Beginn auf den 1. August 1907 fes. Dadurch ist in ein {chwebendes Verfahren eingegriffen. Es ist noch zu berücksichtigen, daß der oberste Richter, der Oberrichter in Windhuk, in seiner Eigenschaft als Ver- treter des Gouverneurs in der Lage war, Gesetzgeber zu werden. Wir müssen bitten, daß in dieser Weise niht mehr Geseßgebung be- trieben wird, und daß durch die afrikanishen Beispiele das Nechts- bewußtsein und das öffentlihe Vertrauen in Europa nicht erschüttert werde. Wir entnehmen aus diesem Vorgang auch, wie berechtigt der Wunsch ist, bei dem Konsulargeseß eine dritte Instanz in Deutsch- land vorzusehen, die das Südwestafrikanishe Schußgebiet nötig hat, die aber auch das deutshe Nechtsbewußtsein nicht entbehren kann.
E des Reichskolonialamts Dr. von Linde- quist:
Meine Herren! Ich möchte zu dem, was ih gestern ‘aufgeführt habe, nur noch die kurze Bemerkung machen, daß der Oberrichter während dieser Zeit, wo diese Angelegenheit damals geshwebt hat, einmal 4 Tage lang vertretungsweise die Geschäfte geführt hat. Er hat aber in dieser Sache selbst, soviel mir bekannt ist — und ih glaube da ganz sicher zu sein —, damals nicht irgendwelche Ver- fügungen erlassen. Aber der Umstand seiner Vertretung dürfte mit ein Grund gewesen sein, daß man sich einigte, es sollte hier in Deutsch- land ein Schiedsgericht stattfinden. Dann hat dieses Schiedsgericht sta't- gefunden, und es haben sich nachher die weiteren Vorgänge fo abgesptelt, wie ih gestern gesagt habe. Es ist klar, daß, wenn dieses Schiedsgericht tatsächlich auch von den anderen Firmen akzeptiert worden wäre — und daß die Absicht bei ihnen bestanden hat, es zunächst zu akzeptieren, das ist ganz klar, sonst hâtte niht die Firma den Streitgegenstand auf 13 Million angegeben und auch die Gerichtskosten für 1} Million bezahlt —, dann wäre die Sache zu Ende gewesen. Nur dadur, daß nachher die Firma, wie sie niht recht bekam, sondern die Negierung, sich auf einen anderen Standpunkt stellte und die Sache von neuem aufrollte, sind dann diese Meinungsdifferenzen entstanden, sodaß es, nach Meinung des Gouvernements, notwendig werde, hier zu entscheiden. Es ist ganz zweifellos, daß wenn die Re- gierung unterlegen wäre, — ich habe das gestern hon ausgeführt — und wir hätten nun unsererseits gegen andere Firmen noch geklagt, daß dann die Ansiedler sich sehr beklagt und gesagt haben würden, es sei ein Zeichen von Illoyalität von seiten der Negierung; natür- lih, wo es anders gekommen ist, stellen sie sich jeßt auf den entgegen- geseßten Standpunkt. Ich glaube, daß das sehr tin Berücksichtigung zu ziehen ist, abgesehen davon, daß materiell die Kaufleute jedenfalls
nicht im Nechte sind. Wegen der Verjährung wird Herr Direktor Dr. Conze das Wort
nehmen.
Direktor im NReichskolonialamt Dr. Conze: Es handelt Bs nicht darum, daß durch eine Na Ge Gouvernementsverordnung eine bereits eingetretene Verjährung wieder beseitigt worden wäre. Eine Verjährung konnte überhaupt nicht eintreten in so kurzer Zeit, weil die in Betracht kommenden Nachzölle bereits zur Hebung gelangt waren. Es handelt fih ausscchließlich darum, daß man dem Gouverneur die Er- mächtigung gab, Nachzölle rückwirkend einzuführen, und zwar war ibm diese Ermächtigung für eine rückwirkende Zeit von 3 Jahren gegeben. Bei genaueren Untersuchungen stellte sich aber heraus, daß die Einfuhr der betreffenden Waren bereits vor diesen drei Jahren erfolgt war, daher mußte die Verordnung berichtigt werden, sie mußte sih, wenn sie Wirkung haben sfollte, auf 5 Jahre erstrecken. Materiell lag kein Grund vor, die Nachzölle aufzuheben. Die Notwendigkeit und Nüßlichkeit einer Nachverzollung ist allgemein anerkannt, ihre Durchführung scheiterte nur an einem fleinen for- mellen Mangel, und dieser ist beseitigt.
Abg. Dr. Semler (nl.): Das S Ribren des Gouvernements und des Kolonialamts war kein sehr glückliches. Jh glaube, auch wenn der Schiedsspruch gegen die Regierung ausgefallen wäre, hätte sich keine Es gemeldet. Materiell ist recht geschehen, und das ist das Wesent- iche. Durch Vereinbarung in der Budgetkommission ist die Haupt- frage, die das Publikum am meisten E die Diamantenfrage, ausgeschieden. Auf der anderen Seite bestand Uebereinstimmung darin, daß fie so bald wie möglich endgültig geklärt werden muß, damit den Spekulationen ein Ende bereitet und die Kolonie nicht geschädigt wird. Wir sehen in der Geschäftslage auch davon ab, andere wichtige Fragen zu erörtern : die Errichtung von Schulen, die Er- s{ließung des Ovambobezirkes, die Grundbesißfrage, die Landeskultur und Wasserfrage, die alle dringlih find. Leider hat sich wieder ein Wechsel 1m Gouvernement vollzogen. Das System Shuckmann war allerdings kein Segen. Wenn es etwas Gutes gehabt hat, so war es der BVorteil, daß Beamte gespart wurden. Jetzt bekommen wir aber die Nackenschläge. Im Nachtragsetat sind eine Unfumme von Stellen enthalten. Es erhebt sich die Frage nach der bureaukratischen Verwaltung, die gestern \hon mein Parteifreund Dr. Paasche behandelt hat. Hoffent- lich wird der neue Herr im Schußtzgebiet die kaumännische Leitung besser fördern. Dem bureaukratishen Zug, der früher sehr stark durch das Kolonialamt ging, muß ein Ende bereitet werden. Das gilt be- fonders für den Außendienst. Für diesen hat man nte das volle Ver- ständnis entwickelt. Man hat die Beamten, die sich draußen Verdienste erworben haben, nicht befördert, ihnen feinen Ratstitel oder dergleichen gegeben, der ihnen später ihr Fortkommen erleichtert hätte. So sind viele verstimmt und verdrossen aus dem Kolonialdienst geschieden. Da- gegen möge der Staatssekretär seine ganze Kraft einseßen. Nur noch eine kurze Frage. (Zuruf des Abg. Ledebour: Ist der Natstitel auch eine kurze Frage?) Es mag vielleicht etwas kleinlih erscheinen, aber es hat doch seine Wichtigkeit. Im übrigen habe ih den Cindruck, daß ih mi bei unwichtigen Dingen nie lange aufgehalten habe. Der jeßige Zuschuß an die Kolonien ist auf die Dauer unerträglich. Sobald die Bahn vollendet ist, müssen wir zu einer Revision der Militärlasten s{chreiten. Dann wird eine Dislokation der Polizei- und Schußtruppen möglich sein, die eine Verringerung gestattet. Cine weitere Forderung ist die Vorlage eines Wehrgeseßes. Wir müssen in Fällen der Not Reserven an Mannschaften und aus- gebildeten Offizieren haben. Es ist abfolut verkehrt, daß die Bezirks- tommandos in Deutschland noch immer die Gestellungsorder aus- fertigen. Wir werden im nächsten Jahre auch prüfen müssen, inwieweit die Polizei noh mit Gerichtsdiensten befaßt ist. 6000 für den Mann sind viel zu viel. Vor Jahren haben wir {hon darauf hingewiesen, daß es wünschenswert wäre, die Schulden der Kolonien nicht als einheitlihe Schußzgebietshuld zu behandeln, fondern die Reichsgarantie, die wir ja übernehmen müssen, für die Schulden der einzelnen Kolonie zu geben, anstatt fie für die ganze Schußzgebiets\{huld zusammenzufassen.
Abg. Schwarze - Lippstadt ( Zentr.) geht ebenfalls auf die Frage der Nachverzollung ein, wobei die Verwaltung augenscheinlich keine glüd- liche Hand gehabt habe; die Zahl der Verordnungen müsse verringert werden. Der Nedner beschäftigt sich dann mit der Beamtenfrage, der Frage der Ve-ringerung der Schußtruppen und wendet sih gegen die Ausführungen der Abgg. Ledebour und Noske wegen der Viehhaltung in Südwestafrika.
Abg. Dr. Ar ning (nl.): Ueber die Frage der Nachverzollung habe ih mih schon im vorigen Jahre ausgesprochen. Die Art, wie E Berordnungen in die Sache eingegriffen worden ist, muß tatsächlich zu einer Rechtsverwirrung führen. Hoffentlich wird die Frage der Errichtung eines Kolonialgerichtshofes auch hierin einen Fort- ritt bringen. Man hätte doch auf die Beteiligten eine gewisse Nücksihht nehmen und Milde walten lassen sollen, indem man ihnen einen bestimmten Prozentsaß erstattet. Die FJniporteure haben gerade mit Nücksicht darauf, daß die Truppen noch längere Zeit dort
deutende Verluste erlitten. Mit Rücksicht Hierauf sollte man ihnen einen Nachlaß in der Steuer konzedieren. :
Abg. Ledebour (Soz.): Ich wollte den Staatsfekretär fragen, ob er gewillt ist, diejenigen Verordnungen aufzuheben, die darauf hinzielen, die Hereros und verschiedene Hottentottenstämme in vollständiger Abhängigkeit von dem Belieben der Pflanzer zu erhalten, vor allem diejenige Verordnung, die die Groß- viehhaltung an die Genehmigung des Gouverneurs knüpft. Tat- sächlich handelt es sih um ein Verbot, denn die Verordnung führt zu demselben Resultat. Das Zentrum hat in diesem Punkte seine Haltung geändert. A8 der Freisinn hat hier versagt. Das Zentrum trägt aber die Hauptshuld daran, daß die Verwaltung gegenüber unserem früheren Beschlusse wegen Zuteilung von Land eine beklagens- werte Lethargie an den Lag legt und Ausflüchte maht. Gegen den Abg. Schwarze-Lippstadt erhebe ih den s{chweren Vorwurf, daß er für die Nehte des Parlaments nicht ‘eintritt. Und nun verant- worten Sie 1ich. i 1
Abg. Dr. Goller (fortschr. Volksp.) tritt lebhaft au für Ver- minderung der Polizeitruppen ein. Man sollte nicht E Sergeanten und Wachtmeister für diesen Dienst verwenden, sondern junge Bastards. Die Bestrebungen der südwestafrikanishen Be- völkerung um Gewinnung einer Selbstverwaltung unterstüße feine Partei, nur dürfe man dabei nicht shablonenhaft vorgehen und einer Bevölkerung die Selbstverwaltung niht aufdrängen, wo sie nicht hinpasse. Die Malaria habe leider in einzelnen Gebieten zugenommen ; man sollte si freuen, wenn man aus der Mitte der Selbstverwaltung sich bemühe, dieser Seuche entgegenzutreten. Statt dessen habe die Zentralverwaltung in bureaukratishem Geiste Kompetenzbedenken er- hoben. s M Abg. Dr. Wagner-Sachsen (dkonf.): In der Frage der Nach- verzollung kann man gegen die Kolonialverwaltung eigentli keine Vorwürfe erheben. Ob aus Billigkeitsgründen ein Nachlaß zu ge- währen is, muß die Kolonialverwaltüung entscheiden. l
Abg. Dove (fori Volksp.) : Jch habe geglaubt, daß das Haus in der Verurteilung der Nachverzollung einig sei. Nachdem aber der Abg. Dr. Wagner davon eine Ausnahme gemacht hat, muß ih doch dazu etwas sagen. Er sieht in jeder Nachwirkung eines Geseßes etwas Ab- normes. Es ist hier niht der Gesichtspunkt von Necht und Billigkeit maßgebend gewesen, sondern die Nücksiht des Fiskus, hier einmal einen tühtigen Schluck® aus der Pulle zu tun. Die ordentlichen Ge- rihte haben doch anders erkannt als das Schiedsgericht, und um die Entscheidungen der ordentlichen Gerichte zu korrigieren, find neue Verordnungen erlassen worden. Hoffentlih wird der Kolonial- und Konsulargerihtshof hier Wandel schaffen.
Damit \chließt die Diskussion.
Jn persönlicher Bemerkung wendet sich der
Abg. Schwarz - Uppstadt (Zentr.) gegen die Ausführungen des Abg. Ledebour.
Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. von Linde- quist:
Ich bedaure, troß der vorgerückten Stunde noch auf einige Punkte eingehen zu müssen, die hier vorgebracht worden sind. Es ist davon gesprochen worden, daß das Verteidigungssystem in Südwestafrika ausgedehnt werden \olle. In dieser Beziehung ist bereits ein Geseßtz- entwurf in der Ausarbeitung und beinahe fertiggestellt.
Wenn die Malaria in dem leßten Jahre in Deutsh-Ostafrika zugenommen hat, so hat das ledigliÞh an Ausnahmeverhältnissen, besonders an der großen, ausnahmsweise starken Regenzeit gelegen, wie der Herr Abg. Dr. Goller auch {hon ausgeführt hat.
Wir find dauernd bestrebt, die Einführung von Munition und Gewehren für die Eingeborenen, die der Herr Abg. Schwarze vorhin erwähnte, nah Möglichkeit einzushränken, und es ist uns auch gelungen, in dieser Beziehung gerade mit Bezug auf Westafrika neuerdings ein Uebereinkommeri mit Fngland zu treffen, welches wesentlih dazu beitragen wird, namentlich in die Hinterlandsgebiete, die Einfuhr von Munition und Gewehren zu verhindern.
Dem, was der Herr Abg. Dr. Goller über die Polizei in Südwestafrika ausgeführt hat, kann ich mich im Gegensaß zu dem übrigen, was er sonst über Südwest gesagt hat, leider niht an- \{ließen. Jch kann durhaus nicht den Standpunkt teilen, daß wir in Südwestafrika zuviel Polizei hätten, — im Gegenteil, nah meiner Auffassung zu wenig. Wenn dem Gouvernement vorgeworfen ist, daß in Wilhelmstal bei dieser traurigen Angelegenheit keine Polizei vor- handen gewesen sei, so hat es wesentlich daran gelegen, daß nicht ge- nügend Polizei im Lande gewesen war. Was die einzelnen Punkte anbetrifft, ob einmal hier und da anscheinend zu viel Polizei kon- zentriert worden ist, so kann ich das natürli hier nit beurteilen. Wenn Herr Abg. Goller von Otjimbingwe sprach, so möchte ih nur aus meiner Landeskenntnis sagen, daß hinter Otjimbingwe das Khomas- holand liegt, das bis zum Quiseb geht, welches stets ein besonders beliebter Aufenthalt von Naubgesindel war. Ebenso liegt in der Nähe die ausgedehnte Tinkasfläche, die in die Namib übergeht, wo sich gleichfalls in erster Unie Diebe aufzuhalten ‘pflegen.
Als Schreibkräfte werden natürlich auch Polizeisergeanten ver- wandt, und das ist sparsam, denn die Polizeisergeanten können un- möglich das ganze Jahr über auf Patrouille sein (sehr richtig! rechts), sie müssen zwishendurch au wieder in den Stationen sich aufhalten, und wenn sie in den größeren Orten, besonders da, wo Bezirksämter find, auch zu Schretbarbeiten herangezogeu werden, so, glaube ich, ist das keine Vershwendung, sondern gerade eine Ersparnis. Zu Gerichts- vollzieherdiensten sollen sie — und da ist neuerdings wieder ein Erlaß des Gouverneurs in Südwestafrika ergangen — tunlichß nur heran- gezogen werden, soweit es möglich ist, diese Dienste gelegentlih ihrer regelmäßigen Patrouillenritte auszuführen. (Sehr richtig! in der Mitte )
Was die Selbstverwaltung betrifft, so is moniert worden, daß in Tsumeb und Usakos die Selbstverwaltung eingeführt würde. Ja, im allgemeinen wird immer gewünscht, daß die Regierung sih nach den Selbstverwaltungskörpern richtet, und hier bat gerade der Landes- rat von Deutsch-Südwestafrika in seiner leßten Siyung beschlossen, es sollte dort die Selbstverwaltung eingeführt werden. Darauf hat der Gouverneur den Versuh gemacht, aber die Bevölkerung hat \ich geweigert. Nachdem man das gesehen, hat man davon Abstand ge- nommen, und ih habe das durchaus gebilligt.
Was der Herr Abg. GoUer hier über die Sanierung gesagt hat, ist mir unbekannt. Wenn er von einer Zentrale gesprochen hat, von der da eingegriffen werde, nehme ih an, daß er das Gouvernement gemeint hat, denn von hier aus sind irgendwelche diesbezügliche Erlasse nicht ergangen.
Der Herr Abg. Dove hat dann noch die Kontrolle der Grund- stücksgesellsGaften erwähnt. Meine Herren, das ist eine ret \{hwierige Frage. Ich bin durchaus auch der Meinung, daß wir das möglicste
tun müssen, um unsolide, \pekulative Gründungen zu verhindern, damit niht in Deutschland erst die Leute ihr Geld verlieren und nachher auch diejenigen, die daraufhin hinausgehen. Aber die Sache ist niht einfa. Das geht {on daraus hervor, daß \fich hier der
bisher keinen Ausweg gefunden hat. Ich habe nun an die verschiedenen
Gouvernements einen Erlaß gerihtet und die Gouverneure aufgefordert,
sie möchten ihrerseits Vorschläge machen, namentlich auch darüber, oh
es nicht möglich wäre, daß sich im Schutzgebtet selbst Leute fänden,
welche die Gründungen fkontrollierten bezw. Nat gäben. (Sehr gut!
links.) Ich werde auch durchaus nihts dagegen haben, wenn hierbei
ventuell Beamte mitwirken. Eine Antwort auf diesen Erlaß il noch
nicht eingegangen; ih hoffe aber, daß wir in dieser Beziehung do —
ih werde mi auch wieder mit den Handelskammern in Verbindung seßen — vielleicht etwas Gutes herausfinden.
Dann hat der Herr Abg. Ledebour gemeint, den Eingeborenen
in Südwestafrika würde verboten, Vieh zu halten; diese Verordnungen wären \cheußlich, und fie sollten aufgehoben werden. Ich bin hin-
sichtlich des Sprachgebrauchhs in dieser Beziehung mit ihm nit ggnz einig; denn es ist nah meiner Meinung ein recht großer Unter- schied, ob es heißt: fie sollen die Genehmigung des Gouverneurs nachsuchen, oder: es ist verboten. (Sehr richtig! rets.) Für den Herrn Abg. Ledebour ist das gleih. (Sehr richtig! bei den
Sozialdemokraten.) Nun, meine Herren, wenn Sie den leßten Jahres- beriht nachsehen, so hat jedenfalls die Viehhaltung der Eingeborenen dort zugenommen und ist recht beträhtlich. Auch wenn ih dle Bastards in NRehoboth abziehe, die ja einen erheblihen Viehbestand haben, so kommt immer noch heraus, daß die übrigen Eingeborenen 3250 Stück Kühe, 166 Bullen und 3279 Ochsen haben. Das sind immerhin ganz erheblihe Zahlen, wenn man bedenkt, daß die Ein- geborenen nah dem Kriege Vieh überhaupt nicht mehr gehabt haben. Daraus geht also hervor, daß der Gouverneur thnen in zahlreichen Fällen die Erlaubnis gegeben hat, und das wird mir auch von dem stellvertretenden Herrn Gouverneur, der augenblicklich hier auf Urlaub ist, bestätigt.
Der Herr Abg. Ledebour bezieht s|ch immer so sehr gern auf englische Vorbilder. Auch ih bin durhaus der Meinung, daß wir von den Engländern recht viel lernen können. In dieser Verordnung ist aber gerade sehr viel von englischen Mustern übernommen worden. Das billigt nun Herr Ledebour wieder niht. Die Paßpflicht ist von dort her übernommen worden, die fehr ausgebildet ist in Südafrika, namentlich auch z. B. in Rhodesia, wo ih mich selbst davon überzeugt habe, daß sie ganz ausgezeihnet funktiontert, wo sie von den Ein- geborenenkommissaren gehandhabt wird, die dort gewissermaßen vor- bildlichh wirken, und die wir ja jeßt au} nach dem dortigen Muster übernehmen.
Im übrigen wüßte ih nicht, was er eigentlih damit meint, daß die Eingeborenen — so habe ih ihn verstanden — zur Arbeit ver- pflihtet würden. Es steht sonst noch drin, daß sie niht vagabundieren dürfen. Das ist aber auch hier der Fall, und in einem Lande, das eben von einem Aufstande stark ers{chüttert worden ist, ist es natürlich doppelt notwendig, daß sih da nicht vagabundierende Gingeborene in größerer Zahl herumtretben.
Auf die Nachzollverordnung will ich jeßt hier nicht weiter ein- gehen; ich will nur nochmals hervorheben, daß ich nicht glaube, daß die Maßnahmen der Negierung geeignet sind, das Nechtsgefühl im Schutzgebiet zu erschüttern, und daß ih glaube, daß bisher, wo wir dauernd gestundet haben, ohne Härten verfahren worden ist.
Wenn der Herr Abg. Dr. Arning nun gemeint hat, besonders wären die zu berücksichtigen, welche {on vor Beginn des Aufstand Waren in größerer Menge eingeführt und dann dadurch gelitten hätten, daß nachher der Zoll während des Aufstandes aufgehoben wäre, \o möchte ih doch bemerken, daß gerade diese Leute ganz besonders gute Geschäfte gemacht haben. Denn nach dem Ausbruch des Aufstandes, wo die vielen Truppen im Lande waren, sind die Waren reißend fort- gegangen, und sie haben, da eine allgemeine Preissteigerung eintrat, ganz besonders hohe Preise und dadurch sehr gute Verdienste gehabt.
Abg. Ledebour (Soz.): Der Abg. Schwarze hat sih damit zu rechtfertigen gesucht, daß seine Partei und er oft ihr Wohlwollen für die Eingeborenen betätigt hätten. Das bestreite ih gar niht; aber in der Frage der Landgewährung hat das Zentrum seine Pflicht ver nachlässigt, indem es, obwohl aus\sc{laggebende Partei, dem Beschluß des Meichstages keinen Nachdruck gegeben hat. Davon beißt au eine s{chwache Maus keinen Faden ab. Wenn man die Viehhaltung an die Genehmigung des Gouverneurs bindet, dann ist doch das Verbot die Regel und die Erlaubnis die Ausnahme. Im Nesultat kommt das darauf hinaus, daß die Leute, denen man ihr Land genommen hat und die auh niht umherstreichen dürfen, gezwungen werden, bei den Farmern in Dienst zu treten. Mindestens ist das eine Halbsklaverei. Das englische Beispiel hätten wir in diesem Falle niht nachahmen sollen.
Der Etat für Südwestafrika wird darauf nah den Kom- missionsanträgen bewilligt.
Die im Extraordinarium
für die Beamten des Bezirks Lüderißbucht beantragte Ortszulage von 45000 # hat die Kommission gestrichen.
Staatssekretär des Reichskolonialamts Dr. von Linde-
quist: Meine Herren! Jh möchte bitten, daß der Titel wiederhergestellt
wird. Es liegt speziell in Lüderißbuht ein dringendes Bedürfnis vor und der Herr Gouverneur hat aufs dringendste gebeten, daß man die besonderen Teuerungsverhältnisse in Lüderißbucht berüdck- sihtigen möchte.
Die Teuerungsverhältnisse werden namentlich durch die hohen Lebensmittelpreise hervorgerufen. Die Preise in Lüderißbucht sind ganz erheblich höher als in anderen Teilen des Schußzgebiets. Mir liegt hier ein Verzeichnis über die Lebensmittelpreise vor, wonach beispiels- weise Nindfleish, welhes in den übrigen Teilen des Schußzgebiets 70 bis 80 4 das Kilogramm kostet, in Lüderißbucht 1,30 bis 1,50 „# kostet, anderes Fleisch statt 80 4 1,80 bis 2 X, die Milch das Liter statt 40 „4 1 bis 1,20 A. Aehnlih verhält es sich mit anderen Sachen, namentlich mit Gemüse und dergleichen.
Nun kommen noch zweierlei Sachen in Betracht.
Die Beamten bekommen zum großen Teil eine Mietsentshädigung für ihre Wohnung. Es is} bisher nicht möglich gewesen, au nur annähernd die Wohnungen zu bauen, die nötig sind, sodaß also zahlreiße Beamten keine freie Wohnung erhalten, sondern daß von der Mietsentshädigung Gebrauh gemacht werden muß. Für die aus- geworfene Entschädigung is es aber auch niht annähernd möglich, Näume zu mieten. Infolge dieser Preise ist es ungemein {wer, die Beamten dort zu halten, umsomehr, als sie überhaupt nur sehr ungern nach Lüderißbuht gehen; der Herr Gouverneur hat {on einen gewissen Zwang ausüben müssen, indem er sie einfa gegen ihren Willen nah Lüderißbucht verseßt.
bleiben würden, ihre Einkäufe gemacht. Hierin sahen sie sih getäuscht und mußten mit den Preisen heruntergehen; dadurch haben fie be-
Kolonialaus\{chuß der Berliner Handelskammer damit beschäftigt und
Dann macht aber der Gouverneur noch auf einen anderen Ge-
sihtspunkt aufmerksam, daß nämlich die Beamten, namentlich die mittleren und unteren Beamten, in großer Zahl aus dem Gou- vernementsdienst austreten, lieber ihre Pension im Stich lassen und in den Dienst von Privaten übergehen. Nun gebe ih zu, daß aller- dings in Lüderißbuht unter den jeßigen Verhältnissen besonders günstige Bedingungen gestellt werden, aber troßdem ist das immerhin ein Zeichen, daß sie nicht genügend bezahlt werden, wenn sie den Neichsdienst aufgeben und in den Privatdienst übergehen. Es spielt das insofern noch eine ganz besondere Nolle, als es gerade in Lderißbuht bei den dortigen Verhältnissen darauf ankommt daß die Verwaltung dort Beamte hat, die in jeder Beziehung deni an sie zu stellenden hohen Anforderungen, besonders auch gegen irgend welche Versuchungen, die von außen an sie herantreten, gewappnet sind, und die man auch auf längere Zeit dort halten kann. Ich möchte aus allen diesen Gründen bitten, die Position anzu nehmen. Die Sache würde \ih \o stellen, daß die unteren Beamten 400 Æ, die mittleren 500 A und die höheren 600 Æ Zulage be- kommen. Ein Vorgang in dieser Beziehung findet {ih in der vom Reichstag beschlossenen Besoldungsordnung. Wir haben auch in anderen Kolonien, wo besonders teure Verhältnisse vorhanden sind, ¿- B. in Kamerun, Ortszulagen für einzelne Plätze. Ein solcher Zustand liegt auch hier vor, und ih möchte deswegen dringend bitten daß d Et genehmigt werden. er Referent Dr. Semle .) widerspri Benilli- gung im Nee der Robinson O Die Zulage wird abgelehnt. Die Petitionen, betreffend die Nachverzollung, werden den verbündeten Regierungen zur Erwägung überwiesen. Ohne Diskussion erledigt das Haus den ( ür Neu- Guinea und die Südsee - S A ble Ven et e Samoa und den Etat der Schußgebiets\chuld dlc das Etatsgeseß für die Schußgebiete. , Schluß 7 Uhr. Nächste Sizunc i 2 (Reichseisenbahnen, Nel Leisabobrae neliea, Neues hof, Pensionsfonds, Zölle und Verbrauchs\teuern, Reichs-
\chaßamt.)
Prenßzischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 57. Sißung vom 24. März 1911, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.) Ueber den Beginn der Sizung, in der die dritte Beratung des Entwurfs .des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1911 mit dem Etatsgesez- und dem An-
leihegeseßentwurfe fortgeseßt wird, ist in der gestri è
d. Dl berichtet worden. ! Nane __ Jm weiteren Verlaufe der Verhandlungen über den A der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung omm ;
Abg. Dr. Maurer (nl.) auf die Frage der Installations-
arbeiten bei den _Ueberlandzentralen zurück und \priht ih wiederum gegen eine Stärkung der Monopolstellung der großen Gesellschaften aus, die im Interesse der Hleineren und mittleren Industrie wie der Konsumenten zu vermeiden sei. Hier sei auch für den Bergfiskus eine Aufgabe gegeben, durch deren Lösung er sih um die allgemeinen Interessen wie um die speziellen Interessen von Saarbrücken hochverdient machen könne.
Minister für Handel und Gewerbe Sydow:
J Meine Herren! Der Herr Abg. Dr. Maurer hat die Frage der Beteiligung des Fiskus an der Stromlieferung für die Elektrizitäts- zentrale in der Umgegend von Saarbrücken bereits beim Etat der Handels- und Gewerbeverwaltung zur Sprache gebracht und ist heute darauf zurückgekommen. Er hat s\ich gegenüber dem Vorgehen der Staatsbergverwaltung im wesentlichen fritish verhalten, hat aber positive Vorschläge, wle es anders zu machen sei, nicht gemacht: im Gegenteil, seinen eigenen Anregungen hat er immer auch wieder eine Gegenkritik gegenübergestellt. Ich will mih demgegenüber darauf beshränken, hier darzulegen, was wir getan und weshalb wir es getan haben.
Wie dem hohen Hause bekannt ist, besißt die Bergverwaltung — es hat der Herr Vorredner das auch erwähnt - zwei große Elektri- zitätszentralen bei Saarbrücken, welche augenblickliß mehr Strom liefern können als für den Bergbaubetrieb nötig ist. Sie geben davon au Strom zu Beleuchtungs- und Kraftzwecken an Dritte, so au an die Stadt Saarbrüken selbst, ab. Nun hatte sih die Allge- meine Elektrizitätsgesellshaft vorgenommen, aus dem Saarbezirk nah verschiedenen Richtungen hin ein großes Gebiet mit Elektrizität zu versorgen. Daran kann die Bergverwaltung sie niht hindern. Die Gesellshaft bedarf dazu nur der Zustimmung der Wegeunterhaltungs- pflichtigen und ist mit diesen in Verbindung getreten. Daraus ergab sih für die Bergverwaltung die Gefahr, daß erstens ihr die weitere Ausnußzung der vorhandenen Zentralen zur Leitung von Lißt und Kraft nah anderen Orten hin für die Zukunft entgehen und an die neue Gesellshaft übergehen möchte, daß zweitens aber au insofern, als die Elektrizität zum Ersatze für Dampf benußt wird, der Kohlen- «bsaß der Saarbrücker Gruben dadurch beeinträchtigt werden würde, und daß demnach also direkt eine Schädigung des fiskalischen Bergbaues eintreten würde. |
; Da hat sich nun der Bergfiskus meines Erachtens mit Recht gesagt: der Bau eines so großen Negtes, wie es die A. E.-G. anzulegen vor hat bis hinauf nah St. Goar, geht weit über die Aufgaben der Berverwaltung hinaus, und ich bezweifle, daß das hohe Haus geneigt gewesen wäre, dafür der Bergverwaltung Mittel zur Verfügung zu ltellen. (Sehr richtig! rechts.) Es kommt also darauf an, \ich der neuen Gesellschaft gegenüber, deren Zustandekommen, wie ih bereits lagte, die Bergverwaltung nit verhindern kann, dadurch zu sichern, daß die Gesellshaft Strom aus den vorhandenen Zentralen abnimmt und daß sie, soweit sie später eigene Anlagen etwa errichten will, si ver- pflichtet, die Kohlen von den fiskalishen Gruben und nit etwa, was au möglich wäre, von der Privatbergindustrie in Lothringen oder aber von der Nuhr her zu beziehen.
i: Ferner fommt es natürlich darauf an, nah Möglichkeit den öffentlichen Interessen gerecht zu werden. Es ist nun ein Vertrag ¿wischen dem Bergfiskus und den Unternehmern der künftigen Gesell- haft geshlossen worden, wonach der Bergfiskus, soweit seine jeßigen Ventralen ausreichen, den Strom unter Bedingungen, die für ihn günstig sind, der Betriebsgesellhaft liefert und ferner fich das Necht borbehält, wenn seine Zentralen ausgedehnt werden, den weiteren Strom
Maße ausgedehnt werden, wie es dem Strombedarf der neuen Gesellschaft entspricht, und demzufolge die neue Gesellschaft eigene Hilfszentralen zu errihten genötigt wäre, dann soll sie die Kohlen für solhe Anlagen vom Bergfiskus erwerben. Das ist also ein wirtshaftliGes Geschäft.
Im übrigen sind auch die allgemeinen Interessen dabei nicht außer acht geblieben. Es ist zunächst in dem Vertrage vorbebalten, daß diefe neue Gesellschaft auf keinen Fall ein Installationsmonopol aus- üben darf; es ist ferner vorbehalten, daß der Fiskus im Aufsichtsrat der neuen Gesellschaft Siy und Stimme bekommt; und es ist endlich vorbehalten — das konnte dem Herrn Vorredner nit bekannt sein — daß bis zu einem gewissen Prozentsaß der Fiskus und die Gemeinden fich an der neuen Gesellschaft, wenn sie es wollen, beteiligen dürfen,
i Das Weitere hängt nun von den Abmachungen zwischen den Ge- meinden bezw. Kreisen, die über das Wegereht verfügen, und der neuen Gesellschaft ab. Diese Abmachungen sind noch nicht zum Ab- {luß gediehen. Ih ¿weifle aber nicht, daß Kreise und Gemeinden es verstehen werden, auch die Interessen der Verbraucher bei diesen Abmachungen zu vertreten.
Wir haben also das öffentliche Interesse und au das kauf- männische Interesse gewahrt und haben meines Erachtens besser daran getan, als wenn wir versucht hätten, der A. E.-G. Konkurrenz ju machen, indem wir ein eigenes Ney bis hinauf nah St. Goar bauten. Das liegt außerhalb der Aufgaben der Bergverwaltung.
/ Wenn man sagt, sie müsse mehr kaufmännischen Geist haben, fo ist dieses Wort „kaufmännischer Geist" eines, mit dem reichlich Miß- brauch getrieben wird. Schließlich leidet ein großes Unternehmen auch ein kaufmännishes, immer an einer gewissen Shwerfälligkeit, ein privates vielleiht nicht so sehr wie ein fiskalisches. Aber, daß die Bergverwaltung dadurch, daß sie mit kaufmännishem Geiste erfüllt wird, geeignet würde, ein großes Elektrizitätsnez über 60 bis 70 km hin auszubauen, kann ih dem Herrn Vorredner niht zugeben. (Sehr richtig!) ¡LED eer «an
4 i F V Sas AZUEELE P E E E
,„ Abg. Graf Henkel von Donnersmarck (Zentr.) bestreitet d Nichtigkeit der Angaben, die der Abg. Korfanty bei der als Sei über die Erkrankungsfälle und die Arbeiterverhältnisse in den ober- \{lesischen Gruben gemacht hat; er verliest eine längere Statistik über die Grkrankungsfälle und bemerkt, daß er {ih verpflichtet gehalten habe, die unrichtigen Angaben rihtigzustellen. L
"4 I wird geschlossen.
g. Dosfmann (Soz.) bedauert, durch den Schluß, für au das Zentrum gestimmt habe, an dem Nachweis ee sein, daß die 0E U und Hirsh-Essen falsch zitiert hätten.
__ Abg. Hir\ch-Essen (nl.) bedauert, daß Herr Hoffmann seine Er- widerung niht machen könne; er wärz in der Lage gewesen, ihn so N, wie er es verdiene. 0
, 40g. Dossmann: Herr Hirsh hat ja selbst für den Sc&luf gestimmt ; wenn er sagt, er hätte mich ibgeteumv so ae thm das zurüd, ih hätte es au besorgt und recht gründlich.
Abg. I mbuch (Zentr.) äußert in einer persönlichen Bemerkung gegen den Abg. Hoffmann, daß dieser die Unwahrheit gesagt habe.
Präsident von Kröcher: Ich bitte, gegen einen Abgeordneten den Ausdruck „Unwahrheit“ nicht zu gebrauchen, sondern dafür „Un-
E zu sagen. L J L i i: g. Hoffmann: Ih will dem guten Ton des Hauses Rechnung tragen und sagen, daß der Abg. Imbush in allen Stücken die Unrichtigkeit gesagt hat. (Lärm rechts.) Ich glaubte mich A leiten in der Nähe Ihrer Ställe zu finden. ralident von Krö her ruft den Abg. Hofma egen di
Aeußerung zur Ordnung. 9) Do wegen dieser
Der Etat der Berg-, Hütten- und Salinenverwaltung wird bewilligt. :
rb E Etat der Handels- und Gewerbeverwaltung ühr j
Abg Cohaus (Zentr.) aus, daß die heimische Textilindustrie, namentli die Baumwollindustrie, durch die Steigerung der Preise für Rohmaterialien sehr geschädigt werde und in ihrer Existenz bedroht fei. Die Preise der amerikanischen Baumwolle seten gesteigert worden, die amerifanisce Baumwolle reiche niht mehr zur Befriedigung des Be dürsnifses aus, und Amerika gewinne dadurch eine Monopolstellung. Die Baumwollindustrie nehme im deutschen Vaterlande bisher eine der ersten Stellen ein. Ein Abhilfemittel wäre der Baumwoll- anbau in den deutshen Kolonien. (Präsident von Krs ch er mat den Redner darauf aufmerksam, daß diese Ausführungen in die zweite Lesung gehören.) :
Ny ck— L dh: A f g, Dr. Schroeder - Cassel (nl.) knüpft an die Reichsver- sicherungsordnung an und bittet den Minister, sofort die Entscheidung darüber zu treffen, welche Beamten der bestehenden Versicherungs anstalten in die Oberversi verungêämter mitübernommen werden. So dann tritt der Redner der abfälligen Kritik entgegen, die bei der zweiten Lesung der Abg. Hammer an seiner Casseler Mittelstandsrede geübt habe. Seine Casseler Rede stehe durhaus nit im Wider- spruch mit den Ausführungen im politishen Handbuch. Er müsse besonders gegen den Ton protestieren, den der Abg. Hammer an geschlagen habe. / Z Abg. Dr. Schep p (fortshr. Volksp.) spriht den Wunsch aus, daß bei dem Vorschleufereht die Interessen der kleinen Schiffer mehr gewahrt werden. / __ Abg. Dr. Seyda (Pole) bellagt sih über Shikanierung vol nischer Genossenschaften. Bon einer politischen Tätigkeit dieser Ge- nossenschaften lönne feine Rede sein; es gebe keinen einzigen Fall, wo ein Deutscher seiner Nationalität wegen nit in eine Benofssen- haft aufgenommen worden sei. Wie komme der Minister also dazu, dem Verbande oberschlesisher Genossenschaften das Selbst revisionsrecht zu nehmen. j Minister für Handel und Gewerbe Sydow: Ghe ih auf die von dem Herrn Vorredner erörterte Frage ein- gehe, will ih mit einigen Worten zwei Punkte berühren, die die Herren S a Abgg. Schroeder (Cassel) und Shhepp zur Sprache gebracht haben. N ov C , 7 i Ver Herr Abg. Schroeder (Cassel) hat den Wunsch ausgesprochen, es möge, falls das Einführungsgeseß zur Reichsversiherungsordnung in der Form, wie es dem Reichstage vorliegt, zur Verabschiedung ge- langt, der preußishe Handelsminister von der ihm dort vorbehaltenen N „T o 4 Befugnis keinen Gebrauch machen, sh wegen der Uebernahme der Beamten der Schiedsgerichte zu den Oberversicherungsämtern die Ent- scheidung zwei Jahre lang vorzubehalten. Ich bedauere, thm das nicht in Aussiht stellen zu können. Die erwähnte A LE ¿ ; ” { Vorschrift ist damit begründet, daß in der Uebergangszeit die Geschäfte sich in anderer Weise, vielleiht in gehäufterem Maße abwickeln werden als im Dauerzustande, und daß man deshalb zunächst abwarten muß, wte groß der Beamtenbédarf im Dauerzustande sein wird, che man sich definitiv wegen der Uebernahme der Beamten {lüfsig macht. Das halte ich auch für zutreffend. Es kommt aber noch eins hinzu, weshalb ich ihm die gewünschte Zusicherung nicht geben kann. Die Oberversicherungsämter werden den Regierungen in ähnlicher Weise wie jegt die Bezirksaus\hüsse beigeordnet; sie werden also nicht zur Kompetenz des Handelsministers, sondern zur Kompetenz
S z des Ministers des Jnnern und des Finanzministers gehören, und leßtere werden daher darüber zu entscheiden haben, wann und wie
¿u liefern. Wenn aber die Zentralen der Bergverwaltung nicht in dem
i Was ferner die von dem Herrn Abg. Schepp angeregte Frage, die uns son öfter hier beschäftigt hat, wegen der Ausübung des Vor- s{leusenrechts auf den märkishen Wasserstraßen angeht, so kann ih hier mitteilen, daß die Konferenz, welhe hier unter Zuziehung der Kahnschiffer stattgefunden hat, zu einer, wie tch glaube, für alle Teile befriedigenden Verständigung geführt hat. Es ist in Aussicht genommen, den Kahnschiffern die Ausübung des Vorschleusenrehts da- durch zu erleichtern, daß nicht mehr wie bisher die Bedingung gestellt wird, daß sie sih bis zu den S(hleusen mit Dampfkraft heranshleppen lassen. Dann ist eine Anweisung an die Provinzialbehörden ergangen, daß sie bei außerordentlichem Andrange auf dem Dder-Spree-Kanal und der Oder schneller und häufiger als bisher von der Befugnis Gebrauch machen sollen, das Vorschleuserecht zeitweilig ganz aufzuheben.
Ich glaube, daß damit den Wünschen der Beteiligten entsprochen sein dürfte.
Ich l'omme nun zu dem von dem Herrn Vorredner berührten Falle der Versagung des Selbstrevisionsrechts für den Verband Schlesischer Genossenschaften. Der Herr Vorredner hat ganz richtig aus dem Gese dargelegt, daß dieses Selbstrevisionsreht dem Ver- bande nur versagt werden kann, wenn er andere als die in 8 1 des Geseßes angegebenen Zwecke — das ist die Förderung der Wirtschaft der Mitglieder der Genofsenschaft mittels gemeinschaftlihen Ge- [häftsbetriebes — verfolgt. Er hat ferner zutreffend hervor- gehoben, daß ih die Erteilung dieses Nevisionsrehtes deshalb versagt habe, weil ich annahm, daß der Verband andere Zwette, nämlich die Förderung der nationalpolnishen Tendenzen in OÖber- {lesien zum Ziele babe.
I Um die Gründe hierfür darzulegen, muß ih zunächst folgendes bemerken 2 Es ist „bekannt, daß die großpolnische Agitation in Ober- idleslen niht bodenständig war, vielmehr die Verschiedenheit im Idions und in der historischen Entwicklung bis vor einigen Dezennien zur
Folge gehabt hat, daß die oberschlesishe polnish sprehende Bevölke- rung von den in Galizien, in Russish-Polen und in der Provinz Posen nie erloshenen Bestrebungen auf nationalpolnishe Absonderung, unberührt geblieben war. Als nun diese Bestrebungen in der Provinz Posen wteder lebhafter aufflackerten, ist die Agitation von dort aus, ih kann nihcht anders sagen als künstlih, nah Oberschlesien hinübergetragen worden. Aerzte, Rechtsanwälte, Apotheker und au Geistliche, die in dieser Bewegung standen, sind nah Oberschlesien ge- e und haben dort für ihre politishen Tendenzen Propaganda gemacht.
i: In den Provinzen Posen und Westpreußen haben \ich als ein Hauptmittel für diese, speziell auf die Zurückdrängung des Deutschtums gerihteten Bestrebungen das System der polnishen Genossenschaften unter verschiedenen Namen, meist unter dem Namen „Bank Ludowy*“, bewährt. Diese seinerzeit hauptsählich unter dem Patronat des verstorbenen Prälaten Wawrzyniak stehenden und jeßt noch blühenden Genossenschaften sind das wirtschaftlißhe Nügrat der großpolnischen Bewegung in jenen Provinzen ; das kann für jeden, der die Verhält- nisse dort kennt, keinem Zweifel unterliegen. Diese Genossenschaften haben sih zu einem Verbande für Posen und Westpreußen zusammen- ges{lossen, und man hat diesem im Jahre 1892 das Selbstrevisions- recht verliehen — leider muß ich von meinem Standpnnkt aus sagen. Wenn man die Konsequenzen vorgesehen hätte, bätte man das wahrschein- lih damals niht getan. Denn nunmehr hat sich an den Verband eine Verbandskasse angeschlossen, die diese Genossenschaften wirtschaft- lih zusammenfaßt. Von dieser Verbandsvertretung aus wird die gegen das Deutschtum gerihtete Bewegung wirtschaftlich unterstügt und in Gang gehalten.
Nachdem nun diese großpolnische Bewegung nach Oberschlesien verpflanzt war, ist auch dort aus begreiflißen Gründen ähnli vor- gegangen worden. Es sind dort eine Reihe von Genossenschaften ge- gründet worden, die {hon durch ihre polnischen Bezeichnungen — fie haben unbestreitbar das Recht, diese zu tragen; ih bestreite das gar nicht zu erkennen geben, daß sie im wesentlihen auf die polnish \prechende Bevölkerung Oberschlesiens rechnen; meist heißen fie auch bank ludowy. Diese Banken verfolgen nit in der Haupt- sache oder in erster Linie rein wirtschaftliche Tendenzen, wie sie der S 1 des Gesetzes vorsieht, sondern nationalpolnische, großpolnis{he Ziele. (Zurufe bei den Polen: Beweise!) Das ergibt sich zunächst aus der Art der Kreditgewährung, "aus der Art, wie sie ihre Mittel verwenden, z. B. zum Ankauf von Grundstücken, um Versammlungs- säle für die polnishen Vereine zu baben (Zuruf bei den Polen: Nicht eine einzige Genossenschaft !), ih erinnere an den Erwerb der Bavaria- brauerei in Kattowiß (Abg. Dr. Seyda: das ist eine Aktiengesellschaft !)
jawohl, natürli, man kann es au in dieser Form machen. Die Kreditgewährung an industrielle polnische Unternehmungen geschieht nicht lediglih nach der Rücksicht der Kreditbedürftigkeit (Rufe bei den Polen: Beweise!) — ih kann Ihnen hier doc niht jeden einzelnen Fall erzählen — (Abg. Dr. Seyda: Es gibt eben leine !), sonderæ vielfach nach der Nücksicht der Nationalität. Dazu kommt die Förderung des Erwerbs von Grundbesiß (Abg. Dr. Seyda: Wo ist das geschehen ?) aus deutscher in polnishe Hand. In zahlreichen Fällen ist das ges{hehen, und wenn ih drei Jahre ge- braucht habe — mit meinem Herrn Amtsvorgänger zusammen —, das Ergebnis festzustellen, dann können Sie schon daraus folgern, daß man sehr gründlichß dabei vorgegangen ist. (Abg. Dr. Seyda: Nur einen einzigen Fall nennen !) Das alles steht in erster Linie. Jn zweiter Unie — ih werde Ihnen gleich noch mehr Gründe geben — i gber au der Umstand zu berücksihtigen, daß an die Spiße der Genossenschaften hauptsählich Leute gestellt würden, die eine prononzierte Stellung in der nationalpolnischen Bewegung haben. In einem Verzeichnis, das 30 von diesen Herren enthält, find 7 Redakteure polnischer Zeitungen (Zuruf bei den Polen: Das ist nicht wahr!) und 12 Bankbeamte, die gleichzeitig Leiter oder Mit» glieder der Straz- und Sofkolvereine sind, und wenn Sie im Zweifel sind, was die Sokolvereine bedeuten, so könnte ih Ihnen nur das Neichsgerichtsurteil vorlesen, das seinerzeit wegen der Teilnahme an dem Sokolverein in Rodzin ergangen ist, und wo es heißt:
Die vorsäßlihe Herstellung gegenseitiger Beziehungen zwischen diefen Sokolvereinen und den ausländishen Sokolvereinen ist ebenso einwandfrei festgestellt wie die Tatsache, daß die ausländischen Sokol, vereine das gleiche Ziel verfolgen wie der Rodziner Verein, n äms lich die gemeinschaftlihe Befreiung Polens.
So hat das Reichsgericht gesagt. Also Leute, die an der Spiye stehen, an der Leitung von solhen Vereinen beteiligt sind,
weit sie die Beamten der Schiedsgerichte übernehmen wollen.
stehen auh an der Spiße der Genossenschaftsbanken. (Abg,