genofsen gal genehmigt. - Auch die landwirischaftlichen Berufs- pen aften, soweit sie dem Reichsversicherungsamt unter- stellt sind, haben nunmehr sämtlih für alle Zweige der Be- triebsführung Vorschriften erlassen. Ueber 13 Entwürfe neuer oder abgeänderter Unfallverhütungsvorschriften gewerblicher Berufsgenossenschaften wurde am Schlusse des Jahres noch verhandelt. Für die Ueberwachung und Durchführung der Unfallverhütungsvorschriften sind gegenwärtig bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften 326 technische Aufsichtsbeamte tätig, von denen 109 bei den Baugewerksberufsgenossenschasten beschäftigt sind. Die landwirtschaftlihen Berufsgenossenschaften haben 41 folher Beamten angestellt. Die Jahresberichte über die Tätigkeit der technischen Aufsichtsbeamten der gewerblichen Berufs- genossenschafsten im Jahre 1909 sind vom Reichsversicherungs- amt zusammengestellt und als 3. Beiheft der Amtlichen Nach- rihten 1910 veröffentliht worden. Um die Ueberwachungs- tätigkeit der technishen Aufsichtsbeamten, bemerkenswerte Betriebseinrihtungen und ihre Sicherheitsmaßnahmen sowie technische Fortschritte der Jndustrie und Landwirtschaft kennen zu lernen, besichtigten der Präsident und Mitglieder des Amts zahlreiche gewerbliche und landwirtschaftliche Betriebe. Diese Besichtigungen gaben auch Gelegenheit zum Meinungsaustausch über Unfallverhütungsmaßnahmen und zur Prüfung neuer Sicherheitseinrichtungen.
Die Frage der berufsgenossenschaftlihen Zu- gehörigkeit von Betrieben hat das Reichsversicherungsamt vielfach beschäftigt. Dabei ist auf möglichst ungestörten Be- stand der Genosïsenschaftskataster hingewirkt worden. Versiche- rungspflichtige Betriebe der Luftschisfahrt, und zwar sowohl der Bau von Luftfahrzeugen wie der eigentliche Fahrbetrieb, find vorläufig der Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und der Elektrotechnik zugewiesen worden.
Das Kassen- und Rechnungswesen hat der Ober rechnungsrevisor bei 17 gewerblichen und 4 landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften sowie bei 56 Sektionen gewerblicher Berufsgenossenschaften geprüft. Eine Prüfung der Geschäfts- führung gewerblicher Sektionen ist von Mitgliedern des Amts in 2 Fällen vorgenommen worden.
Neue Dienstordnungen der Genossenschaftsbeamten wurden für 2 gewerbliche Berufsgenossenschaften, Nachträge zu Dienstordnungen für 7 gewerblihe und 1 landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft genehmigt. Diese Nachträge führen meistens zu einer Besserstellung der Beamten.
Die Erhebungen über die Handhabung der Entschädigungs- feststellung und über die Ursachen der Lastensteigerung bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenshaften wurden im Jahre 1910 fortgeseßt. e
Das Heilverfahren innerhalb der ersten 13 Wochen nach dem Unfall ist im Jahre 1909 von den gewerblichen Berufs- genossenschaften in 11 192, von den landwirtschaftlichen Berufs- genossenschaften in 3473 Fällen übernommen worden. Das Reichsversicherungsamt ist bemüht, auf ein möglichst gleich- mäßiges Vorgehen aller Genossenschaften auf diesem Gebiete hinzuwirken.
Die Träger der Unfallvoersichherung haben im Jahre 1910 416913 Bescheide erlassen. Bei den 124 Schieds- gerihten für Arbeiterversicherung sind 72917 Berufungen und außerdem 40 481 Anträge auf anderweite Feststellung der Rente anhängig geworden.
Das Reichsversicherungsamt hatte 41 201 Rekurse gegen Schiedsgerichtsurteile und Anträge auf Feststellung der ent- \chädigungspflichtigen Versicherungsträger zu bearbeiten, darunter 15321 aus den Vorjahren. Die Zahl der neu eingelegten Rekurse und Anträge (25 880) ist gegen das Vorjahr (25 475) wiederum gestiegen. Von den 40 800 (1909: 37 512) Rekursen wurden insgesamt 22864 (1909: 22378) erledigt, und zwar 20401 (1909: 20020) durch Urteil, 1190 (1909: 1167) durch Beschluß (als unzulässig, verspätet oder offenbar ungerechtfertigt) und 1273 (1909: 1191) in anderer Weise (durh Zurücknahme, Vergleih usw.). Jn 1304 (1909: 1297) Sißungen haben 21554 (1909: 21 417) mündliche Verhandlungen stattgefunden. Davon entfallen 1046 (1909: 1029) Sißungen mit 17452 (1909: 17 154) Verhand lungen auf das Gebiet der Gewerbe-, Bau- und Seeunfall versicherung, 258 (1909: 268) Sißungen mit 4102 (1909: 4963) Verhandlungen auf das Gebiet der land- und forst- wirtschaftlihen Unfallversicherung. Jn 5451 von 20401 Ur- teilen, das f in 267 v. H. (1909: 258 v. O.) sind die Schiedsgerichtsentsheidungen völlig oder teilweise abgeändert worden. Die Rekurse der Versicherten hatten in 17,3 (1909: 16,7) v. H., die der Versicherungsträger in 55,2 (1909: 52,2) v. H. Erfolg.
Auf dem Gebiete der Jnvalidenversicherun g sind seit ihrem Bestehen bis zum Schlusse des Jahres 1910 insgesamt 9 471 265 Învaliden-, Kranfen- und Altersrenten bewilligt worden, von denen am 1. Januar 1911 noch 1 034 060 liefen. In 2 589 063 Fällen sind die Beiträge erstattet worden. Jm Sahre 1910 sind nah einer vorläufigen Schäßung etwa 196 Mill. Mark Renten gezahlt worden. Die Gesamteinnahme der Versicherungsträger aus Beiträgen belief sih auf etwa 192 Mill. Mark, wovon 180 993 698 #4 auf die durch die Post verkauften Beitragsmarken entfielen; hierzu kamen die Zinsen des Vermögens, das am Schlusse des Jahres 1910 etwa 1660 Mill. Mark betrug.
Zahlreiche Entscheidungen hat das Reichsversicherungsamt wieder auf Grund des § 155 des Jnvalidenversicherungsgeseßzes erlassen und damit eine einheitlihe Anwendung der Geseßes- oorschriften über die Versicherungspflicht und über das Ver sicherungsrecht gefördert.
1591 Gesuche und Beschwerden in Beitragserstattungs- sachen sowie 1251 Arbeiterhilfsgesuche waren zu bearbeiten.
Die mit dem Jahre 1897 beginnende Statistik der Heilbehandlung ist bis auf das Jahr 1909 ergänzt worden. Für eine Versicherungsanstalt hat der Bundesrat die Erhöhung der Angehörigenunterstüßung während des Heilverfahrens bis zum doppelten, bei einer Versicherungsanstalt bis zum drei fachen Betrage genehmigt.
Zur Ermittlung der Ursachen über die Zunahme der Invalidenrenten ist im Jahre 1910 der Bezirk von einer Versicherungsanstalt bereist worden. Das Ergebnis der Erhebungen war im wesentlichen das gleiche wie in früheren Jahren.
Saßzungsänderungen wurden für 3 Versiherungs- anstalten genehmigt.
Die Beitragsleistung wurde im Reich von 444 Kontroll- beamten, bei den dem Reichsversicherungsamt unterstellten An- stalten von 401 Kontrollbeamten bei nahezu 4,25 Millionen Versicherten geprüft. Eine Versicherungsanstait -hat neue Kontrollvorschriften erlassen.
Im Jahre 1910 wurden von den Trägern der Juvaliden- versicherung im ganzen 3410 Personen in Juvalidenhäusern und ähnlichen Anstalten verpflègt. Eigene Jnvalidenhäuser besaßen 9 Versicherungsträger, 4 Häuser waren für die Zwecke der Jnvalidenhauspflège gemietet. 4 Versicherungsträger haben den Bau von Jnvalidenheimen in Aussicht genommen.
Zu gemeinnüßigen Zwecken sind aus den Vermögens- beständen der Versicherungsanstalten und den zugelassenen be- sonderen Kasseneinrihtungen bis zum 31. Dezember 1910 [eih- weise hergegeben worden :
1) für den Bau von Arbeiterwohnungen usw. .
92) zur Befriedigung des landwirtschbftlichen
Kreditbedürfnisses . E L S: 3) für den Bau von Kranken- und Genesungs- häusern sowie für andere Wohlfahrtsein- i ridtungen s e e A4 434 820», zusammen. . . 877086 130 4.
Für die Einrichtung eigener Kranken-, Genesungs-, Fnvalidenhäuser usw. hatten die Versicherungsträger außerdem bis zum Schluß des Berichtsjahres 59 901 798 /6 ausgegeben.
Nach dem Ergebnis der Berechnungen über die Zulänglich- leit der Beiträge muß alles vermieden werden, was die weitere Entwicklung der Vermögenslage der Versicherungsträger ungünstig beeinflußt. Die Anstaltsvorstände find aus diesem Grunde angewiesen worden, verfügbare Bestände in Zukunst nicht unter 31/5 v. H. anzulegen.
Die Hergabe von Anstaltsmitteln auf Erbbaureht über die Mündelsicherheit hinaus hat das Reichsversicherungsamt im Jahre 1910 in 4 Fällen genehmigt.
Die Versicherungsanstallen haben im Jahre 1910 188 291 berufungsfähige Bescheide über Rentenanträge und 193 232 beschwerdefähige Bescheide über Ansprüche auf Beitrags- erstattung erlassen.
Bei den Schiedsgerichten sind anhängig geworden.
Gegen Schiedsgerichtsurteile wurden 6568 Revistonen in Jnvaliden- und 87 Revisionen in Altersrentensachen, zusammen 6655 Revisionen, eingelegt. Unter Einschluß der aus dem Vor- jahr übernommenen Revisionen waren 9210 Juvalidenrenten- und 112 Altersrentensachen, zusammen 9322 Sachen, zu bearbeiten. Hiervon wurden erledigt: durch Urteil 5594, auf andere Weise (Zurücknahme, Zurückweisung wegen verspäteter Einlegung usw.) 549, zusammen 6143 Revisionen. Jn 359 Sißungen wurden 5667 Sachen mündlich verhandelt.
Von den 5594 durch Urteil erledigten Revisionen wurden die Schiedsgerichtsurteile in 4510 Fällen bestätigt und in 191 Fällen völlig oder teilweise abgeändert. Jn 893 Fällen wurde die Sache an das Schiedsgericht oder an: den Vorstand zurückverwiesen.
320 065 539 M, 109 585 766 ,,
29 014 Berufungen
Teil L des Jahrbucchs 1908 der Königlich preußishen Geologischen Landes- anstalt ist erschienen und kann zum Preise von 15 bezw. 10 # sowohl durch die Vertriebsstelle der Königlichen
Das Jahrbuch 1907 sowie
Geologischen Landesanstalt zu Berlin N. 4, Jnvalidenstraße 44, als auch dur jede Buchhandlung bezogen werden.
1 ,
Laut Melduna des W. T. B M S.M.S. „Sperber“ am 14. Februar in Kilwa eingetroffen, gestern von dort nah Kisiwana gegangen und verläßt diesen Hafen wieder am 20. Februar.
S. M. S. „Hansa“ ist vorgestern in Vigo eingetroffen
und seßt am 25. Februar die Reise nah Dartmouth fort.
Oefterreich-Ungarn.
Unter mehreren Kategorien der mittleren und unteren Staatsbeamten in Oesterreich, besonders der Post verkehrsbeamten, war, wie „W. D. B.“ meldet, erwogen worden, alsbald mit der passiven Restistenz ein zusezen, falls die verschiedenen Forderungen der Beamten bezüglich der Besserung ihrer finanziellen Lage, ins besondere wegen günstigerer Beförderungsbedingungen, nicht erfüllt werden würden. Nachdem aber nunmehr der Ausschuß des Abgeordnetenhauses für die Angelegenheiten der Staatsbeamten die Erledigung der Regierungsvorlage über die Dienstpragmatik der Staatsbeamten bis zum 1. Juli d. J. in sichere Aussicht gestellt hat und auch die Regierung sich zu den Wünschen, betreffend die Beförderung, nicht prinzipiell ab lehnend verhält, hat man sich, wie verlautet, in den Kreisen der staatlichen Beamten entschlossen, mit der passiven Resistenz vor läufig bis zum 1. Juli nicht vorzugehen. Y
Mit dieser Aftion der Staatsbeamten Oesterreichs steht nicht in Zusammenhang die passive Resistenz, die gestern teilweise in Triest zum Ausbruch gekommen ist, nachdem in einer vorgestern abgehaltenen Versammlung der Staatsbeamten und Staatsangestellten die von der Regierung gebotenen Zuge- ständnissefür unannehmbar erklärt worden waren. Diese Bewegung ist aber niht allgemein. Nach den vorliegenden Meldungen des „W. T. B.“ macht sich die Nesistenz auf den Postämtern, in der Paketbestellung und im Telegraphenverkehr, im Eisen- bahngüterverkehr und ferner im Betriebe der staatlichen Lager: häuser im Freihafen fühlbar. Neueren Nachrichten zufolge befürchtet man, daß sich diese Refistenzbewegung auf das ganze Küstengebiet ausdehnen werde.
Jn der gestrigen Plenarsißung der Ungarischen Delegation stand das Budget des Ministeriums des Auswärtigen zur Beratung.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ wies der Referent Graf Wickenburg darauf hin, daß die Grundlage der auswärtigen Politik Oesterreich-Ungarns die Pflege des Dreibundes sei. Seine Beziehungen zu den übrizen Staaten seien vertrauensvoll. Der Redner sprach die Erwartung aus, daß die Tückei imstande sein werde, die dort unstreitig bestehenden Kalamitäten avs eigener Kraft zu beheben, und beantragte \{ließlih, daß die Delegation dem Minister des Aeußern für seine Wirsamkeit und für die Leitung der auswärtigen Politik ihre warme Anerkennurg aussprehe. — Der Abg. Szuellos (Arbeitspartei) {loß sih diesem Vertrauensvotum an und hob die Bundestreue Deutschlands hervor. — Der Abg. Issekuß gab der- selben Ansicht Ausdruck und erklärle, der Dreibund sei in das öôffent- lie Bewußtsein Ungarns übergegangen. — Der Abg. Bakonyi zollte dem Verhalten Frankreichs gegenüber Desterreih-Ungarn in der Annexionskrise Anerkennung, verwies auf die Rede des deutschen Reichskanzlers von Bethmann Hollweg im Dezember, betreffend die Einschränkung der Rüstungen, und sprach sein Erstaunen darüber aus, daß Graf Aehrenthal in seinem Exposé gerade das Gegenteil, nämlich vollkommenste Schlagfertigkeit empfohlen habe.
Der Heeresausscchuß der Oesterreichischen Delegation seßte gestern die Beratung über das Heeres - ordinarium fort.
Die Abgg. Ellenbogen und Stanek sprachen die Befürchtung aus, daß die zweijährige Dienstzeit in der geplanten Form der Be- völkerung keinen Borteil bringen werde. Graf von Abenêsperg und Traun erklärte, da die Beurteilung der Notwendigkeit der Forde- rungen für das Heer Sache des Vertrauens zur Kriegêverwaltung sei, werde er für die Heereskredite stimmen; er frage, ob die dreijährige Dienstzeit mit einem entsprechend erhöhten Präsenzstande nicht vorteilhaster sei als die zweijährige Dienstzeit in der ge- planten Form. — Der Kriegsminister Freiherr von Schoenaich erklärte, die Ausgestaltung der Armee sei eine Folge des allgemeinen Konkurrenzkampfes, den die Monarchie mitmachen müsse, und bezwecke die Beseitigung von Nückständigkeiten. Zur Verforgung länger die- nender Unteroffiziere sei die Schaffung von 3000 Stellen innerhalb der Armee geplant mit steigenden Gehältern bis zur Hauptmannsgage. Die Bedenken gegen die zweijährige Dienstzeit teile er nicht.
Großbritannien und JFrland.
Jm Unterhause richtete der Viscount Wol mer (Unionist) an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Edward Grey die Anfrage, ob er sich über die Ansicht der britischen Regierung über die geplante Befestigung Vlissingens äußern wolle, und ob die bestehenden Berträge Großbritanniens ein Recht zur Jntervention in dieser Frage gäben.
Sir Edward Grey erwiderte laut Beriht des „W. T. B.“,
| eine Darlegung der Ansicht der britishen Regierung über die von
einer fremden Regierung ergriffenen Maßnahmen zur Besestigung ihrer Landesgrenze scheine ihm nicht verlangt zu fein, insoweit diese Maßnahmen rein defensiver Natur seien. Wenn dagegen vor- fommendenfalls irgendwelhe Vertragérehhte oder Verpflihtungen davon berührt werden follten, dann würde die Frage zu freundliher Er- örterung zwischen den Parteien des Vertrags kommen, bevor irgend eine von thnen ihre Meinung zum Ausdruck bringen würde.
Hierauf fragte der Liberale John Robertson, ob der Erste Lord der Admiralität Mc Kenna mitteilen könne, wann man entdeckt habe, daß der von der Admiralität im Jahre 1909 gemachte Voranschlag über die wahrscheinlihe Stärke der deutschen Flotte in den Jahren 1910 bis 1913 irrig sei. McKenna erklärte, obiger Quelle zufolge, in einer schrift: lichen Antwort:
„Fch nehme an, daß Nobertson den Voranschlag meint, den ih in meiner Nette vom 16. März 1909 mitgeteilt habe. Jener Vor- anschlag war auf der Tatsache begründet, daß niht nur die Bestellungen für die Bestandteile der Schiffe des deutschen Bauprogramms 1909/1910
vor dem Beginn dieses Finanzjahres gegeben worden waren, sondern
daß auch die Kontrakte für den Bau von zweien diefer Schiffe im Herbst 1908 zuerteilt und der Kiel eines dieser Schiffe wenigstens zwei Monate vor meiner Nede gelegt worden war. Diesen Tatsachen ist nie widersprohen worden, und die Mutmaßung, zu denen {ie Ver anlassung gaben, nämlich daß der früheren Jnangriffnahme des deuts{chen Bauprogramms von 1909/1910 ein früherer Zeitpunkt seiner völligen Ausführung folgen werde, wurde durch die Tatsache bestärkt, daß viel größere Summen für erste Bauraten für die Schiffe der Programme von 1908/1909 und 1909/1910 angefordert wurden, als dies für die im Vorjahr auf Kiel gelegten Schiffe der Fall gewesen ist. Wir wissen jeßt, daß die srühe Zuerteilung der Kontrakte nur aus finanziellen Gründen und Rücksichten auf die Arbeits- verhältnisse erfolgt ist, daß die großen ersten Bauraten für die Schiffe der Programme von 1908/1909 und 1909/1910 keine größere Be \{leunigung der Bauten bedeuteten, sondern darauf zurückzuführcn waren, daß weit teurere Schiffe gebaut wurden, und daß auf deutscher Seite nicht die Absicht besteht, die Schiffe von den Werften vor dem Sahr abliefern zu lassen, in dem die Schlußraten bewilligt werden. Ich bin nun glücklicherweise im Besiß offizieller Information über die Zeitpunkte, an denen man die Ablieferung der deutshen Schiffe von den Werften erwartet. Das Datum, an dem ih die Abänderung des von mir am 16. März mitgeteilten Voran \{lages bekannt gab, war der 29. März desselben Jahres. An diefem Tage erklärte ih, die deutshe Regierung habe seither mits« geteilt, daß sie bis zum Ende des Jahres 1912 niht 13 Schiffe be- fißen werde. Es scheint nun sicher, daß die deutshen Schiffe vor diesem Zeitpunkt nicht für Probefahrten bereit sein werden. Wenz Sie die Zeit für Probefahrten abziehen, so werden wir zu jedem Zeitpunkt des Jahres 1911 eine Ueberlegenheit von drei Dreadnoughté
besitzen.“
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Nuß;lanv.
Die russishe Regierung hat nah einer Meldung det „St. Petersburger Telegraphenagentur“ ihren Gesandten in Peking beauftragt, der chinesischen Regierung folgende Note zu überreichen :
Die in der letzten Zeit geführten Verhandlungen haben dic Kaiserliche Negierung überzeugt, daß die chinesische Regierung mi den Stipulationen des Handelsvertrages von 1881 uicht zu rechnen wünsche. Diese Stipulationen werden von der chinesischen Negierung und ihren örtlichen Agenten nicht beachtet oder weder dem Geiste nod dem Buchstaben des Vertrages entsprehend ausgelegt. Die Kaiserliche Negierung ift zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Fortdauer der von alterëker beslehenten Freundschaftsbande zwisckchen Nußland und China bei einem folhen Verbalten der chinesisden Negierung zu dem Vertrage von 1881 unmöglich is. Um die Er haltung und Festigung dieser Bande besorgt, findet es die Kaiserliche Regierung für nötig, jeßt vorstehendes zu erklären und die chinesisch! Negierung zu bitten, unaufschiebbar ihr Einverständnis zu bekräftigen na&stehende Punkte, die in strikter Uebereinstimmung stehen mit den Stipulationen des Traktats von 1881 und mit den den russish- chinesishen Beziehungen zugrunde liegenden Prinzipien, zu be obachten :
1) Weder der Vertrag von 1881, noch irgendwelche andere internationale Akte beschränken das Necht der russishen Regierung, selbständige Einfuhr- und Ausfuhrtarife an der chinesishen Grenze festzuseßen, ausgenommen die 50-Werstzone längs dieser Grenze. úFnnerhalb dieser Zone nah einer wie der anderen Seite der ganzen Landesgrenze zwischen Rußland und China ist dur gegenseitiges Uebereinkommen die zellfreie Einfuhr und Ausfuhr der Gtzeugnisse des Bodens und der Industrie des ganzen Territoriums jeder der beiden Vertragsmächte festgeseßt.
2) Die russishen Untertanen genießen in dem ganzen LTerrito rium des chinesishen Reiches das Necht administrativer und gerihk licher Exterritorialität und unterliegen daher in administrativer Hinsicht autschließlich der Jurisdiktion der russishen Behörden. Demgemäß werden alle bürgerlihcn Streitigkeiten zwishen Nussen und Chinesen vor gemischten Gerichten aus russishen und chinesishen Nichtern verhandelt.
3) In der Mongolei und in den Gebieten hinter der chinesischen Mauer zu beiden Sciten des Tianschan haben die russishen Unter- tanen das Necht der Freizügigkeit, des Aufenthaltes und des zoll- freien Handels mit Waren jeglicher Herkunft ohne jede offene oder verdeckte Besteuerung und ohne Bedrängung durch ‘Monopole oder andere Prohbibitivmaßnahmen.
4) Außer den bereits vorhandenen Konsuln hat die russische Regierung das Recht, Konsuln in Kobdo, Hami und Gulschen zu ernennen. Obgleich die Verwirklihung dieses Rechts von einem Abkommen mit der chinesishen Regierung abhängt, fo genügt doch die Neihe der Streitigkeiten zwishen russischen und chinesischen Kaufleuten in den Bezirken der genanaten Städte als Beweis für die Unmöglichkeit, die Verwirklichung dieses Rechts aufzuschieben.
5) Die russischen Konsuln müssen in ihrer offiziellen Cigen- chaft in den Grenzen ihres Konsulatsbezirkes von den chinesis en Behörden anerkannt werden, die sih nicht weigern können, mit ihnen
gemeinsam Streitigkeiten zwischen russischen und chinesischen Unter-
tanen zu s{lichten. :
6) In den Städten der Mongolei und hinter der chinesischen Mauer, in denen die russishe Regierung berehtigt ist, Konsulate zu errichten, nämlich in Kuldsha, Tschugutschak, Urga, Uljasutai, Kaschgar, Urumtschi, Kobdo, Hami und Gutschen, ebenso in Kalgan, fönnen russische Untertanen Grundstücke erwerben und Bauten auf denselben aufführen.
Die Kaiserliche Regierung hält es für ihre Pflicht, die chinesische Negierung davon in Kenntnis zu seßen, daß sie die Weigerung, die in den vorstehenden sech8s Punkten oder auch nur in einem derselben dargelegten Verpflichtungen zu bestätigen, als einen Beweis der Ab- neigung betraten wird, mit Rußland freundnachbarliche, auf Ver- trägen begründete Beziehungen zu unterhalten. In einem sfolchen Falle behält sich die russishe Regierung die Freiheit vor, zur Wieder- herstellung der von China verleßten Vertragsrehte der russischen Regierung und der russishen Untertanen die von ihr hierfür nötig befundenen Maßnahmen zu ergreifen.
Stalien.
Gestern abend fand zu Ehren des Königs von Serbien ein Galadiner stait, bei dem der König von Jtalien, „W. T. B.“ zufolge, nachstehenden Trinkspruch ausbrachte:
Mit der Herzlichkeit, die unseren engen Familienbeziehungen ent- spricht, heiße ich Eure Majestät heute in der Hauptstadt Italiens willkommen. Der Besuch Eurer Majestät wird die zwishen unseren heiden Ländern glücklicherweise bestehenden freundschaftlichen Be- ziehungen noch enger gestalten. Die italienishe Nation begrüßt mit mir in Eurer Majestät den Souverän eines Volkes, das seine Unabhängigkeit ebenfalls um den Preis langer und heldenmütiger Anstrengungen errungen hat. An den fruhtbringenden Kräften des Friedens ist es nun, die Wohltaten dieses glorreichen Werkes zu festigen und zu entwickeln, und aus tiefem Herzen und mit vollem Vertrauen wünschen wir Serbien diese glückliche und gedeihlidhße Zu- kunft, deren sichere und wirksame Gewähr der Frieden bietet.
Der König von Serbien erwiderte, indem er seinen Dank für den prächtigen Empfang in Rom aussprach, der die aus den gegenseitigen freundschaftlichen Gefühlen beider Völker und den engen verwandischaftlihen Banden der beiden Königs- häuser entspringenden herzlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern weiter stärken werde, und sagte:
Er überbringe gleichzeitig die Grüße und beißen Wünsche seines Nolkes, das Bewunderung hege für die Vaterlandstugenden der Ftaliener. Die Worte des Königs von Ftalien erfüllten ihn mit Nertrauen, daß es feinem Lande möglich sein werde, die vielfältigen Aufgaben zu erfüllen, die jungen, auf ihre Zukunft vertrauenden und ihrer Pflichten gegen die große Familie der zivilisierten Staaten sich bewußten Nationen gestellt seien. : ;
_Der serbische Minister des Aeußern Mil owanowit\ch begab sich gestern vormittag in die Consulta, wo er eine lange Unterredung mit dem Minister des Aeußern Marquis di San Giuliano hatte.
Spanien.
Jn dem gestrigen Ministerrat ist, „W. T. B.“ zufolge, beschlossen worden, die Kammern auf den 6. März zu einer neuen Session einzuberufen.
Portugal. _ In Oporto haben gestern {were Ausschreitungen stattgefunden. Wie „W. T. B.“ meldet, veranstaltete eine große Menge vor der Redaktion eines katholischen Blattes eine Kundgebung, wobei Revolverschüsse gewechselt wurden. Die Menge schlug dann die Türen zu dem Vereinshaus der fatholischen Arbeiter ein und zerbrach dort alles. Darauf zogen die Manifestanten durch die Straßen der Stadt. Die Polizei war machtlos. Der Zivilgouverneur hat feine Entlassung gegeben. i
Türkei.
Nach einem mit 65 gegen 48 Stimmen gefaßten Beschluß der jungtürkischen Kammerpartei hat, wie „W. T. B.“ meldet, der Obmann Halil das Portefeuille des Jnnern angenommen.
Der Unterrichtsmin ister hat seine Demission eingereicht
Griechenland. D
Der Minister des Auswärtigen Gryparis gab gestern, „W. T. B.“ zufolge, auf eine die Wiederaufnahme der diploma tischen Beziehungen zwischen Rumä nien und Griechen- land betreffende Anfrage des früheren Ministerpräsidenten Vragumis folgende Erklärung ab:
__ Die rumänische Regierung habe der griechishen keinen Vorschlag in diefer Angelegenheit unterbreitet. B-freundete Mächte hätten gleich nah dem Abbruch der Beziehungen zwischen beiden Mächten ihre wohlwollende Vermittlung angeboten und seten weiter geneigt, zu ver
«- mitteln.
e : Amerika.
L Wie _u&WB, T. B.“ aus Washington meldet, hat das Kongreßmitglied Bennets eine Resolution eingebracht, in der vesürwortet wird, in diplomatische Unterhandlungen zum Zweck der Annektierung Canadas einzutreten. : Der Präsident der Republik Uruguay Dr. Williman hat vorgestern die Parlaments session mit einer Botschaft erôssnet, in der er, „W. T. B.“ zufolge, mitteilte: Während der vier Jahre seiner Amtsführung sei ein Ueberschuß von 40 Millionen Francs ohne Erhöhung der Steuern erzielt worden. Uruguay käme seinen Verpflihtungen regelmäßig nah. Eine einzige Anlethe von 30 Millionen sei für öffentliche Arbeiten abges{lossen QoLVEN, , Fünfzig Millionen der öffentlißen Schuld seien amortisiert. Ver Dodentvert des Landes sei um das dreifache gestiegen. Die Statistik zeige, daß während seiner Amtsperiode für den Unterricht mehr getan worden sei, als in den dreißig voraufgehenden Jahren.
Die Botschaft wurde mit einhelligem Beifall aufgenommen.
Asien.
. Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Depesche aus Vodeida haben die Rebellen versucht, in Metuh bei Menaha einzudringen und sind unter großen Verlusten zurückgeschlagen E Die Zahl der Rebellen, die um Menaha stehen, ist t (e.
Afrika.
bet Nach Meldungen des „W. T. B.“ dauert die Erregung Ri den Zaërs an; 500 Reiter haben sih zu den Nachbar- ummen begeben, um diese zum Aufstand zu reizen. Der Kaid l Buagga mußte fliehen und französischen Schuß nachsuchen. Qn ‘ 2 Allal wurde ausgeplündert unter dem Vorwand, daß G l ) in das Lager von Boucherau begeben hätte. Der vandelsverkehr zwischen der Schauja und dem Gebiete der Jaërs ist unterbrochen.
Parlamentarische Nachrichten.
Dié Schlußberichte über die gestrigen Sißungen des Rei s- tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sih in der Ersten und Zweiten Beilage.
O Der RNeich3tag begann in seiner heutigen (130.) Sißung, welcher der Staatssekretär des Reichsmarineamts, Groß- admiral von Tirpiß und der Staatssekretär des Reichsjustiz- amts Dr. Lisco beiwohnten, die zweite Lesung des Etats für die Schußgebiete mit dem Etat für das Schußgebiet Kiautschou und das ostasiatishe Marinedetachement.
Referent der Budgetkommission ist der Abg. Dr. Görcke- Brandenburg (nl.).
l „Abg. Nacken (Zentr.): Zunächst möchte ih namens meiner Freunde die Anerkennung aus\prehen, daß der Etat vorsichtig aufgestellt ist. Der Handel des Schußgebiets ist erfreulih gewachsen. (Der Redner gibt einige statistishe Zahlen.) Die Kolonie bezahlt, abgesehen von den Militärausgaben, ihre eigenen Ausgaben selbst. Der Bürger- schaft von Tsingtau hat cin weitgehender Einfluß auf die Recht- sprehung in erster und zweiter Instanz eingeräumt werden können. Auch die Ausgestaltung der vorhandenen Anfänge zur Selbst- verwaltung der Bürgerschaft is niht mehr aufzuhalten. In den werbenden Betrieben unserer dortigen Verwaltung mit Ausnahme der Werft sind die Ergebnisse erfreulih; ganz besonders zu begrüßen ist die Einführung der kaufmännishen Buchführung in diesen Betrieben, worauf gerade wir {hon seit Jahren hingedrängt haben. Wir sind in Wilhelmshaven und Kiel in dieser Beziehung nicht etwa hinter das Licht geführt worden, sondern man hat uns bereitwilligst alle Bücher vorgelegt und alle unsere Fragen beantwortet, in welhem Ressort immer wir dazu Gelegenheit hatten oder nahmen. Uebertrag- barkeit und Deckungsfähigkeit gewisser Titel haben wir bei unserer Informationsreise sofort für das einzige Hilfsmittel erklärt, wenn Ordnung in die Wirtschaft gebracht werden sollte; es ist nun doch nur anzuerkennen, daß der Staatssekretär diesen Anregungen gefolgt ift.
(Schluß des Blattes.)
— In der heutigen (29.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welher der Minister des Jnnern von Dallwiß beiwohnte, stand zunächst der Antrag der Abgg. von Brandenstein (konf.) und Genossen zur Beratung :
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Geschäfts- ordnungskommission mit einer Vervollständigung der Ge- \{äftsordn ung nach der Nichtung zu beauftragen, daß solche Borschriften, welche tatsählich außer Anwendung gekommen sind, z. B. § 26 Abs. 4 (Bildung der Kommissionen), § 47 (Nedner- liste), durch neue erseßt werden.
Zur Begründung des Antrags erhält das Wort
Ubg. von Brandenstein: Artikel 76 der Verfassung schreibt bor: Jede Kammer regelt ihren Geschäftsgang und thre Disziplin durch eine Geschäftsordnung. Die auf Grund dieser Bestimmung er- lassene Geschäftsordnung hat im °aufe der Jahre sehr wesentliche Lücken dadurch erhalten, daß einzelne Bestimmungen, und zwar zum Teil für eine Geschäftsordnung ganz wichtige und unentbehrlihe Bestimmungen, weil sie sih in der gewählten Form als unzweckmäßig und undur(- führbar erwiesen haben, tatsählich außer Uebung gekommen sind. Man hat bedauerliherweise, darf ich wohl sagen, darauf verzichtet, diese Lücken durch andere Bestimmungen auszufüllen, und so sind an Stelle klarer, positiver Vorschriften lediglich mehr oder weniger unbestimmte, vielfach s{chwankende sogenannte Traditionen oder Ge- bräuche getreten, deren Berechtigung, wie sich vielleiht bei der Kommissionsverhandlung ergeben wird, einer ernsten, ruhigen und sahlihen Prüfung nicht \tandhalten karn. Fürst Bismarck hat ein- mal in einem Schreiben an das Staatsministerium zum Ausdruck ge- bracht, daß ein Gebrauch zwar die Autorität einer langjährigen Uebung für sich habe, daß aber bei Geseßen eine Verjährung nicht Play greife. Man flagt und \pottet vielfach darüber, daß alte Einrichtungen und Borschriften, die der Iettzeit niht mehr entsprechen, formell doch aufrehterhalten werden. Wir können an anderen mit größerem Rechte Kritik üben, wenn wir zunähst im eigenen Hause vorgehen und erst bei uns selbst veraltete Bestimmungen beseitigen. Wir müssen zeigen, daß wir in erster Linie willens sind, uns selbst ein Geseß zu geben. Eine Revision der Geschäftsordnung nach der bezeichneten Richtung hätte \chon früher vorgenommen werden können. Ín der gegenwärtigen Zeit is sie nach meiner Auffassung ein dringendes Bedürfnis geworden. Ich bitte daher, unseren Antrag der Geschäftsordnungskommission zu überweisen, und ich hoffe daß durch deren Beratung eine wesentliche Besserung des Ge- häftäganges und der Disziplin in diesem Hause erreiht werden wird.
Abg. Mathis (nl.): Es handelt sih hier um einen Jnitiativ- antrag, und es würde sich fragen, ob ein solher Antrag während der Etatsdebatte überhaupt diskutabel ist. Meine politischen Freunde glauben aber dem Wunsche einer großen Fraktion nicht widersprehen zu sollen, wenn sie das dringende Bedürfnis empfindet, eine Aenderung der Geschäftsordnung vorzunehmen. Der Antrag will obsolet gewordene Beslimmungen der Geshäftsordnung beseitigen. Ich erkläre von vornherein, daß, falls bei der Kom missionsberatung weitergehende Anträge gestellt werden sollten die über den Rahmen dieses Antrages hinausgehen, meine Fraktion zu diesen Anträgen Stellung nehmen müßte und daß die Geschäfts- ordnungskommission in dieser Beziehung nicht legitimiert sein würde. Wir sind mit der Ueberweisung des Antrages an die Kommission einverstanden.
(Schluß des Blattes.)
Statiftik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
L. Nachdem vor kurzem eine Tarifbewegung der Fahrradarbeiter der Firma Weyersberg, Kirschbaum u. Co. in Solingen im Sande verlaufen ist, brach, der „Rh.-Westf. Ztg.“ zufolge, am 15. d. M. in der Waffenbranche der Firma ein Ausstand aus. Ein Ausstand der Schwertarbeiter der Waffenfabrik Karl Kaiser ist dagegen gestern früh nah einer Dauer von 6 Wochen beigelegt worden. Die Firma stellt die Ausständigen sämtlich wieder ein. : __ In Weißenfels wurde, wie ,W. T. B.“ meldet, gestern in einer von etwa 4000 gewerkschaftlich organisierten Schuhfabrik - arb eitern besuhten Versammlung einstimmig beschlossen, das An- erbieten der Fabrikanten auf Einführung des neuneinhalbstündigen Arbeitstages abzulehnen und, falls niht die Forderung der Arbeiter auf Einführung des neunstündigen Arbeitstages mit Lohnausgleich und fünfundzwanzigprozentiger Lohnerhöhung für Ueberstunden bis es L Oktober d. I. bewilligt wird, morgen abend nah Ab- guf 31 de Be pungéfrist die Arbeit einmütig niederzulegen. (Val. Aus Eisenach erfährt die „Köln. Ztg.“, daß die Schneider - geren in 47 thüringishen Orten den Lohntarif gekündigt jaben.
Kunst und Wissenschaft.
Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 9. Februar unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Vahlen cine Gesamtsißung, in der Herr Harnack über das hobe Lied des Apostels Paulus von der Liebe (1. Kor. 13) und seine
religions8ge\chichtliche Bedeutung las. In der ersten Hälfte
der Abhandlung werden einzelne Stellen besprochen, die in terxt- kritisher und erxegetischer Hinsicht noch umstritten sind, besonders L dritte Vers. In der zweiten Hälfte wird die religionsgeschichtliche Bedeutung des Hymnus in seiner Beziehung zum Judentum, zu der ved Jesu und zum philosophishen Idealismus der Griechen rôrtert.
__ Das fkorrespondierende Mitglied der philosophis{-historisckcn Klasse Nichard Schroeder in Heidelberg hat E R das [{ünszigjährkge Doktorjubiläum begangen, die Akademie hat ihm cine E gewidmet. j
_ Vorgelegt wurde der 19. Band der von der Akademie mit Mitteln der Wenßtel-Stiftung unternommenen Ausgabe der griechischen christlichen Schriftsteller der ersten drei Jahrhunderte, enthaltend Theodorets Kirchengeshihte, hrsg. von L. Parmentier. Leipzig 1911. _ Das korrespondierende Mitglied der philofophisch - historischen Klasse Wilhelm Wilmanns in Bonn ist am 29. Januar verstorben.
Im Königlichen Institut für Meereskunde werden in der kommenden Woche folgende öffentlihe Vorträge und volkstümliche Bortragsreihen gehalten: Am Dienstag \priht der Professor R. Woltereck- Leipzig über die biologishe Erforschung des Meeres in Bergangenheit, Gegenwart und Zukunft 11 (mit Uchtbildern); am Freitag Dr. W. Vogel - Berlin über die Leistungsfähigkeit der deutschen und britishen Handelsflotte (mit Lichtbildern). — Die dh M, um N A Abends. Eintrittskarten zu 0,25 4 ind an den Bortragsabenden von 6 Uhr an in der Geschä e (Georgenstraße 34—36) zu haben. A E De R
Land- und Forftwirtschaft.
39. Plenarversammlung des Deutschen Landwirtschaftsrats.
In der gestrigen, dritten Sitzung bildeten den ersten Gegenstand der Grörterungen die wirtschastlichen Beziehungen zwischen der deutshen Industrie und der Landwirtschaft. Hierüber reserierten Steinmann-Bucher, Geheimer Hofrat Opitz und Direktor Dr. Felber. Der Landwirtschaftsrat nahm die von Steinmann-Bucher aufgestellten Thesen an und faßte die folgende Resolution : ‘
_ „Dec Deutsche Landwirtschaftsrat erklärt: 1) Den Inhalt des wirtschaftlichen Lebens der Kulturvölker bildet in erster Unie der Binnenverkehr. Dem tnternationalen Güteraustausch kommt infolgedessen nur eine dem Binnenverkehr untergeordnete Be- deutung zu. 2) Selbst für diejenigen Länder, die sih durch ihre Aus- landsinteressen eine führende Stellung auf dem Weltmarkt ges afen haben, ist das inländishe Absaßzgebiet die Grundlage ihres wirt- schaftlichen Daseins. 3) Je fkraftvoller und wvielseitiger \ich das wirtschaftliche Innenleben eines Volkes gestaltet, um so günstigere Bedingungen haft es sih für den Kampf auf dem Weltmarkt, und um so aufnahmefähiger wird es gleichzeitig für Erzeugnisse anderer Länder. Cine hochentwidckelte Gütererzeugung für den eigenen Markt ift die beste Gewähr für die Ausdehnung der auswärtigen Handelsbeziehungen. 4) Je höher alle Völker ihre eigene innere Wirtschaft entwickeln, umsomehr werden die Umsätze des internationalen Verkehrs zunehmen. Der Fortschritt aller Völker zu innerlih har- monish ausgebildeten Wirtschaftsgebieten wird also den Welthandel nit untergraben, ihn vielmehr immer reicher gestalten. Bei dem fortschreitenden Ausbau der inneren Wirtschaft der Kulturvölker wird ih ihr Güteraustausch immer mehr den hochwertigen Industrie- erzeugnissen zuwenden, während der internationale Austausch landwirt- schastliher Erzeugnisse infolge der zunehmenden Bevölkerungen, der hiermit verbundenen Steigerung des Bedarfs und der natürlichen Be- grenztheit der landwirtschaftlih benußbaren Bodenflächen fich immer mehr eins{chränken wird. 5) Diese Entwicklung führt mit Notwendigkeit zu einer immer engeren Interessengemeinsha\t zwishen Industrie und Landwirtschaft in allen Ländern, weil einerseits die Industrie- bevölkerung für ihre Ernährung immer mehr auf die Erzeugnisse der einheimischen Landwirtschaft angewiesen ist, während anderseits der Landwirtschaft die Aufgabe erwächst, für den ganzen Bedarf der Bevölkerung an Brotgetreide und Fleihnahrung aufzukommen. Auch diejenigen Länder, welche heute noch Ausfuhrländer von Agrikultur- erzeugnissen sind, werden sich immer mehr auf die Versorgung des einheimishen Bedarfs zurückziehen müssen. 6) Der harmonis{ch entwickelte Industrie- und Agrikulturstaat muß deshalb das gemeinschafilihe Ziel von Industrie und Landwirtschaft sein. Aber niht nur Industrie und Landwirtschaft, auch alle übrigen Berufe und nicht nur die selbständig Erwerbstätigen, sondern auch die An gestellten und Arbeiter müssen in ihrer wirtschaftspolitishen Betäti- gung auf dieses Ziel gerihtet werden. Am meisten aber ist es für den Staat eine Lebensbedingung, daß eine ebenmäßige Entwicklung von Industrie und Landwirtschaft gesichert wird; denn fie sind die Hauptstüßen seiner Macht. 7) Industrie und Landwirtschaft, bezw. ihre Interessenvertretungen, sollten es {ich zur gemeinschaftlichen Auf gabe machen, ihre eigenen, aber auch weitere Kreise über ihre Zu sammengehörigkeit zu belehren." -
Darauf berihtete Domänenrat NRettih-Nostock über die Tätig keit des Ausschusses für Handelsgebräuche und der Kom mission für Gebräuche im Ka rtoffelhandel. Nach längerer Diskussion beschloß der Landwirtschaftsrat hinsichtlih der Bedingungen für den Verkehr mit Handelsfuttermitteln, „1) den Be- dingungen, die der Auss{huß für Handelsgebräuche vom 24. Juni 1910 für den Verkehr mit Handelsfuttermitteln aufgestellt hat, seine Zu- stimmung zu versagen, 2) sih dahin auszusprechen, daß die Kontroll untersuhungen landwirtschaftliher Hilfsstoffe (Düngemittel, Futter- mittel und Saatwaren) in dem gleihen Umfange wie bisher den landwirtschaftlihen Verfuchs\tationen erhalten bleiben, 3) da es nidt möglich erscheint, mit den Händlern bezw. ihren Vertretungen zu einem der Landwirtschaft genehmen Vertrage zu kommen, die Reichs- regierung zu ersuchen, möglichst bald ein Gesetz über den Handel mit Futter mitteln, Düängemitteln usw. zur Vorlage zu bringen“. In bezug auf die allgem einen Bestimm ungen fürden H andel mit chemisden Dünge mitteln in der Superphosphatindustrie erklärte der Landwirtschaftsrat \sih mit den in der Sißung des Auéshu}ses für Handelsgebräuhe am 24. Januar 1911 aufgestellten Bedingungen einverstanden. Ebenso wurden die von der Kommission für Gebräuche im Kartoffelhandel aufgestellten Geschäftsbedingungen für den deutschen Kartoffelhandel angenommen.
__ Im weiteren Verlaufe der Sitzung beschäftigte sich der Land- wirtschaftsrat noch mit der Bedeutung und Organisation des landwirtschaft lihen Unterrihts im Heere. Hierüber referierte Landesökonomierat Maier-Bode (Augsburg), und “in der sih an dessen Ausführungen anschließenden Diskussion sprachen u. a. Freiherr von Mahrenholß und General von Bredow. Einem An- trage des Referenten gemäß wurde einstimmig eine Resolution gefaßt die folgendes besagt : : En „Der Deutsche Landwirtschaftsrat erblickt in dem landwirtschaft- lichen Heeresunterriht ein geeignetes Mittel, um die vom Lande stammenden Soldaten während threr Dienstzeit mit ihrem ländlicheu Beruf in Verbindung zu halten und sie nach ihrer Entlassung wiederum dem Lande zuzuführen. Es ist das notwendig, weil die CGntvölkerung des platten Landes für die ganze Nation s{hwere gesundheitliche und soziale Schäden im Gefolge hat und sowohl auf das Leben in der Stadt wie au auf dem Lande in gleicher Weise zerstörend" wirkt. Nur durch die Erhaltung und Kräftigung der Landbevölkerung kann sich das Deutsche Reih auf der Höhe erhalten; es muß deshalb staatli®e Fürsorge getroffen werden, den landwirt- schaftlichen Heeresunterricht, der an diesem Problem arbeitet, zu einer dauernden, gut fundierten Einrihtung zu machen. Der Deutsche Landwirtschaftsrat stellt daher an den Bundesrat und den Reichätag die Bitte, durch Bewilligung von staatlichen Geldmitteln zu der
Verwirklichung diefes Planes beizutragen. Auch an das riegê-