1891 / 104 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Der Minister {loß mit der Erklärung, daß die Staats- regierung jeßt kein Gewicht auf die weitere Berathung des Geseßzentwurfs lege, aber soweit es an ihm liege, werde Alles geschehen, um die Frage baldmöglihst zur Entscheidung zu bringen. (Schluß des Blattes.)

Die Kommission des Herrenb‘auses zur Vorberathung der Landgemeindeordnung nahm in ihrer Sißung vom Sonnabend Nachmittag die 8. 2 bis 47 unverändert in der Fassung des Haufes der Abgeordneten an. Ueber §. 48 entspann fi einz längere Debatte, welche \chließlich bis heute vertagt wurde. i

In ihrer heutigen Sißung ftimmte die Kommission bei der Weiterberathung des § 48 folgendem Antrage bei: „Denjenigen Be- sitßern, welche von ihrem im Gemeindebezirk belegenen Grundeigen- thum einen Jahreébetrag von 20 bis aus\{ließlich 50 Æ an Grund- und Gebäudesteuer entrichten, sind je zwei, denjenigen Besitzern, welche von diesem ihrem Grundeigenthum einen Jahresbetrag von 50 bis auss(ließlich 100 Æ entri@ten, je drei, und denjenigen Besitzern, welche 100 # und mehr entrihten, je 4 Stimmen beizulegen Durch Ortsstatut können die vorstehenden Säge erböbt oder böbstens jedoch um die Hälfte (das Abgeordnetenhaus batte beschlossen um ein Drittel) ermäßigt werden“, und na bm ließli 8. 48 mit dieser Abänderung an.

Dem Hause der Abgeordneten ift der Entwurf ciner Wegeordnung für die Provinz Sa®Gsen in der von dem Herrenhause beshlofsenen Faffung zugegangen.

Theater und Musik.

Die General-Intendantur der Königlichen Scaufpiele hat umfangreihe und werthvolle Erwerbungen aus dem Fundus des Meininger Hoftheaters gemabt, von denen ein großer Theil bereits in dem „Kronprätendenten“ Verwendung finden soll. Das Ibsen'se Werk ift daber auf einige Zeit binausges{oben worden, bis die er: wähnten Dekorationen für die Verhältnisse der Königlihen Bübne passend gemacht worden sind. e

Josef Kainz wird sein Gastspiel im Lessing-Tbeater nur auf drei Vorstellungen ausdehnen können, da ibn ein älterer Gaft- spielvertrag nah Kopenhagen ruft. Der Künstler wird am Mittwo den Rustan im „Traum, ein Leben“, am Freitag den Willy Janikow in „Sodoms Ende“ spielen und sich dann am Sonntag in derselben Rolle verabschieden. Die Vorstellungen im Leifinz-Theater beginnen von nun an wieder regelmäßig um §8 Uhr. S A

Im Wallner-Theater findet morgen die fünsundzwaniztgite Aufführung des Singspiels „Des Teufels Weib“ siatt. S

In der morgigen „Freischütz“ - Aufführung im Kroll’ sen Theater treten drei neue Mitglieder zum erften Male vor dem Berliner Publikum auf: als Max Hr. Branzowêky, als Agathe Frl. Kienemund und als Aennchen Frl. Großmann. Lilli Lebmann fingt am Freitag zum leßten Male den Fidelio, Hr. Kalis® den Florestan. Von morgen ab finden im Kroll’schen Park die täglihen Concerte fiatt, auch die beliebten Abonnementsbillets (das Dugtend 9 4) treten von morgen ab wieder in Kraft. E

Im Thomas-Theater findet am Freitag das Benefiz Hrn, Kapellmeister Steffens, der zu dem „Millionenbauer“ die für die Gesangs8einlagen komponirt hat, stati.

S8, Dresden. Der Deutsche Bübnen- (Kartell-) Verein der Intendanten und Bühnenvorstände bält seinen Vereins- tag jeßt (am 3.—5. Mai) hier ab. Es sind im Ganzen über 30 Mitglieder hier eingetroffen, darunter Graf Hocberg von Berlin, Hr. von Beczezny aus Wien, Freiherr ron Perfall aus Mürcen, Freiberr von Ledebur aus Schwerin, Hr. von Wangenbeim aus Braun- schweig, von Lepel-Gnißz, von Cbart, Pollini aus Hamburg, Stägemann aus Leipzig, Barnay aus Berlin, Varena aus Magde- burg u. st\w Gestern (Sonntag) fand im Hotel Bellevue eine Sißung des Direktorial-Aus\chus}ses statt ; heute (Montag) um 10 Ubr ist die Hauptversammlung im Belvedere; daran {ließt sid das von Hrn. Geheimen Rath Bär den Versammelten gebotcne offizielle Mahl. Am Dienstag tagt ein Aus\{uß von 8 Herren, um neue Vertragsformulare zu berathen. Die Versammlung wird u. A. au den Frieden zwischen den Direktoren und der Genofsensckaft deutscher Bükhnenangehböriger wieder herstellen oder bestätigen.

Mannigfaltiges.

Der Gesammtbetrag der bisher eingegangenen Beiträge zur Er- rihtung eines De-kmals für die Hochselige Kaiserin Augu fta beläuft sich nab der „Voss. Ztg.“ auf 94432 4 Weitere Beiträge nimmt der Scbatmeister Gebeime Kommerzien - Rath G. von Bleicbröder, Behrenstraße 63, entgegen.

Das Torpedoboot ist, wie die „Voss. Ztg." meldet, vor- geftern vom Schiffbauerdamm nach Potsdam abgedampft.

Seitens der Großen Berliner Pferde-Eisenbabn- Aktiengesellschaft wird der „Staatsb. Z.“ zufolge aus Anlaß der Internationalen Kunstausstellung beabsihtiat, na Eingang der bereits beantragten polizeilihen Genebmigung besondere Wagen na dem Ausftellungëpark, und zwar vom Spittelmarkt, dem Hallesen Thor und von der Bülowstrake, Ede der Potédamerstraße, zu den verkehrsreihen Stunden nach Bedürfniß einzufezen.

Die Rubestätte des Wirklihen Gebeimen Ratbs und Reichsbank- Präsidenten H. von Dechend auf dem alten JIerusalems- Kir hof, die am Donnerstag, dem Jahrestage seines Todes, ge- \müdt war, bat, wie die „N. Pr. Z.“ mittheilt, jeßt ein Grab- denkmal erbalten. Es besteht aus einem s{warzen Granitobelisft, der an der Vorderseite außer einem Bibelsprub die Inschrift trägt : „Hermann Alexander von Dechend, geb. 2. April 1814, gest. 30. April 1890 * In der Nähe des neuen Grabmals sichtbar ist die gänzli verwitterte weiße Marmortafel für Karl Friedri Christian Faîch, den Stifter der Sing-Akademie, die am 24. d. M. das Jubiläum ibres bundertjährigen Bestehens festlich zu begeben gedenkt.

London, 2. Mai. Die Marine-Ausfstellung ift, nach einer Meldung des „W. T. B.“, heute vom Prinzen von Wales, der von seiner Gemablin begleitet war, eröffnet worden. Mebrere Mit- glieder des diplomatishen Corps wohnten der Feier bei. Die innere Organisation der Ausftellung ist äbnlih wie diejenige der militäri- {en Ausstellung im vergangenen Jahre erfolgt. Die Eröffnungs8- feterlibkeit verlief tros des regneriswen Wetters glänzend. Die Aus- stellung trägt, wie die „A. C.* schreibt, der Bedeutung Englands als erster Seemacht der Welt in weitestem Maße Rechnung und erinnert auf Schritt und Tritt on die glorreichen Tbaten, welche die englishen „Blaujacken“ in der Vergangenheit und Gegenwart, in Krieg*ck und Friedentzeiten verrihtet baben. Obwobl der Auéftellungëplaß seit der letzten auf ibm abgebaltenen Militär Ausstellung bedeutend erweitert worden ist, erwies er si der Menge der Ausftellungs- gegenstände gegenüber fast als unzureiwend. Es sind glänzende Namen, wel©e dem Beschauer in den Räumen der Auëstellung entgegentreten. Porträts, Gemälde und künstleris@e Erinnerungen enthalten die „Nelson“-, , Blake*- und „Benbow*“-Galerien, wäbrend die ,Cook“- und „Frarfklin“-Galerien mit Religuien und Trophäen aus der Süd)ee und den arktis%en Gewäsern angefüllt sind. Die „Howe“-, „St. Vin- cent*- und „Camverdown“-Galerien fübren scemännishe Waffen und Kriec8material vor Augen. Die „Shipvings“-Galerie verans{aulict in bis auf die kleinste Einzelbeit durchgeführten Modellen das Wabs- thum der englishen Kriegéschife vom „Great Harry® bis zu dem unlängst von der Königin getauften „Great Sovereign“ kerab. Die Wunder der moderren Metallfabrikation siebt man in der „Armstrong“ - Galerie. -- Auch -die Mehrheit der großen englisen Dampfergesellschaften hat Modelle ihrer bekanntesten Sciffe auêgestellt, und namentli erregt der ges{chmack- volle orientalis&e Kisék der „Peninsular u. Oriental Dampfergesell- \chaft* besonderes Interesse. Selbst die Restaurationen und Scank- lokale sind naturgetreue Nabahmungen der berühmten Portêmoutber Vorbilder und die „Blue Posts*, der „George“ 2c. dürfen ftets auf zablreide und entbusiastishe Besucher renen. Besondere Anziehung8- fraft übt ein Eisberg aus, welcher das realiftisbe Gepräge der arktishen Region trägt. In Verbindung mit ibm werden die Wunder- ersheinungen des Nordens, das Nordli®t und die Mitternahhtsfonne, dem Publikum wversinnbildliht. Als Glanzpunit der Aus- stellung dürfte Nelson's Flaggenswif, die „Victory“, zu betraten sein, deren Deck datselbe Aussehen wie ia der Sceschlact von Trafalgar darbietet. Von den Tausenden und Abertausenden, wel&e die Avéftellurg besuSen werden, wird sih Niemand der Stelle, auf welHer Englands berübmtester Seebeld, von einer feindliwen Kugel getroffen, blutend zusammensank, ohne ein Gefükbl tiefster Pietät rähern. Ein Panorama der S{hlacht von Trafalgar und cine getreue Na&bildung des Leubtthurms von Eddvîtone gebören

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gleidfalls zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Ausftellung

Na@ch Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

Stettin, 4. Mai. (W. T. B.) Jn der benatbarten Stadt Altdamm brach heute eine größere Feuersbrun | aus, welche bis jeßt troß der von der hiesigen Feuerwehr ge- leisteten Hülfe 15 Gebäude in Asche legte. Ein freiwilliger Feuerwehrmann wurde vershüttet und todt herausgezogen.

Wien, 4. Mai. (W. T. B.) Bei dem deutschen: Botschafter Prinzen Reuß fand gestern ein Déjeuner statt, zu welchem die deutschen Delegirten zu den Handel s8- vertrags-Verhandlungen geladen waren.

Graz, 4. Mai. (W. T. B.) Die auswärts v-rbreiteten Gerüchte über Arbeitseinstellungen in den Steinkohlen- bergwerten von Trifail sind unbearündet. Sowokbl in Trifail als auch in Hrastnigg und ODistro sind alle Beleg- schaften vollständig angefahren.

Paris, 4. Mai. (W. T. B.) Dreitausend Berg- arbeiter in Carnaux (Departement Tarn) haben wegen Entlassung von 40 Kameraden, welche am 1. Mai feierten, den Ausstand begonnen und beshlossen, die Arbeit nur dann wieder aufzunehmen, wenn ihre Kameraden wieder in Arveit genommen werden.

Mons, 4. Mai. (W. T. B.) Der Aus stand unter den Bergarbeitern im Borinage is ein allgemeiner, mit Ausnahme der Zehen „Levant“, „Fienu“ und „Crachet Picquery“. Es herrs{t eine gewisse Erregung unter den Strikenden, welche an dem Beschluß, den Strike weiter zu führen, festhalten. Jn Dour, Eloupes und Bois Bou}}fu wird weiter gearbeitet.

Sebastopol, 4. Mai. (W. T. B.) Die Leiche de® Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch traf, begleitet von einem aus drei Kanonenbooten bestehenden G:\hwader, am Sonnabend Nachmittag hier ein und wurde mit großen militärishen Ehren empfangen, da der Verstorbene si \. Z. bei der Vertheidigung von Sebastopol persönlih au®2gezeicnet hat. Am Sonnabend Abend erfolgte der Weitertranèport der Leich? mittels Separatzuges nah St. Petersburg.

Lüttih, 4. Mai. (W. T. B.) Jn dem ganzen Bassin von Lüttich is der Ausstand heute ein voll- ständiger. Die Zehen auf dem Plateau von Herne feiern ebenfalls. Jn Horloz foll es gestern Abend zu einem Zusammenstoß mit Gendarmen gekommen ein, wobei letztere angeblih vom Revolver Gebrauch gemacht und drei Personen verwundet haben. Nah Seraing sind 11/4 Bataillon Jnfanterie und 1/, Shwadron Kaval lerie abgegangen. Sämmtliche Ortschasten des hiesigen Bassins, in welchen sih Ausständige befinden, sind militärish beseßt.

Charleroi, 4. Mai. (W. T. B.) Jn allen Zechen des hiesigen Bassins ist der Ausstand ein allgemeiner ; mar zählt mehr als 30000 Strikende. Eine Zusammenrottung hat bisher nit stattgefunden. Die Ruhe ist nicht gestört worden. Jn allen metallurgishen Fabriken ist die Arbeit wieder aufgenommen worden.

Seraing, 4. Mai. (W.T. B.) Die Kohlen-Zechen der Werke von Cockerill feiern vollständig; die Eisen- und Stahlarbeiter dieses Etablissements feiern gleichfalls.

New-York, 4. Mai. (W. T. B.) Die Stadt Pa- ducah (Kentucky) wurde gestern durh einen gewaltigen Wirbelsturm heimgesuht, welher mehrere hundert Häuser der Dächer beraubte, mehrere gänzlich in Trümmer legte und auch sonst großen Schaden anrichtete. Die Me- thodistenkirche wurde in die Höhe gehoben und in Trümmern auf die Straße geshleudert. Die Eisenbahnhöfe und mehrere Fabriken wurden stark beschädigt, auch eine Anzahl von Personen ift leiht verleßt.

(Fortsetzung des Nichtamtlichen in dcr Ersten und Zweiten Beilage.)

Wetterbericht vom 4. Mai, Morgens 8 Uhr.

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Stationen.

Temperatur in 9 Celsius

! P M Wind. | Wetter. | | |

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeressp red. in Millim

| is [. WNW 2 wolkig meister Kah

NNW 2halb bed. WSLW 4 Regen 3/halb bed. 6 heiter

Mullaghmore Aberdeen Christiansund Kopenhagen . | 761 SW Stochtholm . |-75 W Haparanda . | 757 OND 6\wolkig St. Petersb. | 751 |WSW 2hhalb bed. Moskau... |_755 |WSW E

Cork, Queens- | town .…. | 760 |NWV 1 heiter r S 3'wolkig Helder... | 761 |[WSW 2wolkenlos ; 7599 |SW 3 halb bed. |! 9 mburg …. | 761 [S 2 bededckt 0 Swinemünde | 763 |SSW 3 wolkenlos | 10 Neufahrwasser 763 |W 3 wolkenlos | 9 Memel ... | 761 |WSW 4 heiter | 7

Paris 6 1 wolkenlos | Uit... | 7623 3 wolkenlos | Karlsruhe . . | 761

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Anfang 7 Uhr.

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in 4 Akten

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Theater-Anzeigen.

Königliche Schauspiele. daus, 111. Vorftellung.

von C, M. von Weber.

Mittwoch: Opernhaus. 112. Vorstellung. Der Widerspänstigen Zähmung. von Herrmana Göy. Text nach | bucg. Shakespeare’s gleihnamigem Lustspiele frei bearbeitet von Joseph Victor Widmann. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernft von Wildenbruch. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Dienstag: Die Kinder

n 10 | Mittœooh: f Sohn der Wilduif. 8 Donnerst2g: Krieg im Frieden. : Die näbste Aufführung von Die Welt, in der

Dirigent : Kapell-

Mittrooh: Saint Cyr.

Komishe Oper

erstes Auftreten )

Triedrih - Wilhelmftädtisches

S E Dienftag: Mit neuer Ausstattung, zum 19: Male: | (L.üte Woche.) Dienstag: Opern- | Sgint Cyr. Operette in 3 Aufzügen (mit theil- | Wirth. Oberon, König der | weiser Benußung eines Stoffes von A. Marx Elfen. Romantishe Oper in 3 Aufzügen. Musik | von Oscar Walther. Musik von Rudolf Delinger. | 3. Aft von A. Schönfeld, 1 _ Die Recitative von F. | In Scene geseßt von Julius Fritzsche. Wülner. Ballet von Emil Graeb. In Scene gefeßt | Hr. Kapellmeister Federmann. vom Ober-Regisseur Tetlaff. Anfang 7 Uhr. Scauspielhaus, 117. Vorftellung. f manu vou Venedig. Komödie in 5 Aufzügen | 7 Uhr von Shafespeare, überseßt von A. W, von Schlegel.

In Scene gescht vom Ober-Regisseur Max Grube. Im Park: Großes Militär-Coucert.

Kroll's Theater. Dienstag : Der Freishüt. Mittwoch: Martha. (Lyonel : Hr. Birrenkoven,

Freitaz: Gaîtspiel von Fra Lilli Leßmann zum

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 830. Dienstag: Benefiz für Emik Der MWillioneubauer. Volksftück in Kretzer. Gesangsterte im

E usik von G. Steffens. Dirigent : | Anfang Ukr. E Mittwoch und folgende Tage: Der Millionen-

Theater.

Dum=-5) | 4 Akten von Max

Im prachtvollen Park: Große Militär: Concerte. | bauer. Auftreten von Gesangs- und Instrumentalkünstlern. Der Kauf- | Anfang des Concerts 6 Uhr, Anfang der Vorstellung

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes - Ausstellungs - Park (Lehrter Bahnhof). Geöôffnet von 12—11 Uhr. Täglih Vorstellung im wissenshaftlihen Theater. Näheres die Anschlag-

Residenz-Theater. Direktion : Sigmund Lauten- | zettel.

Dienstag: Zum 11. Male: Dr. Jojo. Schwank in 3 Akten von Albert Carré. Deutsch DSIITI S S I T

von Carl Lindau. Regie: Emil Lessing. Vorher

118. Vorstellung, Der neue | zum Ih, Male: Wer das Gronees nitht Feb, ist das Kleinere nicht werth. wank in 1 Auf- 58 E S

zug von Sigmund S&lesinger. Anfang 7+ Uhr. Verlobi:! Frl. Eriïa von Derentball mit Hrn

Mittwoch und folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Familien-Nachrichten.

Kammerherrn F-.hrn. Carl Freytag von Loring- hoven ie 19: iti 48 Frl. Marie von Langenn - Kittlis mit Hrn. Günther von Tiele-Windckler (Labwigatuit —BVollratärube). Frl. Luise Zeidler mit Hrn. Ewald Frhrn. von Freyberg (Dresden).

Verehelicht: Hr. Amtsrichter Heinri Wunder- lich mit Frl. Hedwig Ritter (Wohlau). Hr.

1 3 bedeckt 12 Wiesbaden . | 761 {till wolkig 29 München . . | 761

é 3 wolkig 00 Chemniy .. | 762 1 bedeckt 12 Berlin... | 463 2 beiter L 1 en: l 700 1 beiter 15 Breslau . . . | 764 1 Regen H Ile d'Aix . | 764 |S 3 wolkig [41 Nizza 758 | 4wollta | 15 758 fill wolkenlos | 21

: Uebersicht der Witterung. f

Ein umfangreides Gebiet mit verhältnißmäßig bchem Luftdrucke lagert über Mitteleuropa zwishen Depressionen im Norden und Süden des Erdtkeiles. In Centraleuropa ift die Luftbewegung \{wach, im Norden meift südlich und westlich, im Süden meist nördlich und öftlih, das Wetter vielfa beiter ohne nennerswerthe Niederschläge. Die Temperatur ift in Deutschland durchs{nitt!ich gesunken, am Meisten in den öftliben Gebietstheilen, vielfa liegt sie onter dem Mittelwerthe. Jm nordwestlihen Ruß- land beirs{cht Froftweiter, Arcangelek meldet Minus 9¿ Grad. Die gegenwärtige Wetterlage mat eine wesentliche Aenderung der jeßt bestehenden Witterungs- verhältnisse nicht wahrscheinli.

Deutsche Seewarte.

man fich laugweilt findet am Freitag ftatt.

Berliner Theater. Dienstag: Rosenkranz und Güldeustern. Anfang 74 Ubr.

Mittwoch%: Ein Kuß. Es hat so sollen sein. Hexeufaug. y/

Donnerstag, Nam. 2} Ubr: Der Veilchen- fresser. Abends 7} Uhr: Schuldig.

Tesfing-Theater. Dienstag: Nora.

Mittwoch: Erstes Wiederauftreten von Josef Kainz. Der Traum, ein Leben.

Donnerstag: Thermidor.

Wallner=Theater. Dienstag: Zum 25. Male: Des Teufels Weib. gTAEANAEs Singspiel in 3 Akten und einem orspiel von Meilbhac und Meortier, bearbeitet von Th. Herzl. Musik von Adolf Müller. Anfang Ubr

Mittwoch und folgende Tage: Des Teufels

Weib,

leßten Male: Fidelio. Täglich: Bei günstigem Wetter „Großes Concert“ im Sommergarten. Anfang der Vorstellung 7 Ukr.

Belle-Alliance-Theater. Dienftiag: Zum 16, Male: Der Giftmischer. Schwank in 4 Akten nach dem Französishen von Friy Brentano und Catl Tellbeim.

Im prachtvollen, glänzenden Sommergarten (vor- nehmstes und großartigstes Sommer-Etablifsement der Residenz): Sroßes Doppel-Concert. Auftreten hervorragender Spezialitäten. Brillante Illumination des ganzen Garten-Etablissements. ans des Con- certs 4 Ubr. Anfang des Theaters 7} Ubr.

Adolph Ernst-Theater. Dienstag: Zum 79. Male: Adam uud Eva. Gesangspofse in 4 Akten von Eduard Jacobson und Leopold Ely. Couvlets von Jacobson und Gustav Görß. Mußk von Adolph Ferron. Im 4. Akt: Der unselige Toupinel. Parodistisbe Einlage. Anfang 74 Ubr.

Der Sommer-Garten ist geöffnet.

Rechtsanwalt Siegfried Zuckecmann mit Frl. Carola Portner (Forft). i

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Amtsrihter Schu- bert (Ebeleben). Eine Tochter: Hrn. Rechts- anwalt Zinzow (Neustettin). Hrn. Amtsrichter Dr. Menz (Kyritz)

Gestorben: Hr. Rittmeister a. D. Frhr. Hermann von Eikstedt. Hrn. Prof. Mikulicz Sohn Hans (Breslau). Fr. Eugenie Gräfin Matuschka, geb. Maas (Görliß). Hr. Landgerichts-Rath a. D. Carl Engelbrecht (Neisse). Hr, Stabs- und Bataillonsarzt Dr. Waldemar Lhortsen (Breslau).

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin: Verlag der Expedition (S ch olz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagsa Anftalt, Berlin §W., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen (einsHließ!li{ Börsen - Beilage), (778})

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 104.

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Deutscher Reichstaa. 113, Sizgung vom Sonnabend, 2. Mai.

Am Tische des Bundesraths die Staatssekretäre Freiherr von Maltzahn und Freiherr von Marschall.

Die zweite Berathung der Novelle zum Brannt- weinsteuergeseß wird bei Art. IT fortgeseßt, na welchem die steuerlihe Kontrole der Brennereien und Branntwein- Reinigungsanstalten in den vom Bundesrath zu bestimmenden Grenzen steuerfrei erfolgen soll. Die für Brennereien gerin-

eren Umfangs vorgeschene verminderte Maischbottichsteuer oll in Zukunft auch dann zur Einziehung gelangen, wenn die Brenncampagne vom 1. September bis zum 15. Juni dauert (früher stand statt des 1. September: 1. Oktober). Die Materialsteuer soll betragen : für Kernobst und eingestampfte Weintreber 25 Z, für Kernobst 35 Z, für Beerenfrüchte aller Art 45 Z, für Brauereiabfälle, gepreßte Weinhefe und Wurzeln aller Art 45 Z, für Trauben- oder Obstwein, flüssige Weinhefe und Steinobst 85 Z pro Hekto- liter; von Brennereien, die niht mehr als 50 1 reinen Alko- hols im Jahre erzeugen, foll diese Steuer nur zu */10, von jolhen Brennereien, die mehr als 50, jcdoch nicht mehr als 100 1 reinen Alkohols im Jahre erzeugen, zu 8/19 erhoben werden; dieselben fleinen Brennereien follen, wenn sie von der im 8. 42 gewährten Befugniß, statt der Materialsteuer einen festen Zuschlag zu zahlen, Gebrauh machen, nur einen Zusthlag von 8 F Ln, 16 F zu entrihten haben.

__ Dazu beantragt: 1) der Abg. Dr. Witte, auch die steuer- lihe Kontrole der Privatläger gebührenfrei zu lassen; 2) der Abg. Lender, von Brennereien mit einfaher Brennvorrich- tung und nicht mehr als 1 bl Jahresproduktion die Ver- brauchsabgabe für Branntwein aus niht mehr als 201 reinen Alkohols aus selbstgewonnenen, niht mehligen Stoffen auf 29 Z für das Liter zu fixiren, 3) der Abg. Wisser, diese Erleichterung auch auf den aus mehligen Stoffen gewonnenen Alkohol auszudehnen.

Abg. Wisser: Er empfeble den Antrag Lender, aber mit feinem Amendement. obne welches er seinen Zweck nicht erreihe. Der Schuß des Haustrunks habe für Süddeutschland große Bedeutung. Werde die Erzeugung des Haustrurks dur zu bobe Steuern unmöglich, so werde das Material an den Gaftwirth verkauft und von diesem ab- gebrannt werden, die Leute würden dann aber auch ihren Er- bolungstrunk nit mehr im eignen Haus finden, fondern im Wirtbsbaus suchen ; der gesteigerte Wirtbschaftsbesuch sei aber sehr \{äd- lid, auch dadur, daß er der sozialdemokratis&ey Agitation durch Wirthsbau®2gesprädbe starken Vorschub leiste, während die Agitatoren bisber in die einzelnen Häuser noch nicht eindrängen, also auch auf die Leute keinen Einfluß gewinnen könnten.

Staatssekretär Freiherr von Malyzahn:

Ich halte mich für verpflichtet, bevor der Reichstag über den Antrag Lender abstimmt, doch noch einmal das Wort zu nehmen, um die Herren über die Lage nit im Unklaren zu lassen. Die große Aus- dauer, mit wel{er die Vertreter der südwestliben Theile Deuts&lands im Reichstage die Wiedergewäbrung steuerfreien Haustrunkes in der einen oder anderen Form in der Kommission verfowten haben und im Plenum wverfehten, ift ein deutlißer Beweis dafür, daß ein Bedürfniß zu einer derartigen Abänderung der beftehenden Gesetz- gebung unter den kleinen Grundbesißern der von ihnen vertretenen Landestbeile warm empfunden und von den Abgeordneten dieser Distrikte als berechtigt anerkannt wird. Auch ein Theil der verbündeten Regierungen bat, wie die Herren wissen, si diese Wünsche zu eigen gemacht und sie warm vertrcten. Die Mehr- beit der verbündeten Regierungen hat aber, wie Sie wissen, den im Bundesratb gestellten Anträgen die Genehmigung nicht ertheilt. Jn der Kommission des Reichstages ist diese Frage lebhaft diskutirt

worden, und auf Grund der dort geführten Verhandlungen, auf Grund

der warmen Vertretung der Interessen der süddeutschen Kleinbrenner, durch die mit ibren Verbältnifsen speziell bekannten Abgeordneten ift in den Entwurf des Gesetzes, über welches Sie jeßt berathen, diejenige Einfügung zu Gursten dieser Leute gemaGt, welche Sie unter Nr. 4 und 5 der Zusammenstellung der Kommissionsbeschlüsse finden. Geben die Beschlüsse des Reichstages über das, was dort geboten ift, nit hinaus, so habe ich Grund anzunehmen, daß die verbündeten Regierungen den früher von ihnen eingenommenen Standpunkt ver- lassen, und dem so abgeänderten Gesetzentwurf, d. h. dem Geseßentwurf inder Fassung IhrerKommissionsbes{lüsse zustimmen werden. Aber meine Herren, dem Gedanken, welchen der Antrag Lender enthält, wird von Seiten einer großen Zahl der verbündeten Regierungen und speziell derjenigen, welche die norddeutshen Interessen zu vertreten haben, ein ganz ent- \chiedener Widerspru entgegengesett, und zwar aus verschiedenen Gründen. Diese Regierungen erkennen war an, daß durch die in dem Branntweinsteuergeseß getroffenen Bestimmungen diese Klafse von deutshen Branntweinbrennern dem früheren Zustande gegenüber in einen weniger günstigen Zustand versetzt ist. Sie sind, wie ich annehmen darf, bereit, auf dem Gebiet, welches die Nrn. 4 und 5 der Kommissionsbeschlüsse behandeln, diesen Brennern entgegenzu- kommen. Sie halten es aber nicht für vertretbar, es auf dem Wege der Abschaffung oder der Ermäßigung der Verbrauchsabgabe für einen Theil des in Deutschland hergestellten Branntweins zu thun; sie glauben, daß damit es sind au andere Gründe mitbestimmend gewesen, dies aber ist die Haupterwägung, welche geltend gemacht ist —, daß in solhem Vorgehen eine Ungerechtigkeit liegen würde gegen den norddeutschen Kleinbrenner, soweit er vorhanden ist, gegen den nord- deutshen Brannkweinkonsumenten aus k 1 ärmsten Ständen. Aus dem Grunde kann ih hier erklären, daß, soweit ih die Stimmung der verbündeten Regierungen kenne, der Antrag Lender oder ein Geseß, in welchem der Antrag Lender enthalten ist, auf die Ge- winnung einer Majorität im Bundesrath keinerlei Aussiht haben würde, Selbst aber, wenn eine Mehrheit der verbündeten Regierungen geneigt sein sollte, was ih nit glaube, einem solchen Antrage zuzustimmen, fo bitte ih die Herren, zu erwägen, daß diejenige Re- gierung, w.lhe diesem Gedanken den cntshiedensten Widerspru entgegengeseßt hat, die Königlich preußische Regierung gewesen ift, und daß der Artikel 5 unserer Verfassung bestimmt:

Berlin, Montag, den 4. Mai

Bei Gesetzesvorshlägen über die im Artikel 35 bezeichneten Akgaben giebt, wenn im Bundesrath eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den Ausschlag, wenn sie si für die Aufrechthaltung der bestehenden Einrichtungen aus- sprcict.

Abg. Dr B uhbl: Der Antrag Witte sei {on in der Kommission mit Rücksi@t auf den Widerstand, den er im Bundesrath finden werde, abgelehnt. Er halte es für ganz berechtigt, daß die Produzenten die Kontrolkosten nicht felbst trügen und auf die Konsumenten ab- wälzten, und werde persönli für den Antrag stimmen, doch wünsche er nit, daß der Antrag die Mehrheit des Hauses finde und fo die Vorlage mit dieser jeßt für den Bundeêrath unannehmbaren Bestimmung belafte; es genüge, wenn sich eine starke Minderheit dafür finde und den Regierungen dadurch nochmals die Anregung gegeben werde, die Kontrolkosten in ee auf die Reichskaffe zu übernebmen. Der Abg. Dr Witte babe ferner die steuerlihe Be- bandlung des zu Heilzwecken dienenden Alkohols zur Sprache gebracht ; dieser Gegenstand sei in einer Reibe von Petitionen norddeutsc{er Apotheker berührt, und in der That seien bier Aenderungen der bestehenden Zuftände nö-:bia, seten do z. B. in der preußischen Liste der Medikamente, für welche keine Alkobolsteuerbefreiung eintrete, au folhe enthalten, in denen überhaupt kein Alkohol vorkomme! Es sci aber von einer Beschluß- faffung abgeseben worden, weil eine generelle Regelung der Frage der Besteuerung des zu Heilzwecken bestimmten Alkobols zugesagt worden sei; es empfehle sich da vielleiht die allgemeine Einfübrung der badishen Einrichtung, nämli der Kontingentirung des von Apothekern verwendeten Alkobois. Der Antrag Lender seße den Reichstag in eine gewisse Verlegenbeit. Gewiß verdiene der süddeutshe Hauêëtrunk Berü- sidtigung, aber diefe sei ihm in der Regierungsvorlaze und in no§ verstärktein Maße in dem Kommissionsbes{luß gewährt; und da der Staatssekretär die Annahme dieser letzteren durch den Bundesrath in Auësiht stelle, bei Annahme des Antrages Lender aber die ganze Vorlage für unannehmbar erkläre, möchte er (Redner) als süd- deutscher Landsmann den Abg. Lender bitten, scinen Antrag zurück- ¿uzieben und sich mit den den Haustrunkbrennern in Anssicht geitelltin geringeren Vortheilen lieber zu begnügen, als au diese zu gefährden. Habe do in der Kommission der Kommissar der badischen Regierung, die immer für die S&bonung des Haustrunks eingetreten sei, ebenso aus Ovportunitätëgründen auf die jetzt vom Abg. Lender gestellten Forderungen verzidtet.

Abg. Dr. Simonis: Er fürchte nit, daß die Annahme des Artrages Lender die Vorlage für den Bundesrath unannehmbar macen werde, sondern es werde boffentlich von dem weniger in- formirten Bundesraib an den besser informirten appellirt werden. Der Haustrunk babe eine große wirthschaftlibe Bedeutung, und seine Beseitigung oder Ershwerung dürfte große soziale Schädigungen berbeiführen, während der Antrag Lender zur Zufriedenheit der Be- völkerung beitrage und somit au ein Heilmittel gegen die Sozial-- demokratie sein würde. Von insgesammt 90 000 Brennereien in Deutschland seien 80 000 kleine in Süddeutschland, die übrigen 10 009 seien die großen in Norddeuts{land. Warum solle also gerade das Hinderniß für die kleinen süddeutshen Brennereien von Nord- deuts6land kommen? Der Sparfamkeitssinn der kleinen Leute werde beeinträctigt, wenn sie gezwungen würden, ihre Treber und ibr un- reifes Obst auf den Misthaufen zu werfen. Wie man dem kleinen Baugzn nit seine Kuh oder seine Gais nehmen werde, fo solle man ibnWucb nivt seinen Kirsbbaum nehmen. Gerechtigkeit müsse im Lande berrschen, und die Gesetzgebung habe dafür zu sorgen, daß der Kleine nit dur den Großen zu Grunde gerichtet werde. Gehe aber die c a dei Weg diefer Vorlage, fo werde der größere Besitzer {ließli zum kleinen, der kleine zum Tagelöhner und der Tagelöhner gehe zur Stadt in die Fabrik oder wandere aus. Der Antrag Lender bringe die Gleichheit für die kleinen, man möge ibn daber einstweilen annehmen, bis die Regierung cine bessere Vorlage mae.

Abg. Hug: Wolle der kleine Brenner denselben Vortheil baben, wie der große, fo müsse er erheblich mehr brennen. Das sei aber leihter gesagt als gethan. Die kleinen Brenner könnten nit mebr als dur®schnittili®b 20 1 reincn Alkobols erzielen, denn sie bingen von der Obf|ernte "und anderen Faktoren ab. Die in der Vorlage vorgesehenen Erleichterungen fämen also der großen Masse der kleinen Brenner nit zu Gute, und es müsse ibnen deshalb dur den steuerfreien Haustrunk geholfen werden. Der dadur entstehende Steuerausfall fei sehr gering im Verbältniß zu dem Werth der Zufriedenbeit, die da- dur ges©affen werde. Die Gesetgebung müsse so geändert werden, daß die kleinen Brenner wieder einen Anreiz bekämen, zum Brennereibetrieb zurückzukehren; in den Erleihterungen der Vorlage liege ein solher Anreiz niht. Der Antrag Lender ergänze aber die Vorlage in dieser Richtung. Angesichts dieser Vortheile und des Vortheils, daß eine große Masse von Rohstoffen, welhe jeßt nicht verwendet werde, wieder zur Verwendung kommen könne, bitte er den Antrag Lender anzunehmen.

Abg. Uhden: Er bedauere au, daß dur die Gesezgebung von 1887 einem großen Theil seiner süddeuts%en Landsleute die Mög- lihfeit, sich ihren gewohnten fteuerfreien Hauëtrunk berzuftellen, ab- geschnitten sei, und er würde sih freuen, wenn er den Antrag Lender annehmen könnte. Den norddeuts{en Großbrennern liege es völlig fern, aus Eigennuß si dem Antrage zu widersezen. Aber der Antrag Lender würde die Konsequenz baben, daß sich auch in Norddeutschbland jeder Bauer seinen Haustrunk selbft brennen würde. Davon würde nur der Bauer einen Vortheil haben, aber nit der Arbeiter, die Wirkung des Antrages würde also verfehlt sein. Aus diesen Bedenken lehne seine Partei den Antrag ab. i

Abg. Hol: Man glaube, die norddeutshen Großbrenner scien mit dem Geseß von 1887 zufrieden. Er babe aber s{on in der erften Lesung anerkannt, daß die Großbrenner auch eine außerordentliche Schädigung durch das Gesetz erfahren bätten, denn sie bätten ihren Betrieb wesentlich einschränken müssen, aber sie bätten sich_ in das Gesetz eingelebt. Wenn ein Geseß dem Staat 100 Millionen Steuern bringen solle, müften Opfer gebracht werden. Das Gefeß habe die kleinen Brenner so s{onend wie möglich getroffen. Er warne dringend, einen Gegensaß zwishen den großen und den kleinen Brennern hervorzuheben. Au dem Antrag Witte stehe seine Partei woblwollend gegenüber, und es sei ihr \{merzlich, ibm nit zustimmen zu können, aber durch ihn würden die Fundamente des Gesetzes berührt. Der völlig steuerfreie Haustrunk habe noch eine gewisse Idealität für sih, aber den Antrag Lender, der dasselbe in einer etwas umschriebenen Weise erreihen wolle, könne seine Partei niht annehmen. Bei den kleinen Leuten im Süden berrshe größere Wohlfahrt als bei denen im Norden. Nah dem Antrag Wifser würde jeder kleine Mann im Norden \ich seinen Haustrunk selber brennen können. Der Antrag Wifser zeige deutlih die gefährlichen Konsequenzen des Antrages Lender. Er könne also, so ‘sehr er es bedauere, nicht dafür stimmen.

Abg. Singer: Der fteuerfreie Haustrunk werde natürlih den Absay der Großbrenner etwas hberabmindern, und in dieser Be- sorgniß wurzelten lediglih die Gegengründe des Vorredners. Zu den vielen Heilmitteln gegen die Sozialdemokratie sei nun aub no der steuerfreie Haustrunk hinzugekommen, durch welchen die Leute vom Wirthshaus und fo von der Berührung mit der Sozialdemokratie

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abgehalten werden sollten. Seine Partei sei bereit, diese Waffe gegen si slb zu \{ärfen, und werde Mann für Mann für den Antrag Lender stimmen. Der Antrag sei vollkommen berechtigt, und seine Partei bedauere, daß der Haustrunk nicht ganz steuerfrei bleibe, Er für feine Person werde auch für den Antraz Wisser stimmen. Der Antrag Lender werde aber sehr übershäßt; die soztalen Shäden würden dadurch noch nit sämmtlich beseitiat. Jhre grundsäßlihe Stellung habe seine Partei in der erften Lesung dar- gelegt; sie habe diese Vorlage auch deswegen gern gesehen, weil die Regterung dadurch endli einmal gezwungen fei, aktenmäßig nachzuweisen, an wen die Liebesgabe vertheilt werde. Dadurch sei erwiesen, daß wesentlih die Großbrenner den“ Vortheil aus der Liebesgabe zögen.

Abg. Scaettgen bält den Antrag Lender im Interesse der E: haltung der kleinen Bauern Süddeutschlands für nêötbig. Er bedauere die ungleihe Behandlung zwishen Nord- und Süddeutsch- land. Au der Wein- und Obstbau in Süddeutschland sei nit in so günstiger Lage. SwWhlechte Ernten hätten manche Landwirthe ziem- li nabe an den Abgrund gebraLt; in Baden sei von der Kammer ein Antrag angenommen, den Rebbauern die Steuern zu stunden,

_ Avg. Wisser erwidert dem Staatssckretär, daß, wenn dieser seinen Widerstand gegen den Antrag daher leite, daß der Antrag die süddeutshen Brenner vor den norddeutschen bevorzuge, gerade sein Antrag dics ausgleihen wolle. Süddeutschland müsse das {were Ioh abschütteln, welches Norddeutsbland auf Süddeutsblano ge- wälzt habe. Ein Mittel gegen die Sozialdemokratie seien die An- träge wobl; wenn die Leute nicht mebr gezwungen seien, nur {lechten Kartoffelspiritus zu trinken, würden sie zufriedener fein,

__ Abg. Lender: Der Steuerausfall in Folge feines Antrages sci sehr gering. Die Steuererhebung müsse mit möglichst wenig Plackerei verbunden sein. Für einen so geringen Steuerausfall dürfe man die Zufriedenbeit des Volkes nicht preisgeben. Die Erklärung des Staats- sekreiärs habe ihn sehr befremdet, daß selbst, wenn der bescheidene Antrag angenommen werde und auch im Bundesrath eine Anzabl von Regierungen sich dafür ausspreche, dann die Stimme, welhe den Aus- {lag na der Verfassung gebe, gleihwohl ihre ablebhnende Stellung bebaupten werde. Der Schaden, der durch die Rüdsichtnahme auf die süddeutsœen Verbältnisse gegenüber den norddeutshen Pro- duzenten entstehen könnte, bestehe wohl nur in der Phantasie. Werde dem arbeitenden Mann der Branntwein vertheuert, so werde er verbittert. Der Abg. Ubden meine, der Antrag Wisser zeige erst die Konsequenzen seines (des Redners) Antrages, Was würde es s{aden, wenn fein Antrag mit der Aenderung nach dem Antrag Wisser angenommen würde? Es bandele si nur um die Befreiung der Brennereien der einfachsten Form, welche bis zu 209 Liter brennten. Er bitte den Antrag anzunebmen; dem Bundeërath rufe er zu: videant consules, discite moniti !

Abg. Dr. Simonis: Schon jeßt sei der Haustcunk in Süd- deutskland so {wer besteuert, daß er dem Wirthshausbesuch viel- fa babe Plaß machen müssen; seitdem habe sich aber auch die Qua- lität des getrunkenen Branntweins erheblih vershlechtert, Delirium tremens und alle sonstigen \{hlimmen sanitären und wirthschaftlihen Folgen der Trunksucht und des Fuselgenusses bâtten fh in entseßz- lichem Grade gezeigt. Sei es aber gere{chtfertigt, 80 000 kleine süd} deutshe Brenner um 10000 großer norddeutsher Brenner willen zu benacbtheiligen ?

Abg. Holtz: Der Widerstand seiner Partei gegen den Antrag Lender sei niht aus Rüccksiht auf die großen Brennereien Norddeutsch- lands entstanden, die sich überbaupt von der Konsumabgabe eman- zipiren könnten, weil sie ihr Produkt im Auslande abseten könnten und ihnen der Weltmarkt immer noch gute Preise gewähre. Hätten sie das große Geschenk der Liebe8gabe wirklich empfangen, so müßten sie ja unendlide Reihthümer aufgespeichert haben; tbatsäcblich sei aber ibre Lage eine so prekâre, daß {hon dadurch diese Fabel binläng- lich widerlegt werde / i

Darauf werden die Anträge Wisser und Witte abgelehnt, der Antrag Len der dagegen angenommen und mit diejer Aenderung der Kommisstonsvorschlag.

Art. IIT wollte nah der Regierungsvorlage den Zoll für den aus dem Ausland eingehenden Branntwein auf 150 für 100 kg festsegen; die Kommission s{chlägt dagegen vor, den Zoll für Liqueure auf 180 #, den für alle übrigen Branntweine, sofern sie in Fässern eingehen, auf 125 H, so- fern sie in Flaschen, Krügen oder anderen Umschließungen ein- gehen, auf 180 A pro 100 kg zu fixiren.

Abg. Broemel: Die Kommission habe von der von der Regie- rung vorgeschlagenen generellen Zollerböbung ganz abgesehen und {ih wesentli damit beschäftigt, eine praktishe, von allen Zollbeamten leiht erkennbare Unterscheidung zwischen dem böher und dem niedriger besteuerten Branntwein zu finden, und babe als folbe die Umbüllung feststellt. Warum babe die Kommission aber dabei die Liqueure gar so s{lecht behandelt? Liqueur verdiene doch \{ließlich au eine gewisse Berücksichtigung. Uebrigens fürchte er, daß die Umbüllung kein fo geeignetes Untersheidung8mittel sei, denn man werde danach in Zu- kunft wobl s\prachblich einen Untershied zwishen dem in Fässern eingehenden „S{naps*“ und dem in Flaschen eingebenden „Liqueur“ machen, aber man werde fortan niht bloß Getreidekümmel, sondern auch Gin, Genever, WaBholder u. \. w. in Fäfsern einführen. Wolle die Regierung den Cognac, Rum und Arak, um deren böbere Be- steuerung es fi in der Regierungsvorlage eigentli gehandelt habe, in Fäfsern eingehend, dem niedrigeren Zoll unterwerfen, oder sollten diese drei Brennereiprodukte als Liqueur angesehen werden? Sollte kein geeigneteres Untersheidung8mittel sih finden laffen, als die Kommission vorschlage, und sei man überzeugt, die von ihm ange- deuteten Schwierigkeiten vermeiden zu können, fo habe er gegen den Kommissionsvors{lag nichts einzuwenden.

Staatssekretär Freiherr von Maltahn:

Der Herr Vorredner hat auf S{wierigkeiten bingewiesen, dite sih aus der Handhabung des Artikels IIT in der Praxis beraus- tellen dürften. Die Schwierigkeiten würden ja zweifellos am Meisten vermieden, wenn der Reichstag dem vorges{lagenen Art. III der Vorlage feine Zustimmung geben würde. Ist dies niht der Fall, fo glaube ich allerdings, daß ein Reihstagsbes{luß, der dem Art. III Ihrer Kommissionsbes{lüfse entspriht, von den verbündeten Re- gierungen angenommen werden würde, da man im Kreise der ver- bündeten Regierungen der Meinung ift, daß die Untersheidung der Liqueure von den übrigen Branntweinen zolltechnis{ch ausführbar ist.

Ih batte die früheren Ausführungen des Herrn Vorredners nit genau verstanden, font würde i die jeßt von ihm wiederholte An- frage vereits beantwortet haben dabin, wie ich es jeßt thue, daß nach der Auffassung der verbündeten Regierungen Arac, Cognac und Rum nit unter die Liqueure fallen.“

Art. IIT wird unverändert angenommen z

8 folgt die Berathung der Resolution des Abg. Dr, Barth:-die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichs - tage alsbald eine Vorlage zu machen, durch welche die Maisch- bottih- und Branntweinmaterialsteuer völlig beseitigt wird.