1911 / 75 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

58. Sigung vom 27. März 1911, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischém Bureau.)

Ueber den Beginn der Sißung, in der die dritte Beratung des Entwurfs des Staatshaushaltsetats für das Rechnungsjahr 1911 bei dem Spezialetat dés Ministeriums der geistlichen und Unterricht s- angelegenheiten fFörtgeségt wird, ist in dèrß géstrigen

Nummer d. Bl. bérichtet "worden.

Abg. Graf von der Gröben (kons.): Die Vorredner haben Dinge besprochen, welche bereits in der zweiten Lesung berührt worden find. Insbesondere ist der Abg. Ernst bezüglich der Besoldung der Kreis- s{ulinspektoren auf das zurückgekommen, was mein ¿Freund Nest Clairon d’Haussonville bereits in der zweiten Lesung gesagt hât. Na unserer Ansicht ist die dritte Lesung niht dazu da, um die Fragen zweiter Lesung noch einmal vorzubringen. Jch möchte an die Staats- regierung heute eine Anregung richten, die den meisten von hnen vielleicht sehr geringfügig erscheinen mag, die aber doch große prinzipielle Bedeutung hat. Wenn wir bei Schulfesten unsere Séüler hinausziehen f\ehen, die deutshe Fahne an der Spiße, so freuen wir uns dessen, weil sie dadur auf die Einheit des Reiches hin- gewiesen werden, und eine gewisse Begeisterung für das Deutsche Nei erweckt wird. Wenn aber dies die Wirkung hat, daß unsere preußische Fahne vollständig verschwindet, daß die Jugend gar niht mehr weiß, welche Fahne unser Preußen hat, dann ist das eine Wirkung, welhè wir nicht billigen können. Wir haben bei einem größeren Gegenstande betont, daß wir der Meinung Nd: daß die Cinheit des Deutschen Neiches \sih aufbaut auf der Machtstellung Preußens. Wir wollen, daß die Jugend in diesem Geiste erzogen wird ; denn für die Einheit des Deutschen Neiches ist die Liebe zur Heimat das erste Fundament. Es wirkey ganz gewiß andere Faktoren mit, aber das kleine Mittel der Fahne joll man auh beachten. Die Fahne ist nicht bloß ein Stück Zeug, das vorangetragen wird, sondern gewissermaßen ein Symbol der Treue zum Vaterlande.

Abg. von Trampczynski (Pole): Es müssen mehr polnische Lehrer ausgebildet werden, denn nur den polnischen Lehrer können die polnischen Kinder ganz. verstehen. Man wundert ih, daß die polnische Presse vor dem Lehrerberuf warnt, aber ein Ministerialerlaß von 1898 verlangt, daß die Lehrer die Politik der Negierung unter- stüßen sollen ; Infolgebelen scheiden die anständigen Elemente aus dem Lehrerberuf aus. Es bleibt den polnischen Lehrern nichts anderes übrig, wenn sie nicht zum Verräter an ihrem Volke werden sollen. Wenn die Muttersprache in der Schule nicht gepflegt wird, leidet die ganze geistige Entwicklung des Kindes. Die Negterung erklärt eine zweisprahige Schule für undur(führbar; warum \oll aber in

reußen unmöglich sein, was in allen anderen Staaten möglich ift ? In einem Erlaß von 1863 hat die Regierung selbst anerkannt, daß die Erfahrungen gezeigt haben, daß die Kinder den Neligionsunterriht nicht M verstehen, wenn er in deutscher Sprache erteilt wird. Nicht aus rein \{ultechnischen Gründen, sondern aus politischen Gründen hält die Negierung an threm Schulsystem in den polnischen Landesteilen fest. Ein Pole im Oppelner Beztrk wurde wegen Er- teilung von Turnunterricht mit \o \{weren Geldstrafen belegt, daß er ruiniert wurde, Frau und Kinder verlassen und ins Ausland gehen gu Das Reichsgericht hat in einem Falle entschieden, daß das Aufsichtsreht des Staates über den Unterricht aus seiner Monopol- stellung im Unterrichtsgebiete folge, daß es daher nicht bestehe, wo der Staat von diesem Monopol niht Gebrauch mache, d. h. daß das Auf- sichtsreht sih nicht beziehe auf Lehrfähher, die nicht in der Volks- \chule gelehrt werden, \fondern nur auf den Unterricht an Schulpflichtige. Turnen und Singen gehören niht zu den Lehrfächern der Pflicht- fortbildungs\{ule. Ein polnisches Liederbuh, wle es der Kultus- minister zitierte, existiert überhaupt nicht, ich habe nichts davon erfahren können, es muß also irgendein Spitßelprodukt sein.

Abg. Graf NEAE ei von Donnersmarck (Zentr.): Der Abg. Wenke Bat in der Sißúng vom 15. März die gräflich Schaffgottsche Ver- waltung wegen angeblicher Vernichtung der Naturdenkmäler und des Baumwuchses im Niesengebirge angegriffen. Das war durchaus un- begründet und hat in der dortigen Gegend unnötige Erregung hervor- gerufen. Gerade die Schaffgottsche Verwaltung legt auf die Erhaltung des Schuß- oder Bannwaldes den allergrößten Wert. Bei den flimatishen Verhältnissen des Niesengebirges kann aber die gräfliche Verwaltung die Verjüngung des {hon bis zu 300 Jahren alten Waldbestandes niht mehr fi selbst überlassen, sondern sie muß durch schmale Kahlschläge die Aufforstung in einer forsttechni\ch richtigen Weise durhführen. Sodann - habe ih im Namen sämtlicher Kirchengemeinden von Berlin den Hexrn Kultusminister zu bitten, bei der Stadt Berlin dahin zu wirken, daß die Kirchensteuern gleichzeitig mit den Kommunalsteuern eingezogen werden. Das würde die Lage der Kirchengemeinden erleihtern und den Kirchensteuerpflichtigen Zeit und Kosten ersparen.

Abg. Dr. Lohmann (nl.) tritt für Verbesserung der Gehalts- und Anstellungsverhältnisse der bei den Bibliotheken beschäftigten Treten Hilsskräfte beiderlei Geschlehts ein. Diese zum großen Teil akademish vorgebildeten Kräfte, die einen sehr anstrengenden Dienst hätten, bezögen . sehr niedrige Diätensäße und müßten auf definitive Anstellung, wenn diese fiberbaurt erfolge, sehr lange warten. Gine neuerliche f rtrudg der Negierung, daß eine Anwartschaft auf etatsmäßige Stellen überhaupt nicht bestehe, seße sch in Widerspruch mit früheren derartigen Grklärungen von 1898 und 1906, wenigstens Farve es die länger als 5 Jahre beschäftigten Bibltotheksassistenten

etrene.

Abg. Bart scher (Zentr.) verwendet \sih nochmals für den Ausbau des Progymnasiums in Nietberg. Neuerdings habe außer der Stadt aus 1 Amt Nietberg sich zur Mitübernahme der Kosten bereit

ärt.

Abg. Dr. Sche pp (fortshr. Volksp.): Die uns vorgelegte Uebersicht über die Verteilung des Staatsfonds für Ergänzungszushüsse auf die Städte und Kreise ist durhaus unzulänglich und entspricht au nicht den geseßlihen Vorschriften; wir müssen erwarten, daß uns noch eine ershôpfende Uebersicht, die der Unterstgats\fekretär in der Kom- mission freilich als ein „großes Werk“ bezeihnete, unterbreitet wird. Mit Bezugnahme. auf einen bestimmten Fall habe ih die Unterrichts- verwaltung in der Kommission gefragt, ob es häufiger vorkomme, daß Oberlehrer in recht jungem Alter als Kreis\{ulinspektoren angestellt würden. Es wurde dieser Fall als eine „Ausnähme“ bezéichnêt : aber wenn in den leßten Jahren neben 2 Herren im Alter von 28 Jahren auch 6 im Alter von 29 und 5 im Alter von 30 Jahren angestellt wurden, kann man nicht mehr von einem Ausnahmefall reden. Ich hoffe e daß die Angelegenheit der Beaufsichtigung und Kontrolle von Rektoratskandidaten durch Schußleute inzwischen geregelt i. Der Minister hat sih gegenüber der Behauptung, daß der neue preußische Lehrerverein die behördliche Protektion genieße, dahin ausgesprochen, daß es den einzelnen Lehrern überlassen werden könne, wél{hen Vereinen sie beitreten wollten. Nun fand in Liegniß am 7. Oktober 1910 eine Versammlung dieses ‘neuen 0 E Lehrervereins statt, ‘die durh das amtlihe“ Schulblatt békannt gemacht worden war, und der ein Obenegierungsrat beiwohnte, der auch zugunsten des Vereins das Wort ergriffen hat. Dem Minister ist wohl nichts davon bekannt geworden, denn diese Tatsache steht in direktem Widerspruch mit seiner vorjährigen Erklärung. Ich wollte mi ferner mit Herrn Dr. Hahn auseinanderseßen; do hat mir dieïer mitgeteilt, daß er erst heute nachmittag 4 Uhr aus Stettin zurückehrt. Herr Dr. Hahn hat im Reichstage erklärt, der Bund der Landwirte gebe für das „Deutsche Lh:erblatt“ feinen Pfennig aus. Jn einem vertraulichen Briefe heißt es aber: „Sollen aber die Aufwendungen, welche von seiten des Bundes der Landwirte und der „Deutschen Tageszeitung“ für das , Deutsche Lehrerblatt“ gemacht wurden, nicht umfonst sein, so muß die Möglichkeit gegeben werden,

‘ih erkenne vollfommen an, ‘daß damit gewisse Schwierigkeiten ver-

fernere Klage habe ich vorzubringen über die Behandlung von Lehrern aús politischen Gründen. Ein Negierungsvertreter hat gemeint, Lehrer sollen Wegen freisinniger Agitation niht gemaßregelt werden. Wenn déx Minister vielleicht diefer Ansicht ist, so doch nicht die naWhgeordneten Behörden. Es sind im Kreise Labiau-Wéhlau Léhrer auf Anzeige wêgen freistimiger MEOR von ‘Kreis\hulin\spektoren vernommen worden, während die Lehrer, die konservative Agitation trieben, unbéhelligt ‘geblieben sud, Ich nehme an, dét Minister wird daflir sorgen, daß die im Minisketlun vertretene Anficht aus von den“ nahgeordnetèn Organen innegehalten wird. Bei den au die Altpensionâre bezüglichen Necherhen soll nach der Erklärung des Ministers nicht rigoros vorgegangen und die Polizei ausgeschaltet werden ; ‘hier in Berlin aber müssen die Altpensionäre zur Polizei gehen, und es ist sogar vorgekommen, daß in einem Geschäft, wo dié Tochker eines Pensionärs angestellt is, von Kriminal- polizisten nah der Wahrheit der gemahten Angaben recherchiert würde. Das enfspriht doch nicht den Tendenzen des Ministeriums. Bei der zweiten Lesung des Etats haben wir eine Zentrumsrefolution betreffs Teaegrung der Hilfsshulen beraten; der erste Teil war uns sympathisch, den zweiten Teil mit seiner konfessionellen Téndenz zu billigen, glaubten wir nit verantworten zu können. Seitdèm hat der Hilfsshulverband Provinz Brandenburg eine Nefolution gefaßt, wonach der Beschluß des Abgeordnetenhauses angesihts der Tatsache, daß noch heute Tausende von [waBsinnigen Kindern ohne entsprehende Schulung sind, mit Freude begrüßt wird, aber gleihzeitig mit Entschiedenheit gegen das Streben Stellung ge- nommen wird, dieses Schulwesen in fonfessionelle Fesseln zu {lagen ; da insbesondere die Gefahr drohe, daß die Konfessionalisierung der Hilfss{ulen die Ausbildung mehrklassiger Schulsysteme verhindern würde, wird der simultane Charakter für diese Schulen verlangt. Fh gedenke s{ließlih eines jüngst durch die Presse gegangenen Erlasses des Kultusministers, der besagt, daß für Schüler höherer Lehranstalten, die auf Lehrerseminare übergehen, um dort bequemer das einjährige Zeugnis zu erlangen, eine Herabseßung der Anforderungen niemals eintreten darf, und O die Seminarleiter vor der Aufnahme Er- kundigungen einziehen sollen, ob diese Zöglinge fich dazu eignen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. von Trott zu Solz: az Meine Herren! Der Herr Vorredner hat in seinen Ausführungen zunächst bemängelt, daß die Ihnen zugegangene Vebersiht über die Verteilung der zur Gewährung von Ergänzungszuschüssen an Schul- verbände mit 25 oder weniger Shulstellen im Geltungsbereich des Volkss{hulunterhaltungsgeseßes bereitgestellten Fonds von 15,1 Millionen Mark den an diese Uebersicht gestellten Anforderungen nicht völlig entsprehe. Meine Herren, ich habe {on in der Kommission darauf hingewiesen, daß es zurzeit noch ni@t mögli sei, eine na allen Richtungen hin völlig befriedigende Uebersicht zu geben, daß ih aber bereit sei, soweit das nah dem Stande der Dinge zurzeit möglich wäre, Ihnen eine Uebersicht vorläufig zukommen zu lassen. Eine solche vorläufige Uebersiht stellt diejenige dar, welhe fih in Ihren Händen befindet, und in dem Schreiben, mit dem ih diese Uebersicht an das hohe Haus habe gelangen lassen, ist ausdrücklich hervorgehoben, daß diese Uebersicht noch durch eine Spezial- übersiht ergänzt werden würde, die aber, wie gesagt, zurzeit noch nit aufgestellt werden kann, weil sich das dazu erforderlihe Material noch niht in meinen Händen befindet. Ich glaube also, daß die Vorwürfe, die Herr Abg. Schepp gegen diese Uebersicht, wie sie jeßt in Ihrer Hand ist, vorgebracht hat, nit zutreffend waren; wenn er das Sreiben, das ih hierher gerihtet habe, berücksihtigt hätte, würde er, glaube i, diese Vorwürfe gar niht haben erheben können.

Der Herr Abgeordnete ist dann darauf eingegangen, daß meine Ausführung in der Kommission doch nicht zutreffend sei, daß die Anstellung eines jungen Oberlehrers als Kreis\{hulinspektor eine Aus- nahme sei, und hat dafür angeführt, daß im lezten Jahre noch drei andere Herren aus dem Oberlehrerstande im Alter von weniger als 30 Jahren zu Kreisshulinspektoren gemachßt worden wären. Meine Herren, zunächst handelt es si in diesen Fällen, soweit ich das augen- blicklih übersehen kann, um die kommissarische Uebertragung von folchen Aemtern. Jch kann versichern, daß ich Wert darauf lege, daß die Herren nicht in einem zu frühen Alter in diese Stellung einrüdcken ;

bunden wären, und daß diese zu vermeiden find. Wenn das in einzelnen Fällen ich wiederhole: in einzelnen Ausnahmefällen doch geschehen ist, so haben wir das der Not gehorhend getan, weil es nicht gerade leiht ist, immer die ausreihende Zahl von Kandidaten für diese Stellen zu finden. Ich wiederhole aber, daß die Unter- rihtsverwaltung bemüht sein wird, darauf Rücksicht zu nehmen, daß die Herren in Zukunft nicht in zu jungen Jahren in diese Stellung berufen werden.

Was dann die Behauptung des Herrn Abg. Schepp betrifft, daß die Rektoren hier in Berlin einer Beaufsichtigung durch Schutleute unterworfen würden, so kann davon selbstverständlich gar keine Rede sein. Aber, meine Herren, Ste müssen die Verhältnisse nehmen, wie sie hier in Berlin liegen: da ist es außerordentlih \{chwer, über die Verhältnisse einer einzelnen Person genaue Auskunft zu erhalten ; die Menschen kennen \ich gegenseitig nit fo genau, wie das in einer anderen Stadt der Fall ist. Man kennt die persönlichen Verhältnisse niht, man kennt die Familienverhältnisse nit, und nenn man nun eine Person in eine so verantwortungsvolle Stellung berufen muß, wie das diejenige eines Rektors ist, dann hat die Behörde, die die Anstellung zu verfügen hat, die Verpflichtung, {ih genau nach allen Nichtungen zu erkundigen, um einen Fehlgriff nah Möglichkeit zu vermeiden. Es ist au gerade ein solcher Fehlgriff der Anlaß gewesen, daß jeßt noch weitere Erkundigungen über die Persönlichkeit eingezogen wurden, ehe die Anstellung ausgesprohen wird. Selbsiverständlih muß das mit dem gehörigen Takt ges{hehen, und ih würde es sicherlich nicht für rihtig finden, wenn diese Erkundigungen in der Weise eingezogen würden, daß dem betreffenden Kandidaten der Schußmann auf die Stube geschickt wird, und dieser dort cinem hochnotpeinlihen Verhör unterworfen würde. Aber ganz darauf zu verzichten, auch von unserer Seite aus, Erkundigungen über die Verhältnisse der einzelnen in Be- trat kommenden Kandidaten einzuziehen, vermögen wir bei den Ver- hältnissen, wie sie hier nun einmal in Berlin liegen, nicht.

Dasselbe gilt auch für die Altpensionäre. Ich habe mit voller Absicht hier ausgesprochen, daß bet der Feststellung der Verhältnisse der Altpensionäre, bei der Prüfung der von ihnen eingegangenen Ge- suche nicht in einer peinlihen Weise in die Verhältnisse des einzelnen eingedrungen werden soll. Auch hier muß mit dem nötigen Takt ver- fahren und alles vermieden werden, was die Altpensionäre irgendwte verleßen könnte. Denn wir haben den Wuns, diese Kategorie von früheren tüchtigen Beamten nit zu verleßen, sondern wir wollen ihnen helfen und ihnen ihren Lebensabend erleichtern.

Was dann die politishe Stellung der Lehrer anlangt, auf die der Herr Vorredner gekommen ist, so ist es ganz richtig, daß ih auf

den Lesern des neuen Organs festere Kost vorzusegen* usw. Eine

etner bestimmten politischen Richtung angehört. Jch habe nit dagegen einzuwenden, wenn ein Lehrer sich der fort\crittlihen Volks, partei zugesellt. Die Grenze ist gegeben auch nah der Nichtung hi ; daß selbstverständliß Lehrer der sozialdemokratishen Nichtung nig ‘angehören dürfen. (Sehr richtig!) Im übrigen aber habe i dagegen, wenn ein Lehrer \ich irgend einer bürgerlichen Part gesellt. Was die Agitation betrifft, so wird er sich bei ihr ein wissen Zurückhaltung befleißigen müssen, wie das jeder Beamt muß. (Sehr richtig!) Er wird vermeiden müssen, in heftiger in die Agitation einzugreifen, in heftiger Weise gegen andere Berufs, Élassen oder die Angehörigen anderer Parteien tätig zu sein; er wird sih eben diejenige Reserve auferlegen müssen, die wir von allen Be, amten verlangen, Tut das ein Lehrer, so ist nilhts dagegen. ein. zuwenden, wenn er sih auch am politischen Leben beteiligt.

Ich habe, wie der Herr Vorredner mit Recht hervorgehoben hat im vorigen Jahre ausgesprochen, daß man es den Lehrezn überlassen möge, welchem Lehrerveretn beizutreten sie fi entschließen. Der Herr

el zu: er ge.

e tun Weise

regterungsrat der 2. Abteilung sich an der Versammlung eines U stimmten Lehrervereins beteiligt habe. , Mir ist davon nichts bekannt.

Vorgeseßten der Lhrerschaft ih an den Versammlungen beteiligen

die die Lehrer abhalten. Ich meine, es kann nur nüßlih fein, wenn

besteht.

Abg. Brandhuber (Zentr.) hält daran fest, daß die Schulen f, s{chwachbegabte Kinder konfessionell getrennt sein müssen, R Ln einige Wünsche in bezug auf die Präparandenanstalt in Hechingen. _ Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp.): Bezüglich der Anträge über die Jugendpflege bemerke ih nur dies: Wir wünschen nicht, daß dieser Aktion der Stempel der Parteipolitik aufgedrückt wird, Die Sache der Jugendpflege is viel zu gut, als daß fie dur bewußte Einseitigkeit in Mißkredit gebraht werden dürfte. Wiss man eine fkörperli leistungsfähige, sittlich tüchtige, von Vaterlandsliebe . erfüllte Jugend heranzichen, so kann dur ein Zusammenwirken der Kräfte sehr viel Gutes geschaffen werden, Dies kann man aber nur, wenn man diefe Grenzen einhält. 3 größeren Sicherheit {lagen wir vor, daß auch der Zentralstelle für Volkswohlfahrt ein gewisser Einfluß eingeräumt werden möge. Der Nedner empfiehlt dann noch die Erweiterung der Universitätsbibliothek in Königsberg und die Errichtung einer Kinderklinik daselbst, Forshungsinstitute, wie die Kaiser-Wilhelms-Gesellschaft, müssen au an kleineren Universitäten gegründet werden. :

Die Diskussion wird geschlossen.

Zur Geschäftsordnung bedauert

Abg. Ströbel (Soz.), daß seine Partei gekommen fet.

Damit ist der Etat des Kultusministeriums erledigt.

¿Es folgt der Etat dec Eisenbahnverwaltung. Abg. Goebel (Zentr.): Es ist zu bedauern, daß der Minister

sich gegenüber Ausnahmetarifen für den Transport ober\chlesi\{er Gas kohlen nah Berlin ablehnend verhalten hat. England hat 1909 nah Berlin an Hausbrand- und [tefert. Diese Summen könnten ganz gut der oberschlesis{chen Kohlen- industrie zugewendet werden, die in der leßten Zeit infolge des Nü. ganges der Lieferungen nach Galizien, Böhmen und Ungarn um 5 Millionen Tonnen einen {weren Verlust erlitten hat.

…_ Abg. Dr. Schroeder- Cassel (nl.) wünscht möglichst {on im nächsten Etat die Gleichstellung der Gehälter der preußtshen Eisen- bahnassistenten und der Neichseisenbahnassistenten. j

niht zum Worte

bahn zwischen Ibßehoe und dem Nordostseekanal wird die Stadt Wilster dadur geschädigt, daß sie von der Hauptbahnanlage abgetrennt wird und an eine Nebenbahnanlage zu liegen kommt. Die Stadt \{lägt deshalb vor, den neuen Bahnhof 2 km außerhalb der Stadt zu bouen, fo daß für die Bahn ein Umweg von 4 km entstehen würde,

Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Mit dem Herrn Vorredner bin ih der Meinung daß die Frage der Bahnverlegung für die Stadt Wilster und für die Wilster Marsch von erheblicher Bedeutung ist, und ih kann nur die Zusicherung geben, daß alles, was in meinen Kräften steht, gesehen foll, um die Interessen der Stadt Wilster und der Wilster Marsch zu hüten.

Ich darf als bekannt vorausfeßen, wendigkeit vorliegt, die Niveaukreuzung des Kaiser - Wilhelm - Kanals diesen mit einer Hohbrücke zu überbrücken. Es handelt si zurzeit

um Punkte

nach Husum führt, werden brüde geleitet zu werden. Da ftehen wägung: Heiligenstedten, dessen der

tat, und Wilster oder eine Lage östlich von Wilster. Eine Ent- {eidung ist noch nit getroffen. Verhandlungen mit den zuständigen Instanzen des Neichs gepflogen,

abgeschwenkt foll,

zwei Er-

zur

werden können, abzugleichen.

Nicht zutreffend ist, wenn der Herr Vorredner meinte, daß für die Abschwenkung von Heiligenstedten ab, also einem Itzehoe nake gelegenen Punkte, lediglih technishe oder fisfalishe, auch preußish- fisfalishe Momente maßgebend gewesen wären, Nein, wenn die preußishe Staatseisenbahnverwaltung für diese Absclavenkung eintritt, sind es nur wirtshaftliße Momente. Denn fdie Abs@wenkung bei Heiligenstedten ermöglicht es, daß die Marschbahn keine Verlängerung erfährt, also für die gesamten Gebiete nördlich des Kaiser-Wilhelm-

sprechen würde,

Nun s{cinen mir die Interessenten in Wilster auch wesentli die Wirkung der Tatsache zu übershägen, daß sie demnächst an eine Nebenbahn zu liegen kommen. alle Anschlüsse vorfinden ; sie wird einen lebhaften Verkehr und cine große Zahl von Zügen haben, und ih glaube, daß aus diesem Grunde schon die Interessen von Wilster gewahrt werden. Also, meine Herren, die Verhandlungen {weben noch. Die Interessen von Wilster werden, soweit es an mir liegt, nah Kräften wahrgenommen und gefördert werden. * (Bravo!)

Abg. Wee nke (fortshr. Volksp.) : Dem Wunsche des Abg. Schroeder {ließen sich ineine ¿reunde an und hoffen, daß die Neuregelung no im Lauf- des Jahres vorgenommen wird. Fur Drahtseile besteyen Ausnahmetarife. Die Eisenbahndirektion Altona hat aber die An- wendung diefer Ausnahmetarife nur dann zugelassen, wenn die Dra feile an Schiffswerften geliefert werden. Die eFrachtermäßigung 10

doch niht nuc den im Bau befindlihen Schiffen zugute kommen.

dem Standpunkt stehe, daß ih es keinem Lhrer verdenke, wenn er

Aus Zwekmäßigkeitsgründen beziehen die Needereien die Drahtseile

ch nichts f

Vorredner hat nun darauf hingewiesen, daß in Liegnitz ein Ober | aber an und für sich finde ih nichts dagegen einzuwenden, wenn die |

eine derartige nähere Fühlung zwischen Lehrern und Vorgeseßten b

äußert |

Industriekohlen 626 000 Tonnen ge- f

Abg. Engelbrecht (freikonf.): Durch die Verlegung der Mars- |

eine unabweisbare Not- | dur die Eisenbahn nah der Erweiterung des Kanals aufzugeben und |

lediglich darum, an welcher Stelle die Hauptbahn, die von JItzeho: M zur Hoch-f

Herr Vorredner Erwähnung F Zurzeit werden von mir noch|

und ih darf hier feslstellen, daß das Neich durchaus geneigt ist, die Interessen von Wilster, soweit fie nicht in seinem Sinne befriedig |

Kanals der Verkehr mit dem Süden keine Verlängerung erfährt. | Das ist das entscheidende Moment, welches für dicfe Abschwenkung |

Diese Nebenbahn wird in Jyehoe

direkt, weil fie der Vermittlung der Schiffbaufirmen nicht bedürfen, d man doch allgemein der Auffassung huldigt, daß Jever un- nótige Zwischenhandel zu „vermeiden ist. Eine weitere Beschwerde hetrifft die von den Eisenversandstationen zu den Küsten- und Hafenpläben, so auch nach Kiel bestehenden Ausnahmetarife, welhe erhebliche Ermäßigungen gegenüber den normalen Fracht- hen gewähren für diejenigen Gmpfänger, welche auf Der

Empfangsstation ausladen oder zu Schiff oder mit Kleinbahnen weiter transportieren. Neuerdings stellt sich die Eisenbahnverwaltung nun auf den merkwürdigen Standpunkt, daß solche Güter, welhe mit normalspurigen Kleinbahnen weitergehen, zuvor auf der Uebergangs- station umgeladen werden müssen. Offenbar hat die Verwaltung ver- saumt, in dem Ausnahmetarif den Umstand zu berüdsichtigen, daß Güter, weldhe auf normalspurigen Bahnen weiter gehen, feiner Umladung bedürfen; sie will nur nicht zugeben, jag Hier ein Fehler gemacht worden ist. Die Folge ist, daß eine völlig überflüssige, sinnlose und Kosten verursachende Umladung stattfinden muß; ja es kommt vor, daß Güter, welche ausgeladen find, sofort hinterher in denselben Wagen wieder eingeladen werden. Der Minister wolle Veranlassung nehmen, diese Vorschrift durh eine kleine Ergänzung zu beri tigen, damit solhe Härten, die bloß Handel und Wandel erschweren, künftig yermieden werden. i N 4

Abg. von Hennigs (kons): Jch darf noch mit einem Wort auf die

Assistentenfrage zurücktommen. Auch wir haben sehr bedauert, daß die bestehende Differenz mit den Beamten der MNeichseisenbahnen nit {hon jeßt hat ausgeglichen werden können. Zurzeit müssen wir uns auf den Boden der Tatsachen stellen; ih unterstreiche aber noch- mals die Bitte, daß namentli in „den unteren Gehaltsstufen An- träge, die durch. besondere Schwierigkeit der Bermögensverhälinisse begründet sind, nah Möglichkeit bewilligt werden. Man fann das tun, weil es sich doch nur um ein Provisorium handelt, und {ließli die besonderen Unterstüßungen bei definitiver Ordnung der Verhält- nisse wieder fortfallen können. L |

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Ueber die Frage der Dotierung des

Gisenbahnextraordinariums haben eingehende Erörterungen statt- gefunden, aber eine Klärung ist noch nicht erfolgt. Unserer Forderung, noch einen größeren Teil auf Anleibe anzuweisen, ist entgegen- gehalten worden, daß dann nah 28 Jahren die Zinsenschuldlast höher sein würde als das Extraordinarium. _Wir müssen die Richtigkeit dieser Berehnung durchaus bestreiten. Jch bleibe dabei stehen, daß die Beibehaltung eines so hohen Grtraordinariums, welches anscheinend nur durch neue Steuern gedeckt werden Tann, für die Gegenwart eine ganz ungeheure Belastung darstellt. Der Finanzminister hat gegen meine Auffassung cine Reihe von Einwendungen erhoben, die ih sämtlih als itichhaltig „nicht ansehen kann. Ist es recht und wirtshaftlih zu billigen, daß wir Steuern erheben unter ganz un- geheurer Anspannung der Steuerkräfte der Bevölkerung, damit den zukünftigen Generationen eine ungeshmälerte Mente von 6 9% über- liefert wird? Die Zukunft is doch unbestreitbar reicher als wir, und sie hat s{ließlich, auß wenn wir Anleihen maten, noh 2 % Rente neben der völligen Deckung des Schuldzinsen- dienstes. Am Maßstabe des Grundgeseßes gemessen, daß die Ent- sheidung, ob Steuer oder Anleihe, nach dem Verwendungszweck gefällt werden müsse, handelt es ih hier um eine rentable Anlage. Nun foll das Extraordinarium nicht werbender Natur sein. Zu einer solhen Auffassung hat sich felbst der Amtsvorgänger des Finanz- ministers, Freiherr von Rheinbaben, nicht bekannt. Auch die dem Etat angehängte Denkschrift führt aus, daß das Extraordinarium aus- nahmslos werbendes Kapital sei. Kann der Finanzminister Dr. Lente mir ein Gebiet aus dem Grtraordinarium nennen, das etwa nicht werbende Natur bätte? Mit dem Bau für das Zentralamt ersparen wir hr große Mieten; Ueber- und Unterführungen verbessern und perbilligen den Betrieb usw. usw. Ein Defizit im Etat ist nicht {hön, es muß beseitigt werden. Sollen wir bloß wegen der Bes fürhtung, daß andere Nessorts mit zu großen Forderungen kommen könnten, die Bevölkerung mit neuen Steuern treffen? Wenn wir die Einkommensteuerzushläge beseitigen wollen, muß auch die hohe Dotierung des Cisenbahnextraordinariums revidiert werden. JIeden- falls werden wir uns dagegen, daß die Bevölkerung, nur um es hoh zu halten, mit neuen Steuern belastet wird, aufs nahdrücklichste zur Wehr feßen.

Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Der Herr Abg. Friedberg hat seine Ausführungen an die Adresse des Herrn Finanzministers gerichtet, der beute im Hause nicht anwesend ist, weil er wohl niht gewärtig sein konnte, daß diese grundsäßlihe Frage bei der dritten Lesung des Etats noch einmal erörtert werden würde. Jh kann dem Herrn Finanzminister die

Beantwortung und Vertretung seiner Gegengründe überlassen, möchte aber nit verfehlen, hier wiederholt festzustellen, daß ih von-méinem Standpunkt als Eisenbahuminister mih dagegen \träuben würde, daß das Extraordinarium eine Kürzung erfährt. Mich leitet hierbei der Gesichtspunkt, daß, wie ich fürhte, dann, wenn wir einen mehr oder weniger großen Teil der jet aus den Ein- nahmen gedeckten Ausgaben des Extraordinariums in die An- leihe verweisen, die Fortentwicklung der Staatseisenbahnverwaltung eine Hemmung erfahren könnte. Ih sehe mit Sicherheit voraus, daß dann, wenn wir die Ausgestaltung der Staatseisenbahnen aus den eignen Einnahmen nicht mehr zu decken vermögen, die Finanz- verwaltung mit kritisher Schärfe unsere Anforderungen, die wir nun dur die Anleihe gedeckt sehen wollen, in weit höherem Maße dur- prüfen wird, als es heute geschieht. Ste wird dieses tun m üssen, weil sie ja der Auffassung ist, daß ein mehr oder weniger großer Teil der Auszaben, die wir heute im Extraordinarium decken, nicht werbender Natur ist. Ueber diese Frage kann man streiten und wird man ewig streiten. Aber die Finanzverwaltung steht doch einmal auf diesem Standpunkt; und wenn Sie nun erwägen, daß auch die An- leihesummen, die wir jahraus jahrein anfordern, zu einem niht uner- heblihen Teile gleichfalls folche Beträge enthalten, die nur sehr mäßige Zinsen liefern, z. B. alle diejenigen Anforderungen, die wir für Meliorationsbahnen brauchen, o ersheint der Vorschlag des Herrn Abg. Dr. Friedberg do sehr bedenklich, und wird der Staatsregierung unter allen Umständen Anlaß zum Einspruch geben müssen. (Bravo! bei den Konservativen.)

“Abg. Drt. A A Sal (nl.): Zu der Frage der elek- trischen Beleuchtung in den Eisen vahnwagen hat der Minister der öffentlichen Arbeiten eines Nachbarstaats kürzli einen Stand- punkt eingenommen, der von dem unseres Ministers abweicht. Vor zwei Jahren hat auf die Frage des Abg. _Schwuidt, ob nicht bei CEifenbahnzusammenstößen der Gasbehälter die Gefahr vermehre, der Minister von Breitenbach erklärt, er sche keine Veranlassung, von der Gasbeleuchtung abzuweichen, denn diese berge keine besondere Gefahr in sich, die

g L i S ; L ois elektrishe Beleuchtung gebe keine größere Sicherheit gegen die In- brandsetzung eines Zuges, sie fei dagegen erheblih teurer, und die Gasbelèuchtung sei außerdem cine vorzügliche Art der Beleuchtung. Der Minister sazte nur weitere Versuhe mit der elektrischen Be- leuhtung zu. Nun haben si gerade in der leßten Zeit im Ausland, i: B. England, mehrere Eisenbahnunglücksfälle ereignet, bei denen s durch den Brand infolge der Gasbeleuchtung zahlreiche Per- omen getötet wurden. Es erscheint mir deshalb notwendig, daß die

Frage, welche Beleuchtungsart am wenigsten Gefahren mit d bringt neuerdings geprüft wird. Auf der französischen Nordbahn hat jüngst ein Zusammenstoß zwischen zwet elektrisch erleuhteten Zügen statt- gesunden, wobei ein Wagen völlig zertrümmert wurde, ohne daß ein

rand ausgebrochen wäre

Abg. Dr. N unze (fortschr. Volksp.): Für die Cisenbahnangestellten, deren Gehaltsregulierung allerdings als abgeschlossen gilt, müssen wir doch noch verschiedene Verbesserungen errei. namentlich durch die Verkürzung der Zeit bis zur Erreichung des höchsten Lohnes, durch die grundsäßlihe Einführung des Erholungsurlaubs für die Bahn- unterhaltungsarbeiter und durch Lohnaufbesserungen. Nicht 10% der Werkstättenarbeiter haben eine Lohnaufbesserung erhalten, der Höchstlohn hat sich nur. um 8 .Z, für die jüngeren Arbeiter fogar nur um einen Pfennig erhöht; der Höchstlohn in den Werkstätten wird erst mit 15 Jahren, ja in manchen Fällen erst mit 25 Jahren gewährt, und die Bewilli ung hängt immer von dem Ab- teilungsvorgeseßten ab. Die Durchscnittslöhne stehen noch nicht in einem richtigen Verhältnis zum ortsüblichen Tagelohn. Die Wohnungs- verhältnisse lassen noch in vieler Hinsicht 2! wünschen übrig. Die Eisenbahnunterhaltungsarbeiter, die den Unbilden der Witterung ausgeseßt find, wünschen, daß ihnen Schußkleidung gegeben wird. Das Recht der Arbeiteraus\hüsse muß auf die Verhandlungen über Löhne und Arbeitszeit ausgedehnt werden. Das Dienstverhältnis der Aus- shußmitglieder dürfte nur aus besonderen Gründen dur Verfügung der Direktoren aufgekündigt werden, und als Entlassungsgründe dürften niemals Arbeitsmangel oder vorübergehende Krankheit gelten. Die Arbeitszeit sollte allgemein auf 9 Stunden herabgeseßt und der Erholungsurlaub durhweg nach fünfjähriger Dienstzeit gewährt werden. Die Bahnhofsaufseher und Eisenbahnunterassistenten, die früher als Weichensteller erster Klasse bezeihnet wurden, gehören zu den gehobenen Unterbeamten, aber es bedürfte ernstlicher Erwägung der hohen Behörde, thnen den Wohnungsgeldzu\schuß der mittleren Beamten zu gewähren und ihnen eine Stellen- oder Teuerungszulage zu geben. Der Dienst der Bahnhofsauffeher und Eisenbahnassistenten ist sehr vielseitig, allenthalben werden sie herangezogen , sie find zum Teil die Vorgeseßten der Zugführer und Lokomotivführer, aber sie find geringer besoldet. Die Schirrmänner, die den \{hweren Nangierdienst zu versehen haben, wünschen in die fogenannte Klasse B aufgenommen zu werden. Die Eisenbahnwerkführer, die \o- genannte gehobene Arbeiter sind, wünschen in das mittlere Beamten- verhältnis eintreten zu können. Jch bitte das hohe Ministerium, auch dieser Kategorie seine liebevolle Fürsorge zuzuwenden. Die Eisen- babtnweiensteltee, die eine große Verantwortung haben und \ih besonders der Lebensgefahr ausseßen müssen, haben außerhalb ihrer acht Stunden Arbeitszeit oft noch bis zu 2 Stunden und länger zu tun, um zu ihrer Arbeitsstelle zu gelangen. Für diese Ueberstunden, durch die in manchen Fällen ihr Dienst auf 11 Stunden und in einzelnen Fällen sogar auf 14 Stunden ausgedehnt wird, be- kommen sie keinerlei Entschädigung. Für die Eisenbahnfahrbeamten sollten gerade wir in Preußen und Deutschland größere Sympathie, ja Dankbarkeit fühlen, denn wenn man aus einem anderen Lande ommt, ¿. B. aus Nußland, so ist es eine wahre Freude, wenn man wieder zu unseren tüchtigen und unbestechlihen Beamten kommt, so ist es auch im Süden und im Westen. Gerade die Hilfs\chaffner sind noch nicht genügend bedaht worden. Die Eisenbahnmäagazinverwalter haben ein Vertrauensamt von höchster Bedeutung, sie sind aber nicht richtig ein- geshäßt und sollten eine Art mittlerer Beamtenstelleèn erhalten.

Abg. von Hennig s-Techlin (kons): Wir haben über die Gehalts- fragen an passender Stelle und zu passender Zeit so eingehend verhandelt, daß ih es mir versagen kann, noch weiter darüber zu \prechen. Nur ein Wort zu den finanzpolitischen Ausführungen des Abg. Dr. Friedberg. Bei der großen Wichtigkeit der Sache und bei der Wahrscheinlich- keit, daß wir uns im nächsten Jahre beim Steuergeseß eingehend damit beschäftigen werden, halten es meine Freunde für notwendig, unseren Standpunkt noch einmal dahin zu präzisieren, daß wir an der Fixierung des Extraordinariums absolut festhalten, und zwar niht allein deshalb, weil wir glauben, daß es nicht angezeigt ift, an unserem früheren Beschluß nah so kurzer Zeit zu ändern, fondern weil wir der Ueberzeugung sind, daß wir hier auf dem richtigen Wege sind, und daß es ein Fehler sein würde, wenn wir aus Gründen, die niht in der Sache liegen, davon abgehen würden. Wir bestreiten nah wie vor, daß das Extraordinarium in der jeßigen Form in dem Maße werbende Ausgaben enthält, wie es der Abg. Dr. Friedberg hingestellt hat. Gewiß ist auch ein Teil davon werbender Art: aber diese Anlagen werden in verhältnismäßig kurzer Zeit dur die Verkehrsentwicklung überholt werden und durch neue größere An- lagen erseßt werden müssen. Wir glauben, daß der von dem Abg. Friedberg vorgeschlagene Weg in Zukunft den Zinsendienst do wesentlich vermehren würde. Die Grenze, wo die Anlagen als werbende oder nihtwerbende betrahtet werden sollen, ist chon ziemli eng gezogen. Wir haben sie früher wesentlich weiter gezogen. Die jeßige Grenze ist \o eng, daß wir darüber niht hinausgehen können, wenn wir niht das rihtige und solide Verhältnis unserer Eisenbahnfinanzpolitik außerordentlichß tangieren wollen. Ich gebe vollkommen zu, daß in diesem fixierten Extraordinarium ein großes Vertrauen unserer Eisenbahnverwaltung gegenüber - liegt: Anderseits können wir uns nicht verhehlen, daß, wenn wir das Ertra- ordinarium hier abhängig machen von dem allgemeinen Staatsetat, das eine Hemmung der Fortentwicklung unseres ganzen Cifenbahn- wesens herbeiführen würde, die wir niht wünschen. Wir wollen, daß die Cisenbahnverwaltung auf eigenen gesunden Füßen steht. Ver- lassen wir diesen Weg, so kommen wir wieder auf die schiefe Ebene, daß der Eisenbahnetat abhängig wird von den allgemeinen Staats- finanzen. Die heutige Erklärung des Abg. Friedberg kann ih nicht tragisch nehmen, denn ein Teil der nationalliberalen Partei teilt den Standpunkt, den!lwir hier vertreten.

Die DiskussionFwird geschlossen.

Zur Geschäftsordnung mahtYy

Abg. Leinert (Soz.) darauf aufmerksam, daß die Durchberatung des Cisenbahnetats nur eine Stunde und 50 Minuten gedauert habe. Es werde bald so weit kommen, daß jeder Redner, der zum Worte kommen wolle, fich erst bei dem Herrn Oberpräsidenten der konser- vativen Partei die Erlaubnis holen müsse. a

Die Abgg. Dr. Lohmann und Meyer- Diepholz (nl.) bedauern, durch die Schließung der Debatte verhindert zu fein, einige Wünsche vorzutragen.

Damit ist der Etat der Eisenbahnverwaltung erledigt.

Beim Etat der Bauverwaltung bemerkt l Abg. von Arnim - Züsedom (kons.): Jn bezug auf

die Linienführung des Kanals von der Weser nah Hannover hat der Stadtdirektor Tramm in den gepflogenen Ver- handlungen Ausführungen gemaht, die zu erheblichen Bedenken Anlaß geben. Es handelt sih um die Frage, ob überhaupt ein Hafen für Hannover angelegt werden foll, und wenn ein solcher angelegt werden soll, ob er nördlich oder östlih von Hannover angelegt wird. Es ist auch über die Frage verhandelt worden, ob die emeinde zu den Kosten beitragen soll. Der Kanal ist speziell für die Interessen der Stadt Hannover gebaut. Wenn nun die Stadt Hannover ausdrucklich erklärt, daß sie Bedenken trage, einen Hafen zu bauen, so ist das ganze Verhältnis auf den Kopf gestellt. Jch betone nochmals, das Anschlußstück von der Weser nah Hannover ist [lediglich im Juteresse der Stadt Hannover gebaut. Es scheint fo, daß die Stadtgemeinde Hannover den Staat und damit die Allgemeinheit zwingen will, die Kosten des Hafens mitzutragen. Dagegen würden meine politischen Freunde ganz entschiedene Bedenken haben. Jh möchte den Minister um eine Aufklärung bitten, wie er si zu der Auffassung des Stadtdirektors Tramm stellt. Ich kann die Befürchtung nicht unterdrüden, daß die Stellungnahme - der Vertretung von Hannover nicht eine fo scharfe wäre, wenn die Vertretung niht einen Rückhalt an den Behörden gefunden hätte. Ich kann dies nur in hohem Grade bedauern. Die ganze Sache hat noch ein anderes Gesicht bekommen durch den einstimmigen Beschluß des westfälischen Provinziallandtags, der sich gegen die Ausdehnung des Schleppmonopols auf die Verhältnisse am ortmund-Gms-Kanal erklärt hat. Die Verhandlung des Provinzial landtags war eine etwas überstürzte; von der Einbringung des Vor-

fassung in dieser Frage von falschen Vorausseßungen ausgegangen. Er nimmt anscheinend an, daß bezüglih des Sch eppmonopols der Kanal vom Nhein bis zur Weser mit dem Anschlußstück in zwei befondere Teile geteilt t, in den Teil vom Rhein bis zum Dort- mund-ECms-Kanal und in den Teil von Dortmund bis Bevergern nach dem Osten. Diese Vorausseßung ist unbegründet und widerspricht dem Geseß. Die Provinz hat die Garantie für den einheitlichen Kanal vom Rhein bis zum Dortmund-Ems-Kanal und bis Bevergern und Hannover übernommen, und damit auch dafür, daß auf der durchgehenden Strecke das S{leppmonopol einzuführen ist. Jch erwarte bestimmt, daß der Minister mit dem größten Nachdruck erklären wird, daß die Annahme des westfälischen Provinzial- landtages eine irrtümliche ist, und daß seine Beschlußfassung auf die Garantieübernahme ohne Einfluß sein muß.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach: Meine Herren! Der Herr Abg. von Arnim hat zwei Fragen, die den Bau und den Betrieb des Rhein-Hannoverkanals betreffen, erörtert, die von erhebliher und grundsäßliher Bedeutung find. Es ist mir daher recht erwünscht, daß ih noch in dritter Lesung Gelegen- heit habe, die Auffassung der Königlichen Staatsregierung zu diesen Fragen bekannt zu geben.

Wenn ih mit der letzterörterten beginne, so liegt die Sade so, daß die Einführung des staatlichen Schleppbetriebes auf dem Rhein- Hannoverkanal gelegentlih des wasserwirtschaftlichen Gesetzes, das inm Jahre 1905 hier verabschiedet worden ist, zu erheblihen Bedenken und Anständen Anlaß gegeben hat. Die ganz überwiegende Majorität des Landtags hat sih aber für die Einführung des staatlichen Schlepp- betriebes entshieden aus verschiedenen, sehr durchs{chlagenden und an- zuerkennenden Gesichtspunkten; nicht zum leßten um deshalb, weil ein geordneter Shleppbetrieb auf einem stark befahrenen Kanal nur möglich sein wird bei etner einheitlichèn staatlichen Leitung. Die Königlihe Staatsregierung steht“ nach wie vor auf dem Standpunkt, daß der staatlihe S{hleppbetrieb den ganzen Verkehr ergreift auf dem Rhein-Hannoverkanal, gleih- viel, ob es ein Verkehr ist, der zwischen dem rheinischen Gebiete und dem Gebiete um Hannover sih bewegt, oder ein Verkehr, ber den alten Dortmund-Emsfanal benugt, also den Verkehr von Dortmund- Herne in der Richtung nah der Ems hin. Wir sind der Meinung, daß gerade Betriebsgründe dafür \prehen und sprechen müssen, daß das Monopol beide Veckehrszweige umfaßt. Der Wortlaut des Ge- seßes steht dieser Auffassung zur Seite, und diese Auffassung ist von denen, die der Frage nahe stehen, die den Kommissionssizungen bei- gewohnt haben, insbesondere auch von dem Herrn Berichterstatter, dem Abg. Am Zehnhoff mit großer Lebhaftigkeit uud Energie stets vertreten worden; auch die Regierung kann \ich nur auf diesen Standpunkt stellen. Ein Ausfluß der Gegnerschaft gegen das S{hleppmonopol ist ja der Wunsch, einen Teil des Verkehrs des Kanals von dem Monopol auszuschalten, gerade den Verkehr, der als der Dortmund-Emskanal- verkehr bezeihnet wird; um hier zu applanieren, war die Anregung gegeben : man solle diesen Verkehr des Dortmund-Emskanals wenigstens für einen bestimmten Zeitraum vom Monopol frei machen. Diese Anregung ist aber auf lebhaften Widerstand gestoßen, und die König- lidje Staatsregierung hat keinen Anlaß, sie zu verfolgen.

Angesichts dieser Sachlage hat es auffallen müssen, au bei der Königlichen Staatsregierung, daß der westfälishe Provinziallandtag eine so bestimmte gegensäßlihe Stellung eingenommen hat.

Ich will die Frage, ob der westfälische Provinziallandtag legitimiert ist, au Resolutionen über diesen Gegenstand zu fassen, nit erörtern. Er ist Garant des Kanalunternehmens, und auf dieser seiner Eigen- schaft beruht nah seiner Auffassung seine Legitimation, obwohl es für mih nihcht ganz klar ist, wie aus der Uebernahme der Garantie- verpflihtung eine Einwirkung auf die Frage der Ausdehnung des Monopolbetriebes erkennbar wird. Ich muß mich aber ausdrüdckli gegen die scharfe Kritik, die in dem Provinziallandtag an der Auf- fassung der Königlichen Staatsregierung geübt worden ist, verwahren : ih muß mich um so mehr dagegen verwahren, als bereits in den Jahren 1907 und 1908, als die Fragen der vergrößerten Abmessung der Kanäle, des Rhein-Hannover- und des Rhein-Hernekanals, in den Provinziallandtagen zur Erörterung kamen, eine gleich \charfe Kritik geübt wurde. Das geshah damals ebenso wie jeßt, obwohl fh die Königliche Staatsregierung in Uebereinstimmung mit der ganz über- wiegenden Majorität des Landtags der Monarchie befunden hat, und obwohl die Staatsregierung ja nihts weiter tut, als das wasserwirts\chaftliche Geseß vom 1. April 1905, das, wie dem hohen Hause bekannt ift, sehr erheblihe Klippen und Anstände zu überwinden hatte, ebe es Geseß wurde, loyal und gewissenhaft auszuführen. Eben, weil sie es loyal und gewissenhaft ausführen will, ist sie auc in dieser Frage der Meinung, daß de lege gar nit anders entshieden werden kann, als daß der Gesamtbetrieb, der den Rhein-Hannoverkanal bis Bevergern passiert, dem Monopol unterworfen sein muß.

Wenn einige Redner auf dem Provinziallandtage so weit ge- gangen sind, auszuführen, daß die Erhebung einer Klage seitens des Provinziallandtags als Garant gegen den Fiskus in Frage kommen könne, fo sind diese Ausführungen für mich rechtlich völlig unver- \tändlich.

Jch beantworte also die Anfrage des Herrn Abg. von Arnim dahin, daß die Garantieverpflihtungen durch die Frage, ob Monopolbetrieb in einem begrenzten oder in dem erweiterten Um- fange auf dem Kanal geführt werden \oll, in keiner Weise beeinflußt oder ershüttert werden können. (Abg. von Arnim-Züsedom : Bravo !)

Von mindestens ebenso großer Bedeutung, meines Ermessens von größerer Bedeutung, ist die Stellung, die die städtisGen Kollegien von Hannover gegenüber der Hafenbaufrage dort eingenommen haben. Ich darf meinerseits hier feststellen, daß die Königliße Staats- regierung seit nunmehr fünf Jahren bemüht ist, diese Frage in be- frtedigender Weise zu lösen, und daß sie bei diesem ihrem Bestreben von allen ihr unterstellten Behörden und auch gerade von den in Hannover angefessenen Behörden der allgemeine und der Wasserbauverwaltung lebhaft und in jeder Weise unterstüßt worden ist. Aber diese Behörden sind ebensowenig wie die Zentralinstanz, wie der Minister selber, der entgegenstehenden Schwierigkeiten Herr geworden. Und das liegt im wesentlichen daran, daß die Staats- regierung völlig abweihender Auffassung is von derjenigen de städtishen Kollegien in Hannover bezüglich der Frage, auf wessen Kosten die Hafenbauten dortselbst auszuführen sind.

Die Staatsregierung steht auf dem Standpunkt, dea Abg. von Arnim hier dargelegt hat, daß nah ‘der bestimmung wohl die Erbauung Kana!s felbst, des ganzen Kanaltraktus, Aufgabe der Regierung ist, die fie mit ihren

der

M ltt Berwaltung

der Herr Gesetzes-

des

s{lages bis zur Beschlußfassung waren kaum 24 Stunden vergangen.

Der westfälishe Provinziallandtag ist bei Beratung und Beschluß-

Mitteln unter Jnanspruhnahme der Garantien der in Frage