Ministerium der geistlihen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. Dem ordentlichen Lehrer an der Königlichen Kunst- und Kunstgewerbeshule in Breslau, Maler Max Rolle ift der Titel Professor verliehen worden.
Nicchkamfliches.
Deutsches Reich. Preußen Berlin, 8. März.
Der Ausschuß des Bun desrats für Handel und Verkehr, die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und sür Justizwesen und die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuer- wesen und für Handel und Verkehr hielten heute Sizgungen.
Jn der Vierten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs- und Staatsanzeigers“ wird eine Zusammenstellung der Berichte von deutschen Fruchtmärkten für den Monat Februar 1911 veröffentlicht.
Bremerhaven, 7. März. Das Linienschiff „Deutsch- land“ mit Seiner Majestät dem Kaiser an Bord traf, „W. T. B.“ zufolge, heute nachmittag um 6 Uhr von Helgo- land, wo Seine Majestät die Westmole und die im Bau be- griffene Ufershußmauer besichtigt hatte, auf der hiesigen Reede ein und ging gegenüber der Einfahrt zum neuen Kaiserhafen vor Anker.
Kiel, 8. März. Jhre Majestät die Kaiserin ist, „W. T. B.“ zufolge, heute früh zum Besuche Seiner König- lichen Hoheit des erkrankten Prinzen Adalbert hier eingetroffen.
Bayern.
Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent hat aus Anlaß seines 90. Geburtsfestes, „W. T. B.“ zufolge, den- jenigen Militärpersonen im Bereich der bayerischen Militär- verwaltung, gegen die bis zum 11. März einschließlich Strafen im Disziplinarwege verhängt worden sind, diese Strafen, soweit sie bis zum 11. März noch nicht vollstreckt sein werden, erlassen.
Der Stadtgemeinde München hat Seine Königliche Hoheit der Prinz-Regent 10 000 4 zur Verteilung an besonders bedürftige Arme an seinem Geburtstage überwiesen.
Frankreich.
Die Deputiertenkammer nahm gestern die Debatte über den Bau der beiden Panzerschiffe wieder auf. Der Artikel 1 der Vorlage wurde angenommen und der Minister dadurch ermächtigt, im Jahre 1911 zwei Panzerschiffe bauen zu lassen.
Wie „W. T. B." meldet, trat der Abg. Fa uròs im Laufe der Debatte für die sofortige Einführung der 34 cm-Geschüße auf diefen Schiffen ein. Der Marineminister Delcafsé erwiderte, die Ein- führung der 34 ecm-Geschüße würde eine nachteilige Verzögerung zur Folge haben, denn die dann notwendig werdende Konstruktion von 30 Geschüßen würde Maschinen und Werkzeuge erfordern, die inan noch nicht besiße. Auch wenn man die beiden in Aussicht genommenen Panzerschiffe mit 30,5 cm-Geschüßen armiere, würden sie mit „Jean Bart“ und „Courbet“ zusammen zwei starke Divisionen , bilden, die im Stande sein würden, jeder anderen Flotte Widerstand zu leisten. Nebrigens baue auch Deutschland noch Panzerschiffe mit 30,5 cm-Geshützen, und England besiße nur zwei Panzerschiffe mit 34 cm-Geshüßzen. Das 34 cm-Kaliber werde zur Armierung der beiden Panzerschiffe verwendet werden, die man in Brest und Lorient im Jahre 1912 beginnen werde. Der Deriht erstatter über die Flotte Benazet erklärte, das 34 cm-Geshüß gewährte in der Durch\s{lagskraft nur eine geringe Ueberlegenheit. Der Hldmiral Bienaimé bedauerte wie Jaurès, daß mon sich gegenwärtig mit dem 30,5 em-Geshüß begnügen müsse, dem das 34 em-Geschüß um ein Drittel überlegen sei. Der Zusaßantrag Jaurès, die Kredite für die Armierung, die Munition und die Panzertürme zu trennen, wurde mit 473 gegen 75 Stimmen abgelehnt.
Die Kammer nahm einen Zusaßparagraphen zum Artikel 1 an, in dem die Zeit von der Kiellegung bis zur Vollendung der beiden Panzerschiffe auf höchstens zwei Jahre festgeseßt wird, und darauf den Artikel 2, der den Minister ermächtigt, im Jahre 1911 die Ausrüstung in gewissen Hafenarsenalen zu verbessern.
Der Abg. Justin Godart (Soz.-rad.) {lug vor, einen Artikel einzufügen, der es verbietet, Bestellungen für die Panzerschiffe an Firmen zu vergeben, die in ihrer Direktion, Verwaltung, juristischen Abteilung oder Kontrolle Parlamentarier haben. Delcassé er- widerte, das Interesse der Landesverteidigung und die Notwendigkeit, \hnell zu handeln, zwängen dazu, die heikle Frage der Inkompatibilität der Parlamentarier auszuschließen. GleiGßwohl wurde der Zusaßtz- antrag Godart mit 299 gegen 202 Stimmen angenommen.
Die Vorlage wurde sodann im ganzen mit 466 gegen 74 Stimmen angenommen und die Sißzung aufgehoben.
In der Nachmittagssißung erklärte der Marineminister Delcassé, er werde sh als Minister bemühen, die von der Enquete fommission für Flottenangelegenheiten geforderten Neformen durh- zuführen, nämli die Arsenale zu verbessern und die unnützen Stellen abzusckaffen, um der Landesvertcidigung alle Hilfsmittel an Leuten und Geld zur Verfügung zu stellen, damit die Flotte stets bereit sei, ihre Auf gabe zu erfüllen. Der Abg Millevoye (Nationalist) begrüßte die Er flärung Delcassés, daß Frankreich für den Fall des Angriffs einer anderen Macht cine starke Flotte brauche, wenn es auch mit England die Defensiventente habe. Der Admiral Bienaîimé kritisfierte den Budgetvoranschlag, wobei er von Delcassé unterbrochen wurde, der feststellte, daß das jährlihe Anwachsen des Marinebudgets infolge des Flottenprogramms während der nächsten 10 Jahre nur 15 Millionen Franks betrage.
Nußland.
Die Reichsduma seßte gestern die Generaldebatic über das Budget fort.
Wie „W. T. B." meldet, sprachen hauptsächliß Vertreter der Opposition, die ausführten, daß der glänzende Zustand der Staats wirtschaft nicht im Einklang stehe mit dem Zustand der Yolfkéwirt- schaft und besonders der Landwirtschaft, die viel zu wünschen übrig lasse. Die freie Barschaft der Staatétkasse gebe der Negierung eine friegerishe Stimmung, wie aus den leßten politischen Er- eignissen, der Kaiserbegegnung zu Potsdam und dem China geltellten Ultimatum zu ersehen sei. Die Regierung hâufe die Barshast niht auf- um kulturelle Bedürfnisse zu be-
friedigen, sondern um die Wehrkraft Nußlands wiederherzustlellen und die Amurbahn zu bauen. Dabei sei die Bevökerung steuermüde. Das Anwächsen des Budgets laste einzig auf den Schultern der Bauern. — Vertreter der äußersten Rechten meinten, der Pessimismus der Linken sei ebenso unbegründet, wie der Optimismus des Finanzministers und der weniger große Optimismus der Budget- fommission. Der jeßige Zustand sei unbefriedigend. Nadikale Mittel seien notwendig, um den Wohlstand des Volkes zu heben. An erster Stelle sci das Finanz- und Geldsystem zu verbessern. — Der Finanzminister ofowßow erklärte, es lasse sich nicht wegleugnen, daß die Einnahmen günstig eingingen, die Ausgaben nur mäßig anwüchsen und die Hilfsquellen des Neichs sih unzweifelhaft o was immer eine neue Belebung der Volkswirtschaft bedeute. Es sei allgemeine Regel, daß man an einen inneren friedlichen Aus- bau nur dann denken könne, wenn man dur eine feste und hohe Umzäunung geshüßt sei. Der Weg, den die Regierung gehen müsse, sei der, daß sie zwei Ziele in Einklang bringe, erstens das aus- zubessern, was auf den Feldern der Mandschurei verdorben worden sei, und zweitens sih mit der fulturellen Entwicklung des Landes zu befassen.
Damit war die Generaldebatte beendet.
— Die Finanzkommission der Duma hat, obiger Quelle zufolge, beschlossen, bei der Beratung über Maßnahmen zur Entwicklung der Tätigkeit der Zu derfabriken sowie über die Einführung einer neuen Steuer für Raffinade es bei der bisherigen Höhe von 175 Kopeken zu belassen, die Steuer für Sandzucker auf einen Rubel herabzuseßen und Maßnahmen der Regierung zur Hebung des Zuckerexports, besonders im nahen Osten, als wünschenswert zu bezeichnen.
Portugal.
Wie „W. T. B.“ meldet, ist der Bischof von Oporto, der troß des Verbotes der Regierung den Priestern befohlen habe, den Hirtenbrief zu verlesen, von dem Justizminister auf gefordert worden, sih vor ihm zu verantworten.
Niederlande.
Auf Anfragen einiger Abgeordneter bezüglich der Schwierig feiten, die sih wegen des Transports von Auswanderern durch Deutschland ergeben haben, hat der Minister des Aeußern v. Marees van Swinderen, „W. T. B." zu- folge, schriftlich nachstehende Antwort gegeben :
Er habe von Anfang an versucht, die deutsche Regierung zu einer weniger wörtlihen Auslegung der Bestimmung zu veranlassen, wonach Auswanderer russischer Nationalität ohne regulären ru)fis{en Paß nicht durch Deutschland reisen dürfen, und er babe fich bemüht, zu er- reihen, daß Deutschland sih mit der anderen Garantie begnüge, daß diese Reisenden an der russischen Grenze nicht zurückgeshickt würden. Gegenwärtig bestehe die begründete Aussicht, daß die deutsche und die rus\ishe Regierung sich über den Ausweis einigten, der besagten Paß ersegen soll. Er hege das Vertrauen, daß die Schwierigketten beendet würden. Was die Gerüchte anbetreffe, wonah auch andere Reisende, die niht Auswanderer seien, von dem Verbot der Durchreise durch Deutschland betroffen worden seien, so habe cer die Aufmerksamkeit der deutshen Regierung hierauf gelenkt. Diese habe ohne jede Cin- wendung eine Prüfung versprochen und von vornherein zugegeben, daß, wenn ein Fall so liege, die Behörden einen falschen Weg eingeschlagen hätten und eine Wiederholung ausgeschlossen sei.
Belgien.
In der Deputiertenkammer fanden gestern bei der Beratung einer Juterpellation über die Maßregelung einer Lehrerin, die ihrem Orden abtrünnig geworden war, stürmische Auftritte statt. Ueber den Verlauf der Sigung liegt folgender Bericht des „W. T. B.“ vor:
Bei der WŒrörterultg der Interpellation sagte der katholische Ab geo1driete Wauwermans, daß die Nonnen meistens das Orden®fkleid ablegten, um unabhängiger leben zu Tönnen. úInfolge des Protestes der gesamten Linken gegen diese Behauptung erhob ih ein un beschreibliher Tumult, bei dem der 'Sozialist Hubin den Nedner anspie. Einem Antrag, daß die Kammer dem in Frage lommenden Gemeinderat einen Tadel ausspreche, widerseßte sich der Véinister prêsident, blieb aber mit seinem Protest in der Minderheit. Unter großer Erregung wurde die Sißung ges{lossen.
Türkei.
Nach einer Mitteilung des Präsidiums der Deputierten fammer ist der vorgestrige Zwischenfall in der Kammer bereits geregelt. Wie „W. T. B.“ meldet, hat der Abg. F8mail Kemal dem Großwesir erklärt, er ziehe seine Worte, die keine Jnsinuation für die Regierung bedeuteten, zurück. Darauf hat der Großwesir Hakki Pascha den Zwischenfall für erledigt erklärt, und der Abgeordnete, der Kemal die Ohrfeige verseßt hatte, hat sein Bedauern ausgesprochen.
Jn der gestrigen Sizung hat die Deputiertenkammer die Vorlage, betreffend die Einrichtung eines Staats\ch iff fahrtsdienstes, der besonders für Militärtransporte bestimmt ist, genehmigt. Das Kapital wird durch eine Anleihe von 500 000 Pfund beschafft, wofür der Schaß haftet. Die Kammer hat ferner dem Budgetprovisorium für März sowie dem türkisch - bulgarishen Handelsvertragsprovisorium zugestimmt.
GriechenlanD.
Die zur Untersuchung des Zwischenfalls bei Do- menikon entsandte türkish-griehishe Kommission, bei der nch auch der türkische Konsul von Larissa sowie mehrere Militär ärzte befinden, hat nah einer Meldung der „Agence d Athènes“ folgendes festgestellt :
n einem vollständig unversehnten Grabe wurde die Leiche des
türfisWden Soldaten Halil gefunden, die vier Schußverleßzungen und eine Wunde an der Schulter, aber keine Verstümmelung irgend welcher Art aufwies: die Schulterwunde dürfte von cinem Bajonettstich her- rühren. Die frühere Mitteilung der türkishen Botschaft in Berlin, in ter von ciner Verstümmelung die Nede war, erscheint somit völlig unbegründet. Bulgarien.
Der König Ferdinand ist, „W. T. B.“
von Wien in Sofia wieder eingetroffen.
zufolge, gestern
Amerika.
Das amerikanische Kriegsdepartement hat, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, die Mobilisierung von nahezu 6000 Mann längs der Grenze von Mexiko befohlen. Eine amtliche Erklärung zu der Mobilisierung besagt, daß der Präsident Taf t diese Maßnahme angeordnet habe, um den ganzen Mechanismus einer Mobilmachung in größerem UÜnifange als je zuvor zu prüfen. Die Mobil machung wird vorgenommen zur Widerlegung der Be- hauptungen, daß die Armee der Vereinigten Staaten auf einen wirklichen Krieg niht vorbereitet wäre. 90 000 Mann werden in Teras unter Führung des Generals Carter, des Gehilfen des Generalstabschefs, zusammengezogen. Auch die Flotte wird in den geplanten Manövern eine Rolle
dem Oberbefehl des Konteradmirals Staunton in den Gewässern von Texas im Verein mit der Landarmee operieren.
De Staatssekretär des Jnnern Ballinger hat seine Demission gegeben.
Afrika.
Der König von Sachsen ist, nah einer Meldung des „W. T. B.“, mit Gefolge in Melut eingetroffen.
— Wie aus Fes vom s. d. M., der „Agence Havas“ zufolge, gemeldet wird, sind die Verbindungen zwischen Fes und Rabat anscheinend unterbrochen, diejenigen A Fes und Tanger sollen bedroht sein. Scherardareiter jaben einen Abgesandten El Glauis angegriffen. Die mit den Scherarda verbündeten Beni Hassen hindern die von El Glaui zu Hilfe gerufenen Truppen, aus dem Süden von Rabat nach Fes zu marschieren. Da die Scheraja und Uled Diama abzufallen drohen, hat der Sultan eine von französischen Offi- zieren befehligte Mahalla gegen die Abtrünnigen aufgeboten.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sipßungen des Rei chs- tags und des Hauses der A bgeordneten befinden sich in der Ersten, Zweiten und Dritten Beilage.
Jn der heutigen (142.) Sißzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke bei- wohnte, stand der Etat der Reichs post- und Telegraphen- verwaltung zur Beratung.
Referent über die der Budgetkommission überwiesenen Teile dieses Etats ist der Abg. Be ck- Heidelberg (nl.).
Die Erörterung begann beim ersten Titel der fortdauernden Ausgaben „Staatssekretär 44 000 M“.
Abg. Groeber (Zentr.): In der neuen Besoldungsordnung für die Neichésbeamten i} hinsichtlich gewisser Klassen von Postbeamten dur das „Unannehmbar“ ter Staatssekretäre des - Neichspostamts und des Neich¿shatßzamts eine Lücke gerissen und statt der Wieder- herstellung der Zufriedenheit und Nuhe ein Zustand ter Unzufrieden- heit und Aufregung beinahe in Permanenz erklärt worden. Am Meichstage liegt das niht; der war bereit, den als berechtigt ertannten An- sprüchen dieser Kategorien auch gerecht zu werden. Die Frucht ist das s{leunige Wiederaustauchen von Resolutionen, die den Zweck verfolgen, die eben erst Gese gewortene neue Gehalt8ordnung zu revidieren. Die Sozialdemokraten fordern cine Revision zur „an- gemessenen Erhöhung ter durchaus unzulänglichen Bezüge der Post- unterbeamten": die Herren von ter fortshrittlichen Volkêpartei wünschen die Ausgleichung der unbeabsichtigten Härten , Tie durch die Regelung ter Bezüge der Postunterbeamten geschaffen sind. Wir unsererseits knüpfen an den Postetal an, um die Forderung einer alébaldigen Vorlegung cincs Gesetzentwurfs zur Neu regelung der Dienstverhältnisse der Reichsbeamten zu erheben.
(Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (44.) Sißung, welcher der Minister der geistlichen 2c. Angelegen- heiten D. von Trott zu Solz beiwohnte, die Beratung des Etats des Ministeriums der geistlihen und Unter- rihtsangelegenheiten und zwar die allgemeine Debatte bei dem Titel der dauernden Ausgaben „Gehalt des Ministers“ fort, mit der die Beratung des Etats des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, Titel „Gesand tshaften“, verbunden wird.
Abg. Ströbel (Soz.): Die gestrige Debatte wird manchen enttäusdht haben. Hatte man doch wieder einmal von der fochenten Volksseele gesprochen. Die Nede des Zentrumsvertreters war außerst friedli, ja phlegmatisch. Herr von Heydebrand hielt seine shüyende Hand über dem Zentrum, was niht verwunderlid) ist. Haben doch Zentrum und Konservative ein Schuß- und Trußbündnis geschlossen. Die Negterung ist auch weiter nichts als das (Frekulivorgan der Konservativen. Der nationalliberale Redner wüns{te dem Minister vräsidenten, er möge mit den Bismarckschen Kürassierstiefeln gegen über der Kurie auftreten. Was nützen diese Kürasßierttiefel, wenn nit die entsprehenden Waden darin steten! Der fkreißende Berg hat gestern ein armseliges Mäuslein geboren. Was nüßk es denn, wenn die fkfatholishen Oberlehrer, die den Modernisteneid ge- leistet haben, später niht mehr im Deutschen und in der Geschichte Unterriht geben dürfen? Die Volksshule wird nach wie vor der Kirche ausgeliefert sein. Ein wahrhaftiger Kulturkampf wäre die Trennung von Staat und Kirche und die Befreiung der Sule von der Kirche. Das will man nicht, das wagt man nicht, weil man das Volk in geistiger Abhängigkeit erhalten will. Aus eigener Kraft können die Herren nichts Nechtes für die \chul- entlassene Jugend aufbringen, darum sind sie auf die Subvention des Staats, auf die eine Million angewiesen. Herr von Heydebrand berief sich mit Emphase auf die 260 Millionen für das Elementar- unterrihtswesen gegenüber den 140 Milltonen im Jahre 1900. Wenn man aber die Zunahwe der Bevölkerung berücksihtigt und die Ausgaben für die Aufbesserung der“ Gehälter der Geist- liden und Lebrer von jener Summe abzieht, so ist das Bild ein ganz anderes. Der Militarismus vershlingt den Paupt- teil der Steuern. Jeder Soldat kostet 2000 4, während auf den Kopf der Volköschüler nur 40 4 entfallen. Manche Schul- gebäude gleihen heute noch Schweineställen, und heute noch gibt es eine große Zahl übecfüllter Klassen und Halbtagsshulen. Mit den preußishen Volksschulen kann man niht renommieren, wenn au] einen Lebrer nicht weniger als 63 Schüler kommen. Daß Schulkinder von 5 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends für 50 S auf den Gütern arbeiten müssen, ist eine Shmach und Schande; wenn den Kindern beim Nübenziehen die Kräfte erlahmen, so werden sie durch Schnapys gestärkt. Das Zentrum spielt sich neuerdings als besondere Stütze von Altar und Thron auf. Es war nicht immer so. 1906 {rieb die „Kölnische Volkszeitung" sehr energish gegen den zaristishen Absolutismus. Der Antimodernisteneid richtet sih auch gegen den Protestantismus, deshalb mußte auch Herr von Heyde- brand eine gewisse Mißbilligung aussprehen. Der Eid ent- hält eigentlich nichts Neues; das Einzige, das bei der ganzen Sache herauskommt, ist, daß die Lehrer, die den Eid ge- leistet haben, nidt mehr in Deutsch und Geschichte unter richten sollen. Es bleiben die Fakultäten und die geist lien Oberlehrer, und es bleibt die Gesandtschaft beim Vatikan. Wir verlangen eine reinlihe Scheidung zwischen Wissenschaft und Glauben. Die ganze theologishe Forshung ist keine Wissenschaft. Dur die freie vrotestantishe Forschung sind die Dogmen und Glaubenssäße ara ins Wanken geraten. Die Orthodoxen wollen dem Volke die MNeligion erhalten, aber die liberalen Forscher find noch unduldsamer. Wenn die Gottcösohnschaft fällt, was bleibt dann überhauvt noch vom ganzen Christentum übrig? Die Professoren und Lebrer an den höheren Lehranstalten will man gegen Gewissens- drangsalierung s{chüwen, aber die Volksschullehrer zwingt man zur Heuchelei; sie follen an das religiöse Dogmenweik glauben oder wenigstens so tun. Erst neuerdings ist ein Bolks\{ullehrer scines Amtes enthoben worden, weil er aus der Landeskirche ausgetreten ist und keiner anderen Kirche beitreten wollte. (8 ist Heuchelei, wenn wan die Gewissensfreiheit nur für die oberen Jehntausend wahrt. Die Kirche hat das Recht auszuschließen, was ih ihr nit unterordnen will; aber dann darf sie niht Staats
spielen. Eine starke Flotte von Panzerkreuzern, unter denen sich
auch die 5. Division der atlantischen Flotte befindet, wird unter
kirhe sein. Wenn man für die Universitätslehrer einen Dibtpens zuläßt, dann {aft man zweierlei Maß. Die Volksschule foll
tem orthotoxen Geist unterworfen, die Volksschüler sollen in Dummheit und Abhängigkeit erhalten bleiben. Selbst die National- liberalen pfeifen auf die freie Forshung, wenn das Volk in Frage kommt; fie haben ja selbst die fkonfessionelle Volksschule erhalten helfen; das ist ein Schandfleck für ewig. ie Universitäten werden auch mehr und mehr ein Sptelball fapitalistisher Interessen; man geht jeßt dazu über, geradezu Korruptionsfonds für sie zu schaffen. Wenn der Kapitalismus Gelder für die Wissenshaft aufbringt, so muß er doch wünschen, daß diese Gelder in seinem Sinne verwendet werden. Die Affáäre Bernhard an der Berliner Universität zeigt dieselbe Tendenz; es handelt sich dabei um den Kampf des Kapitalismus egen den Kathedersozialismus von Sering, Wagner und Schmoller. Ver Marxismus wird als Lehrmeinung an unseren Universitäten nicht geduldet; Konrad Schmidt, Michels, Arons sind als Marrxisten zurückgewiesen worden, Arons durfte nicht einmal Physik an der Berliner “ Universität lehren. Eine Scharfmacherprofessur, die von den Kapitalisten auëgehalten wird, ist au die Professur des Herrn Ghrenberg. Kann man da noch von einer freien Wissenschaft reden? Wir fordern unbeschränkte und unbedingte Zulassung der Männer der Wissenschaft zu den Unirersitätslehrslühlen, wir fordern auch das Necht der Zulassung der Volksschullehrer zum Studium, wir fordern die frete politis{e Betätigung der akademischen Lehrer- haft. Wir fordern aber dieselbe Freiheit auch für die Studentenschaft, der niht bloß zu Wahlschlepperdiensten Freiheit gegeben werden darf. Die Studenten müssen berechtigt sein, über alle wirtscaftliben und sozialen Probleme zu diskutieren und darüber Männer aller Nichtungen zu hören. Von einem „Kulturstaat“ Preußen wird erst gesprochen werden können, wenn die Einheits\chule, die die große Mehrheit auch der Lehrer fordert, eingeführt und jedem intelligenten Sohn des Volkes die Möglichkeit, zum Hochschul- studium zu gelangen, gegeben fein wird. Ebenso ist die Kunst und ihre Pflege noch immer etn Privileg der oberen Zehntausend. Dem Streben der Arbeiterschaft nah Bildung auch auf künstlerishem Gebiete seßt die Verwaltung immer wieder die größten Scbwierig- feiten entgegen. Warum gibt es keine Opern- und Schauspielläuser für das bildungshungrige Volk ? Dafür ist kein Geld da, weil das Geld von dem fkulturwidrigen Militaritmus vers{lungen wird. Also schaffe man diesen ab und befriedige den Bildungshunger des Volkes! Dann wird auch der Kampf gegen die Schundliteratur erst siegreih auf- genommen werden können. Heute amüsieren s weite Schichten des Bolkes in Tingeltangeln und ähnlihen zweifelhaften Stätten des Genusses. Dabei liegt eine bohe geistige, {öpferische Kraft im Volke, was die ftattlihe Zahl der aus Arbeiterkreisen her- vorgegangenen Dichter und Schriftsteller aller Völker be- weist. Die Sozialdemokratie gibt \sich alle Mühe, wahren Kunst- und Uteraturgeschmack zu verbreiten, indem fie wirklih gediegene Arbeiten, Nomane usw. in ihren Organen ver- öfentliht, während in den konservativen Zeitungen, ja {selbst in der „Germania“, fast nur Schund, Schund und wieder Schund geboten wird. Die Herren rechts verstehen unter Schundliteratur nit das literarisch Minderwertige, sondern auch das, was thnen der Tendenz wegen nicht paßt. Uliencron, einer der bedeutendsten Lyriker Deutschlands, hatte nit der Gleicbgültigkeit kämpfen müssen: \{ließlich hat man durch Almosen das Unrecht wieter gutzumachen gesucht. Wir haben uns für Liliencron, obwohl er ein konservativer Mann war, von Anfang an eingeseßt. Wahre Kultur kann nur in einem wahrhaft sozialen Staate gedeihen. Ein sozialer Staat wird aber nur dur ein freies Wahlrecht zu erreichen sein (Lachen rechts). Lachen Sie zehnmal, das Volk wird fich seine Rechte erkämpfen. Wir werden daran mit- arbeiten, daß endlich der preußishe Staat cin Kulturstaat wird. Nun noch einen Appell an die Nationalliberalen ! Besinnen Sie fich auf Ihre alte Tradition, auf Ihren alten Kulturkampf, den Sie gegen die geistige Reaktion aeckämpft haben, nicht mit öder Kultur- kampfpaukerei, sondern durch wirklihes Eintreten für Kultur- ziele. Kämpfen Sie mit uns den Kampf um die politische Freiheit im Reihe und in Preußen, den Kampf gegen den blau- \hwarzen Block. Wenn Sie eine Spur von wahrem Liberalismus haben, so fügen Sie sh ein in den Kulturblock. Wir Sozial- demokraten werden aber auch fertig ohne Sie. Wir werden die Kristallisationéahse für den großen Kulturblock bilden, der sich unaufhaltsam vorwärts\chieben wird und, wenn Sie nicht mittun, auch über Sie hinweggehen wird. (Schluß des Blattes.)
Bei der gestrigen Reichstagsstihwahl im Wahl- Free Immenstadt nd W. L B zurolae für Dr. Thoma (liberal) 14286 und für Emminger (Zentrum) 12774 Stimmen abgegeben worden. Dr. Thoma ist somit gewählt.
Die Verwaltung der öffentlichen Arbeiten in Preußen 1900—1910.
; Der unter dieser Ueberschrift vom preußischen Minister der öffent- lihen Arbeiten Seiner Majestät dem Kaiser und König erstattete Bericht {ließt fich in seiner äußeren Anordnung an den früheren an, der vom Minister der öffentlihen Arbeiten über seine Ver- waltung während des vorhergehenden Jahrzehnts (1. April 1890 bis 31. Marz - 1900) erstattet i, Vie in Tnabper Form gehaltene sachliche und klare Darstellung umfaßt eine unend- lihe Fülle des Wissenswerten und läßt die großen Fortschritte erkennen, die auch im leßten Jahrzehnt auf allen berührten Gebieten gemacht worden find. Wohltuend berührt namentlich der überall sit bare menschenfreundlihe Zug, der die Verwaltung durchweht, sodaß die Fürsorge für das Personal und die Betriebesichcrheit als eine ihrer wichtigsten Aufgaben hervortritt. Besonders erfreulich sind auch die Fortschritte in den gemeinschaftlihen Verkehr8einrihtungen der deutschen Eisenbahnen. .
Die „Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahnen“ veröffentlicht
aus der Feder ein Fahmanns in ihrer soeben ersdienenen 19. Nummer einen Auszug aus der Fülle dcs in dem Bericht Mitgeteilten, dem die folgenden Angaben entnommen sind. Wer si eingehender unterrichten will, sci darauf hingewiesen, daß der Bericht jeßt in Buchform im Verlag von Julius Springer in Berlin vorliegt. Aus dem 1. Abschnitt über das Ministeriu m der öffentlichen Arbeiten selbst ist die infolge der gewaltigen Entwicklung der Elektrotehnik nötig gewordene Einrichtung einer den Eisenbahnabteilungen angereihten besonderen maschinentechnishen Abteilung zu erwähnen. Achnlich ist bei der Staats- bauverwaltung im Jahre 1903 die bisherige Abteilung für das Bau- wesen in eine Abteilung für den Wasserbau und eine solche für den Hochbau und die übrigen Geschäfte zerlegt, ein besonderer Unterstaats sekretär an die Spitze der gesamten Staatsbauverwaltung gestellt und im Jahre 1908 bei ihr noch eine dritte Ministertialdirektorstelle für admini]trative, finanzielle und wirtschaftliche Angelegenheiten geschaffen worden. Die Angelegenheiten des Kleinbahnwesens werden s\eit 1904 von den Eisenbahnabteilungen bearbeitet. Der Geschäfts- umfang des Ministeriums ist fo gewachsen, daß die Zahl der vor- tragenden Nâte von 5l auf 63 gestiegen ist, wovon 34 den Eisenbahn- und 29 den Bauabteilungen angehören. __ In dem Abschnitt über die Akademie des Bauwesens wird te Aenderung des Prüfungswesens im Baufah erwähnt, wonach vou L April 1903 ab die bisherige Vorprüfung und erste Hauptprüfung sur den Staatsdienst im Batfache durch die Diplomprüfung an den Technischen Hochschulen ersetzt ist und die tehnishen Prüfungsämter zum 1. Juli 1904 aufgelöst wurden. Diese Aenderung führte weiter zum Erlaß neuer Vorschriften über die Ausbildung und Prüfung für den Staatsdienst im Baufah vom 1. April 1906. y
Am Schluß des ersten Abschnitts wird der Errichtung des
us sel
Nerkehrs- und Baumuseums gedachbt, das am 14. Dezember 1906 in Gegenwart des Kaisers eröffnet wurde.
Der 2. Abschnilt handelt vom Eisenbahnwesen. Im Laufe des Jahrzehnts, vom 1. April 1900 bis 31. März 1910, hat ih das preußisch-hessishe Cisenbahnneß von rund 30 348 auf 37 163 km, also um 6815 km oder um 22,5 9% vergrößert. Von diesem Zuwachs entfallen 119 km auf die Main-Neckarbahn und 1093 km auf den Erwerb von Privatbahnen. Von der Bergverwaltung wurde im Jahre 1903 Fischhausen - Palmnicken und 1905 die Schmalspurbahn : Lossowitzweiche - Friedrihshütte Übernommen, 9978 km neue Bahnen sind mit rund 889 Millionen Mark Aufwand erbaut. Von den preußischen Neubaulinien (5035 km) fallen auf die sechs öôstlihen Provinzen 3056, auf die se{chs westlichen 1979 km. Der Zuwachs beträgt in ganz Preußen 18,71 9/6, und zwar im Osten 22,509/0, im Westen 14,85 9/69. Im Bau befanden sich am Schlusse des Abschnitts rund 1400 km, 1000 km waren geseßlich ge- nehmigt, aber noch nit in Angriff genommen.
___ Von dem preußish-bessishen Staatsbahnneß entfallen auf Hauptbahnen 58,90 9/9, auf vollspurige Nebenbahnen 40,46 9/9, auf die Schmalspur 0,64%/,. Von allen diesen Bahnen liegen in Preußen 88,84 9%, in anderen deutschen Staaten 11,14%, tim Aus- lande 0,02 9%. Von den preußischen Strecken kommen auf 10 000 Einwohner in den östliczen Provinzen 9,40 km, in den west- lien 7,47 km, auf je 106 gkm Fläthentnhalt im Osten 8,68 km, im Westen 10,63 km. Eine dem Bericht beigefügte Karte und verschiedene Uebersichten lassen Näheres über die Entwicklung des Staatseisenbahnneßes während des Jahrzehntes und den Stand am Ende erschen. Weitere vergleichende Zusammenstellungen aus der Zeit Enve_1907 über den Cisenbahnbestand Preußens, Bayerns, Sachsens, Oestereih-Ungarns, Großbritanniens und Frankreichs führen zu dem Schluß, daß im Verhältnis zur Einwohnerzahl nur in Bayern und Frankreich die Länge ter Eisenbahnen größer ist als in Preußen. Ueber die Gleisvermehrung ist kurz zu sagen, daß 3343 km zweite und 212 km dritte oder vierte Gleise erbaut sind, darunter 337 km besonders im Interesse der Landespverteidigung. Der Oberbau ift weiter ausgebildet. Von dem Schienen- gewiht von 41 kg/m des Jahres 1899 gelangte man {hon 1906 auf 45 kg/m bei den Hauptbahnen. Ießt werden für belastete Schnellzugsstreken nur noch Schienen dieses Gewichts be- schafft. Der Zuwachs dieser Form gegen 1900 beträgt 3740 km der der 41 kg-Schiene 16900 km. Für diese Verstärkung des Vberbaues find teilweise außerordentlihe Geldbewilligungen von zufammen 90 000 000 4 in Anspruch genommen. Auch die Schwellenzahl ist vermehrt, die Befestigungs- und Verbindungs- teile kräftiger autegestaltet, die Hakennägel dur Schwellen- shrauben erseßt, die Scbienenstöße sind durch Breitschwellen unterstüßt und befestigt. Die Zahl der Schienenstöße wird durch Einführung der Schienenlänge von 15 m statt früher 12 m auf den Schnellzugsstreken und der Schiene von 12 m Lnge statt früher 9 m auf den übrigen Strecken verringert. Der Bericht erinnert dann an die zahlreichen neuen Gifenbahnbrücken über den Rhein und andere deutshe Ströme, namentlih an v großen Brücenbauten bei Cöln die teils vollendet, teils im Gange sind. : E Sehr umfangreich sind die Vermehrungen der Stationen (Bahnhöfe 1.—3. Klasse, solche 4. Klasse oder Haltestellen und Halte- punkte), deren Gesfamtzahl von 5323 auf 7088 gewachsen ist. Für Neubau und Erweiterung von Stationen und Rangier- bahnhöfen und für die Herstellung der dazu gehörigen Anschluß-, Hafen- und Verbindungsbahnen sind in dem Jahrzehnt 1909/10 nicht weniger als 888 868 000 6 aufgewendet und bewilligt worden. Davon entfallen beisptelêweise auf Leipzig 43 239 000, auf Hagen (Westfalen) 27 820 000 Æ, auf Bremen 16 800 000 4, auf Spandau 16 100 000 M, auf Kalk Nord 15 200 000, auf Neunkirchen 12 300 000, auf Vohwinkel, Herne, Frantfurt (Oder), Görliß, Dortmund (weitere Kosten), Berlin (Friedrichstraße) Beträge von je 10—11 Millionen Mark. Riesige Summen find für die Herstellung von Verbindungs- und Umgehungs- bahnen, Umgestaltung und Ausbau von Bahnanlagen aufgewendet worden: es seien hier nur erwähnt die Umgestaltung der Bahnanlagen in und bei Côln (rund 49 Millionen Mark), zwishen Lehrte und Wunstorf (rund 47 Millionen Mark), zwishen Esffén und Oberhausen (rund 174 Millionen Mark), zwishen Bochum und Dortmund (12 300 000 (6), die Umgehungsbahn bei Elm (11 721 000 4). Die Herstellung der Dampffäh1verbindung Saßnitz—Trelleborg (ohne die Schiffe) hat 4 300 000 M4 gekostet. ; Zahlreiche Erweiterungen und Neubauten sind im Werkstätten - wesen zu verzeichnen. Für neue Werkstätten find allein 55 Milltonen Mark ausgegeben. Ueberall i elektrische Beleuhtung und Kraft- antrieb eingerihtet. Die Zahl der Werkstättenarbeiter ist von 47 416 im Jahre 1900 auf 69 282 im Jahre 1909, also um 46 9/9 gestiegen. Die meisten Bahnhofsanlagen von Bedeutung und au viele kleinere find mit elektrisher Beleuchtung versehen. Es sind beute etwa 37 000 Bogenlampen und 210 000 Glüblampen vorhanden. Vielfach wird auch Gasglühlicht und Petroleumaglühliht verwendet.
Jn der Organisation und Verwaltung is vor allem durch die Errichtung des Königlichen Eisenbahnzentralamts in Berlin eine wesentlihe Entlastung der Eisenbahndirektionen und eine einheitliche Regelung einer großen Anzahl wichtiger Angelegen- heiten (insbesondere Fahrzeug- und Materialbeshaffung und Wagen lauf) erzielt worden. Von besonderer Wichtigkeit ist, daß ihr die Ge schäftsführung und die Leitung in einer großen Anzahl von Ausschüssen »bliegt, die für Angelegenheiten ihres GEeschästsbereichs zur Vorbereitung
Gntscheidung des Ministers aus Vertretern der Eisenbahn irektionen und aus Inspektions- (jeßt Amts-) Vorständen gebildet ind. ‘Eine sehr fein ausgeführte und anshauliche Kartenbeilage läßt den Umfang der Verwaltungsbezirke der preußish-bessishen Staats- bahnen und ihre örtlihe Abgrenzung erkennen.
Das P ersona l der Verwaltung (Beamte und Arbeiter) ift für das Jahr 1900 auf 350938 Köpfe ermittelt, die Zahl war bis 1909 auf 478 407, also um 36,32 9%/ gewachsen. Aus einer graphischen Darstellung ersieht man, wie die Zahl des auf das Betriebskilometer entfallenden Perfonals der gestiegenen Verkehrsdichtigkeit und der Ver- kürzung der Dienstdauer und Vermehrung der Nuhetage entsprehend bis zum Jahre 1907 fortdauernd gewachsen ist, während auf die Einheit der Verkehrsleistung bézogen, als welche 10600 Wagenachs kilometer angenommen sind, die Zahl des Personals von 0,0270 im Jahre 1900 auf 0,0244 mit einigen Schwankungen allmählich zurück- gegangen 11.
Sehr erheblich find natürlih die persönlichen Ausgaben, und zwar um 65,06 9/9 gewahsen. Infolge der Verbesserung der Be züge find diese Ausgaben auch im Verhältnis zu den Einnahmen, zur Betriebslänge und Betriebsleistung gestiegen. Der Aufwand für einen Kopf des Personals ift von 1360 #4 auf 1646 , also um 21,03 9% gewachsen Alles dies wird dur eine Abbildung veranschauliht. Die Zahl der etatsmäßigen Beamten stieg von 123552 auf 176 077, also um 42 9/09, das Berktältnis der etatsmäßigen zu den außeretatsmäßigen Beamten besserte sih erheblih. Der Anteil der leßteren an der Gesamtzahl sank von 10,16 auf 6,47 %/. Für eine Anzahl von Dienstobliegenheiten sind etatsmäßige Stellen neu geshaffen worden, so für Iottensührer, Schirrmänner (jet Nangiermeister), Oberbahn meister, technische Betriebskontrolleure, Triebwagensührer, Ingenieure und Landmesser. Auch für weiblihes Personal unter der Bezeichnung Eisenbahngchilfinnen ist dies geschehen. + ; __ Eine Besserung der Dienstbezüge für einzelne Beamtenklassen ist schon in den Jahren 1904, 1905 und 1907 erfolgt, im Fahre 1908 fand eine allgemeine Aufbesserung und Neuregelung der Gehälter statt. Der Mehraufwand für die Staatseisenbahnbeamten dur die Ein kommentverbesserung von 1908 beträgt 50 Millionen Mark.
__ Die Vorschriften für die Annahme und Ausbildung des Personals lind mehrfah verbessert, mittlere Beamte konnten infolgedessen in größerem Umfange durch geeignete Unterbeamte erseßt werden.
Die Regeln über die Dauer der Dienst- und Ruhezeiten des Betriebêversonals sind ununterbrohen zu dessen Vorteil fort- entwickelt. Unter anderem ist die Höchstdauer der Dienstschicht berab gesetzt ; besonters crgiebige Nuhezeiten find vor und nach den ein-
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und Nuhezeiten sollen zugunsten derer am Heimatsort auf das notwendige Maß herabgeseßt werden. Die preußischen Vorschriften find vielfach für andere Verwaltungen vorbildlich gewesen, sie waren die Grundlage für die im Jahre 1909 neu herausgegebenen, von ten deutschen Bundes- regierungen vereinbarten Bestimmungen über die Dienst- und Ruhe- zeit der Cisenbahnbetriebsbeamten. Die preußischen Sondervorschriften gehen über das hier festgeseßte Maß in wichtigen Punkten noch hinaus und gelten in ihren Grundzügen nicht nur für das Betriebs- personal , sondern auch für alle anderen Eisenbahnbediensteten. Eine anshaulihe Tafel zeigt, daß beispielsweise bei ten Lokomotivbeamten die Zahl der täglichen Dienststunden in Schichten bis zu 10 Stunden, die im Jahre 1900 nur 40,80 9/6 aller Dienststunden ausmahten, 1909 auf 50,33 9% gestiegen ist. In 12—14 stündigen Dienstshihten wurden 1900 noch 23 9%, 1909 nur noch 14,43 09/6 der, Dienststunden erledigt. Aehnlich ist die Zahl der vollen Nuhetage tin Monat gewachsen. Auch bei den Stations- beamten ist sowohl die Zahl der Dienstshichten von niht mehr als 10 Stunden gegenüber denen von längerer Dauer erheblich gestiegen, als auch die Zahl der Ruhetage im Monat vermehrt. :
Die Auswendungen für freie bahnärztlihe Behandlung der mittleren und unteren Beamten des äußeren Dienstes und ihrer An- gehörigen haben sich von 976418 4 im Jahre 1900 auf 2 432 756 im Jahre 1909 erhöht.
Die Dienstwohnungen wurden von 24 000 auf 31 200 ver- mehrt, außerdem wurden 1909 noch 21256 Mietwohnungen ver- waltungssfeitig vergeben. Í
Die Zahl der im Arbeiterverhältnis Beschäftigten stieg von 219 000 auf rund 294 000, also um 34,29%/. Die Durhschnittslöhne der Arbeiterschaft, die durch eine graphische Darstellung veranschaulicht find, stiegen im Laufe des Jahrzehnts 1900 his 1909 bei den Werk- \tättenarbeitern (mit rund 300 Lohntagen) von 1123 4 auf 1298 4, also um 15,1 0/0, bei den Betriebsarbeitern (mit Lohnbezug für alle Tage) von 938 auf 1144 #, also um 22,6 9/9, bei ten Bahnunter- haltungsarbeitern (mit rund 300 Lohntagen) von 683 auf 825 M, also um 20,8 09/9. Die Arbeiter erhalten fseit 1904 mit Nücksiht auf § 616 B. G-B bei vorübergehender unver- \huldeter Dienstverbinderung Lohnvergütung. Seit 1907 wotrd ibnen bei guter Führung und Leistung alljährliß ein Er- holungéurlaub von 4—8 Tagen gewährt. Im Jahre 1909 wurde rund 909/96 der hierzu Berechtigten Urlaub erteilt. * Die Zahl und Höhe der Belohnungen in Gestalt einmaliger Lohnzulagen nach Zurücklegung einer langjährigen Beschäftigungszeit (20, 25, 30, 35, 40, 45 und 50 Jahre) it fortwährend gestiegen. Die Einrichtung der Arbeiteraus\chüsse als Beiräte allgemeiner Angelegenheiten der Arbeiterschaft, die seit 1892 für die Werkstättenarbeiter bestand, ist im Jahre 1905 auf die Arbeiter aller übrigen Dienstzweige auê- gedehnt. Am 31. März 1910 waren 618 Ausschüsse vorhanden, die 145 317 Arbeiter vertreten. Die reine Arbeitszeit der Werkstättens arbeiter ist im Jahre 1906 von 94 Stunden auf 9 Stunden ohne Lohneinbuße herabgeseßt worden.
Sehr lebhaft war die Tätigkeit der Staatébahnverwaltung auf dem Gebiete der Wohnungsfürsorge. Zur Herstellung von Wohnungen für Bedienstete, die auf Dienstwohnung keinen Anspruch haben, wurden von 1890—19(9 mehr als 36 Millionen Mark verwendet, ferner im leßten Jahrzehnt 12,4 Millionen Mark für Errichtung von Wohnungen in den östlihen Grenzgebieten. Außerdem stehen aus den staatlichen Wohnungsfürforgegeseßen erheblihe Mittel zur Errichtung von Wohnungen zur Verfügung, bis 31. März 1910 hatten diese Beträge 45 Millionen Mark er- reiht, aus denen an 350 Orten 9740 Wohnungen geschaffen waren. Weiter wurden aus den Mitteln dieser Gesege Bau- darlehen an Baugenossenschaften zu gleichem Zweck gewährt, die Beträge belaufen {ih auf rund 28 Millionen Mark. Fernere 19 Millionen wurden aus den Mitteln der Arbeiterpensionskasse der preußisch-hessishen Cisenbahngemeinschaft gleichfalls als Baudarlehen gewährt. In den Häusern der so unterstüßten Baugenossenschaften halten am 31. März v. J. 9900 Eisenbabnbedienstete zweckentsprehende Wobnungen inne. Außerdem waren 52 500 staatseigene Dienst- und Mietwohnungen vorhanden. Man fkann annehmen, daß auf rund 100 Bedienstete mit eigenem Haushalt 14,8 Wohnungen kommen. Auch der Etgenhausbau wird durch Gewährung von Baudarlehen aus den Mitteln der Fürsorgegeseße lebhaft gefördert. Bis jeßt find 285 Ein- und 184 Zweifamilienhäuser fertiggestellt, 1 200 009 Darlehen zugesagt.
Das Werkstättenlehrlingswesen wird lebhaft gefördert, es waren am Schluß der Berichtszeit 68 Lehrwerkstätten mit 3089 Lehrlingen vorhanden. Gute Leistungen in der Gesellenprüfung und bei ausgestellten Lehrlingsarbeiten werden durch Geschenke, her vor- ragende durch Verleihung einer Lehrling8medaille in Kupfer, besonders ausgezeihnete durch eine folche in Silber belohnt.
Zum Zwelkke der Alters- und Invalidenversicherung und zur Gewährung von Sterbe-, Witwen- und Waisengeld besteht eine Pensionskasse für alle bei der Eisenbahnverwaltung beschäftigten versicherungspflichtigen Personen in zwei Abteilungen A und B. Die Verwaltung erfolgt unentgeltlich, die Cisenbahn zahlt außerdem einen Zuschuß in voller Höhe der Mitgliederbeiträge und seit 1906 zur Ab teilung B einen außerordentlidhen Zuschuß in Höhe von !/s der Gesamt- beiträge. Diese Abteilung gewährt zu den geseßlichen Leistungen Zusaßrenten, Witwen-, Waisen- und Sterbegelder. Seit 1900 bis 1909 ist die Zahl der zur Abteilung B gehörigen Arbeiter von 75 9% aller Arbeiter auf 90 9%%% gestiegen, die Zahl der Mitglieder von rund 175000 auf rund 290 000, die Höbe der gezahlten Pensionen usw. von 1 303914 auf 5 281 833 M, das Vermögen der Pensionskasse von rund 69 Millionen auf rund 149 Millionen Mark. In großem Umfange macht die Pensionskasse von dem Nechte zur Uebernahme des Heilverfahrens ertrankter Mit- glieder Gebrau. Insbesondere werden Lungenkranke in Heilstätten untergebracht. ie hat zwei eigene Lungenheilstätten: „Moltke- fels" bei Schreiberk „Stadtwald“ bei
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erhkau (140 Betten) und Melsungen (120 Betten), mit einem Kostenaufwand von rund 2 Mil- lionen Mark errihte. Im Jahre 1909 wurde 1268 Lungen kranken und 674 anderen Kranken ständige Heilbehandlung zuteil. Weiter wurden aus Mitteln der Pensionskasse Invaliden - beime erbaut. Solche sind seit 1904 in Jenkau bei Danzig, in Birkenwerder bei Berlin und in Herzberg a. Harz eröffnet, in denen am Schluß; des Jahres 1909 zusammen 128 Invaliden Aufnahme gefunden haben. Die Zuschüsse der Verwaltung zur Pensfionskafse belaufen ih für das Jahrzehnt 1900—1909 auf mehr als ) Millionen Mark
In den der Unfallversichherun
der Staatsbahnverwaltung stieg di 924 128 auf 306 690 Personen, die Zal von 21 325 auf 34 721, die Höhe 3 887 980 auf 7305 367 M. Die Zahl der Mitglieder der Eisenbahnbetriebs- Krankenkassen war ähnlich der der Unfallversiherten und stieg in der Betriebszeit um 39,6 9/9. Die Leistungen der Kassen gehen über die geseßlichen Mindestleistungen weit hinaus; sie gewähren freie ärztlihe Behand- lung und teilweise Heilmittel auch an die Angehörigen der Mitglieder, ferner Kranfkengeld für eine längere Zeit als die geseßlihen 26 Wochen und in größerer Höhe als ter geseßlihen von 5009/9 des Tages- verdienstes. Dementsprechend sind auch die Leistungen für ein Mit- glied, einen Erkrankungsfall und einen Krankheitstag wesentlich höher als bei dem Durchs(hnitt der Betriebskrankenkassen im Neich.
Am 1. Oktober 1904 ist vom „Allgemeinen Verbande der Eisen- babnvereine der preußischen Staatsbahnen und der Reichseifenbahnen“ cine Eisenbahnverbandskrankenkasse ins Leben gerufen, die gegen geringe Vergütung ein Sterbegeld und einen Zuschuß zum Krankengeld in der Höhe gewährt, daß die Erkrankten einen Lohn- ausfall nicht erleiden. Etwa 6609/9 der Mitglieder der Betriebs- franfenkofsen gehörten dieser Verbandskafse an, die au noch eine Arzneiversicherung eingerichtet hat.
Von der Verwaltung werden überdies Unterstützungen an Familien, die von Krankheiten heimgesucht sind, sowie an Anstalteu
erliegenden Betrieben Beschäftigten von Fntshädiaungsempfänger en Entschädigungen von
1) ton M Sto ortARAO »4y »F h io Im Arti o : C4 g V F j c I d f ; Fr F} f wöchigen Nachtdienstyerioden eingeführt, die auswärtigen Diensipausen | und Ne:cine, die fih der Krankenpflege witmen, für Einrichtungen der