1891 / 101 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

mindesten zwei Drittel der Stimmen haben“. Es war ferner, gleich in der ersten Vorlage, vorgesehen, daß ein größerer Besitz eine Mehrzahl von Stimmen bedingen follte, damit der gebührende Einfluß dem größeren Besitzer gesichert werde. Meiae purrèen, au bezügli dieses Paragraphen möchte i Herrn von Klcisi barauf auf- aqerkfsam machen, daß von feinen politishen Freunden im anderen Hause allerdings auch für diese wihtige Frage prinzipielle Aenderungen, und zwar nach der Richtung vorgeschlagen waren, daß die jegige geseßliche Vestimmung über die Zahl der Stimmen, über die Vorbedingungen für dieses Mehrbeitéstimmrecht beseitigt und diese Regelung ledigli der ortsftatutarishen Festseßung über- lafsen werden folle, Das habe ich meinerseits wiederum für unannehmbar erklären müssen, und ich bin sehr zufrieden, daß ein anderer Weg gewählt ist, und daß im Geseg felbst tie Zahlengtenzen normirt worden sind, innerhalb deren eine folche Mehrheit des Stimmrechts stattfinden kann. Ob diese Zahlen rihtig normirt worden sind, ob fie zu hoh oder zu niedrig gegriffen sind, darüber läßt sich ftreiten, wie überhaupt bei Zahlen prinzipielle Festsezungen überkaupt kaum mögli sind; aber darüber möchte ich auch feinen Zweifel lassen, daf die Staatsregierung ihrerseits auf ihrem prinzipiellen Standpunkt einer Regelung im Gesetze selbst fest- gestanden hat und feststeht, daß sle sich aber gegenüber der großen Majorität des Hauses in der Normirung dieser Zahlengrenze der Auf- fassung desselben anschließen zu können geglaubt hat.

Die dritte Aenderung, welche ebenfalls Seitens der Staats- regierung für nothwendig erachtet wurde, war die Bestimmung über die obligatorishe Einführung gewählter Gemeinde- vertretungen bei dem Vorhandensein einer bestimmten Zahl von Stimmberechtigten, eine Bestimmung, welche übrigens, wie auch im anderen Hause mit Recht hervorgehoben worden ist, gewissermaßen ein Gegengewicht bildet, um eine mögliche Majorisirung derjenigen, welche hauptsächlih zu den Gemeindeabgaben beitragen, zu verhindern. Denn sobald die Gemeindevertretung eingeführt wird, ist auch das Dreiklassenwahlsystem eingeführt, und damit ist auch das Uebergewicht des Besißes von vornherein gesichert. Ih kann nur wiederholen, ih kann bie Vorlage so, wie sie aus dem anderen Hause herüber gekommen is, weil sie prinzipielle Aenderungen der Regierungsvorlage ni cht enthält, und weil die beschlossenen Aende- rungen mit den Grunt säßen, von denen die Königliche Staatsregierung ausgegangen ist, vereinbar sind, Ihnen zur unveränderten An nahmc empfehlen. Ich bin überzeugt, ¡daß, indem wir ein folhes Werk zum Abschluß bringen, zum Wohl des Landes eiren sehr heil- samen Schritt thun.

Wenn im Gegensaß zu dieser Auffassung der erste Herr Vor- redner diese Vorlage als einen politischen Fehler ersten Ranges bezeichnet hat, so weiß ich eigentli nicht, ob ic darauf überhaupt zu antworten Veranlassung habe. Herr Graf von Hohen- thal hat gesagt, mit diesem politischen Fehler ersten Ranges treibe die Bureaukratie einen parlamentarishen Sport unter Zuhülfenahme der „National-Zeiiung“. (Zuruf: und des Linksliberaliêmus.) Er selbst hat auch geglaubt, mih in einem anderen Blatte darüber belehren zu sollen, daß es niht zweckentsprehend sei, wenn ih mich persönlich an der Diskussion dieser Vorlage in allen ihren Einzelheiten betheilige. Ich bedauere, diese Belehrung ni cht annehmen zu können. Bei einem Geseße von so weittragender Bedeutung wie diese Landgemeinde- ordnung, ist es meines Erachtens die Pflicht des Ressort: Ministers, nit nur bei der Diskussion über die allgemeinen Prinzipien, sondern au bei allen wichtigen Einzelfragen persönlich für das Geseh ein- zutreten. Außerdem entspriht es meiner Ansicht nach der Rüksiht- nahme, die die parlamentarischen Vertretungen zu fordern berechtigt sind. (Ruf: Sehr wahr!) Im Uebrigen, sofern es einmal überhaupt noth- wendig werden sollte, Ausführungen des ersten Herrn Redners zu berücksihtigen und zu widerlegen, bin ih gern bereit, das den Regierungskommifsaren zu überlassen. Heute sehe ih dazu keine aus- reichende Veranlassung, Nur wegen der Provokation, in welcher Weise ih diese Vorlage vereinigen könnte mit der Thronrede vom Jahre 1888, möchte ih mit Rücksicht darauf, daß ih nit berehtigt bin, Thronreden zu interpretiren, ihn darauf hinweisen, er möge fih selbst diese Belehrung holen aus der Thronrede von 1890,

Es ist mit Recht hervorgehoben worden, die Landgemeindeordnung stehe im engen Zusammenhang mit der Kreisordnung, und fei ihr nah vielen Richtungen hin an die Seite zu stellen, au mit Rücksicht darauf, daß sie einen heftigen Widerspruch erfährt und von welcher Seite dies geschieht. Ja, hierin hat sie auch eine gewisse Aehnlichkeit mit der Gesetzgebung aus dem Anfange dieses Jahrhunderts. Denn au damals ist gegen dieselbe von gleicher Seite und in gleider Weise Widerspru erhoben worden. Ich gebe aber zu, daß im Anfange bei der Einführung der Lan dgemeindeordnung manche Unbequemlichkeit und Unzufriedenheit entstehen wird, Jh nehme nicht an, daß gleich von Anfang an nur Zusriedenheit bei allen Betheiligten herrschen wird. Aber ih bin der Ueberzeugung, daß sehr bald bei einer konsequenten, rihtigen, maßvollen Durcchführung dieses Gesetzes sih der Segen des- selben allseitig bekunden werde, und ih kann nur bitten: folgen Sie dem Be: spiele des anderen Hauses und nehmen Sie diese Vor- lage au ch mit großer Majorität an! (Bravo!)

_ Herr von Helldorff (Bedra) erklärt, daß er in dem Aufsaß in der „LUlgemeinen konservativen Monatsschrift“ nur gegen fort- \chrittliche Tlâtter und gegen das allgemeine Wahlrecht polemisirt vez dia, Borlaga lei aber fo geartet, daß seine Bedenken hinfällig

Graf Hohenthal erklä ß er diesen Arti ano geführt Cine weil vie va Min g oen A Tratishen Tendenz festgenagelt sei.

Gu von Klißing: Er wolle si durch gute Gründe für die V gewinnen lassen, allein es seien bis jeßt solche Gründe nit vorgebracht worden; vielleiht werde das Haus überzeugt werden wenn der Minister ihm das zur Verfügung stehende Material mit- a Wenn gesagt worden sei, daß die Stimmung des Hauses jetzt

é andexe sel als bei der Kreisordnung, so liege das daran, daß die Kreisordnung nicht die Bauern getroffen habe, fondern die Ele- mente, welche stets das öffentlihe Wohl über ihre eigenen Interessen

tell ; eal Y N Ai u sich auch in diesem Punkte dem Staatswohl unter-

Damit {ließt die Generaldiskussion. Di j treten zur Wahl der Kommission on, Di Abtheilungen

Schluß 3 Uhr. Nächste Sißung unbestimmt,

Nr. 16 der Veröffentlibungen des Kaiserliben Ge- sundheitsamts vom 21. April bat folgenden Inhalt: Personal- Nathricht. Gesundbeitsftand. Volkskrankbeiten in der Bericotswoche. Influenza in Sheffield. Pest in Affsyr. Sterbefälle in deutschen Städten mit 40000 und mehr Einwohnern. Desgl. in | ant art Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Kranken- häusern. Desgi. in deutshen Stadt- und Landbezirken. T ciôses Klimafieber in Bonny (West-Afrika). Gelbfieber in Rio de Janeiro. Mittheilungen aus British-Oftindien 1889. Statistisches Handbuch von Prag. Witterung. Grundwasserstand und Boden- wärme in Berlin und München, März. Tbierseuchen. Unter- suchung auf Trichinen und Finnen in Preußen 1886 bis 1889. Klauenseuche in den Niederlanden. Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. Veterinär- polizeiliche Maßregeln. Medizinal- gesezgebung u. \. w. (Preußen. Regierungsbezirk Posen.) Trink- wafserversorgung. (Lippe.) Tubercnlinum Kochii. (Vereinigte Staaten von Amerika.) Einfuhr von Rindern, Schafen, Schweinen. Ausfuhr von Rindern und Schafen. Rethtsprehung. (Amts- geribt Krefeld und Ober-Landesgeriht Köln.) Wiederholte Straf- arkeit aus §. 14 Abs. 1 des Impfgeseßes. Verhandlungen von gelcpgEemden Körperschaften, Kongresse, (Desterreih.) Aerztekammern. —— ngland. London.) 7. internationaler Kongreß für Hygiene und Demographie. Geschenkliste.

Statistik und Volkswirthschaft.

Der Verein für die Berliner Arbeiterkolonie

hat im Laufe des Monats 309 Mitglieder gewonnen, deren Zahl damit bis auf ca. 3000 gestiegen ist. Man erwirbt die Mitgliedschaft durch Zahlung eines Jahresbeitrags von mindestens 2 A und durch die Verpflichtung, den Hausbettlern nur in den äußersten Ausnahme- fällen direkte Almosen zu geben, dieselben vielmehr nach der Arbeiter- kolonie (Reinickendorferstraße 36 a) zu shicken. Da die Anstalt troy ihrer vor Kurzem erfolgten Erweiterung auf 200 Betten im ver- gangenen Winter dem Bedarf nit genügte, hat der Vorstand ihre Erweiterung durch Filialen in anderen Stadttheilen in Aussicht gez nommen und bereits wichtige vorbereitende Schritte dazu gethan.

Deutsche Volksbaugesell\chaft.

Zu der am 25, d. M. anberaumten Sißung des Comités der Deutschen Volksbaugesellshaft hatte General-Feldmarshall Graf von Moltke noch am Tage vorher sein Erscheinen versönlich fest zugesagt. Das plößliche Hinscheiden ihres ersten Genossen mußte die Mitglieder der Genossenschaft daher besonders tief und \{menzlih bewegen, Professor Dernburg konnte in dem Nachruf, mit welchem er die Versammlung eröffnete, mit Recht betonen, daß der Verlust des Mannes, um welchen ganz Deutschland trauert, auch in den Kreis der Deutshen Volksbaugesell haft , deren Begründung und Entwickelung der große Feldherr und Staatsmann mit liebevoler Sympathie und werkthätiger Unterstützung begleitete, eine unausfüllbare Lücke gerissen habe, daß aber das An- denken an seine O der Stolz der Genossen und ihr Leitstern sein werde bei der hohen Aufgabe, welche sie sih gestellt haben. Es wurde beschlossen, im Ramen der Volksbaugesellshaft einen Kranz an dem Sarge Moltke's niederzulegen, Ueber den Fortgang des Unternehmens konnte im Uebrigen nur Günstiges berihtet werden. Neue Mitglieder sind binzugetreten, insbesondere Fürst von Pleß, Reichstags- Abgeordneter Dr. Ritter, General Konsul Zwicker, der Leiter des Bankhauses Gebrüder Schickler, sowie Hr. Kaufmann Allardt. Es wurde darüber berathen, in welWer Weise die Vorsorge dafür zu treffen fei, daß aus den Reinerträgnissen der Gesellschaft entsprechende Summen für gemeinnügige Zwecke der zu gründenden Ansiedelun en, insbesondere für Kirche, Schule und Wohlfahrtseinrihtungen, aufge- wendet werden, und hierfür eine Kommission niedergeseßt.

Der Verhandlung wohnte bis zum Schlufse Fürst Otto zu Stolberg-Wernigerode bei, welher feinem lebhaften Interesse für

das Unternehmen Ausdruck gab.

| Emder Heringsfischerei.

Die Gesellschaft disponirt gegenwärtig selbst über die Mittel zur Ausrüstung der Schiffe für die nähste Fangsaison, was als günstige Folge der Reichsunterstüßung anzusehen ist, und hofft, daß ihr diese Ausrüstungsprämie wieder zu Theil werde, um den Betrieb bei der Konkurrenz der Holländer und Schotten auf der jeßigen Höhe erhalten zu können. Die Mannschaftslöhne haben in Folge der holländischen Sen für nähste Saison um 10700 4 gesteigert werden müssen.

: Zur Arbeiterbewegung.

, Die Ausstandsbewegung im Ruhrkohlenrevier scheint ihren Höhepunkt bereits überschritten zu haben. Nach den leßten Nachrichten ist die Zahl der Ausständigen fast überall im Abnehmen, und soweit man aus der Ent- fernung ein zutreffendes Bild von der Stimmung in den Kreisen der Bergleute gewinnen kann, empfängt man den Eindruck, daß ein erneutes Anshwellen der Bewegung vor- läufig kaum zu erwarten ist. So schreibt man der „Köln. Ztg.“ aus Gelsenkirchen unter dem 28. April:

Die meisten Bergleute haben, wie ihr Verhalten gegenüber dem Ausstandsbeschluß der Bochumer Delegirtenversammlung bekundet, lieber jeder für si selber denken und handeln wollen, als daß sie Andere für sih denken laffen. Die öffentliche Meinung und, was wohl noch wichtiger ist, die Frauen der Bergleute, sind diesmal dem Ausftand entschieden abhold und haben über die Delegirten den Sleg davongetragen, Die veränderte Stimmung fkennzeihnet folgender Vorfall auf Zehe „Hibernia“. Auf dieser Zeche und damit in dem ganzen hiesigen Bezirk wurde vor zwei Jahren der Ausftand durch die Pferdejungen begonnen. Lon thnen wurde auch diesmal, und zwar {on am Freitag, als der Aus- stand sozusagen in der Luft bing, der Reigen eröffnet, indem sie si, statt zu arbeiten, in der Grube zusammenrotteten und „Bergamt ab- hielten“, wie der technishe Ausdruck lautet. Diese Versammlung sand diesmal daturch ihr Ende, daß die Häuer sich ins Mittel legten und den jugendlichen Unrubestiftern den Beweis lieferten, daß le nit nur Kohlen zu hauen verstehen.

_ Die Lage im Ober-Bergamtsbezirk Dortmund am Don- nerstag Morgen wird durch eine nah dem Strikejournal des Generalsekretariats des bergbaulichen Vereins von der „Rh.:W. Ztg.“ mitgetheilte Tabelle gekennzeichnet , welche nachweist, daß in der vorgestrigen Morgenschiht auf 42 Zechen 18 895 Mann strikten. Gejtecn Morgen zeigte der Aus- stand, wie {hon gestern „nah Schluß der Redaktion“ tele- graphis mitgetheilt wurde, eine erfreulihe Abnahme, welche gestern Nachmittag sich noch erheblicher bemerklich mate.

, Auf Zede „Ver. Hagenbeck* bei Altendorf is gestern Morgen die ganze Belegschaft angefahren, und zwar hat \ich der Delegirte Freiburg zuerst zur Anfahrt gemeldet. Auf „König Wilhelm“, Schacht Wolfsbank, sind 374 unter Tage, auf Christian Levin sind 426 unter Tage, auf Schacht Neu -Cöln ist Alles an- gefahren. Auf Schacht Wilhelm der Zehe „Königin Elisabeth“ ist die volle Belegschaft angefahren. Auf „Ver. Fohann-Dei- melsberg* bei Steele ist gestern bis auf cinige Mann die ganze Belegschaft wieder angefahren. Auf Zehe „Eiberg“ sind gestern Morgen von 383 Mann 144 angefahren, 20 Mann mehr als am Dienstag. Auf „Eintracht Tiefbau“ nd gestern Morgen 190 Mann mehr angefahren als vorgestern. Auf Zehe „Hannover Schacht I* sind Morgens 564 Mann inkl.

Nachmittagsschiht, auf Schacht 11 von 355 90 angefahren. Auf der

Zeche „Centrum“ bei Wattenscheid sind Morgens von 774 Mann

è unter Tage 404 Mann angefahren, über Tage von 467 Mann 434.

Es ftrikten noch 403 Mann. Auf Zee „Holland“ war das Ver- bältniß wie vorgeftern. Auf „Ver. Marianne und Steinbank“ find angefabren 83 unter Tage, über Tage 309, Auf Zehe „Ver. Engelsburg®“ find 44 Mann unter Tage, über Tage 55 angefahren. Auf Zeche „Hasen- find unter Tage 16, über Tage 54 Mann an- gefahren. Auf Zehe „Baaker Mulde* sind nur wenige Leute an- gefahren. Auf Zeche „Königs8grube* ift gestern Morgen fast die ganze Belegschaft wieder angefabren; von 569 fuhren an 517. Auf peve eAlftaden“ bei Oberbausen ist auf Shatt I die ganze Beleg- aft wieder angefahren; - auf Schatt Il feblen nur noch 31 Mann. Ueber Tage arbeitet Alles. Auf ZeSe „Bonifacius* bei Kray sind im Ganzen 277 Mann unter Tage, über Tage 178 angefahren. Auf den Schächten „Shbamrock“, ,Hibernia“und,Wilbelmine“, der Ber s werksgesellshaft „Hibernia“ bei Wanne ist Alles angefabren, ebenio auf Zehe „Hannibal“. Auf Zee „Konstantin der Große“ find geftern Morgen auf Sch{a{t I von 190 Mann nur 10, auf Swat II von 217 Mann 130 unter Tage angefahren. Ueber Tage arbeitete Alles. Auf Zeche „Fröblihe Morgensonne“ sind geftern Morgen 45 unter und 96 über Tage in Arbeit. Auf Zeche „Präs ident sind gestern 350 Mann angefabren. Auf Zetbe „ver. Germania“ Schadt Il fehlen nur noch 26. Auf Sca(t I ist Alles angefahren. Die Belegsaften von Zehe ,Vollmond“ und, Prinz von Preußen“ striken noch ganz. Auf Zee „Kaiser Friedrich“ sind von 250 Mann 169 unter Tage angefahren. Auf ehe „Wiendahbls- bank“. sind gestern Morgen 314 angefahren Au Zee „Caroline“ ind mehr als gestern bei der Arbeit. Im Hörder Revier arbeitet les. Auf Zehe Dannenbaum, Satt I, II, TIL, IV und V find vorgestern Nachmittag von 992 Mann 242 unter Tage angefabren ; geftern Morgen find mit theilweiser Nachmittags\{icht von 1388 Mann 739 unter Tage angefahren. Ueber Tage sind 377 Mann von 430 in Arbeit. Auf Zehe „H elene Nactigall sind Morgens auf Schalt Helene 234, auf S@©att Nachtigall 23 angefahren. Im GelsenkirchGener und Herner Revier ist Alles in T ätigkeit. Für gestern Morgen giebt die „Rh.-W. Ztg.“ die Zahl der zaus- stärdigen Bergleute auf 9500 an, die, wie erwähnt, am Nachmittag weiter abgenommen hat.

Auf Zehe „Prinz Wilhelm“ bei Kupferdreh sind die Leute gestern Nachmittag wieder angefahren; der Strike ist also beendet. Auf Zeche , „Hannover“ Statt Il sind Mittwoch Nah- mittag von 187 Mann 19 angefahren. Auf Schacht I is nur Morgenshicht. Auf den Zechen der Haipener Bergbau- Aktien- gesellschaft sind am Mittwoch mehr Leute angefahren als Dienstag. Auf Zehe „Borussia“ ist die Nachmittags\chiht wieder vollzählig angefahren. Auf Zehe eBrucstraße“ sind Mitt-

o Morgen 159 angefahren. Zeche „Bruchstr«aß:* bat vorläufig nur Morgensciht. Auf Zeche , Siebenplaneten“ sind Mitt- woch Morgen von 488 Mann 130 angefahren. Nachmittagsschicht ist vorläufig dort niht. Auf den S%ähten der Essener Bergwerks- Gesellschaft „König Wilbelm“ ist Mittwod Nachmittag die Be- legshaft wieder vollzählig angefahren. Auf Zehe „Holland“ Schacht TIl sind Mittwoch Nachmittag 87 Mann unter Tage an- gefahren, 10 mehr als Dienstag. Auf Zehe „Konstantin der Große“ bei Bohum sind Mittwoh auf Scwabt 1 28 Mann von 176, auf Schadt II 122 Mann von 247 angefahren. Auf Zeche «Carolinenglüdck“ find Mittwoch Morgen 55 Mann unter Tage und 67 über Tage angefahren, Nachmittags arbeitete Niemand. Auf Zeche „ver. General u. Erbstollen“ sind Mittrooch Morgen 17 Mann angefahren; Nachmittags nur einige. Auf Zee „Con- cordia* bei Oberhausen sind auf Sha@t I und Il zusammen 48 unter Tage angefahren. Auf Zee „Blankenburg“ sind Mittwoch Morgen und Nachmittag mehr Leute angefahren als Dienstag. Auf Zeche „Dahlhauser Tiefbau“ ftrikt noch Alles.

__ Vom heutigen Tage wird te1egraphisch berichtet, daß auf sämmt- lichen Zechen von „Hibernia* heute Alles angefahren is. Der Ausstand ist enishieden in Abnahme begriffen.

Wie dem „Vorwärts“ aus Leipzig mitgetheilt wird, T E R S an den Eisen- aynardetler-Kongreß, der jeßt in Tours tagt, folgende Adresse geschickt : B O

Wir sind bocherfreut zu wissen, daß Ihr vereinigt feid zu dem Zwecke, Eure Lage zu verbessern. Dieses muthige Eintreten wird nit ohne gute Folgen bleiben. Die deutschen Eifsenbahnarbeiter bringen Euch die aufrihtigsten Glückwünsche dar, sie begrüßen Euer energishes Handeln mit größter Begeisterung und werden siherlih in nit zu ferner Zeit Eurem Beispiel folgen. Wenn die Eisenbahn- arbeiter endlich ihre Stimmen laut erheben, fo werden sie dazu gedrängt, einmal durch die ungünstigen Arbeits- und Lohnverhältnifse, das andere Mal dur das unverantwortliche herausfordernde Gebaÿren der Verwaltung im Verein mit den beste’ enden Arbeitgeberkoalitionen jeder Art ihren Arbeitern gegenüber.

__ Aus Karlsruhe theilt ein Wolff’\sches Telegramm mit, daß die von den sozialdemokratishen Wahlvereinen in Karls- rube und Mühlberg für Sonntag Nachmittag geplanten Aufzüge nach benahbarten Ortschaften polizeilich verboten worden find.

In Brüssel beschloß die gestrige Versammlung des Syn- ditats der Koblengrubenbefigzer, an welcher vierzig Notabi- [itäten der Induftrie theilnahmen, eîne Erhöhung der Kohlen- preise nicht eintreten zu lassen; da dieselbe leiht als eine Pro- vokation zur Hervorrufung eines Strikes angesehen werden könnte. Aus Charleroi meldet „W. T. B.“, daß gestern Abend zwei Schwadronen Lanciers von Brügge dort eingetroffen sind. Bis geftern war Charleroi und die Umgegend vollkommen rubig.

Aus Seraing {reibt man der „Köln. Ztg.“ : Die Vorsißenden der vershiedenen Arbeiter - Ausschüsse zeigten den Leitern der Coerill’schen Werke an, daß die Arbeiter am 1. Mai feiern würden. Die Direktion antwortete, daß ihnen dies freistehe, daß aber alsdann am 2. Mai einem Sonnabend die Gesell- {aft nit arbeiten laffen werde. Auf diese Weise werden die Theil- nehuer an der Maikundgebung drei Feiertage nacheinander haben.

Wie aus Paris telegraphisch verihtet wird, segzte die yarla- mentarishe Arbeit?kommifs on das Maximum des Normal- arbeitstages für Arbeiter in industriellen Unternehmungen aup zehn Stunden fest. Die DeputirtenLedieu und Bas|1 y wurden geftern Vor- mittag von dem Minister des Jnnern Constans empfangen und gaben die Versicherung ab, daß die Grubenarbeiter von Pas De As hinsihtlich des 1, Mai durchaus friedliche Absichten ätten.

Mit Rücksicht auf etwa für den 1. Mai geplante Arbeiter- fundgebungen wurden, wie „W. T. B.“ ferner aus Paris meldet, die Gewehrhändler polizeilicherseits aufgefordert, die in ihrem Besi befindliche Mun ition in Sicherheit zu bringen und ihre Lüden zu schließen. Ebenso sind die Händler mit alten Chafsepotgewehren, Bajonetten und dergleihen mehr aufgefordert worden, dieselben in sicheren Gewahrsam zu bringen. Eine Ver- haftung von A narhisten hat gestern Vormittag ni ht stattgefunden. Das Generalcomité für die beabsichtigte Arbeiter- kundgebung hielt vorgestern Abend feine legte Situng, in welcher es si mit einigen Detailfragen beschäftigte. Das Büreau stellte den Delegirten der verschiedenen sozialistishen Gruppen Pla- kate zu, welche in der nâhsten Nat angeshlagen werden ar M g¿Vielben werden die Arbeiter, die Arbeitecinnen un ngeltellen zu elner Kundgebun Behufs er

der Arbeitszeit und Feststellung eines Mikimalcctlts San Das Comité nahm sodann einen Antrag an, in welchem die öffent- lichen Gewalten ersuht werdeu, sich mit den sozialen Forderungen zu Sa I wi

Gin Wolff'sches T-legramm berichtet aus Tulle: Ein Erla de R diesen Staatswaffenfabrik e en darin vesœastigten Arbeitern bei Straf Seietn au T U ei Strafe der Entlassung jedes

zum Deutschen Reichs-A

„A¿ 101.

Haus der Abgeordneten. 77, Sißung vom Mittwoch, 29, April.

Der Sigung wohnen der Präsidentdes Staats-Ministeriums, Reichekanzler von Caprivi, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch, der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden bei.

Die zweite Berathung des Staatshaushalts- Etats für 1891/92 wird fortgeseßt mit dem Spezial-Etat des Ministeriums für Handel und Gewerbe, und zwar bei dem Kapitel „Gewerblihes Unterrichtswesen, wissenschaftliche

und gemeinnüßzige Zwecke.“ :

Abg. Dr. Lotich1us bittet den Minister um Gründung sogenannter Stwiffersulen an den größeren Flüssen, besonders am Rheine. Die Ausdebnung des Verkehrs mache folhe Fahs{ulen, wie sie si an der Eibe {on bewährt hätten, nothwendig. Redner wünscht ferner eine polizeiliche Vorschrift, nach welcher alle Schiffe an den engen Stellen des Rheins, besonders von Mainz bis Koblenz, durch Dampfer ges{leppt werden follten. : S

Unter-Staatssekretär Magdeburg sagt bezüglih der Schiffer- \{ulen wohlwollende Erwägung zuz die bereits vorhandenen an der Elbe bâtten Vorzügliches geleistet. Auch die zweite Anregung werde in Erwägung gezogen werden. : : l

Abg. Friederi ch8 wünscht eine größere Unterstüßungssumme für die gewerblihen Fachshulen und daß die einzelnen Zuschüsse im Etat leichter ersihtlich gemacht würden; um den Lehrern die Freudigkeit im Amt zu erhalten, müsse tmnan ihnen böbere Gekbälter und hôhere Pensionen gewähren. Auch die von den Gemeinden zu leistenden Zuschüsse müsse der Staat fixiren. : i

Abg. Sombart führt aus, daß sh der höhere gewerbliche Facsculunterriht in Preußen sehr gut entwickelt habe, daß aber der mittlere noch viel zu wünschen übrig lasse. Es müßten Provinzial- Polytechniken gegründet werden, in welchen alle Zweige des praktischen gewerblichen Lebens zu lehren seien.

Auf eine von dem Abg. Friedrihs gemachte Bemerkung über die Persönlichkeit des von der Regierung nah Amerika

entsandilen Direktors Haedicke bemerkte der

Minister für Handel und Gewerbe , Berl epsch:

Ich muß um Na&siht bitten, wenn ih cine Angelegenheit kurz berühre, die für die Deffentlihkeit weniger Interesse hat, umsomehr aber für einen meiner Verwaltung angehörenden Beamten. Der Hr. Abg. FriederiGßs hat bereits darauf hingewiesen, daß in den Verhandlungen des Abgeordnetenhauses im Februar dieses Jahres der Hr. Abg. Schmidt erwähnt hat, daß der Direktor einer Fachschule sich des Verraths eines Fabrik- geheimnisses s{chuldig gemacht habe, welches cer auf amtlichem Wege erfahren. Dieser Beamte sei dann von der Re- gierung nach Amerika geshickt zu einer Studienreise, und es sei doch niht als rihtig anzuerkennen, daß zu folchen Zwecken Beamte gewählt würden, die mit cinem Makel behaftet seien. Es ist dem betreffenden Beamten ebensowenig wie allen den Verhält- nissen näher stehenden Kreisen verborgen geblieben, daß damit der Fachschul-Direktor Haedike in Remscheid gemeint gewesen ist. Der Anschuldigung.des Hrn. Abg. Schmidt lag cin Erkenntniß des Landgerichts zu Elberfeld zu Grunde, und ich muß ohne Weiteres anerkennen, daß, wenn er von der Sache nihts weiter wußte, als die Anführungen diefes Erkenntnisses, er zu seiner Anschuldigung berehtigt war. Jn diesem Erkenntniß, welches nicht gegen den Direktor Haedicke ergangen ist, sondern gegen eine dritte Person, die von Haedicke wegen Be- Teidigung verkíagt war, ift au8g-führt worden, daß der erste Richter die Beweisaufnahme voUständig geführt habe, und daß sie als zu- treffend anezkannt werden müsse. Es heißt dann weiter:

„Da» Gericht hat die Wahrheit der von dem An- geklagten (Ibach) behaupteten Thatsache, der Direktor Haedicke habe sein Geheimniß, betreffend die Anfertigung von Damaststahl, an den Konkurrenten Gustav Brake verrathen, sch dadur eines groben Vertrauens8mißbrauchs \{uldig gemaht und ihn in scinem Geschäft \{chwer geschädigt, als erwiesen angenommen,“

Dieses Erkenntniß bezieht sih auf die Beweiserhebungen in der ersten Instanz, hat es aber unterlassen, diejenigen sehr entlastenden Momente anzuführen, die in den Gründen des ersten Erkenntnisses ebenfalls enthalten sind. Dort lautete es nämli folgendermaßen:

„In letzterer Beziehung hat das Geriht nun allerdings ange- nommen, daß der Zeuge Haedidcke bei. der Unterredung mit Brake völlig in gutem Glauben handelte, daß er nicht die Absiht hatte, ein Fabrikgeheimniß zu verrathen, daß er wirkli annahm, die Herstellung des Damaststahls, wie sie der Angeklagte betreibe, bilde kein Geheimniß, ja daß er nicht einmal die Absiht hatte, dem Zeugen Brake Mittheilung von der Ibach'shen Fabrikations- methode zu machen, daß Brake vielmehr aus dessen unvorsichtig gethanenen Aeußerung die Kenntniß jener Methode gewann“.

Meine Herren, aus diesem Passus des Erkenntnisses gebt zweifel- Tos hervor, daß, wenn vielleiht auch der betreffende Beamte, der Direktor Haedidcke, etwas unvorsichtig in seinen Bemerkungen gewesen ist, doh von einem Verrath eines Geheimnisses nicht die Rede sein Tann, und wenn man die Vorgänge näher kennt, \o erhellt das noch viel klarer. Hr. Haedicke ist Direktor der Fachschule und ist mit seinen Schülern zu dem Fabrikanten Iba das ist der geschädigte Fabrikant von Damaststahl, der hier in Frage kommt mit dessen Erlaubniß gekommen; dort ist ihm die Fabrikation des Damaststahls gezeigt worden, ihm und einer großen Zahl feiner Schüler; er hat dann Proben des dort gefertigten Damaststahls bekommen, er hat sie ausgestellt, und auf Grund der Studien, die in der Fabrik des Hrn. Ibach gemacht worden sind, haben dann die Schüler weitläuftige Aus- arbeitungen gemacht.

Meine Herren, der Fabrikant, der gestattet, daß ein Lehrer, der auch künftige Damastshmiede ausbildet, in seine Werkstatt kommt, der diesem Lehrer mit seinen Schülern die Art der Fabri- kation zeigt, kann unmögli behaupten, daß es \sich hier um ein zu wahrendes Fabrikationsgeheimniß handelt, und deshalb war die An- nahme des Direktors Haedike, welhe das Vorhandensein eines Ge- heimnifses nicht voraus\eßte, eine völlig gerechtfertigte. Die Anshauung,

Freiherr von

Zweite Beilage nzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

1891.

Berlin, Donnerstag, den 30. April

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daß der Direktor Haedicke keine Handlungen begangen bat, die den Vorwurf des Makels rechtfertigen, wird au{, wie der Hr. Abg. Friederichs bereits ausgeführt hat, von dem Kuratorium der Fahschule, unter dessen Aufsitt Hr. Haedicke fungirt, durhaus getheilt.

Ich glaube, damit der Pflicht genügt zu baben, den Ruf cines ehrenwerthen und tüchtigen Beamten in den Augen dieses boben Hauses wieder herzustellen. (Bravo!)

Der Titel wird bewilligt.

Beim Titel „Zuschüsse für Fortbildungsshulen“ nimmt das Wort der

Präsident des Staats-Ministeriums, Reichskanzler von Caprivi:

Ich habe mir das Wort erbeten, obwohl der Gegenstand, über den ih mi zu äußern beabsichtige, nur in einer sehr losen Verbin- dung mit dem Titel steht, der jeßt in der Debatte {h befindet. Die Gewerbeschule in Hannover hat im vorigen Jahre und in diesem Jahre Seitens der Staatsregierung Unterstützungen aus dem Welfenfonds bekommen, und der Welfenfonds ist es, um dessentwillen ich bier das Wort erbeten habe. Die Staatsregierung empfindet das Be- dürfniß, sich dem hohen Hause gegenüber auszusprehen über die Anschauungen, die sie über den Welfenfonds hat, über die Weise, wie er bisher verwaltet worden ist und über das, was sie in Zukunft mit ihm beabsichtigt. Vor reihlich einem Jahre beschäftigte ch das Staats-Ministerium mit dieses Fragen, und es war die einstimmige Ansicht der Minister, daß, wenn es mögli wäre, dem Welfenfonds eine andere Verwaltung zu geben, das nur im Interesse des Staats- Ministeriums und des Landes liegen könne. (Sebr richtig! links.)

Zu diesem Behufe trat man nun der Frage näher. Ja, wie ist denn die Sache bisher gewesen? Und es stellte sich da zunäthst heraus, daß man auf Einzelheiten auch für die Vergangenheit ver- zihten mußte, daß es nicht möglich war, zu ermitteln, wie ist in den leßten 20 Jahren der Welfenfonds im Einzelnen verwaltet worden ? Geheime Fonds werden im Allgemeinen dechargirt durch die Refsort- Chefs. Am Jahres\{luß bescheinigt der Ressort-Chef, daß der Fonds der Bestimmung gemäß verwendet tworden ift. Dasselbe Verfahren war für den Welfenfond3 einge- führt worden, nur mit der Aenderung, daß als Ressort-Chef hier Seine Majeslät der König auftrat und die Minister, die Theile vom Welfenfonds zu verwalten hatten, dechargirte. Es sind darauf dann Jahr für Jahr die sämmtlihen Rechnungen über die Aus- gaben aus dem Welfenfonds, sämmtliße Quittungen ver- brannt worden (hört, hört! links), sodaß Beläge niht da waren, die uns gestattet hätten, geshichtliG rückwärts zu verfolgen: Wie ist der Welfenfonds verwendet worden? Wir mußten uns also auf das Ganze beschränken und konnten da konstatiren, daß alljährlich das Staats-Ministerium sich über die Verwendung dieses Fonds \chlüfsig gemaht hat; es is ein Theil dem Herrn Finanz- Minister zur Verwendung übergeben worden, ein Theil dem Herrn Minister des Innern und den bei Weitem größten Theil hat der Minister-Präsident theils in seiner Eigenschaft als Minister des Aus8- wärtigen, theils als Minister-Präsident erhalten.

Ueber die Verwendung des Fonds selbs war nichts weiter fest- zustellen, als ohnehin bekannt ist, daß man die Auffassung angenommen hatte, es könne im Sinne des Gesetzes, das vorschreibt, der Fonds sei bestimmt, um den gegen Preußen gerichteten Unternehmungen des Königs Georg und seiner Agenten entgegenzutreten, der Fonds auch dann verwandt werden, wenn man diese Zwekbestim- mung des Gesetzes dahin ausdeh1e, daß nicht kloß un- mittelbar folWen Umtrieben mit den Mitteln des Fonds entgegengetreten werden könne, sondern auß mittelbar. Die Dis- êussionen, die über den Fonds in der Presse stattgefunden haben, geben mir zu dem Glauben Anlaß, daß im Lande vielfah die Meinung verbreitet ist, es wäre das ein nicht allein unberechtigtes, sondern au heimlihes und widerrechtlich im Verborgenen von der Staatsregierung vorgenommenes Verfahren.

Was die Rectsfrage angeht, so ist die Staatsregierung in der Verwaltung des Welfenfonds geseßzlih einer anderen Kontrole nicht unterworfen als eben der Zwekbestimmung, die der §. 1 der be- treffenden Verordnung giebt.

Was dann die Frage angebt, war denn die Staatsregierung berechtigt, oder konnte sie bona fide so handeln, so kann dies nur bejaht werden. Denn das, was die Staatsregierung gethan hat, ist seit dem Jahre 1869 dem Lande bekannt gewesen; die Staats- regierung hat {on damals den Standpunkt eingenommen, daß sie berehtigt sei, mittelbar und unmittelbar den Angriffen des Königs Georg oder seiner Agenten gegen Preußen mit diesen Mitteln entzegenzutreten. Sie deduzirt nun, das Geld, was wir nicht brauchen zur unmittelbaren Abwehr dieser Angriffe, das können wir verwenden zur mittelbaren. Mittelbar aber ist den An- griffen des Königs Georg und seiner Agenten dadurch entgegen zu wirken, daß man das Deutshe Reih und den preußishen Staat festigt und dadur die Angriffe, wenn sie erfolgen, aussihtsloser macht. Diese Deduktion is eben niht neu, und die Staats- regierung hat sie zwanzig Jahre hintereinander festgehalten und war nach meiner Ueberzeugung berechtigt, sie festzuhalten. Wir leben in ciner Zeit, wo man \{chnell vergißt, und ih shreibe es diesem Umstande zu, daß in der Presse davon wenig die Rede gewesen ist, vielmehr die Staatsregierung dargestellt wurde, als wenn fie da etwas Unrehtes, etwas, worüber sie cin hlechtes Gewissen hätte haben müssen, getrieben hätte. Jh darf mir erlauben, aus dem Schreiben des Staats-Ministeriums an das Präsidium dieses hohen Hauses vom 10. Dezember 1869 die betreffende Stelle vorzulesen. Sie lautet :

„Die Staatsregierung glaubte aber die allgemeine Mittheilung machen zu sollen, daß sih der von ihr bei den Verhandlungen über die Beshlagnahmegeseße geäußerten Erwartung gemäß solhe Aus- gaben, welche vermöge ihrer Bestimmung zur unmittelbaren

oder mittelbaren Abwehr feindliher Unternehmungen in die

Kategorien des 8. 2 der Verordnung vom 2, März 1868 und des Gesctzes vom 15. Februar 1869 fallen, in den neu erworbenen Landestheilen zahlreih genug ergeben haben, um es nicht zur An- sammlung von Beständen aus den Revenüen der sequestrirten Ver- mögensmassen kommen zu lassen.“

Also ih wiederhole nochmals: „unmittelbare und mittelbare Abwehr.“ Dieselbe Auffassung ist später irn Jahre 1877 wieder an dieser selben Stelle’ zum Ausdruck gekommen; sie hat Widerspruch erfahren, ste hat aber zu keinem Beschluß. des Hauses geführt, der die Staatsregierung gehindert hätte, diese ihre Auffassung weiter als berehtigt anzusehen. Der Minister Camphausen hat damals nach Ausweis der stenograpbis{hen Berichte gesagt:

«Der Fürst Bismarck hat damals, wie vorhin der Herr Vor- redner {on anführte, ausdrücklich Veranlassung genommen, die Besorgniß als eine unbegründete zu bezeihnen, daß die Revenüen des Königs Georg dazu dienen möchten, um eine Sparkasse für ihn zu bilden, daß sie dazu benußt werden möchten, um einey mehr oder weniger großen Theil davon Jahr für Jahr zurückzulegen, er hat vielmehr ausgesprochen, daß zur mittelbaren oder un- mittelbaren Abwehr fich stets die Gelegenheit in den betreffenden Landestheilen ergeben würde. Nun sagt man ja wohl nicht mit Un- ret, cin Motiv entscheidet niht über den eigentlihen Tenor des Ge- setzes, der Gesetz zeber braucht niht unbedingt jenes Motiv acceptirt zu baben. Aber, meine Herren, wenn der Mann, der die Maßregel in Borschlag gebracht hat, der die Maßregel für nöthig erahtete, wenn der, bevor die Verhandlungen zu Ende waren, rechtzeitig dem Gesetze diese Auslegung giebt, würde man es dann begreifen wollen, wenn die Majorität des Abgeordnetenhauses jemals anderer Ansicht E gewesen wäre, daß es nicht eine entsprehende Kautel in dieses Gesetz hineingebraht hätte? In der That, mir scheint, das würde geradezu unverständlich sein.“

Dies sind die Worte des Ministers 1877, Weiter war die Staatsregierung der Ansicht, daß Ausgaben, die in den betreffenden Provinzen damals handelte es sich zum Thêëil noch um Kurhessen und dann in Hannover gemacht wurden, daß auch folhe Aus- gaben bercchtigt wären und zu den mittelbaren Ausgaben zur Abwehr gehörten, Es ist Vielen erinnerlich und wir haben fo viel kon- statiren können: Es sind Kirchen, Chausseen gebaut worden, solche Unternehmungen der verschiedensten Art zu Nuß und Frommen der betreffenden Provinzen sind aus diesem Fonds gefördert worden. Und auch dies ift keineswegs im Geheimen geschehen oder in einem Usus oder Abusus, der sich nach und nach eingeschlihéèn hätte; in dem Kommissionsberiht von 1869 heißt es: „der Herr Minister hat sih in der Kommission folgendermaßen geäußert“ es kommt dann der S{lußsaß feiner Aeußerung, und der geht dahin —:

„In keinem Falle aber dürfe man sih der Besorgniß hingeben, daß die Staatsregierung etwa beabsichtige, durch Aufsammlung der Revenüen eine Sparkasse für die Betheiligten anzulegen: Nüßliche Verwendungen, namentlich im Interesse der Landestheile, welche die depossedirten Fürsten früher beherrshten, würden sch immer finden lassen, insbesondere in Kurhessen, wo nüzliche, ja nothwen- dige Bauten ausgeführt werden könnten, deren Ausführung von der früheren Regierung beharrlih verweigert worden fei.“

Der Berichterstatter fährt fort :

„Diese Auffassung der Königlichen Staat®regierung hat, wie aus dem zuvor mitgetheilten Resultat der Kommissionsberathungen hervorgeht, die Zustimmung der Kommission gefunden, wie dies ihr mit zwölf gegen zwei Stimmen gefaßter, auf Annahme des Gesetzentwurfs gerichteter Beschluß beweist.“ :

Dies der Standpunkt, den die Regierung zwanzig Jahre hindurch eingenommen hat, und dzn das Staats-Ministerium im Frühjabr vorigen Jahres zu ändern für wünschenswerth bielt.

Es ist damals zu einer Aenderung nit gekommen, weil, indem man der Sache näher trat, sich erheblihe Bedenken herausstellten. Gs wurde nit die Absicht, eine Aenderung herbeizuführen, aufgegeben ; man sah aber ein, daß die Sale doh niht so ganz einfa war, wie es auf den ersten Blick geshienen hatte.

Zunächst mußte dabei der Zeitpunkt in Betracht kommen, ob eine Aenderung na Außen hin denn eine solche Aenderung wirkt ja nicht bloß auf Preußen, sondern sie wirkt auch auf Menschen, die außer» halb Preußen \sich befinden, und auH auf Beziehungen zu diesen Menschen und auch zu anderen Ländern hin 0b da der Zeitpunkt günstig wäre. Sie mußte dies verneinen.

Es kam weiter in Frage: Jf der Zeitpunkt nach innen bin ein günstiger? und da mußte die Staatsregierung zu ihrem Bedauern sih fagen, daß gerade in einem Moment, wo die welfishe Agitation in der Provinz Hannover an Kraft gewonnen, wo die Zahl welfischer Abgeordneter zugenommen hatte, daß es da doch am Ende bedenklih wäre, den Fonds aus der Hand zu geben. Nicht daß man diesen Fonds ganz oder auch nur zum größten Theile brauen konnte, um der welfishen Agitation entgegenzutreten; aber die Frage lag doh au sehr nahe: Wenn die Staatsregierung diese Waffe auch niht brauchen kann, sie giebt sie aber aus der Hand und sie kommt vielleiht in die Hand ihrer Gegner, sie kommt in die Hand von Männern, die die Neigung haben, welfishe Umtriebe zu \{üren, dann hat die Regierung sich geschwäht ist der Moment geeignet zu \olcher Schwächung ? Und die Staatsregierung war der ‘Meinung, daß das nicht der Fall war.

Es kam dann dazu, daß ein Theil von Ausgaben aus diesem Fonds sehr zarter Natur ist, einer Natur, die sih auch s{chwer lösen läßt. Es sind Pensionen daraus gezahlt worden an verschiedenen Stellen ohne rechtlihe Verbindlichkeit für die Zahlung, die aber doch die Empfänger in dem Glauben empfangen haben, sie würden fort- bezahlt werden. Es sind Institute daraus unterstüßt worden, die ebenso wie ein Theil dieser Pensionen den welfishen Bewohnern der Provinz Hannover sehr am Herzen liegen, und ih glaube, wenn diese Zahlungen aufhörten, würde der welfis{chse Hannoveraner unzufrieden

damit gewesen fein.