1891 / 103 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

auf die ibm benachbarten Brénñer blicke. Es bendele si darum, die landwirtbs@aftlihen Brennereien, die voz sebr großer Bedeutung für die Viebzucktt und für die Fleischpreise sel ckTebenéfäbiz zu erbalten. Es sei ni&t riútig, wie der Referent gemeint babe, _daß sein (des Redners) Antrag der Kommission \chon vorgelegen bätte; der in der Kommission verhandelte, seinem jeßigen ähnlihe Antrag habe den Nawbthbeil gehabt, daß ein Verkauf der Beretigungsscheine dana möglih gewesen sei, was bei seinem jeßigen Antrag nicht mehr angehe. Nach seinem Antrag solle es nur dann geftattet sein, zwei Kontingente auf einer Brennerci @bzubrennen, wern beide Brennereien einem esiger gehörten und unzweifelhaft den Charakter der landwirtbschaftlihen Brennereien hätten; die Befürhtung, daß danach die Anwendung der gleichen Vergünstigung au auf gewerbliche Brennereien erfoïcen könnte, fei durch den Wortlaut seines Antrages ausgeshlofsen. Man frage, warum er die Entfernung auf 7 km firire, nit auf § oder 9? 7 km weit könne man die Kartoffeln no& leit fahren, bei weiteren Entfernungen würden die Koften zu hoch sein ; übrigens sei es ihm nur darauf angekommen, irgend eine Zabl zu firiren. Wenn man dafür ÿ oder 4 km einfeßzen wolle, fo habe er auch nihts dagegen. Die Abneigung des Bundesraths gegen seincn Antrag Xöônne ihn niht bewegen, den Antrag zurückzuzieben; er mödte erft die Gründe hören, die man dagegen rorbringe.

Staatssekretär Freiherr von Maltahn:

Meine Herren! Es ist nicht meine AbfiSt, in eine Diskufsion über den gesammten Inhalt und die Grundlagen unserer bestehenden Branntweinsteuergeseßgebung einzutreten; denn, meine Hecren, wie Ihnen in der Kommission erklärt ift, wie Ihnen bei der ersten Be- rathung der Vorlage erklärt ift, und wie Ihnen der Kommissions- bericht mittheilt, sind die verbündeten Regierungen der Meinung, daß zur Zeit nah fo kurzen Erfahrungen und mit Rücksiht auf die über- haupt bisher gemachten Erfahrungen durchaus fein Anlaß irgend welcher Art vorliegt, im gegenwärtigen Moment an den Grundlagen des beftehenden Branntweinsteuergesezes zu rühren, Wir baben Ihnen ein Gesetz vorgelegt, bestimmt, einige kleine Unebenheiten auszugleichen und zwar auszugleichen noch für die neue Kontingentirungsperiode, über deren Vorhandensein uns eine allgemeine Uebereinstimmung zu bestehen schien. In Ihrer Kommission bat man nun ecire Reibe von anderen Fragen in die Diskussion gebra@t, und es bat sich ein Theil der dort geführten Erörterungen zu Beschlüffen verdiStet. Jch glaube nicht, daß die Abänderung, welche die Vorlage der verbündeten Regierungen in Ihrer Kommission gefunden hat, bei den verbündeten Regierungen auf wesentliGen WiderspruS ftoßen wird, Ih glaube, daß, wenn Sie der Vorlage so, wie sie aus der Kommission gekommen ift, zu-« stimmen, au die verbündeten Regierungen einem solhen Beschluffe ihre Zustimmung gewähren würden. Davor mötte i dagegen warnen, jeßt in der zweiten Lesung weitergeh ende und namentli prinzipiell abändernde Beschlüsse zu faffen. Es könnte das leiht den Erfolg baben, daß die ganze Vorlage ni&t zu Stande käme, und damit würde den Leuten, die an ibrem Zustandekommen, wie ih glaube, cin wwesente-

liches Interesse haben, ein re&t {le@ter Dienst geleistet werden.

Was nun fpeziell die zu Art. I gestellten Anträge betrifft, so bedarf cs wohl faum eines Wortes, daß der Artrag des Hrn. Dr. Barth eine so grurdsäßlite Abänderung des bestebenden Branntweinsteuergescßes bezweckt, daß auf ibn bestimmte An- wendung findet, was ih vorhin gesagt hake, daß dieser Antrag, soweit meine Kenntniß reiht, Autsi@t auf Annabme Seitens der verbündeten Regierungen niht baben würde. Ich glaube aber auc, das Gleie erklären zu müssen in Bezug auf den Antrag des Hrn. Abg. von S&als§a, der zwar ri&t dem Wortlaut des Gesetzes in dem Maße entgegensteht, wie der eben besprohene, der aber in einem direlten Widerspru ftebt gegen einen der vom Bundes- rath bereits im Jahre 1888 festgestellten Vertheilung8grundsäte für das Kontingent. Der Bundeërath hat im Jahre 1888 ausdrüdlich be- schlossen, daß dic für eine bestimmte Brennerei ¿u dem niedrigeren Verbrauchsabgabensatze bemefsene JIabreëmenge Branntwein weder dauernd noch zeitweilig auf eine andere Brennerei übertragen werden darf.

Ob diese Bestimmung für die neue Kontingentirung abzuändern oder aufrecht zu erbalten sei, if bei dem Erlaf der neucn Beftim- mungen geprüft und gewürdigt worden, und man hat S für Bei- behaltung dieses Grundsatzes entsbicden. Dieser Grundsaße würde die Annahme des Antrages des Hrn. von Séalscha, wie ich meine, widersprehen, und ih glaube daber, dem Antrag, wenn er ¡zum Be- {luß erhoben werden sollte, eine Auêsitt auf Annabme nit er- öffnen zu können. ,

Was den Antrag der Hrrn. Abgg. Dr. Bubl und Frei- herr von Huene, der ja in der Fassung jeßt verändert ist, betrifft, so gestehe id, daß ich im ersten Augenblick den Antrag für unbe- denklih gehalten habe; cs sind mir aber bei weiterer Erwägung doò aué gegen diesen Antrag Bedenken entstanden, und ich kann die Besclußfassung hierüber von meinem Standpunkt aus dem Reis- tage nur anheimstellen. Sollte der Reichstag in zweiter Lesung diesem Antrag beitreten, so würden wir bis zur dritten Lesung die Mösglih- keit baben, im Kreise der Reichsverwaltung und der Königlich preu- -ßishen und der übrigen einzelstaatlihen hauptbetheiligten Verwal- tungen zu erwägen, ob man dem Antrag beistimmen könnte oder, wie i ch allerdings fast befürchte, ihn würde zurückweisen müssen.

Abg. Münch: Grundfäßlih stehe er auf dem Standpunkte des At 6. Dr. Barth. Art. 1 wolle ein Unre(t gut maen und den klei nen Brennern zuweisen, was ihnen gebühre. Der Artikel s\ci in der Kommission etwas erweitert worden; die Anträge Buhl und S, lícha gingen in dieser Beziehung noch etwas weiter. Seine F aber werde jedem Antrag dieser Tendenz beistimmen. Troßdem

ch der Staatssekretär gegen den Antrag Swalscha ausgesprochen, bitte e r (Redaer), dafür zu stimznen. wes

_Ab 9. Hug beftreitet, daß ein Geschenk von 40 Millionen nachge- wiesen werden könne. Das einfache Rechenexempel, daß auf jedes

daß überc U der Preis gleichmäßig auf die Summe der Produktions- kosten + T0 é gestiegen sei, und das überall die Gestehungskosten ganz dieselben | rien Beides sei nit der Fall. Die Berechtigungs\{eine könnten de fehlenden Beweis für die Existenz dieser Liebesgaben aub nicht a feßea Ein einheitlicher Saß, wie ihn der Abg. Dr, Barth beant,"age, würde der volle Ruin der süddeutshen Brennerei sein, wele schon unter der Herrschaft des bestehenden Gesetzes außer- ordentli gelit.‘\en habe. Das bestehende Geseh habe allerdings manche Mängel ; die Erfahrungen genügten aber noch nicht, um ein neues grundlegendes Geseß zu schaffen.

Abg. Dr. Barth: Die Berebtigungs\{eine seien jo lange in

Kraft, da g bis auf das leßte Tüpfelchen auf dem i kenne.

der Brenner, wenn er den Brannt-

fertigung Fommen laffe, seinerseits die Steuer von 70 M be-

¿able. Das sei nit der Fall, er bekomme seinen Berechtigungs\ch{ein und diesen gebe er für 20 A in Zahlung. Deshalb müsse man

p S E iti R E a S A E af

bebaipten, daß die Wirkung des Berectigungësheins die sei, daß dos Gesen? von 20, zur Erscheinung komme. Man habe in den leßten zwölf Jahren gerade in Bezug auf den Schutz einzelner Produktions- zweige die avsgedebntefte Erfahrung. Beim Erlaß der S8. 1 und 2 des Branntweinsteuergesetzes habe man erklärt, man wolle mit Rücksicht darauf, daß dur die böbere Verbrau@sabgabe voraussibtlih ein Rückgang des Konsums eintrete, eine Entschädigung eintreten lassen für den dadur den Brennern entstehenden Nachtbeil. Das fei noch in keinem Punkte der deutschen Gesetzgebung hervorgetreten und er glaube aub bei keiner Gesetzgebung der ganzen Welt. Das sei das Aeußerste, 14s bisher Seitens der Produktion geboten worden sei. Hätten die Grundbefißer augenblicklich wirklih einen Vortheil von den sehr hoben Getreide- preisen, weil das Getreide sih in den Händen der Händler befinde, wie der Abg Graf Kleist gemeint habe, dann könnten die Konfervativen um fo leibter der Abschaffung der Getreidezölle zustimmen. Die Händler würden ja den Schaden haben, die Konsumenten aber unter allen Umständen den Vortheil. i

Abg. von Shalscha: Er habe von dem Staatssekretär gegen seinen Antrag nihts Anderes gehört als: es sei einmal im Jahre 1888 ein Bunde8ratbsbeshluß gefaßt worden, zu dem scin Antrag im Wider- spruch ftebe. Ebenso könnte er (Redner) sich auf den Standpunkt stellen, id muß diese ‘Vorkage ablehnen, denn im Jahre 1887 haben wir cinen Reichstagsbeschluß gefaßt, der damit im Widerspruch steht. Wobin würde man damit kommen? Wenn der Staatssekretär Freiherr bon Malzabn nur einen guten Grund vorgebracht bâtte, der zu diesem Bei{lu® geführt habe. Nur die sehr traurigen und wenig fti- baltigen Gründe, die in die Oeffentlichkeit gedrungen und bekämpft worden feien, und zu deren Beshönigung man nichts weiter vorzubringen vermöge, könnten für den Beschluß beigebracht werden. Das sei wenig. fehr wenig! Wern die geheimen Gründe nicht besser seien als die öffentlichen, dann sei der ganze Bundeêrathsbes{luß von 1888 wenig wertb, und er bitte die verbündeten Regierungen, ihn baldigst aus der Welt zu ichaffen.

Staatssekretär Freiherr von Malßtzahn:

Und, meine Herren, wenn nun Jemand kommt und kauft hundert kleine Brennereien zusammen und kegt das Kontingent in eine und dieselbe Brennerei, will der Hr. Abg. von Sthalsha, daß das gestattet werden foll? (Zuruf.) Jh bitte, mi nit zu unter- brechen.

It kann die Herren versichern, daß die Beshlüsse des Bundes- raths über die Ausführung dieses Gesctes und speziell diescr auf sehr genauen Erwägungen beruht haben, bei denen wahrlih das Interesse der Brenner nit in leßter Linie berücksihtigt worden ift, wie es nad dem Gesetz berücksihtigt werden mußte. J wiederbole aber hier, daß die verbündeten Regierungen die Erwägung in diesem Jahr an- geftellt haben, ob es an der Zeit sei, vor der Neukontingentirung an den Grundlagen des Gesetzes zu rühren und an den Grundlagen der Auëführunrgébestimmungen etwas zu ändern. Das Erste ift völlig verneint; die Ausfübrurgéebestimmungen sind insoweit neu regulirt, wie es den betbeiligten Kreisen bekannt ist. I lehne cs ab, unter diesen Umftänden jeßt irgend einen weiteren Grund für die Aufrechthaltung dieses eben von mir bezeihneten Bunde®ratzsbes{lusses Ihnen hier vorzubringen, wenn nit ein Reicbtagsbes{luß mi dazu zwingen sollte.

Abg. Wisser spricht si© gegen das zanze Branntweinsteuergesetz aus, erflärt fic au für sofortige Herabseßung der Getreidezölle, aber nit nur dieser allein, sondern auch der sämmtlichen übrigen Induftriezólle. Die Herabsezung aller Scbutzölle müsse gleichzeitig erfolgen. Ein einseitiges Herabsegen der Getreidezölle würde gar nit verstanden werden. Redner erklärt si gegen den Antrag von Swalscha.

Nah einer kurzen Erwiderung des Abg. von Shalsha

bemerkt der

Geb. Finanz-Rath Köhler, daß allecdings gar nit selten zablreihe Brennereien auf einem Umkreis von 7 km zufsammen- lâgen, z. B. in Nordhausen 90, in Aachen 70; es sei also der Antrag keineswegs von fo geringer Tragweite, als hier dargeftellt worden sei.

In der Abstimmung wird der Antrag Buhl an- genommen, der Antrag Schaljcha abgelehnt, desgleichen der Antrag Barth. Art. T. wird darauf mit dem Antrage Buhl angenommen.

Nach Art. II. Nr. 1 der Kommissionsbeshlüsse soll die steuerliche Kontrole der Brennereien und Branntweinreinigungs- Anstalten mit Einschluß der bei denselben befindlichen Privat- läger gebührenfrei erfolgen.

Abg. Dr. Witte will in diese Fassung aub die Privatläger für inländis@en fteuerpfli®tigen Branntwein einschließen.

Staatssekretär Freiherr von Malt ahn:

Der Antrag, den der Hr. Abg. Dr. Witte auf Nr. 457 der Druck- saSen geftellt bat, geht hinaus über dasjenige, was der von Ihrer Kommission beschlossene Zusatz zu dem§. 11 Absag 3 zum Gesetz machen würde, und wenn an Stelle des Kommissionsbeschlusses der Antrag des Hrn. Dr. Witte Gesez würde, so würden damit zweifellos ziemli erbebliGe Mehrkosten entstehen. Wie bo H diese Kosten belaufen, können wir zur Zeit nicht übersehen. Es finden in diesem Augenblick darüber Ermittelungen statt. So, wie die Dinge beute liegen, bin ih niht im Stande, dem Antrage des Hrn. Abg. Dr. Witte, falls er angenommen werden sollte, eine Zustimmung des Bundesraths in Aussicht stellen zu können.

Abg. Dr. Hartman'’n hätte gewüns{ht, daß die Kommission in ihren Beschlüssen zu diesem Punkt weiter gegangen wäre, der Antrag Witte aber sei wegen seiner finanziellen Konsequenzen abzulehnen.

Abg. Lender befürwortet einen Antrag, wona in Brennereien, welche niht mehr als ein Hektoliter reinen Alkohols in einem Jahre erzeugten, für Branntwein in einer Jahreêmenge bis zu 20 Liter reinen Alkohols, welcher aus sfelbstgewonnenem nichtmebligem Stoff hergestellt werde, die Verbrauhsabgabe nur 0,25 4 für das Liter be- tragen solle.

Staatssekretär Freiherr von Maltzzahn:

Das Gewicht dieser volkswirth\chaftlihen Interessen wird von den verbündeten Regierungen sier nit verkannt; aber ebenso wenig wird verkannt, daß in einem Vorgehen, wie es bier vorges{chlagen wird, nah der Meinung der überwiegenden Mehrheit der deutschen Regierungen eine große Ungerechtigkeit gegen weite Striche Deuts{- lands liegen würde.

Meine Herren, dem Herrn Vorredner kann ich darin nicht zu- ftimmen, daß sein Antrag eine prinzipielle Abänderung des Gesetzes nit enthielte. Der Antrag des Hrn. Abg. Lender beabsichtigt, neben dem zur Zeit bestebenden Verbrauchsabgabensaß von 70 4 und von 50 S noch einen dritten Verbrauchs8abgabensay von 25 4 einzuführen. Darin liegt cine prinzipielle Aenderung der Grundlagen des Gesetzes.

Nun aber, für wen soll dies eingeführt werden? Es soll ein- geführt werden für Kleinbrenner, welhe es ist ja in dem Lender’shen Antrag nur von Materialbrennen die Rede sämmtlih \{on jeßt den übrigen Brennern gegenüber dadur privilegirt find, daß sie heute ihr ganzes Jahresprodukt zum 50 Pfennigsaß herstellen dürfen. Es3 würde aber nach Lage der Dinge in Deutschland das bierdur cin: zuführende Privilegium unter den kleinen Branntweinproduzenten und unter den kleinen Branntweinkonsumenten wenn Sie

j daran denken, daß, nah deim Antrage, wer seinen eigezen Branntwein

trinkt, ióa nur mit 25 S za versteuern braucht, gerade die wohl- babenderen, besser situirten Leute in Süddeuts{land treffen, welche schon von der Natur die Begünstigung ihren norddeutschen Arbeiter- kameraden gegenüber haben, daß sie nah ihren klimatishen Verbält- niffen Obst und Wein bauen und aus den Rückständen dann noch Branntwein brennen können. Wo kann denn der Bauer und der Arbeiter das in Pommern, Medcklenburg, Ofipreußen, der Mark? Ift es nicht eine Unbilligkeit, wenn Sie dann dem badishen und württembergishen Arbeiter außer- dem noch gestatten wollen, seinen Haustrunk auf den kommt die Sache ja bier immer wieder hinaus billiger zu ver- fteuern, als der Arbeiter in Norddeutschland den seinigen verfteuert ?

Daß es die Billigkeit gestattet, den bauptsächlich in Süddeutsch{- land vorhandenen Kleinbauern da entgegenzukommen, wo es obne Dur@brehung der Grundlagen des bestehenden Gefeßes möglich ift, das ift ja Secitens der verbündeten Regierungen anerkannt, wenn deren Vertreter in der Kommission auëdrüdcklich darauf eingegangen sind, ja, es sogar selbft angeregt baben, die Ab- sicht, welwe der frühere Antrag auf Bewilligung von 10 1 freiea Haustrunks verfolgt, welche jeßt der Lender’ sche Antrag au ver- folgt, auf dem anderen Wege durchzuführen, daß man die Steuersäßze für die Materialsteuer heruntersezt. Die Abänderungen, welche die Herren auf Seite 30 der Druckvorlage unter Nr. 4 finden, sind be- stimmt, in dieser Beziehung den kleinen Brennereien, mit denen ih der Antrag Lender beschäftigt, entgegenzukommen. Ueber das dort gebotene Maß hinaus glaube ich aber niht, daß, selbs wenn der Reichstag derartige Beshlüsse fassen würde, diese Beschlüsse irgend

eine Ausficht hätten, eine Majorität im Bundesrath im gegenwärtigen

Moment zu bekomtmnen. Um 6 Uhr wird die Fortsezung der Debatte auf Sonn- abend 11 Uhr vertagt.

Haus der Abgeordneten. 79. Sißung vom Freitag, 1. Mai.

Der Sißzung wohnen der Vize-Präfident des Staats-

Ministeriums, Staats-Minister Dr. von Boetticher, der

ustiz-Minister Dr. von Schelling und der Minister für ndwirthschaft 2c. von Heyden bei. i j

Auf der Tagesordnung steht zunächst die wiederholte zweite Abstimmung über den Gesegzentwurf, be- treffend Aenderung des Wahlverfahrens. Eine zweite Abstimmung nah der Vorschrift der Verfassung hat über diesen, eine Verfassungs-Aenderung enthaltenden eseß- entwurf bereits am 7. April stattgefunden. Da aber dabei eine Aenderung beschlossen wurde, mußte diese zweite Abstim- mung noh einmal erfolgen. i :

Der Geseßentwurf wird heute mit großer Mehrheit an- genommen. :

Darauf wird die zweite Berathung des Etats fort- eseßt und zwar beim Etat der Justizverwaltung. Im Kapitel Ober-Landesgerichte ist eine Mehrausgabe für eine neue Stelle eines Senats-Präsidenten in Breslau verlangt.

Abg. Simon von Zastrow: Der Abg. Friedberg hake seinen Antrag auf Ablehnung nicht aus sachlichen, soadern aus rein perfönlien Gründen hergelcitet. Die Ablehnung würde cinen Eingriff in die Organisation und innere Verwaltung des Breslauer Ober- Lande®gerits bedeuten, welher dem Parlament nicht zustehe. Auch sei doch zu bedenken, daß der Mann, gegen den fi die hier ge- maten Vorwürfe rih!eten, sich \ch{ließlich nit vertheidigen könne. In dieser Beziehang habe man si nur auf die Angaben der Justizverwaltung zu verlassen, und nah dem, was man von dort gehört habe, stehe das sachliche Bedürfniß fest, Sollte der Ober-Landesgerihts-Präsident in Breslau sein Amt wirklich nicht ordnungegemäß fübren, so dürfe man zum Justiz-Minister das Ver- trauen haben, daß er den Willen und die Mittel haben werde, Abhülfe z2 \chafen. Man babe ferner zu bedenken, daß durch die Ablehnung das Interesse der übrigen Breslauer Gerichtsbeamten und, was namentlich ins Gewicht falle, das Interesse der Gerichts- eingesefsenen geschädigt werde. Er bitte, aus diesem Grunde die Forderung der Regierung zu bewilligen.

Abg. Munckel: Er bitte die Position abzulehnen. Die Be- {lußfaffung in der Kommission sei mit neun gegen abt Stimmen erfolgt, nahdem im vorigen Jahre die gleiche Forderung ab- gelehnt worden sei, sodaß die Sahe auf jeden Fall „mindestens sebr zweifelhaft erscheine. Er frage den Minister, ob die Position allein auf Anfordern des Ober-Landesgériht2-Präsidenten von Ku- nowsfki gefordert sci, oder ob auc die Senats- Präsidenten zu Breslau felbst darüber gehört worden seien. Fedenfalls herrschten in Breslau außergewöhnlihe Zustände. Der Ober-Landesgerit8- Präsident brauhe zur Revisionsarbeit unverhältnißmäßig mehr Zeit und Kraft, als es in anderen Provinzen der Fall sei. Die Ziffer von 230 Reisetagen in einem Jahre sei noch nicht widerlegt Weil nirgends anders in der Monarchie so viel Zeit auf Inspektionsr_isen ver- wendet werde, so könne er si kaum denken, daß diese au m Breélau nothwendig seien, und wenn diese Revisionsreisen solche Verfügungen zu Tage förderten, wie die geftern besprochene, von der der Minifter selbst gesagt habe, er könne sie niht billigen, so würde es gut sein, wenn die Inspektionen einges{ränkt würden und folche Vecfügungen nit mehr herauskämen. Früber unter dem vorigen Ober-Landes- gerihts-Präsidenten habe sich einer von de ¿ Räthen des Ober-Landes- gerihts als überflüssig erwiesen und die Stelle sei eingegangen, sodaß 28 Räthe dort in fünf Senaten arbeiteten. Nun auf einmal folle die Ueberlastung so groß sein, daß gar ein neuer Senats-Prâäsident nöthig werde. Es werde hier, wenn man einen sech{iten Senat ein- rihten wolle, gehen wie in Köln, wo man ih au veranlaßt ge- sehen babe, das Gleiche zu thun, und wo dieser sechste Senat nicts zu thun habe, als in Nachmittagssitzungen Fideikommißsaen und die Straf\saen zu erledigen, welch leßtere hon beim Kammergericht eine ges ringe Zahl auêmachten, bei einem Provinzial-Ober-Landesgericht erft recht wenig zu bedeuten hätten. Wenn wirkli in Breslau die Zahl der vorhandenen Kräfte nit ausreihe, so würde es do viel mehr angezeigt sein, die Stelle eines Raths neu zu kreiren, als die eines Senats-Präsidenten. Wenn man nun bezweifeln müsse, ob der Ober-Landesgerihts-Präsident in Breslau seine Arbeitskraft zweck-

mäßig verwende, fo dürfe man au zweifely, ob er die Arbeit dex

Anderen rihtig beurtheile; so lange also die Regierungsforderung auf nichts Anderem beruhe, als auf der Forderung des Ober-Landes- gerihts- Präsidenten selbst, halte er es nicht für nöthig, diese Stelle zu schaffen. Aus diesem rein sachlihen Grunde bitte er also, diese Forderung abzulehnen,

Geheimer Ober-Justiz-Rath Eibholy: Er habe mit den Worten, 8 die Opposition gegen diesen Posten aus persönlihen Gründen ge ehe, nit etwa den Vorwurf erbeben wollen, als ob die Gegner aus in ihrer Person liegenden Gründen den Posten be- kämpften, sondern nur gemeint, sie wendeten sich dagegen aus sach- lihen, in der Person des Ober-Landeëgerichts-Präsidenten liegenden Gründen. Die Forderung beruhe nur auf der Information durch den Ober-Landesgerihts- Präsidenten. Die Senats-Präsidenten seien nit gehört worden, weil es üblich sei, daf die Centralverwaltung

zu ihren „Informationen. mit den Ober-Staatsanwalten oder Ober-Landesgerichts-Präsidenten selbst direkt in Verbindung setze,

wle dann sih ihre Informationen weiter des Präsidenten kö-,nten aber niht eirf dur zablenmäßigze Naiweise unterstüßt, 1 Vorhandensein ines Bedürfnisses nachgewiesen.

¡ei tim Jahre 1889 fo gewachfen, daß die fünf Sen und im Jahre 1890, worüber die Ausweise noch nicht Davon, daß der Ober- ri@terlihe Thätigkeit einen nne, könne keine Rede sein, cht das Geri{tswesen je einer Präsidenten übertragen babe dafür zu forgen, daß folle aber fi selbst nit

g. Korsch©: Seit mehr als zebn Jahren würden jährli neue stellen, manchmal in ganz bedeutendem Umfange, gefordert und Aber so gut er über diese Sache informirt er fich kaum eines Falles, wo das Bedürfniß so über- Die Reden der Abgg. Friedberg um rein perfönlihe Gründe, um ber-Landesgerichts-Präsidenten in Man sage, er reise zu viel,

dessen zu gering. n den Reden der beiden Herren nur nach dieser Hinsi6t seien die Aus- dig widerlegt worden. Zunächst in Urtheik biiden, ob und welche Wenn das Bedürfniß ktionsreisen nachgewiesen sei, so würde die Nit- tlih die Gerihtseingesessenen treffen. 1 fähen die genannten Abgeordneten, daß es etwas Unmöglihes von dem Minister verlangen beiße, wenn man wolle, fidenten Anweisung ertheile,

eitig sein, denn sie seien und unzweifelhaft Die Geschäftelaft Senate nit ge- mgt hätten, werde es nicht anders fein. Lande8gerits-Präsident dur seine cigene SenatS#- Präsidenten überflüssig macken ks wäre das mögli, so bätte man ni ganzen Provinz nur einem Ober-Landesgerihts- dürfen. Der Ober-Landesgerihts-Präsident die anderen Beamten ordentli arbeiteten, an den Geschäften betheiligen.

vom Hause bewilligt. fei, erinnere nes 7 zeugend nachgewiesen sei wie hier.

Munckel Fewriesen, daß es s eine Art Abneigung gegen den O Breslau handele. eigentlihe Thätigkeit sei in Folge der cigentlihen Bedürfnißfrage sei i Dekorationsbeiwerk gewesen, und

führungen vom Miristertif könne das Haus si darüber gar f Inspektionsreisen unvermeidli§ gewe na diesen F bewilligung wesen

und meine, Die Verneirung

Ferner über-

daß er dem Prä- die Insyektionsreisen auf das durch die Etatsverhältnisse gebotene Maß einzuschränken. Er bitte deshalb die i Es sei unerhört in der Geschihte des preußishen Parlamentariêmus, daß eine sahlih begründete Forde- rung abgeleznt werde wegen Abneigung gegen die Person des be- treffenden Beamten. Abg. Steffens: bolentlih darau bier im Hause

Forderung zu bewilligen.

Dieser Aeußerung gegenüber habe er wieder- f hinzuweifen, daß in der Kommission sowohl als au von den Gegnern der Forderung rein sahliche Gründe geltend gemacht worden seien. :

Abg. Graf zu Limburg-Stirum: Er sei zu wenig Sa@- ob die Geschäfte in Breslau richtig aber die Herren auf der andern Seite fönnten das von hier aus ebenso wenig ritig beurtheilen. Das Justiz-Ministerium 1 nnüßen Beamten {afen wollen. : ominiffion sei aus einer gewissen Aversion vielleiht gegen die Person Herrn von Kunowski gesagt worden, also müfse man die Forderung ablehnen, un

kenner, um beurtheilen zu können, vertheilt feien,

werde doch wob! keine u

der Mann reife zu viel d so sei es geschehen. Da- Nathweis führen, daß Hr. von Kunowski nit die für Reisediäten des 1 „ausgeworfen sei, folge ß Hr. von Kunowski unmöglich 230 Tage spektionêreisen zugebracht baben fönne. in Folge der \charfen Kon- von Kunowsfki in den \{chlesishen Gerichten eine \chneidige Geschäftsführung vorhanden sei und en jegt viel schneller erledigt würden als früber. f denselben Punkt zurück, der shon bei dem fichtsführenden Amtsrichter,

gegen könne er den zu viel reife. Aus der geringen Summe, Ober - Landesgerichts. Präsidenten in Bresla mit Notbwendigkeit, d in einem Jahr auf Jn genauere Erkundigung babe er gebört, daß trole durch Hrn. fehr prakti daß die Sah Haus komme wieder au Gesetz, betreffend den au r glaube ja, daß die Ritter in thâten, aber {ließli sei überall Beamten eingeführt; diese Forderung zu Abg. Dr. Friedberg: fi gegen ihn erklärt häiten, Man sage, gehöriger Eingriff in die Verwaltung. Aber die Organisatio

besprohen worden Preußen alle ihre Schuldigkeit in Preußen eine Aufsicht für die fie fei nötbig und darum bitte er,

Gerichtspräsidenten bâtten sie scine Ueberzeugung doch nicht die Ablehnung der Position wäre ein un- Er wolle in die Verwaltung nsfragen interessirten ibn, und d derselben Geld gefordert werde, und wenn ih durch ganisation Geld ersparen lasse, fo müfse man für ganisation eintreten. Persönlihe Gründe seien für ihn ebend; aber der öffentlichen Kritik müsse das Verfahren gerichts-Präsidenten unterliegen. relativ günstiger als am Kammer Deshalb verneine er die Bedürfnißfrage. 2 den Beweis für die 230 Andere Minifter sagten immer, wollten die Klagen untersuben. Au Graf Li es für Klatsch und verlange einen Beweis. ein s{chnelles Ende gema§t sein, richtete Frage prâäzif, der Kommission sei eine Antwort auf die Ober-Landesgeriht#- Prästdent auf Reisen zu (Hört, hört! bei den Nationallibe gierung eine Untersuhung ablehn Scchwrâthe bei dem Ober-Landesgerichts Breslauer Zeitungen verzeiGneten mit jedes Mal, wann der Danach habe maa (Beifall bei den Abg. Olzem: die Forderung.

nit eingreifen. wenn auf Grun eine andere Q diese andere Or bierbei nit ma Die Geschäftslage fei in Breslau geriht in Berlin. Der Regierungskommifssar S9 verfahre kein sie seien orientirt oder mburg-Stirum erkläre Diesem Klatsch würde wenn die Regierung die an sie ge- (Sebr richtig! links.) In Frage, wieviel Tage der gebrat habe, verweigert ralen.) Wenn die e, scheine thm eine gewisse Scheu oder Justiz-Ministerium vorhanden zu fein, dem Herrn Präsidenten etwas auf den Leib zu rücken. Die ganz besonderem Vergnügen Präsident abgereist und wann er zurückgekehrt fi also die Anzahl der Reisetage berechnen Nationalliberalen.)

Abweichend von seinen Freunden, stimme er für Gründe gehört. erson des Ober-

e beantwortet bätte.

Dagegen habe er nur persönliche (Unruhe.) Die Gründe seien immer nur aus der P Landesgerits-Präsidenten hergenommen worden. Es bandele si aber nicht um diesen, sondern um einen Senats- gierung habe sich bisher sehr zäbe gegen die Beantrage fie jeßt eine, so solle man nit das Mißtrauen ß es ohne Noth geschehe. Nothwendigkeit zahlenmäßig nahgewiesen worden.

Damit {ließt die Debatte über diese Spezialfrage.

folgt die Debatte über die Ober-Landesgerihte im

Den bekannten Fall des er niht objektiver dar- nationalliberalen „Allge- „Seit Jahren nichtverheiratheten Juriiten m hiesigen Restaurant. Jeder hat mebedingungen zu unterzieyen. Nach elehnt, sobald ein einziges Mitglied die Aufnahme jüdisher Religion, dessen Vater eine

der Braunschweigischen Hypotheken- suhte er sich bei einem er in die Tischgesellshaft auf- igungen des @ristlihen Kollegen daß es besser fei, wenn der jüdische er mahte Diesem gegenüber durch- ch aber doch und das Gesuch wurde Stimmenzahl bekannt geworden is. Der sich darüber nit beschwerti, sondern seine eantragt, aber der Ober-Landesgerihts- Zelle ordnete eine Untersuhung an und Unterschied, ob fie für oder gegen die wurden ftrafversetzt. L Der Ober-Landes8gerihts-Präsident babe ntersuhung angestellt. Dies sei ein Ver- Schulknaben anwende, welche studentishe 1 öffen. Aber wenn man hi die ihr Referendarexamen gemacht hätten, fiziere scien, also Staatsbeamte und Mit-

Präsidenten. Einrichtung neuer Stellen

In der Kommission fei die

Abg. Freiherr von Hammerstein: jüdishen Referendars in Hildesheim glaube stellen zu föônnen als an der Hand der meinen Hildesheimer Referendare geschlossenen Mittagstish in eine {fich statutenmäßig gewissen Aufnah den Statuten ist ein Gesu abg s{gefellshaft sfih gegen

fehr angesehene Stellung bei t hterherverseßzt christlihen Kollegen genommen werden würde. en Diesem die Ueberzeugung, eferendar fih nicht melde, und Hehl. Dieser meldete si , ohne daß die che Referendar hat Verfezung von Hildeshei deut von Bardeleben in tlihe Referendare ohne Aufnahwe gestimmt hatten, fei torrekt wiedergegeben.

aus eigener Initiative eine U fahren, welches man wobl geg Verbindungen auf der Schule {l eiftere junge Leute ,

der Regel Reserveof

Der Thatbestand

Seiten des Abg. v Justiz-Minifters. Der Kernpunkt dieser Sache sei nicht für die be- treffenden jungen Herren, fondern für die ganze Justiz von emi-

\s{affflien. Die Angaben 1- glicter des preußischen Offizierkorps, in der Weise vorgebe, daß man ibnen nicht mehr gestatte, ch zu einer Tischgesellschaft zu vereinigen und auf Grund eines Statuts zu bes{ließen, wer zu ibnen gebören dürfe, so fei das geeignet, die besseren Elemente von der Juftiz-

Carrière fernzuhalten. Das Verfahren gegen die Referendare fei auch durchaus vershieden gewesen. Der Ober-Landesgerihts-Präsident

babe die unter seiner Aufsiht ftehenden Referendare strafver\eßzt, der Ober-Staatsanwalt aber die unter seiner Aufsicht Stebenden nit

strafversezt. Wer habe nun: Ret, und welcher von beiden Be-

börden trete der Justiz-Minister bei? Mit der summaris®@en Ver- sezung seien für die Referendare bederkli&e Nathiheile verbunden: Sie verlören Zeit und müßten ibre Besäfligung bei einem Rebts-

anwalt oder Amtsrichter von Neuem beginnen, der nit wise,

welche Kenntnisse sie si bereits in Hildesheim erworben bâtten. Es

fei angezeigt, wenn der Justiz-Minister erkläre, daß, wenn der Eine oder der Andere dieser Referendare wünfchen sollte, nach Hildes- beim zurüdverseßt zu werden, dieser Wun}, soweit ni&t andere dienstlibe Rücksiten entgegenständen, erfüllt werden solle. Justiz-Minister Dr. von Sgthelling: Obwohl es mir in manter Hinsicht peinlich ift, in eine Er- örterung der von dem Herrn Vorredner berührten Angelegenheit ein-

zutreten, so will ih ihm doh die gewünsHte Antwort niht \&uldig bleiben.

Obgleich i die von ißm mitgetheilten Thatsaben im Einzelnen hinsihtlih ihrer Ri§tigkeit nit kontroliren kann, so werde ich doch meinerseits anerkennen müssen, daß die Geschihtserzähling im Großen und Ganzen richtig ift.

Den Ausgangspunkt bat dana die Angelegenheit davon ge- nommen, daß ein Referendar ih werde ihn beim Namen nennen Benfey, der nah Hildesheim verseßt war, den Wuns begte, einer aus Referendaren und anderen unverheiratheten Personen be- stehenden Tischgesellschaft beizutreten, daß dieser Wuns aber Schwierig- keiten begegnete und {ließli dur, Abstimmung der Tishgesellschaft ab- gelehnt wurde. Der Landgerihts-Präsident in Hildesheim war darüber nicht im Zweifel, daß die Zurückweisung des Gesuces nur deshalb erfolgt sei, weil der Referendar Benfey mosais{hen Glaubens war. (Heiterkeit, hört! bört! rechts.) Der Ober-Landesgerihts-Prösident in Celle trat dieser Auffassung bei und betrachtete die Betheiligung der Referendare an der ablehnenden Abstimmung als eine antisemitis&e Demonstration. (Heiterkeit, Hört! Hört! rets.) Er verfügte die Versetzung der betheiligten Referendare, foweit sie seiner Aufsi@t unterstanden, nah anderen Orten. In eine nähere Unter- subung des Falles, namentli in eine Erörterung, wie und aus welhem Grunde die Einzelnen abgestimmt haben, ist der Ober- Landesgerihts-Präsident nitt cingetreten. Er ging davon aus, daß die Verseßung im Interesse der allgemeinen Dienftaufsi{t geboten fei und daß es sh dabei nit um eine Disziplinarmaßregel bandele.

Nun waren aber bei der Abstimmung, wie der Herr Vorredner Gon hervorgehoben hat, au Beamte betheiligt, die nicht dem Ober- Landesgerihts-Präsidenten, sondern dem Ober-Staatsanwalt unter- stehen, es waren dies ein Assefsor und zwei Referendare. Der Ober-Staatsanwalt verfügte eine nähere Untersuhung des Vorgangs, und da stellte sich nun heraus, daß einer der seiner Aufsicht unter- stellten Beamten überhaupt nit gegen, sondern für die Aufnahme des Hrn. Benfey gestimmt habe, und die beiden anderen konnten nah der Ansicht des Ober-Staatsanwalts überzeugend nahweisen, daß sie fi zu ihrer Abstimmung niht dur eine grund!äßlihe Abneigung gegen einen Angehörigen des jüdishen Glaubens bätten bestimmen laffen (große Heiterkeit), sondern durh einen ungünstigen Eindruck des Einzelfalles. Der Ober-Staatsanwalt fah daher von weiteren Maßregeln gegen die ibm untergebenen Beamten ab.

Was nun meine Stellung zu der Sate betrifft, meine Herren, so nehme ich keinen Anstand, im Prinziv dem Herrn Ober-Landes- gerihts - Präsidenten zuzustimmen. (Hört, bört! rets. Bravo ! links.) Ich muß von den Referendaren verlangen, daß fie ihren Kollegen gegenüber ein kollegialisches Verbalten obne Rülsiht auf die Verschiedenheit des - Religionsbekenntnisses beobachten (Bravo!

links), und ich betrachte es als eine Aufgabe der Justizverwaltung,

jeder Betbätigung unkollegialishen Verbaltens gegenüber jüdischen

Referendaren entgegenzutreten.

Was aber den einzelnen vorliegenden Fall anbelangt, so babe ic

mih doch mit der Verfahrungsweise des Ober-Landesgerihts-Präsi- denten nicht durchaus identifizirt. Ich würde es für rihtig gehalten haben, wenn den betreffenden Referendaren vor ihrer Verseßung Gelegenheit zur Vertheidigung gegeben worden wäre. Es bandelte fih um eine ges{lossene Tischgesellshaft. Wac der Zutritt aus dem Grunde versagt worden, weil die ablebnenden Referendare überbaupt jeden Verkehr mit Referendaren jüdisGen Glaubens aus\ch{ließen wollten, dann hielt ich das Einschreiten des Ober-Landesgerihts- Präsidenten für durchaus gerechtfertigt, und dann würde auch gegen die von ibm verhängte Maßregel der Verseßung an andere Orte von meiner Seite niGts zu crinnern gewesen sein. Es blieb aber immer die Möglichkeit offen, daß niGt eine grund- säßlihe Abneigung gegen Referentare anderen Glaubens, sondern Antipathien, die in der Persönlichkeit des Aufzunehmenden liegen, alfo dem Einzelfall angehören, die Ablehnung bestimmten, und darum hâtte es sich meines Erachtens vor Allem empfohlen, eine Er- örterung darüber anzustellen, wie und aus welhen Motiven die cin- zelnen Referendare nicht zustimmten. Ih habe daher meinerseits nicht unterlassen, in einer Verfügung vom 4. Dezember vorigen Jahres den Ober-Landesgericts-Präsidenten auf diese meine ab-

weichende Meinung aufmerksam zu machen. Dagegen habe

ih nit daran denken können, nun eiwa meinerseits nahe trägliGh eine Vernehmung der versegzten Referendare zu veran- laffen. Keiner dieser Referendare hat \ch bei mir beschwert ; die Verseßung war bereits bis zum 1. November zur Auëführung gebracht. Eine Nachprüfung der Verseßung von Amtswegen würde aber ohne Nutzen gewesen sein. Denn an eine Rückversetzung der Referendare von Amtswegen nah Hildesheim hätte ja doch in keinem Falle gedacht werden können. Ob dies den Wünschen der Referendare entsprochen hätte, ist mir sehr zweifelhaft; jedenfalls worauf ih das Hauptgewiht legen muß im Interesse der Ausbildung der Referendare wäre diese Zurückversezung eine sehr nachtheilige Maß- regel gewesen. Die üblen Folgen, welche die Versetzung für die Aus- bildung der jungen Männer nah si gezogen hat, Folgen, die von dem Herrn Vorredner bereits hervorgehoben sind, würden noch ver- doppelt worden sein, wenn ihre Zurückversezung nach Hildesheim ver- fügt worden wäre.

Abg. Brandenburg: Er stehe in dieser Angelegenheit auf on Mia troß der Erklärungen des

nenter Bedeutung. Bereits bei der ersten Lesung über den Gesetz- entwurf, betreffend den aufsidtsfübrenden Ämtsrichter, habe er es als einen unleidlihen Zustand bezeihnet, daß die Justiz genöthigt sei, alle Elemente in si aufzunehmen, gegen die fi andere Carrièren noch vers{löfsfen. Das gelte zumeist von den jüdischen Elementen. Für die Beamten sei die Autorität und das Ansehen ibrer Person bei dem Volk ein unumgängliwes Erforderniß; deshalb frage es sich von voraherein, wieweit demselben bei der Zulaffung der Iuden zu den Aemtern Rechnung zu tragen sei. Er be2atworte diese Frage nit, ziebe aber daraus die Konsequenz, daf “4 allen Aemtern in dieser Beziehung eine Gleihmäßigkeit zr vcobaMten sei, oder man gebe mit der einfeitigen Zulaffung zu erkennen, daß für die betreffenden Amtsstellungen ein Mindermaß von Ansehen und Ebre zu beanspruGßen fei. (Sebr rihtig rets.) Es bandele si bier ni&t um die Zurücksetzung des jüdiscen Elements, tondern mehr um die Abwehr der eigenen Zurückseßung und eine Selkstvertheidigung. Wenn diese Zurückseßung nit von der Be- bôrde abgewebrt werde, so müfffse sh der einzelne MWertreter des Standes dagegcn richten, natürli in xivilen Formen. In diesem Notbstande befinde si unsere Justiz, und fo liege im Grunde der OVildesbeimer Fall. (Abg. Ritter: Sleichberechtigung der Kon- fessionen!) Dieser Zustand ergebe sich “allerdiags mit Nothwendigkeit aus der Gefezgebung, und er erhebe daber feinen Vorwurf, sondern dränge nur auf Abstellung, und es sei ibm erfreulich gewesen, vom Justiz-Minister gestern zu bören, daß eine Aenderung der Gesetz- gebung beabsihtigt sei. Er erhofffe daraus eine Remedur. Un cinem Mißverständnisse vorzubeugen, wiederbole er, daß er sih keineswegs gegen die Ablehnung des jüdishen Elements zu Aemtern überhaupt, sondern nur geaea die einseitige Zulaffung zu Justiz« ämtern ausgesprochen habe. Er protestire gegen das fat experimentum in corpore vili. (Abg. Richter: Das ift die Centrumévartei mit der Gleihberechtigung. Katholiken wollen Sie, aber Juden nit !)

Abg. Lubrecht: Als Vertreter der Stadt, in welWer diese fur®tbare Geschichte vassirt sei (große Heiterkeit), müfse er ein Wort darüber sagen. Die ganze Geschichte hänge mit den antisemitiichen Bestrebungen zusammen, daher bätte er gewünscht, der Abg. von Hammerstein bâtte die SaH: nicht angerüßrt, denn es sei ein fehr diffiziles Gebiet. Er billige den Antisemitismus nicht, die antisemi- tischen Wanderredner \chGafften keine Besserung, sondern säeten nur Haß und Zwietrachbt und regten die Begehrlichkeit der einen Klasse nad den Besißthümern der anderen Klasse an. Die jüdischen Staatsbürger hätten dieselben Rechte und Pflichten wie die anderen. Der Antisemitismus sei au unchriftlih, er stôöre den Frieden, wie er es au in Hildesheim gethan habe. Man solle lieber an die Mission unter Israel denken, dafür werde er immer zu finden sein. Wenn der Ober-Präsident die Referendare gemaßregelt babe, die einen ihnen gleihftehenden Referendar nur deshalb nit in ihre Gefellshaft aufgenommen bâätten, weil er jüdisWen Glaubens gemesen sei, so fei das vollkommen gerecht, und er freue sih, daß der Justiz-Minister derselben Ansidht sei. Aber jet komme die Kehrseite des Bildes. (Bewegung rechts.) Der Standpunkt seiner Fraktions- genossen sei der, daß das Ret einer gesbloffenen Gesellschaft ge- wahrt werden müsse und daß darin nit eingegriffen werden dürfe, von welcher Seite es au geschehe. Eine ges{loîene Gesellshaft müsse, wen sie nicht wolle, ohne Angabe der Gründe ablehnen können. Dazu komme, daß dem jüdischen Referendar ver- traulih mitgetheilt worden sei, er möge sich nit melden. Er habe es do gethan, und das sei ein sehr diffiziler Punkt. Nur ein Aÿselzucken, ein Nihtaleichbereitsein müfse Jemand {on akb- balten, fich zum Eintritt in cine ge\{chlofsene Gesellshaft zu melden. Daß er es do gethan habe, drüde diese Sace für ibn so herab, daß fe keine Bedeutung babe. (Beifall rechis und bei den Nationalliberalen )

Abg. Stöcker: Er habe das Gefühl, der Schluß der eben gehörtez Rede widerspree ihrem Anfange, der Shwanz babe den Kopf aufgefrefsen, und so bleibe Nichts übrig. Er wende fchŸ zu den weit wichtigeren Aeußerungen des Ministers, über die Mancher im Lande ershrecken werde. Wohin fei man in Preußen gekommen ! Also es folle ni§t mehr erlaubt fein, in freier Vereinigung ih zusammen zu finden, ohne daß ein jüdisWer Mitbürger das Recht babe, #ch in eine ole Vereinigung einudrängen, bet Strafe disziplinarisher Ahndung? Dies sei die Thatsache, und dicse Thatsache habe der Minister im Großen und Ganzen gebilligt. Zu der freien Vereinigung in Hildesheim gehörten auh Männer an- derer Stände, und das habe die disziplinarische Untersubung er- {wert ; wie wolle man wissen, ob nit ein Mediziner die eine Stimme abgegeben habe, die den jüdischen Referendar hinausballotirt habe ? Schon diese Nothwendigkeit, die einzelnen Stimfen gleihiam von Amtswegen einzufordern, widerstreite jeder Vorstellung von Civilisation, Freiheit und Kultur ! Hier habe man ih nur eingemischt, weil es sich um einen jungen Israeliten gehandelt habe. Wobin fei man gekommen! Dieser Fall in Hildesheim und andere Vorkommnisse zeigten, daß man die Juden zu einer Art höherer Wesen machen wolle. Dieser Anfang müsse bedenklih machen, fahre man so fort, so werde die juristische Carrière {ließli nur noch von Iuden ein- geschlagen werden, es werde dann kein einziger chriftliher Referendar mebr vorhanden fein.

Abo. Bödiker: Er habe seiner Zeit, als der Beschluß gefaßt wurde, i4n bedauert, wenn er aus ledigli antisemitischen Gründen gefaft worden fei. Jn der Art des disz;iplinariscen Vorgehens habe er nicht? Tadelnêwerthes gefunden, man könne Referendare nit einzeln abbôren, wie Tertianer, hier handele es sich um ein korporatives Vorgehen und da babe auch die Abndung eine torporative sein müssen, deshalb trete er den Ausführungen des Herrn Ministers völlig bei. Er babe den Eindruck gewonnen, als wäre die Rede des Abg. Bran- denburg eine antisemitishe gewesen ; seine Ansi®t werde von ibm und, wie er glaube, vielen Anderen aus seiner Fraftion nicht getheilt. Er meine, wenn eine ungleihe Behandlung der Juden in Bezug auf die Zulaffung zur juriftishen und anderen Cacrièren bestebe, folle man diefe Ungleichheit dadur beseitigen, daß man die Iuden auch zu anderen Aemtern zulafsse, nit dadur, daß man sie auch von den ribter- lichen auëschließe.

Justiz-Minister Dr. von Schelling:

Ih möhte mi nur mit ein paar Worten zu einer Bemerkung des Hru. Abg. Stöcker wenden. Er hat hervorgehoben, meiner Rede zufolge fei es nicht mehr erlaubt, in freier Vereinigung sich zusam- menzufinden. Er kat diesen Gedanken allerdings niht als von mir wörtlih ausgesprochen hingestellt, aber er bat doch diesen Gedanken als den Sinn des Vortrages, den ih mir erlaubt habe, bezeiwnet. Da muß ih antworten, daß er den Sinn meiner Aeußerung nit richtig aufgefaßt hat. Gerade in dem Punkte, wo ih die Trennung zwischen meiner Auffassung und der des Ober-Landesgerihts-Präsidenten ber- vorhob, babe ic die Thatsache in den Vordergrund gestellt, daß es fich um den Zutritt zu einer ges{chlofsenen Tischgesellschaft bandelt und daß daber au persönlide Antipatbien, die mit dem Glaubensbekenntniß nickts zu thun baben, berechtigt und zu berüdcksichtigen sind. Ich habe nur im Prinzip es für rihtig erklärt, nas der Ober-Lande8gerichts- Präsident ausgespro{en hat, daß nämli die Referendare unter ein- ander ein kollegialishes Verhalten zu beobaten haken, ohne Rücksicht auf den Glauben der Einzelnen.

Abg. Muntdel: Er bâtte die Saße mit der ersten Erklärung des Herrn Ministers, der er sich nat jeder Richtung bin ansließe, für erlcdigt halten können. Sowie man dem Vorgehen der Tisch- gesellschaft in Hildesheim eine antisemitishe Demonstration als Anlaß unterstelle, habe das Ober-Landesgericht so vorgeben müssen, wie es gethan habe. * Da aber diese antisemitische Demonstration von ver- schiedenen Seiten als berechtigte bingestellt werde, müsse er si um so energischer dagegen erklären. Der Abg. Brandenburg habe von einem Mißverhältniß der Behandlung der Juden in der juriftishen CGarrière und von einem Mindermaß von Achtung, die die jüdischen