1911 / 56 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 06 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Vorlage der Königlichen Eisenbahudirektion, betreffend: 1) All- gemeine Frahtermäßigung für frische Seefische von den deutschen Seehäfen nah binnenländischen Verbrauchspläßen, 2) Anwendungs- bedingungen der Ausnahmetarife für frische Seefische und Salzheringe. Antrag wegen Beseitigung von Mißständen a. bei Zusammen- ladung von Tabak mit anderen Gütern, þ,. im Nachnahmeverkehr.

V. SFahrplanangelegenheiten.

Antrag auf Durchführung des Schlafwagens Altona—Würzburg in den Zügen D 76/D 88, D 87/D 75 bis und von München.

Altona, den 3. März 1911.

Königliche Eisenbahndirektion. Franke.

Nichfkamtliches. Deutsches Reich. Preußen.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrat, Herzoglich sächsischer Staatsminister Dr. von Richter aus Gotha und Fürstlich s{warzburgischer Staatsminister Freiherr von der Necke aus Sondershausen sind in Berlin angekommen.

Der siamesishe Gesandte Phya Sridhamasasana ist nah Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder übernommen.

Berlin, 6. März.

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Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. Tpdbt. „Sleipner““ am 2. März in Algier eingetro]sen und halt vorgestern die Reise nach Catania fortge]eBt.

S. M. S. „Loreley“ ist am 3. März in Cattaro ein getroffen und vorgestern von dort nach Corfu in See gegangen.

Wilhelmshaven, 6. März. Seine Majestät der Kaiser ist gestern vormittag, „W. T. B.“ zus Oldenburg, woselbst Allerhöchstderselbe von Jhren König lihen Hoheiten dem Großherzog und dem Erb großherzog empfangen wurde und einen furzen Aufenthalt nahm, hier eingetroffen. Vom Bahnhof, auf dem sich zur Begrüßung Seine he Hoheit der Prinz

zufolge, Uber

Königliche Heinrih von Preußen, der Staatssekretär des Reichs marineamts, Großadmiral- von Tirpitz, die Admirale Graf von Baudissin und von Holßendorff und der Konteradmiral Schmidt eingefunden hatten, fuhr Seine Majestät der Kaïser mit Seiner Königlihen Hoheit dem Prinzen Heinrich durch die beflaggten Straßen der Stadt zum Exerzierhaus der Matrosendivision, wo die Vereidigung Der Rekruten erfolgte. Anschließend hieran hielt Seine Majestät der Kaiser eine kurze Rede, worauf der Jnspekteur der zweiten Marineinspektion, Konteradmiral Jacobsen nach Worten des Dankes ein Hoch auf den Allerhöchsten Kriegsherrn ausbrachte. Nach der Feier fand im Kasino Frühstückstafel stati, an der Seine Majestät der Kaiser, Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich, die Admirale, die Gefolge und die an der Vereidigung beteiligten Offiziere teilnahmen.

Wilhelmshaven, 6. März. Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Oldenburg ist, „W. T. B.“ zufolge, heute früh hier eingetroffen, um an den Bêsichtigungen durch Seine Majestät den Kaiser teilzunehmen.

Oesterreich-Ungarn. Der Kaiser Franz Joseph, der vorgestern von Budapest wieder in Wien eingetroffen war, empfing, „W. T. B.“ zu V

folge, gestern vormittag im Schönbrunner Schlosse den König von Bulgarien, der seinen Dank für die Gratulation zum 50. Geburtstage ausdrückte.

Die Oesterreichishe Delegation hat vorgestern das gesamte Heereserfordernis nebst dem außerordent lichen Heereskredit angenommen.

Der Neichskriegsminister Freiherr von Schoe ufe der Debatte laut Meldung des „W T. X rungen für Heer und Marine nur 1209/0 des t aufwandes erforderten, sei die Behauptung unbegründe Heereßsausgaben der Befriedigung der kulturellen und wir Bedürfnisse im Wege ständen. Gegenüber den Klagen Nichtbeahtung des nationalen Empfindens în der Armee der Minister 8 nationale Moment werde mcht. vernac aber zwischen è nationalen Bewegung, die zu weil fie die ruhige Entwicklung der Monarchie hemme, Geiste der Armee beslehe eine unüberbrückbare Kluft. wegung dürfe man nit in die Armee eti erwähnte sodann den Zwischenfall bezüglich [rmeelteferungen und ersuchte, ihn beiseite zu lassen. Unter dem lebhaftesten Bei fall des Hauses gab der Ueberzeugung dru, daß Delegation zenwärtigen

Wissen!

fommandanten wegen seines L atltraft

Erfahrung Pete L Minister wies darauf hin, daß der Feldmarschall Nadeuky mit unfertigen, jeen glänzende Siege erfochten hätten. L durch den echten Goldatengenlt er})eßî worden, C L G fo lebe. T EL *Deintiter fei bestrel min der VDeereSorganl| [ 1 Arme al dur Bewilligung der Het Der Präsdent der ernreither, hob in seiner Schlußrede hervor, daß die Monarchie nicht nur im Nüstungswettbewerb der Mächte, sondern auch in dem wirt \chaftlihen Wettbewerbe bestehen müsse. Mit einem Hoch auf den Kaiser wurde die Session geschlossen.

Die Ungarische Delegation wurde vorgestern mit einer 2 denten Grafen Zichy geschlossen, der den Wunsch aussprach, daß die großen Opfer zur Befestigung der Großmachtstellung Oesterreichh-Ungarns beitragen,. die Schiffsbauten der Jndustrie zum Nußen gereichen und die neuen Schiffe Hüter des Friedens sein möchten. Gewähr dafür sei die Friedensliebe des Königs.

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Der Minister

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Frankreich.

Der Ministerrat hat gestern den Wortlaut der vom Ministerpräsidenten Nonis abgefaßten Negierungserklärung genehmigt.

Nuß:land.

Vorgestern ist in ganz Rußland die fünfzigste Wieder- fehr des Tages der Aufhebung der Leibeigenschaf! gefeiert worden. Jn - Städten und Dörfern fanden, wie „W. T. B.“ meldet, in den Kirchen aller Konfessionen, in den |

Moscheen und Synagogen feierliche Gottesdienste stalt; über die Truppen murde Parade abgehalten, allenthalben wurden feier- lihe Sißungen, populäre Vorlesungen und Volksver- gnügungen veranstaltet. Jn fast allen Dorfgemeinden wurden die von den Bauern errichteten Denkmäler für Alexandex 11. feierlich enthüllt. Viele Stadtverwaltungen, Semstwos und Bauerngemeinden gründeten zum Andenken an das Jubiläum Lehranstalten oder errichteten Stipendien für arme Bauern finder. Außer neuen Schulen wurden auch nod Krankenhäuser, Volkshäuser und Mäßigkeitsgesellschaften gegründet. Besonders feierlih verlief der Festtag in den Nesidenzstädten. Bei ihrer Fahrt zum Gottesdienst in der Kasanschen Kathedrale wurden dem Kaiser und der Kaiserin vom Publikum jubelnde Kundgebungen dargebraht. Nach dem (Gottesdienst war in MWinterpalast Empfang beim Kaiser für die Nachkommen von Mitarbeitern Alexanders 11. bei der Durchjührung der Bauern- ceform. Außerdem wurden 51 bäuerische Abgeordnete der Reichsduma empfangen, die vor dem Gebäude der Duma ein Denkmal für Alexander 11. errichtet haben, das die Jnschrift trägt: „Dem Zaren-Befreier die danibaren Bauernmitglieder der Neichsduma. 1861—1911,° Anschluß an den Empfang fand im Winterpalast Festtafel für die Aeltesten der Dorfgemeinden des Gouvernemen1s Sckt. Petersburg statt.

Portugal.

Nach einer Meldung des Blattes „Novidades“ hat sich die Mehrheit der Bischöfe in einem Telegramm an die Regierung bereit erklärt, deren Anordnungen, durch die den Pfarrern die Verlesung des Hirtenbriefes während der Messe unter sagt wird, zu respektieren.

Jn der Deputiertenkammer wandte sich vorgestern bei fortgeseßter Beratung des Budgets der Führer der gemäßigten Liberalen Js mail Kemal gegen den Bagdadbahnvertrag und verlangte, daß die Bahn nur bis El Helif gebaut und die Verbindung von Konstantinopel nah Bagdad durch eine Linie Homs—Bagdad hergestellt würde Der Großwesir Ha kki Pascha legte darauf die Vorteile der Bagdadbahn dar

flärte h C D.+ gusolge:

Der Staat set zum Weiterbau der Bahn durch e! Bertrag gebunden, den die Regierung t brechen dürfe ie Negierung fönnte fih höchstens bei den i sichern. Die Bahn könne u! El Ht einer jährlichen Ausgabe von 300 000 Pfund Tönne Weiterbau nicht preisgeben und ? sich! von 49% ecinbüßen. Der Großwen \{ließlich die Hoffnung aus, daß sich ein Einvernehmen über den Weiterbau der Linie von Bagdad bis Basra ermöglichen lasse, da alle Beteiligten müßten, daß die Türkei nur he Inte ressen verfolge.

Wie W. D. B. me h einer von am! licher Seite stammenden Mitteilung neuerdings griehische Soldaten der Wachthäuser in der Nähe von Koskoj türkische Posten beschossen, die das Feuer erwiderten. Während des Kampfes wurden zwei Evzonen getötet; auf Seite der Türken waren keine Verluste zu verzeichnen. Als die Griechen das Feuer einstellteq 4 kehrten die türkischen Soldaten in ihre Wacht- häuser zurü. f Fnfolge der in der leßten Zeit bei Dereli vorggtommer. ? Pläufsleien sind 100 Mann zur - Ver- stärkung dêr Ketten TBachthäufer aus Larissa dort eingetroffen. Die griechischen Wachlposten provozierten daraufhin abermals Reibereien, worauf ein Evzone erschossen und einige türkische Soldaten verwundet wurden. Jn der Gegend von Lor os ver- suchten vier verdächtige Griechen die Grenze zu überschreiten, ohne die Haltrufe des türkischen Postens zu beachten. Darauf

wurde auf die Griechen gefeuert, wobei drei getötet wurden.

Der vierte Grieche flüchtete, obgleih er verwundet worden war.

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dem zweiten Distri

ldung des „W. T. 3 57 regierungsfreundlihe Ko1 5 Mitglieder der geeinigten O

Opposition, und zwar 3 konser i und ¿wei Liberale, gewählt. Acht S thlen sind erforderlih. Die Sozialisten und Nationalisten, die sich zum ersten Male bei den allgemeinen Kammerwahlen um Mandate bewarben, vermochten nur wenige Stimmen aufzubringe!

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wahlkollegium

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Ameriïa. at eine außerordentliche ir Beratung des Handels- Canada au Ipril einberufen.

enat hat, wie „W. T. B.“ meldet, die Vorlage, die eine Tarifkommission schaft, angenommen. Jm Nepräsentantenhause ist die Vorlage infolge der Obstruktion der Demokraten nicht durchgegangen. Nach der Mitteilung von der Einberufung der Sonder]se}/t hat sich der Kongreß unter

lebhafter Bewegung vertagt. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ aus Puerto Tortez (Honduras) find die Friedensverhandlungen, die lange Zeit niht von der Stelle rückten, mit der Ernennung Francisco Bertrands, eines Parteigängers des Generals Bonilla, zum provisorischen Präsidenten zum Abschluß gelangt. Die Wahl des Nachfolgers des Präsidenten Davila findet im Oktober statt. Einer

wird das Fi

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Erklärung des chilenischen Finanzministers zufolge nanzjahr einen Ueberschuß von 4 Millionen von früher her vorhandene Defizit von 5 Millionen wird durch außerordentliche Einnahmen und Er parnisse im laufenden Budget gedeckt werden.

Das neue Kabinett in Uruguay hat sich, „W. T. B.“ zufolge, vorgestern konstituiert. José Romeu wurde zum Minister des Aeußern und José Serrato zum Finanzminister ernannt.

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Asien.

Der Negent von Persien hielt vorgestern im Medfch- lis, bevor er den Eid auf die Verfassung ablegte, eine Rede, in der er „W. T. B.“ zufolge sagte :

Sein langer Aufenthalt in Europa sei nicht seiner Furt, sondern der Tatsache zuzuschreiben, daß die auf seine Depeschen aus Teheran fommenden Antworten nicht befriedigend gewesen seien. Er stehe über allen Parteien und werde auf keinen Fall von dieser Auffassung seiner Pflichten abweichen, obwohl viele Leute, wie dies aus zahl- reichen Depeschen und Aufforderungen an thn hervorgehe, der Ansicht zu sein schienen, daß des Regenten Tätigkeit darin liege, an der Politik regen Anteil zu nehmen. Er beschwöre die Kammer, Meinungsverschiedenheiten beiseitz zu lassen und freundschaftlih an der Erlösung Persiens mitzuarbeiten. Wenn aber der Medschlis sich seinem Rate nit anschließe, roerde er dem Verderben des Landes niht ruhig zusehen. Schließlih erklärte der Regent, daß der Sihpadar vorausfihtlich in wenigen Tagen sein Kabinett dem Medschlis vorstellen werde.

Koloniales.

Der älteste Offizier der vor Ponape (Osigrolinen) versammelten deutshen Seestreitkräfte, Fúttenkapitän Vollerthun meldet, wie „W. T. B.“ berichtelys Guam:

Die Operationen gegen die Aufrührer \ Ponape sind am 292. Februar beendet worden. Der ganz&tamm der Dschokats ist gefangen genommen, 15 Mörder, die am iutbade vom 18. Oktober beteiligt waren, sind auf Grund des Urteilsg Bezirks- amtmanns vom 24. Februar \tandrechtlich erschossen wen. Alle übrigen Aufständischen, zusammen 426 Menschen, sind n6 Yap ver- bannt und werden dorthin von „Titanta“ übergeführt. t alle im Besitze von Eingeborenen befindlichen Gewehre sind abgel,xt. Die \chnelle und gründliche Erledigung hat nachhaltigen Eindru gemacht. Die Eingeborenen, bei denen starke ¿Friedensneigung vorherrschtnyfinden die verhängten Strafen als gerecht. Der Bezirksamtmann und Weißen der Kolonie halten die Anwesenheit von „Condor“ für ausreizd, und die übrigen Schiffe sind daher hier entbehrlih. 130 Vin der Polizeitruppe bleiben zurück, „Nürnberg“ geht nach den Lfinseln (Karolinen), um dort Urteil und Strafe bekannt zu geben. % Ver- wundeten befinden sich auf „Emden“ zur Ueberführung nah Ingtau. &Fhr Befinden ist gut. Sie befinden si in der Genesung und)erden völlig wiederhergestelt werden mit Ausnahme des VDbernrosen Meyer, dessen linkes Bein amputiert werden mußte.

Die Baumwollfrage.

Unter diesem Titel veröffentliht das RNeichskolonialmt eine „Denkschrift über Produktion und Verbrauch von Baumünlle sowie Maßnahmen gegen die Baumwollnot“, die das Problem\er Versorgung der deut]shen Baumwollindustrie mit Rohstoff behandt, eine Frage, die man als eine der wichtigsten und brennendsten unsew nationalen Volkswirts{haft bezeichnen muß und die bekanntlich af folonialem Boden ihre sung finden soll. Man hat nah dem englische Ausdruck „„Cotton famine“ bei uns das Wort „Baumwollnot“ ge prägt, und es läßt sich nicht leugnen, daß unsere Baumwollindustrie unt deren «Konsumenten \ich in steigendem Maße in einer mißlichen

Lage befinden. \

Wenn diese Notlage der Kleidungsversorgung noch nicht so allgemein bemerkt wird, wie etwa eine Nahrungsmittelnot, so liegt dies daran, daß eine solhe doch noch unmittelbarer von dem einzelnen empfunden würde und durch Einschränkung weniger zurück- gedrängt werden könnte. Für das Haushaltungsbudget macht es aber wenig Unterschied, ob dur teuere Kleidung oder teuere Nahrung eine Belastung eintritt. Es sind zwei Hauptgrundlagen der Baum- wollnot auseinanderzuhalten, die in der Denkschrift untersucht werden, nämli: 1) das Mißverhältnis von MRohmaterial- vroduktion und Verbrauch8entwticklung unter gleichzeitiger über- triebener Entwicklung der industriellen Einrichtungen für dite Ver brauchsversorgung sowie unter der immer schärfer werdenden Ein- wirkung des monopolistishen Charakters der nordamerikanischen Produktion, 2) die besondere Gefährdung der europätschen Baumwoll- industrie durch die Entwicklung der Nohbaumwolle verarbeitenden Industrie en Produktionsgebieten der Rohbaumwolle selbst. E dem Schlußergebnis der Denkschrift heben wir das folgende vervor :

Eine ausreiWende Versorgung der deutschen Baumwollindustrie mit billigem oder preiswertem Rohstoff ist von den derzeitigen Pro- dukftionsgebieten der Baumwolle niht zu erwarten. Die asiatischen Produktionsgebiete werden in zunehmendem Maße ihre Rohbaum- wolle auch bei erbebliher Steigerung der Produktion für den eigenen und den Verbrauch anderer asiatisher Märkte benötigen. Mit der Maßgabe, daß es sich nicht um einen asiatishen, sondern um einen europäischen Markt handelt, gilt dies au für die russische Pro- duktion in Miltelasien. Gleiches läßt sih für Südamerika vorauss\agen, wenn sich dort die Produktion unter Ueberwindung der Schwierig- feiten des Arbeiter- und Kapitalmangels noch wesentlich steigern sollte. Dasselbe gilt für Australien, sofern sih dort Boden und Klima für ausgedehnteren Baumwollbau eignen sollten. Es verbleibt also nur der a frikanische Erdteil, in dem bis jeßt nur Aegypten eine

nennenswerte Produktion für die Versorgung des Weltmarktes auf- r

weist. Diese ist aber auf ein sehr beschränktes, meist künstlih zu bewässerndes Gebiet angewiesen, dessen Bodenpreise böber werden. Aus diesem Grunde is eine nennenswerte Steigerung der Produktion billiger Baumwolle nicht zu er warten, ja es ist nicht ausgeschlossen, daß sich Aegypten in steigendem Maße anderen Produktionsarten zuwendet. Das übrige Afrika ist fast durchweg kolonialer Boden der europäischen Fndustriestaaten. Diese machen sämtlih große Anstrengungen, in den geeigneten Teilen ihrer afrikanischen Gebiete Baumwolle zu bauen, um dem drohenden Mangel an Rohmaterial in ihrer Textilindustrie vorzubeugen. Gleichzeitig sind die europäishen Industriestaaten be strebt, mit handels- und verkehrspolitischen oder sonstigen Mitteln die eigene foloniale Baumwollproduktion in Afrika ihrer heimischen nationalen Industrie zu sichern und zu reservieren. Je mehr in Nordamerika die Zuversiht auf die Erhaltung des Produktions- monopols und auf die Erreichung der Borherrschaft in der Baum wollindustrie sich befestigt, umsomehr muß s\ich bei uns der energishe Wille durchseßen, das Rohmatertal für unsere Baumwollindustrie mehr und mehr auf eigenem folo nialen Boden \selb\t zu erzeugen. Wenn wir den Baumwoll- bau in unseren afrikanischen Kolonien niht in gleiher Weise pflegen und fördern, wird die deutshe Textilindustrie in steigendem Maße immer mehr und immer ausschließliher auf die Versorgung aus dem nordatnerikanischen Produktionsgebteteangewiesen sein. Was dies bedeutet, bedarf keiner weiteren Erörterung mehr. Die unzweifehaft steigenden Produktionskosten und vor allem die zunehmende Befestigung der Vêonopol- stellung Nordamerikas würden dahin wirken, daß die Entnahme unseres Be darfs aus dem nordamerikanischen Produktion8gebiete nur zu andauernd steigenden Preisen erfolgen könnte. Dazu ist noch zu berüsichtigen, daß der Bedarf eines Industriestaates mit zunehmender Bevölkerung wie des Deutschen Neis rasch \t?igt, jedenfalls verhältnismäßig rasche als die Produktion in Nordamerika. Aber selbs wenn diese Schritt halten würde, verblieben wir in vollständiger Abhängigkeit von der Spekulation der nordamerikanishen Börsen und der Organi- sationen der Karmer, die ja bereits quf dem Wege der Genossenschaften und gemeinsamer Lagerhäuser dahin ge- langt sind, auch bei den besten Ernten die Preise hoch zu halten. Die Abhängigkeit von Nordamerika kann aber dadurch nod bedrohlicher werden, daß dieses Land dazu übergeht, uns all- mäblich überhaupt keine Nohbaumwolle ‘mehr zu liefern, sondern nur noch Fabrikate, die es aus seinem eigenen Nohmaterial hergestellt hat. Dies würde den Nuin einer. unserer größten Industrien sowie cine außerordentlihe Verschlehterung unserer Handelsbilanz und unserer ganzen weltwirtschaftlichen Stellung bedeuten. Daß ein industriell fo rasch aufsteigendes Land wie die Vereinigten Staaten von Amerika den Wunsch hegt, die einheimischen Rohstoffe selbst zu wert- vollen Fertigfabrikaten zu verarbeiten, würde auch dann angenommen werden können, wenn dieses Ziel niht {hon mehrfach von hohen Regierungsbeamten, denen die Förderung des Baumwollbaues in Nord- amerika obliegt, ausgesprochen worden wäre. So sprach unter anderen der Direktor des Departments of Commerce and Labour in Washington S. N. D. North bei einer Versammlung der Baumwollinteressenten : „Ich sehe der Zukunft vertrauensvoll entgegen bis zu dem Augenbli, in dem die Vereinigten Staaten, statt zwei Drittel threr Ernte aus- zuführen, den größten Teil selbst verarbeiten und threm Lande den ungeheuren Nutzen sichern dürfen, den die Verarbeitung dieses Roh- \toffs abwrirft.“

Die Fabriken, denen dieses Rohmaterial zugeführt wird, die Baumwollspinnereien und Webereien, nebst Hilfs- und Nebenbetri:ben, stellen eine gewaltige Interessengruppe der deutschen Bolkswirtscbaft dar. Eingehende statistishe Angaben über die Baum- wollindustrie im Deutschen Reiche sowohl wie in den einzelnen Glied- staaten, über die Zahl der Betriebe und namentlich über die Zahl der in den Fabriken und der Hausindustrie beschäftigten Arbeiter finden

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immer

sich in den Anlagen zu der eingangs erwähnten Denkschrift. Diese auf Grund amtlihen Materials bearbeiteten Tabellen erseyen die Schäßungen, die bisher in den Veröffentlihungen zur Baumwollfrage nach der allgemeinen berufsgenossenshaftlichen Statistik der gesamten Textilindustrie gemacht wurden. Während dort nur ein gewisser Prozentsay der Textilindustrie \{häßungsweise der Baumwollindustrie zugerehnet wurde, ist nunmehr aus den er- wähnten Tabellen das Interesse der deutshen Industrie und der deutschen Arbeiterschaft ziffernmäßig genau ersicht- li. Die Tabellen zeigen aber au, in welch hohem Maße neben der Großindustrie Afktiengesellshaften und sonstigen (Großbetrieben und deren Arbeitern auch der Mittel- stand, das Kleingewerbe und die Hausindustrie an der Baumwollfrage interessiert sind. Ergibt sich fomit, daß an der Baumwollfrage in Deutschland auch der gewerblihe Mittel- stand in beträchtlihem Maße tinteressiert ist, so bleiben doch die industriellen Interessen und damit in erster Linie die Arbeiter - interessen überwiegend. Im verflossenen Jahre 1910 hat die Preis- treiberei auf dem Baumwollmarkte der deutschen Baumwollindustrie bei einem Bezuge von Rohmaterial im Werte von etwa 7 Milliarde Mark eine Meh r belastung von etwa 150 Millionen Mark gebracht. Es ergibt sich dies daraus, daß der Verbrauch etwa 350 000 000 kg, der Durchschnittspreis aber 150 4 Z betrug, während der Durch- \{nittspreis der leßten zehn Jahre ih auf nur 104 A für L ke belief. Alle jene Lohnkürzungen und Betriebseinshränkungen, die im verflossenen Jahre in der Baumwollindustrie notwendig wurden, find in letzter Linie auf diese Verteuerung des Nohmaterials zurückzuführen. Außer diesen Lohninteressen haben aber gerade die arbeitenden Klassen noch ein sehr wesentlihes anderes Interesse an der Baumwollfrage, nämli das Konsumenteninteresse. Sind doch gerade die ärmeren Klassen in threr Kleidung auf billige Baumwollstoffe an- gewiesen. Da anzunehmen {s}, daß die Industrie die Mehrbelastung für ihr Nohmaterial, die, wie erwähnt, im vergangenen ahre 150 Millionen Mark betrug, soweit als mögli auf die Konsumenten abzuwälzen sucht, ist damit unzweifelhaft ein erhebliches Moment für die gegenwärtig allgemein beklagte Berteuerung der Lebenshaltung gegeben. : E

Es sind also außerordentlich große und vielseitige wirtschaftliche und foziale Interessen Deutschlands, die bet der Baumwollfrage in Betracht kommen. Daß in einer Frage von \o weittragendem öffent liden Interesse auch der Staat nicht untätig bleiben fann, dürfte nicht zu bestreiten sein. Tatsächlich wird von allen europäischen Kolonialstaaten das Ziel des unabhängigen Baumwollanbaues auf eigenem fkolonialen Boden in \teigendem Maße von den Negie rungen gefördert. Interessant ift in dieser Beziehung der in den Anlagen zur Denkschrift abgedruckte Schriftwechsel zwischen der British Cotton Growing Afffsociation und den beteiligten b itischen Negierungs8- stellen. Auch die englische, der Staats hilfe für privatwirtschast- lihe Produktion sonst nicht sehr geneigte Negierung hat eingesehen, daß in diesem Falle besondere Verhältnisse vorliegen. Damit wird der Privatinitiative kein Abbruch getan, diese vielmehr nur ergänzt. Die British Cotton Growing Association erfreut fich denn auch zunehmender Unterstüßung aus privaten Mitteln, nament ih seitens der beteiligten Industrie und der in ihr beschäftigten Arbei Sie verfügt bereits über 500000 Pfd. Sterl. Beiträge, wovon 920 000 Pfd. Sterl. von den Arbeitern gezeichnet find.

Gin Vergleich der von England, Deutschland und Frankrei für oas Baumwollver)uhswesen in Afrika bis Ende 1909 aufgebrachten Mittel mit dem bisherigen Ergebnis dieser Kulturversuche, also der tatsächlichen Baumwollproduktion, ergibt folgendes: Mittel find für Baumwollkulturversuhe in Afrika bis zum Schluß des Jahres 1909 aufgebracht worden:

von England . 9,4 Mill. Mark Bela. Ly L 25 Que i. O0 S Als Folge der Kulturversuhe ist bis Ende 1909 die nachstehende Baumwollyroduktion erzielt worden : in englishen Kolonien in Afrika . in deutschen ¿ z 5 4 in französischen ¿ Î I O Le Hieraus ergibt #{, daß die gemachten Aufwendungen bei Deuts ch- land in einem ganz besonders günstigen Verhältnisse zu dem Produktionsergebnis stehen. Wir fönnen also die Hoffnung hegen, daß wir bei einer weiteren Bekämpfung der Baumwollnot dur Produktion auf unserem kolonialen Boden in größerem Maß- stabe und mit größeren Aufwendungen auf dem richtigen Wege sind. Das Programm, das die Kolonialverwaltung hierbei verfolgen will, ist bei der Darstellung der deutshen Kolonten als Produktionsgebiet in der Denkschrift mitgeteilt.

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. 20,1 Mill. Mark

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Eine Unternehmung gegen die Bapeas im Schutßtzgebiet Kamerun.

Unweit von der Nunmündung in den Mbam, den Hauptnebenfluß des Sanaga, berühren sich nicht weniger als fünf Bezirke: von Norden her Bamenda und Dschang, im Osten Jaunde-Joko und von Süden und Westen her Edea und IJabassi. Da nimmt es niht wunder, daß fih in den Schlupfwinkeln der nahen Vapea berge von jeher alle diejenigen Elemente znsammengefunden haben, denen ein Zusammentreffen mit dem Weißen aus irgendwelhen Gründen unerwüns{cht war. Wie aber die Eingeborenennatur stets zur Frech- heit und Uebershäßung neigt, wenn sie die überlegene Macht des Weißen nicht sieht, so beschränken sich au diese Clemente, |obald ibrer mehr geworden, niht mehr auf ihre verborgene Existenz; sie bilden vielmehr durch Uebergriffe aller Art und aufreizende Neden etne fortgesezte Beunruhigung der angrenzenden Bezirks\tamme.

Schon der verstorbene Major Dominik sah sih Ende 1904 ge- zwungen, von Jaunde aus diefen Winkel zu \äubern. Danach herrschte einige Jahre Ruhe. Seit über Fahresfrist aber sind die gleichen Klagen wieder laut und immer dringender geworden, sodaß son der frühere Gouverneur Dr. Sei dem Major Dominik bei setner Wiederautreise im vergangenen Jahre die Abrehnung mit dieser Bande im Interesse der Sicherheit des Landes als erste Maßnahme in Aussicht gestellt hatte. Der Makaaufstand verhinderte Dominik Ein längeres Hinausschteben diejer &xpedtiton aber Tonnte von den Eingeborenen als Schwäche der YHegierung aufgefaßt werde was gerade jeßt nah dem Tode des Majors Dominik vermieden werden muß.

Auf Befehl des Gouverneurs wird daher der Kommandeur del Schußztruppe eine neue Unternehmung gegen die Bapeas durchführen; zu diesem Zwecke ist ein gleichzeitiger Einmarsch in das Bapeagebiet von zwei Seiten her für das leßte Drittel des Februar angeordnet. Von Westen ber soll die sechste (Expeditions Kompagnie von Jaba #si aus auf der Straße nah Kudue vorgehen, während der Kommandeur selbst mit der Jaunde- Kompagnie aus südöstlicher Nichtung in das Bapeagebiet einmarschieren will. Die Dauer der Unternehmung wird bei der relativ geringen Ausdehnung des in Frage kommenden Gebiets auf wenige Wochen berechnet.

daran.

Parlamentarische Nachrichten,

Der Schlußbericht über die vorgestrige Sizung des Hauses

der Abgeordneten befindet sih in der Ersten und Zweiten Beilage.

Jn der heutigen (42.) Sißung des Hauses der Ab geordneten, welher der Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach beiwohnte, nahm vor dem Eintritt in die Tagesordnung

Abg. Graf Henckel von Donnersmarcck (Zentr.) das Wort, um folgendes zu erklären: Der Abg. Leinert hat, was gestern erst zu

meiner Kenntnis gekommen ist, in der Sißung vom 2. März ge- sagt: „Am Alexanderplaß is ein Warenhaus, in das der Graf Henckel von Donner vom Zentrum seine Millionen hinein- gesteckt hat. Da hilft er, das Handwerk und das Kleingewerbe ver- nihten, und hier erklären dann die Parteigenossen des Herrn, fie träten für das Handwerk ein. Ach, Theorie und Praxis gehen beim Zentrum und ganz besonders auf der rechten Seite sehr weit auseinander.“ Ih erkläre, daß an den mich betreffenden Behauptungen fein wahres Wort ist.

Darauf sel das Haus die Beratung des Etats der Bauverwaltung bei dem Kapitel der einmaligen und außerordentlichen Ausgaben fort.

Zu der Forderung von 180 000 6 als 19. Rate für die Nachregul ierung der größeren Ströme bemerk!

Abg. von Kloeden (B. d. L.): Die betden Nheininseln Klein und Große Aue oberhalb von Lorch bieten zurzeit ein wenig erfreuliches Bild. Sie gehören den Weinbergsbesißern Altenkirch und Fendel in Lorch. Die Rheinstrombauverwaltung hat in einem Schreiben vom 4. No vember 1910 an Herrn Fendel anerkannt, daß die in früheren Jahren staat licherseits ausgeführten Ufershußbauten 'niht im Interesse des Insel besißers, Herrn Fendel, sondern allein zur Erhaltung der F straße vorgenommen feten. Trotzdem wehrt sich die Strombauverwc jeßt dagegen, die durch das vorjährige Hochwasser in Verbindung mit den Schlagwellen der großen Schlepp- und Personendampfer hervorgerufenen Abspülungen beträchtliher Teile dieser Inseln wiederherstellen zu lassen, indem sie diese Neparaturen den Sigentümern der Inseln zuschiebt. Angesichts der von der Strombehörde zugegebenen Beschädigung durch die {nell fahrenden Dampfer und der staatlich l Notwendigkeit der Erhaltung besagter Inseln als Barre zur 9 lierung des Fahrwassers is diese Entscheidung böhst anfeckch Dienen die Inseln, wie in den Erlassen des Ministeriums vom 16. Mai 1903 und des Oberpräsidenten der Rheinprovinz vom 4. November 1910 klargestellt is, nur zur Stromregulierung, dann muß der Staat auch vollauf deren Schußbauten übernehmen; dienen sie aber niht zur Negulierung, dann soll der Staat die Hände davon lassen. Auf jeden Fall soll man sih an denjenigen hall der den Schaden verursacht hat, nach Ansicht der Regierung (it die Damypfschiffahrtsgesellshaften, niht aber an die Unglücklichen, die. den Schaden unvers{uldet zu tragen haben, die Inselbesitzer. Die abgespülten Stellen find so lang und breit, wie unsere Prin Albrecht-Straße. Ich bitte den Minister, die erforderliden Repara turen veranlassen zu wollen, da z. V. ein auf der Großen Aue ange- legter Wingert des Herrn Fendel bereits vom Rhein unterspül

Toen beginnt. Die Sache ist auch von allgemeinem Intere}

6, auf das man si beruft, um die Besitzer der Inseln

entstammt einer Zeit, in der kleinere Holzschiffe u

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ahrende Dampfer den Nhein befuhren. also dringend einer Nevision. Es Leute, folche gibt es bis auf wenige Standesherren un im Nheingau überhaupt niht. Winzer und Weingutsbesißze1 Notstand gleihmäßig hart betroffen. Deshalb bitte ich d dringend, im Interesse der Winzer sowohl wie der Strombauve1 tung selbst die Wiederherstellungsarbeiten an den beiden In! die Hand zu nehmen.

Geheimer Oberbaurat Noeder erkennt eine gewisse des Staates, den entstandenen Schaden zu erseßen, wohlwollende Prüfung zu.

Abg. Graf Clairon d'Haussonville (kons.) bittet,

Z/M

andelt fich hier nicht

Bau des Kanals Leipzig—Halle die preußishen Interessen behalten.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenl| bestrebt, nah Möglichkeit diesen Wunsch zu erfüllen.

Abg. E cker-Winsen (nl.) wünscht Verbesserung der verhältnisse bei Lüneburg.

Geheimer Regierungsrat Dr. Tull sagt Prüfuug zu.

Abg. Lüdi cke (freikons.) äußert sfih über die Schiffahrtsverhäl! nisse bei Spandau.

(Schluß des Blattes.)

Kunft und Wissenschaft. Den vierten und leßten Vortrag in jener Vortragsreihe, die einige Berliner Universitätéprofessoren für wissenschaftliche Zwecke und zur Förderung der Bestrebungen der „Vereinigung der Freunde der Universität“ in der neuen Aula veranstalteten, hielt gestern mittag der Wirkliche Geheime Rat, Professor Dr. von Wilamowit M oellendorff über das Thema „Odysseus und Penelope“ Einleitend wies der Nedner darauf hin, wie der Kern der uns üb Homerischen Odyssee, gleihsam die dramatishe Novelle ; ein in der Literatur häufig wiederkehrendes Motiv sei: die von ibrem in die Welt hinausziehenden Gatten zurückgelassene Frau und ibr endlihes Wiedersehen nah manchen Fährlichkeiten ein Motiv, das in der Odvssee, wie auch sonst öfter, in der Treue der Frau gîpfele, vährend andere Dichter die Frau die Treue brechen lassen, wie unter den Modernen Tennyson im „Enoch Arden“ und Maupafsant im „Schiffer“. Geheimrat von Wilamowiy erzählte nun kurz und {lit den Inhalt der Odysseenovelle, um dann darauf aufmerksam z machen, daß sie in der uns überlieferten Form manheUnstimmigkeiten e1 halte. So berühre es den Leser wundersam, daß der zum Jüngling herangewachsene Telemach, der nach griehischem Necht Vormund seine! Mutter gewesen wäre, diese in keiner Weise gegen den ÜUebermut der Freter \hüße. Auch der Dichter habe dasfelbe Gefühl agechabt und Telemach daher einige Zeit aus Ithaka entfernt. Ebenso auffältg das Verhalten des Laërtes, der auf seinem Altenteil ruhig und iflig seine Obstbäume pflege, ohne der bedrängten Schwiegertcchter zu u ommen. Freilih sei das im übrigen dichterisch äußerst anmutige Laërtes-Idyll im leßten Gesange der Odysscee wohl ein späterer Zusaß. Aber auch die Gestalt des trage bei näherem Zusehen manches Auffällige. So sei sein alter Bogen und seine Meisterschaft mit dieser Waffe auffällig, denn der Bogen wurde von griehischen Kämpfern nicht geführt, wie ihn denn auc in der Ilias kein griechischer Krieger handhabt; er war vielmehr der barbarischen Kreter und Perser. Aber wie dem aud) sei, jedenfalls war die Persönlichkeit des Odysseus aus der Ilias der trojanise Krieg, wie er dort geschildert wird, wäre ohne den Odysseus in seinem ganzen Verlauf undenkbar; ebenso wird {on in der Ilias Laërtes als des Odysseus Nater und Ithaka als seine Heimat genannt. Wie aber teht es mit Penelopye? Die JIlias kennt sie nicht und avch in manchen Teilen der Odyssee verschwindet sie aus dem Ge idtsfreis des Lesers, wie sie dem Gedächtnis des Odysseus ent: \{wundeñ zu sein scheint. Man hat ihr durch die Deutung ihres Namens, der so viel wie „wilde Ente“ besagt, näher zu kommen ver \ucht, aber ohne Erfolg. Man hat sich dabei in Erinnerung an Kastor und Pollux, die die Sage aus einem Ei entstehen läßt, aud bei der Suche nah der Herkunft der Penelope, der „Wild ente“, in die Urgründe der grichischen Volksmythologie verloren, obne zu einem Ziel zu gelangen. Sind doch auch die mythologischen Erklärungen der Persönlichkeit des Odysseus fehl- geschlagen. Liegt nun seiner Gestalt eine ac;hichtliche Persönlichkeit zugrunde? Wohl möglich. Was wir aber von dieser etwaigen ge\chichtlihen Persönlichkeit wissen, ist auf die Kunde der Jlias be \chränkt: er war des Laërtes Sohn und stammte aus Ithaka. Die Wissenschaft kommt in dieser Frage zu keinem genaueren Ergebnis, wie fie denn überhaupt auf allen Forschung8gebteten, wenn fie nur weit genug vordringt, auf Schranken #tößt, die etnstweilen unübersteigbar sind. Man kann hoffen, daß es späteren Forschern vielleicht gelingen wird, über sie hinwegzukommen; unter ihnen hindurhzukriecen, ist aber jedenfalls niht erlaubt. Und doch hat man es au gegenüber den Schranken, die in der homerishen Frage aufgerichtet sind, vielfach

S DON eus

eine Xasfe

fest überliefert ;

versucht. So hat man die Irrfahrten des Odysseus geographisch fest- zulegen, gleihsam seine Neiseroute festzuseßen unternommen. Da war zunächst sein Aufenthalt bei den Phäaken. Dieses Abenteuer des Bielumhergetriebenen deutet zurück auf die uralten Vorstellungen von einem Jenseits, in dem über weite Einöden ein König der Schatten herrs{cht, die dort ‘trostlos über die unwirtlihen Steppen irren. Der König dieses düsteren Jenseits war aber wiederum abhängig von einer schemenhaften uralten Göttin, mit deren Grlaubnis allein er einem Abgeschiedenen erlauben konnte, zu den Menschen zurüzukehren. Dieser düstere Mythos ist nun in der Odyssee erhellt, veransdauliht und aufs lieblihste dihterisch durch- leuchtet, wie alles, was in das verklärende Licht der tionischen Poesie trat. Das ferne Schattenland, das man si in den Steppen nördli vom Schwarzen Meer vorstellte, ist in das Land der Phâäaken ver- wandelt, an Stelle des düsteren Königs der Geister ist der wackere, gastfreie Alkinoos getreten, dessen Töchterchen Nausikaa dem gölt- lihen Dulder den Rat gibt, sich nur zuerst an die im Hause schaltende Mutter wegen dec Heimkehr zu wenden, dann werde der Vater seine Bitte uicht abschlagen. Bei der geograyhischen Be- stimmung dieses Phâäakenlandes seßten die Bemühungen der Deuter bald ein. Die Griechen selbst verlegten es nach dem benachbarten Korfu. Als dann die Nômer in Griechenland zur Herrschaft gelangten, fanden sich bald griehishe Schmeichler, die auf Sizilien als den Ort jenes freundlichen Abenteuers hinwiesen. Als zur Kaiserzeit der Norden befannt geworden war, wurde der Ort der Handlung nah der Rhein- mündung verlegt, und Tacitus weiß sogar zu berihten, daß dort ficher deutbare Jnschristen über den Vorfall aufgefunden seien. Aehnlich erging es der Oertlichkeit, an der Polyphem gehaust haben sfollte, die ein findiger Thebaner unserer Tage \schließlich nah Südafrika verlegte, indem r den in den Sagen vieler Völker wiederkehrenden einäugigen Riesen jorilla“ deutete. Der Vortragende wandte sih entschieden en derartige acographische Festlegungen und Deutungsversuche, wie er u mit Nachdruck gegen die Folgerungen aussprach, die man aus Sräberfunden ziehe, die an den in den homerishen Dichtungen angegebenen oder aus ihnen hergeleiteten Oertlichkeiten gemacht find. Natürlich ( den Stätten alter Siedlungen auch alte Gräber und benenfalls menschliches \ Hätten diese alten, aren Gerippye aber irgend einen Wert für uns und ebensvolle bomerische Dichtung? Herr von Wilamowitz Bersen Schillers: i [lles wiederholt fih nur im Leben, \ig jung ist nur die Fantasie. ) ih nie und nirgends hat begeben, Das allein veraltet nie! r\chaft, die die Aula und ihre Emporen bis auf den leßten war dem Vortrag mit großer Aufmerksamkeit gefolgt. es der leßte in der vorgesehenen Reihe. Das große 1s diese Vorträge gefunden haben, führt hoffentlich dazu 7 ol Aa h »F

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L, DTCNYevein. (

lbteilung der Bildwerke christlicher Epochen des Kaiser

ifeums hat eine Reihe von K 1 bronzen als Geschenk

r die der Generaldirektor Bode im Märzheft der

Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen“ Mitteilungen

i der Reichhaltigkeit der Berliner Sammlung an Bronzen und

guter Arbeiten auf dem Markt und ihren hohen

l Neuerwerbungen nur selten. So hat sich der Bestand Vlakettensammlung von rund 1400 verschiedenen Täfelchen leßten zwei Jahren nur um etwa ein Dußend vermehrt. Unter den erwähnten Geschenken befindet si Bacchantinfigur, deren eigentümliche, zierlihe Gewandparallel- ufgebauschtes Obergewand und Haarbehandlung an Agostino

Ouccio erinnern, dessen Zeit und Richtung die Arbeit jedenfalls Das Motiv cheint einem antiken Sarkophag entlehnt zu

ei Von dem Parmenser Gian Francesco Enzola besaß die Sammlung bereits neun Stücke; jeßt sind zu diesen zwei weitere hinzugekommen, nämlih der Bleiabshlag der Nückseite einer Medaille musizierenden Putten (1467) fowie der Bronzeausguß Siegelstempels des Bischofs von Siponto. Oer Siegel und Stempel zeigt deutlich, daß Enzola von 1s aus Stemyelshneider war; augenscheinlih i} seine Kunst von Donatellos in Padua stark beeinflußt worden. Eine merk- größere Plakette is etwa gleihzeitig in Nom entstanden,

da die zablreihen Einzelmotive römisher Kampfszenen den Dar- stelunaen an der Trajans\äule entlehnt find. Freilich ganz frei, sodaß nur der allgemeine Charakter der gleiche geblieben ist. Der Pun steht dem Filarete nahe, der ähnliche kleine Darstellungen

lei! I:

mit vter eines ovalen

til der

at n Einrahmungen der Peterstüren angebracht hat. Eine Florentiner Plakette, die eine Darstellung der Madonna mit dem leinen Fohannes trägt, stammt aus der ersten Zeit des Cinquecento ; zeigt noch den Neiz späterer Arbeiten eines Majano oder Civitale ; ceinlid handelt es fich bei solhen Stücken um Abgüsse oder

von Silberarbeiten oder Arbeiten in Halbedel-

Eine darakteristishe größere Plakette des Valerio

von der bisher nur dieses eine Exemplar annt ift,

zeigt in ovaler Form eine Götterversammlung. 18 wertvollste Ztück unter den Neuerwerbungen ist aber ;lakette des Dogen Francesco Foscari, der 1457 im Alter v ahren abgeseßt de und bald darauf starb. Das Bildnis zeigt ihn zwar. als ge- rten Mann mit tiefgefurchten Zügen, aber doch noch energisch und fris, sodaß man es in die Mitte des hunderts oder wenig n kann. Die meisterhaft gearbeitete Plaïette, deren

Eindruck durch die prachtvolle gehoben wird, hat wahrscheinlich einem dekorativen fe gedient; vielleicht Me 1 Möbel, einem Rahmen oder dergleichen

war sie in einem Einige eigentlihe Medaillen verdankt die Abteilung

fruher anleBe

DerWendel, L Herrn James Simon, der sie der Medaillensammlung des Kaiser Friedrich-Museums zugewiesen hat. 58 find zwei Bleimodelle, von denen die Medaillen noch nicht ausgeführ oder doch nicht be kannt Rind. Die eine zeigt das duelle Selbstbildnis des Malers KSrancesco Francia, die andere einen Mönchskopf und Uf der Rückseite bild Christi, das dem altbyzantinishen Kameo er Peterskirhe náh- gebildet ist. Der Kopf | die Mönchsbilder vom SZavonarola, seiner Anhänger und Gegner m Niccolo Forzore Wahrscheinlich rühren auch diese beiden Plaketten Etne dritte, kleinere Bleimedaille, die nah ihrer In-

| an. Mrziglod und seine Gemahlin darstellt und von

1561 d t, weist auf etnen Nürnberger Medailleur hin. Deutscher Herkunft sind auch einige größere Bronzeplaketten des 15. Jahrhunderts, die Darstellungen des Marientodes, des Velbergs und des Abend-

mahbls tragen.

nor or R zuaelWrteben werden.

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{chrift

Fn der hiesigen amerikanishen Botschaft überreichte gestern nah- mittag der Botschafter Hill mit einer Ansprache dem Göttinger Geographen, Professor Hermann Wagner im Auftrage der National Geographical f America die Cullums Medaille für seine Verdienste um die geographishe Wissenschaft. Der Feier wohnten, „W. T. B." , auch der Direktor im Reichsamt des Innern Dr. Lewald, der Vorsißende der Geographischen Gesellshaft, Geheimer Regierungsrat, Professor Dr. Penk und der Bruder des Ausgezeihneten, der Wirkliche Geheime Rat, Professor Or. Adolf Wagner bei.

Society (

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Die Generalversammlung des Deutschen Zentral- kfomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose findet am 10. Juni im Reichstagshause statt. Im Anschluß daran wird die Tuberkuloseärzte-Versammlung in diesem Jahre mit Rücksicht auf die Internationale Hygieneausstellung am 12. und 13. Juni nah Dresden einberufen werden.