1891 / 106 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Schutt, Während der Fahrt flammten in dei Straßen, vor Allem am Don:hof und am Domplay bengali ch2 Feuer von den unteren Stockwerken bis zu den Dachfirsten auf und \chufen mit dea unzähligen Lämpchen und Ballons den ganzen Naum zu eincm märchenhaften Feuermeer um, aus dem der gluüthrothe Koloß des Domes ragte.

Am Regierungsgebäude angekommen, dessen Umgebung feenhaft beleuchtet war, präsentirte die dort aufgestellte Ehren- Compagnie des Regimenis Freiherr von Sparr_ Nr. 16 und machte, na&dem der Kaiser aus dem Wagen ge]ti?gen, etnen furzen Parademarsh, worauf Seine Majefttät Sich in Seine Gemächer begab. Kurze Zeit darauf brachte eine Compagnie des 65. Regiments die sämmtlichen Fahnen der Garnison zum Negierungsgebäude, wo dieselben im Fürstenzimmer aufgestellt

urden. / s Am Dienstag Vormittag fand in der Mülheimer Heide vor Seiner Majestät Parade der ganzen Garnison statt. Ullerhöchstder®elbe stieg am Sportplaß zu Pserde und erschien Schlag 10 Uhx in der Uniform der Gardes du Corps mit dem Bande des Schwarzen Adler-Ordens auf dem Paradeplaß, wo Allerhöthstderselbe die Front der in zwei Treffen aufgestellten Truppen abritt. Jm erften Treffen standen die sämmtlichen Fußtcuppen, im zweiten die Kürassiere und die Feld-Artillerie. Rechts von der Garnison hatten das Offiziercorps des Land- wehrbezirks Aufstellung genommen, und senkreht auf die Front am rechten Flügel die Kadetten aus Bensberg. Nachdem heide Treffen abgeritten waren, erfolgte ein zweimaliger Parademat s. L i i E

Inzwischen sammelte sih auf den Straßen, welche Seine Majestät auf der Rückkehr nah der Stadt mit der ¿Fahnen- Compagnie passicen sollte, eine Kopf an Kopf ged:ängie Menschenmenge. Alle Fenster der Häuser dieser bejonders fesilih geschmüdckten Straßen waren diht beseßt. Gegen 12 Uhr verkündeten brausende Hochzufe das Nahen des Kaisers und dec Fahnen. Hinter dem militärishen Gefolge des Ka1)ers ritt eine halbe Schwadron Kürassiere, daun erschien Seine Majestät, mit ecnstem Gruß den unbesczreiblihen Jubel erwidernd. Den Fahnen der Jnfanterie und der Fahnen-Compagnie folgte die Standarte der Deuger Kürassiere, geleitet von dem Trompetercorps und einer Shwadron. Am Regierungs- gebäude hielt Seine Majestät. Zuerst shwenkte die Compagnie und präsentirte, worauf die Fahnen in die Kaise: liche Woh- nung gebracht wurden. Dann s{hwenkte die Compagnie in Sektionen ab und passirte im Paratemarsch vor dem Kat}er ; ihr folgte in gleih er Weise die Schwadron Deußge: Kürassiere. Nachdem die Kürassiere den Parademarsch vor dem Katser ausgeführt hatten, rief Seine Majestät niehrere Unteroffiziere zu Sich heran und sprach kurze Zeit mit denjelben.

Nah etwa anderthalbstündigem Aufenthalt im Regierungs- gebäude, während dessen Seine Majestät die Königlich belaishen und die Könialih holländishen Offiziere empfing und mit dem Re‘chskanzler arbeitete, unternahm Allerhöchst- derselbe ne Ua doe Stat Vorauf ritten zwei Gendarmen, ein Polizei- Faspektor und ein Ordonnanz-Offizier; in zwei Wagen folgten der Polizei- Präsident von König, der Regierungs-Präsident von Sydow

und der Ober-Bürgermeister Becker. Nach einer Halb-Schwadron Kürassie Der Kaiser, der

rxe kam der Kaiserliche Vierspänner. u e großartige Huldigung Kölns hoch erfreut erschien

Ae Oi und unablässig die Rufe der Menge auf den Straßen und aus den Fenstern freundlih grüßend erwiderte, hatte zur Seite den Ober: Präsidenten der Rheinprovinz. Jn den folgenden Wagen hatten die Herren wie beim Einzug Plaß genommen. Eine Halb-Shwadron {loß den Zug, der in sharfem Trabe über den Gereounshvof, die östlihe und weit- lihe Seite des Kaiser - Wilhelmrings, den Hohenzollernring, das Hahnenthor, den Neumarkt u. st. w. nah dem prähtig geshmüdckten Gürzenich sih bewegte. Auf dem Kaiser Wilhelm- ring hatten die Feuerwehr und Schüler und Schülerinnen der öffentlichen und privaten Lehranstalten Aufstellung genommen. Auf dem Hohenzolleruring hatte der Rheinische Provinzial- Kriegerverband des Deutichen Kriegerbundes mit zahlreichen Fahnen und Musikcorp23, in gleicher Weise die Übrigen Krieger- v reine Kölns, des Weiteren die Jnnungen, Sängervereite 2c. sich aufgestellt, Ueberall bewillklommnete den Kaiser gleicher Jubel und Begeisterung.

Um 2 Uhr nabm das Festmahl im Gürzenich seinen Anfang. Wie oon Außen, fo trug das städtische Festlotal auch im Jnnern zu Ehren Seiner Majestät des Kaisers ein reiches Festgewand. Teppiche breiteten sich auf dem mit Pflanzenshmuck besten Aufgange aus, dessen Wände eine

Ausstattung in Jmitationen von Rüstungen und Waffen er- |

halten hatten. Werthvoü?e Gobelins, sonstiger Wandschmuk und Pflanzengruppen s{chmüdcdten das Treppenhaus. Der Fluc vor dem großen Saale war mit einec reihen Wand: deforation in Gobelintapeten, Stoffverzierungen, Wappen, Schildern und Sinnsprüchen versehen. Ein über dem Ein- gange des Saales angebrahtes Schild enthielt den Gruß: „Willkommen!“ Der Saal selbst hatie gleihfalls eine würdige Ausstattung erhalten. Kaiserkrone geshmückter Sammetvaldachin war in der Mitte der Tribüne über dem Eyrenplayß für Seine Majestät er- rihtei. Der Hintergrund der Tribüne war in echtem Goid- brokat mit gewirkten Dessins hergestellt und zeiate in seinen Fonds einen mächtigen Reichsabler. Das Jnnere der Dee des Baldachins war mit Hermelin ausgeschlagen. Neben dem Austritt zu dem Baldachin rechts und links waren prachtvolle tölnische Banner aufgestelt, welche den alten Bannern des historisczen Museums n:achgebildet wurden. Der Auftritt zu vem Ehrenplay Seiner Viajestät wax mit kostbaren Teppichen bedect. Die Säulen des Saales trugen eine geshmadckvolle Bekleidung von Wappen der Länder des Deutschen Reichs, denen die Fahnen in den betreffenden Farben, Bänder und die entsprechenden Kronen beigegeben waren. Dem Kaisersiß gegenüber an dem andern Ende des Saales stand auf einem Postament eine polychromirte Colonia, welche in der Linken das Kölner Wappen hält, während die Rechte dem Landes- herrn den Gruß der Kölner Bürgerschast darbringt. Zu beiden Seiten, ebenfalls?auf Postamenten, waren die Büsten der Kaiser Wilhelm I. und Friedrich 111. aufgestellt.

_Als Seine Majestät den Saal betrat, wurde Allerhöchst derselbe durch eine Hymne begrüßt, welhe von einem ge- mischten Chor und dem Orchester mit Orgel ausgeführt wurde. Seine Majestät nahm an der Tafel zwishen dem Reichs- kanzler von Caprivi und dem Corps-Kommandanten, General der Kavallerie Freiherrn von Loë Plaß; gegenüber saßen der

Ober-Bürgermeister Beer, der Fürst zu Wied und der Ober- |

Präsident Nasse. Den Trinkspruch Namens der Stadt Köln brachte der Ober-Bürgermeister Becker aus,

Ein reicher carmoisinrother, mit der |

für Allerhöhstdessen feste thatkcäftige Regierung und für die Bemühungen um die Erhaltung des Friedens nah Außen und im Junnern, sowie um die Förderung des deutschen Unternehmungsgeistes, deutsher Bkldung, Sitte und Religiosität. Köln habe allezeit treu zu Kaiser und Reih gestanden und sei heute doppelt dankbar für die fortdauernde Förderung seines Aufblühens. Zum Sthluß seiner Rede über- reichte der Redner einen goldenen Becher, eine Arbeit ein- heimishen Gewerbfleißes, zum persönlichen Gebrauch Seiner Majestät während Allechöchstdessen Anwesenheit in Köin und als Erinnerungszeihen für kommende Geschle@ter.

Seine Majestät der Kaiser und König geruhle darauf Folgendes zu erwidern:

Mein verchrtester Ober-Bürgermeister! Nehmen Sie Meinen berzlihen Dank entgegen für die Gesinnungen hrer Bürgerschaft, die in Ihrer Rede den Ausdruck gefunden haben, und für den Empfang, den Ich in den Mauern dieser Stadt entgegenzunehmen die Genug- thuung hatte.

Es ift an Mir, zu tarken, denn die Gesinnung der Treue, der Licbe, die aus vielen bundecttaufenden von Herzen Mir heute ente gegengeshlagen ist, hat Mich tief berührt und ergriffen. Es ift die Fortführung der alten traditionellen Anhänglichkeit, die Sie {on erwähnten, deren Ausdruck Ich schon früher zu beobahten die Gelegen- beit hatte, als Meines verstorbenen Großvaters und Meines Vaters Majestät in diesen Mauern von Ihnen mit vemfselben Erthusiaëmus und derselben Pradt gefeiert wurden, und viele von hnen werden mit Mir no{ der erhebenden Momente sich cntsinnen, als an dieser Stelle Mein bocseliger Herr Vater begeisternde Worte an die Versammlung richtete. Dergleichen poetisde Worte stehen Mir nicht fo zur Verfügung wie Meinem Herrn Vater; aber Meinen innigen und berzliwen Dank kann Ih auch in \chlihtem deutschen Wort Ihnen ansdrücken, und Ich bitte Sie, denselbea der Bürgerschaft kenntlich zu machen.

Eine der Ueberfckriften über Ihren Pforten hat Mir besondere Freude gewährt; es ist der einfache Saß: „Wilikommen im alten Köln !* In den Worten, meine Ich, ist die gesammte Geschichte der Stadt Köln in klarer Srift dargestellt, Verbunden dur viele verschicdene Bande mit den verschiedenen Kaiser- äusera, die dereinst über Germania regierten, hat sie stets ihre Treue dem Kaiser bewahrt, ob im Glück oder Unglück. Als gewaltige Handelsstadt hat sie es verstanden, in mächtigem Bunde mit der Hansa, weit hinaus ihre Fühlhörnec zu strecken und dur die großen Höfe, die sie in fremden Staaten gründete, dem deutschen induftriellea Gebiete Absaß zu verschaffen und deatshes Handwerk und deutsches Erzeugniß im Aus- lande zu verbreiten. Sie find auch jeßt wieder auf derselben Bahn begiiffen, und hoffen!lih werden wir bald Englands Schiffe wie in alter Zeit vor den Kölnischen Thoren liegen sehen.

Meine Beziehungen zu Köln sind auch s{@on langjährige, und mancen frohen Tag habe Ich in ihren Mauern verkeben dürfen. Ih sprehe Meine tiefinnige Befriedigung aus, daß Ih an dieser geweihten Stelle und ia dieser altelrwürdigen Domftadt nun au als Kaiser eingezogen bin. Es ist ein altes und von Mir stets erhofftes Ziel gewesen, dereinst in dieser vornehmen Stadt au einmal als Deutscher Kaiser zu weilen.

I erhebe nun den Pokal, den Kölniscer Fleiß und Kölnisches GBeshick geformt, und trinke aus demselben den ersten Tropfen deutsden Weines auf das Wohl der ur- und kerndeutschen Stadt Köln. Möge sle blühen, grünen Und gedeihen! E Me E E S Ea bat Vorbild Vorfahren Meine \{chüÜtßende Hand über die Stadt halten, und Ich denke, daß unter dem \{chwarz-weißen Hohenzollerns@ilde die Stadt ihren guten Fortgang nehmen wird, Die Stadt Köln lebe ho! hoh! ho!

Nach Aufhebung der Festtafel trat Seine Majestät bei herrlihein Wetter um 5 Uhr die Fahrt nach Bonn auf dem Nheindampfer „Deutscher Kaiser“ an. Das Dampfboot setzte sich unter Glockengeläut, Böllershüssen und unaufÿyörlichen Hochrufen einer aus der ganzen Umgebung zusammengeströmten Menschen- menge in Bewegung. Seine Majestät, auf Deck stehend, dankte mit freundlihen Grüßen. Der Strom war, soweit das Auge reichte, mit buntbewimpelten Fahrzeugen bedect, die Häuser am Ufer festlic beflaggt und geshmüdckt, sodaß die fsonnige, heitere Landschaft einen besonders {önen Anblick darbot.

Um 7 Uhr 10 Minuten traf Seine Majestät in Bonn ein und wurde von Seiner Durchlaucht dem Prinzen und Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin zu Schaumburg- Lippe am Landungsplaße empfangen. Das überaus zahlreiche Publikum begrüßte Seine Majestöt mit jubelnden Burufen, während festlich gekleidete Mädchen prächtige Blumensträuße überreichten. Seine Majestät begab Sih alsbald nah der Vila Löschigk den Rhein entlang durch die prächtig ges{chmüdckte Via triumphalis, in welcher die Schulen und zahlreiche Vereine Spalier bildeten. Abends wurde Seiner Majestät von den Studirenden ein Fackelzug mit einer Serenade, die von 400 Sängern aus- aeführt wurde, dargebraht. Später beehrte Seine Majestät den Corpzabend der „Borussia“ mit Seinem Besuch.

Heute Morgen um 7 Uhr wurde die Garnison alarmirt. Seine Majestät begab Sih zu Pferde durch die Stadt nah der Sternthor-Kaserne und von dort nah dem Exerzierplaßz am Tannenbusch.

Meiner

Einem Wunsche Fhrer Majestät der Kaiserin Friedrich entsprehend, hat Seine Majestät der König von Jtalien angeordnet, daß fünfzehn der hervorragendsten Bilder der Königlihen Sammlung zur Fnliernationalen Kunst- Ausstellung nah Berlin abgesandt werden; die Wahl der Kunstwerke ist mit Ermächtigung des Königs von Professor Heriel getroffen worden.

e Die am 27. v. M. im Reichs-Eisenbahnamt begonnenen Verhandlungen zwischen deutschen und österreihisch-unga- rishen Kommissaren zu gemeinsamer Umarbeitung der beiderseitigen Betriebsreglements für den inneren

Er dankte Seiner Majestät !

Eisenbahnverkehr haben in allen wesentlichen Punkten zu | einer erfreulihen Einigung geführt und sind heute ge|chlo}sen | worden.

An der Spitze der avswärtigen Vertrelungen standen für | Oesterreich der Sektions-Chef im K. K. Handels-Ministerium,

Geheim? Nath Dr. Ritter von Witteck, für Ungarn der

Ministerial-Rath im K. Handels-Ministerium Kilényi; geleitet wurden die Berathungen dur den Geheimen Ober: Regierungs- Rath Dr. Gerstner vom Reichs-Eisenbahnamt.

Auf der Grubenabtheilung Serlo der Königlichen Stein- fohlengrube „Gerhard“ des Saarbrüdter Bezirks hat gestern Nachmittag in einem Bremsschacht des Ostfeldes über der fünften Tiefbausohle cine Schlagwetter - Explo- sion stattgefunden, bei welher aht Arbeiter ge- tödtet und drei Arbeiter shwer verleßt wurden. Die Ursache der Explosion ift bis jeßt unbekannt. Fn dem Bremsschacht wax vie Shießarbeit verboten. Die Wetterführung und der Betrieb sind nicht gestört.

Düsseldorf, 5. Mai. Der Ober-Bürgermeister, Geheime Regierungs - Nath Lindemann ecläßt folgende Bekannt- machung :

Seine Majestät der Kaiser und König kaben mih be- auftragt, der Bürger schast Allerhöchstihren Dank für den warmen Empfang auszusprechen.

Sctine Majestät haben wiederholt in huldvoller Weise Allerh öch|t- ibre Befriedigung und Anerkennuna ausg'sprocwen insbesondere über die {chône und allgemeine Ausshmückung der Straßen und Häzaser und das in der Tonhalle veranstaltete Feftspiel, und Aller- gnädigst hervorgehoben, daß Ihm eine gleih schöne Huldigung noch nicht zu Tbeil geworden sei. Er würde gern Allen, welche zum Ge- lingen des Festipiels mitgewirkt, als Zeiten der Anerkennung Seine Hand gerei@t haben; da Ihm dies aber wegen der großen Zaëtl der- selben nit möglich gewcsen, so habe Fr der Vertreterin der Germauia für alle Mitwirkenden die Hand gereit. j /

Ich beeile mich, dem erhaltenen Auftrage gemäß, diese huldvolen Worte zur Kenntnifi raciner Mitbürger zu bringen.

Düsseldorf, den 4 Mai 1891, Der Ober-Bürgermeister Lind e- mann, Geheimer Negterungs-Nath.

Baden.

Karlz3ruhe, 5. Mai. Wie die „Karlsruher Zeitung“ meldet, ist bei Hofe die Nachricht eingegangen, daß Seine Majestät der Kaiser am nähsten Freitag dem Groß- herzogalihen Paare einen kurzen Besuh abstatten werde, Die Ankunft von Bonn foll Mittags 1 Uhr erfolgen. Am Sonnabend Vormittag beabsichtige Seine Majestät Sich über Darmstadt nah Sch&liß zu begeben. Seine Majestät der Kaiser habe jeden offiziellen Empfang abgelehnt und wünsche dem Besuche einen privaten Charaïter zu wahren.

Hessen.

Darmstadt, 5. Mai. Die Zweite Kammer der Stände tritt vach der „Darmjt. Ztg.“ Dienstag, den 12, Mai, wieder zusammen.

Sachsen-Altenburg.

& Altenburg, 5. Mai. Seine Hoheit der Herzog, welcher fich zur Nachkur auf vierzehn Tage nah Schloß Eisen- berg begeben hat, wird mit Jhrer Hoheit der Herzogin der feierlihen Konfirmation Höchstseiner Enkel, der beiden ältesten Söhne Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Albrecht von Preußen, am 13, Mai in Berlin- persönlih beiwohnen.

Der Geheime Rath Sonnenkalb, seit 25 Fahren Vor- stand des Herzoglichen Finanz-Ministeriums, ist aus Anlaß seiner Jubiläumsfeier von Seiner Hoheit dem Herzog zum Wirklichen Geheimen Rath mit dem Prädikat Excellenz ernannt worden. Seine Majestät der König von SaGsen hat ihm aus derselben Veranlassung das Großkreuz des Albrechts-Ordens verliehen und die Universität Fena ihn zum Doctor jur. h, e. promovirt.

Anhalt.

Ballenstedt, 4. Mai. Seine Hoheit der Erbprinz, hre Großherzoglihe Hoheit die Erbprinzessin und Seine Durchlaucht der Prinz Eduard sind, wie der „A. St.-A.“ meldet, heute hier eingetroffen.

Desterreich-Ungara.

Seine Majestät der Kaiser und König empfing gestern laut Meldung des „W. T. B.“ den deutschen Militär-Bevoll- mächtigten, Oberst-Lieutenant von Deines in Privataudienz.

Die Erzherzogin Blanca, Gemahlin des Erz- herzogs Leopold Salvator, ist gestern Abend in Lem- berg von einex Erzherzogin entbunden worden.

Gestern Vormittag fand die feierlihe Vereidigung des für das erweitertz Wien neugewählten Bürgermeisters Dr. F. Prix durch den Statthalter Grafen von Kiel- mannsegg statt. Jn seiner Ansprache hob de Statt-

halter hecvor, daß Dank der unavblässigen Fürsorge des

Kaisers, dez Jniative dec Regierung und dem energischen, patriolishen Zusommenwirken aller betheiligten Faktoren ein langjährigec Wunsch, die Vereinigung der Vororte mit der Mutterstadt, in kurzer Zeit Geseß geworden sei. Hierdurch seien die Bedingungen jür die Entwickelung Wiens geschaffen. Der Statthalter sicherte au in Zukunft die Unter- stüßung der Regierung zu und betonte das unwandelbare Wohlwollen des Kaisers für Wien. Er spreche, indem er auf die bezüglihen Worte der leßten Thronrede verweise, die Hoff- nung aus, daß es gelingen werde, das große Werk der Ent- widckelung der Stadt zum Wohle der Bevölkerung und zum Nuhme des Vaterlandes durchzuführen. Nachdem der Bürger- meister den Eid geleistet, dankte derselbe dem Kaiser füx die Bestätigung der Wahl, entwarf einen Ueberblick über die der Lösung durch den Gemeinderath harrenden Aufgaben und {loß mit einem dreimaligen Hoh auf den Kaiser. Der Beeidigungsfeier wohnten etwa zwei- tausend Personen bei.

Großzbritannien und JFrland.

Die Königin hat den Ersten Lord des Schatzes Smith zum Lordwardein von Cinque Ports und zum Constable des Schlosses Dover als Nachfolger Granville's ernannt.

Der irishe Parlamentsabgeordnete für die Stadt Kilkenny Quinn hat Parnell die Gefolgschafst gekündigt und seinen Eintritt in die Fraktion M’Carthy erklärt.

Der Dampfer „Conscript“, welher am 2. Mai von der Fortune Bai nah St. Johns (Neufundland) zurückgekehrt ist, hatte, wie dem „R. B.“ gemeldet wird, 18 Fischer an Bord, die verhaftet worden sino, weil sie dem Köder-Geseß ¿zuwider Köder nah St. Pierre gebracht hatten. Die Fischer-

R. S

E B T EERRE

Hoote, welhe die Blocfade brachen, erklärten zu Anfang, sie würden schießen, wenn die Polizei sih einmishe. . Jett ist die Ordnung wieder hergestellt. i

Aus Manipur vom 30. April wird dem „R. B.“ ge- meldet, daß die mit der Verfolgung des Najahs betraute beriitene Jnfanterie-Abtheilung dorthin zurückgekehrt ist, da die gebirgige Gegend sie am weiteren Vordringen behindert habe. Der Palast soll zum Theil in die Luft gesprengt werden. Jnzwischen breite sih die Cholera in Manipur immer mehr aus, sodaß der größte Theil der Garnison das Fort verlassen habe. Ju einem weiteren Telegramm aus Kalkutta voin 2. Mai heißt es: l

Es unterliegt jeßt keinem Zweifel mehr, daß die britischen Offiziere nicht von den halbwilden Nega-Söldlingen, sondern von den ManiPauren selbs ermordet wurden. Nach der Grthavptung Quzinton’s, Grimwood's und des Obersten Skene wurden zwei Gögen- bilder, welhe die Form cines Drachen haben und vor dem König- lichen Palast stehen, mit ihrem Blut besprengt. Am nächsten Tage hielten der Regent und der Senaputty eine Art Triumphzug dur die Straßen, welchem ein allgemeines Volksfest folgte, Der Se- naputty (Befehlshaber) {hien entslofsen, Alles, was überhauyt an Gngländer erinnerte, zu vernihten, Nicht zufrieden, das Haus des britische. Residenten eingeäschert zu haben, richtete fic seine Wuth felbst voch gegen die ve:kohlten Ruinen. Er ließ ferner jedes Ge- bäude in der Nachbarscast dem Erdboden gleihmahen und \{ändete die Gräber der britischen Offiziere. Das voa Sir J. JIohnstone er- rihlete uxd 12 Meilea von dec Hauptstadt enifernte Foagjackhut- Sanatorium wurde angezündet und die Gebeine des Kindes von Sir Johnstone aus ihrer legten Rubestätte auégegraben. Die Regierung bat ih bis jeyt noch niht über die Haltung geäußert, welche sie gegen Manipur einzunehmen gedenkt. Sieht man ron allen fentimen- talen Rücksichten ab, so erscheint Annexion als der einzige Weg zur Bestrafung der Manipuren und Wiederaufrichtung des britisczen An- sehers. Durch die Annexion Manipurs würde ferner die Verkehrs- straße zwischen Asffam und Ober-Birma freigelegt und eine Stellung geschaffen werden, von welcher aus eine starke britische Besatzung die unruhigen Stämme der Negas, Kukis und Lushais im Zaume halten Xönnte.

Frankreich.

Paris, 6. Mai. Jn der gestrigen Sißung der Depu- tirtenkammer erklärte auf eine Anfrage der Minister des Auswärtigen Ribot, Chile habe zur Beilegung der Unruhen die guten Dienste Brasiliens, der Vereinigten Staaten von Nord-Amerika und Frankreichs angerufen. Alle drei Mächte würden si ernstlich um die Herstellung des Friedens in Chile bemühen. Bei der fortgescßten Berathung der Zolltarifvorlage trat der Deputirte von Aude Turrel namentlih für die Nothwendigkeit ein, den franzö- sishen Weinbau gegenüber den spanishen Weinen zu schüßen, welhe dazu dienten, deuishen Alkohol ein- zuführen und so dem Staats\schay jährlich 90 Millionen entzögen. Charles-Roux führte aus, die in Aussicht ge- nommenen Tarife würden Marseille und die Handels- marine zu Grunde richten, welche nihts mehr noch den Häfen des Mittelmecres zu befördern haben würden. Die Kammer genehmigte sodann einstimmig einen von dem Deputirten für Aresnes Guiilemin beantragten Kredit von 50 000 Fr. für die Hinterbliebenen der bei den Vorfällen in Fourmies ums Leben gekommenen Personen. Die Regie- rung hatte sich für diefen Antrag ausge]proGzen. Für den von dem Deputirten Mège eingebrahten Antrag, eine Sigzung in jedec Woche den Arbeiterfragen zu widmen, wurde mit 269 gegen 164 Stimmen die Dringlichkeit be- schlossen.

Jtalien.

Auch im Senat kamen gestern die Vorfälle in Nom am 1. Mai zur Sprache. Auf eine vom Senator Alfierîi eingebrachte Fnterpellation bestätigte der Minister des Fnnern Nicotera seine in der Deputirtenkammer abge- gebenen Erkläxungen und fügte hinzu: es seien. zahlreiche Anarchisten in Rom, Neapel, Florenz, Genua und Palermo verhaftet worden. Er könnte dem Senat auch noch andere wichtige Miltheilungen machen; da es sih jedoch bhauptsähliÞch um anarchistishe Verbindungen mit dem “«luslande handle und dieserhalb Verhandlungen eingeleitet seien, so unterlasse er dies; er verlange tein Vertrauensvotum, fondern wünsche nur zu wissen, ob sein Verhalten, wie er hoffe, gebilligt werde. Die Rede wurde mit lebhaftem Beifall aufgenommen. Nachdem der Jnterpellant und seine Genossen fich durchdie Beantwortung befriedigt erklärt hatien, wurde einstimmig eine Tagesordnung angenommen, in welher das Verhalten der Regierung, der Armee und aller Behörden bei den Vorfällen am 1. d. M. gebilligt wird. Jn derselben Sißung erfoigte Seitens des Senats vie Genehmigung des Ge}eßes über die Abschaffung des Listenskrutintiums.

Die Deputirtenkammer seßte gestern die Berathung über die afrikanischen Angelegenheiten fort. Fm Ver- laufe der Debatte gab der Minister-Präsident Marchese di Nu- dini die Erklärung ab: Er hoffe wegen Feststellung dec Grenze öftlich von Schoah bald mit England Verhandlungen eröffnen zu fönnen. Was die Grenzfrage und den Artikel 17 des Vertrages von Uccialli betreffe, so ergebe sih das Recht Ftaliens in Afrika hauptsächlich aus der Beseßung Massovahs und des abessynishen Plateaus. Deshalv hätten die Meinungsver- schiedenheiten mit Menelik keine große Bedeutung. Bisher seien für Afrika 114 Millionen ausgegeben. Die laufenden Ausgaben betrügen ungefähr 19 Millionen, welche im nächsten Jahre um 10 Millionen herabgeseßt würden. Jmmerhin seien noh weitere Ersparungen nothwendig. Die Beseßung des Dreiecks Asmara-Massovah-Keren müsse mit beschränkten Aus- gaben aufrecht erhalten werden. Jn keinem Falle dürfe einer Abberufung von Truppen aus Massovah vorgegriffen werden. Vor Allem müsse man daran denken, das ökonomische Gleich- gewicht FZtaliens herzustellen. Das Haus nahm diese Erklä- rung mit lebhaftem Beifall auf. Heute wird die Debatte fortgeseßt.

Schweiz.

Der Bundesrath hat, der „Frkf. Zig.“ zufolge, das Begehren der landwirthschaftlichen Vereine der Ost- {weiz um Abordnung eines Spezialdelegirten nah Wien zu

den Handelsvertrags-Unterhandlungen ablehnend be- schieden.

Niederlaude.

Die Kammer verhandelt nunmehr seit länger als vier- zehn Tagen über die Reorganisation der Landes- vertheidigung. Es sind bereits über 40 Reden gehalten worden, die meisten von katholishen Abgeordneten, welche sich mit allen Kräften der Einführung der persönlichen Dienstpflicht widerseßen. Die Anzahl der Vertheidiger des Entwurfs war nicht sehr groß, wohl aber die Derjenigen, welche den Entwurf des

Kriegs-Ministers in einer oder der anderen Hinsicht ver- bessern zu können meinen, denn die Zahl der eingebrahten Amendements dürfte bereits etwa siebzig betragen. Am 1. d. M. nahm, wie der „Frkf. Ztg.“ aus Amsterdam berichtet wird, der Kriegs-Minister, General Bergansius die ganze Sizung, welche von 111/2 bis 5 Uhr dauerte, in Anspruch, um die gegen den Entwurf vorgebrahten Beschwerden zu widerlegen, Gestern wollte der Marine-Minister sprechen. Vielleicht kommt es noch in dieser Woche zur Abstimmung.

Die Regierung hat eine Kommission ernannt, welche die Frage der Handelsverträge studiren sol. Die Kom- mission besteht aus 16 Mitgliedern, darunter die bekanntesten JFndustriellen und Handelsleute des Landes. Vorsißender ift Hr. B. Heldring, Direktor der Niederländishen Handelsmaatschappy. Der Kommission ist von der Regierung die Frage zur Beant- wortung gestellt : „Welche Handelspolitik muß Holland befolgen in Rücksicht auf die Kündigung von verschiedenen mit aus- wärtigen Staaten g?eschlosscnen Verträgen?“

Rumänien.

Bukarest, 5. Mai. Die Kammern sind zu einer außerordentlichen Session zum 28. April a. S. (10. Mai) einberufen.

Serbien.

Belgrad, 5. Mai. Wie der „Neuen Freien Presse“ von hier gemeldet wird, sol der König Alexander an- läßlih seines Besuches die Königin Natalie gebeten haben, freiwillig dem Beschlusse der Skup\chtina zu entsprechen.

Schweden und Rortwoegen.

(F) Stodckfholm, 4. Mai. Beide Kammern des Reichstages begannen heute die Verhandlung über die Vor- lage der Regierung, betreffend die Abänderung des Wehrpflichtgeseßes, und in Verbindung damit die Auf- hebung der Grundsteuer für gewissen ländlichen Besißt. Jn der Ersten Kammer wurde die Debatte von den Hrrn. Bergström und Sjökrona eröffnet, die beide für die Vorlage sprachen. Der Kriegs - Minister hielt alsdann eine längere Rede, in dec er hervorhob, daß die größte Schwäche des Vertheidigungswesens in Schweden in der zu kurzen Uebungszeit liege, welhe jeßt für die Dienst- pflichtigen bestimmt sei. Mit dieser Uebungszeit könne das shwedi|he Heec in einem Krieg2 nur wenig ausrichten, weshalb man dahin streben müsse, bezüglih der Ausbildung der Soldaten dem Beispiele des Auslandes soweit als möglich zu folaen. Nach eingehender Darlegung der Grundzüge der Veränderungen des Wehrpflichtge®ches {loß der Kriegs- Minister mit dem Ausdrucke seiner Befriedigung über die in dec Kammer vernommenen Aeußerungen. Die Zweite Kammer beschloß nah längerer Geschäftsordnungs- debatte mit 142 Stimmen gegen 77 Stimmen, zuerst über die Vorlage im Ganzen und dann über die einzelnen Punkte zu verhandeln. Auch in dieser Kammer sprah der Kriegs- Minister sehr eindringlich für die Vorlage, indem er die Nothwendigkeit betonte, die Landesvertheidigung auf die all- gemeine Wehrpflicht zu begründen. Er gab alsdann eine Ueber- ficht über die Verwendung der Vertheidigungskräfte im Kriegs- falle und legte dar, daz er von der geforderten 90tägigen Nebungszeit sür die Soldaten nihts ablassen könne: „Diese Uebungszeit oder gar keine.“ Den Mangel an Unteroffizieren in der Armee, den der Kriegs-Minister zugesteht, vermeint er dadurch na und nach beheben zu fönnen, daß die gebildeteren Leuie zu diesen Stellungen herangezogen würden. Die 350 Millionen Menscher betragende Bewohnerzahl Europas habe sich s{chon lange vermehcten Armeeauëgaben unterworfen, und Schweden müsse deshalb auch folhe übernehmen.

(Wie schon telegraphish gemeldet, wurde das Wehrpflicht- geseß von der Ersten Kammer angenommeir, von der Zweiten abgelehnt.)

Amerika.

Vereinigte Staaten. Der „New-York Herald“ vom 3. d. M. veröffentliht eine Depesche aus Washington, welche besagt, daß die Bundesregierung naÿ reiflicher Erwägung zu der Anschauung Großbritanniens gekommen sei, daß dem Nobbenfang nur dadurch wieder aufgeholfen werden könne, wenn das unterschiedzlose Hinschlachten ver Thiere auf dexr Pribyloff-Jnsel aufhöre, bis ein inter- nationales Reglement über die Behringssee-Fischerei unter allen interessirien Mächten vereinbart worden ist. Die Bundesregierung beabsichtige, dieser ihrer veränderten Ansicht ¿çolge zu geben, und der Staatssekretär Blaine werde den britishen Gesandten Sir Julian Pauncefote ungesäumt davon in Kenntniß seßen.

Den Zollkuttern der Vereinigten Staaten, welche im Sommer in dem Behringsmeer kreuzen, sind noch keine Weisungen über das den Shmugglern gegenüber zu beobahtende Verhalten zugegangen. Am 4. Mai segelt der Kutter „NRush“ von San Francisco nah dem Behringsmeer. __vn New-York hat gestecn dem „W. T. B. zufolge die erste Jnspektion dexr Eingewanderten gemäß den neuen Verordnungen auf dem Dok stattgefunden, wo der aus Glasgow eingetroffen2 Dampfer „Devonia“ die Reisenden gelandet hatte. 802 Personen, ein- {hließlich der Reisenden zweiter Klasse, wurden einer Untersuchung unterzogen. Diejenigen, welche von den Beamten als nicht geeignet befunden waren, wurden auf den Dampfer zurüdkgeschickt. Für jeden nicht in das Register eingetragenen Einwanderer, dem der Kapitän die Landung gestattet, muß der leßtere eine Strafe von 300 Doll. zahlen.

Chile, Zur Lage in Chile wird über London, 4. Mai gemeldet: Nach aus Callao eingelaufenen Depeschen seien die Anhänger Balmaceda's nach der Schlacht von Pozoal- monte in Gemeinshast mit Salpeterarbeitern gegen die Bewohner auf das Grausamste verfahren; sie hätten die Stadt angezündet und dabei viele Frevelthaten begangen. Es verlaute ferner, die Truppen der Fnsurgenten, die in der Nähe von FJquique operiren, befänden sich, da es ihnen an Nahrung fehle, in einer höchst un- günstigen Lage; auch mangele es der Flotte an Kohlen. Wie dem „W. T. B.“ aus Washington telegraphirt wird, hätte die Regierung der Vereinigten Staaten ihren Gesandten in Chile Egan beauftragt, den beiden sich be- kämpfenden Parteien ihre Vermittelung anzubieten. Ebenso seien Frankreich, Brasilien und andere größere Republiken darin übereingekommen, Chile ihre Vermittelung im Interesse der republikanischen Prinzipien anzubieten.

Afrika.

Transvaal. Fn London ist nachstehendes Telegramm eingegangen: „Präsident Krüger ist niht in der Lage, den „Trek“ der Boeren nah Maschonaland zu ver- hindern, da dieselben 20 000 und nicht, wie anfänglich be- rihtet, 5000 Mann stark sind. Obwohl Präsident Krüger den britishen Jnteressen wohlwollend gegenübersteht, findet er ih der Bewegung gegenüber machtlos. Dieselbe läßt sich nur mit dem großen Boerentrek von 1837 vergleichen.“

Parlamentarische Nachrichten.

Jn der heutigen (116.) Sißung des Reichstages, welcher d-r Staatssekretär Dr. von Boetticher und der Staakts- Minister Freiherr von Berlepsch beiwohnten, theilte der Präsident den Eingang der allgemeinen Rechnung für 1887/88 und des am 4. d. M. zwishen dem Reich und Jtalien abgeschlossenen Vertra ges, betreffend die Befugnisse der beiderseitigen Konsuin zur Vornahme von Ehe- \cchließungen, mit. L N

Auf der Tagesordnung stand zunächst die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend das Reichs\chuld- buch, auf Grund der in zweiter Berathuna unverändert an- genommenen Vorlage.

Der Gesezentwurf wurde ohne Debatte unverändert an- genommen.

Es folate die Fortsezung der dritten Berathung des Gesezentwurfss, betreffend die Abänderung der Gewerbe- ordnung, auf Grund der in zweiter Berathung gefaßten Beschlüsse. Die Berathung wurde fortgeseßt mit §. 1204, welcher die Befugniß der Polizeibehörden ausspricht, die Aus- führung von Maßnahmen anzuordnen, welche zur Durch- führung der in den 88. 120a bis 120c enthaltenen Grund- säße erforderlich sind.

Der §. 120d wurde nach kurzer Empfehlung durch den Abg. Rösicke mit einer von den Abgg. Dr. Gutfleish und Genossen beantragten Aenderung genehmigt.

Darauf wurde nah kurzer Debatte, an welcher sih der Abg. Nösicke und dex Königlih Bayerische Bevollmächtigte zum Bundesrath Ober-Negierungs-Rath Landmann be- theiligten, der durch zwei Anträge der Abgg. Dr, Gutfleish und Dr. Hartmann modifizirte §. 120e angenommen.

Die 88. 121, 122, 123 und 124 wurden ohne Debatte angenommen. Auch §8. 124a wurde mit einer durch die Abgg. Dr. Gutfleisch, Dr. Hartmann, Letocha, Moeller, Freiherrn von Stumm beantragten Abänderung nah kurzec Befürwor- tung durch den Abg. Dr. Gutfleish angenommen.

Bei §. 124b wurde ein Antrag des Abg. Auer ohne Debatte abgelehnt und der §8. 124b angenommen. Die S8. 125—133 wurden ohne Devatte angenommen.

8. 134 wurde, nachdem ein Antcag des Abg. Aue r dur den Abe, Singer Namens seiner Partei zurückgezogen war, angenommen.

S. 134a wurde mit einem Antrage dec Abgg. Noesidcke u. Gen. angenommen.

8. 134bþ handelt von den Bestimmungen, welche die Arbeitsordnung enthalten muß. Hierzu beantragten die Abgg. Dr, Gutfleisch u. Gen.:

Den Say 2 im Absatz 2 dur folgende Säße zu ersetzen:

„Geldstrafen dürfen die Hälfte des durcschnittlihen Tages- arbeitêvecdienstes nicht übersteigen; jedo können Thätlichkeiten gegen Mitarbeiter, echeblihe Verstöße gegen die guten Sittea, sowie gegen die zur Aufre{thaltung der Ordnung des Betriebe3, zur Sicherung eines gefahrlosen Betriebes oder zur Durchführung der Bestimmungen der Gewerbeordnung erlassenen Borschriften mit Geldstrafen bis zum vollen Betrage des durch\{chnittlihen Tagetarbeitsverdien!tes belegt werden, Alle Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter der Fabrik verwendet werden,“

Abg. Wöllmer crklärte sih gegen diesen Antrag.

Abg. Bebel bezeichnete ihn ebenfalls als eine Ver- schlehteung des Gesehes.

Abg. Hitze spra für den Antrag.

Der Minister für Handel und Gewerbe, Staats-Minister FFreiherr von Berlepsch acceptirte den Antrag Gutfleisch Namens der verbündeten Regierungen. Er nahm dabei Ver- anlassung zu betonen, daß die verbündeten Regierungen auf den 8. 153, also auf verschärf!e Strafbestimmungen für den Kon- traktbruh und den Zwang der Arbeiter zur Niederlegung der Ar- beiten Angesichts der leßten Strikbewegung das größte Gewicht legen müssen. Wenn die verbündeten Regierungen die Vor- lage ohne jenen §. 153 nicht für unannehmbar erklären, was nach den an sie von den verschiedensten Seiten herangetretenen Aufforderungen sehr nahe läge, jo geschähe es in der Hof- nung, daß der Reichstag später der Regierung solhe Straf- bestimmungen nicht versagen würde. |

Abg. Singer warf den verbündeten Regierungen vor, daß sie ein Arheitershußaeseß „ohne Polizeistio“ niht machen könnten. Der legte Kohlenbergwerksstrike sei wahrscheinlich dur Koßlenspekulanten hervorgerufen und unterstüßt worden.

Abg. Freiherr von Stumm wies diese Behauptung als unbewiesen zurück. Vielleicht wäre der §. 153 noch in dritter Lesung angenommen worden, wenn nit beute der Minister auf ihn gewissermaßen verzichtet hätte.

Abg. Dr. Hirsch bedauerte die Einbringung des Kompromißantrages und die Erklärung des Ministers: er werde gegen den Antrag Guifleish stimmen.

Die Abgg. Moeller und Hitze bielten diesen Antrag im Fnteresse der Aufrechterhaltung der Ordnung und guten Sitte für unentbehrlich. ;

i Abg. Bebel bemerkte, daß sowohl seine Fraktion wie die Parteipresse die Bergarbeiter vor dem Strike gewarnt hätten. Der Strike müsse also von anderer Seite, wahrscheinlih von

(Schluß des Blattes.)

Kohlenspekulanten provozict sein.

Jn der heutigen (83.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welcher der Staats-Minister Graf von Zedliß- Trüßschler beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Staatshaushalts-Etats für 1891/92, und zwar beim Etat des Ministeriums der geistlichen 2c. Angelegen- heiten, fortgeseßt. 7

Bei der wieder aufgenommenen Diskussion zum Titel „Gehalt des Ministers“ beshwerte sich Abg. Johannsen über die Maßnahmen bezüglich der dänischen Sprache in Nord- Schleswig.

_ Abg. Lohr en bemängelte die Ausbildung der Volks- schullehrer, die niht geeignet seien, den sozialdemokratischen Jrrlehren entgegenzuwirken. :

Staats-Minister Graf von Zedliß trat diesem Vorwurf

als unbegründet entgegen. Jn jeder Beziehung stehe die

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