1891 / 105 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 05 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

p H S A Ser D S C E R R M A lane won dis til Lie E fis: 7 3E

Stufe. In der Kompetenzfrage habe man nachgegeben, aber sih dafür den ur‘prünglih abgelehnten Gedanken angecignit, der in der Denkschrift des Hauscs Iantzen u. Thormälen von 1889 niedergelegt sei. as Ziel, welches die beiden Hamburger Firmen verfolgten, liege klar zu Tage: sie wollten ihre Konkurrenten, den gar ni&t UCREN Stamm der Duallas, mit Hülfe von Reichsgeldern aus dem Wege räumen. Sie beshwerten sich ofen, daß diese Duallas bis zu 500 9/0 verdienten. Was würden die beiden Firmen sagen, wenn die Duallas si über sie beshwerten! (Heiterkeit.) Man habe überdies diesen Stamm unter den Schuß des Deutschen Reiches gestellt. Jn der Denkschrift der beiden Firmen, welhe dem Reichskanzler einge- reibt worden sei, heiße es: sie sollen mit Gewalt niedergchalten werden , d. h. sie sollen niederges{lagen werden, damit sie sih nit mehr zwischen das Faktoriland an der Küste und das Hinterland eindrängen können. Die Firmen klagten auch über die Faulheit der Duallas; ja, diese trieben Handel und gewönnen dabei so viel, daß sie nit zu arbeiten brauLten. Damit sie nun für die Faktoreien arbeiteten, sollten sie ibres Handels, ihrer Existenz beraubt werden. Der Reichskanzler Habe früber gesagt, die kolonifatorische Thätigkeit müsse gleitzeitig mit der Flinte und der Bibel vorgehen. Ihm (dem Redner) scheine, bisher habe die linte die Thätigkeit der Mission fehr geschädigt. Wollten die eiden Firmen ihre Geschäfte in Kamerun ausdehnen, fo sollten sie selbst dafür sorgen, besonders wenn es auf eine wirths{aftlih, po- litisch und finanziell so außerordentli zweideutige Weise gescheben solle. Warum ‘solle das Deutsche Reih das Geld geben? Ein Krieg, wie man ihn bier zu führen beabsichtige, werde nicht spielend abzumachen jein; man denke nur an die Vorgänge in Oft-Afrika und an den Verlauf der fogenannten wissens@aftliden Expedition des Hrn. Zintgraff. Das Reich opfere {on Geïid genug; mit wel@em Erfolge, das sebe man mehr als deutli an dem leßten Geschäfts-

berit des Bremer Lloyd, der mit den subventionirten Dampferlinien das scklc&teste Geshäst mache, troß der vom Reich bereits her- gegebenen 27 Millionen. Er bitte gerade die Herren auf der Reten, die Vorlage nit leiht zu nehmen. Er wisse niht, warum diese sich für die Kolonialpolitik begeisterten. Der aanze Lärm für die Kolonial- volitik gehe einzig von den Interefsenten und ein paar Liebhabern aus, die kaum ernst genommen zu werden verdienten. Man möge au die allgemeine Finanzlage bedenken.

Staatssekretär Freiherr von Marschall:

Meine Herren! Der geehrte Herr Vorredner wird nicht er- warten, daß ih auf alle Einzelheiten seines interessanten Vortrags eingehe. Wollte ih das thun, so müßte ih fürhten, daß wir wieder in cine Generaldiskussion darüber kommen, ob Deuts(land eigentli Kolonien baben soll oder nit. (Sehr richtig! rechts.) So objektiv der Herr Vorredner zu verfahren suhte, so leutete doch bei jedem Wort seine prinzipielle Gegnerschazft gegen alle Kolonialpolitik hervor, und ich muß ibm ganz ofen sagen: auch da, wo er nit fkritisirte, wo er gute Ratbhs{läze ertheilte, auh da ftehe ih ihm sehr \keptish gegenüber; denn ih fürSte, wenn wir diese Rathschläge des Hrn. Bamberger befolgten, dann würden wir uns die sicherste Garantie vershaffen, daß aus unfecren Kolonien niemals ctwas werden (sehr wahr! reckchts) und daß in cinigen Jahren der Herr Vor- redner ein guter Prophet gewesen sein wird.

Für die verbündeten Regierungen ift die Frage, ob Deuts@land Kolonien baben soll oder nitt, ein für alle Mal entschicden; naGdem dies der Fall if, müssen wir au diejenigen Maßregeln ergreifen, die, seitdem es überhaupt cine Kolonialpolitik in der Welt giebt, von allen Nationen für nothwendig gehalten worden sind, um die Ko- lonien ihrem Zwecke zuzuführen, nämli, daß sie die materielle Kraft des Mutterlandes stärken. Dabei ift allerdings nit zu vermeiden, daß man, wie der Herr Vorredner fi so \{ön ausgedrückt bat, mit „der Gesundheit von Menschen Spiel treibt“; man muß Menschen der Gefahr aussctzen, daß sie das Fieber bekommen, ja, daß fie sogar ershofsen oder von Wilden ers&{lagen werden. Meine Herren, wer davor zurücks{ecut, kann allerdings cine Kolontalpolitik niht treiben. (Sehr richtig! rets.) Aber i glaube, daß Deutschland ‘die Elemente in si birgt, die zu ciner thatkräftigen Politik in unseren Kolonien nothwendig find.

Wollen wir überhaupt Kolonialpolitik treiben, so müssen wir auch den Weg bes{reiten, den vor uns andere Nationen gegangen find. Wir fangen an der Küste an, wir legen Plantagen an, wir dringen allmählich in d vor und, wo uns bewaffneter Wider- ftand entgegentritt, C hn mit den Waffen nieder. Anders könren wir zun cinem gedeiblihen Ziel ni&t gelangen. (Zuruf links.) IchŸ weiß nit, was der Herr da gesagt hat. Auw die Engländer, auf die der Hr. Abg. Bamberger fih bezicht, haben niemals în anderer Weise Kolonialpolitik getrieben. Und nun möchte ih do hier bei der Vorlage, welhe die verbündeten Regierungen Ihnen gemaht haben, cin Arlaß vor zu so schwerwiegenden Worten, wie der Hr. Abg. Bamberger insbesondere am Suk seiner Rede fie gebraut hat? Er

\prah von gefährlihen Prözcdenzien, er sprach von pbantaftishen Ideen, er führte ¡zum SSluß fogar die europälsche politische Situation vor, jz sogar die rus@e Anleibe von 5 Millionen an, die zu 84 begeben wird, alles Das, um s{hließlih einen patriotishen Appell an diess Haus zu riéten, doch ja nicht diese ge- fährlihe Vorlace zu bewilligen. Und was verlangen die verbündeten Regierungen von dem hoben Haus? Ein Anleben von ni@t ganz 14 Millionen Mark für cine Kolonie, die fi bis jeßt vollkommen selbst erhalten hat, von der wir trifsen, daß ihre steigenden Einnahmen in den nächsten Iakren den verbündeten Regierungen die Mögli(keit geben, in Jahr und Tag diescs Anlehen vollkommen zurückzuzahlen. (Widerspruch links.) daß der Hr. Abg. Bam-e- berger doch etwas zu sch{weres Veshüt aufgefabren bat, wenn er die heutige europäische Situation citirt, um das hobe Haus zu bewegen, diese Forderung nit zu bewilligen.

Was nun die Denkschrift betrifft, so kann ih ja natürli§er- weise niht eine vollkommene Garantie dafür übernehmen, ob alle die Mittel, die hier angegeben sind zu dem Zwecke, das Hinterland von Kamerun zu erschliefien, die absolut richtigen sind, ob nit vielleiht andere Mittel eher zum Ziele führen würden. Die Kolonialabtheilung und ih, wir müssen uns verlassen auf das Urtheil der Männer, die im Lande selbs ihre Erfahrungen gemacht haben; und wenn der Hr. Aktg. Bamberger dem nit glaubt, was diese Herren gesagt baben, so muß ih mich eben damit trösten, daß er ebensowenig klar weiß, was zum Heile dient, als wir vom grünen Tisch aus. (Zuruf links.) Jh bedaure sehr; nahdem wir Deutsche eine koloniale Politik inaugurirt haben, halte ih es geradezu für eine Sache ter Würde Deutschlands (sehr richtig! rets. Widerspru links), au dort zu bleiben, wo wir sind (Bravo! rechts) und Alles zu thun, um jene Landstriche zu entwickeln. Und was soll das heißen, wenn der Hr. Abg. Bamberger als ein besonderes Gravamen gegen diese Vorlage ins Feld führt, daß die Herren Jansen, Thormälen und Woermann vielleiht irgendwie einen ge\{chäft- lien Vortheil davon ziehen. Ja, meine Herren, auf diese Weise

kann man \{ließlih gegen jede Regierungévorlage ins Feld ziehen, wenn sie dahin strebt, dem Handel Vortheile zukommen zu lassen; irgeudwelhen Personen werden {ließli diese Vortheile zu Gute kommen. Damit ist Seitens des Hrn. Abg. Bamberger meines Er- achtens zu viel, also, wie der Jurist folgert, nichts bewiesen.

Ich wiederhole also, ob alle diese Maßregeln zum Ziele führen, dafür können wir keine volle Garantie übernehmen, wir können uns nur darauf beziehen, daß andere Länder ebenso gehandelt haben wie wir. Im Uebrigen wird mein Herr Kollege von der Kolonial- abtheilung noch in der Lage sein, jede nähere Auskunft über die Details, wie sie dort in Aussicht genommen sind, zu ertheilen.

Der Hr. Abg. Bamberger hat dann auch auf England exemplifi- zirt und hat uns zugerufen: machen Sie es doch wic die Engländer ; die Engländer geben kein Geld zu solhen Dingenz dort sind es die Gesell\schaften. Ja, meine Herren, wir haben den Versuch gematt, in dieser Weise vorzugehen, und wir hoffen beispielêweise in dem dem Herrn Vorredner so unsympath {en West-Afrika auf diefem Wege zum Ziele zu gelangen. Im Uebrigen ist es vollkommen irrig, wenn der Herr Vorredner glaubt, daß die englishe Regierung nihts für ibre Kolonien aufwende. Jch weise darauf hin, daß beispielsweise für Betshuanaland die englische Regierung jährli, glaube ich, 2 Millionen Mark ausgiebt, und ih habe nichts darüber gelesen, daß in dem englishen Parlament darüber so ausgedehnte Debatten siatt- gefunden hätten, wie bei uns; wenn 1} Millionen nicht à fonds perdu, fonderr als Anlehen von Seiten des Reichstages ver- langt werden, dann muß i do den Reichstag gegen eine Aeuß-rung des Hrn. Dr. Bamberger in Schuy nehmen, nämli, daß der Reichstag gewohnt sei, alle Forderungen kolonial- politischer Natur der verbündeten Regierungen so ohne Weiteres der Herr Abgeordnete brauchte den Ausdruck „kritiklos* zu bewilligen, Nun, meine Herren, die verbündeten Regierungen haben ge- wiß keinen Anlaß, sih über den Reichstag zu beklagen. aber daß der Reichstag die Gewohnbeit habe, Geldforderungen für koloniale Zwecke so kritiklos zu bewilligen, dicse Erfahrung habe ich bis jeßt nicht gemacht. (Sehr richtig!)) Im Gegentheil, ich entsinne mi, daß speziell bei den Forderungen für Oft-Afrika, wenn wir 2, 3 oder 4 Millionen verlangten. stets cine mehrtägige Debatte vorherging und \{licflih die Bewilligung nur mit verschiedenen Reserven urd Kautelen erfolgt ift, die den verbündeten Regierungen den Wegweiser geben solite, um später wo mözlih mit geringeren Forderungen an den Reichstag beranzutreten. Die verbündeten Regierungen sind ja bezügli der Kolonialpolitik insofern in einer eiwas \{wierigen Lage, daß, während auf der einen Seite ihnen vorgeworfen wird, daß fie überhaupt eine Kolonialpolitik treiben, daß fie das deutsLe Volk in phantastishe Dinge binecin- bringen, auf der anderen Seite von den Freunden der Kolonialpolitik vielfach der entgegengesezte Vorwurf erhoben wird, daß die ganze Kolonialpolitik eine \{wache, energielose sei, und daß man die Sache ganz anders anfassen müsse, als es jeßt geshähe. Viellciht ergiebt si gerade aus diesen entgegenstehenden Vorwürfen die Thatsache, daß die verbündeten Regierungen den rihtigen Mittelweg bei ihrer Kolonialpolitik einges{lagen haben. Unter allen Umständen kann ih den Herrn Vorredner darüber beruhigen, daß man mag über die beutige europäis{e Situation denken, wie man will, man mag sie als eine „heitere“ oder wenig heitere betrahten —, unter allen Umständen ist sie niht so ernst, daß wir nit innerhalb des Rahmens, wie wir ihn jeßt gestell® haben, unsere Kolonialpolitik weiter führen können. (Bravo!)

Zum S@&luß möthte ih den Herrn Vorredner noŸÿ auf einen leinen Irrthum aufmerksam machen, in welchem er si im Eingange seiner Rede bewegte; er hat wiederholt von einem Kolonialamt ge- sproven in dem Sinne, als ob eine den Behörden in anderen Ländern ähnlitbe felbftändige Centralbebörde bestehe und es eigent- li dieser Neuerung zu verdanken fei, daß die verbündeten Regie- rungen jeßt mit sol® horrenden Dingen vor den Reichstag treten. Das ift cin Irrthum. Ein Kolonialamt besteht nicht im Deutschen Reit , es besteht eine K-lonialabtheilung!, die von einem Dirigenten geleitet wind. Diese Kolonialabthbeilung ist aber ein Theil des Aus- wärtigen Amts , sie steht unter verantwortliher Leitung des Staais- sekretärs des Auswärtigen Amts und des Herrn Reichskanzlers. Es ift also rit zutreffe: d, wenn der Hr. Abg. Dr. Bamberger aus der Einführung eines Kolonialamtes die vorhin erwähnten S{lüfse ge- zogen hat.

F resumire mich dahin, daß ich dem hohen Hause dringend die Annabn:e dieser Vorlage empfehle, die in keiner Weise die Steuerzahbler belastet, wohl aber eine Garantie dasür geben wird, daß eine unserer boffnungsreickchsten, vielleicht die hoffnungsreihste Kolonie, Kamerun, ihrer Förderung und ihrem Gedeihen weiter zugeführt wird. (Bravo!)

Abg. Graf Mirbach: Der Abg. Dr. Bamberger habe si über den Export von Gold nah Kamerun beschwert; nah seiner Meinung sei ja aber so viel davon in Deutschland vorhanden! Die Preishöhe für das Getreide sei keine außergewöhnliche, sie habe im Januar für Weizen 187 H, für Roggen 171 4, im Februar 189 bezw. 170 4, im März 197 bezw. 174 M betragen; seitdem seien die Preise in Folge außerordentliher Spekulationen E nicht unerheblich ge- stiegen Im Jahre 1854 habe Weizen 258, Roggen 208 # gekostet, im Jahre 1855 seien die Preise 284 resp. 229, im Jahre 1856 270 rejv. 213, im Jahre 1872 242 resp. 168, im Jahrc 1873 264 resp. 192, im Jahre 1874 240 resp. 198 #4 gewesen. Diese Zahlen genügten, um nachzuweisen, daß man jeßt durchaus kein ungewöhn- lies Preisniveau habe. Er protestire aber ganz positiv gegen einen Gedanken, der von dem Staatssekretär Dr. von Boetticher nit mit voller Schärfe zurückgewiesen sei: wenn ein erheblicher Ausfall durch Mißernte die Landwirthschaft treffe, so würde er (Redner) es für das größte Unrecht kbalten, wenn die verbündeten Regierungen die Land- wirtbs{chaft noch dur Aufhebung der Zölle strasten, Den ganzen Scaden trege die Landwirtbschaft, die Konsumenten nur einen Bruch: theil. Wenn der gegenwärtige Preis bei- guter Ernte bliebe, so würde nach seiner vollen Ueberzeugung ein enormer Umschwung im ganzen Lande si v.U.iehen, nit bloß bei der Landwirth\chaft, au bei der Industrie und dem Gewerbe. Er würde einen solchen Preisstand für keinen abnormen, sondern wirthschaftlich für einen Segen halten. (Beifall rets.) Die Landwirthschaft hänge so sehr mit dem ganzen Erwerbsleben zusammen, daß ihr Rückgang gleichbedeutend sei mit dem des ganzen Erwerbslebens. (Beifall rechts.)

Abg. Bebel: Soweit si die Forderungen des Nachtrags-Etats auf den Militär-Etat bezögen, werde seine Partei ihnen selbstverständ- lih widersprechen. Bei feiner Entgegnung auf die Ausführungen des Abg. Dr. Bamberger habe sich der Staatssekretär die Sache etwas leiht gemacht; er habe zumeist allgemeine Redensarten gema! Eins sei ihm (dem Redner) aber in der Rede besonders wichtig ge- wesen. Bisher kabe man immer gehört, die Koloniaipolitik sei noth-

wendig, um den Handel zu fördern, Ansiedelungsgebiete für deutsche Auswanterer zu schaffen u. \. w.; heute habe der Staatssekretär

betont, daß die Würde des deutshen Volkes erfordere, daß man die inaugurirte Politik weiter fördere. Die Ghre des deutshen Volkes sei aber in keiner Weise in Frage gestellt, cs habe keinen Konflikt mit den dortigen Nationen, und auch mit keiner Nation, die dort Kolonieen besitze. Kein Mensch babe geglaubt, daß das Reih für eine Kolonic,\wie Kamerun, so große Ausgaben machen würde, die bis- her niht nis, aber doch verhältnißmäßig wenig gekostet babe. Das Deulsche Reih werde bier im Interesse zweier Firmen in S bare Wege geleitet. Nicht «allgemeine Interessen \iänden hier in Frage, sondern cs handele sich um die Erweiterung der Geschäfte zweier Hamburger Firmen auf Koslen des Reichs. Die Aufgabe der neuen Vorlage bestehe darin, ihnen die Wege zu bahren, um den Zwischenhandel nach der Küste, der bisher aus\{ließlich in den Händen der Duallaneger gewesen sei, auf die beiden Firmen überzuleiten. Die Duallos erfreuten sich einer ziem- lihen Kultur und hättcn größere Kulturbedürfnisse; die deutschen Prodult- hätten zu ihnen in einigem Maße Abfaßtzz; durch den Ucbers- gang des Zwischenhandels an jene beiden Firmen würde das auf- hôren, Man wolle neue Karawanenwege anlegen, Stationen dörin crrihten, diese mit Mannschaften besetzen; in dern Augenklick aber, wo Deutschland den Versuh mae, in das Innere des Landes weiter cinzudringen, winden die Duallas Alles aufbieten, um den Deutschen Hindernisse zu_ bereiten. Dann werde freilich der Fall eintreten, von dem der Staatsfekretär gesprochen babe, man werde den Widerstand mit Waffengewalt niedershlagen. Dafür die Mittel zu bewilligen, lehne seine Partei ab. Diese Forderung werde nicht die leßte für Kamerun sein, und das Reich würde, um der sogenannten Würde Deutschlands zu entsprechen, Ausgaben machen, die im ärgsten Mißverhältniß zu dem Vorihbeil, der in Aussicht sei, ständen. Wenn es endlih aber gelinge, den Weg in das Innere zu ebnen, werde die Folge nur sein, daß die ungeheuren Quantitäten Schnaps, der gegenwär- tig {on der Hauptausfußrartikel nah Kamerun fei, sh noch er- heblich vergrößerten. Er hoffe, daß die Abgeordneten des Centrums, die sih bei der Bewilligung für Ost-Afrika lediglih ¿ urch die Rücksicht auf die Missionen kbâtten bestimmen lassen, hier, wo folche Rücksichten niht in Frage kämen, nit geneigt sein würden, ihre Zustimmung zu geben. Im Gegensaß zu der Forderung für Kamerun habe ihn mit hoher Genagthuung die Betheiligung Deutschlands an der Weltausstellung in Chicago erfüllt. Seine Partei werde die Kosten bierfür, die zunächst auf 100 000 Æ festgeseßt seien, sich aber im Ganzen vielleiht auf eine Million belaufen würden, mit Ver- gnügen bewilligen. Nichts sei den Kulturaufgaben und der Ver- ständigung der Völker untereinander mehr dienlih, als ein der- artiger friedlicher Wettkampf auf dem Gebiete der Ne, der Kunst, der Industrie und des Gewerbes, und er bedauere, daß dieser Standpunkt ni@t {hon früher gegenüber der Welt- ausftellung in Paris sich Geltung vershaff}t habe. Er hoffe, daß künftig soles Fernbleiben niht wicder stattfinde. Die Frage der Getreidethenerung könne niht so leiht abgethan werden, wie dies dur den Abg. Grafen Mirbach geschehen sei. Es möge immerhin mit einiger Genugthuung von seiner Seite vorgetragen werden, wie in früheren Jahrzehnien dieses Jahrhunderts die Preise gewesen scien. Damit würden sich aber die Millionen, die jeßt die theueren Brotpreise zu bezahlen hätten, niht zu- frieden geben. Was in diesem Augenblick noch ganz besonders die Unzufriedenheit über die hohea Brotpreise steigere, sei der Umstand, daß man si in einer rückläufigen geschäfilihen Periode befinde, daß das YArbeitsangebot immer größer, die Nachfrage {chwächer werde, daß gerade diejenigen Klassen, die hauptsächlich das Brot als ihr Nahrungsmittel betrahten müßten, unter dieser Nothlage in besonderem Grade litten. Seit der Schußzollpolitik sei der Ge- treidekonsum für den Kopf der Bevölkerung in beständiger Abnahme ; er habe 1884: 195, 1886: 176 und 1889; 162 kg durchschnittlich betragen, und in einer Periode, wie die gegenwärtige, wo ein großer Theil der Bevölkerung kaum noch in der Lage sei, das Brot zu bezahlen, sei der Konsum noch erheblih geringer. Nun ertläre es der Abg. Graf Mirbach als größte Schädigung der deutschen Land- wirthschaft, wenn die Regierung dazu übergehen wollte, eine Er- mäßigung der Getreidezölle eintreten zu lassen. Ein großer Theil der kleinen Bauern werde unter der Ungunst der Verhältnisse bald in derselben Lage sein, wie {on heute die Proletarier. (Vize-Präsident von Ballestrem kittet den Redner, nicht zu weit in die Getreide- zollfrage einzugehen.) Es werde dann zu erwägen sein, ob seine Partei nit diese Frage, wie es ihre Absiht gewesen sei, die sie nur in Rücksicht auf die Geschäftslage zurückgestelt habe, in Form einer besonderen Interpellation zur Erörterung stelle.

Abg. Freiherr von Huene: Es werde nothwendig fein, den Nahtrags-Etat in der Kommission zu prüfen. Der Abg. Dr. Bamberger werde nicht verlangen, daß man auf seine Autorität gegen das Geseg stimme. Er (Redner) beantrage die Ueberweisung an die Budgetkommission. Die Frage der Getreidepreise fei durhaus nicht leiht zu nchmen, Mit der einfahen Herabseßung des Getreide- zolles sei aber jedenfalls gar nihts erreiht, (Sehr rihtig! rechts.) Vor allen Dingen werde man die Preisbildung an der Börse studiren müssen. Das Getreide liege ja alles in den Händen des Handels. (Beifall rechts.) i

Abg. von Kardorff: Der Abg. Bebel hab? auf die Ab- nahme der Arbeitsgelegenheit hingewiesen. Wenn diese stattfinde, so sei sie eine Folge der vielfa frivolen Strikes; die hätten eine große Menge von Unternehmern abgeshreckt, Arbeiten zu be- ginnen; insbesondere sei ihm (dem Redner) dies von verschiedenen Bauunternehmern mitgetheilt worden. Die Statistik des Abg. Bebel bezüglih der Abnahme des Brotkonsums sei niht so ohne Weiteres hinzunehmen. Die Preise des Fleisches, der Kartoffel u. |. w. seien darauf von Einfluß; wenn Fleish, Kartoffeln u. s, w. billig seien, nehme der Konsum dieser Nahrungsmittel zu, der des Brotes ab. Nabdem Deutschland eine große Weltmacht ge"/orden, müsse

man auch an der Civilisation theilnehmen. Es sei ein Unre&t, zu

sagen, daß es nah Afrika bloß Schießpulver und Branntwein ein- führe und die Neger demoralisire, sondern es sei in Ost-Afrika erreiht worden, daß dem Sklavenhandel ein Ziel gescßt sei, wie man es Anfangs kaum für möglih gehalten habe. Möge die Kommission mit ihrer Berathung bald zu Ende kommen, denn den Wunsch, nah Hause zu kommen, hät!en Alle mehr oder weniger. Direktor der Kolonial-Abtheilung, Geheimer Legations-Rath Dr. Kayser: In der Kommission werde er Gelegenheit haben, eine ganze MReihe von Unri@tigkeiten richtig zu stellen, welhe von den Abga. Dr. Bamberger und Bebel hier vorgebraht worden seien. Nur einige diefer Unrichtigkeiten möhte er fkennzeihnen, weil es wünschenswerth erscheine, so {nell wie mögli dergleihen zu widersprehen und nit zuzulassen, daß es einen weiteren Kreis von Gläubigen finde. Wenn man das für rihtig anerkennen könnte, was die beiden Herren von den Duallas vorgebraht hätten, so verdienten diese ja alle Sympathie, und es würde ein außerordentliches Vergehen sein, wenn man ihncn mit Waffengewalt entgegentreten wollte. Jrndessen Augenzeugen \{childerten sie doch ganz anders. Wollte man den europäischen Zwischenhandel mit dem der Duallas vergleichen, so würde man dem ersteren ein \chreiendes Unreht thun. Der Zwischenhandel der Duallas bestehe darin, daß sie den aus dem Innern kommenden Karawanen auf- lauerten, ihnen mit Gewalt die Waaren wegnähmen, ihnen die Sklaven raubten und ihnen Preise festseßten, die geradezu lächerlih seien. Dieser Zwischenhandel setze zusammen aus MRaub, Erpressung und Betrug (Heiterkeit) und er verdiene nicht als Gegenstand der Sympathie empfohlen zu werden, Es handele ih niht um die Organisirang von kriegerishen Expeditionen, auch nicht darum, den Hrrn. Janten, Thormälen und Woer- mann irgend welche Vortheile zuzuwenden, sondern um die Erfüllung der Verpflihtung des Staats, wie sie jeder andere Staat auf sich nehme. Die Regierung wolle nur die Sicherheit, den Frieden und die Ruhe im Lande herstellen, damit Nane und Ver- fehr ihren ruhigen Fortgang finden und insbesondere auch die Kulturarbeiten, die dort zu erfüllen seien, in ungestörter und friedliher Weise erfüllt werden könnten. Die Regierung beabsichtige eine Art der Kolonisation, die so alt sei, wie die Kolonisation über-

haupt. So hâtten {hon die alten Römer kolonisirt, als sie ihre castra am Rhein angelegt hätten, so kolonisirten auch die Engländer und fo müsse auch das- Deutsbe Reich kolonisiren, wenn es überhaupt Kamerun erhalten wolle. habe durch die Beschlüsse der Brüsseler Antisklavereikonferenz eine ganze Reihe von Verpflichtungen übernommen, in Kamerun zur Unterdrückung des Sklavenhandels beizutragen, und habe bisher für diesen Zweck nur wenig thun können aus Mangel an Mitteln. Es habe froh sein müssen, daß es mit den Sklavenhaltern in Ruhe und Frieden habe leben können. Wenn man dem Sklavenhandel auch in Kamerun entgegen- treien wolle, so müsse man dies mit besonderer Entfaltung von Mat tbun, und er glaube, daß die Erfüllung dieser Kulturaufgabe, die das kleine Belgien unternommen habe, doch niht zu {wer sei für die Macht und Größe des Deutshen Reichs. Der Abg. Dr Bamberger habe über die Enistehungsgeschichte dieser Vorlage allerlei Mittheilungen gemast, die den Thatsachen geradezu widersvrähen. Die Regierung habe si keineswegs gestüßt auf den Bericht oder die Denkschrift der Hrrn. Janzen, Thormälen und Woermann, sondern auf ihre Informationen. Der Gouverneur von Soden, der fünf Jahre in Kamerun gewesen ei, habe sich bei den eingehenden Berathungen in Berlin nicht loß einverstanden erklärt mit dem Einbringen dieser Vorlage, sondern er sei außerordentli erfreut ¡darüber gewesen, daß es endlih gelungen sei, diese Vorlage ins Leben zu führen, da schon feit Jahren darauf gedrängt worden, daß irgend etwas in Kamerun geschehen müßte, um den Handel und Verkehr, Mission und An- siedelung zu s{hüßen. Er könne den Vorwurf des Abg. Dr. Bamberger, daß er seine Informationen auf Interessenten und Sachverständige stüge, durchaus nicht als gerechtfertigt anerkennen, Er möchte wohl wissen, in welher Weise eine Behörde bessere Informationsquellen haben könne als Interessenten und Sachversländige. Und wenn gesagt werde, es sei nothwendig, daß der Leiter der kolonialen Abtheilung einige Jahre in Afrika sein müßte, um darüber reden zu können, so frage er, müßte nicht mit demselben Reht der Leiter des Aus- wärtigen Amts aus eigener Anscauung die Verhältnisse der ganzen Erde kennen lernen, um über Dinge eine Entschließung zu fassen, die im Augenblick wichtiger seien als die deutshen Kolonien ?

Abg. Dr. Buhl: Auch er sei für Kommissionsberathung. Was die Frage der Getreidepreise angehe, so erkläre er Namens seiner Partei, daß, wenn es die Regierung für nothwendig halten sollte, gegenüber dieser hochwichtigen Angelegenheit mit be\onderen Gesehen vorzugehen, sie keine Veranlassung habe, dem irgend welchen prinzi- piellen Widerstand zu leisten. Er möchte aber dem Anreger dieser Frage ans Herz legen, ob es für die Versorgung des deutschen Markts zweckmäßig sei, derartige Angelegenheiten zu eingehend zu besprechen. Denn die Versorgung des deutshen Markts könne dadur s{hwer ge- fährdet werden.

Abg. Richter: Das Leßttere könne er niht zugeben. Die Eventualität einer Vermehrung des Angebots an Getreide werde gerade einen günstigen Einfluß auf den Getreidepreis ausüben, Man könnte umgekehrt fragen: ist es richtig, daß die durh den deutsch- österreihishen Hantelsvertrag beabsichtigte Zollermäßigung noch bis zum 15. Februar hinausgeshoben wird ? Sei dies nit geeignet, die Zufuhr zu vermindern, indem man das Material zurücthalte, um später mit dem billigeren Zollsayß einführen zu können? Wenn wirkli die ostpreußischen Grundbesißer keinen Vortheil von den Getreidezöllen gehabt hâtten, so hätten se um t weniger Grund, einer Ermäßigung bezw. Auf- bebung der Getreidezölle zu widersprehen. Am Allerwenigsten der Abg. Graf Mirbach, der si als ein Führer dieser Grundbesitzer \tets gerire. Der Staatssekretär Dr. von Boetticher habe gemeint, daß, wenn wirklich ein Mangel einträte, die Regierungen das Ihrige thun würden, Der Begriff der mangelnden Versorgung sei ein relativer; er sei bei dem wirthshaftlich Schwächeren viel früher als bei anderen vor- handen. Der Abg. Graf Mirbach habe eine Preisstatistik mitgetheilt, um zu beweisen, daß es Jahre gegeben, wo es {on viel theurer gewesen sei. Wenn in dem Hungerjahre 1817 die Preise noch höher gewesen seien, so wisse er (Redner) niht, ob man das im Lande als eine Beruhigung empfinden werde. Jn den 40er und 50er Jahren, wo auch sehr hohe Preise gewesen seien, seien, wie aus der Delbrück’ schen Broschüre hervorgehe, die Getreidezölle durhweg suspendirt worden ! Damals habe der Zoll nur 5 Sgr. auf den Scheffel betragen; aber selbst diese kleine Belastung habe man nicht bestehen lassen wollen. Seit 1880/81 hätten so hohe Preise wie die jeßigen niht mehr be- standen. Die Roggenpreise seten im Durhscnitt März 178 loco Berlin gewesen; am vorigen Sonnabeud seien sie auf 190 gestiegen. Die Steigerung e mit einer ungünstigen Kartoffelernte zusammengefallen. Die Kartoffelpreise seien nahezu doppelt so hoh wie im vorigen Jahre. Dadurch würden die Nahrungsverhältnisse noch mehr verschlimmert, und der Rückgang an Arbeitsgelegenheit trete hinzu. (Die weiteren Ausführungen erklärt Vize-Präsident Graf Ballestrem für unzulässig.) Er habe sich auf dieGrwiderung von Ausfüh- rungen beschränkt, welche die Abgg.Graf Mirbach und von Kardorff gemacht hätten. Wenn wirklich das Getreide si jeßt in den Händen des Handels befinde, so stiegen die Preise doch in der Vorausseßung, daß sie künftig bei mangelhaftem Ausfall der Ernte noch weiter |teigen würden. Da könne man nur durch Einfuhrerleichterungen, also durch Er- mäßigung der Zölle, abhelfen. Die Rede des Staatssekretärs Frei- herrn von Marschall habe auf alle möglichen Kolonialforderungen ge- paßt, sie sei so allgemein gewesen, daß sie auch für eine Forderung von hundert Millionen geeignet gewesen sei. Kamerun sei als juristische Person von der Kommission niht anerkannt worden; man [cheine aber auf Umwegen wieder dahin gelangen zu wollen. Um das zu verhindern, müsse der Reichstag den Ctat von Kamerun von jeßt ab in allen seinen Einzelheiten festseßgen. Jedenfalls sollte er kein Mam bewilligen, welches ihm vielleiht auch künftige Unter-

altungskosten auferlegen könnte. Wie verhalte fich außerdem diese ganze Forderung zu der jährlihen Bewilligung von 200 000 „46 zur wissenshaftlihen Erforshung des Hinterlandes von Kamerun? Alle Küstenbauten, welhe in Ausfiht genommen seien, um das Anlanden der Schiffe zu erleihtern, würden ja doch nur im Interesse der Woermann’shen Dampfer angelegt, diefe Bauten sollte also die Firma für eigene Rehung ausführen. In ganz Kamerun mit allem Hinterland wohnten nur 32 deutsche Kaufleute. Und daneben habe das Reich einen Apparat von niht weniger als 20 deut- cen Regierungsbeamten dort. Er müsse der Täushung entgegen- treten, als ob Kamerun sich bisher selbst bezahlt gemacht habe. Schon jeßt beziehe Kamerun Jahr aus Jahr ein 500 000 6 Zuschuß vom Reih. Den Zusammenhang der von den beiden Firmen an den Reichskanzler 1889 gerichteten Denkschrift mit der Vorlage zu leugnen, sei ein starkes Stück, nachdem ein Theil der Denkschrift in der „Hamburger Börsenhalle“ veröffentlicht worden sei. Warum theile man dem Reichstage nicht die Denkschrift in extenso mit ? Es handle ih thatsächlich nur darum, eine ungünstige Geschäfts- konjunktur in Palmöl uünd Palmkernen auf Kosten des Reichs für die beiden Firmen zu verbessern. Das gehe unwiderleglich aus der Denkschrift hervor. Das aber nenne der Staatssekretär Freiherr von Marschall die Pflicht, die Würde das Reichs zu wahren. Das ver- trogsmäßige Recht der Duallas, in ihren Handelsverhältnissen ge- {ügt zu werden, untershäßze er niht, aber in der Denkschrift heiße es: „Höher als die Verträge steht doch die Pflicht, durh unseren Schuß solche halbzivilisirte Völker nicht nur in ihrem Besißstand zu sichern, sondern sie au zu größerer Kultur zu bringen.“ Es werde das anerkannte Recht also dem Kulturinteressi intangeseßt. Die Duallas dürfe man nit so s{lecht hinstellen, nahdem man oft gesagt habe: eWenn wir Kolonialpolitik machen, so landen wir an einer Küste, bauen Plantagen und \chlagen Alles nieder, was \ich uns widerseßt. Die Duallas wahrten si{ch nur ihr Monopol, seien also keine \{lechteren Menschen als die, welhe Kolonialpolitik trieben. Die i betreffe auch nit nur die Duallas. Diese wohnten nur im

orden des Hinterlandes, die Hälfte der geforderten Summen solle aber zur Anlegung von Straßen im Süden des Hinterlandes ver- wendet werden. Dadurch werde niht nur der Weg von der Küste na dem Hinterland bequemer, sondern auch umgekehrt. Im Hinter- lande begegne man aber {hon den Sudannegern, welhe vom Niger und Benue her mit Gewehren und europäishen Kulturmitteln

versorgt seien. Daher seien auch die blutigen Zusammenstöße mit den deutschen Expeditionen erfolgt, die an den Küsten niemals geweseu seien. In dem kolonialen Jahrbuch von Gustav Meinecke, einem Kolonialenthusiasten, der ganz auf Seiten der Rechten stehe und au in Kolonialvereinen eine große Rolle spiele, heiße es: „Die leichtere Beschaffung von Feuerwaffen und Munition Seitens der muhameda- nishen Sudanneger bedeutet eine niht zu unterschäßende Gefahr für die Sicherheit unserer Faktoreien an der Küste.“ ie Regierung boffe durch höhere Zollcinnahmen in Kamerun nah einer Reihe von Jahren diese außerordentliche Aufwendung decken zu können. Vom 1. Juli 1889 bis 1. Juli 1890 habe Kamerun eine Zolleinnahme von 190 000 4, davon allein für Schnaps 113 270 A und für Ge- wehre und Pulver 40 368 M. gehabt; # seien also auf Schnaps, Ge- wehre und Pulver entfallen, die Hoffnung der Regierung beruhe sonach darauf, daß Schnaps und Pulver noch mehr einbrinzen würden als bisher, denn was sonst eingeführt werde, komme wenig in Betracht. Die höheren Zolleinnahmen könnten durch einen höberen Zollsaß er- reiht werden; dagegen könne man nichts sagen. Man beabsichtige aber dur Ausdehnung des Absatzes auf das Hinterland zu höheren Einnahmen zu gelangen, Könne man aber den Schnapéhandel und deu Handel mit Gewehren und Pulver nicht weiter in das Innere ausdehnen, so \cheitere die ganze Spekulation. Die Einfuhr von über 1 Million Liter Schnaps sei sehr bedeutend. Hr. Woermann sage zwar, es sei nicht Alkohol, fondern nur eine Mischung mit 40 proz. Alkohol. Dann blieben also 700 000 Liter. In Deutschland rechne man auf den Kopf der Bevölkerung jährlich Liter Alkohol. Darnah kênne man also wit dieser Schnapseinfuhr 150 000 Ka- meruner an den Schnapsgenufß gewöhnen, Das beweise, wie recht der Abg. Stöcker habe, wenn er den Branntwein dort ganz ver- bieten wolle. Der Meichstag folle sich nun in Unternehmungen ein- lassen, die den Schnapshandel noch tiefer in Afrika hineinbringen wollten. Es handle fsich thatsählich nur um eine Unterstüßung des Schnapshandels der Firmen Woermann und Janzen u. Thor- mälen, da dieses in Kamerun ein Monopol kâtten. Der Shnapshandel wirke am meisten der Thätigkeit der Missionen ent- gegen. In Kamerun sei von eigentliher Sklaverei noch keine Redez werde aber durch diese Aufwendungen der Plantagenbau er- leihtert, so werde Haussklaverei eingeführt werden. Mit diesen Be- willigungen gehe man au über den Rahmen der Kolonialpolitik hinaus. Der Staatssckretär meine, wenn es nach dem Abg. Dr. Bamberger ginge, würde niemals etwas aus Kamerun. Was Kamerun bedeute, habe es schon vor der deutschen Kolonialpolitik bedeutet, denn diese Firmnen hätten {on zehn Jahre und länger vorher dort dieselben Geschäfte gemaht. Hier mische sich das Reich zum ersten Mal mit seinen Mitteln in ge!\chäftlihe Fragen ein, während man bisher \ich auf die Ausübung der Hoheitsrehte beschränkt habe, und Fürst Bismark selbst diese den Alien habe überlassen wollen. Man beziehe si auf die Kolonialpolitik anderer Länder, sogar des alten Rom, man gehe eben um so weiter zurück, als man aus der Gegenwart die Nüßlichkeit niht begründen könne. Wenn die Engländer höhere Auf- wendungen gemacht hätten, so hätten damals die freien Länder noh einen ganz anderen Werth gehabt als diese Landstrihe. Bevor die Engländer cine Flagge hissen ließen, erkundigten sie sich ganz genau, wer den Gouverneur besolde. Die Engländer wendeten nah einer Aufstellung der kolonialfreundlihen Münchener „Allgemeinen Zei- tung“ jährlich für die Kolonieen nur 4} Millionen Mark auf, alfo niht viel mehr als Deutschland. England könne sich in_ seiner insularen glücklihen Lage manches erlauben, was für andere Staaten bedenklich sei. Das Deutsche Reih habe {hon in Europa Schwierig- keiten genug, um zu den Schwierigkeiten in Ost-Afrika und Südwest- Afrika noch Schwierigkeiten in Kamerun herbeizuführen.

Abg. Dr, von Frege: Aus den Ausführungen des Abg. Richter habe er nur die absolute Absicht zu verneinen entnommen; er habe ih bemüht, die Denkschrift der Hamburger Häuser, mit denen feine (des Redners) Partei sich auh nicht identifizire, mit den Aus- führungen der Regierung zusammenzushweißen, als ob die Motive der Regierung aus dieser Denkschrift genommen wären. Dieser Legende müsse er ein für alle Mal entgegentreten. Die Vermehrung des Schnaps8- imports wolle seine Partei ebensowenig wie der Abg. Stöcker unter- stüßen. Er halte denselben nur für cin nothwendiges Uebel. Es handele sich dabei doch um eine bedeutende, für den Nationalwohl- stand wichtige Exportindustrie. Die englishen Spritfabriken warteten nur darauf, daß Deutschland den Platz verlasse. Was die vom Abg. Richter erwähnte Preistreiberei an der Berliner Börse anlange, fo liege ibm (dem Redner) ein Bericht eines Sachverständigen aus dem Osten vor, wonach ein Berliner Haus einen Posten nah Mannheim zu einem niedrigeren als dem Berliner Börsenpreis verkauft habe: das geschehe, um das Getreide um jeden Preis fortzushaffen und weitere Preistreibereien zu ermöglichen. Die Landwirthschaft habe an den hohen Getreidepreisen um so weniger Interesse, als die kleinen Land- wirthe ihr Getreide {hon vor Ostern verkauften. Im Uebrigen sei die Angelegenheit durch die Ausführungen des Staatssekretärs ge- nügend geklärt. Was die Frage der Fleishvertheuerung an- lange . . . (Vize* Präsident Graf Ballestrem bittet, auf diese Materie nicht einzugehen). Alle hätten ein erhebliches Interesse an der Lage der Arbeiter, aber es sei unrichtig, zu behaupten, daß in Deutschland Mangel an Arbeitsgelegenheit seiz im Gegentheil, auf dem platten Lande seien auh für hohen Lohn keine Knechte und Maägde zu haben, weil die Leute in die Städte zögen; man möge den Land- wirthen dagegen helfen, dann würden sie die \{lechte Konjunktur überstehen.

Abg. Dr. Bamberger: In dem vom Abg. Frege erwähnten Fall sei das Getreide doch nit ins Ausland gegangen, es könne also das Vorkommniß nur zur Ausgleihung im Inlande gedient haben. Der Staatssekretär habe ihm (dem Redner) vorgeworfen, ckaß seine Rede bloß eine Einleitung und einen Schluß habe; wenn er sie in der Zeitung durclese, so werde er merken, daß sie auch eine Ausführung habe. Der Staatssekretär habe ihm vorgeworfen, er sei ein Feind von Kolonien; er sei aber nur ein Feind von \chle{chten Kolonien, wie von allen s{chlechten Dingen. Von guten Kolonien würde er ein Freund sein. Er mache auch den beiden Hamburger Häusern keinen Vorwurf daraus, wenn sie das Reih für ihr Interesse in Anspru nähmen; sie thäten daran ganz Recht, aber seine Partei thäte ganz Recht, wenn sie im Interesse des Reichs dagegen an- fämpfe. Er habe dem Geheimen Legations - Rath Kayser keinen Vorwurf daraus gemacht, daß er sich von Interessenten und Sach- kennern berathen ließe; erstens habe er ihm überhaupt keinen Vor- wurf gemacht, und dann habe er von Liebhabern, niht von Sach- verständigen gesprohen, und das seien hier oft Gegensäte.

Staatssekretär Freiherr von Marschall:

An die leßten Worte des Herrn Vorredners anknüpfend, will ich niht versuchen, jeßt noch das Versäumte nachzuholen und auf Einzelheiten einzugehen. Wir können ja in der Kommission darüber berathen. Ich habe allerdings auf die Rede des Hrn. Abg. Bamberger mit Argumenten erwidert, die im Allgemeinen für Kolonialpolitik \sprehen, und zwar deshalb, weil der Hr. Abg. Bamberger, wie er selbst zugiebt, im Eingang und am Schluß seiner Rede eine Reihe von Erwägungen gebracht hat, die gegen Kolonialpolitik im Allge- meinen gerichtet waren; wenn mir der Hr. Abg. Richter vorwirft, daß ih das kostbare Material, womit die Rede des Hrn. Abg. Bamberger „gespickt* war, nicht genugsam berücksihtigt habe, so ist dies darum gesehen, einmal, weil mein Herr Kollege von der Kolonial - Abthei- lung dies thun wollte, dann auch, weil mir aber der Hr. Abg. Bamberger wird mir das nit übel nehmen eine Reihe der Ar- gumente, die er vorgebracht, doch niht in dem Maße den Reiz der Neuheit zu haben schienen, als daß ich für nöthig erachtete, hier nochmals darauf einzugehen. Wir haben ja {on eine ganze Reihe von Kolonialdebatten in diesem Hause gehabt, und ih erinnere mi dunkel, daß die Befürchtung, es könnten dort Leute Fieber be-

kommen, sie könnten todtges{lagen, todtgeschossen werden oder einen anderen Tod erleiden, von Hrn. Bamberger auch hon in früheren Zeiten gegen die Kolonialpolitik ins Feld geführt wurde. Ich glaubte, da alle diese Fragen bereits genugsam beleuchtet sind, bei der jeßigen Ge- \chäftslage des Hauses darauf nicht mehr näher eingehen zu sollen. Im Uebrigen handelt es ih ja gar nicht darum, hier Reden zu halten, daß Jemand todt geshlagen werden soll, sondern um ein ganz glattes Geschäft, daß wir ein Anlehen wünschen gegen das Versprechen, es mit Heller und Pfennig zurückzuzahlen,

Ich wende mi ch \chließlich noch gegen eine Bemerkung des Hrn. Abg. Richter, der mir imputirte, ih hätte es als Sache der Würde des Deutschen Reichs bezeichnet, daß man diese Vorlage annehme. Diejer Geshmackslosigkeit habe ih mich nicht shuldig gemaht. Ih werde Niemandem, der gegen diese Vorlage votirt, vorwerfen, daß er damit gegen die Würde Deutschlands gefehlt habe. Ich habe von der Würde Deutschlands gesprochen, als mir auf die Frage, was die Herren wollten in Kamerun, zugerufen twourde: hinausgehen! Und da habe ih gesagt, nein, wir wollen niht hinausgehen, das ist eine Frage der Würde des Deutschen . Reichs, daß da, wo wir einmal festen Fuß gefaßt haben, daß wir dort auch bleiben, und das wiederhole ih. Und die Sade hat doch auh eine politishe Be- deutung. Wenn wir nach der Anleitung des Zwischenrufs wirklih aus unseren Kolonien herausgehen sollten, wenn wir dort unsere Zelte ab- brähen, unsere Schiffe verbrennen und unter Führung des Hrn. Abg. Bamberger stillvergnügt na Hause zurückehren mit dem Zugeständniß vor aller Welt: wir sind zu arm, wotr sind zu {wach, wir sind zu energiclos, um ein Werk zu vollenden, was wir begoanen haben, dann würde ein Faktor berührt, der au für die europäishe Politik von großer Bedeutung ist, es würde abgeschwächt die Ueberzeugung, die jeßt bei anderen Nationen besteht, daß in Deutschland alle zeit ein fester Wille und auch ein starkes Können vorhanden ist, (Bravo!)

Abg. Graf Mirbach: Die deutsche Landwirthschaft könne nur bestehen bei Verkaufspreisen, welche den Produktionskosten adäquat seien. Habe ja doch der Abg. Richter selbst gesagt, daß es nicht genüge, wenn die Kolonien Etwas produzirten, sondern fie müßten es auch zu Preisen verkaufen, die die Selbstkosten deckten.

Abg. Richter: Zoll- und Produktionskosten deckten sih nicht. Die Agrarier verständen unter Produktionskosten auch noch eine gewisse Grundrente, auf welche sie niht verzihten wollten. Das Reich sei übrigens auf den Carolinen, im Witugebiet, in Dubrika zurückgegangen; nicht weil es zu s{chwach, sondern weil es klug genug gewesen sei, eine Situation aufzugeben, in der nichts mehr zu ge- winnen gewesen fei. i

__ Damit s{ließt die erste Berathung. Der Nahtrags-Etat wird an die Budgetkommission überwiesen.

Nach Ablehnung eines Schlußantrags tritt das Haus um 41/7 Uhr noch in die dritte Lesung der Gewerbeordnungs- Novelle (Arbeitershußgeseß).

Jn der Generaldiskussion erklärt

Abg. Celgiel ski: SeineckFraktion werde in der Vorausseßung, daß in der dritten Lesung keine wesentlihen Aenderungen mit ihr vorgenommen würden, für die Vorlage stimmen. Sie habe sich an der zweiten Lesung wenig betheiligt, nicht aus Mangel an Interesse für die Sache, sondern weil sie als Vertreter ciner wesentlih Land- wirthschaft treibenden Gegend mehr lernen als lehren wollte. Ihr Interesse für die arbeitende Bevölkerung habe fie bei früheren Ge- legenheiten, wo das Centrum Arbeitershußgeseße beantragt habe, be- thâtigt. Sie sei nicht mit allen Einzelheiten des Geseßes einver- standen, namentlich halte sie die christlihe Sonntagsruhe nicht für genügend gewahrt und die Frauen- und Kinderarbeit nicht für ge- nügend ges{üßt. Angenehm berührt sei sie durch die Bestimmungen, betreffend das Verhältniß der Arbeitsgehülfen und die Fabrik- ordnung, sowie über das Streichen des §, 153, welcher von der Bestrafung des Mißbrauchs der Koalitionsfreiheit handele. Ganz besonders peinlih sei sie berührt davon, daß im §. 120, welcher die Einführung von obligatorishem Fortbildungs\hulunterriht den Orts- statuten überlasse, ihr Antrag betr. die Ame der Muttersprache in den Lehrplan abgelchnt worden sei. Die allgemeine Sympathie, die dieser Antrag gefunden, beweise, daß die Ablehnung nit aus fachlihen Gründen erfolgt sei, sondern weil man glaube, daß diese Sache der landesgeseßlihen Regelung vorbehalten bleiben müsse, und seine Partei hoffe, daß jedes Orts\ftatut die Aufnahme der Mutter- sprache in den Lehrplan der Fortbildungs\{hulen anordnen werde. Er wiederhole also, daß seine Partei troß dieser Einwände gegen Einzelheiten des Gesehes für das Ganze stimmen werde.

Darauf wird die Vertagung beschlossen.

Schluß 43/4 Uhr.

Statistik und Volkswirthschaft.

Internationale Ausstellung in Berlin.

Die Frage der Allgemeinen Gewerbe-Ausstellung beschäftigte wiederum eine gestern Abend im Konferenzsaale des Postgebäudes (Artilleriestrafie) stattgehabte Versammlung des Deutschen Ver- eins für Gewerbefleiß, der der Unter-Staatssekretär, Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath Magdeburg präsidirte.

Fabrikbesißer Simon theilte mit, daß der technische Aus\{uß beshlossen habe, an sämmtlihe Vereinsmitglieder mittelst Postkarten die Anfrage zu richten, ob sie sich dem Beschlusse der vorigen Ver- na, im Jahre 1896 eine Weltausstellung in Berlin zu veranstalten, anschließen.

Professor Dr. Herter: Er könne diesen Beshluß des tehnischen Ausschusses umsoweniger billigen, als die vorige Versammlung den tehnishen Aus\chuß nur beaustragt habe, eine Kommission zu wählen, die die Ausftellung vorbereiten solle. Die vorige Versammlung habe ih na sehr langer Debatte fast einstimmig für eine im Jahre 1896 in Berlin zu veranstaltende] Weltausstellung erklärt, dieser Be- {luß dürfe doch nicht wieder durch eine Umfrage bei den ab- wesend gewesenen Mitgliedern umgestoßen werden. Wenn man erwäge, daß bei den Großindustriellen vielfah eine Abneigung gegen eine Ausstellung vorwalte, dann werde man zugeben, daß die Gefahr, durch die beabsichtigte Umfrage den Vereinsbeschluß umzustoßen, wohl vorliege. Die in der vorigen Versammlung niht anwesend gewesenen Vereinsmitglieder hätten sih dem Vereinsbesbluß zu fügen, zumal die Tagesordnung vorher bekannt gemacht war. Er wäre höchstens dafür, daß man die Mitglieder frage, ob sie ausstellen werden.

Da eritbeliger Dr. Frank äußerte ih in ähnlihem Sinne.

abrikbesiger Simon: Eine Umfrage, ob Jemand im Jahre 1896 ausstellen werde, sei jedenfalls verfrüht. Den Beschluß des tehnischen Ausschusses erachte er deshalb für nothwendig, damit man dem Minister mittheilen könne, wie viele von hervorragenden Industriellen eine Ausstellung wünschen. Er sei überzeugt, die Zahl der Leßteren werde keine kleine sein.

Geheimer Regierungs-Rath Dr. von Siemens: Er sei im All- gemeinen ein Gegner des Ausftellungswesens, er erkläre sh jedo für die beshlossene Ausstellung, da nicht zu verkennen sei, daß die Noth- wendigkeit einer Weltausstellung in Berlin gewissermaßen in der Luft liege. Deshalb wünshe er aber, daß die Ausstellung so \chnell als mögli veranstaltet werde, andernfalls würden zweifellos Rom und wohl noch an- dere Städte uns zuvorkommen. Das neunzehnte Jahrhundert ae aber nicht zu Ende gehen, ohne daß in Berlin eine Weltausstellung stattgefunden habe. Gr sei deshalb gegen die beshlofsene Umfrage, da dadur das Unternehmen nur scheitern könnte. Sei die Ausstellun aber erft einmal beschlofsene Sache, dann würden auch die deutschen Große