1891 / 101 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Apr 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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konsumirenden Industrie zu beachten und insbesondere einer noth- [lcidenten Industrie Preisnahlaß zu bewilligen, aber ganz außer Rücksicht können do die fiskalishen Interessen nicht bleiben.

Wir thun darin, was uns mögli ist. Es finden jet wieder Erhebungen in Oberschlesien statt, ob nit die Lage der Eisenindustrie, die in der That eine außerordentlih ungünstige ift, eine Ermäßigung der Kohlenpreise fordert.

Nun muß ich noch mit einigen Worten auf die Frage der Kohlen- bändler zurüdckfkommen. Ich bin wie gesagt der Ansicht, daß es für die fiékalishen Gruben nicht richtig ist, einen so großen Theil ihrer Förderung, wie bisher, an zwei Großkändler zu verkaufen, weil die Gefahr nit ausgesck lossen ersheint, daß in Zukunft einmal eine un- rihtige Ausnutung des thatsächlihen Monopols stattfindet. Eine Aenderung kann aber nicht auf einmal erfolgen. Es is un- möglih, plößlich die rihtigen Absatwege für eine so großes Kohlenquantum zu finden, wie es hier in Frage ist. Wir werden nur nach und nach mit der direkten Abgabe von Kohlen an Konsumenten vorgehen können. Und dann allerdings wird das hohe Haus si vergegenwärtigen müssen, daß, wenn wir die Abgabe durch Händler gänzlich oder auch nur zum großen Theil - einstellen wollen, wir nothwendiger Weise für die fiskalishen Gruben in Oberschlesien ein Kohlenverkaufsbureau einrihten müssen, was vieclleiht eine Beseßung mit 10 bis 12 Beamten erfordern wird. Das wird nit ganz unerheblihe Kosten verursachen.

Ich resumire ‘mi dahin: Die Behauptung, daß von den Groß- händlern das thatsählihe Monopol des Kohlenverkaufs ausgenußt worden ist, um eine Preistreiberei hervorzubringen, kann ih nicht als rihtig anerkennen; aber ich erkenne an, daß die Möglichkeit einer solchen Gefahr vorliegt, und aus diesem Gesichtspunkte heraus werde ich bemüht sein, von Jahr zu Jahr die Abgabe von Kohlen an die Großhändler mehr und mehr ein- zushränken und den direkten Absay an die Konsumenten zu vergrößern. Zu dem Zwecke wird es nöthig werden, für die beiden großen fiskalishen Werke in Oberschlesien ein gemeinsames Verkaufsbureau einzurihten, Dazu aber brauct;en wir Zeit, und deshalb bitte ih die Herren in Schlesien vym Geduld. (Bravo !)

Darauf vertagt sih das Haus.

Schluß 4 Uhr.

Kunst und Wissenschaft.

Eine größere Zahl hervorragender Vertreter der Kunft und Industrie Berlins hatte sih gestern Abend auf die Einladung des Herzoglih anhaltishen Koamerzien - Raths Roesicke im Reichstagëgebäude versammelt, um den Beriht über das Ergebniß der an den Reichskanzler gerihteten Eingabe wegen der Betheiligung Deutschlands an der im Jahre 1893 zu Chicago stattfindenden Weltausstellung entgegen zu nebmen. In dem Bescheid erklärt der Reichskanzler von Caprivi mit Genugthuung, daß die Reichsregierung in voller Uebereinstimmung mit den in der Eingabe der Industriellen ausgesprohenen Wünschen der Angelegenheit {hon seit längerer Zeit ihre Aufmerksamkeit zugewendet habe. Die Versammlung nahm von dem Inhalt des Bescheides mit Befriedigung Kenntniß und trat \o- dann in eine eingehende Erörterung der im Interesse dec Förderung des Unternehnens zunächst zu treffenden weiteren WMaß- nahmen. Von der Bildung eines Comités für die Ausstel- lung glaubte man vorläufig noch Abstand nchmen zu sollen, um zunächst mit einer größeren Zahl namhafter Persönlichkeiten aus den fünstlerishen und gewerblichen Kreisen aller Theile Deutschlands in Verbindung zu treten, um ihre Stellung zur Ausstellungsfrage zu erforschen und sie zur Mitwirkung heranzuziehen. Dieselben sollen eventuell veranlaßt werden, an allen größeren Industriepläßen Ortsaus\chüsse zu bilden und demnächst gemeinsam sich an der Organisation eines Central- Comités zu betheiligen, Der in der Versammlung anwesende Vertreter des Grekutiv - Comités der Auéstellung Hr. Arthur Löffler er- stattete hierauf noch einen kurzen Bericht über die finanzi:-llen Grund- lagen, den Organisationsplan und das Verhältniß der Bundes- regierung ber Vereinigten Staaten zu der Ausstellung sowte über die Ausführung der großartigen baulihen Anlagen. Die Mittheilungen wurden von der Versammlung mit Interesse entgegengenommen.

Der Direktor des Königlihen Museums für Völkerkunde, Geheime Regierungs-Rath, Professor Dr. A dolf Bastian is nah einer Mittheilung der „N. A. Z.“ von seiner fast zweijährigen Forschungsreise in Süd-Asien und der Südsee wohlbehalten wieder hierher zurückgekehrt.

Gestern Mittag fand laut Meldung des „W. T. B.* die Eröffnung der psychiatrischen und Nerven-Klinik der Universität in Halle ftatt. Der Kultus - Minister Graf Zedliß-Trüßschler sowie die Spitzen und Vertreter der obersten Provinzial- und \tädtisGen Behörden und viele Mitglieder der Universität nahmen an der Feier theil. Der Direktor der Klinik, Professor Hißig, hielt die Eröffnungsrede. Es ist dies die erste selbständige psychiatrishe Klinik in Preußen.

—s, Die letzte Sizung des Vereins für die Geschichte Berlins am Sonnabend gab dem Vorsißenden Hrn. Dr. Béó- ring uter Veranlassung, dem großen Ehrenbürger der Stadt, dem heimgegangenen General: Feldmarschall Grafen Moltke, einige warm empfundene Worte des Nachrufs zu widmen, in welhem er betonte, daß cs nit seine Aufgabe sein köane, die Verdienste des dahin- geschiedenen Helden würdig zu feiern, weshalb er si darauf beschränke, daran zu erinnern, was der Verewigte dem Kaiser gewesen sei Nach- dem die Versammlung sich zu Ehren des Verstorbenen von den Sigen erhoben, wurde ein in Kreide gezeichnetes Bild des Grafen Moltke von Hrn. Direktor Walden vorgelegt, wel{er gleiczeitig die nicht uninteressante Geschichte des Porträts gab. Es sei That- sac'e, daß der Marshall mit dem Ausfall der von ihm angefertigten Bildnisse selber nit zufrieden gewesen sei; der herbe Zug, den die Bilder des Grafen, durhaus nit der Wirklichkeit entsprehend, na- mentlih um den Mund aufwiesen, sei wohl darauf zurückzuführen, daß dem Marschall überhaupt das Sißen zum Zwecke einer Porträt- auspohme unbequem erschienen. Auch eine Kreidezeihnung, welche die Tochter eines Freundes Moltke’s, Frl. Elisabeth Beuster, nah einem Porträt des Marschalls ausgeführt, habe den Beifall des Leßteren nicht gefunden; troßdem aber habe er dem Wunsch der lungen Dame, ihr Behufs Anfertigung eines zufriedenstellenden Bildes einige Sißungen zu gewähren, Folge gegeben, und das auf diese Weise entstandene Bild, welches der Besichtigung Seitens der Vereins- mitglieder unterlag, habe fh einer derartigen Anerkennung von Seiten des Dargestellten zu erfreuen gehabt, daß dasfelbe auf seine Veranlassung, mit seiner Namensunterschrift versehen, vervielfältigt worden sei. Das Porträt, dessen Vorlegung im Verein die Ver- fertigerin freundlichst gestattet, ist in Kreide gezeibnet und zeigt die Jedem vertrauten \ympathishen Züge, welhe Hr. Walden im Einzelnen zu charakterisiren unternahm. Nachdem dieser außerhalb der Tagesordnung stehende Akt der Pietät und des Patriotismus beendigt war, folgte, dem Charakter der Arbeitssigung ent- sprechend, die Vorlegung verschiedener Eingänge, darunter

ein von den Scuhmaher - Meister - Knehten an die Gilde- meister gerichtetes Schreiben aus dem Jahre 1384, fowie eine Anzabl von auf dem Grundstücke Poststraße 13 gefundenen Steinen, die nach Feststellung des Custos Hrn. Dr. Buwbolz ebenso wie die

unter dem Gebäude des Königlihea Marstalls gefundenen kacel- förmigen Steine als Isolirshihten gegen eindringendes Grundwafsser

verwandt worden waren. Unter weiteren bei den Wasserbauten am Mübhlendamm zum Vorschein gekommenen, mindestens 200 Jahre alten KSundftüden seien ein dur starken Rücken und vershärfte Spitze aus- WtiOvete Dolch sowie ein in seiner Form abweichendes, auf einer

eite flades Beil erwähnt. Die Reste einer bei dem osthavel- ländishen Dorfe Grube a. d. Bublit eint bestandenen Aasiedelung, über welche Hr. Rektor Dr. Bardey - Nauen berichtete, stammen, wie Hr. Dr. Buchholz aus der Beschaffenheit der aufgefundenen Waffen glaubte {ließen zu sollen, aus dem 14. bezw. dem Anfang des 15. Jahrhunderts. Unter den betreffenden Fundstücken sind ein Dolch mit gothisher Ornamentik, ein eigen- thümlides Pferdegebiß, ein Dietrih, vershiedene Sw{löfser, eine Pflugshar mit Schmiedestempel und Jahreszahl: zu nennen, von welcher leßteren jedoch nur noch die beiden leßten Ziffern 8 und 9

sichtbar ersheinen. In einem Vortrage über „die Akten des Schöppen-

stuhls zu Brandenburg“ wies Hr. Dr. Bardey auf die dereinstige hohe Bedeutung dieses Gerichtshofes hin, dessen Akten sich über einen A von mehr als 500 Jahren ausdehnen. Das erste noch vor- andene Schriftstück in den Akten des im Jahre 1817 aufgeßobenen Swöppenstuhls stammt aus dem Jahre 1315. Die Sprawe aller dieser Schriftstücke, welche 106 Bände füllen, ist von Arfang an die deutsche, die Schreibweise die heutige. Im Jahre 1838 befanden {ih die Akten des Schöppenstuhls in Gefahr, vernihtet zu werden; nahdem ein Antrag, dieselben zu verkaufen, vom Königlichen Kammergericht abgelehnt worden und auch einer späteren, dahin gehenden Anregung, sie in das Königliche Staatsarchiv überzuführen, keine Folge gegeben worden, befinden sih die denkwürdigen Aktenstücke noch gegenwärtig im Besiß der Stadt Brandenburg.

Nawdem einmal die angebliche Auffindung von dem Grabe des Aristoteles in Eubösa dur die Zeitungen verkündet ijt, sieht sich, wie wir der „N. A. Z.* entnehwen, Dr. Waldstein, der Direktor der amerikanischen Scule in Athen, veranlaßt, weitere Notizen darüber zu veröffentlihen. Er erzählt in der „Academy“, daß er bei dem Versuche, in der Nachbarshaft von Eretria das Heiligthum der Artemis Amarynthia zu finden, auf \{ön gebaute Marmorfundamente gestoßen sei, die er ursprüngli für Reste eines Tempels hielt, die aber weiterhin si als Reste eines Familiengrabes erwiesen, Die Pracht und Großartigkeit der Anlage ließ auf eine bedeutende Person \{chließen, und als man nun bei näherer Nahforshung reihen GrabsGhmuck an Gold und einen goldenen Lorbeerkranz fand neben einer merkwürdigen Sreibfeder und mehreren silbernen S{reibstiften, und die Statuette eines Philosophen in stehender Haltung mit gefalteten Händen zum Vorshein kam, und in dem anschließenden Grabe, dem Grabe einer zu der Familie gehörenden Frau, die Inschrift Bor) (4)otororétou(s) fi fand, da schien der Gedanke an Aristoteles, welher nah der gewöhnlichen Erzählung in Chalcis starb, niht zurückzuweisen zu sein. Indessen ist doch immer- hin zu bedenken, daß zwischen Chalcis und Eretria cin großer Unter- schied ist, und daß es mehrere Leute im Alterthum gegeben hat, die den Namen Aristoteles führten, sowie daß der Name Beorÿ unter den weiblichen Mitgliedern der Familie des großen Philosophen nicht be- kannt ist. Vielleicht bringen weitere Funde in der Nähe nach der einen oder anderen Seite hin Aufklärung.

Land- und Forstwirthschaft. XVII. Mastvieh-Ausstellung in Berlin.

Die Jury der 17. Berliner Mastvieh-Ausftellung ist zu folgendem Resultat gelangt: Die von Seiner Majestät dem Kaiser bewilligte goldene Staatsmedaille, der höchste Züchter - Ehrenpreis für die Abtheilung „Schweine“, konnte nit ertheilt werden, weil die vorge- führten Produkte der Schweinezuht nit nah allen Richtungen hin den Forderungen der streng vorgehenden Preisrichter ge- nügten. Für Kälber wurde Hr. H. Meyer-Bremen mit dem Ghrenpreise der Stadt Berlin für vorzüglihste, dem Bedarf der Residenz entsprechende Marktwaare ausgezeichnet. Ehrenpreise erhielten H. Meyer-Bremen, H. Kath-Kolberg, W. Meder-Stolp, Aug. Schmidt-Stralsund, C. Kerkie-Greifswald, Chr. Witte-Braunschweig, Rudolph u. Söhne-Rügenwalde und W. Jeske-Kolberg. Für junge Owsen erhielt den Züchter-Ehrenpreis des Klubs der Land- wirthe Geißler-Lojewo; der Ehrenpreis der Stadt Berlin wurde Hrn. Kreyshmar-Sellin zugesprochen. Die als Züthter- Ghrenpreis vom landwirthschafllihen Ministerium bestimmte Bronze-Statuette einer Shorthorn-Kuh wurde Rud. Rehfeld- Golzow verliehen. Erste Preise erhielten für junge Kalben und Owsen R. Rehfeld-Golzow und Ferd. Boche-Alt-Reeß. Für Kühe im Alter von 22 bis 33 Jahren und ältere erhielt Rehfeld je einen ersten und etnen zweiten Preis. Ebenso fielen ihm die beiden großen Chrenpreise der Stadt Berlin als hervorragendstem Otsenzüchter zu. Die goldene Nathusius-Medaille für Owhsenzühter wurde Hrn. von Seydliz-Szrodke zugesprohen. Für Bullen erhielten erste Preise von Below-Ruhnow, Karl Lauenstein-Bodenstedt, Müller- Gurzno, Treichel-Stennewitz und Plehn-Biesk. Jn der Abtheilung „Schafe“ errang den Ehrenpreis der Stadt Berlin (800 46) als Züchter Kiepert-Marienfelde. Demselben wurde auch der Preis des Ministeriums, die Bronze-Statuet1e des Nambouilletbocks, zugesprochen, während die Statuette des Oxfordshiredownboks Rehfeld-Golzow davontrug. Erste Preise erhielten Kiepert-Marienfelde, Grühle- Göôödelitz, E. Hundecker-Kl.-Breesen, Saitig - Mürhwit, Rehfeld- Golzow und Preuß-Friedrihsau. Den höchsten der an Schweine- züchter vertheilten Preise, den Ehrenpreis der Stadt Berlin für vorzüglihste Marktwaare, erhielt von Arnim-Kriewen ; von den beiden Züchter-Chrenpreisen des Ministeriums erhielt die Yorkshire- Gber-Statuette Karl Ungewitter-Groß-Kühren und die Statuette des Berkshire-Schweins Grupe-Groß-Schoriß. Für weiße englische Scläge bekamen erste Preise Ungewitter-Groß-Kühren, Nahmmater- Groß-Breksen. Von Züchtern der Berkshires und ähnliher Rafsen erhielten erste Preise von Arnim-Kriewen und Grupe-Groß-Schorit. Für Thiere anderer Rafsen erhielten erste Preise C. Jacob sen.- Gammelgaard, E. Bethge-Radduhn und Pätow-Mittenwalde.

Im Kreise Osterode, Regierungsbezirk Hildesheim, haben wieder mehrere Forstgenofsenschaften ein Statut nah Maßgabe des Gefeßes vom 5. Juni 1888 angenommen.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr find am 29, April gestellt 8505, nicht recht- zeitig gestellt keine Wagen. i In Obers{Glesien find am 28. d. M. gestellt 4046, niht rehtzeitig gestellt keine Wagen.

: Subhastation3-Resultate.

Beim Königlichen Amtsgericht I Berlin standen am 29. April 1891 die nachverzeihneten Grundstücke zur Versteigerung : Ges e 18, und Hirtenstraße 21, der offenen

andelsgefells haft M. Blumenreih & Co. zu Berlin gehörig.

Das geringste Gebot wurde auf 177800 #6 festgeseßt. Für das Meistgebot von 518000 Æ wurde der Brunnenbaumeister Louis ien, Lindenstraße 26, Ersteher. Ferner Lehrter- straße 34, den Maurer- und Ziwmermeistern August Müller und Otto Semmler gehörig. Das geringste Gebot wurde auf 48600 4 festgeseßt. Ersteher wurde der Rentier Albert Porath, Breslauerstraße 29, für das Meistgebot von 63 600 46 Endli Borsigstraße 32a, dem Kaufmann C. Hartmann gehörig. Das geringîte Gebot wurde auf 869 #4 festgeseßt. Ersteher wurde der Direktor Georg Cohniy zu Charlottenburg für das Meist- gebot von 245 000 4A

An der Börse zu Magd Eng werden seit dem 24. Fe- hruar d, J. Terminpreise für granulirten Zucker nah den daselbst für die Terminnotirungen von Rohzucker geltenden Notirungs- vorschriften notirt.

An der Börse zu Hamburg werden für granulirten Zucker und Krystall zucker seit dem 1. März d, J. Termin- preise non, Ritren Mi E :

er gestrigen Generalversammlung des „Norddeutschen Lloyd * wurde die Vilanz und die Dividende genehmigt naO Auffictsrath einftimmig Decharge ertheilt. Die aus\{heidenden Auf- sihtsrathsmitglieder wurden wiedergewählt. Auf eine Anfrage von Hollstein (Görliß) wurde erwidert, daß eine Vergrößerung der Flotte vorerst niht beabsichtigt sei. Fremde Kohle würde nur dann verwendet, wenn sie billiger sei als die deutshe. Es sei weder eine neue Anleihe noch die Ausgabe neuer Aktien nothwendig, da durch die diesjährige starke Auswanderung nach Nord-Amerika und neuerdings nach Brasilien bedeutende Baarmittel eingegangen seien. Für die subventionirten Linien sei die Verwaltung bemüht, bei der Reichsregierung günstigere Bedingungen zu erzielen.

_ München, 30. April. (W. T. B.) Die Chemische Fa- brik Heufeld zahlt auch in diesem Jahre keine Dividende. - - Die Generalversammlung der Lithographishen Ku nst-

“anstalt, vormals Gebrüder Obpagcher, genehmigte eine Divi-

Ae von 416 29. April eipzig, 29, April. (W. T. B,) Kammzug - Termins handel. La Plata. Grundmuster B. pr. April ‘L301 #, pr. Mai 4,375 #Æ, pr. Juni 4427 4, pr. Juli 4,45 H, pr. ant S L Leere H S, pr. Oktober 4,45 4, r. November 4, , pr. Dezember 4,45 4, pr. Januar 4,45 Umsaß 60 000 ks. Fest. H E

London, 29. April. (W. T. B.) An der Küste 1 Weizene- E A il. (W. T. B.) Wie h

_Wien, 30. April. D B. ie hiesige Blätter mit- theilen, beschloß der Verwaltungsrath der Prag-Durxer Babn die Vertheilung einer Dividende von 4 Fl. für die Stammaktie zu beantragen. Wie die „N. Fr. Pr.“ kterichtet, haben -die Verwaltungs- räthe der Prag: Duxer Bahn Konsul Gutmann (Berlin) und Direktor ee (Wien) erkiärt , eine etwaige Wiederwahl nit annehmen zu wollen. __ Die Bilanz des Oesterreichishen Lloyd für 1890 weist einen Jahresgewinn von 994 386 Fl. auf. Unter den 10 821 198 F[, betragenden Einnahmen befinden \sich: Fahrtenergebuiß 8 190 977 Fl, Staatsbeitraz 1 846 428 Fl, Agiogewinn 692504 Fl, Dem Jahresgewinn stehen Abschreibungen und die s\tatuten- mäßigen Dotirungen des Reservefonds im ungefähren Gesammt- betrage von 1 582 000 Fl. gegenüber. Demnah {ließt die Jahres- rechnung mit einem Defizit von ca. 588 000 Fl. ab. Der Fehlbetrag erhöht sid dur Hinzurehnung des Verlustes aus dem Jahre 1889 auf 1 030 000 Fl. St. Petersburg, 30. April. (W. T. B.) Dem Finanz-

Minister ist ein Ukas vom 23. April 1891 zugegangen, in welchem der Kaiser von Rußland Folgendes befiehlt: T. Es ift zur allgemeinen Kenntniß zu bringen, sobald der Finanz-Minister es für rechtzeitig erahtet, daß alle noch nicht durch Ziehung getilgten Obligationen der ersten und zweiten 44% Metall-Anleihen von 1850 und 1860, an einem von demselben zu bestimmenden Termin zur Rückzahlung al pari gekündigt werden, mit gleichzeitiger Einstellung des Zinslaufs der besagten Obligationen, wobei die be- treffende Kündigung mindestens drei Monate vor dem Zinseinstellungs- termin zu erfolgen hat. II. Die Rückzahlung des Kapitals benannter Obligationen und der bis zum Rücktzahlungstermin aufgelaufenen Zinsen durch Vermittelung der vom Finanz-Minister gewählten Credit- institute und Bankhäuser auszuführen, mit Feststellung einer 15tägigen Frist Behufs Prüfung der zurRückzahlung vorgesteltenObligationen, Kon- trole der Coupons 2c. III. Die Mittel zur Rücfzahlung der noch niht verloosten Obligationen der ersten 423 %/9 Anleihe von 1850 im Betrage von 1 100 000 Pfd. Sterl? und der zweiten 429% Anleihe vou 1860 im Betrage von 3580 000 Pfd. Sterl. dem Baarbestande des Reichs\chatzes-zu entnehmen.

Im Anschluß hieran hat das Finanz-Ministerium folgende amtliche Kundmachung erlassen: i

In Ausführung des Allerhöchsten Ukascs an den Finanz-Minister vom 23. April 1891 bringt der Finanz-Minister e zur allgemeinen Kenntniß: Alle noch nicht durch Ziehung getilgten Obligationen der ersten 47 % Metall-Anleißhe von 1850 und der zweiten 47 9% Metall - Anlcibe von 1860 werden hiermit zur Rückablung per 20. Juli (1. August) 1891 gekündigt. Die Verzinsung dieser Obligationen hört demgemäß mit dem 20. Juli (1. August) 1891 auf. Mit demselben Tage be- ginnt die Rückzahlung des Nominalbetrages der genannten Obli- gationen in London bei den Herren Baring Brothers u. Co. Limited in Pfund Sterling, in Amsterdam: bei den Herren Hope u. Co. und in St. Petersburg: in der Staatsbank, zum Gegenwerth der Pfund Sterling zum offiziellen vista-Cours auf London. Die zur Rückzahluug vorgestellten Obligationen der erften 42% Anleihe von 1850 müssen mit Coupons per 20. Dezember 1891 (1. Januar 1892) und allen fol- genden, und die der zweiten 4409/9 Anleihe von 1860 mit Coupons per 19. November (1. Dezember) 1891 und allen folgenden versehen sein, widrigenfalls der Betrag der fehlenden Coupons von der Kapital- summe _in Abzug gebraht wird. Gleichzeitig mit der Rückzahlung des Kapitals der Obligationen erfolgt an den obengenannten Stellen, die Aus8zablung der bis zum 20. Juli / 1. August 1891 aufgelaufenen Zinsen. Die Zahlung dieser Zinfen erfolgt in den betreffenden Lande8münzen zu denselben Rechnungsverhältnissen, wie die Aus- zahlung des Kapitals der Obligationen. Inhaber von Obligationen der 43 9/6 Anleihen von 1850 und 1860, welche deren Kapital und Zinsen ohne Verzögerung vom 20. Juli / 1. Avgust 1891 an aus- gezahlt erbalten wollen, werden aufgefordert, ibre Obligationen behufs Prüfung der vorgestellten Obligationen, Verifizirung der Stücke mit den Ziehungslisten, Kontrole der Coupons 2c., spätestens am 5./17. Juli 1891 zu deponiren.

New-York, 29. April. (W. T. B.) Heute sind 250 000 Dollars Gold zur Ausfuhr nach Europa bestelt worden, Der nähere Bestimmungsort ist nicht bekannt.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 29. April. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Shnelldampfer „Spree* hat gestern Vormittag die Heimreife von New-York angetreten, der Schnelldampfer „München“ ist gestern in Bremerhaven angekommen, der Shnelldampfer „Frankfurt“ ift gestern in Dover angekommen ; der Swhnell- dampfer „Havel“ ist heute früh ebendaselbst eingetroffen.

30. April. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd: Der Postdampfer „Baltimore“ hat gestern Morgen die Reise von Antwerpen nah Lissabon fortgefeßt.

Hamburg, 29. April. (W. T. B.) Der Postdampfer „Russia“ der Hamburg- Amerikanischen Packetfahÿrt- Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute Morgen in New-York eingetroffen.

30. April. (W. T. B.) Der Postdampfer „Moravia“ der Hamburg-Amerikani]schen Padcketfahrt-Aktiengesell- schaft ist, von Hamburg kommend, gestern Nachmittag in New- York eingetroffen.

London, 29. April. (W. T. B) Der Union-Dampfer „German“ ift heute auf der Heimreise von den Canarischen Inseln und der Union-Dampfer „,Mexican“ von Madeira abgegangen.

Der Castle-Dampfer „Drummond Castle“ ift heute auf der Heimreise in London Angedgunan, der Cast le-Dampfer ¿QELGEL e ee der Dari von London abgegangen und der Gastle-Dampfer „Grantull 2 auf der Ausreise Madeira passirt. 4 Sasble. Var pente

zum Deutschen Reichs-Au

„\¿ 101.

Literatur.

Geschichte.

ff Deutsche Wirthscaftsgeschichte des 10. bis 12. Jahr- bunderts. Von Dr. Karl Theodor von Jnama-Sternegg. Leipzig, 1891, Duncker und Humblot. In dem im Jahre 1879 erschienenen ersten Bande feiner deutschen Wirthschaftsgeshihte hat JInama die wirthsaftlihe und soziale Entwicklung des deutschen Volkes von den. Uranfängen bis zur Karolingerzeit behandelt ; der vorliegende 2. Band führt uns in die Zeit der Blüthe des deutschen Kaiserthums. Während zu Beginn der Karolingerherrschaft die Staatsgewalt den vorherrshenden Cinfluß auf die volkswirthschaftlihen Prozesse ausgeübt halte, so hatte am Schlusse dieser Periode die Großgrundherrschaft die Plrung auf wirtbschastlichem Gebiete über- nommen. Der im 8. Jahrhundert uo zahlreihe Stand der Gemein- freien verminderte sich in der Folge immer mehr; die Lasten des Heerdienstes, die harten Bußen und Abgaben, die öffentlihe Rehts- unsicherheit zwangen die Freien, \sich in den Schuß und die Dienst- barkeit mächtiger Herren zu begeben, um diesen Beschwerden zu ent- fliehen. _ Dieser Prozeß bedeutete für die Masse der Bevölkerung wohl eine Minderung der politischen O stellte aber einen großen wirthichastlihen Fortschritt dar. Eingehend \childert der Ver- fasser die sozialen Abstufungen innerhalb der großen Klasse der un- freien und abhängigen Leute und ihre allmählihe Emanzipation von der Grundherrschast. Ueber die Veriheilung des Grundbesiges, die Art der Bewirthschaftuug und die Veränderungen in den Besig- verhältnissen im Laufe der Zeit erhalten wir ausführlibe Belehrung, ebenso über die Bedeutung des s\tädtishen Lebens, dessen Ursprung und eigenthümliche Ausbildung in die nahkarolingische Zeit fällt, für die wirthschaftlihe und soziale Geschichte Deutshlands. Jn großen Zügen werden ferrer die Anfänge selbständigen Gewerbebetriebes gezeichnet, wobei besonders auf die Verschiedenheit des ländlichen und städtishen Handwerkslebens aufmerksam gemacht wird. Die reiche Mannigfaltigkeit, die Verbindung mit dem Handel und die genossen- \caftlihe Organisation hoben das städtis&e Gewerbe weit über das ländliche Handwerk, welhes im Allgemeinen nur für den täglichen Bedarf arbeitete. Den Schluß des Werkes bilden Ausführungen Über Handel und Verkehr, in denen besonders die deutschen Münz- verhältnisse und die Darlehnsgeschärte berücksichtigt werden. Hinzu- gefügt sind 15 Beilagen, enthaltend Angaben über Besiß und Ein- künfte einzelner weltliher und geistliber Großen, Tabellen über Preise von Grundslücken und Produkten, endlih Mittheilungen über Maße, nen und Zolltarife, welhe vorwiegend dem 12. Iahrhundert angebören.

ff Mittheilungen aus der historischen Literatur, herausgegeben von der historishen Gesellshaft in Berlin, redigirt von Dr. Ferdinand Hirsch. 9, Jahrgang, 2. Heft. Berlin, R, Gärtner, 1891. Von den 40 Referaten, welche das Heft ent- hält, beziehen sich fünf auf die römische und griecishe Geschichte, die übrigen vertheilen sich annähernd gleihmäßig auf das Gebiet des Mittelalters und der Neuzeit; Kirchengeshihte, Quellenkunde und Recbts8geschichte bilden den Hauptinhalt der besprohenen Werke zur Geschichte des Mittelalters; von der Literatur zur neueren Geschihhte find vorzugsweise Arbeiten über die Reformationszeit und die preußishe Geschichte berücksichtigt.

Geschichte des Verkehrswesens am Mittelrhein von den ältesten Zeiten bis zum Ausgang des ahtzehn- ten Jahrhunderts. Nah den Quellen bearbeitet von Franz H: Quetsch. Mit 42 Abbildungen. Freiburg i. B., Herder'sche

erlagshandlung, 1891. gr. 89%, 416 Seiten. Preis 7 M. Der Verfasser dieses gelehrten, überaus vielseitigen und inhaltreihen Werkes beabsichtigt, die Gescbichte des Verkehrs in einem seit den ältesten Zeiten historisch wichtigen Gebiete, dem des Mittelrheins, quellen- mäßig und in gedrängter übersichtliher Form zur Darstellung zu bringen. Für den u'nfangreihen Stoff wurde das in dem Besiß verschiedener Archive befindlihe urkundlihe Material mühsam ge- wonnen; vornehmlich sind ausgenußzt das Archiv und die Chronik der Stadt Mainz, die kurmainzishen Staatsakten und der kurmainzer Kalender, weil der Verfasser die „heilige Stadt“, die Spiße des rheinishen Städtebundes, wegen der bevorzugten geshihtlichen Bedeu- tung zum Ausgangs- und Mittelpunkt der Darstellung gewählt hat. Mit Recht ; war doch {on vor tausend Jahren das Rheinland der Schauplaß deutscher Herrlichkeit und Größe, hier stand die Wiege deutshèer Wissenschaft, Kunst und Kultur; sah doch seither in der durchsihti , grünen und klaren Welle des ehrwürdigen, alten Stromes der Dichter wie der Publizist Europas Vergangenheit und Zukunft. In dem vorliegenden Werke wurden wichtigere Aktenstücke urs{höpflich an betreffender Stelle in den Text mit aufgenommen. Ausgeschlossen wurden folhe Materien, wele ein allgemeines Interesse nit bean- \spruden können oder deren theilweise Berüksihtigung eine Ueber- \hreitung der gezogenen Grenzen zur Folge haben würde. Aus diesen Gründen sind auch vor Allem mehr die Entwidcklung des Verkehrs- wesens und der allgemeine Zustand desselben als die staatsrechtlichen und rehtsges{i{chtlichen Verhältnisse in den Vordergrund getreten. Die alte, neuere und neueste Literatur ist so vollständig und umsichtig benutzt, daß ein Nactrag kaum möglich sein wird. Außer dem Titel- bilde, Ansicht der Stadt Mainz aus dem Jahre 1604, wurden dem Texte noch Abdrücke von größeren und kleineren Holzschnitten eingefügt, ¿. B. Kutsche des Kurfürsten von Mainz beim Einzug Karl's YII in Frankfurt a. M. am 31. Januar 1742 (Seite 46), Kaiserliche reitende Post in Kurmainz und fahrende Post (Seite 214 und 215), Mainzer Straßenverkehrsbild aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts (Seite 269) und das Mainzer Kaufhaus (Seite 283). Die vielfachen Abbildungen bringen sehr anshaulich das Verkehrswesen im Mittel- alter zu einem bis jeßt noch nicht gebotenen erkennbaren Abschluß. Die ersten fünf Abschnitte des .Workes behandeln die Uranfänge des Verkehrs, Land- und Wasserstraßen, Brücken und Ueberfahrten, Stra- ßen-Transportwesen, Schiffahrt, Botenwesen und staatliche Beför- derungsanstalten bis zur Einführung des Postwesens, Jedes Kapitel beginnt mit ciner quellenmäßigen Darstellung der Verkehrseinrihtungen jur Zeit der Römer und bringt dann glei zuverlässige Nachrichten für die Zeit des Mittelalters bis zum Anfange des achtzehnten Jahrhunderts. Die im fünften Abschnitte gegebene urkundliche Schilderung des mittelrheinishen Postwesens (Seite 118 bis 237) gestattet einen Schluß auf die Entwicklung des ehemaligen Reichspost- wesens überhaupt ; sie kann sogar als ein grundlegender Beitrag zur Entwickelungegeschichte des letzteren gelten, Das Kaiserlich deutsche Deren entitand unter der Regierung des Kaisers Maximilian I. Der Kaiser genehmigte im Jahre 1516 den Dan, des in Kaiser- lihen Diensten stehenden Edelmannes Francesco de Tassis, eine Be- förderungsanstalt nach Art der Kurierritte auf seine Kosten einrichten zu wollen, mittels welcher die Kaiserlihen Briefe u. #. w. unentgelt- lihe Beförderung erhalten sollten, wenn ihm und seinen Nahkommen die projektirte Anstalt überlassen werde. Jm Jahre 1595 bestellte Kaiser Rudolph Il. Leonhard von Thurn und Taxis unter gleih- zeitiger Grhebung in den Reichs-Freiherrnstand zum General-Vber- Postmeister über die Posten im Reihe (Seite 118, 120, 122), und 1597 wurde das Postwesen im heil. Reiche als „ein hochbefreites Kaiserliches Regal“ bezeihnet. Damit dies Postregal desto besser beobachtet würde, wurde dem Kurfürsten zu Mainz die Protektion und Direktion darüber aufgetragen (Seite 130), Die im Jahre 1614 gestellte Bitte des Lamoral von Taxis, mit der Reichspost belehnt zu werden, wurde dem Kurfürsten von Mainz zur Begutachtung vorgelegt und in

Dritte Beilage

Berlin, Donnerstag, den 30. April

Folge von dessen Befürwortung genehmigt. Der Verfasser darf daher eite 135 hervorheben, daß die deutshe Reihs-Lehnspost mittelbar dem Kurfürsten von Mainz ihre Entstehung verdankt. Laut der Seite 183 ausgesprochenen Ansicht ist der noch im Volksmund übliche Ausdruck „Postshwede“ aus der Thatsache herzuleiten, daß während des dreißigiährigen Krieges die Shweden zur Versendung der Befehle, zu Correspondenzen in Angelegenheiten des Krieges und zur Ver- bindung mit der Heimath sich der Dragoner bedienten. In den folgenden beiden Abschnitten über den Verkehr, Münzen, Zoll und Geleit werden viele angesührten Thatsachen einer Bereicherung unserer volkswirth- \haftlihen und kulturellen Kenntnisse zu gute kommen, z. B. daß größere Geldsummen nicht aufbewahrt wurden. Gold- und Silberbestände ließ man entweder in Varren liegen oder verarbeitete sie zu Gefäßen und \{chmolz sie nach Bedürfniß ein, um Edelmetall für Münzen zu gewinnen (Seite 387). In Mainz besaßen die Stadt, so lange sie Freistadt war, und der Erzbischof das Münzrecht G 383). Die Bemerkungen über Zunstwesen und die Zünfte (S. 307) verdienen gleihfalls Beachtung. 2

Das reichhaltige und in fo vieler Beziehung interessante Werk ist dem Staatssekretär des Reichs-Postamts, Wirklichen Geheimen Rath Dr. Heinrich von Stephan, dem hochverdienten Begründer des T S und Reformator des Verkehrswesens, ehrerbietigst gewidmet.

Johann Baptista von Taris, ein Staatsmann und Militär unter Philipp Il. und Philipp III. 1530 bis 1610. Nebst einem Exkurs: Aus der Urzeit der Taxis’ schen Posten 1505 bis 1520. Von Dr. Joseph Rübsam, Fürstlich Thurn und Tarxis’\{hem I1. Archivar. Freiburg im Breisgau, Herder’sche Verlagshandlung. 1889. Gr. 8. XLVIII u. 258. Br. 6 M Diese Biographie ist der wehselvollen aber sehr erfolgreichen Thätigkeit cines Mitgliedes aus dem Hause Thurn und Taris gewidmet, welches sich durch hervorragende Leistungen als Diplomat und Militär im Dienst der Krone Spanien während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ausgezeichnet hat. Obgleich die staatsmännischen Verdienste Juan Baptista de Tassis' bereits im Jahre 1852 (Ranke, französishe Geschichte I S. 400 und S. 408. 11 S. 89) er- wähnt find, ist Jenem bisher die Ehre noh nicht erwiesen worden, wel{he nach Tacitus' Ausspruch (Ann. IV 35) die Nahwelt doch einem Jeden zuwägt. Eine folche Gerechtigkeit hat jeßt erst Dr. Rübsam be- thätigt durch das vorliegende wegen umsihtiger Ausnüßung wie geshickter Verwerthung des umfangreichen Stoffes nah Form wie Inhalt gediegene Werk. Das Lebensbild dieses Mannes ist in scharfen und siheren Umrissen naturgetreu und nach allen Seiten hin deutli gezeihnet. Er war fast ein halbes Jahrhundert ein ebenso einsihtévoller als freimütbiger Rathgeber, eine feste Stütze der bereits im Sinken begriffenen spanishen Weltmaht. Die welt- historishe Bedeutung is in den einzelnen Ergebnissen des poli- tishen und militärisWen Wirkens zutreffend nachgewiesen. Johann Baptistia von Tassis, geboren 1530 als der jüngste Sohn des gleihnamigen General-Ober-Postmeisters Kaiser Karl’s V., war in der Schule des spanischen Ministers Granvella gebildet er be- herrschte die deutsche, lateinische, flämishe, spanische, französishe und italienishe Sprahe und mehr als einmal berufen, auf die Geshie Europas einen mäwtigen Einfluß auszuüben. Im Jahre 1580 vom König Philipp Il. von Spanien mit dem \chwierigen Posten eines Vertreters am französishen Hofe betraut, gelang seinen Bemühungen nicht nur die Anerkennung der auf Er- haltung der katholischen Religion gerihteten Politik seines Herrn, sondern er {loß auch mit den Herzögen von Guise das Schußz- und Trußbündniß der Liga ab, wel{e als ihren obersten Zweck die Wieder- herstellung der katholishen Religion in Frankreich und in den Nieder- landen verfolgte. S. 73. Mit gleiher Energie is er eingetreten für die- Wiederherstellung der katholishen Religion in Schott- land und England und für den Plan, Maria Stuart aus der Gewalt der Elisabeth zu befreien. S. 65. Während einer späteren Mission nach Frankrei 1592—1598 mit der Instruktion, den Hugenotten Heinrich von Navarra von der Thronfolge fernzuhalten und den Ein- fluß Spaniens in Frankreih zu einem dauernden zu machen, gelang es ihm freilich niht, dem französishen Staats\chiffe für die Dauer spanischen Kurs zu geben, aber er hat das bleibende Verdienst erworben, als einer der vorzüglichsten Diplomaten Philipp's 11. für die Erhaltung des alten Glaubens in erster Linie und mit seinen besten Kräften ein- getreten zu sein. (S. 126). Auch als Militär erwarb ih Jobann Baptista von Taxis unter den Fahnen eines Alba, Don Juan d'Austria, Alexander Farnese von Parma, Grafen von Fuentes in den Kämpfen gegen die Türken, Niederländer und Franzosen reiche Lorbeeren. Melbrere Jahre hindur hat er das Amt des General-In|\pektors der in den Niederlanden ftehenden spanishen Armee verwaltet, welche gerade damals in dem wohlverdienten Rufe stand, die erste Truppe Europas zu sein. Geehrt durch das Vertrauen seines Königlichen Herrn und allgemein anerkannt als ein edler, offener Charakter, zog er sih 1604 aus dem Staatsdienst zurück, verfaßte in der Komthurei de los Santos de Maimona in lateinisher Sprache sein Werk über den Aufstand in den Niederlanden, eine werthvolle Geschicbtsquelle, in der man nah des Verfassers Urtheil an historishem Material auf- espeichert findet, was man fonst vergeblid suchen würde (S. 167). Sm Jahre 1610 bes{chloß er in einem Alter von etwa 80 Jahren sein rubmreiches Leben. i i

Die Geschichte eines Mitgliedes der Fürstlih Taxis'schen Familie muß begreiflich auch deren Verdienste um das weltgeshichtlich ge- wordene Postwesen gedenken. Der Verfasser hat einen überaus werth- vollen Beitrag zur Würdigung der Anfänge des Taris'shen Postwesens bieten können, indem er aus den Akten des Fürstlichen Central- Archivs zu Regensburg 2 bisher ungedruckte Aktenstücke zum ersten Mal veröffentliht. Die frühere Ansicht, daß die erste Post in Deutschland diejenige gewesen sei, welhe im Jahre 1516 zur Verbindung der burgundishen Niederlande angelegt sei, muß dem dur die Urkunde von 1504 erbrachten d weichen, daß Philipp I. feinem bewährten Hauptpostmeister Franz von Taxis den Befebl zur Herstellung einer Postverbindung zwischen den Niederlanden, Frankrei, Spanien, Deutschland und Geldern ertbeilte. Durch den am 12. November 1516 abgeschlossenen Vertrag wurden Rom und Unteritalien mit dem bereits bestehenden Turn und Taxis’\{hen Bund vereinigt, der Betrieb in Einzelheiten vervollklommnet. Der Verfasser darf daher hervorheben (S. 209), daß die Taris'’shen Posten gleih in ihren ersten Anfängen einen großen internationalen Zug hatten. Ein neues und zuglei epohemachendes Momeat der Taxis'shen Kultur- anstalt lag eben in ihrer Universalität, indem dieselbe ihren Einfluß zu leiher Zeit in Spanien, Italien, Frankreih, Deutschland und den Nicderlanven, also im größten Theile des civilisirten Guropas zur Geltung brate. Von einzelnen interessanten Thatsachen sei erwähnt, daß an Beförderungsfrist von Brüssel nah Paris Anfangs im Sommer 44, im Winter 54 Stunden, später 36, bezüglich 40 Stunden bestimmt war (S. 180 und S. 217), daß das Briesgeheimniß sfeit den ersten Anfängen hochgehalten wurde (S. 207) und daß die ersten Taxis’ schen Posten nur reitende Posten waren (S. 178). Beide Aktenstücke werden eine ganze Reihe von verbreiteten Irrthümern und \chiefen Ansichten ein für allemal beseitigen. i 7

Der Verfasser dieser musterhaften Monographie bewährt i durchweg wegen seiner eingehenden Prüfung der Quellen als ewissenhafter, umsihtiger und sorgsamer Geschichtsforscher. „Er ftügt seine Ergebnisse vornehmlich auf das Fürstlih Turn und Tarxis'sche Central-Archiv zu Regensburg, sowie auf die Archive in Brüssel,

zeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

1891.

Paris und Salamanca. Die reichhaltige Literatur ift sehr gründlih benußt worden, wie {on das Seite XIX bis XXXVITII aufgestellte Verzeichniß von 285 in deutscher, niederländisher, lateinischer, franzößiscer, englischer, italienischer und spanif her Sprache geschriebenen Werken äußerlich darthun kann. Das mit einem forgfältig aus- gearbeiteten Register versehene und vom Verleger im Druck und Papier vortheilhaft ausgestattete Werk darf als eine der beahtens- werthesten Schriften bezeihnet werden, welche in neuerer Zeit auf dem Gebiete der Postge\hichte e sind. o

ck. Fünf Reden über Desterreich und Wien. Von Dr. Heinri Jaques, Neichsrathsabgeordneter für die innere Stadt Wien. Mit einem Anhang: Ueber Wahlprüfungen, Verlag von Duncker und Humblot in Leipzig. (Preis 1 4 60 4.) Von den vorliegenden fünf Reden, welche Dr. Heinrich Jaques während der Reichsrathswahlbewegung im Februar und Anfangs März d 2 Wien gehalten, bezwecken die vier ersten in erster Reihe, sein Ver- halten und implicite das der anderen liberalen österreihischen Neichs- raths8abgeordneten gegenüber der Regierung während des leßten Jahr- zwölfts zu begründen und zu rechtfertigen ; die fünfte dagegen hat zum Gegenstande die dur die veränderte politische Lage si vorausfihtlich ergebende Neugruppirung der Parteien, deren Verhältniß zur Regierung, sowie die nähsten Aufgaben des neugewählten Reichsraths. Im Aa- hang wird in kurzen Zügen ein Bild von dem bisherigen Vorgange des österreihischen Abgeordnetenhauses bei der Vornahme der Wahl-

prüfungen entworfen. s Sozialpolitik.

—e Zum sozialen Frieden. Eine Darstellung der fozialpolitishen Erziehung des englishen Volks im neunzehnten Jahrhundert. Von Dr. Gerhart von Schulze-Gaeverniz. In zwei Bänden. Leipzig, Verlag von Duncker und Humblot. Preis 18 N

Der Verfasser dieses umfangreihen Werkes, ein Sohn des Staatsrechtslehrers von Schulze und ein Enkel des National- ötonomen und Reformators der Landwirthschastslehre Friedrich Gottlob Schulze (geboren 1795 zu Ober - Gaeverniß in Sawsen), ist \chon einmal mit einer Schrift zu Gunfien der englihen Trade-Unions hervorgetreten, die er gleih seinem Lehrer Brentano als ein Hauptmittel zur Beilegung des Streits zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, zwishen Kapital und Arbeit, betrahtet. Wir haben diese Schrift (Vermeidung und Bei- legung ron Arbeitsstreitigkeiteu) kurz in Nr. 311 des „R. u. St.-A.* von 1889 besprochen, zugleih aber auch in einer Erörte- rung des Berichts der nach England von Seiten industrieller Vereine im Herbst 1889 entsandten Kommission zur Untersuchung der dortigen Arbeiterverhältnisse (vgl. Nr. 20 des „R. u. St.-A.* von 1890) den Widerspruch hervorgehoben, den er mit jener Schrift unter Berufung auf die thatsählihen Verhältnisse von Seiten jener Praftiker gefunden hat. Der Verfasser hat \ich indeß hierdurch von seiner Ueberzeugung nicht abbringen lassen, sondern sie vielmehr in dem vorliegenden größeren Werke eingehend und wissen- \chaftlich begründet, Es wird hierzu ein außerordentlih umfangreicher Apparat in Bewegung gefeßt. Hr. von Schulze untersucht den Entwicelung8gang der englischen Gesellschaft und sicht darin Momente, welhe die Herstellung des sozialen Friedens be- dingen und die er ihrem Geiste nah nicht etwa durch blinde Nachahmung der Formen zur Förderung des sozialen Friedens auch auf Deutschland übertragen sehen möchte.

Die zwei ersten Bücher (welche den I. Band ausmachen) sind der Entwicklung des sozialen Lebens in England während der leßten zwei Jahrhunderte gewidmet. Sie verfolgen vorwiegend Bewegungen auf dem Gebiete des geistigen Lebens. „Sind es doch wie der Verfasser in der Vorrede bemerkt nach Comte die „Ideen“, welhe die menschlihe Geschichte gestalten. Jeden- falls muß man ihnen einen bedeutenden Einfluß auf die Struktur der Gefellshaft und damit die wirthschaftlichen Verhältnisse zuerkennen.“ Wir erhalten somit eine ausführlihe Ge- \hihte der sozialen Entwickelung Englands, wie sie für Frankrei von C. Toqueville und H. Taine geschrieben ist, wie sie aber für Deutsch- land und Preußen noch nit existirt, wenngleih eine Reihe Spezial- untersuhungen über die soziale Entwickelung Preußens von unseren hervorragenderen Gelehrten, wie auch in den größeren Geschichts- werken partielle Betrachtungen über den jeweiligen Zustand der Gesellshaft vorhanden sind. Die Darstellung der bezeichneten Verhältnisse Englands if eine sorgsame und einsichtige; sie fuht das Wichtigere in der Entwickelung aus den mannigfachen Thatsachen geshickt herauszuarbeiten und stüßt sich hauptsählih auf die anerkannten Werke Gneist's und Brentano's, sowie auf zahlreiche englische Quellen. Wohlthuend berührt dabei wie anerkennend hervorgehoben werden mag die Objektivität und der Mangel jegliher politischGer Tendenz, wie sie z. B. in dem Werke Eugen Jäger's über „die soziale Revolution und die soziale Bewegung in Frankreih“ (Berlin 1890, Puttkamer und Mühlbrecht) störend wirkt. Jn seiner Untersuchung kommt von Schulze zu dem Resultat, daß sich das vorrevolutionäre England (im vorigen Jahrhun- dert) aus einem agrarishen Wirthschafstssystem, einer aristokrati- hen Staatsverfassung und einer individualistishen Aufklärung zusammenseßte, Grundlagen, die bis in die heutige Zeit hineinreichen und die stets im Auge zu behalten sind, wenn man die Verhältnisse der Gegenwart verstehen will, Der Uebergang Englands von der aristokratishen zur demokratishen Gesellshaftsordnung vollzieht sich Ende des vorigen Jahrhunderts durch die Einführung der Groß- industrie, durch welhe die großen Massen der industriellen Städte nun dem aristokratish gegliederten England entgegengestellt wurden. Innerhalb der immer größer werdenden Industrie entstand der Kampf zwischen den Interessen der Arbeitgeber und denen der Arbeitnehmer. Das System der englischen Selbstverwaltung erwies sih den Interessen jener günstiger, als den Interessen dieser; dasselbe gilt von der Rechtspflege, welhe den Arbeitgeber bei der Beseitigung der alten Gewerbeordnung enterstüßte. Die Groß- industrie suhte aber auh gegenüber der bisherigen Aristokratie das politisbe Uebergewicht zu erlangen und erl,ielt es, indem sie sh die \tädtishen Massen zu Bundesgenossen machte, durch Lord Rufssel’s Reformbill 1832. Hiermit war die bisherige aristokratishe Form der Verfassung beseitigt. Hand in Hand mit dieser demokratisirenden politishen Bewegung ging die Entwickelurg der natioualökonomischen Wissenschaft, welche si in den Dienst der Anschauungen der Groß- industrie stellte, eine Vernachlässigung der Pflichten gegenüber den Nichtbesißenden theoretish und philosophisch zu begründen suchte und somit die zwischen den oberen und unteren Klassen bisher bestehenden Bande zerschnitt. „Ein solcher Druck so heißt es Seite 42 —, wie er in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts auf dem englischen Arbeiterstande lastete, ist zu keiner Zeit von den unteren Klassen eines Volkes, selbst nicht von einer Sklavenbevölkerung erduldet worden.“ Das Elend wurde um \o größer, als die Landwirthschaft im Nieder- gang begriffen war und eine unzählige Masse Arbeitsloser vom platten Lande in die Städte wanderte.

Die Schilderung dieser Verhältnisse zeigt, wie sehr sih die Lage der Arbeiter nicht nur in England, sondern auch in Deutschland ge- bessert hat. Aus jenen Verhältnissen entstanden in England in den dreißiger Jahren die ersten Anfänge der sozialrevolutionären Arbeiter- partei, die Chartisten. Daß diese den eigentlihen Ursprung der heu- tigen Sozialdemokratie bilden, hat bereits Brentano nachgewiesen

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