1891 / 106 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 06 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

; 2E S heutige Volksschule höher als die vor 30 Jahren. Die Form der Ausbildung in den Seminarien “allein thue es nit; es komme auf den Geist an, der in ihnen und den Lehrern wohne; dieser aber sei abhängig ven dem Geist, der das

Volk im Ganzen durchdringe. . ——— Abg. s Le wünschte nähere Auskunft über die für Schul- und Kirchenzwecke bestimmten Stiftungsfonds, welche Regierungskommissar, Ministerial-Direktor Kuegler für das nächste Jahr in Aussicht stellte. a Abg. Pr. Graf-Elberfeld erörterte die Reform des- öheren Schulwesens. d Bei Schluß Bus Blattes sprxach Abg. Arendt.

Die Landgemeindeordnungs * Kommisston des Herrenhauses begann und beendigte heute die zweite Lesung des Gesches. Im Gegensaß zu der Fassung des Abgeordnetenhaufes ¿rsten Lesung wurde im §. 2 (Zusammenlegung von Land-

und der erster : j Lal gemeinden und Gutsbezirken) in redaktioneller, vom Staats-Minister

Herrfurth acceptirter Verbesserung ein öffentliches Interesse als vors» liegend angesehen, „wenn die Zersplitterung eines Gutsbezirks oder die Bildung von Kolonien in einem Gutsbezirk, die Abtrennung einzelner Theile desselben oder desjen Umwandlung n eine Land- gemeinde oder dessen Zuschlagung zu einer oder mehreren Landgemeinden nothwendig macht.“ In §. 48 (Vertheilung des Stimmrechts) werden denjenigen Besißern, welche jährlich 20 bis 50 H zur Grund- und Gebäude- steuer entrichten, je 2, bei 60 bis 100 Grund- und Gebäudesteuer je 3, bei 100 4 oder mehr je 4 Stimmen beigelegt. Nach der ersten Le- sung können durch Ortsstatut diese Säge erhöht oder höstens jedoch um die Hälfte (das Abgeordnetenhaus beshloß um etn Drittel) ermäßigt werden. Heute beschloß die Kommission mit 9 gegen 8 Stimmen den Absatz einzuschieben: „Kommt ein fol@es Statut durch Beschluß der Gemeindeversammlung nicht zu Stande, obshon die auf Grund der Nr. 2 Absatz 1 erfolgte Vert hei- lung der Stimmen im Mißverhältniß zu den Beiträgen zu den Gemeindelasten steht, so kann auf Anrufen Betbeiligker der Bezirks» aus\chuß die statutarische Regelung vorschreiben.“ In §. 41 wurde die redaktionelle Verbesserung einstimmig angencmmen, daß das Gemeinde» feht jedem selbständigenGemeindeangehörigen zusteht, „,welher zurStaats- einfommensteuer veranlagt ist oder zu den Gemeindeabgaben noch ein Sahreteinkfommen von mehr als 600 F n Gemäkfheit der 88, 8 und 13 herangezogen wird.“ 8, 149 war in erster Lesung dabin geändert worden, daß denjenigen Gemeindeangebörigen, welche beim Inkrafttreten des Geschzes mik mehr als 600 bis 900 J zur Staotssteuer einges{äßt Uno u den Ves meindelasten herangezogen sind, in derjenigen Gemeindeversammlung, welche erstmalig bew. ber oie sernere Derane ziehung der im §. 41 Nr. be erwähnten Personen zu den Gemeindelasten (§. 13) und dem zufolge über die Gewährung des Stimmrechts an dieselben zu beschließen hat, ein Stimmrecht nah Maßgabe des §. 48 Nr. 1 zusteht, Mit Zustimmung des Minifter8 wurden heute die gesperrt gedruckten Worte gestrichen und erteßt durch: „Freilassung dec im §. 13 erwähnten Personen ron den Ge- meindelasten.“ Im Uebrigen wurden die Beschlüsse erster Lesung be-

stätigt und der Entwurf mil allen gegen eine Stimme angenommen.

Theater und Musik.

fommt Ricard Voß? wirksames Schauspiel „S{uldig“ zur Auf- führung, in welhem Nuscha Bute nah ihrer Genesung und Ludwig Barnay nah feiner Rückkehr aus Dresden ihre bisherigen Rollen wieder darstellen. Am Freitag geht „Uriel Akosta“ mit Ludwig Barnavy in der Titelrolle in Scene.

Das Residenz- Theater geht unter Leitung des Direktor Lauten- burg im Juni und Juli für mehrere Wochen zu einem Gastspiel an das Carl Schulte-Theater in Hamburg. i

Im Sommergarten des Belle-Alliance- Theaters ist morgen, anläßlich des Himmelfahrtfestes. wieder ein sogenannter billiger Tag mit dem Eintrittspreis von 50 - einschließlich Theater (soweit der Raum reit). A E

Hr. Ernst Kettner, bereits früher langjähriçges Mitglicd des Ndolf-Ernst-Theaters, tritt wiederum in den Verband dieser Bühne ein und wird im Laufe der nädsten Woche in dem Repertoire- stück „Adam und Eva“ als Professor Reizenstein mitwirken.

Weimar, 5. Mai. Seitens der Leitung des hiesigen Ho f- Theaters ist für die bevorstehende Jahrbundertfeier des elben, richtiger für die Jahrhundertfeier der Uebernahme der Leitung desselben durch Goethe, ein schr würdiges Programm aufgestellt worden. Eingeleitet ward die Feier durch die gestern und heute statt- gehabte Aufführung des „Faust“ (beider Theile). Morgen folgt die bisher nit aufgeführte Oper „Gunlocd“ von P. Cornelius, die E. Lassen nab den binterlassencn Skizzen des Komponisten vollendet hat. Am 7. Maîi, dem eigentlihen Jubiläumstage, wird die Bor- stellcng wiederholt, die am 7. Mai 1791 stattgefunden hat: Prolog von Goetbe und „die Jäger" von Jffland, welcher dann ein von E. von Wildenbruch gedichteter fcenischer Epilog folgt, dann. gelangt am Freitag ein neues Volês\{auipiel von P. Peyte «die \{limmen Brüder“, am Sonnabend und Sonntag die „Wallen- ftein-Trilogie*" und am Montaz „Lohengrin“, mit einem Prolog von Oechlshlaeger zur Aufführung. Seitens der (eneral- Intendanz sind für diese Festwoce zahlreiche Einladungen nach Außerhalb ergangen. Angenommen worden sind dieselben von den Hrra. General-Intendanten Graf Hochberg-Berlin, Baron Vezecry- Wien, Freiherr von Perfall-München, von Ledebur-Schwerin, Dr, Bürcklin- Karlsruhe, Winzer-Darmstadi, von den Direktoren Stäge-

mann, L'Arronae, Varnay, Kohn-Spcyer u. a. m.; ferner von den Hrrn. von Bodenstedt, P. Heyse, v. Wildenbruh, Wil- brandt, Hopfen, Wichert, Herrîg , Frenzel, Tempeltey, Duboc, sowie von dem Vorstande der Goethe-Gesellichaft, der Deuts@en Shhillerstiftung, dem Vorsitzenden der Deutschen S bafkespeare-Gesellschaft, Occhelbäufer, dem Vorstand der Deutschen Blihnengenossenschast, den Freiberren von Eleicher-Rußwurm, dem Enkel und Urerkel Sciller's, Für diese Gäste sind die Pläße zur Rechten und Linken der Großherzoglihen Loge bestimmt. Zu der gestrigen und heutigen Vorstellung war nur ein Brucbtheil der Gâíste er) ienen ; das Hauptkontingent derselben ist erst morgen zu erwarten. Die Aufführungen des gestrigen und des heutigen Übends nabmen den \hônften Verlauf und fanden den stürmischen Beifall des sebr animirten Publikums, das mit größer Theilnahme bis zum Schluß folgte. L

JFosef Kainz wird nähste Woche im TDagmar- Theater zu Kopenhagen in „Clavigo®*, „Die Jüdin von Sdo Der Traum ein Leben“ u. \. w. auftreten ; er hat sih für fechs Gastspiele verpflichtet.

Paris, 6. Mai. (W. T. B.) Dem Vernehmen na hat sich die Majorität des Kriegsraths in der gestrigen Sitzung desselben für die Pläne des Generals Gillon aus- gesprochen, nah welchen die bisherigen Befestigungen der Stadt Paris durh eine Fortifikationslinie ersegt werden sollen, welche das Bois de Boulogne, Longhamps, und die Ortschaften Suresnes, Puteaux, Courbevoie, Asnières, Neuilly, Levallois und Clihy ein)shließen wird. Die Kosten der Umwandlung, welche auf ca. 150 Millionen Francs ge- \chäßt werden, dürften durch den Verkauf der Grundstücke der bisherigen Ringmauer vollständig gedeckt werden. Nach dem „Figaro“ hötte Prinz Victor Napoléon erklärt, augenblicklich fein Manifest erlassen zu wollen; er acceptire die republikanishe Regterungsform, wenn sie das Glück Frankreihs bilde, ohne Hintergedanken. Indeß sei nah jahrelangen Krisen das Kaiserreich bereits zweimal wieder hergestellt worden; er könne daher in dieser Hinsicht Vertrauen in die Zukunft haben. Der Prinz erflärte ferner, daß angesihts der royalistishen Prätentionen diz Aufrechterhaltung der konservativen Union mehr als schwierig sei.

St. Petersbura, 6. Mai. (W. T. B.) Die Leiche des Großfürsten Nicolaus Nicolajewitsch ist heute

Vormittag 10 Uhr in Begleitung der nächsten Angehörigen

des Verstorbenen mittels Separatzuges hier eingetroffen. Sein ältester Sohn Großfürst Nicolaus Nicolajewitsch, seine Schwieger- tochtez, die Großfürstin Miliza, der Herzog Alexander und der Prinz Peter von Oldenburg und der Herzog Eugen von Leuchtenberg waren dem Separatzuge entgegengereist. Auf dem Bahnhof hatten sich der Kaiser und die Kaiserin, die übrigen Mitglieder der Kaiserlichen Familie, die Hofstaaten und hohen Würdenträger, sowie zahlreiche Deputationen zum Empfang der Leiche versammelt. Als die Leiche aus dem Waggon getragen wurde, intonirte das Musifcorps ein geistlihes Lied, während die Geistlichkeit eine Litanei anstimmt2. Der Kaiser und die Groß- fürsten trugen alsdann den Sarg zum Leichen- wagen, worauf sich der Zug in Bewegung seßte. Das Kaiserliche Paar, die Großfürsten und Groß!ürstinnen, sowie die hohen ausländishen Gäste, unter denen si der Fürst von Montenegro, der Prinz Albert von Sachsen-Altenburg, die Großherzogin von Mecklenburg-Schwerin und andere Herr- schaften befanden, folgten unmittelbar dem Leichenwagen. In dem Zuge befanden sich ferner Deputationen des Könialih preußishen Kürassier-Regimen!s Herzog Fried- rich Eugen von Württemberg (Westpreußi\hes Nr. 9) und des K K österreihishen Husaren - Regiments Nr. 2, deren Chef der Verewigte war, sowie Delegationen zahlreiher Gesellshaften und Korporationen, denen der Verstorbene angehörte. Auf dem ganzen Wege nah der Peter-Pauls-Kathedrale bildeten Truppen Spalier. Die in den Straßen dit versammelte Volksmenge entblößte ehrfurhts- voll das Haupt beim Erscheinen d2s Leichenwagens. Brüssel, 6. Mai. (W. T. B.) Gestern Abend explodirte in Beyne-Heusay eine Dynamitpatrone

Fn der Vorstellung des „Troubadour“ am Freitag im König lihen Opernhause beginnt ein Doppelgast piel. die dänishe Sängerin Frl. Margarethe Petersen die Azucena. Frl. Hiedler, Fr. Will, die Hrren. Roth-

übrigen „Zauberflöte“ singt Hr. Tamino Die Damen Leisinger, Herzog, Hellmuth-Bräm, Kopka, Rothauser, 1 die Hrrn. Mödlinger, Schmidt, Lieban und Krolop sind in dem Werk bescäftigt. : Theater findet morgen Nachmittag eine

Fränkel giebt den Luna, Gol Nd i De Der Sonnabendvorstellung der vom Stadt-Theater in Köln den

mühl und i de Sommer Weit, Staudigl,

La mmert, Hiedler und

n Ne ev

Wiederholung des Moser'shen „Veilchenfresser“ siatt.

Wetterbericht vom 6. Mai, Morgens 8 Uhr.

R: S |

| = | |

\

red. in Millir

Wind, Wetter.

Temperatur [in 9 Celsius

P C. =40 R.

Stationen.

Bar. auf 0 G

u. d. Meeres

5 /bededt 4\bededckt F} 5 wolkig 1/bedeckt | till wolkenlos |

Mullaghmore | 760 Aberdeen .. | 766 Christiansund | 769 Kopenhagen . | 768 Stockholm . | 770 | Haparanda . | 767 2\halb bed. | Moskau . . 761 |ONO 1sRegen Cork, Queens- | On 762 \SSO Bret. | (04 (Ne i 408 BES O (S | Hambura. | 60 D 1 halb bed. | Swinemünde | 768 ¡NNO 2 beiter | Neufahrwasser 769 [N 1 bedeckt 768 NO 2 bededckt G2 E 2 MeCen 764 |NO 4 heiter 761 [NO 3 bededckt 762 |NO 2 bededt 761 |NO 5 wolfig ONO 2? wolkenl.1) 767 |\NOD 3 heiter | 762 [N 9 beiter | e D) 3 wolkenlos

E (F) VO

5 )

S (N {

V (Q) O

G Q

4 Regen 3\bedeckt 2'heiter 1 heiter

Karlsruhe . Miesbaden „. München . .

Bn. A. Bresiau, | drx. (l \NNO 4 bedeat Oa. e NW 2 beiter t 7599 |D 2 bededt

|

|

|

| Chemnitz 765

|

|

1) Thau.

Uebersicht der Witterung.

_Das barometrische Maximum, welches gestern über der Nordsee lagerte, hat \sich ostwärts nah Sübd-Schweden forthewegt, während eine Depression im Süden ih nordwärts ausgebreitet hat, sodaß im Südwesten Deutschlands Regenwetter eingetreten ist. In Nord-Deutschland dagegen ift das Wetter noch trocken und vorwiegend heiter, welche Witterung in- dessen, insbesondere in den nordoestlihen Gebiets- theilen, niht Bestand halten dürfte. Die Temperatur ift in Central-Europa gestiegen und hat vielfach den Durchshnittswerth überschritten. Friedrichshafen hatte gestern Abend Gewitter. |

Deutsche Seewarte.

Hr. Ludwig

Wien, 6. Mai. Rollen.

ais Gast. | reihischen Armee gäbe es eregelt worden.

Am Abend | und gewürdigt werde.

Theater-Anzeigen.

Königliche Schauspiele, Donnerstag: Opern- 50s, 113. Vorstellung, Tannhäuser und der Saäugerkrieg auf der Wartburg. Romantische Over in 3 Akten von Richard Wagner. Ballet von E. Graeb. In Scene gesetzt vom Ober-Regisseur Teßlaff. Dirigent: Kapellmeister Sucher. Anfang 7 or. : Scauspielhaus. 119. Vorstellung. Das Käthchen von Heilbronn , oder: Die Feuerprobe. (Sroßes bistorishes Ritterschauspiel in 5 Aufzügen von Heinri von Kleist. In Scene gesrpt vom Ober- Regisscur Max Grube. Anfang 7 Uhr.

Freitag: Opernhaus. 114. Vorstellung. Der Troubadour. Oper in 4 Akten von Verdi. Text

Nah Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

(W. T. B.) Jun der gestrigen Sißung des Budget-Ausshusses erklärte der Mi! i Landesvertheidigung, Graf Welsersheimb: Jn der öster-

Sprachgebrauch sei in der Armee von jeher zweckentsprechend Ec stehe jedem politischen Parteistandpunkt ern, und es sei wünschenswerth,

nach dem Italienischen des S. Camerano. (Azucena: Frl. Petersen, Graf Luna: Hr. Fränkel, als Gâste.) Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 120, Vorstellung. Der neue Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von MWilbenbruch. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Donnerstag: Krieg im Frieden.

Freitag: Die Welt, in der man fich langweilt. (Suzanne: Frl. Vtartha Bär vom Stadt-Theater in Bremen als Gast )

Sonnabend: Die Kinder der Excellenz.

Sonntag: Die Welt in der man fich

langweilt.

———_——

Berliner Theater. Donnerstag, Nahm. Uhr: Der Veilcheufresser. Abends 74 Uhr: Schuldig. Freitag: 39. Nbonnements - Vorstellung. Uriel

UAcofta. Anfang 74 Uhr. i . Sonnabend: Rosenkranz und Güldenstern.

Donnerstag: Thermidor.

Lessing-Theater. Anfang 7# Uhr. E

Freitag : Sodoms Eude. (Willy: Iosef Kainz.)

Sonnabend: Ultimo- i:

Sonntag: Letztes Auftreten von Josef Sodoms Ende.

Kainz.

Walluer-Theater. Donnerstag: Z. 27. Male: Des Teufels Weib. Phantastishes Singspiel in 3 Akten und einem Vorspiel von Meilhac und Mortier, bearbeitet von Th. Herzl. Musik von Adolf Müller. Anfang 74 Ubr.

Freitag und folgende Tage: Des Teufels

AVeib, 4

Minister für die

keine Sprachenfrage; der

daß dies allseitig erkannt

Friedrich - Wilhelmstädtishes Theater. Donnerstag: Mit neuer Ausstattung, zum 21. Male: Saint Cyr. Operette in 3 Aufzügen (mit theil- weiser Benutzung eines Stoffes von A. Dum-=-5) von Oscar Walther. Musik von Rudolf Dellinger. In Scene gescßt von Julius Frißsche. Dirigent: Hr. Kapellmeister Federmann.

Im prachtvollen Park: Große Militär-Concerte. Auftreten von Gesangs- und Instrumentalküntilern. Se des Concerts 6 Uhr, Anfang der Vorstellung 7 Uhr.

Freitag: Saiut Cyr.

Im Park: Großes Militär-Concert.

Sonnabend: Zum 1. Male: Mit neuer Ans- siattung: Nanon.

Refsidenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten- burg. Donnerstag: Zum 13, Male: Dr. Jojo. Schwank in 3 Akten von Albert Carré. Deutsch von Carl Lindau. Regie: Emil Lessing. Borher zum 13, Male: Wer das Größere nicht ehrt, ist das Kleinere nicht werth. Schwank in 1 Auf- zug von Sigmund Schlesinger. Anfang 74 Ubr.

Freitag und folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Kroll's Theater. Donnerstag: Rigoletto.

(Rigoletto: Sgr. d’Andrade als vorletztes Auftreten.)

Freitag : Don Juan. (Donna Anna: Fe. Lilli Lehmann; Don Juan: Sgr. d’'Andrade; Don Octavio : Paul Kalisch als Gäste.)

Sonnabend: Dic lustigen Windfor.

Täglich: Bei günstigem Wetter „Großes Concert" im Sommergarten. Änfang Donnerstag 4, Freitag 54, der Vorstellung 7 Uhr.

Weiber von

Belle-Alliance-Theater. Donnerstag: Zum 18. Male: Der Giftmischer. Schwank in 4 Akten rach dem Französishen von Friy Brentano und Carl Tellheim

Im prachtvollen, glänzenden Sommergarten (vor- nchmstes und großartigstes Sommer-Ctablissement der Residenz): Broßes Doppel-Concert. Auftreten hervorragender Spezialitäten. Brillante Illumination des ganzen Garten-Etablissements. Anfang des Con- certs 4 Uhr. Anfang des Theaters 74 Uhr.

Freitag: Der Giftmischer. Gr. Voppel-Concett. Auftreten sämmtlicher Speztalitäten.

Adolph Ernfst-Theater., Donnerstag: Zum 81, Male: Adam und Eva. Gefsangsposse in 4 Akten von Eduard Jacobson und Leopoiv (Sky. Couplets von Jacobson und Gustav Görß. Musik

von Adolph Ferron. Im 4. Akt: Der unselige | Toupinel. Parodistis%e Einlage. Anfang 74 Uhr.

dicht vor dem Hause eines Arbeiters, welcher die Arbeil nicht niedergelegt hatte. | der Bürgergarde heute einberufen worden. Die Lage in der Umgegend von Lüttich ist unverändert ; die Nuhe ist nicht gestört worden.

In Lüttich sind die Chasseurs

(Fortseßung des Nichtamtlicen in dcr Ersten und Zweiten

Beilage.)

Freitag: Dieselbe Vorstellung. Der Sommer-Garten ift geöffnet.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße 30. (Leßte Woche ) Donnerstag : Der Millionenbauer. Bolfs\tück in 4 Akten von Max Krezer. Gesangstexte- im 3. Akt von A. Sc{önfeld. Musik von G. Steffens. Anfang 7F Uhr

Freitag: Dieselbe Vorstellung. f

Sonnabend: Benefiz für Kapellmeister Guftav Steffens. Zum 50. und legten Male: Der Millioncubauer.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes - Ausstellungs - Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. LTäglih Vorstellung im wissenshaftlihen Theater. Näheres die Anschlag- zettel,

Familieu-Nachrichten,.

Verlobt! Frl. Anna Schellenberg mit Hrn. Amts- rihter Johmann (Breslau). Frl. Gertrud von Hoiten mit ÖOrn, Premier-Lieut. Carl von Manteuffel, gen. Zoegen, (Berlin—JIüterbog). Frl, © Margaretha Huth mit Hrn. Gerichts- Assessor Oscar Kühl (Charlottenburg).

Verehelicht: Hr General-Lieutenant z. D. Guido von Streit mit Frl, Elsa Met (Berlin—Oder- berg i. M). :

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Lieut, 3, S. Graj von Monts (Berlin). Hrn. von Below (Nerdir bet Anklam). Eine Tochter: Hrn. Staatsanwalt Dr von Marck (Greifswald). Hrn. Regierungs- Baumeister Krämer (Friedenau).

Gestorben: Hr. Major Friedrich von Lehmann (Magdeburg). —- Hr. Hauptmann a. D. Augusl von Vogelsang (Perow). Fr. Pauline von Glasenapp, aeb von Schack (Gleiwiß). Frei frau von Hammerstein, geb. von Aren*touff, (Doberan). Hr. Geh. Justiz-Rath Eduart Schneider (Brieg). Hr. Amtsrichter a. D. Rudolf Reimann (Pleß).

Redacteur: Dr. H. Klee, Dircktor. Betti —————————————— Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagbo Anstalt, Berlin §W,, Wilhelmstraße Nr. 32.

Sieben Beilagen

(einsGließli® Börsen - Beilage),

Vai P P E R E:

- V E E R T O, I S EEREE T C - s

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Slaais-Anzeiger.

¿ 106.

A E

Berlin, Mittwoh, den 6. Mai

mes

Deutscher Reichstaa. 115, Sigung vom Dienstag, 5. Mai.

__ Am Bundesrathstische der Staatssekretär Dr. von Boet- tiher und der Staats-Minister Freiherr von Berlepsch.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Berathung des von dem Abg. Graf von Adelmann eingebrathten, von allen Parteien unterstüßten Antrages auf Annahme eines Geset- entwurfs zur Abänderung des §. 157 des Alters- und JFnvaliditätsversicherungs-Geseßtßes.

Das Reichs-Versicherungsamt hat dem §. 157 eine Aus- legung gegeben, nah welcher die Altersrentenansprüce der- jenigen, welche beim Jnkrafttreten des Geseßes zwar über 40, aber noch nicht (0 Fahre alt waren, erst in dem der Voll- endung des 70. Lebensjahres folgenden Kalenderjahre beginnen. Der vorgelegte Entwurf bezweckt eine Aenderung dahin, daß die Wartezeit für die Altersrente sih um soviel Beitragsjahre und Beitragswochen vermindert, als das Lebensalter des Be- treffenden am 1. Januar 1891 das vollendete 40. Lebensjahr überstiegen hot. Das Gese soll rückwiikende Kraft haben, und von Amtwegen soll über alle bereits endgültig abgelehnten Rentenansprüche eine nohmalige Prüfung Seitens der Ver- fiherungsanstalten stattfinden.

__ Abg. Hahn: Es handele fi um die Beseitiguug einer Härte. Die Vorschrift, daß ¿zum Genuß der Rente der Nachweis einer 30 jährigen Arbeitszeit zu führen fei, bätte für die älteren Arbeiter, d. h. für alle bei Erlaß des Geseßes über 40 Jaßre alten, die Un- möglihkeit, in den Genuß der Alterêrente zu treten, mit fh geführt ; zur Beseitigung dieses Mißstandes sei für die jeßt über 40 Jahre alten Arbeiter die nabzuweisende Arbeitszeit im e um so viel gekürzt, um wie viel der Arbeiter das 40. Lebentjahr überschritten habe, Das sei von den Komrendatoren, z. B. von Kulemann, dabin ausgelegt worden, daß, wenn der so modifizirte Nachweis ge- führt werde, sofort bei Vollendung des 70. Lebensjahres die Rente gezahlt werde, während das Reichs-Versicherung8amt zu der Jnterpre- tation Tomme, daß erst vom Beginn des auf das vollendete Lebens8- jahr folgenden Kalenderjahres an die Rente gezahlt werde. Diese Härte kônne nur durch eine Geseßzesänderung beseitigt werden, und so außergewöhnlich es sei, ein so großes und umfassendes Gesct in einem so speziellen Punkt allein abzuändern, so werde dies doch gerecht- fertigt durch die große Zaël von Leuten, die hiec in Betracht kämen; nach Bosse und v, Woedke hätten {on bei Erlaß des Gesetzes 121000 Arbeiter das 70. Lebensjahr überschritten, dazu kämen noch die Hunderttausende, die es in den nâbsten 30 Jahren überschreiten würden, und sämmtlih dur{sGnittlih cin halbes, häufig beinahe ein ganzes Jahr später in den Nentergenuß treten würden.

A0: Gberty: Als Vorstand einer Altersversicherungêanstalt wisse er, wieviel Enttäushung und Unzufriedenheit die gegenwärtige Fassung des §. 157 hervorgerufen habe, Wer mit dem Gesetz alle Tage zu thun habe, der merke bald, Waß noch viele und große Korrekturen eintreten müßten ; so sei z. B. das von der Reichsdruckerei zu den Karten gelieferte Papier nit von solher Beschaffenheit, daß die Marken daran fest klebien; eine Verfügung des Reichs-Ver- siherung8amts empfehle als Abhülfe, die Marke und diejenige Stelle der Karte, wo erstere aufgeklebt werden solle, ordentlich anzufeuhten und die Marke einige Zeit hindur fest anzudrücken; aber das helfe nihts, die Marken fielen do leiht ab; damit den Versicherten hier- aus keine Schäden erwücsen, werde cine geseßlihe Bestimmung nöthig sein. Ferner habe das Reichs-Versicherungsamt als Rekursinstanz die ersten Termine in die zweite Hälfte des Juni verlegt; bis dabin müßten im Streitfall vorläufig die Renten gezahlt werden, und bei der Vermögenélage der Rentcnempfänger sei auf eine Rückerstattung der bom Reichs-Versiherungsamt für zu unrecht empfangen erklärten Raten nicht 'zu rechnen; auch bier müsse Abhülfe eintreten. Er beantrage ferner, in dem Antrage Adelmann vor den Worten „das vollendete 40. Lebensjahr überstiegen hat“ einzuschalten: „an Jahren und vollen Wochen“, um den Zweck des Antrages klipp und klar aus- zusprechen.

Staatssekretär Dr. von Boetticher:

Ih kann dem Herrn Vorredner versichern, daß ich für meine Person nicht verwundert sein werde, wenn im Laufe der Zeit Vor- schläge zur Abänderung des Invaliditäts- und Altersversicherungs- gefepes eingebraht werden. Das liegt in der Natur der Sache. Es is eine Erfahrung, die wir mit allen unseren sozialpolitischen Geseßen machen werden, daß wir im Lauf der Zeit zu Korrekturen fommen müssen, und dieser Umstand ist ja auch kein besonders auf- fallender und besonders beklagenswerther. Er ist daducch erklärt, daß wir eben auf diesem Gebiete zuerst vorgegangen sind und ohne fremdes Vorbild den eigenen Weg haben suchen müssen. Ich bin auch der Meinung, daß es nicht im Interesse des Hauses liegt, jeßt auf diese einzelnen Gravamina, die, ohne daß ein Antraz zur Abstimmung vorliegt, von dem Herrn Vorredner berührt worden find, einzugehen. Wir werden uns später damit zu beschäftigen haben. Ih möchte nur glauben, daß namentli, was die Mangelhaftigkeit des Kartenmaterials und die Mangelhaftigkeit des Klebstoffes anlangt, daß da weniger die Gefeygebung wird helfen können, als die Ausführung des Gesetzes, und_ daß der Herr Vorredner als Vorsitzender einer Versiherungs- anstalt auf dem ganz richtigen Wege ist, wenn er, wenn das bisher bezogene Papier sich als mangelhaft herausgestellt hat, nun eine Quelle für besseres Papier sucht. Das ist, glaube ich, der rihtige Weg, auf dem man solche praktishen Schwierigkeiten beseitigt. Jch werde mich deshalb auf eine kurze Bemerkung zu dem vorliegenden Antrag der Hrrn. Graf Adelmann und Genossen beschränken.

Meine Herren, ih erkenne an, daß eine gewisse Unbilligkeit darin liegt, daß beispielsweise Jemand, der am 31, Dezember 1890 das 70. Lebensjahr vollendet hat und die übrigen Bedingungen für den Bezug der Altersrente erfüllt, bereits vom Januar 1891 ab seine Alters- rente bezieht, während andererseits der, welcher erst in der ersten Woche des Januar 1891 das 70. Lebensjahr vollendet, noch ein ganzes Jahr warten soll, bis er in den Genuß der Alters- rente tritt. Jch erkenne weiter an, daß die Absicht des Gesepgebers, über welche allerdings das RMeichs - Ver- siherung8amt in seinem Rundschreiben eine nach der wörtlichen Interpretation meines Erachtens ganz richtige Feststellung getroffen hat, dahin gegangen ist, die Wohlthaten der Uebergangsbestimmungen des §. 157 mögli weiten Kreisen zugänglih zu machen, und ih bin deshalb für meine Person bereit, dem Antrag, wie er hier vorliegt, auch demnächst im Bundesrath das Wort zu reden. Das einzige

Bedenken, weles meiner Ueberzeugung nach diesem Antrag entgegen- gestellt werden könnte, ist das, ob unsere Berechnungen für die Feststellung der Prämien richtig bleiben und ob sie diese Prämien fo ausreihend festgestellt haben, daß ein finanzielles Bedenken aus der Mehtbelastung, die den Versicherungsaustalten zweifellos noch der Annabme des An- trages Adelmann erwächst, nicht hergeleitet werden kann. Ich komme aber au über dieses Bedenken durch den Hinblick darauf hinweg, daß bei unseren Bere&nungen ausdrücklich die Wartezeit für die Altersrente (um die Invalidenrente handelt es sh hier nicht) außer Betracht gelassen worden ist, daß also die Mehrbelasiung, wie sie durch die Annahme des Antrages Graf Adelmann gegeben wird, wenn unsere Berehnungen sonst keinen Fehler an si tragen, mit den be- rechneten Beiträgen ganz unbedenkli® wird getragen werden können. Deshalb stelle ich auch dieses Bedenken zurück und kann mich also, wie gesagt, nur dabin aussprechen: Ich persönlich bin für den Antrag und hoffe, ihn auch bei den verbündeten Regierungen zur Annahme

zu bringen.

Abg. Schrader: Der Wortlaut des Gescßes bringe seinen Gedanken nit richtig zum Ausdruck. Eine Speztalkommission, an welcher auch Vertreter der Regierung theilgenommen hätten, hab- diefen Antrag vorbereitet, dessen Wortlaut die Absiht des Gesetzes kforreft auédrüde. Er könne verstehen, daß sehr viele mit ihm un- zufrieden seien, er verstehe auch, wenn viele die Verantwortung für das Gese abzuschütteln suchten.

Damit {ließt die erste Lesung; in der zweiten wird der Antrag mit dem Zusaß des Abg. Eberty angenommen.

_ Darauf wird die dritte Lesung des Arbeitershuß- gesetzes, und zwar die Generaldiskussion fortgeseßt.

Abg. Joest: Die Arbeiter verlangten vor Allem Koalitions- freißeit, Schuß gegen maßlose Ausbeutung dur@ Firxirung eines Normal- oder Maximaiarbeitstages und eine ausreichende, geseßlih fixirte periodishe Ruhe, was man unter dem Namen „Sonntagsruhe* verstehe. Keiner dieser berechtigten Ansprüche sei in dcr Vorlage nach ihren Wünschen ausreichend geregelt, und die dritte Berathung werde keine wesentliche Aenderung bringen. Aller- dings seien auf manchen Gebieten einige Verbesserungen des jeßigen Zustandes vorgenommen worden, andererseits aber auch ganz wesent- liche Verschlehterungen. Die Vorlage biete also keinen Acbeitershutz, sondern sei cin Kampfgeseß gegen die Arbeiter, ein Ersaß für das Sozialistengeses. In Bezug auf die Sonntagsruhe seien Ver- besserungen eingeführi , aber an anderen Stellen seien sie fo durh- löchert worden, daß gegenüber dem bisherigen Zustand wenig übrig bleibe. Aber auch das Wenige erkenne er gern an. Auch die Bestimmungen über die Kinder- und die Frauenarbeit enthielten einen Fortschritt. Dagegen zeigten die Paragraphen über die Befugniß der Arbeitgeber zur Lohneinbehaltung deutlich das Kampfgesetz, und wirkten um so \{limmer, als sie zur Zeit eines wirthschaftlichen Niederganges Gescß würden, wo die Arbeiter sie si ruhig gefallen laffen müßten, Was die Befugniß der Gemcindebehörden, die niht majorennen Ar- beiter geradezu unter Kuratel zu stellen, betreffe, so möchte er fast aus Bosheit wünschen, daß recht viele Gemeindebehörden, namentlich in größeren Städten, davon Gebrauch machten; dann würde si herausstellen, wie unhaltbar diese Bestimmung sei. Ein sehr wesent- liher Rückschritt liege in der Verhinderung der Strikes, Allerdings scien Strikes niht geradezu wünschenswerth und eine zweischneidige, aber auch die einzige Waffe des Arbeiters im wirthschaftlichen Kampf. Der Industrie und Landwirthschaft griffen in Nothlagen Regierung und Reichstag tes helfend unter die Arme durch Zölle und andere Maßregeln, für das Interesse der Arbeiter schritien sie niemals ein Im Gegentheil, die Staatsgewalt unter- stüße die Unternehmer im Kampf mit den Arbeitern und die Polizei nehme dafür ein Geschenk von 3000 & an. Ein Polizei - Präsident, welcher von den Sozialdemokraten 3000 annäbme, würde mit Schimpf und Schande aus dem Amte gejagt. Die Unternebmer führten den Kamvf viel gchässiger als die Arbeiter. Sei jemals ein Strike auêëgebrochen, weil der Prinzipal kon- servativ gewesen sei? Schrieben die Arbeiter ihm jemals vor, welhe Zeitung er lesen solle, verlangten fie, daß er bei ihnen sh einen Heirathskonsens für seine Tochter hole ? Aber den Kampf gegen die Arbeiter führe man ihrer Gefinnung wegen, weil sie Sozialdemokraten seien. Die Arbeiter ftrikten nit aus Lust am Strike, sondern viele Strikes würden dur die Arbeit- geber frivol provozirt. Jn Mainz hätten Arbeitgeber trotz ver- einbarten Tarifs plößlih die Löhne um 5 bis 25/0 herabgeseßt : welcher Staatsanwalt verfolge diesen Kontraktbruch? Die Unter- nehmer provozirten die Striïes, um die Preise erhöhen zu können. Das Gesetz betrete nicht die Wege zum Frieden, sondern treue die Saat der Zwietraht aus. Nach der Broschüre: „Ein Komplott gegen die Arbeiterklasse“ habe der Kriegs-Minister ecklärt, die sozialdemokratishen Arbeiter sollten von der vaterländiswen Arbeit ausgeschlossen werden. Aber von der vaterländishen Wehrpflicht und den vaterländisGen Steuern \{liee man fie nicht aus. Allein man werde sehen, daß die Arbeiter durch Ovpfer, Begeisterung und Ausdauer im Kampf, durh ununter- brohenes Fordern doch zu ihrem Ziele kommen würden. Die Arbeiterorganifationen wolle man verhindern, aber noch niemals hätten Arbeiter von einem Fabrikanten verlangt, daß er aus irgend einem Fabrikantenverein austrete. Seine Partei würde es mit Freuden begrüßt haben, wenn der Reichstag das Geseg so gestaltet hâtte, daß die sozialdemokratishe Fraktion dazu Ja hätte sagen können; das würde ein {öner Triumph des Reichstages gewesen sein. Den Normalarbeitstag hâtte eine der einflußreihsten Parteien, die ihn selbs häufig beantragt habe, in das Gefeß Hineinbringen können, wenn sie fich nicht bei dieser Gelegenheit zurückgezogen hätte. Die cnglishe Industrie sei troß ihres Marimalarbeitstages auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig geblieben. Biele deutshe Arbeitgeber würden für einen Maximalarbeitstag dankbar sein. Etwaige Schäden würde die Technik, die jeßt mit Siebenmeilenstiefeln vorwärts s\creite, bald beseitigen. Für die Konkurrenz auf dem Weltmarkt komme au nur ein kleiner Theil der Gefammtprodbuktion in Frage. Troß der Fortschritte, welche das Ge- seß an einigen Stellen biete, fei es für ihn unannehmbar, denn seine Nachtheile überwögen die Fortschritte bedeutend. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) j

Abg. Dr. Lingens: Um die Ziele, die mit der Vorlage ange- strebt würden, zu erreihen, müsse man in erster Linie die Kirche zur Hülfe heranziehen; die Kirhe und ihre Organe hätten hon Viele, die fonst wirthscaftlich verkommen gewesen wären, gerettet, indem sie in ihnen das Vertrauen zu Gott geweckt hätten, und er könnte viele ihm persönlich bekannt gewordene Fälle anführen, wo die Kirche sich gerade Arbeitern gegenüber segensrei erwiesen habe.

Damit schließt die Generaldiskussion.

Jn der Spezialdebatte bemerkt zu Artikel A, welcher in offenen Verkaufsstellen einen Gewerbebetrieb an Sonn- nnd Festtagen nicht zuläßt, soweit Gehülfen, Lehrlinge und Ar- beiter im Handelsgewerbe an diesen Tagen nicht beschäftigt werden dürfen,

Abg. Dr. Krause: Er empfehle die Ablehnung diefes Artikels, welcher gar nicht in die Voclage passe, und dessen Ablehnung er in zweiter Lesung beantraat hake. Hier solle, niht im öffentlichen Interesse, sondern im Interesse der Konkurrenz den selbständigen, obne &ebülfen arbeitenden Gewerbetrcibeiiden eine Beschränkung auf- erlegt werden; solhe Beschränkungen gehörten aber nit in dieses Gesetz hinein und diese Bestimmung würde einen weiteren Suß des stärkeren Betriebes, der mit Gehülfen arbeite, dem {ch.oächeren gegen- über bedeuten, während doch der Zug der Gescigebung allgemein auf Stärkung der Shwächeren hingehe. Man- möge dem kleinen Ge- \chäftsmann die Möglichkeit lassen, am Sonatag ein Geschäft zu machen, tem Vublikum die Möglichkeit, auch am Sonntag feine Be- dürfnisse zu befriedigen, man wecde- damit “cin Sicherheitsventil für die Durchführung der übrigen Bestimmungen schaffen. -

Artikel A wird unverändert genehmigt; ebenso Artikel B, welcher den Gewerbebetrieb im Umherziehen an Sonu- und Festtagen überhaupt verbietet.

Artikel 1 enthält die neue s Gewerbeordnung, „gewerbliche Ar treffen die allgemeinen Verhältnisse.

8. 105, welcher den freien Arbeitsvertrag vorbehaltlich der dur Reichsgeseß begründeten Beschränkungen statuirt, wird ohne Debatte angenommen.

Die 88. 105 a—105 i betreffen die SonntagSsruhe. ___§. 105b enthält das Verbot der Sonntagsarbeit und die für das Handel3gewerbe zulässigen Ausnahmen.

Nah dem Beschlusse zweiter Lesung sollten Handels- gewerbegehülfen, Lehrlinge und Arbeiter an den drei hohen Feiertagen überhaupt nicht beschäftigt werden.

Ein Antrag dec Abgg. Dr. Gutfleisch, Dr. Harft- mann, Möller, Freiherr von Stumm will auch an diesem Tage die Beschäftigung, jedoch nur mit unaufschiebbaren Ar- beiten und nicht über zwei Stunden hinaus gestatten.

__ Abg. Dr. Gutfleisch: Diesen Antrag habe er gestellt, nachdem ein ähnli lautender in zweiter Lesung eingebrachtier Cinwände ge- funden habe. Da auch der gegenwärtige Antrag in privaten Bes \sprehungen mit Vertretern anderer Fraktionen zwei Einwände ge- funden habe, zögen die Antragsteller ihn wieder zurü, Sachlich werde diese Forderung befriedigt durch einen Antrag, den fie zu §. 10% e stellen wücden.

_ Abg. Singer: Es seien viele Petitionen auch nach der zweiten Lesung an den Reichstag gelangt, worin der dringende Wunsch a:18s gesprochen werde, die Sonntagsrube der Gewerbetreibenden nit das durch zu beeinträchtigen, daß man die zulässige Arbeitszeit theils auf den Vormittag, theils auf den Nahmittag verlege. Hier in Berlin bätten bekarntlich Versammlungen stattgefunden, worin für die Hand- lungsgehülfen vollständig freier Sonntag Nachmittag und Scliezen der GesLäste um 12, spätestens um 1 Uhr gefordert werde. Eine folhe Versammlung habe eine Abordnung an den Handels. Minister geshickt und dieser habe ihnen eröffnet, vaß es nicht mögli sei, ihre Wünsche überall durchzuführen. Für große Städte würde er aber dafür sorgen, daß am Sonntag-Nachmittag die Geschäfte ge- {lossen blieben. Es sei sehr erfreulich, daß in dieser Weise für Preußen die Sache günstig erledigt werde, aber er fürhte, in anderen Staaten werde das Gleiche nit allerwegen erreiht werden. Daß kein Bedürfniß vorliege, mit Rücksicht auf die Einkäufe der Land- bevölkerung die Geschäste in leinen und mittleren Städten an den Sonntag-Nachtnittagen offen zu halten, beweise die Thatsache, daß unter den erwähnten Petitionen sih auch solche aus kleinen Städten befänden. Seine Partei habe in zweiter Lesung dic Bestimmung be- antragt, an Sonntagen die Geschäfte um 12 oder 1 Ußr schließen zu laffen, und sie verzihte auf die Wiederholung dieses Antrages, weil er keine Aussiht auf Annahme habe und feine Partei bei der Ge- \häftslage des Hauses die Zeit niht mit aussichtslosen Anträgen vergeuden wolle, wenn es sih niht gerade um grundsäßlie Punkte handle. Aber sie lege den Mehrheitsparteten nahe, noch jeß1 in zwölfter Stunde den gewünschten Antrag zu stellen 1nd anzunehmen.

Abg. Gehlert: Der Abg. Schmidt-Sachsen habe am 12, Fe- bruar gesagt, in einer Papierfabrik in Chemniß würden 12, 14 und 15 & Arbeitslohn für die Stunde gezahlt; die Besißer dieser Fabrik hätten ihn (dem Redner) einen Einblick in ihre Lokßnlisten gestattet, und danach belaufe sh der Lohn auf 23 bis 25, 19 bis 23 und 19 bis 20 § je nach den Arbeiterkategorieen; die an den Holländern Arbeitenden bekämen sogar 73 bis 109 « für die Stunde; eine Ausnahme machten allein Maschinenjungen, welche 12 bis 14 § bezögen, zwei Arbeiter mit 18 H, von denen der eine noch dazu eine Altersrente beziehe und der andere, ein {on älterer Mann, mit neben- sätlihen Arbeiten beschäftigt sei, Diese Säße würden seit dem 1, April 1890 bezahlt und bezeichneten eine Lohnerhöhung um einen Pfennig etwa gegen früher. Außerdem werde den Leuten eine Weihnactsgratifikation von 5—6 A bezahlt. Daß die Leute \ich unter diesen Verhältnissen ganz wohl fühlten, beweise die Thats- sache, daß Arbeiterwecsel dort sehr selten sei.

Vize-Präsident Dr. Baumbach ersuht den Redner, niht auf diesen Punkt weiter einzugeben.

Abg. Dr. Hirshch: Seine Partei habe in der Kommission und in der zweiten Lesung versuchbt, den Sonntag-Nachmittag den Ge- werbetreibenden ganz freizulassen. Die Rücksicht auf die Bedürfnisse der Landbevölkecung und auf die Nothwendigkeit, den kleineren Ge- werbetreibenden die Gelegenheit, ihr Geschäft zu betreiben, zu lassen, sei zwar jeßt noch berechtigt, aber nah kurzer Zeit werde auch hier eine Aenderung der Gewohnheiten eintreten und damit die Bestimmung h als durchführbar erweisen. Seine Partei bringe troßdem ihren Antrag nicht wieder ein, weil fe denselben für ausfihtêlos halte. Uebrigens fei ja glücklicherweise die Möglichkeit gelassen, dur Orts\tatut die Sonntag - Nachmittage freizulassen und feine Partei hoffe, daß von dieser Möglichkeit recht viel Gebrauch gemacht werden würde.

Abg. Dr. Hartmann: Es sei ein Irrthum des Abg. Singer, daß die Regierungsvorlage die vollständige Freilassung der drei hohen Fetertage enthalte; diese Bestimmung sei erst von der Kommission getroffen worden. Dem Wunsche des Abg. Singer, die völlige Frei- laffung des Sonntag-Nachmittags für die Handeltreibenden zu be- antragen, kônne feine (des Redners) Partei aus praktishen Gründen nit entsprehen, troßdem sie selb\t diese Einrichtung wünsche. Die Fleinen Leute müßten am Sonntag verdienen können und die Land- bevölkerung müsse am Sonntag Nachmittag ihre Einkäufe besorgen können. Seine Partei rene darauf, daß durch Ortsstatut da, wo es irgend angehe, der Sonntag-Nachmittag frei bleibe; wo die Nothwendig- keit ih herausftelle, den Nachmittag freizuhalten und die Verwaltung dem Bedürfniß nicht entgegenkomme, da könnten die Handlungsgehülfen dur eine rege Agitation ihre Wünsche durchzuseßen versuchen. Die Leute mögen jeßt nehmen, was sie bekommen könnten und damit zufrieden sein; jedenfalls erreihten sie wesentliche Verbesserungen, an deren Durchführung man noch vor wenigen Jahren nit zu denken gewagt habe.

Staats-Minister Freiherr von Berlepsh: / Meine Herren! Es ift zum §. 105b ein neuer Antrag nicht geo stellt worden. Ueber seinen Inhalt ift im Verlauf der bisherigen

assung des Titel VII der eiter“. 88. 105—120e be-