1891 / 102 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 01 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. von Jazdiéèwski bemängelt eine Verfüguzg des Öber- Lnndesgeri@t8-Präfidenten von Posen, nah welcher ‘cie Dolmetscher bei. der Uebertragung ia das PolnisGe Namen von Personen, Städten, Kreisen u. \. w., wenn die amtlihe Bez fchnung eine andere \ci als die polnische, nur so wiedergeben sollten, wie die erstere laute. Damit greife der Ober-Landesgerichts-Präsiden“ in die Sphäre Dritter ein, wo er ihnen nichts vorzuschreiben habe. Der Regierungskommissar babe in der Kommission auch zugegeben, vaß der Justiz-Minister diese Verfügung {hon verbessert habe. A

Geheimer Ober-Justiz-Rath Cichholy erklärt die leßtere Be- merkung für einen Jrrthum. Dex Justiz-Minister habe nur dem Ober-Landesgerichts-Präsidenten mäátgetheilt, daß, wenn der Inhalt der Verfügung auch soweit au“gedehnt werde, daß die Dolmetscher die polnishen Bezeichnungen au niht dann gebrauchen sollten, wenn es zur Verständigung mit %æxn_ Parteien nothwendig sei, die Ver- fügung zu weit gehe und vaß fie wohl s{hwerlih so beabsichtigt sei. Eine Aeußerung des E Lande E sci darauf noch nicht erfolgt; einen Verstoß enthalte dessen Verfügung nicht, für welche lediglih Zweckaiäßigkeitsgründe maßgebend seien.

Abg. Korfch ist mit der Verfügung einverstanden; nur wenn cine Verständigung mit den Parteien nit möglih sei, möchten die Dolmetschec die polnischen Namen gebrauchen.

Abg. Spahn bittet den Minister, dem Hause Exempläre der Gutachten der vershiedenen Regierungen über das neue Bürgerliche Gesetzbuch tur Verfügang zu ftellen.

Justiz-Minister Dr. von Schelling:

Ih freue mi sehr, daß das Interesse für das Zustandekommen des deutschen bürgerlihen Geseßbuhes au in diesem hohen Hause zum Ausdruck kommt, und bin sehr gern bereit, dem Wunsche des Herrn Vorredners Rechnung zu tragen. (Bravo!)

Abg. Dr. Krause empfiehlt eine Reform der Strafgerichtspflege, namentlid auch bes Strafvollzuges, und spricht die Hoffnung aus, daß die Erwägungen über die bedingte Verurtheilung nicht dur die Auslassung über dieselbe im „Reihs-Anzeiger“ abgeschlossen seten. Die Justizverwaltung hätte sh niht an die Ober-Landesgerichte und Ober-Staatsanwalte wenden müssen, sondern an die Landgerichte und die Ersten Staatsanwalte, welche dem Strafvollzug näher ständen. Redner spricht ferner“ für die Wiedereinführung der Berufung in Strafsachen. Auch die Frage der Entschädigung unschuldig Ver- urtbeilter werde nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden, die Sühnepfliht des Staats müsse festgestellt werden. Preußen sollte seine dominirende Stellung im Reich benußen, um diese Fragen durchzuführen.

Abg. Zelle: Wenn der Themisjünger seine Referendariats- prüfung abgelegt habe, so dürfe er doch noch nicht durch die Pforte schreiten, in welche ex eintreten müsse, um dem Staat ver- schiedene Jahre umsonst zu dienen, sondern davor stche der Land- gerihts-Präsident mit der Ministerialverfügung, nach welcher er verlange, daß der Themisjünger ers für fünf Jahre standes- gemäßen Lebensunterhalt nahweise. Diese Verfügung werde verschieden ausgeführt. Der eine Landgerichts-Präsident begnüge si mit der Bescheinigung des Bürgermeisters, daß der Vater des jungen Mannes die nöthigen Mittel besiße, ein anderer verlange Sicherstellung eines Kapitals und ein anderer, von dem er sprehe, gehe ohne ein System zu Werke. Bei Beautensöhnen sei er mit der Bescheinigung durch den Bürgermeister zufrieden, bei den Söhnen anderer Leute wende er verschiedene Maximen an. Bei dem Sohne eines Büchsen- mahers babe ihm die Bescheinigung des Bürgermeisters nit genügt; er habe fi gesagt, ein Büchsenmacher in einer kleinen Stadt in der Provinz êönie unmöglich genügend verdienen und die Steuerein- \chäâtung des Vaters verlangt. Danach habe dem Präsidenten au das Besißthum eines Hauses, das dem Büchsenmacher gehöre, nicht zur Sicherheit genügt, \chließlich aber sei die Sache zur Kenntniß des Ministers gekommen, und der mit feinen Götterhänden habe das gequälte Objekt beschügt aber wer erseße dem jungen Mann den Verlust der vier Monate, die bis zu seiner Anstellung vergangen seien ? Er bitte den Minister, daß er, da ja doch nicht alle solche Fäüe an than gelangen könnten, ein allgemein gültiges Regulativ über die Durch- führung jener Ministerialverfügung erlasse.

Abg. Stöcker: Troß der Ausführungen über den Fall von Kunowéki wœürde er es bedauern, wenn ein solches Eintreten für die wahre Justiz niht auch im Hause selbst Wiberhall fändez die Maßregel des Herrn von Kunowski verdiene Beifall, nicht Tadel. Schon der Muth, wit dem ein hoher Staatsbeamiter den Finger an Uebelstänve lege, die mit dem Judenthum zusammenhingen, während in unserer Zeit ein anderer Präsident Referendare wegen der Nicht- aufnabme eines jüdishen Referendars an ihren Tisch disziplinarisch verfolge, verdiene die hochste Anerkennung des deutschen Volks. Aber auch in der Sache selbst finde er die in Rede stehende Ver- fügung rihtig. In weiten Kreisen, au in juristischen hbeständen Zweifel darüber, ob die jüdische Nation das Maß der Objektivität besitze, das zur Fällung eines Urtheils nöthig sei. Er erinnere an seine eigene Erfahrung mit dem bekannten Landrichter Kronecker, der in einer Sache ein falsches Erkenntniß gegen ihn citirt habe, ledigli nach Zeitungs8geklatsh, troßdem er von dem authentischen, {on rechtskräftig gewordenen Urtheil habe Kenntniß nehmen können, und der dana den von der „Kreuzzeitung“ ihm gemachten Vorwurf, fahrläfsig gehandelt zu haben, habe ruhig einstecken müssen. Hr. Kronecker sei zwar getauft, aber das jüdische Blut wirke noch na, und er sage dana, der Jude besige nicht die zum Fällen eines Urtheils nöthige Objektivität; wenn so ein Richtec verfahre, wie werde ‘erst der jüdische Laie handeln! Im Volk meine man, daß das Eindringen des Judenthums in die Justiz chwere Schäden nah sich gezogen habe; wenn etwa im Schöffengericht ein jüdischer Nichter und zwei jüvische Schöffen in Cigenthumssachen zwisen Christen und Juden entsieden, so glaube jeder vernünftige deutsde Mann, daß kein vernünsftiges Urtheil zu Stande komme. Der Jude habe eben zu viel Geschäftssinn, zu viel Besorgniß aus Geschäftsrücksichten, aber über die Rücksicht auf das Geschäft und auf das Judenthum gehe ibm (Redner) bdoch die Rücksit auf die Erhaltung unserer Rets- vflege. Im Uebrigen möchten die Juden und die jüdishen Juristen fh doch der jeßi,en Zustände freuen: habe es doch ein Jude fogar zum Ober-Landesgerichts-Rath gebraht er glaube nit, daß dacin ein Segen liege.

E Abg Munckel: Er habe fich über Eins in der Rede des Hrn. Stödler gewundert: über den geringen Werth, welchen er der Taufe beilege. Wenn der Abg. Stöcker glaube, Juden seien ihm gegenüber nicht unbefangen, so möge er Recht haben, Juden seien do) auch Menschen. Wie müsse aber erst Juden zu Muthe fein, wenn sie dem Abg. Stöcker und zweien seiner Genossen als An- getlagte gegenüberständen, Das Vorgehen des Abg. Stöcker sei eine Revolution nit nur gegen die Geseßgebung, sondern gegen unseren ganzen Kulturzustand, (Unruhe rechts.) Er habe sih gewundert, daß der Abg. Stöcker von der rechten Seite Beifall erhalten habe; es ¿eige ihm das, taß er zu gut von derselben gedaht habe. (Unruhe rets.) Der Fall Alexander sei durch die Erklärungen vom Re- gierungetis%e nicht erledigt, es werde nothwendig fein, zu erwägen, 9b die Gesctgebung in Bezug auf das Disziplinarverfahren nicht einer Aenderung bedürfe. Das Disziplinarverfahren kenne cinen Verweis und eine Waroung. Es \{eine ihm nit gleich, ob cine solche im Urtheil felbst oder in den Gründen eires freisprehenden Urtheils

e.

_ Abg. Stöcker: Das Haus habe gehört, daß der Abg. Mundtel seinen Angriffen äußerst \{chwach begegnet s Wenn der Abg. Mundel so tvenig Tite, al QeAmoael besitze, daß er an höheren Beamten deu Charakter als Jurist und als Verwaltungsbeamter nit mehr untersheide, so bedauere er das, er hätte einem Rechts- anwalt mehr Judicium zugetraut. Aber auch in rein juristischen Dingen bedauere er sein Urt cil. Er habe das falsche Citiren eines Berliner Richters und die Kritik seines Freundes von Hammerstein tarüber angeführt und da fage der Abg. Munckel, der Richter habe sich in Bezug auf ihn (Redner) geirrt; das sei wobl \9, wie er es in seinex Prozessen zu machen pflege, daß man |

die Dinge so wende, wie man sie brauche. Aber jo behandele man die Sache doch nicht im Landtage. Er fordere ihn auf, ihm einen chr’\stlihen Richter deutscher Abstammung nachzuweisen, der auch zu Ungunsten eines Angekkagten ein Urtheil falsch citire. Liefere er ihm den E nit, so bleibe er bei seiner Dts: nämli nichï, daß ein Jude von inferiorer Qualität sei, wie er ihm nachsage, sondern vaß Juden nicht genug Objektivität besäßen, um ein Urtheil zu fällen. Was den Ruf christliher Liebe anlange, so habe der Abg. Munel sie nicht gezeigt, z. B. nit in dem Prozeß, als er ihm (Redner) als gegnerisher Anwalt gegenübergestanden habe, wo durch jüdisches Geld das Blut so erbißt gewesen sei, daß die Richter niht mehr ge- wußt hätten, was wahr sei. Die Wirkungen der Taufe nehme er so an, wie es ihm als christlicher Prediger zukomme. Aber er schreibe ihr keine E Wirkung zu. Er glaube z. B., daß die Taufe beim Abg. unckel ganz wirkungslos geblieben sei. .Er danke ihm für das Zugeständniß, daß er oder seinesgleiben von jüdischen Richtern stets verurtheilt werden würde, damit gebe er seine Be- hauptung zu. Ob er unpartetisch handeln könne, könne der Abg. Mundckel nit beurtbeilen. Jedenfalls sprehe er von den Juden noch mit mehr Liebe, als manches Mitglied der Linken, wenn er auch seit zwölf Jahren von der jüdishen Presse mit einer Nichtswürdigkeit 4 br l: d angegriffen werde, wie kein Mann in der mo- ernen Zeit.

Abg. Munckel: Nach seinen Worten denke der Abg. Stöcker von ih sehr groß, von ihm (Redner) sehr klein, das freue ihn, denn er gehöre zu den Menschen, die Mißtrauen bätten, wenn sie von mancher Seite gelobt würden. Er habe dem Abg. Stöcker mehrfah gegenüber gestanden, nicht bloß wo jüdisches Geld angebli Loe worden sei, sondern au in einer Sale, an die sich der Abg. Stöker vielleiht nicht gern erinnern lasse, nämlich in der mit seinem Amts- bruder Witte, wo er die beiden Geistlichen, die mit einander stritten, vereinigt habe. Zuglei mit einem andern christlihen Rehtsanwalt, dem Rechtsbeistand des Abg. Stöcker, habe er die Einigung nur dadurch möglich gemacht, daß er und sein Herr Gegner die Koften zu tragen zu Protokoll erklärt hätten. Das sei die Art, wie er seine christlihe Liebe bezeuge und wie er Frieden stifte. Wenn der Abg. Stödcker aber christliche Liebe hätte, so würde er sie in jenem Prozeß und au an anderen Stellen haben beweisen können. Er fage, er habe Liebe zu den Juden. Wer ihn gehört habe, der werde wissen, was davon zu halten sei. Der Abg. Stöckter habe eben eine stärkere Art der Argumentation als wir Anderen.

Abg. Stöcker: Die Widerlegung der von ihm (Redner) behaupteten Thatsachen sei der Abg. Munckel {chuldig geblieben, Jn dem Prozeß Witte hätte der Abg. Munckel seine christlihe Liebe besser beweisen können, wenn. er vor Anstrengung des Prozesses den Prediger Witte zur Zurücknahme seiner Klage veranlaßt hätte. Er (Redner) habe damals die auf ihn entfallenden Gerichtskosten bezahlt. Es handele sich auch nicht um den Prozeß Witte, sondern er habe von dem Prozeß Beer gesprochen. Weil er in einer Volks- versammlung von 2000 Leuten einen bestimmten Mann nicht erkannt habe, habe man ihm Meineid vorgeworfen, und der Abg. Munckel habe gesagt, er glaube, daß es ein wiffsentliher sei. Wenn das christliche Liebe sei, so begreife er es nit. Wenn er Anwalt geworden wäre, so wäre er dem Abg. Munckel wohl überlegen gewesen auf dem Boden der Wahrheit und Gecechtigkeitsliebe, auf dem der List niemals, niemals!

Abg. Mundckel:; Im Prozeß Witte habe thatsählich eine Einigung zwischen den beiden Paftoren erst dadur stattfinden können, daß die beiden Rechtsanwalte vor dem Richter zu Protokoll erklärt hätten, daß sie die Tragung der Kosten Übernähmen. Ob der Abg. Stöcker naher den auf ihn entfallenden Theil bezahlt habe, wisse er nicht. Ihm sei der auf ihn entfallende Theil nicht bezahlt worden, Was den Bescheid betreffe, habe der Abg. Stöcker mit der Gewißheit, die Niemand habe, dec sein Gewissen vor dem Eid liebe, behauptet, er habe eine bestimmte Person niemals gesehenz er (Redner) würde sih, wenn er Tausende sähe, vorsihtiger ausgedrückdt haben, und gesagt, er erinnere sih nicht, den Menschen gesehen zu haben. Nun traue er einen wissentlichen Meineid dem Abg. Stödcker nit zu, Über den fahrlässigen Meineid in dieser Sache behalte er sein Urtheil für si, aber es komme hier noch der zufällige Meineid in Betracht, und, ohne auf die Strafverfolgung desselben einzugehen, unter diese Rubrik sfci der besondere Fall des Stöcker'shen Falscheides subsumirt worden. Ueber das Vorhandensein eines Falscheides seien Alle einig gewesen. Er habe aber gewünscht, daß der Beweis über diese An- gelegenheit erhoben werde, damit der Verdaht des wissentlihen Meineides nicht auf dem Abg. Stôcker haften bleibe. Ueber die Wirkung der Taufe auf ihn selbst wolle er sich nicht weiter auslassen.

Abg. Stöcker: Der Abg. Munckel möge für seinen Klienten bezahlt haben, seine Kosten habe er (Redner) selbst bezahlt, und die Behauptung des Abg. Munckel sei eine Unwahrheit, die dadurch nicht besser werde, daß der Abg. Mundtkel den Sachverhalt niht gewußt habe; was man nicht wisse, das solle man niht behaupten, Eine grobe Unwahrheit sei es auch, daß er (Redner) die Bekanntschaft jenes Sozialisten abgeleugnet habe. Cr habe zu seiner damaligen Behaup- tung aus freien Stücken die Bemerkung hinzugefügt: er sche den Menschen zum ersten Mal. Es sei das eine vollständig gleihgültige Sache gewesen. Gr freue sih übrigens, daß der Abg. Mundckel ihm heute nit decn wissentlihen Meineid vorgehalten habe. In dem Prozesse damals habe er es gethan und die ganze Gemeinheit im öffentliwen Leben gegen ihn hervorgerufen. Im Uebrigen empfehle er ihm, sich um die Affaire Liebermann (große Unruhe) etwas zu kümmern, aber nicht in dieser Weise mit derartigen unwahren Be- hauptungen- aufzutreten.

AÁbg. Hansen: Es liege ihm fehr fern, in das Amt des Präsidenten eingreifen zu wollen, aber er stelle dessen Erwägung anheim, ob er nicht diese Diskussion {ließen möhte, die das Haus zu lange {on beschäftigt, einen rein persöulihen Charakter habe und gar nit interessire. (Beifall.)

Der Präsident {ließt die Diskussion, da Niemand mehr zum Wort gemeldet ist.

Berichterstatter Bödiker: Er habe zunächst der \{chmerzlichen Empfindung Ausdruck zu geben, daß eine so lange Diskussion über persönliche Angelegenheiten bei dem Justiz-Etat stattgefunden habe, wo es sich handele um die Gerechtigkeit, die dargestellt werde, wie sie mit verbundenen Augen die Wahrheit finde. Doß Richter über 65 Jahre, selbst bis zum 80. Lebensiahre rihterlihe Geshäfte wahrnähmen, liege allerdings nit im Interesse der Rechtspflege. Dem Uebelstande abzuhelfen sei aber nich: ein Geseg nöthig; wenn einem Richter, der seine Stelle nicht mehr auszufüllen vermöge, auf vertrauliGem Wege nahegelegt werde, seiù Amt aufzugeben, so werde er dem Folge leisten. Eine Altersgrenze durch Gesey festzu- legen, sei gefährlich. 5

Abg. Stöder (zur Geschäftsordnung): Er möchte den Präsi- denten bitten, fich darüber auszusprechen, ob es dem Referenten erlaubt sei, in dieser Weise zwei Mitglieder des Hauses zu reprimandiren, wie er es gethan habe.

Präsident von Köller: Er müsse allerdings sagen, daß der

Abg. Bödiker in seiner Stellung als Referent sih nicht pünktli@ an das gehalten habe, was in der Kommission beschlossen sei. __ Abg. Stö er (persönlich): Er möchte nur konstatiren, weil er in hohem Maß das Gefühl theile, das jeßt im Hause vorhecrschend sein werde, daß er es nit sei, der die persönlihen Bemerkungen be- gonnen habe (Widerspru links), sondern daß der Abg. Mundckel es gewesen sei, der gesagt habe, er wolle mir glauben, „obwohl ih es gesagt habe“. Das habe der Präsident nicht monirt. Darin liege eine große Beleidigung. Er glaube nit, daß Parlamentsmitglieder das Recht hätten, sih so zu behandeln. Das habe die ganze Sache auf die \chiefe Gbene geführt.

Der Titel: Ministergehalt wird nunmehr bewilligt.

Beim Kapitel Ober-Landes gerichte beantragt die Kommission, die für das Breslauer Ober-Landesgeriht neu geforderte Stelle eines Senats-Präsidenten zu streichen.

Geheimer Ober-Justiz-Rathj Eihholß: Nah dem von ihm der Kommission vorgelegten Zahlenmaterial fei daselbst die Nothwen-

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digkeit der neuen Stelle anerkannt worden ; die Geschäfte hätten fi in Breslau in den lehten Jahren sehr erheblich vermehrt. Mit der

Anerkennung der Bedürfnißfrage sollte die Sache erledigt sein. Ein neuer sechster Senat habe errihtet werden müssen ; er finde sein Mo Arbeitspensum, und müsse auch seinen besonderen Präsidenten

aben.

__ Abg. Dr. Friedberg widerspriht dem Antrage der Regierung. Die. vorgebrachten Zahlen bewiesen nur; daß die Verhältnisse in Breslau noch lange nicht so {chlimm seien, als die Verhältnisse in Berlin. Der Sache könne nur abgeholfen werden, wenn der Ober- Landesgerichts-Präsident sich dazu verstehen wolle, die Leitung eines Civilsenats zu übernehmen, damit derselbe niht blo Verwaltungs- beamter werde, sondern au Richter bleibe. Auf die Klagen über die übermäßigen Dienstreisen des Ober-Landesgerihts-Präfidenten von Breslau, der 250 Tage unterwegs gewesen sein solle, habe der Regie- rungskommifsar gebe Auskunft vérweigert und erklärt, der Minister habe keinen Einfluß auf die' Dienstreisen des Ober-Landesgerichts- Präsidenten. Solange diese Uebelstände nicht abgestellt würden, erkläre er si gegen die Mehrforderung. (Zustimmung.)

Geheimer Ober-Justiz-Rath Eichholz: Er behandele die Sache allein und werde auf die Person niht eingehen, auch nah den Aus- führungen des Vorredners niht, der davon auszugeben seine, daß diese Stelle zwar nothwendig sei, aber diesem Ober-Landesgerichts- Präsidenten verweigert werden solle. (Widerspruch.) Dieser habe daran kein Interesse, er arbeite darum nit einen Federstrich mehr oder weniger. (Zuruf: Er reist lieber!) Getroffen werde nur dte Justizverwaltung, getroffen würden die überlasteten Senats-Präsi- denten. Die Vorwürfe wegen der vielen Dienstreisen des Prä- sidenten seien in keiner Weise begründet; es seien Behauptungen aufgestellt, aber niht bewiesen worden.

Darauf wird die Berathung vertagt.

Schluß gegen 4 Uhr.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 30. April gestellt 8742, nit reht- zeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 29. v. M. gestellt 4100, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen.

Subhastations-Resultate. Beim Königlichen Amtsgeriht T Berlin stand am 30, April 1891 das Grundstück in der Pank straße 32e, dem Bau- unternehmer Franz Nürnberg zu Berlin gehörig, zur Versteigerung. Das geringste Gebot wurde auf 974,06 .( festgeseßt. Ersteherinnen wurden die Frls. Louise, Bertha und Helene Kunz zu Berlin für das Meistgebot von 210 000 4

Die gestrige ordentlide Generalversammlung der Ober - \chlesischen Eisen-Industric-Aktien-Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb zu Gleiwiß genehmigte die Vorschläge des Vorstandes und Aufsichtsrathes und ertheilte Decharge. Die auf 11 % festgeseßte Dividende gelangt von beute ab bei den Zahlstellen zur Auszahlung. .

Der Verwaltungsrath der Leipziger Lebensversiche- rungsgesellshaft genehmigte den Rehnungsabs{hluß für 1890, welcher einen Uebershuß von 3756 418 Æ (den höchsten bis jeßt er- zielten) aufweist, und seßte die an die Versicherten für 1892 zu zah- lende Dividende auf 42 %/ fest. Die ordentliche Generalversammlung der Versicherten findet am 23. Mai statt.

Leipzig, 30. April. (W. T. B.) Kammzug - Termin- gandel. La Plata. Grundmuster B. pr. Mai 4,357 #, pr. Juni 4,37è #4, pr. Juli 4,40 , pr. August 445 #6, pr. Sep- tember 4,473 #4, pr. Oktober 4,477 „6, pr. November 4,47} s, E Ou 4,475 M, pr. Januar 4,474 A Umsaß 225 000 kg.

etig.

Braunsck@weig, 30. April. (W. T. B.) Prämienzichung der Braunschweiger 20- Thaler - Loose: 150C00 #4 auf Nr. 43 Ser. 9052, 12000 M Nr. 25 Ser. 5484, 6000 4 Nr. 32 Ser. 7493, 3000 Æ Nr. 22 Ser. 8428, je 300 4 Nr. 49 Ser. 2011, Nr. 17 Ser. 2111, Nr. 46 Ser. 2111, Nr. 14 Ser, 5258, Nr. 7 Ser. 7493, Nr. 12 Ser. 7754, Ne. 38 Ser. 7754, Nr. 21 Ser. 7986, Nr. 33 Ser. 8266, Ne. 39 Ser. 8266, je 240 (G Nr. 22 Ser. 365, Nr. 33 Ser. 500, Nr. 41 Ser. 969, Nr. 29 Ser. 2870, Nr. 20 Ser. 3304, Nr. 43 Ser. 6531.

Wien, 30. April. (W. T. B.) Die „Wiener Abendpost* ver- öffentliht die Bestimmungen des zwishen dem österreihischen Handels-Ministerium und den Vertretern des Oesterreich- Ungarischen Lloyd vereinbarten neuen Vertrages, welcher der am 6, Mai fiattfindenden Generalversammlung der Aktionäre des Lloyd vorgelegt werden foll. Danach ver- pflihtet sich der Lloyd vom 1. Januar 1892 ab auf fünfzehn Jahre zu einer im Vertrage festgeseßten An- zahl jährliher Fahrten in die Levante sowie zu jährli 52 Fahrten nach Konstantinopel und Batum, zu 12 Fahrten von Triest nah Bombay, zu 12 Fahrten von Triest nach Bombay, Hongkong, Shanghai, zu 12 Fahrten nah Colombo und Calcutta, zu 6 Fahrten von Triest nach Santos. Die Schiffe des Lloyd haben außerdem Fiume anzulaufen. Die Staatsverwaltung leistet dem Lloyd eine jährlihe Subvention von insgesammt 3 400 000 Fl., gewährt demselben einen unverzinslihen Vorschuß in Höhe von 15 Mill. Fl. Behufs allmähliher Erneuerung des Shiffsmaterials und behält fich das Recht der Regulirung der Tarife und Frachtsäße vor. Die Mitglieder des Verwaltungsraths sowie alle Angestellten des Lloyd, au die im Ausland wohnenden, müssen österreihis% - ungarische Staatsbürger fein. Der Siß der Gesellschaft ist Triest, Das andels - Ministerium übt die Kontrole über die gesammte Geschäftsgebahrung aus. Die in Wien und Prag bestehenden General-Agenturen bleiben au in Zukunft an diesen Orten, Die Gesellschaft darf ohne Genchmigung der Staatsverwaltung niht mehr als 4 0/0 Dividende vertheilen, Üeber- steigt das Jahreserträgniß 4 9/6 des Aktienkapitals, so wird der Ueber- [uß zwishen dem Fiskus und der Gesellschaft in der Weise getheilt, E Staatsverwaltung ein Drittel, die Gesellshaft zwei Drittel erhält,

In der heutigen Generalversammlung der Aktionäre der Lem- berg-Czernowißer Eisenbahn wurde der Verwaltungsberiht vorgelegt. Na demselben fand auf den beiden österreichischen Linien eine Hebung des Personen- wie Güterverkehrs statt; die Mehr- einnahme beziffert sich auf 145469 Fl. Das Erträgni der Lokalbahnen wird erst in die nächste Bilanz auf- genommen werden, Mik Rumänien ist die Konvention dur{hgeführt ; dasselbe hat das rechtliGe Guthaben bezahlt. Die Versammlung genehmigte den Bericht sowie die Verwendung des Uebershusses von 1099 038 FI. zur Vertheilung einer Superdividende von 4 Fl. auf Aktie und Genußshein. Das Gesammtecträgniß stellt sich hiernach auf 14 Fl., glei 79% für den mit 9 FL. eingelösten Maicoupon.

Der Verroaltungsrath wurde noch ermächtigt, den diesjährigen No-

vembercoupon mit 5 Fl. per Aktie einzulösen. _ Wie die „Presse“ meldet, beziehen ih die Konferenzen der Staatseisenbahn-Gesellshaft mit dem ungarischen Handels-Minister auf die Lostrennung der Domänen, welhe nach den Absihten des Ministers Baroß vollständig durch- geführt werden foll. Was die Verstaatlihung der ungarischen Linien anbetrifft, so lägen keine Anhaltépunkte dafür vor, daß dieselbe vor dem Jahre 1895 erfolgen solle. J

London, 30. April. (W. T. B.) An der Küste 2 Weizen- ladungen angeboten.

1, Mai. (W. T. B.) Die Fondsbörse bleibt heute und ore A,

radford, 30. April. (W. T. B.) Wolle ruhig aber steti

in Stoffen ziemlicher Begehr, lrn eubie / Ew

M2 102. _Nichtamlliches.

Portugal.

Der „Times“ wird aus Lissabon gemeldet, daß der Ministerrath in einer am 29. April abgehaltenen Sißung beschlossen habe, die Krone um eine vierzehntägige oder drei- wöchige Vertagung der Cortes anzugehen; der Staats- rath werde darüber entscheiden. Die Ansichten im Kabinet seien getheilt, die öffentlihe Meinung aber entschieden gegen eine Vertagung. Es werde behauptet, daß die Angelegenheit \{ließlich zu einer allgemeinen Umgestaltung des Kabinets führen könnte, indem die Leiter der Konservativen und der Progressisten in das Ministerium eintreten.

Wie dem „R. B.“ aus Capetown vom 30. April ge- meldet wird, haben die portugiesishen Truppen Massi- Tesse beseßt.

Luxemburg.

Luxemburg, 29. April. Das „Mémorial“ veröffent- liht einen Großherzoglichen Beschluß vom 21. April, wo- durch die Bestimmungen des Parisec Vertrages auf die telegraphishe Correspondenz im Fnnern des Groß- herzogthums anwendbar erklärt werden.

Serbien.

Belgrad, 30. April. Graf Hunyady ist, wie „W. T. B.“ meldet, heute von hier wieder abgereist. Dem Vernehmen nah wären die Bemühungen des Grafen, die Königin Natalie zur Abreise zu bewegen, erfolglos geblieben. Die Königin A E bei ihrem Entschlusse, nuc der Gewalt zu weichen.

Schweden und Norwegen.

__(F) Stockholm, 28. April. Der Kronprinz und Die Kronprinzessin sind heute, wie telegraphish gemeldet wird, in Sorrento angekommen. Der Kronprinz verläßt morgen diese Stadt und tritt die Rückreise nah Schweden an; unterwegs wird er einen Tag in Rom und einen Tag in e verweilen, und seine Ankunst hier am 6. Mai erfolgen.

Der Bewilligungs8-Ausshuß des Reichstages hat beschlossen, unter der Bedingung der Annahme der Regie- Le betreffend die Aufhebung der auf gewissem Grund und Boden ruhenden Grundsteuer u. \. w., sowie be- treffend die Ermäßigung der Rüstungs- und Rottirungslasten M die eingetheilte Armee, dem Reichstage eine Erhöhung

er Bewilligung auf landwirthschastlihen Grundbesiß von 3 auf 6 Dere für jede 100 Kronen Taxwerth zu empfehlen.

Zum Zweck der eventuellen Errichtung von Ver- theidigungS§anlagen in Norrbottens Län hat der König den Generalstabs:Chef beauftragt, über die Gegend bei Boden im Kirchspiel Ober-Luleä eine Karte in der Skala von 1 : 20000 anfertigen zu lassen. Oberst-Lieutenant im Generalstabe Elfving ist mit der Leitung dieser Kartenarbeit betraut wocden.

Dänemark.

Kopenhagen, 30. April. Der König und die Königin haben, dem „W. T. B.“ zufolge, ihre Abreise nah Wien zum Besuch des Herzogs und der Herzogin von Cumber- land nunmehr auf nächsten Montag festgeseßt und werden bis Pfingsten dort verweilen. Alsdann reist der König zum Kur- gebrauch nach Wiesbaden, während die Königin sih mit dem Herzog und der Herzogin von Cumberland nah Gmunden be-

iebt. Nach dreiwöchigem Aufenthalt in Wiesbaden wird si er König ebenfalls nah Gmunden begeben. Ende Juni wer- den die Majestäten wieder hierher zurückehren.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Die amerikanische Shuß- zoll: Liga hielt am Mittwoh Abend ein Bankett, an dem fh auch der Vize-Präsident der Vereinigten Staaten Levi P. Morton, der Staatssekretär des Jnnern Fohn W. Nobel, Channcey Depew und Me. Kinley dbe- theiligten. Der Leßtere erklärte, der augenblicklih in Kraft stehende Tarif sei der beste, um große Einnahmen zu schaffen, und sei nothwendig, um den Bedürfnissen der Regierung zu

enügen. Er erwarte, daß innerhalb der nächsten zehn Jahre eine Abänderung des Tarifs vorgenommen werden würde, es sei denn von der republikanishen Partei auf einer \{huß- zsöllnerishen Grundlage. E u

Chile. Die Vertreter der chilenishen Aufständigen in Paris erhielten dem „W. T. B.“ zufolge ein Telegramm aus Jquique, welches besagt, daß ein Shwager Balmaceda's, welcher das Amt eines Münz-Direktors bekleidete, sowie zahl- e höhere Offiziere zur Kongreßpartei übergegangen Feten.

Nr. 17 der Veröffentlichungen des Kaiserliwen Ge- \fundheitsamts vom 28. April hat folgenden Inhalt: Personal- Nahricht. Gesundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. Gesundheitswesen im Reg.-Bez. Gumbinnen 1886/88. Sterbefälle in deutschen Städten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutshen Stadt- und Landbezirken. Mittheilungen aus British-Ostindien 1889. (Fortseßung). Witterung. Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. Veterinär: polizeilihe Maßregeln. Medizinalgeseßgebung u. \. w. Qu ges Reich.) Ausländishe Rohhäute. (Preußen. Reg.-Bez.

romberg.) Lungentuberkulose. (Bayern.) HBauordnung. (Sawsen.) Anzeigepfliht bei epidemishen Krankheiten. (Braun- \chweig.) Tuabereulinum Kochii. (Reuß ä. L) Viehtransport und Viehschlahten. (Frankreih.) Gegipste Weine. Ret- \prehung. (Ober-Landesgeriht Dresden.) Thierheilmittel. Ver- handlungen von Geséünelenvon Körperschaften, Vereinen, Kongressen u. st. _w. (Deutsches Reih.) 17. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege. (Preußen.) Hebammen-Lehrbuh. Begräbnißwesen. Vermischtes. (Preußen. Stadt Breslau.) Che- misches Untersuhungsamt 1889/90.

| Zweite Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 1. Mai

Statistik und Volkswirthschaft.

Die Stein- und Braunkohlen-Förderung Preußens im 1. Vierteljahre 1891 verglichen gegen das 1. Vierteljahr 1890. (Na vorläufiaen Ermittelungen.)

Im 1. Vierteljahr 1891

Im 1. Vierteljahr Ober-Bergamts- 1890

Bezirk Förderung | Arbeiter- | Förderung | Arbeiter- : zahl t zahl

A. Steinkohlen. Breslau . .., 5 128 125 69 257 5 286 533 64 943 Dal L C 5 743 130 5 727 134 Klausthal . 156 590 3 478 153 500 3 352 Dortmund â 8917386 | 134 642 9032 158 | 124 446 Bonn is 2 018 456 37 527 2 054 561 35 681

Summe A ]| 16 226 300 | 245 034 | 16 532 479 | 228 556

B. Braunkohlen. Breslau 129 110 1 429 ale... . .| 3664607 | 23916 Klausthal. . 82 209 964 Bonn 215 793 | 2268

Summe B | 4091719 | 28577

135 305 1 367 3434277 | 22958 68 443 774 161 206 1 682

3799 231 | 26781

Centralverein für Hebung der deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt.

Unter zahlreiher Betheiligung auch der auswärtigen Mit- glieder fand am Freitag Abend im Reichstagsgebäude die General- versammlung dès Centralvereins für Hebung der deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt statt. Der Vorsißende Professor Dr. Schlichting eröffnete die Versammlung mit etwa folgenden Worten: Der Central- verein, der nunmehr 22 Jahre bestehe, habe sich gedeihlih entwidelt. Sein Arbeitsfeld habe sich von Jahr zu Jahr erweitert, da mit dem Einfluß der dur die deutshe Einheit gewahsenen Kräfte die Bedürfnisse und Anforderungen des wirthschaftlichen Lebens und damit auch der Binnenschiffahrt stetig gestiegen sind. Manches, was früher nur als Wunsch erschien, sei bereits verwirkliht, Vieles, was für unerreihbar galt, sei erreiht worden; Manches erweise sich aber in Folge der außerordentlichen Entwickelung des Verkehrswesens nicht als aus- reihend. So stelle sih bereits jeßt bei verschiedenen Flüssen die Nothwendigkeit der Weiterverbesserung ihrer Schiffbarkeit heraus, und auch die bisher geforderten Kanaldimensionen werden bei Bauausführungen in Deutschland bereits überschritten. „Wenn Deutschland zur Zeit auf dem Gebiete der Binnenschiffahrt unter allen Nationen im Gegensaß zu früher eine hervorragende Stelle einnimmt und bezüglih der Anlage von Binnenkanälen fogar in erster Reihe schreitet, so ist der Erfolg der Staatsregierung, der Volk3- vertretung, der Wasserbautehnik und nicht zuleßt dem Verein zu danken. Die Ziele des Vereins seien zum Theil erreicht, Der Oder-Spree- Kanal sei beendet, der Nord-ODstsee-Kanal im Bau, die Vertiefung der Hafenrinne zwishen Pillau und Königsberg in der Ausführung begriffen, die weitere Verbesserung der Weichsel, des Rheins, der Warthe, der Unterspree, der Saale und der Unstrut sei ebenfalls im Werk, die Anlage des Dortmund - Ems - Kanals und des Kanals der oberen Oder sei begonnen, die Kanali- sirung der Fulda beschlossen, für Regulirung der Netze und Ver- größerung der S{hleusen des Bromberger Kanals seien 8 Millionen Mark und für Vertiefung des kanalisirten Mains und für Ver- längerung der Schleusen daselbst ein Betrag von rund 22 Millionen Mark in den Staatshaushalts-Etat eingeseßt worden. Aehnliches sei in den übrigen deutshen Ländern geshehen; er erinnere an die Korrektur der Unterweser und an den Ausbau der Häfen in Hamburg, Bremen und Lübeck, Weitere Ziele des Vereins seien die Anlage des Rhein - Weser - Elbe - Kanals, des Elb-Trave-Kanals, die Kanalisirung der Mosel, Lippe und Elbe, überhaupt der Hauptflüsse, sowie die Verbesserung der Lösch- und Lade-Einrichtungen in den Hauptpläßen des Wasserverkehrs, nament- lih dort, wo Eisenbahnen und Wasserstraßen zum Austaush der Güter Gelegenheit geben. Der Abschluß des deutshen Wasser- straßen-Netzes erfordere in erster Linie eine Verbindung der deutschen Reichslande mit dem Mutterlande, sei es durch anderweitige Regulirung des Ober-Rheins, sei es durch Anlage eines Schiffahrts- Kanals, außerdem die Verbindung der Ostsee einerseits mit dem Schwarzen Meere durch den Donau-Oder-Kanal, andererseits mit der Reichshauptstadt dur Herstellung noch niht vorhandener Strecken ; ferner den seit Jahrzehnten erstrebten Berlin-Rostocker-Kanal und die weitere Herstellung einer Süddeutschland mit dem Norden verbindenden Wasserstraße entweder durch Ausbau des Ludwig-Kanals und der Mainstraße oder durch Anlage eines Donau-Necktar-Kanals unter Erhöhung der Schiffbarkeit beider Flüsse, und endlih auch die Aus- führung des Rhein-Maaß-Kanals, Fernere Ziele des Vereins seien: die Verbesserung der Binnenschiffahrts-Statistik, die Organisation des Schiffahrts-Betriebes, die Entwilkelung der Betriebs- mittel, insbesondere des Schiffbaues, die Betheiligung an den Ar- beiten zur Schaffung der Gesetze für Wasser: und Binnenschiffahrts- Recht und die Lösung eines Theils der sozialen Frage einerseits durch Hebung der Intelligenz und Qualität des Schifferstandes und anderer- seits durch Wahrung seiner Rechte.

Bürgermeister Lichtenberg (Linden bei Hannover) theilte hierauf mit, daß der Minister von Maybach unterm 20. d. M. an den Vor- sißenden des Ausschusses zur Förderung des Rhein - Weser - Elbe- Kanals, Landesdirektor Freiherrn von Hammerstein folgendes Schreiben gerichtet habe: ( :

„Auf die gefällige Eingabe vom 20. Januar d. J. erwidere id Ew. Hochwohlgeboren in Verfolg meines vorläufigen Bescheides vom 1. Februar d. I., im Einverständniß mit dem Herrn Finanz-Minister, daß ich bereit bin, dem Antrage des Ausschusses für die Förderung des Rhein - Weser - Elbe - Kanals bezw. des Vereins für Hebung der Fluß- und Kanalshiffahrt für Niedersahsen entgegenkommend, die Vorarbeiten für Ne des Dortmund- Emshäfen-Kanals nach der Weser und Elbe auf Kosten beider be- zeichneten Vereinigungen ausführen zu lassen. Eine bestimmte Zu- sicherung, daß alsbald nach Fertigstellung dieser Vorarbeiten, als binnen einer im Voraus festzuseßenden Zeit, an die Ausführung der Kanalbau- Projekte selber herangegangen werden solle, kann aber nah Lage der Verhältnisse Seitens der Königlichen Staatsregierung nit wohl ertheilt werden, vielmehr muß der Zeitpunkt der Jnangriff- nahme jener Kanalbauten bezw. einzelner Abtheilungen derselben von der verfassungsmäßigen Bereitstellung der erforderlihen Geldmittel und bezw. der Gestaltung der gesammten Finanzlage des Staats und dem Maße der anderweiten Anforderungen für Wasserbauzwecke abhängig bleiben. Nah dem Ergebnisse der von mir angeordneten Unter- suchung is anzunehmen, daß die sogenannte Mittellandslinie von Bevergern etwa über Minden, Hannover, Neuhaldensleben bis zur Einmündung in die Elbe in der Gegend von Wolmirstedt den Interessen der mittleren und unteren Weser und Elbe mehr als jede andere entspricht und der bezüglihen Vorschrift des §. 1 des Gesehes vom 9, Juli 1886 durch Wahl der bezeichneten Richtungslinie Rechnung

1891.

getragen wird; es werden sonach meinerseits die Vorarbeiten für diese Linie angeordnet werden. Die Kosten dieser Vorarbeiten belaufen fich ausweislich des in meinem Auftrage von der Königlichen Kanal- Kommission zu Münster aufgestellten Kostenüberschlags auf 135 000 4 Die Fertigstellung der Vorarbeiten erfordert, wenn fie mit der nöthigen Sorgfalt ausgeführt werden sollen, eine Zeitdauer von etwa zwet Jahren; in dem ersten Jahre würde eine Summe von etwa 55 000 4 und im zweiten Jahre der Rest mit etwa 800.0 # bereit zu stellen seien.“ - Ï i Bürgermeister Lichtenberg theilte mit, daß die erforderlichen 135 900 X bereits aufgebraht und dies au dem Minister mitgetheilt worden sei, Major a. D. Kurs theilte alsdann mit, daß der Durchgangs-Schiffäverkehr von Berlin im Jahre 1889 gegen das vorher- gebende Jahr um 4,48 9% der Lokalverkehr um 4,78 °/o zugenommen habe. Für den im nächsten Jahre zu Paris stattfindenden Internationalen Binnenschiffahrts-Kongreß sei eine Kommission, bestehend aus Professor Dr. S@lichting, Major a. D. Kurs, Handelskammer-Vize-Präsident von Guita (Frankfurt a. M), Schiffsbau-Direttor Franzius (Bremen), Schiffsrheder Tonne (Magdeburg), Sciffs- und Eisenbahn-Bau- direktor a. D. Ströhlec (Berlin) und Direktor Philippi (Dresden) gewählt worden. Es gehören dem Vereine an 34 Magistrate, 38 Handelskammern und kaufmännische Korporationen, 27 Aktien- gesellshaften und wirtbschaftlice Bereine, 12 Zweigvereine und 4000 persönlibe Mitglieder. Professor Dr. Schlichting theiite mit, daß die einer Kommission vorliegende Binnenschiffahrts-Be- triebsordnung demnächst zum Abschluß gelangen werde. Es gehören dieser Kommission Mitglieder des Reichs - Justiz- amtes, des Centralvereins sür Hebung der deutshen Fluß- und Kanal- \hifahrt, Angehörige des Handelsstandes, des Schifferstandes und des Versicherungswesens an. E E

Zum Schluß erläuterte Stadtbaurath Frühling (Königs- berg i. Pr.) an der Hand einer Karte die Nothwendigkeit der Masu- rischen Wasserstraße, dieselbe sei auf eine Länge von 58 km, die Baukosten auf 11 Millionen Mark berehnet. Diese Wasserstraße würde der Land- und Forstwirthschaft in Ostpreußen, aber au sehr wesentlih dem daselbst Mangels geeigneter Wasserverbindungen etwas darniederliegenden Handel und Verkehr in Ostpreußen zu Gute kom- men. Der Vorsitzende versprach, au die masurishe Wasserstraße als zu erstrebendes Ziel des Bereins ins Auge zu fassen.

Zur Arbeiterbewegung. :

Die Ausstandsbewegung im Ruhrkohlengebiet ist auch am gestrigen Tage rückläufig geblieben, sodaß man auf ein baldiges vollständiges Erlöschen derselben rechnen darf. Von der Mehrzahl der Zechen, auf welhen Theilausstände herrshten, wird eine Zunahme der Zahl der arbeitenden Bergleute gemeldet, während neue Zechen nicht mehr von der Bewegung ergriffen wurden. Die Auf- merksamkeit, mit welcher die Bewegung überall verfolgt wird, läßt es angezeigt ersheinen, auch über das allmähliche Erlöshen der Theilausstände genauere Mittheilungen zu machen. Die nah dem Strikejournal des Generalsekretariats des Bergbaulichen Vereins aufgestellte Tabelle giebt für die Morgenschiht am Mittwoch noch 41 im Ausstand befindliche Zechen an, obwohl inzwischen auf mehreren Zechen der Strike beendet war; aber die Zahl der Ausständigen betrug nur noch 16 193 Mann. Am gestrigen Tage war die Lage nach der „Rhein.-Westf. Ztg.“ im Einzelnen die folgende:

Auf Zehe „Eintracht Tiefbau“ bei Steele, dem eigentlichen Ursprung und Heerde des Strikes, hat sich gestern Morgen fast die ganze Belegschaft zur Arbeit gemeldet. Auf Zehe „Eiberg“ bei Steele sind gestern Morgen von 358 Mann 161 unter Tage ange- fahren; über Tage arbeitete Alles. Auf Zee „Concordia“ bei Oberhausen sind gestern Morgen fast alle Arbeiter angefahren, ebenso auf Zehe „Konstantin der Große“ bei Bochum, wo auf Schacht T von 190 Mann 116 und auf Schacht IL[ von 217 Mann 189 unter Tage angefahren sind. Auf Zeche „Hannover“ Schacht I bei Eickel sind von 946 Mann 613 unter Tage, auf Schacht IT von 586 Mann 103 unter Tage angefahren ; es ist dort vorläufig nur eine (Morgen-) Fördershiht. Auf Zeche „Centrum“ bei Wattenscheid sind gestern Morgen von 774 Vann 560 unter Tage angefahren; über Tage sind von 467 Mann 456 in Thätigkeit; im Ganzen sind 178 Mann mehr bei der Arbeit als Mittwoch Morgen; auf Zehe „Bonifacius*“ bei Kray sind Morgens von 1005 Mann 455 angefahren ; auf Zebe „Fröhliche Morgensonne“ sind 150 Mann unter Tage angefahren, 105 Mann mehr als Mittwoh; auf Zehe „Friedlicher Nachbar* bei Dahlhausen sind unter Tage 66 Mann und 61 über Tage angefahren; auf „Helene Nachtigall* bei Witten sind auch mehr Leute angefahren, als am Tage zuvor. Auf Zeche „Ver. Marianne und Stein- bank“ sind 83 Leute unter und 309 über Tage, auf Zeche „Ver. Engelsburg“ sind 84 Mann unter, 60 über Tage, auf Zeche „Hasenwinkel*“ sind 16 Mann unter und 44 über Tage angefahren. Im Dortmunder und Hörder, ebenso im Herner und Gels en- firhener Revier ift Alles in Thätigkeit. Auf den Zechen „S iebenplaneten“, „Bruchstraße“, „Vollmond* und „Baaker Mulde“ 2c. sind mehr als am Mittwoch Morgen angefahren. Auf Zehe „Präsident“ ist gestern Morgen fast die ganze Beleg- schaft angefahren; die Nachmittags\hiht wird wieder vollählig anfahren. Im Strike waren gestern Morgen nur noch 35 Zechen gegen 46 am Dienstag. 2 : : L:

Gestern Nahmittag ließen die Theilausstände im Ober- Bergamtsbezirk Dortmund eine weitere Abnahme erkennen. Wenn troßdem, schreibt das angezogene Essener Blatt, auf mehreren Zechen die Differenz in der Zahl zwischen den an- fahrenden Bergleuten und der eigentlichen Belegschaft noch erheb- lichist, so liegt das hauptsächlich daran, daßdie noch niht zurAnfahrt zugelassenen Leute, wenn sie fih auch gemeldet haben, nah dem dur ihre unmotivirte Aufgabe der Bergarbeit erfolgten Verlust ihrer Recht e als Mitglieder der IIT. Klasse der Knappschaftskasse genöthigt sind, um von Neuem Mit- M der Knappschastskasse zu werden, sih ärztlih unter- uchen zu lassen, ob sie überhaupt tauglih für die Bergarbeit sind. Gestern Nachmittag war die Lage die folgende:

Die Zechen der Harpener Bergbau-Aktiengesellshaft sind bis auf diejenigen der Zehen „V ollmond“, „Prinz von Preußen“ und „Karoline“ vollständig in Arbeit. Auf Zehe „Bruch straße® ift Alles wieder angefahren. Auf Zeche „Eib erg“ hat sich für heute, Freitag früh, wieder eine größere Anzahl von Bergleuten zur Anfahrt gemeldet. Auf ehe „Siebenplaneten“ sind gestern Morgen 252 ann unter Tage ange- fahren; für heute, Freitag, haben sh wieder Mehrere gemeldet. Auf Zehe „Wiendahlsbank“ war am Donnerstag wieder Alles angefahren; die drei Delegirten haben dur Anschlag auf der Zeche bekannt gemacht, daß sie ihr Mandat niederlegen. Auf „Da hk- hauser Tiefbau“ sind einige mehr angefahren. Auf Zeche „ver. General u. Erbstollen* sind gestern Morgen 24 Mann unter und 78 Mann über Tage angefahren; am Nachmittag ift Niemandu