reih8gräflih Schaffgotsh" schen Verwaltung und der Firma Sönderop u. Comp. in Berlin der Vertrag über den Bau der Koppenbahn gerichtlih abgeschlossen worden.

Wien, 27. April. Na einer aus Witkowiß in Mähren an hiesige Blätter gelangten Meldung hat in den dortigen Eisen- werken heute Vormittag eine Explosion giftiger Gase statt- gefunden. Mehrere Arbeiter sollen verwundet oder getödtet sein.

Rom, 24. April, Ueber die große Pulver - Explosion wird der „Nat.-Ztg.“ geschrieben: Gestern, Donnerstag, Morgens, einige Minuten nach 7 Uhr, wurde Rom durch_ einen entsetlihen Donnerschlag erweckt, dem alsbald überall das Klirren von Fenster- scheiben, das Poltern herabstürzender Läden, in den Häusern das An niederfallenden Mörtels folgte. Im Nu war Alles auf den Beinen, Frauen weinten, Kinder \hrien, alle Fenster dicht beseht von Menschen in Nachtkleidern, die sonst um diese Zeit noch so stillen Straßen erfüllt von ansgstvoll fragenden, aufgeregt durheinander kom- menden Männern. Niemand wußte, was vorgefallen. Die anfäng- lie allgemeine Meinung, es handele sich um ein Erdbeben, mußte natür- lih soglei aufgegeben werden. Die Straßen boten einen wunderlicen Anblick: an manten Stellen war das Pflaster buhstäblih_unter den Glassplittern und Trümmern verschwunden. Die frühe Stunde ift der Grund, daß nicht mehr Verwundungen durch die herabstürzenden Dinge zu beklagen sind. Die widersprechendsten Ansichten über die Natur des Unglücks s{chwirrten dur die aufgeregte Menge. In jedem Quartier glaubte man, es handle sich um ein in nächster Nähe statt- gehabtes Unglück. Niemand wußte, daß der Krah die gesammte Stadt ershüttert und in Schrecken verseßt, vom Janiculus bis zum Eséquilin, vom Vatikan bis zum Quirinale. Man glaubte an ein politisches Attentat ; Stimmen wurden laut, das sei das Vorspiel zum ersten Mai. Viele eilten nah dem Königsshloß: sie sahen Ne des Königs, welche in der Richtung nach Ponte Gari- aldi fuhr.

Inzwishen sah man eine ungeheuere Rauchfäule, den glänzenden Frühlingshimmel verdunkelnd, aus der Gegend von San Paolo fuori le mura heranziehen und sich über der Stadt verbreiten. Zugleich brachte ein nah dem Kriegs-Ministerium \prengender reitender Artillerist die Kunde: der Pulverthurm von Porta Portese, etwa vier Kilometer vor der Stadt, war in die Luft geflogen.

Nun. bekam die wirr dur einander fluthende Bewegung auf den Gassen ein Ziel. In den Straßen, die nah jenem Thore führen, drängte und \{chob eine unermeßlihe Menge, ganz Rom sien auf dem Wege nah der Unglücksstätte. Unabsehbare Reihen von Kutschen mit Damen und Herren konnten sich nur mübsam im Schritt vor- anbewegen, Wo immer man vorüberkam, zeigte sih die gräßliche Verheerung: die \{önsten Paläste standen fensterlos, die Läden \cief in den Angeln“oder herabgestürzt. Viele Kirchen verloren ihre theils sehr werthvollen Fenstergemälde. Im Vatikan z. B. sind sämmtliche Scheiben in den Raffaelischen Loggien zertrümmert; in der Bibliothek stürzten viele unshäßbare Kunstgegenstände, Vasen u. dergl. und gingen in Stücke. Auch in der Peterskirche sind manche Ver- luste zu beklagen. Mehrere päpstliche Diener wurden mehr und weniger \chwer verwundet.

Vor dem Thore zeigten \ich die ersten ganz unmittelbar durch die Explosion hervorgebrahten Verwüstungen. Die Gegend vor den Thoren Portense und S. Pancrazio, gegen Monte Verde hin, ist eine der anmuthigsten in der Nähe der Stadt. Das Terrain zieht in mannigfach fd freuzender welliger Bewegung gegen die Maremmen von Oftia und Maccarese hin. Ueberall \chôn gepflegte_Weingärten, Obstpflanzungen, malerische Campagnahäuser, Villen, Osterien, wo ih Sonntags das Volk ergeht, denn der Wein von Monte Verde

st der beste aller römischen, wie die Pfirsiche, die vor Porta Portese gean als die allerfeinsten gelten. Diese fröhlihhe, üppige, heitere andschaft ist verschwunden. Die Bäume sind zerbrohen und ent- wurzelt, die Weinstôöcke geknickt, die Häuser und Schänken _dachlose Mauervierecke von Schutt und Mulm erfüllt, Ruinen, die neuen Einsturz drohen. Es ist ein Glück, daß die Explosion nicht zwei Stunden früher erfolgte: alle die läudlichen Arbeiter, die legt son auf dea Feldern waren, wären erschlagen worden von den stürzenden Dächern und Fußböden.

Der König hatte si, als er während des Ankleidens die Rauh- säule am Himmel herziehen sab, sogleich in den Wagen gelept und na jener Ritung fahren lasf:n. Er traf um acht Uhr an der Unglüdcks\tätte ein, noch vor den Behörden. Während der ganzen Kahrt war er Gegenstand begeistertster Huldigungen. Mehrere Male, als Verwundete an ibm vorbeigebraht wurden nach dem Krankenhaus, ließ er halten und stieg aus, um si bei ihnen nah den näheren Umständen zu erkundigen. Einen verwundeten Hauptmann ließ er in seinem eigenen Wagen nah der Stadt bringen. Der Köniz begab ih nah all den Häusern, die Schaden gelitten; in seinem Beisein, unter seiner Leitung wurden viele Personen aus dem Schutte ausgegraben, denen er in liebevoller Weise Trost zusprach. Auch nah der Viana Pia begab er si, einer nabe gelegenen, von Geistlichen geleiteten Ackerk aukolonie für Knaben, einer Stiftung Pius? 1X. Ein Theil des Gebäudes war eingestürzt, von den 100 Zöglingen hatten etwa 20 Verwundungen glüdliher Weise meistens nur leihte davongetragen. Andere und einige dort befindlihe Krankenshwestern hatten vor Schreck das Be- wußtsein verloren. Für Alle hatte der König freundliche theilnehmende Worte. Um #11 verließ er die Stätte, nahdem er si so wieder ein neues Anrecht auf die Liebe und Verehrung seines Volkes erworben.

Der Pulverthurm lag in einer von Hügeln ums({lossenen kessel» förmigen Senkung, unterhalb des Forts Bravetta. Wie gesagt, nicht weit davon inmitten wohlgebauter Felder die Anstalt Vigna Pia; die Straße, die von S. Pancrazio nah dem Pulvermagazin führt, reiblid von Hütten, Schänken, Weinberghäushen, Bauernwohnungen flankirt. In weitem Umkreis zogen \sich prächtige Weinberge. Alles dies existirt heute nicht mehr. Vom Magazin, einem viereckigen massiven niedrigen Bau mit Pyramidendach, ist buchstäblih keine Spur mehr zu sehen. Steine, Dachziegel, Balken wurden unglaublih weit geschleudert. Einige Trümmer, die das Da des linken Seiten- \hiffes von S. Pancrazio mit der künstlerish interessanten uralten Decke einshlugen, mögen über 100 Kilogramm wiegen. Ringsum ein Bild grauenhaftester Zerstörung. i

Sehr schwierig ist es, die Entstehung des Unglücks zu erklären. Das Gebäude war derartig tief gelegt, daß es vom Weg aus gar nicht gesehen werden konnte. Die Wathe hatte dort ein Piquet von sieben Soldaten des 12. Bersaglieri-Regiments. Am Tage vor dem Unglück betrat kein Mensh das Pulvermagazin. Gestern gegen 8 Uhr sollten einige Arbeiter vom Geniecorps kommen, um innerhalb der Umfassung eine kleine Brücke zu bauen. Diese Arbeiter ließen am Unglücksmorgen niht sehen. Das Gebäude, in welhem das Pulver lag, war von einer hohen, nur an zwei Punkten offenen Mauer umgeben. Am Haupteingange befand si ein zweistöckiges Wachhaus. Gegen 7 Uhr hatten si der Hauptmann Spaccamela und der Lieutenant Gobrielli von dem zwet Kilometer entfernten Fort Portese nah dem Magazin hinunter be- geben. Es heißt, auf dem Rundgang um dasselbe, innerhalb der Ümfafsungsmauer, hätten sie aus dem Keller ein bedenkliches Geräusch vernommen. Dies machte sie auf die Gefahr aufmerksam. Ohne Berzug wiesen sie die Soldaten, die auf Wache waren, an, laufend durch die Campagna zu vertheilen, um sch zu bewahren und uB i verhindern, daß andere Personen der Ümfafsungsmauer ih näherten.

Der Hauptmann Spaccamela blieb auf dem Posten, bis er ih überzeugt, daß auch der leßte Soldat den Ort verlassen. Dann erst entfernte er sh laufend. Er war etwa hundert Meter entfernt, als er durch die Wucht der Explosion zu Boden geschleudert und durch cin fliegendes Trümmerstück {wer am Kopse verlegt wurde. Von den Soldaten wurden zwet verwundet, einer \{chwer. _

Eine andere Version lautet: um 6 Uhr hätte der Wacposten einen leiten Knall vernommen, ein Zeichen, daß das Pulver si ent- zündete. Er habe sofort dem das Piquet kommandirenden Lieutenant Gabrielli Meldung gemacht, dieser sofort Befehl gegeben, das Lokal zu verlassen. Einigen Soldaten gelang es, Landleute von der drohenden Gefahr zu verständigen. Im Magazin lagen 250 Kilogr. Pulver. Einige- benahbart wohnende Arbeiter konnten bei Zeiten fliehen, da sie, wie sie wenigstens versichern, eine halbe Stunde vor der Explosion \chon gewarnt worden. Dies erregte bei Vielen den Verdacht, es handle sich nicht um einen s{hrecklihen Zufall, sondern um ein Ver- brechen. Wie die Dinge liegen, kann also heute die Frage nach der Sus des Unglücks noch niht mit Bestimmtheit beantwortet werden.

Herzzerreißende Scenen spielten sich ab. Mütter, Frauen eilten herbei, ihre Theuren zu suchen, die sie sür Opfer des Unglücks hielten. Von den Sigcherheitsorganen zurückgehalten mit der Versicherung, daß ihre Angehörigen gerettet, glaubten sie es niht und überließen ih ihrem unbändigen Schmerz. Auf Piazza di Ponte Sisto stürzte h ein Priester, der wohl an ein Erdbeben glauben mochte, vor Schreck aus dem Fenster. Bis heute Morgen nahm man an, daß etwa zehn Personen todt geblieben. Bis jeßt kennt man erst zwei: einen Ingenieur, der sich im Wagen nach dem Fort Monte Verde begab, und eine Bâäuerin, die in der Nähe Kräuter pflückte, Beide dur herab- sausende Steine ershlagen, Die Zahl der Verwundeten, die in den Spitälern untergebracht, übersteigt 300. Dabei kennt man noch nit die Zahl jener, die fih im eigenen rbe verpflegen lassen. Viele sind” in Lebensgefahr, darunter der Hauptmann Spaccamela. Für Lene, die durch das Unglück obdahlos geworden, haben die Polizei und das Municipium in ausgedehnter Weise Sorge getragen. Der König besubte am Nachmittag verschiedene Krankenhäufer, wo er überall aufs Theilnehmendste sh bei den einzelnen Verwundeten erkundigte, Jedem ein Wort des Trostes, eine Hoffnung auf Hülfe zurücklassend. Er hat dem Ministerium des Königlichen Hauses zu diesem Zwette große Summen angewiesen. l

Ungeheuer is natürli} auch der Swaden, der durch die Ver- heerungen in der Stadt entstand. In einzelnen großen Etablissements foll er ih auf viele tausend Franken belaufen. Wie kolofsal die Er- \{ütterung war, läßt sich daraus entnehmen, daß in einer Schule auf Piazza Termini, gut aht Kilometer vom Explosionsheerde entfernt, alle Zwischenmauern barfien und zum großen Theile einstürzten,

Der „Messagero“ berechnet den durch das Unglück angeriteten Schaden auf über drei=Milloner Lire.

New- York, Nah Angabe des Fachblatts „Printers Ink“ hat im Jahre 1890 die Zahl der in den Vereinigten Staaten er- scheinenden Zeitungen und Zeitschriften um 1612 zugenommen und beträgt zur Zeit 18536. Sie zerfallen nah ihrem Charakter in folgende Unterabtheilungen: Tägliche Zeitungen 1700, dreimal die Woche erscheinende 39, zweimal die Woche 221, Wochenzeitungen 13 420, alle zwei Wothen erscheinende 85, halbmonatlih 318, Monatsschriften 2506, alle zwei Monate ersheinend 75, Vierteljahrs\chriften 178. Am stärksten is die Presse im Staate New-York vertreten; dort ersheinen 1958 Zeitungen und Zeitschriften. Dann kommt Illinois mit 1714, Pennsylvanien mit 1357 und Ohio mit 1139 u. f. w. bis Alaska mit 3 Wochenblättern und dem Indianer-Territorium, wo keine einzige tägliche Zeitung erscheint. Das benachbarte Canada hat ebenfalls nur 88 Tages- und 527 Wocenblätter aufzuweisen.

New-York, 24. April. Barnum hat ein Vermögen von über 5 Millionen Dollars hinterlassen. Das Testament, in welchem er darüber verfügt, ist der „A. C." zufolge mit 8 Codicillen 100 Seiten stark, und es dauerte über 24 Stunden, bis der damit betraute Advokat mit dem Verlesen desselben fertig wurde. Der be- rühmte Schaubudenbesißer hat zahlreihe gemeinnüßige Institute mit beträchtlichen Legaten bedaht und u. A. dem Tuft's College in Massachusetts 40 000 Doll, der historish-wissenschaftlichen Gesellschaft seiner Vaterstadt Bridgeport 125 000 Doll. zur Fertigstellung ihres Gebäudes, 15 000 Doll. der Universalistenkirbe in Bridgeport und Summen in ähnlicher Höbe der KindersGuy-Gesellshaft in New-York, der Gesellshaft zur Verhütung von Thierquälerei, sowie Wittwen- u Waiseninstituten und anderen wohlthätigen Gesellschaften hinter- assen.

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

J 99.

Berlin, Dienstag den 28. April

1891.

E E A ———————_—_——

Herrenhaus. 15, Sitzung vom Montag, 27. April.

Der Sigzung wohnt der Finanz-Minister Dr. Miquel bei.

Die Berathung des Einkommensteuergeseßes wird fortgeseßt bei §8. 18, zu welchem ein Antrag des Freiherrn von Durant vorliegt, die Steuererleichterung wegen beein- L Leistungsfähigkeit den Einkommen bis zu 6000 4 (ftatt bis zu 3000) zu gewähren. Der Antrag wird aber mit

dcksiht auf die Abstimmung zu §. 17 (Bealrinae des höchsten Steuersaßes von 4 auf 3 Proz.) vom Antragsteller zurückgezogen.

Bei L 24 (Steuererklärung) erklärt

Oberbürgermeister Struckmann: Er sei ein Gegner der Steuer- erklärung gewesen und habe auch jeßt noch nicht alle Bedenken überwunden Die Einführung der Deklaration lege aber den Ein- \häßungsbehörden auch größere Pflihten auf. Jett könnten die unter 3000 Æ Einkommen beziehenden Personen zur Steuererklärung auf- gefordert werden. Dadurch entstehe ein größerer Unterschied zwischen den über und den unter 3000 A Einkommen beziehenden Personen als bisher zwischen der Klassen und der Einkommensteuer bestanden habe. Es sei deshalb zu wünshen, daß die Aufforderung zur Steuer- erflärung an die Personen unter 3000 A Einkommen möglichst zablreih ergehen möge, um diese Ungleichheit zu verwishen. Redner \priht dann sein Bedauern darüber aus, daß der Landrath, bezw. Bürgermeister zum Vorsißenden der Kommission bestimmt sei; es würde besser gewesen sein, wenn ein Beamter zum Vorsitzenden bestellt worden wäre, welcher allein die Interessen des Staates wahr- zunehmen habe; mindestens müße den Kommissionen jeßt ein offizieller Vertreter des Staates zur Wahrnehmung der fiskalischen Interessen beigeordet werden, hon um eine gleichmäßige Einshäßung in den ver- {iedenen Kreisen durchzuführen. Denn diese ruhe vielfach in der Hand der Unterbeamten, und eine Ausgleihung könne nur auf diefe Weise herbeigeführt werden. Besonders bedenklih \cheine ihm, daß Jemand, der die Steuererklärung niht abgeben wolle, die Schäßung des Einkom- mens der Kommission überlassen könne, indem er nur die Quellen seines Einkommens angebe. Es sei gesagt worden, daß die Land- wirthe unter diese Klasse fielen; er müsse aber sagen, daß dies durch- aus nicht zutrefe. So allgemein dürfe man die Deklaration niht beseitigen lassen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! Auf die von dem Herrn Vorredner angeregte Frage wegen der Führung des Vorsißes in der Kommission und wegen der Vertretung der Interessen des Staates in der Kommission, glaube i, da ein besonderer Antrag dazu nicht gestellt, nicht weiter eingehen zu sollen. Meine Herren, ih kann seine Aeußerungen nur als gute Rathschläge für die Königlihe Staatsregierung ansehen. Uebrigens hätte der Herr Vorredner aus den Verhandlungen des Abgeordneten- hauses sich überzeugen können, daß alle diese Fragen sowohl in der Kommission als auch im Plenum fo oft und ausführlih erörtert worden find, daß man darüber kaum etwas Neues sagen kann. Ih betrachte bis auf Weiteres die Bestimmungen über die Konstruktion der Kom- mission und die Qualifikation des Vorsißenden als eine Definitive, und da Abänderungsanträge nicht gestellt sind, so möhte ih das Haus nicht damit aufhalten, diese Frage nochmals zu diskutiren.

Was die Anfcage betrifft in Beziehung auf den §. 27, so hat der Herr Ober-Bürgermeister Struckémann hier vorgegriffen. Ich kann meinerseits hier nur ein Gleiches erklären. Denn auch da habe i in der Kommission des Herrenhauses, im Abgeordnetenhause und bei den verschiedensten Gelegenheiten, mih einfach an den Wortlaut des Paragraphen haltend, mich in dem bestimmten Sinne geäußert, wie es der Herr Ober-Bürgermeister zu haben wünscht. Jch habe in der Kommission der Auffassung Ausdruck gegeben, daß, wenn es hier Heißt: dem Steuerpflichtigen soll auf seinen Antrag, soweit es sih um nur durch Schäßung zu ermittelndes Einkommen handelt, gestattet werde» -— die erforderlichen Unterlagen der Kommission nach deren Verlangen zu geben, damit keineswegs in die Willkür des Steuerpflichtigen gestellt ist, s|{ch durch Nagwlässigkeit und Unklarheit in seinen Verhältnissen, absihtlich oder unabsihtlich in die Lage zu bringen, daß er keine ziffermäßigen Angaben über fein Einkommen zu machen im Stande ift, sondern es muß sich um einen Fall handeln, wo die Natur der Beträge, um welche es ih handelt, von der Beschaffenheit ist, daß sie nur durch S@&äßung zu ermitteln ist und irgend eine Buchführung dabei nicht würde helfen können. Aber, daß ein Handwerker, der absihtlih keine Bücher führt, um klare bestimmte Zahlen sich selbst zu verdunkeln, nicht unter, diesen Paragraphen fällt, ist vollkommen selbstverständlich.

Ich habe weiter darauf hingewiesen, daß die Entscheidung der Frage, ob es sich wirfliG um einen solchen Fall handelt, wo das betreffende Einkommen nur durh Schäßung zu ermitteln is, der Kommission zusteht. Es kann nicht jeder willkürlih nach seiner Meinung deklariren und behaupten, daß sein Einkommen nur dur S{äßung zu ermitteln ist; nur die Kommission hat darüber die definitive Entscheidung.

Meine Herren, wenn man anerkennt, daß eine solche Bestimmung unentbehrlich ist, so glaube ih, konnte der Paragraph gar nicht klarer und vorsichtiger gefaßt werden, wie er gefaßt ist.

Meine Herren, was endlich die Wünsche des Herrn Ober-Bürger- meisters Struckmann zu §. 24 betrifft, wo er es für dringend noth- wendig hält, daß die Staatsregierung namentli bei der ersten Ver- anlagung in ausgiebiger Weise von dem Rechte, au die bisher mit einem Betrage unter 3000 4% veranlagten Steuerpflichtigen zur Deklaration aufzufordern, Gebrau machen möge, so habe ih darüber ebenfalls in der Kommisfion des Abgcordnetenhauses, im Plenum des Abgeordnetenhauses und hier in der Kommission mich in demselben Sinne bereits ausgesprochen, den Herr Ober-Bürgermeister Struckmann wünscht. Wir haben die ganz bestimmte Absicht, weil wir sehr wohl wissen, daß fh unter den Censiten unter 3000 Mark eine erheblihe Anzahl Steuerpflihtiger befinden werden, die wahrscheinlih, wenn sie deklariren müßten, mehr Einkommen haben, als zu welchem sie bisher veranlagt worden sind, gerade bei der ersten Veranlagung einen aus- gedehnten Gebrauch von unseren Befugnissen zu machen. Das ist auch in dem Bericht der Herrenhauskommission ganz klar ausgedrückt.

L 24 wird angenommen.

n 8. 30 hat das Abgeordnetenhaus einen Zusaß zur

Regierungsvorlage beschlossen, wonach für die verweigerte Deklaration ein Zuschlag von 25 Proz. zur Steuer erhoben werden kann.

Ober-Bürgermeister Baumbach{ will diesen Zusaß beseitigen, weil derselbe aus der Deklarationspfliht einen Deklarationszwang mache, was die Regierung selbs niht beabsichtige. Er kenne die Veranlagung mit der Steuererklärung aus seiner früheren Heimath, aus einem Lande, in welchem die progressive Einkommensteuer bis 4 9% eingeführt sei. Wenn also Jemand den hohen Steuern in Preußen ausweichen wolle, dann möge er niht nah Sachsen- Meiningen geben, sonst komme er vom Regen in die Traufe: (Heiterkeit.) Daß Jemand, der nicht deklarire, von der Kommission nach bestem Gewissen eingeschäßt werde, fei begreiflich; aber daß die Kommission über das, was sie nah ihrem Wissen und Gewissen für rihtig halte, noch 25 %/%o höher veranslagen könne, das werde nicht zur Schärfung des Pflihtbewußtseins im Volke dienen.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren ! J bin in der eigenthümlichen Lage, bier das Ab- geordnetenhaus mit seinen Beshlüfsen gegen die ursprünglihe Regierung - vorlage auf das Allerbestimmteste vertreten zu müssen. Jh erblicke in dem Beschlusse des Abgeordnetenhauses zu dem hier fraglihen Para- graphen niht eine grundstürzende Aenderung der Prinzipien der Regierungêvorlage, sondern lediglich eine Verschärfung und Verstärkung und erheblißze Verbesserung gegenüber der ur- \sprünglißen Regierungsvorlage. Der Herr Vorredner macht eine sehr fkünstlihe Unterscheidung zwischen ODeklarationspflicht und Deklarationszwang. Dies verstehe i überhaupt nicht. In der Regierungsvorlage war enthalten : Jeder Steuerpflichtige ist zu dekla- riren verpflihtet, sodann war der Anfang eines Zwanges insofern in der Regierungsvorlage vorhanden, als der Nachtheil der Unterlassung der Erfüllung dieser allgemeinen bürgerlihen Pflicht in dem in vielen Fällen schr {weren Verluste der Rechtsmittel bestand. Wenn nun das Abgeordnetenhaus diesen Nachtheil, der an die Nichterfüllung einer allgemeinen bürgerlihen Pflicht in der Regierungsvorlage geknüpft war, noch verschärfte, so handelte es ganz im Sinne der Staats- regierung, aber in keiner Weise stellte es ein neues Prinzip auf. Es fann si also nur s\ragen: ist das, was das Abgeordnetenhaus vorgeshlagen hat, zweckmäßig, ist es vielleiht zu sehr bedrückend für die Steuerpflichtigen, liegt es auf dem Wege der allgemeinen Ziele, die das Gese verfolgt ?

Meine Herren, ein \{werer Druck kann in dem Nachtheil des Zuschlages von 25 %/ des eingeshäßten Steuerbetrages unmöglich ge- funden werden, aus dem einfahen Grunde, weil jeder Mensch in der Lage ist, diése Pflicht zu erfüllen, und zwar jeßt erst recht in der Lage, weil da, wo er nicht \{äßen kann, er genug thut, wenn er die betreffenden thatsählichen Voraussetzungen angiebt. Ec soll dann seine Pflicht erfüllen, der Kommission das Material für die rihtige Einshäzung seiner Steuer selbst zu unterbreiten. Er fann dies thun, entweder dadurch, taß er Selbstshäßung vornimmt und die betreffenden Summen ausdrücklich angiebt, oder dadur, daß er bereit ist, der Wahrheit entsprehend die thatsählichen Voraus- seßungen anzugeben. Das Beispiel, welches der Herr Vorredner von Meiningen angeführt hat, paßt deswegen garnicht. Wenn der betreffende Kapital-, Grund- und Sägemühlenkesißer in seiner leßteren Eigen- haft die Beschaffenheit der Sägemühle, ihren Umsatz, ihre Motoren n. \. w. angegeben hätte, so hätte er nah unserem Gese genug ge- thar. Er konnte also unter allen Umständen seine bürgerliche Pflicht erfüllen. Wenn er nun dies nicht thut, wenn er Gründe hat, es in seinem Interesse zu unterlassen, kann er sich auch nicht beshweren, daß er zu angemessener Strafe berangezogen wird. Ich habe ganz ofen ausgesprochen, daß bei der Neuheit des Vorschlags, in Preußen eine Deklarationspfliht einzuführen und bei der Er- \chwerung, die gerade solch ein Vorschlag in Preußen finden müßte in Folge. der Thatsache, daß wir bereits eine Cinkommensteuer gehabt hatten, die aber mangelhaft veranlagt war und an welche Mangel- haftigkeit die Steuerpflichtigen sich {hon gewöhnt hatten, daß die Regierung da Bedenken getragen hat, ihrerseits die Nichterfüllung der Deklaratiorspfliht mit stärkeren Nachtheilen zu verbinden als in der Regierungsvorlage geschehen ist, daß wir aber mit Freuden es begrüßen, wenn die Landesvertretung dasselbe Ziel verfolgt und in dieser Be- ziehung noch einen Schritt weiter geht.

Meine Herren, es ist rihtig, daß wir vielleiht auch ohne den 8. 25 mit der Zeit dasfelbe Ziel erreihen würden, vorausgeseßt, daß die Kommissionen von dem Grundsaß konstant ausgehen, jeden Menschen, der nit deklarirt, als verdähtig zu behandeln, mehr zu besißen als man gewöhnlich annimmt, und ihn daher zu übershäßen, sodaß man den Betreffenden \{ließlich zwingt zu deklariren. Dieser Weg ist in Sachsen und andern deutschen Staaten eingeschlagen worden, daß er aber weniger wünschenswerth ist als ein Zustand, in dem von vorn herein die Deklaration eine allgemeine ist, kann in keiner Weise bestritten werden. Es is an und für sich sonderbar, daß eine Kommission, um die Wahrheit herauszubringen, einen Steuerpflichtigen zu hoch \{äßen muß, um ihn dadurch zur Deklaration zu bringen. Dann aber werden es sehr viele Kommissionen doch noch nit in genügender Weise thun, und viele Steuerpflihtigen werden Jahre lang zu wenig bezahlen, weniger als ihre Nachbaren, welche die staatsbürgerlihe Pflicht der Deklaration erfüllen. Sie lassen es darauf ankommen, denn sie haben es in der Hand, in dem Augenblick, wo sie Übershäßt werden, noch auf Grund einer Deklaration zu reklamiren. Ist dieser Weg der bessere oder derjenige, Maßregeln zu trefffen, durch welche die Deklaration von Anfang an mögli{} allgemein wird?

Der Herr Vorredner irrt, wenn er meint, es wären die 25 %% Zuschlag eine Strafe für unrichtige Veranlagung. Nicht entfernt ! Diese 25 9% sollen auch dann gezahlt werden, wenn die Kommission ganz rihtig eingeshägt hat. Es soll der Nachtheil sein, der bewirkt, daß jeder Mensch deklarirt, der überhaupt deklariren kann. Es ist ein niht rihtiger Grundsat, eine staatsbürgerlihe Pfliht zu pro- klamiren, zumal wenn die Erfüllung dieser Pflicht häufig den materiellen Interessen des Pflichtigen widerspriht, ohne daran Nach- theile zu knüpfen. Wenn wir sogar in unserer Selbstverwaltung die

Annahme von Ehrenämtern knüpfen müssen an Naththeile, die aus der Nihterfüllung dieser bürgerlichen Pfliht folgen, dann find wir vollkommen berechtigt und es is auch staatêmägnisch richtig, an die Nichterfüllung der hier vorliegenden Deklarationspflicht, die doc in den meisten Fällen auf Grund der Berehnung eines Privat- vortheils dem allgemeinen Staatsinteresse ertgezen unterlafsen wird, auch erheblihe Nachtheile zu knüpfen. Wenn wir da noch einen Schritt weiter gehen wie andere Staaten in Deutschland, die diesen Nachtkeil nicht kennen, so ist das ganz natürlich, weil wir auf der Basis der Erfahrung dieser Staaten stehen. - Wir-wissen, daß gerade im König- reih Sachsen die allgemeine Dur{bführung der Deklarationspfliht viele Jahre gebrauht hat, und wir haben nicht nöthig, fo lange zu warten, wir stehen mit den Herren im Königreih Sachsen auf dem gleihen Boden, und das thut auch der Herr Vorredner, daß, je allgemeiner dieser staatsbürgerlihen Pflicht genügt wird, je besser es ift für die öffentlihe Moralität, für die allgemeinen Staats- interessen. Wir sind daher berehtigt, Maßregeln zu ergreifen, die uns diesem Ziele möglichst \{nell nahe führen, und ich wiederhole, diese Maßregel gereiht Niemandem zu Bedruck, weil Jeder ih von dem Naththeil befreien kann, der ihn möglicherweise treffen kann, indem er einfa seine staatsbürgerlihe Pflicht erfüllt.

Wenn nun der Herr Vorredner {ließli meinte, es sei do in manchen Fällen recht unangenehm zu deklariren, weil die Diskretion doch wobl nicht in allen Fällen würde gehandhabt werden, so hat das Abgeordnetenhaus die Garantien für die wirkliße Beobachtung der Diskretion noch seinerseits erheblich verschärft, und ih glaube, es werden diese Garantien ausreihen, und es wird die Diskretion über die Verhältnisse des Deklaranten wirkli geübt werden. Aber meine Herren, ich glaube darauf aufmerksam machen zu müssen, daß die hieraus hergelcitete Deduktion nicht gegen den Nachtheil, der hier an die Unterlassung der Des- flaration geknüpft ist, spriht, sondern die Deklaration überhaupt trifft. Wenn die Deklaration ein unerträgliher Eingriff in die diskretesten Verhältnisse des Steuerpflihtigen wäre, so müßte man von der Deklaration überhaupt absehen; wenn man aber generell die Deklaration will, muß man diese auch zu einer allgemeinen Pflicht maten, gerade im Sinne des Herrn Ober-Bürgermeisters Struckmann und au des Herrn Vorredners, welhe uns mit Recht darlegen, daß eine Pflicht, welche alle erfüllen, viel leihter getragen wird, als eine Pflicht, die der Eine gewissenhaft erfüllt und der Andere klügliher Weise zu erfüllen unterläßt.

8 30 wurde unverändert genehmigt.

3 8, 51 hat Professor Dr. Bierling beantragt, daß die Kommissionen nur bei Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder beshlußfähig sein und Beschlüsse mit absoluter Mehrheit fassen sollen.

General-Steuer-Direktor Bur ghart tritt diesem Antrage entgegen, derselbe wird auch mit großer Mehrheit abgelehnt.

Beim §8. 69 bemängelt

Ober-Bürgermeister Schmieding, daß dem Steuerpflichtigen das Retht gegeben werden solle, den Antrag auf Verfolgung eines Mitgliedes der Kommission zu stellen, welches über den Inhalt der Steuererklärung oder die darüber gepflogenen Verhandlungen Mit- tbeilung gemaht habe. Dadurh würden alle Mitglieder der Kom- mission der Gefahr ausgesegt, mit Protesten belästigt zu werden,

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren, es ist ja zuzugeben, wie der Herr Vorredner aus- geführt hat, daß bei §. 69 gegenüber dem korrespondirenden Para- graphen der Gewerbesteuervorlage eine kleine Inkongruenz vorliegt. Die Staatsregierung hatte ursprünglih die Verfolgung nur eintreten lassen wollen auf Antrag der Regierung, um möglicherweise frivole Denunziationen und Verfolgungen der Kommissionsmitglieder dadur auszuschließen. Im Abgeordnetenhaus hielt man das niht für ge- nügend, man legte, wie auch von einem der Herren Vorredner hier \{on gethan worden ist, darauf ein großes Gewicht, daß dem Steuer- pflichtigen, der seine ganzen Verhältnisse klar legen muß, volle Garantie gegeben werden muß, daß sie niht auf die Straße getragen werden und in die Oeffentlichkeit kommen. (Sehr richtig.) Man wollte diese Garantie verstärken. Man meinte: ob die Regierung das in jedem Falle so ansieht wie die Steuerpfl ihtigen, das wissen wir niht, wir müssen das Recht der Verfolgung dem Steuerpflichtigen selbst geben. Wir haben Seitens der Staatsregierung auf diese Rük- sicht erhebliches Gewicht legen zu müssen geglaubt. Je \{ärfer und je durchgreifender ih die Deklaration gestaltet, je mehr Nachtheile, die wir schon besprochen haben, an die Nichtdeklaration geknüpft werden, um so stäcker müssen die Garantien sein, daß eben nur die Kommissionêsmitglieder bezw. der Vorsißende Kenntniß von diesen Dingen erbält, und andererseits liegt doch auch gegen eine chikaneuse Verfolgung der Kommissionsmitglieder insofern eine Garantie vor, als, wenn der betreffende Steuerpflihtigze fsich an den Staatsanwalt wendet, derselbe doch dieselbe materielle Prüfung des Antrages hat, wie bei allen Antragsvergehen, und daher wohl in der Lage sein wird, ganz unbegründete Anträge zurückzuweisen, jedenfalls es nit zu einer wirklihen Anklage kommen zu lassen. Das ist ja ganz zutreffend, daß der Entwurf der Gewerbesteuer, wie er aus den Bischlüssen des Abgeordnetenhauses hervorgegangen ift, wieder einen etwas anderen Weg eingeshlagen hat, um zu demselben Ziel zu kommen. Dort soll die Regierung verpflichtet sein, auf Verlangen des Steuerpflichtigen die Anklage zu erheben, den Antrag auf Ver- folgung zu ftellen, nur dann nicht, wenn öffentlihe Interessen entgegen- stehen. Nun, ob das sehr glücklich ift, das lasse ih au dahingestellt fein. Was kann man #sich wohl hier unter öffentlihen Interessen denken? Das ist eine Handhabe, als solche kann sie wohl gebraucht werden, um Anträge, die der Regierung niht begründet seinen, zurückzuweisen, aber eine recht klare und glüdckliche Erledigung dieser ganzen Frage liegt auch, glaube ih, darin nicht. Ich glaube daher, da es überhaupt niht erwünscht ift, ohne die dringendste Noth Ab- änderungen an diesen Bestimmungen zu treffen, die doch au fehr viel für sich haben, würde es am Besten sein, es bei der jeßigen Fassung, wie sie aus dem Abgeordnetenhause hervorgegangen ift, zu