verboten: Personen, von denen zu. befürchten ift, daß sie der öffent- lichen oder privaten Wokhbltätigkeit zur Last fallen werden, Geistes- kranken und JIdioten, Personen, die an einer gefährlichen oder ekel- erregenden ansteckenden Krankheit leiden, Personen; die wegen eines (nicht politischen) Verbrechens mit einer Fretheits\trafe von einem Jahre oder von längerer Dauer bestraft worden find und diese noch nicht ver- büßt haben, Prostituierten oder Personen, die von der Proftitution leben. erboten ist ferner die Einwanderung solchen Perfonen, die nicht imstande sind, fünfzig Worte in ciner von dem zuständigen Beamten bezeich- neten, beliebigen Sprahe nach Diktat niederzuschreiben (og. dictation test) N
Personen, die entgegen den geseßlihen Vorschriften in das Bundesgebiet eingewandert sind, werden mit Gefängnis bis zu ses Monaten bestraft und außer Landes gebracht (deportiert). Auf De- portation kann auch ohne gleichzeitige Verurteilung zu einer Fretheits strafe erkannt werden. i
Auh der Führer, Eigentümer, Agent und G harterer eines Schiffes, auf dem derartige „unerwünschte®“ Einwanderer in das Bundesgebiet gekommen sind, unterliegen der Bestrafung, und zwar ist für jede Person, die dem Geseße zuwider das Bundesgebtet be- reten hat, eine Geldstrafe von 100 Pfd. Sterl. angedroht. Die Be- strafung tritt auch dann ein, wenn der unerwünschte Einwanderer als Neberschmuggler (stow-away) gelandet ist.
Eingewanderte nicht britishe Personen, die wegen einer gegen eine Person verübten Gewalttätigkeit bestraft worden sind, haben fich nach Verbüßung der Strafe der Sprachenprüfung zu unterziehen und werden im Falle des Nichtbestehens als unerwünshte Einwanderer be handelt und deportiert. :
Nach der „Contract Immigrants Act 1909" ist Handarbeitern, die auf Grund eines Arbeitsvertrags im Bundesgebiete landen wollen, die Einwanderung nur dann erlaubt, wenn sie mit einem in Australien wobnenden Arbeitgeber einen \criftlichen Vertrag, der vom Minister der auswärtigen Angelegenheiten genehmigt ift, abgesc{chlossen haben. Der Minister darf solchen Verträgen nur dann die Genehmigung er- teilen, wenn nach seiner Ansicht de1 Vertrag nicht mili Nücksicht auf einen Arbeiteraus\tand in Australien ges{lossen worden ift, ferner wenn es \{chwierig ist, in Australien Arbeiter von gleicher Fertigkeit und Fäbigkeit zu bekommen und endlih wenn die dem einzuführenden Arbeiter im Vertrage zugestandenen Löhne und fonstigen Bor- teile den in Australien üblichen Sägen ent|prechen. Wandert ein Gontraftarbeiter vor und ohne Erteilung der ministeriellen Genehmi- gung ein, so ist der Vertrag nichtig; sowohl er wie der Arbeitgeber ind zu Geldstrafen zu verurteilen.
; Während nach den bisherigen Bestimmungen jeder Einwanderer innerbalb eines Jahres nach seiner Landung im Bundes8gebiete der Sprachenprüfung “ unterworfen werden konnte, ist die Frist für die Prüfung durch die M j A Fabre ausgedehnt worden. Neu ist ferner die Bestimmu1 falls gegen eine Person wegen Nichtbestehens der Spra
auf Grund des Cinwanderungs8geseßes vorgegangen werden soll, die Behauptung der verfolgenden Einwanderungsbehörde, daß die be- \{uldigte Person Einwanderer und innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren vor dem Nichtbesiehen der Sprachenprüfung gelandet fei, bis zum Beweise des Gegenteils als wahr angenommen werden soll.
Nach dem neuen Geseß wird auch jeder Neberschmuggler, der in einem australischen Hafen an Bord eines Schiffes gelandet ist, fo lange als „unerwünschter“ Einwanderer behandelt, als nicht nachgewiesen ist, daß er die Sprachenprüfung abgelegt oder von der Ein- wanderungsbehörde die unbeschränkte Erlaubnis zur Landung er- halten hat.
Durch das Gesetz von 1910 ist ferner folgendes bestimmt:
A. Wenn ih an Bord eines Schiffes, das, von einem nicht- australisden Hafen kommend, einen australischen Hafen anläuft, eine Person befindet, die niht zur eingetragenen Besatzung des Schiffes gehört oder die nicht ein „bona fide” Passagier ist, so soll diese als Ueberschmuggler angesehen werden, wenn nicht der Schiffsführer der Einwanderungsbehörde von der Anwesenheit der Person Meldung? er- stattet und sie nicht so lange an der Landung hindert, bis die Ein- wanderungsbehörde Gelegenheit gehabt hat, zu prüfen, ob die Person zu den „unerwünschten“ Einwanderern zu rechnen ist.
B. Wer mittelbar oder unmittelbar dabei betroffen wird, daß er a. einen Einwanderer unter Umständen in das Bundesgebiet bringt, die die Vermutung nahe legen, daß der Einwanderer heimlich oder obne Kenntnis der Cinwanderungsbehörde landen will, oder b. einen Finwanderer in der Absicht verbirgt, damtt er heimlich oder ohne Kenntnis der Einwanderungsbehörde landen kann, oder e. einen Ein- wanderer in der Absicht verborgen hat, seine Entdeckung durch die Einwanderungsbehörde zu vereiteln, wird wegen Vergehens gegen das Einwanderungsgeseß mit einer Geldstrafe von 100 Pfd. Sterl. oder mit [echs Monaten Gefängnis oder mit beiden. Strafen zugleich bedroht.
C. Wer im Bundesgebiet ankommt und a. ohne rehtsgültige Entschuldigung, deren Beweislast ihm obliegt, einen falschen Staats- angehörigkeitsnahweis oder eine falsche Geburtsurkunde in feinem Besiß hat, oder þ. fälschlich der Einwanderungsbehörde gegenüber behauytet, er sei die in einem Staatsangehörigkeitsnahweis oder in einer Geburtsurfunde bezeichnete Person, oder c. der (Finwanderungs behörde einen Staatsangehörtgkeitsnahweis oder eine Geburtsurkunde in der Absicht vorweist, sie zu täuschen, wird wegen Vergehens gegen das Einwanderungsgeseß mit einer Geldstrafe von 100 Pfd, Sterl. oder mit 6 Monaten Gefängnis bedroht.
1). Die australishen Einwanderungsbeamten haben auf die be gründete Vermutung hin, daß sich in einem Schiff oder einem jonstigen Fahrzeug ein „unerwüns{hter“ Einwanderer befindet, die Befugnis, das Schiff oder Fahrzeug anzuhalten und zu durchsuchen. Ferner dürfen diese Beamten auf die begründete Vermutung hin, daß ih in einem Grundstücke, Gebäude oder fonstigen Naum ein „un erwünschter“ Einwanderer befindet, zu jeder angemessenen Tageszeit das Grundstück, das Gebäude oder den sonstigen Naum betreten, diese durch{suchen und sih vergewissern, ob sih eine Perfon der gedachten Art darin befindet.
1g, wonach, henprüfung
[mmigration Restriction Act 1910 auf zwei
\ {
Vayern.
Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent hat, „W. T. B.“ zufolge, aus Anlaß seines bevorstehenden 90. Ge burtsfestes seinen UÜrenkel, Seine Königliche Hoheit den Prinzen Luitpold von Bayern, zum Leutnant à la suite des ersten Feldartillerieregiments Prinz-Regent Luitpold und Seine Königliche Hoheit den Herzog von Calabrien zum Jnhaber des sechsten Feldartillerieregiments ernannt, das fortan die Benennung Sechstes Feldartillerie Negiment Prinz Ferdinand von Bourbon Herzog von Calabrien führt, ferner den General der Kavallerie z. D. von Xylander zum Generalobersten der Kavallerie befördert und einer größeren Anzahl von Offizieren und Sanitätsoffizieren, die an den Feldzügen teilgenommen haben, aber aus dem aktiven Dienst bereits ausgeschieden sind, den Charakter einer höheren Charge verliehen. Den Ministern von Miltner, von Wehner, von Frauendorfer und von Bret treich hat Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent als Erinnerungs gabe an seinen 90. Geburtstag eine Plafette mit seinem Bilde in Silber überreichen lassen und weitere Auszeichnungen an die obersten Hofchargen verliehen.
Aus dem gleichen Anlaß hat Seine Königliche Hoheit den beiden seinen Namen tragenden Feldartillerieregimentern, dem ersten und dem siebenten, zu den bereits früher von ihm ge machten NRegimentsstiftungen je 25 000 46, dem Verbande der Prinz-Regent Luitpold-Kanoniere in München 4000 #4 und dem Verein ehemaliger Prinz-Regent Luitpold-Kanoniere in Augsburg 1000 /6 überwiesen.
— Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent Luitpold hat an den Kultusminister von Wehner, „W. T. B.“ zufolge, nachstehendes Handschreiben gerichtet:
Mein hohes und rüsttges Alter danke ih nächst Gott vor allem der Kräftigung und Stählung meines Körpers von früher Jugend auf. Es ist mein Wunsch, daß der reiche Segen, der aus der körper- lichen Ausbildung erblüht, auch der Jugend meines Landes zuteil werde. Um in dieser Hinsicht die bereits bestehenden Cin- ridtungen in wirksamer Weise zu unterstützen, bestimme ich, daß an dèn Miltelshulen alljährlich zur Abhaltung eines Schulfestes im Sommerhalbjahr ein Tag vom Unterricht freigegeben werde, an dem der Erfolg der körperlichen Ausbildung dur öffentliche Turnvorführungen und Turnwettspiele dargetan werden soll. Zugleich stifte ih für jeden Ort, an dem sich eine oder mehrere Mittelschulen befinden, eine Medaille, die je für ein Jahr als Ehrenpreis derjenigen Anstalt oder Anstalisklasse zufallen soll, die bei diesem Schulfest Siegerin in den turnerishen Vorführungen oder den Wettspielen ge- worden ist
Sachsen-Weimar.
Der Landtag genehmigte, wie „W. T. B.“ meldet, mn seiner gestrigen Sißung einstimmig den Staatsvertrag wegen Errichtung eines gemeinschaftlichen thüringischen Dber- verwaltungsgerichts. Hierbei wurde der Wunsch aus gesprochen, daß es gelingen möge, sämtliche thüringischen Staaten zum Beitritt zu diesem Staalsvertrag zu bewegen.
Frankreich.
Im Senat und in der Deputiertenkammer ist gestern die Programmerklärung des neuen Kabinetts verlesen worden, in der es, „W. T. B.“ zufolge, heißt:
Unveränderlih" wie die großen Interessen, auf denen fie beruht, wird unsere auswärtige Politik dafür Sorge tragen, unsere Allianz und unsere Ententen zu pflegen, die es Frankreid) bereits gestattet haben, wirksam zur Erhaltung des Friedens beizutragen. Da wir von denselben Empfindungen gekragen werden, die die Regierungen der anderen Mächte beseelen, und da wir, wie sie, in einer zuverlässigen militäriswen Organisation etne der wichtigsten Friedensgarantien erbliden, werden wir unsere Streitkräfte zu Lande und zu Wasser zum Gegenstand unserer besonderen Fürsorge mahen. Was die innere P olitik an- velangt, so ist die Regierung ents{lossen, alle republikanischen Gr rungenschaften zu behaupten, in ihrer Entwicklung fortzufahren und ihr Vorgehen zu konzentrieren, um eine größere Wirksamkeit zu erzielen. Das Kabinett wird im Senat die Hauptzüge des in der Kammer angenommenen Einkommensteuerentwurfs vertreten und das Wahlgeseß {nell zur Abstimmung bringen, wobei sie den Entwurf in der Kom- missionsfassung zur Grundlage der Debatte machen wird. Die Negie rung wird ferner die Abstimmung über das Budget beschleunigen und unmittelbar darauf die Vorlage zur Unterdbrücckung der Sabotage und des eigenmächtigen Verlassens des Dienstes zur Abstimmung bringen, sowie die Vorlage, die dem Penfionsgefeß der Cisenbahnbeamten rückwirkende Kraft verleiht, ebenso die Vorlagen, betreffend Kollektivverträge und das Statut für die Beamten und die Arbeiter der Staats bahn sowie das Vermittlungs- und Schiedsgerichtsverfahren. Das Kabinett wird mit Güte und Duldsamkeit die Berwaltung der Staatsbahnen leiten, die bereits den größten Teil ihrer wegen Ver- gehens während des Ausstandes gemaßregelten Leute wieder angestellt haben. Sie wird die Prüfung der Akten fortseßen und diejenigen ausschließen, diè die Gerichte wegen gewalttätiger Handlungen oder anar(istiher Unitriebe bestraft hatten) Sie wird die An- wendung dieses Systems auch von den Eisfenbahngesell- schaften fordern, deren Verträge rach gegenseitiger Vereinbarung einer Revision unterzogen werden können, um eine Verbesserung des Verkehrs sicher zu stellen, ohne den Aktionären zu haden. Die Ne- gierung wird sih bemühen, die Anwendung des Arbeiterversicherungs- geseßes vom 3. Juli durhzusezen. Sie wird endlich ohne Schwäche, aber au ohne Härte die Geseße über die Kongregationen und über die Trennung der Kirhe vom Staate zur Anwendung bringen, die Latenshulen vor Angriffen {üßen und das Werk der Nerwe!tlihung der S(ulen verteidigen, nötigenfalls durch neue Geseye.
Bei der Verlesung der ministeriellen Erklärung in der Deputiertenkammer nahm das Zentrum den Passus über die Einkommensteuer mit Hohnlachen auf, während die Linke lebhaft applaudierte. Die Versicherung der Regierung, daß die Aktionäre der Eisenbahnen keine Einbuße erfahren sollten, wurde ebenfalls seitens der Rechten und des Zentrums mil Hohnrufen begrüßt. Der Ankündigung neuer Geseße gegen die Kongregationen zollte die Linke Beifall. Bei der Erklärung über die auswärtigen Beziehungen wurden allgemeine Beifalls- äußerungen laut.
Fim weiteren Verlauf der Sißung in ierte der konservative Abg. Dela haye, wie „W. T. B.” mel über die Zusammen setzung des Kabinetts und erklärte, nad) dem Schreiben Briands an den Präsidenten Fallières, das in Wahrheit eine Botschaft an die Nation bedeute, sei das Parlament in Mißkredit gekommen und die Republik habe fich überlebt. Beweis dafür fei der verfassungs- widrige Druck, der von der Minorität unter Mitwirkung des Präsidenten der Republik auf die Mehrheii ausgeübt worden sei. Der Nedner fkritisierte sodann die Wahl jedes einzelnen neuen Ministers. - rx Abg. Berard (demokratische Linke) fragte, ob die Negierung die Mitarbeit der Sozialisten und also auch die Mitarbeit des Allgemeinen Arbeitsverbandes annehme. C olly (geeinigter Sozialist) sprach die Befürchtung aus, daß die entlassenen Eisenbahner niht wieder angestellt werden würden.
Der Abg. Sembat (geeinigter Sozialisi) tadelte Monis, weil er nicht dieselbe Sprache führe, wie sie Combes geführt haben würde. Der Ministerpräsident täushe \sich, wenn er glaube, alle
u können. — Der Abg. Beauregard (Progressist) gab der Ansicht Auedruck, daß das Ministerium mehr nach rechts neigen werde das Kabinett Briand. Das jetzige Kabinett sei entgegen den Grundsäßen der Berfassung gebildet worden. -—— Nach- dem noch Charles Benoist um eine bestimmte Erklärung über die Wahlreform gebeten hatte, ergriff der Ministerpräsident Monis das. Wort Und führte aus, er wünshe - ¡ede zweideutige Auffassung über die Politik der Regierung zu | zerstreuen. Die Tatsache, daß die frühere Regierung nach einem Siege demissioniert habe, habe einige Verwirrung hervorgerufen. Eine Krise von dieser Art gebe keine genauen Fingerzeige. Die republikanishe Mehrheit liege zwischen denen, die die republifanischen Institutionen hassen (der Ministerpräsident zeigte auf die Rechte), und denen, die die Gewalt wollen (er deutete auf die äußerste Linke). Der Ministerpräsident ecklärte weiter, er werde die entlassenen Eisen- babner wieder anstellen, indem er die Gefühle der Menschlichkeit mit der Sorge um das nationale Wohl verbinden wolle, und werde im Senat die Steuerreform zur Erledigung bringen. Er be- tonte \cließlih, daß er mit der Beratung der Wahlreform auf der Grundlage des in der Kommission der Deputiertenkammer ausge- arbeiteten Entwurfs einverstanden sei. Da Briand das Bertrauen der Kammer verloren habe, so könne man dem neuen Kabinett nicht vorwerfen, es habe dasselbe Programm wie er. Nach einer Antwort von Charles Benoist wurde die Diskussion geschlossen.
Die Kammer nahm schließlich mit 309 gegen 114 Stimmen eine Tagesordnung an, in der der Regierung das Ver trauen ausgesprochen wird. Die Mehrheit bestand aus einem Progressisten, 30 unabhängigen Sozialisten, 44 Ange-
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hörigen der demokratischen Linken, 93 der radikalen Linken
und 141 Sozialistisch-Radikalen; die Minderheit aus 18 An- gehörigen der Rechten, 26 Mitgliedern der action libérale, 10 Unabhängigen, 57 Progressisten, einem Angehörigen der demokratischen Linken, einem Sozialistish-Radikalen und einem unabhängigen Sozialisten. Der Abstimmung enthalten haben sich 2 Mitglieder der action libérále, 5 Unabhängige, 15 Progressisten, 21 Angehörige der demokratishen Linken, 12 der radifalen Linken, 1 Sozialistisch-Radikaler, 1 unabhängiger Sozialist und 70 geeinigte Sozialisten.
Im Senat wurde ‘die ministerielle Erklärung vom Justizminister unter dem Beifall der Linken und Protestrufen der Nechten verlesen. Der Konservative Gaudin de Villaine kündigte an, daß er die Regierung über die auswärtige Politik sowie über den gegenwärtigen Stand der diplomatischen Be- ziehungen Frankreichs interpellieren wolle.
Nufß;land.
In der Reichsduma stand gestern die erste Beratung des Staatsbudgets für 1911 auf der Tagesordnung. Die Vorlage des Finanzministers sieht einen Uebershuß von 1276384 N vor. N den Veri! der QUOger fommission balancieren die Gesamteinnahmen und Gesamt- ausgaben mit 2712100 100 Rbl., wobei die Einnahmen die Ausgaben um 43 400 000 Rbl. übersteigen. Die Kommission \{lägt vor, den Ueberschuß zur Tilgung von Staatsschulden zu verwenden. Die für das laufende Jahr erwarteten ordent- lichen Einnahmen übersteigen die ordentlichen Ausgaben um 178 Millionen.
Wie „W. T. B." meldet, konstatierte der Berichterstatter Abg. Alerejenko in seinem Kommissionsbericht beim GCtat für das Kriegs ministerium, daß dieses Ministerium bei den Kreditforderungen obne feststehenden Plan gehandelt habe, vom vorgezeichneten Programm abgewichen sei und die Kredite nicht bestirnmungs8gemäß verwendet habe. Das erkläre sh wohl durch die enorme Arbeit der Neorganlî- sation der Armee, immerhin sei das Vorgehen der Verwaltung inkorreft.
Zu Beginn der Nachmittagssizung ergriff der Finanz- minister Kokowßow das Wort und führte in zweistündiger Nede aus:
Seit 1909 würden sämtliche Staatsbedürfnisse niht nur ohne Anlcibe aus den ordentlichen Cinnahmen gedeckt, vielmehr ergäben die Gesamteinnahmen jährlich cinen UeberschGuß gegenüber den Gesamit- ausgaben. Diese Gegenüberstellung rehtfertige keineëwegs den üblichen Pessimismus sowie die ewigen Hinweise auf die un- befciedigenden finanziellen Zustände Nußlands. Der Minister verglich darauf den Vorans(lag für 1911 mit dem Etat des Vorjahrs und wies darauf hin, daß ein solher Vergleih große Beruhigung hin- nichtlih der Nichtigkeit der Berehnung der Einnahmen bringen müsse. Auch das Ausgabebudget müsse das Gefühl vollster Befriedigung hervorrufen. Vom Jahre 1907 bis 1911 seien die Ausgaben für fulturelle Zwecke von 229 auf 368 Millionen Nubel angewachsen, das sei eine Zunahme in vier Jahren um 61 9/9, während die Aus- gaben der allgemeinen staatlichen Verwaltung und für die Landes- verteidigung nur um 15,6 9/6 gestiegen seien. Indem er weiter die Gesamtziffern dex Budgets der vier vorhergehenden Jahre und das Budget für 1911 mit demjenigen von 1908 verglih, das zu den pessimistishen Prophezeiungen Anlaß gegeben hatte, fonstatierte der Minister, daß man nicht von einem Anwachsen der Staats- bedürfnisse reden könne, und es li-ge kein Grund vor, von einer Steuerermüdung zu \prehen. Zur Frage des freien Barbestandes, dieses etigenartigen und der Mehrzahl der westeuropäishen Budgets unbekannten Teiles des Etats, übergehend, erklärte der Finanzminijter, daß dieser Teil keineswegs einen Nachteil, sondern sogar einen großen Vorzug des russishen Budgets bilde. Gegenwärtig sei dieser freie Geldbestand, der bis zum Kriegsjahre auf 381 Millionen angewachsen vnd an dessen Stelle im Jahre 1906 ein Defizit von 158 Millionen Nubel getreten sei, abermals auf 325 bis 330 Millionen ge stiegen. Dieser freie Geldbestand müsse als Hilfsquelle in \chweren Zeiten des Staatslebens dienen und einer Ber- größerung der Staatss{hulden vorbeugen. Der Staat, der im Nerlaufe dreier Jahre seine Schulden um drei Vtilliarden vermehrt habe, müsse bis zum äußersten sih weiterer Anleihen enthalten. Mit der Budgetkommission stimme er darin überein, daß es wünschenswert sei, vor Ablauf des Termins einen Teil der Staatsanleihen zu amor- tisieren. Notwendig sei es, für wenigstens hundert Millionen Rubel während des Kriegsjahres ausgegebene vierprozentige Staats\chaßtz- cheine dem Umlaufe zu entziehen. Bei Besprechung der wirtschaft liden Seite des Budgets wies der Minister auf die stetig wachsende Bewertung der russishen Papiere sowie auf den Ueberfluß an Geldmitteln und den niedrigen Diskontsay hin. Bis Ende 1910 sei eine große Entwicklung der afttiven Dpera- tionen der Staats- und Privatbanken eingetreten. Nußland chreite uf dem Wege der Festigung des Geldsy\items immer weiter fort. Die Goldvorräte übertcäfen das Emissionsgeseß von 1897 um die Summe von 550 Millionen und erreihten den Betrag von 1 §10 009 000 Rubel. Der Geldumlauf sei im Verlaufe zweier Fahre um die Summe von 241 Millionen angewachsen, davon habe fich der Goldumlauf um 81 Millionen vergrößert. Am Schluß seiner Rede wies der Finanzminister darauf hin, daß die Finanzpolitik, die sich die Wahrung des Gleichgewichts des Budgets zur Aufgabe gestellt habe, die einzige Politik sei, die man eine richtige nennen dürfe, und die Nußland auf den Weg der Festigung und des Gedeihens führen könne.
Spanien.
Der Senat und die Kammer haben gestern ihre Arbeiten wieder aufgenommen. Der Ministerpräsident Canalejas fün digte, „W. T. B.“ zufolge, an, daß er der Kammer, die den Grafen Romanones einstimmig zum Präsidenten wiedergewählt hat, demnächst einen Gesetzentwurf zugehen lassen werde, der eine Abänderung der Bestimmungen über die parlamenta rische Immunität enthält.
Türkei.
Jn der Deputiertenkammer hat sih gestern im Lauje der Budgetdebatte ein Zwischenfall ereignet, über den S D, wie folgt, berichtet:
Der Führer der gemäßigten Liberalen, Jsmail Kemal, machte im Laufe der Diskussion einen Zwischenruf, der so aufgefaßt wurde, als bätte Kemal angedeutet, daß die Regierung für die Erteilung von Eisenbahnkonzessionen Geld genommen hätte. Der Großwefsir Hakki Pascha ging erregt auf Kemal zu und forderte ihn mehrere Male auf, seine Aeußerungen zu wiederholen. Um Kemal hatten sich inzwischen zahlreihe, Deputierte versammelt. Der Groß- wesir versezte Kemal einen Schlag auf die Hand, worauf dieser rie]: „JFhr Organ hat behauptet, daß ih Geld genommen habe.“ In diesem Moment gab ein Deputierter der Mehrheit Kemal eine Ohr feige, was heftige Lärmszenen verursachte. Nach der Sitzung berieten die Minister und hervorragende Deputierte der Mehrheit über . den Zwischenfall, der den peinlichsten Eindruck hervorgerufen hatte.
Afrika.
Der deutshe Kronprinz is gestern in Kairo ein- getroffen und, „W. T. B.“ zufolge, auf dem Bahnhof von dem Khedive, den Ministern und Diplomaten empfangen worden. j
Wie die „Agence Havas“ meldet, gewinnt der A uf ruhr unter den Stämmen in der Umgebung von Fei, die dem Sultan den Vorwurf machen, fremdenfreundlichen
Tendenzen zu huldigen, an Ausdehnung. Der Sultan hal
Mahallas gegen sie gesandt, doch sind, dem „RNeuterschen Bureau“ zufolge, in Tanger Berichte eingegangen, wonach zwei von diesen V Viele Mannschaften seien getötet und verwundet worden, auch hätten sie ihre Artillerie Nach Meldungen des „W. T. B.“ vom 8. d. M. g der Hauptstadt große Be- unsicher find. Es beginnt an ölische Konsul hat sich an i _scherifische Mahalla lagert, um sih mit dem Leiter der französischen Militär: 1 M: Verstärkungen ver- langt, die ihm jedoch niht gewährt werden, weil Fez voll- U Die Mahalla hat Befehl erhalten, vorläufig jede Offensive zu vermeiden. Seit mehreren Tagen ist man ohne jede Nachricht aus Tanger. Der deutsche der englische sowie drei französishe Kuriere sind von auf-
schwere Mißerfolge gehabt hätten.
verloren. herrscht unter der Bevölkerung stürzung, da die Straßen Lebensmitteln zu mangeln. Der
: 1 französische sih nah Hammud
begeben, wo die
mission Mangin zu besprechen, der
ständig von Truppen entblößt ift.
rührerischhen Stämmen angehalten und ausgeplündert worden.
Parlamentarische Nachrichten. )
Heeringen und der Staatssekretär des
Wermuth beiwohnten, kam der den Vofsiß führende Erste Vizepräsident Dr. Spahn auf die leßte Sißung zurück und brachte nah dem amtlichen Stenogramm zur Kenntnis, daß der Abg. Hue (Soz.) während der Rede des Abg. Behrens | „Unverschämt sind Sie, verlegen sind Sie nie.“ Er würde den Abg. Hue, wenn er diesen Zwischenruf gehört
gerufen hatte :
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hätte, zur Ordnung gerufen haben.
Das Haus seßte darauf die Beratung des Militäretats bei den Einnahmen, Position: Erlöse aus dem Verkauf von nl Darunter befindet sich auch die erste Nate der Einnahme aus dem Verkauf des Tempelhofer Feldes Dazu beantragt die
Grundstücken, fort.
bei Berlin an die Gemeinde Tempelhof. Kommission :
1) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Neichstage
baldigst einen Geseßentwurf über die Einnahmen und Ausgaben des Neichs und des Nechnungs8hofs vorzulegen: f D e S M R e Ri ; ¡rf 5 2) den Herrn Jeidsfanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß der Kauspreis für das Tempelhofer Feld (72 Millionen Mark) dur die Art der Bebauung dem Reich nicht verkürzt werde L Y I As S io A Ey T 5 c C1 ‘T6 _ Von den Abgg. Dr. Wiemer u. Gen. (fortshr. Volksp.) + Ç l ad Y f i ist die Annahme folgender Resolution beantragt : den Herrn Reichskanzler zu ersuden, im Interesse einer groß zügigen, den Forderungen des öffentlihen Wohbles entsprechenden Bebauung des Tempelhofer Feldes etwaige Bestrebungen auf Herbei- sührung einer Verständigung zwischen den Beteiligten und der Stadt Berlin unter der Vorausseßung zu unterstützen, daß der Kaufpreis für das Tempelhofer Feld dem Reiche nicht verkürzt wird. : (Schluß des Blattes.)
; Der Schlußbericht über die gestrige Sißung des Hauses Abgeordneten befindet sih in der Ersten Beilage.
— Jn der heutigen (43.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welcher der Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler Dr. von. Bethmann Hollwea Und. der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegen- heiten [), von Trott zu Solz beiwohnten, wurde die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Rech- nungsjahr 1911 bei dem Etat des Ministeriums der geistlichen, _Unterrihts- und Medizinalangelegen- heiten fortgeseßt. : (
Zunächst findet die bei dem ersten Titel der dauernden Ausgaben „Gehalt des Ministers“ übliche allgemeine Besprechung des gesamten Kultusetats statt. :
Abg. ¿Freiherr von Zedliy und Neukirch (freikon\.) bemerkt zur Geschästéordnung: Cs dürfte den bei der Etatsberatung ge- troffenen Abmachungen entsprehen, daß alle anderen Fragen größerer Urt, die bei einzelnen Titeln erledigt werden können, in der allgemeinen Viskussion beim Gehalt des Kultusministers nur gestreift, aber nickcht eingehend erörtert werden, daß wir auch den Professorenstreit an der Berliner Universität höchstens streifen, seine gründliche Behandlung aber in die Diskussion über das Kapital „Universitäten“ verweisen.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Bei meinen politishen Freunden besteht allerdings die Absicht, die Frage des Professorenstreits mit einigen Worten zu erwähnen. Die Kom mis\tonserörterung hat die Sache ncch nicht so weit geklärt, daß man auf die Einzelheiten eingehen kann; aber gewisse allgemeine Er- wägungen auszusprechen, muß doch vorbehalten bleiben.
Abg... Dr. Porsch (Zentr.): Wir werden unsererseits den Professorenstreit bei der allgemeinen Debatte niht erwähnen. :
h Abg. Dr. Friedberg (nl.): Ich kann für meine politischen
reunde dasfelbe erklären. Abg. Fun ck (fortshr. Volksp.):
dasselbe.
_ Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch: Auch meine
Freunde werden ihn niht berühren. E
Präsident von Kröcher: Es {eint der Wunsch der über- wiegenden Mehrheit des Hauses zu sein, diesen Punkt jetzt nicht zu berUhren; es muß aber jedem Redner überlassen bleiben, ihn kurz zu wähnen.
„Das Haus tritt hierauf in die sachliche Diskussion ein.
: Abg. Graf Clairon d’Hau ssonville (kon\.) berichtet kurz {ver die Kommissionsverhandlungen. ; (Schluß des Blattes.)
Für meine Freunde erkläre ih
Na S O da L L L L h ( Dem Reichstage ist der Entwurf eines Gesezes, be
lressend die Tagegelder, die Fuhrkosten und Umzugs- losten der Kolonialbeamten, nebst Begründung zugegangen.
Statistik und Volkswirtschaft.
Die Insassen der preußishen Strafanstalten und Gefängnisse im Nehnungsjahre 1909/10.
Die Verwaltung des preußishen Gefängniswesens untersteht be- kanntlich zum Teil dem Ministerium des Innern, zum Teil dem Justizministerium, und jede der beiden Verwaltungen veröffentlicht auch gesonderte Jahresstatistiken über die ihr unterstellten Anstalten von denen die neuesten auf das Nechnungsjahr vom 1. April 1909 bis 91. März 1910 fich beziehen. Die Zahl der in den Anstalten der Verwaltung des Innern untergebrahten Gefangenen bildet, so be- deutend sie immerhin ist, do nur cinen kleinen Teil der Bevölkerung ee preußishen Strafanstalten und Gefängnisse; der weitaus größte Zeil befindet fich in den Gefängnissen der Justizverwaltung. Zum Ressort der Verwaltung des Innern gehören die sämtlichen zur Boll- streckung von Zuchthauéstrafen bestimmten 32 Strafanstalten, ferner 21 größere Gefängnisse zur Aufnahme von Gefängnis-, Haft- und Unter- suhungsgefangenen, vornehmlih aber zur Vollstreckung der Gefängnis- [trafen von längerer Dauer und in dem früher französish-rechtlihen Teile der Rheinprovinz die kleinen sogenannten Kantongefängnisse, welche
ZU Beginn der heutigen (141.) Sizgung des Reichstags, welcher der Kriegsminister, General der Jnfanterie von Reichs\chaßamts
OTNR Ant Nor 7 14A D Q ç A B T : 4 s As he n den inännlichen Zuchthausgefangenen Nüdfall mit Sicherheit it urig Ns daß p: es weielya! und gur bei 82 ausgeschlossen erscheint. Bei den weiblichen Gefangenen sind die entsprechende ( i [ang entsprechenden Zahlen 212, 4 und 15. n P rc +5 tx A : A » : : Kulturstaaten und drängt mit zwingender Notwendigkeit zu einer anderen strafre{chtlihen Behandlung der Nückfälligen.
unter 2 Gefangenen mit jedem Jahre \sih steigert. Es mag dies zunächst jeinen Grund darin haben, daß die Strafanstaltsb , ; DIE | n Gru: t i, daß afanstali8beamten insbesondere die Aerzte, e: ui io Hon G F » 41 4 ; 5 j ;
die geistigen Dé fekte zu achten, ihre Ursachen und ihre Entwicklung zu erfor}chen ; aber die Tatsache ist niht wegzuleugnen, daß heutigen sozialen Verhältnisse, namentlih in den breiten Schichten der Bevölkerung der Großstädte und
reren Straftauer 14 Tage nicht übersteigt, aufnehmen, am 31. März 1910 47 (mit nur 285 Gefangenen). Dem Justizministerium unter- stehen alle übrigen Gefängnisse Preußens, deren Zahl am 31. März 1910 1064 betrug (darunter 901 Gefängnisse mit einer Belegungs- fähigkeit von weniger als 50 Köpfen). Im folgenden mögen die wichtigsten Ergebnisse der von den beiden Ministerien veröffentlichten Statistiken für das Nechnungsjahr 1909/10 zu einem Gesamtüberblick zusammengefaßt werden. : Z In den dem Ministerium des Innern unterstellten Anstalten waren im Nechnungsjahre 1909/10 ins gesamt 112117 (im Nori fs 115 117) Gefangene untergebradt, wobei 8674 (9464) im Laufe des Jahres aus einer Kategorie in die andere übergetretene Ge- fangene DOPPeIT GeJdhIT * find — UND, gar 19650 (1 Bori 18 901) Zuchthaunsgefangene, 36587 (36657) zu Gefängnit von einem Tage bis zu fünf, gelegentlich auch mehr Jahren Ner- urtetlte, 13 097 (14 299) zu geschärfter und 5134 (5317) zu einfacher Haft von einem Tag bis zu sechs Wochen Verurteilte, 17 461 (18 166) Untersuhungsgefangene, 21 531 (21 757) Polizeigefangene einschließ- lich der Transportgefangenen und 25 (27) Schuldgefangene n T ages8durchshnitt 20692 (im Vorjahre 20727) G fangene nämlih 11200 (11 361) Zuchthausgefangene, 7420 (7292) zu Ge: fängnisstrafe Verurteilte, 453 (455) zu geshärfter Haft und 143 (110) zu einfacher Haft Verurteilte, 1308 (1360) Untersuchungs- und 168 (149) Polizei- (einshließlich Lransport-) Gefangene. Dagegen befanden sich in den Gefängnissen der Justizv erwaltung in demsfelben Etatjahre insgesamt nicht weniger als 459 429 (im Borjahre 476 667) Gefangene — 154 609 (163 933) Untersuchungs- gefangene, 186 620 (189 525) zu Gefängnisstrafe, 75 951 (79 906) zu geschärfter Haft, 39 431 (40 493) zu einfacher Haft Verurteilte und 2818 (2810) ZBivilbaftgefangene —, im LTagesdu rchschnitt 31 382 (i. Vorj. 32 111) Gefangene, darunter 7988 (8466) Untersuchungs- gefangene. In den Anstalten beider Verwaltungen (de Ministertums des Innern und des Justizministertums) omit im Nechnungsjahre 1909/10 insgesamt 571: Borjahr 591 784) Gefangene 18680 (18 901) Zutt- hauêgefangene, 223207 (226 182) zu Gefängntsftrafe, 89 048 (94 198) zu geshärfter Haft, 44 565 (45 810) zu einfacher Haft Ner- urteilte, 172 070 (182 099) Untersuchungs-, 21 531 (21 757) Polizet-
(etns{ließlich Transport-) und 2843 (2837) Zivilhaftgefangene — im Tagesdurchschnitt 52.074 (im Vorjahr 52 881) G sangene, nämlich 11200 (11 361) Zuchthausgefangene und 40 874 (41 520) Gefängnis-, unter den leßteren 9296 (9826) Untersuchun gefangene unterzubringen. Seßt man diese Tagesdurcschnittszahl in Verhältnis zur mittleren Bevölkerung Preußens im C 1tsjabre 1909/10, fo entfallen auf je 100 000 Einwohner 131,83 im Vor- jahr 135,77), die sich in Strafanstalten oder Gefängnissen befanden Seit dem Beginn der NReichskriminalstatislik haben die Ver- ngen zu Freiheitsstrasen wegen Zuwiderhandlung gegen Nei mit ganz geringen Ausnahmen zwar nicht immt be doh relativ abgenommen. Während die Kriminalitäts zier, d, h, die Zal det zu Fraheuslrafen Verurteilten auf 100 000 Personen der strafmündigen, über 12 Jahre alten Zivilbevölkerung im Jahre 1882 759,8 betrug, war sie {. X. 1908 602,2, d. h. um 20,79/9 geringer. Seit dem JIahre 1902 ist die Zahl der wegen Zuwiderhandlung gegen Reich2geseze Ver- urteilten aber au absolut erheblich gesunken, von 278 448 auf 266 271 i. J. 1908. Am stärksten zeigt sich die Abnahme bei den Berurteilungen zu Zuchthaus, die von 13 417 mit einer Kriminalitäts- ziffer bon 42,3 l ch5, 1882 aus (80 M etner Kriminalitätsziffer von 17,6 i. J. 1908 oder um 58,49% gesunken ist. Aber au hter hat die stärkste Abnahme in den leßten Jahren stattgehabt: yon 10 038 i. J. 1901 auf 7463 i. J. 1907 und 7780 i. &, 1908. Db die Ursache davon in den günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen der leßten Iahre oder in einer Steigerung des Nechtsgefühls in den breiten Schichten des Volkes oder in dem gegen die Freiheitsftrafen gerihteten Angriffe der neuen Strafrechts\Gule liegt, mag dahin- gestellt sein. Jedenfalls ist die Folge davon ein erbeblihes Herab- gehen der Gefangenenzahl sowohl in den Strafanstalten wie in den Gefängnissen. Es betrug der täglihe Durchschnittsbestand, nah Ge- shlechtern geschieden, in den zum Ressort des Ministertums des Innern gehörenden Strafanstalten (Zuchthäusern) und Gefängnissen welche leßtere, wie {on eingangs bemerkt, vornehmlih zur Noll- streckung der Gefängnis\strafen von längerer Dauer dienen : E in den Strafanstalten 1908/09 10484 Männer und 877 Weiber : E j in den Gefängnissen 1908/00 83% M. : A 190010. O & 1087 : p Samen der Justizverwaltung : einschl. 8466 bezw. 7988 ? i, S UnterlaGucefana, | 28 09 29391 Männer und 2760 Weiber, i in beiden Jahren / 1909/10 28 640 s » 2143 QUE Jahre 1909 macht sih ein, wenn auch geringes Abnehmen [4 Berurteilungen zu Freiheits\strafen bemerklich. __ Der Charakter der Zuchthaus bevölkerung dürfte unter der Verrschaft des heutigen Strafrechts derselbe wie früber bleiben. Die zu Zuchthausstrafe Verurteilten, von denen im Etatjahre 1908/09 4418, im Jahre 1909/10 4266, auf je 10000 Köpfe der 18 Fahre und darüber alten Bevölkerung Preußens (gegen die allein auf Zucht- hausstrafe erkannt werden kann) 2,01 bezw. 1,86 in Zugang Tien stellen mit geringen Ausnahmen das gewerbs- und aewobnheitsmäßige Berbrechertum dar. Von 3874 im Jahre 1909/10 neuein jelieferten männlichen Zuchthausgefangenen hatten niht weniger als 3366 {on vorher Freiheits\trafen erlitten, davon 3—5 mal 802, 6—-10 mal 1079, 11—30 mal 854, 31 mal und noch öfter 75. Nach den im Sirafvollzuge gemachten Erfahrungen muß man annehmen, daß die mehr als 6 mal mit Freiheits\trafen belegten 2008 Personen, wenn überhaupt, dann jedenfalls nur dur langdauernde strenge Zucht und lorgfallige, fürjorgliche Behandlung für ein geordnetes, \oztales Leben wteder zu gewinnen sind. Dasselbe wird in der Negel au von den Freiheitsstrafe Vorbestraften gelten können.
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802 3—5 mal mit Nun ist es aber Tatsache, daß nah dem geltenden Strafreht und der Gewohnheit unjerer Gerichte gegen diese Personen nur verhältnis- maßtg turze Strafen verhängt werden. Von den 3874 neu ingelieferten männlichen Zuchthausgefangenen waren 2198 zu Strafen von 2 Fahren und weniger verurteilt, 1362 zu über 2 bis 5 Jahren, darunter zu 4 und Zahren nur eine kleine Zahl, zu über 5 bis 10 Jahren nur 271 zu über 10 bis 15 Jahren nur 32 und 11 zu lebenslänglichem Zuchthaus. : ersten 2198 Strafen von 2 Jahren und weniger sind abe: in der Negel für die Wsung der Ausgabe, die Verurteilten zu einem ge]eßmäßigen Leben nah V der Strafe zurückzuführen bei den wiederholt Vorbestraften so gut wie wertlos; ‘und mit den 136 Strafen _von über 2 bis 5 Jahren steht es nicht viel besser. Dies ergibt sich, wie in der Statistik der dem Ministerium des Innern untersteh nden änstalten mitgeteilt wird, uh aus den sorgfältig geführten Zählkarten über diejenigen neueingelieferten Zuchthausgefangenen, die wenigstens drei Freiheitéstrafen (Zuchthaus, Gefängnis, K orrekftionsbaus) darunter eine oder nehre re von 6 Monaten und darüber verbüßt haben : R O männliche Personen wurden 2319, weibliche 231 eingeliefert. Vas Urteil der Konferenz der Oberbeamten geht dahin, daß bei
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Dieselbe Erscheinung zeigt {ih in allen Cine weitere Tatsache ist, daß die Zahl der geistig Minderwertigen
gelernt und sih gewöhnt haben, stärker auf unsere
der Industriezentren, den
le amtêgerihtlihen Untersuhungs-, Haft- und Gefängnisgefangenen,
In Ao pit C »f o y G 4 „T 4 tg 4 f ; Menschen geistige Defektc als ein verbängnisvolles Grbteil auf die Welt mitgeben oder geistig gesunde Anl
daß die geistige und sitilihe Widerstiandskraft fchlt, den Anreizungen zum MRechtsbruch zu widerstehen. Diese ganz besonders zu Jechtsbrüchen \chwerster Art geneigten geistig Minderwertigen in allen ihren Abstufungen bis zu den voll Geisteskranken hinab sind aber eine erhebliche Gefahr für die Gesellschaft. Hier „versagt“ wie die Berwaltung des Innern in threr Statistik bemerkt, ‘unsere strafrechtliche Behandlung vollständig, zumal wenn die geistige Heinderwertigkeit als jtrafmildernd bei der Verurteilung an- erkannt wird“. N ra Zusammenhang von Alkohol ind Verbrechen noch ein Wort zu verlieren, erscheint überflüssig, aber es mag do darauf hin- gewiesen werden, daß unter den 3874 neu eingelieferten männlichen Zuchthausgefangenen nch 599 Gewohnheitstrinker befanden und 1036 ihre Straftat in. nkenheit begangen hatten. Daß diese Zahlen bet weitem nicht die ganzeverwüstende Arbeit des Alkohols auf dem Gebiete der Kriminalität darstellen, liegt auf der Hand; aber sie geben do ein Bild von der Menge der Personen, von denen die Gesellschaft immer aufs neue [chwere Straftaten zu gewärtigen hat. In den Welzel NIEVER unseres Volkes gilt die Trunkenheit noch immer Ars Heilderun; s rund bei Beurteilung der Straftaten, und wie es lente, Lonnen NdI s ; Nichter dieser Unschauung nicht entziehen, und doch ist der All __1owohl der gewohnheitsmäßige als auch der gelegentliche, 1 efährlicher als der Nüchterne, weil ihm alle die d emmungen „Jehle , die vei Tarem Berstande von {weren ver- brecherishen Auschreitungen abhalten. Auch für die Alkoholiker unter den Berbrechern vbejondere Maßnahmen notwendig. Die Nechts- henschast, die Praftiker der Nechtsprehung und des vor allem die weitesten Kreise unseres Erwerbslebens sind diesen Schädlingen der Gesellschaft gegenüber neue en sind. Aber diese Wege sind nit nur auf dem Ge- ion zu suchen, sondern au auf dem fürsorgender Hilfe j reher nach Verbüßung der Strafe die Nükehr geordneten, loztalen Leben zu erleichtern, ja zu ermöglichen. der SBorentwurs zu etnem deutschen Strafgeseßbuch zeigt, ist die neiSregterung gewillt, diese neuen Wege zu gehen. Die ins{lägigen Gelltmmungen des deutschen Vorentwurfs und der neuesten Straf. gefeßbücher bezw. Cntwürfe dazu in anderen Kulturstaaten sind in einer Beilage zur Statistik der zum Ressort des Ministeriums des Innern gehörenden Strafanstalten und Gefängnisse zusammengestellt. f _Wie die Personalstatistik Der Zuchthausgefangenen ergibt, ‘ist die landwirt\chafiliche Bevölkerung fehr viel geringer an Verbrechen be- tetilgt als die industrielle. Von den 4266 neu eingelieferten Zuchthaus- gefangenen gehörten dem landwiriscaftlihen Berufe 692, dem in- duitriellen 25969 an. : : h _Die Gefängnis insassen sind ihrem Charakter nah ebenfalls die cen wie in den Borjahren. Neueingeliefert wurden im Etats- e 1909/10 ohne die Zivilhaftgefangenen in die zum Ressort des ' 3 des Innern gehörenden Gefängnisse: 25 165 zu Ge- zu ge|chärfter Haft, 4563 zu einfaher Haft Polizei- (einschließlich Transport-) und angene, în die Gefängnisse dex Justiz (im Vorjahre 169 814) zu Gefängnisstrafe, geshärfter Haft, 38 965 (39 967) zu einfacher 147 (19 (156 636) Untersuhungsgefangene, in beider Verwaltungen zusammen: 19: 211 zu Ge 89813. zu geschärfter Haft, 5 zu ein- rurteilte, 19303 Polizei- (eins{chließlich Trans- 299 Untersuhungsgefangene. Eine eingehende persönlihen Verhältnisse der Gefängnis- über die Zuchthausgefangenen gegeben ift, Auch De Angaben der Reichskriminalstatistik 1 Berhältnisse dieser Gefangenen bieten dafür doch) wäre es für die Erkenntnis der Ursachen der S (li thre LWeiterentwicklung und ihre Bekämpfung von hohem Wert, Über die zu Gefängnlisstrafe verurteilten Personen, von denen éin gro ßer _Teil zum ersten Male mit dem Straf- geseßbuch in R ntt _getommen i\t, genauere Auskunft zu er- halten. In einer Beilage zum Bericht über die Anstalten der Berwaltung des Innern ist der Bersuh einer solhen Statistik e sich auf die Gefängnis8gefangenen in den Gefängnissen der A hetinprobvinz veshräntt, von denen die größeren mit Ausnahme von C refeld und Vutisburg sämtlich, von den kleinen 47 in der Verwaltung des FZnnern se hen und deren Insassen zum überwiegenden Teil aus det Jheinprovinz stammen oder dort ihren Unterhalt gefunden und thre Strastat begangen haben. Die \sich auf das Etatsjahr 1909/10 bezie! ende Slattitik beshränkt si ferner auf die zu einer Gefängnis- a jon Heonaten und mehr Verurteilten, 3902 an der Zahl. e wü de nun t eh t sein, aus dieser beschränkten Statistik irgend O L ende Schlüsse ziehen zu wollen, aber es ergeben sich aus E R Gesichtspunkte, die für einen weiteren Ausbau solcher Unterfu gen von Wert sein können. Zunächst fällt ins Auge, daß die Zahl der weiblihen Gefangenen nur !/16 der Gesamtzahl be- e von der Gesamtkriminalität !/;—!/s bildet. Von
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ignisstrafe,
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Kriminalität,
iragî, wahrend |f ; den männlichen Gefangenen, auf die sih die folgenden Bemerkungen n nur 6% der lândlihen Bevölkerung an, während 77 9/9 entfallen. Auffallend hoch ist die Zahl der ( eine Freiheitsstrafe erlitten hatten: 69,2 9/0, - E die [hon 2—5, und 1509/0, die son 6—10 verbüßt hatten. b für diese Elemente, denen die die Nechtsordnung shon zur Gewohnheit geworden ist, und milde Gefängnißstrafe geeignet ist, muß „werden, zumal da von den Vorbestraften 8 1128 innerhalb Jahresfrist nach Verbüßung der | straffallig geworden waren. 513 oder 15,7 % hatten : dem 18. Lebensjahre erlitten; das ist s für die Wirkung unserer Freiheits- traf L ; z von den Verurteilten nur 1,8% in Fürlorgeer jung gewelen waren, darf man wohl als ein gutes Zeichen ansehen Klarer würde das Crgeb1 is hervortreten, wenn diese Et ebung au ie im Alter bis zu 25 Jahren stehenden P rfonen ch ersireckte. 10,4 0 waren wegen Sittlichkeits- verbre hen un /o wegen gefährliher Körperverleßzung verurteilt. Bon den 3902 Gefang nen waren 2897 in der Rheinprovinz geboren, 168 stammen us dem Auslande. 527 standen im Alter bis zu 21 Jahren, 827 im Alter von : 25 Jahren. Anscheinend gering iehelih Geborenen, 3,4 9/9 gegenüber 96,6 9/9 der | hrend die Geburtsziffer der Unehelichen im allge- meinen 7 Einen sicheren Beweis würde man erst dann daraus ziehen Töônnen, wenn feststände, wie das Verhältnis der lebenden unehelichen Kinder zu dem der ehelihen im Alter von 12 Jahren sich stellte. Nur 25 Gefangene waren ohne Schulbildung, und 2448 oder / Einkommen von über 900 bis 3000 4. Materielle scheint demnach in den meisten Fällen niht Ursache der Straftat 1; dies zeigt sih auch darin, daß 3734 voll arbeitsfähig waren. Die Zahl der Fugendlichen is in den Gefängnissen beider erwaltungen zurückgegangen. Die Ursache hiervon liegt darin, daß von der Strafausseßung bet Jugendlichen in immer größerem Maße Gebrauch gemaht wird. Von den gegen Jugendlihe verhängten Strafen sind die Hâlfte Fretheits\irafen und unter diesen wieder 86 9/0 kurze Strafen von weniger als 3 Monaten, obglei das Nichtsnußende ja Schädliche der kurzen Fretheitsslrafen gegen Jugendliche heute von niemand mehr ernstlih bestritten wird. Die Disziplin in den Gefängnissen handhabt sich leiht; von 54 663 männlihen Gefangenen der der Verwaltung des Innern unterstehenden Gefängnisse find 2391, von 13 027 weiblichen 199 mit Disziplinarstrafen belegt, schwere Arreststrafen von 7—14 Tagen sind gegen männliche Gefangene nur 131, gegen weiblihe nur 10 verhängt worden. Die Gefangenen fügen ih leiht in die Ordnung des Hauses nur hin und wieder glaubt ein jüngerer Gefangener sich eine Ungebühr gegen die Beamten erlauben zu dürfen, wie er es in der Freiheit gegen Arbeitgeber oder Polizeibeamte gewohnt war; er gewöhnt es ih aber unter ernster und gerechter Behandlung bald ab. /
agen derartig verwüsten,
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