1891 / 107 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

E À

Es folgte die Gesammtabstimmung über den Geseß- entwurf, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, auf Grund der in dritter Berathung gefaßten Beschlüsse. Der Gesezentwurf wurde im Ganzen angenommen.

Es folgte die dritte Berathung des Entwurfs eines Ge- seßes, die Besteuerung des Zuckers betreffend, auf Grund der Zusammenstellung der in zweiter Berathung gefaßten Be- fhlüsse. ierzu lag folgender Antrag der Abgg. Dr. Orterer und Spahn vor: 4

1) Def 2 Piile / io M“ O „18 M“.

2) in folgeuder Faffung anzunehmen :

Auf die Dauer einer E vom 1. August 1892 bis 31 Juli 1897 werden für ausgeführten oder 1n etne öffentliche Niederlage oder eirie Privatniederlage unter amtlic;em Mitversluß aufgenommenen Zuer der im §. 66 Absaß 1 unter a, b und e be- zeichneten Arten, wenn die abgefertigte Zuckermenge mindestens 500 kg beträgt und soweit nicht der Zucker die im §. 66 vorgesehene Matertalvergütung erhält, Zuschüsse aus dem Ertrage der Zucker- steuer gebr A

ie Zuschüsse betragen:

1) für Zucer, welcher während der 3 Jahre vom 1. August

1892 bis 31. Juli 1895 zur Abfertigung gestellt worden ist: in Klasse a. V 7 Sattel 21/2006 ; 2.00. & v w Q Ra 0 1,65

9) für Zuder, wel&er während der zwei Jahre vom 1. August

1895 bis 31. Juli 1897 zur Abfertigung gestellt worden ift: U e I t tue D s Pad (1D e

C 140 ;

auf 100 kg” A :

Wird Zucker aus der Niederlage in den freien Verkehr oder in eine Zuckerfabrik entnommen, so ist der darauf gewährte Zuschuß zurückzuzablen, Der niedergelegte Zucker haftet der Steuervebörde obne Rücksiht auf die Rechte Dritter für den Betrag des ge- währten Zuschusses. ,

Dieser Antrag wurde von dem Mitantragsteller Abg. Spahn befürwortet. E

Der Reichskanzler von Caprivi gab Namens der ver- bündeten Regierungen die Erklärung ab, daß dieselben die Vorlage mit dem Antrage Orterer annehmen würden. Sollte ein darüber hinausgehender Antrag acceptirt werden, so würden die verbündeten Regierungen im nächsten Fahre eine neue Vorlage einbringen. Ob in derselben sih eine Uebergangsbestimmung für die Zuckerindustrie befinden werde, wie in dieser Vorlage, müsse er dahingestellt lassen. /

Abg. Graf Mirbach bedauerte, daß er diesmal nicht mit den verbündeten Regierungen übereinstimmen könne. Er könne weder für den Antrag Orterer noh für die Vorlage der ver- E Regierungen stimmen, troy der Drohurg des Reichs- Tanzlers. /

g Reichskanzler von Caprivi bestritt, daß er irgend Jemandem im Saule habe drohen wollen, der Reichstag handele ja nah Pflicht und Gewissen. Er habe nur flarstellen wollen, daß die verbündeten Regierungen später vielleicht die Zucker- industrie nicht dur eine Uebergangsbestimmung shügen könnten, wie es jeßt noch der Fall sei.

Staatssekretär Freiherr von Maltahn trat ebenfalls dem Abg. Grafen von Mirbach entgegen und vertheidigte den Standpunkt der Regierung. / :

Abg. Richter bemerkte, daß ihm sein Votum gegen den Antrag Orterer durch die Erklärung des Reichskanzlers sehr erleichtert worden sei. Werde der Antrag Orterer heute ab: gelehnt, so sei Aussicht vorhanden, daß eine neue Zulersteuer- vorlage überhaupt keine Prämie mehr Ae werde.

Abg. Fürst von Haßfeldt sprah ebenfalls gegen den Antrag Orterer. Er habe seinen in der zweiten Lesung gestellten Antrag auf zeitlich unbegrenzte Prämien nur deshalb nit wiederholt, weil ein solcher Antrag doch keine Aussicht auf Annahme habe.

Der Abg. von Koscielski verwarf den Antrag Orterer, weil derselbe ihm im Interesse der nothleidenden Landwirth- hast nicht weit genug gehe. (Schluß des Blattes).

Jn ver heutigen (84.) Sizung des Hauses der Ab: geordneten, welcher der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister dergeistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zed [iß- Trüßschler beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Entwurfs des Staatshaushalts-Etats für 1891/92 fort- geseßt, und zwar beim Kultus-Etat.

Bei dem Kap. „Schulkollegien“ wünschte Abg. Nadbyl eine Verlegung der Ferien an den höheren Schulen auf die Zeit von Anfang August bis Ende September. s:

Geheimer Regierungs-Rath Hoepfner erklärte, nit davon Kenntniß gehabt zu haben, daß in den östlihen Pro- vinzen ein derartiger Wunsch bestehe, sagte aber dessen Er- wägung zu. i

Abg. von Pilgrim, wünschte für den Westen die Ferien- ordnung der östlihen Provinzen, Abg. Wuermeling die Aufrechterhaltung der bisherigea A der Ferien.

Abg. Shmelzer meinte, daß im Westen die Wünsche in dieser Beziehung getheilt seien; empfehlen würde es sich, die Ferien nicht vor dem 15. Juli beginnen zu lassen. :

Abg. Knörcke bat, die Ferien der Elementarshulen in die gleiche Zeit wie die der höheren Schulen zu legen.

Abg: Czwalina möchte den Beginn der Schulferien und Gerichtsferien zusammenfallen lassen. {

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Stauder meinte, daß dann das zweite Vierteljahr des Sommer-Semesters zu kurz ausfallen würde. 8

Das Kapitel wurde bewilligt.

Bei dem Kapitel „Universitäten“ bat Viel Dr. Kro- patsheck um reihlihere Zuwendungen an diese Anstalten.

Die Abgg. Dr. Lotichius, Dr. P Ee Dr, Mit- hof f brachten Wünsche bezüglich einzelner Anstalten vor.

Der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedlig?Trüßschler dankte für die gegebenen Anregungen und sagte nah Möglichkeit ihre Erfüllung zu.

Das Kapitel wurde genehmigt.

Beim Kapitel: „Höhere Lehranstalten“ forderte Abg. Knör cke Erhöhung der Lehrergehälter. h

Der Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Graf von R G S bezeichnete es als sein Bestreben, die äußere Stellung der Lehrer zu fördern.

Abg. Schmelzer empfahl, die neugriecische Aussprache beim Unterciht des Altgriehishen einzuführen und den Gebrauch der neuen Orthographie auch den Behörden zur Pflicht zu machen oder sie ganz abzuschaffen.

Der Minister der geistlihen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedliß-Trüßschler stellte sih dem ersten Wunsche wohlwollend gegenüber und erklärte, daß über die Ortho- graphie Verhandlungen shwebten, die dem Verlangen des Vor- redners Rechnung tragen würden. :

Abg. Graf zu Limburg-Stirum {loß sich den Aus- führungen des Abg. Schmelzer an. i

Der Abg. Sperlich und der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedliß-Trüßschler sprachen für die Uebernahme des Realgymnasiums in Tarnowiß auf den Staat, während Abg. Graf zu Limburg-Stirum die von der Budgetkommission vorgeschlagene Ablehnung derselben befürwortete. ;

Das Quus beschloß die Uebernahme des Realgymnasiums in Tarnowig auf den Staat. (Schluß des Blattes.)

Dem Reichstage ist folgendes Schreiben zugegangen:

„Berlin, den 6. Mai 1891. Mit Ermächtigung Seiner Majestät

des Kaisers beehrt si der Unterzeichnete dem Reichstage den Antrag :

zur Vertagung des Reichstages bis zum 10. No- vember d. I. die Zustimmung zu ertheilen,

zur verfassung8mä igen Beschlußnahme vorzulegen. Der Stellvertreter #

des Reichskanzlers. von Boetticher.“ a

Die Wahlprüfungs-Kommission des Reichs- tages beantragt, die Wahl des Abg. Büsing im 2. Wahl- kreise des Großherzogthums Mecklenburg:Schwerin für gültig zu erklären; dagegen die Entscheidung über die Gültigkeit der Wahl des Abg. Müllensiefen im 5. Wahlkreise des Regierungsbezirks Arnsberg bis zum Eingang" weiterer Er- mittelungen auszuseßen.

* Die Budget-Komskission des Reichstages seßte heute die Berathung des Nachtrags-Etats bei dem in Höhe von 1425 000 Æ in der einmaligen Ausgabe des ordentlichen Etats für das Auswärtige Amt geforderten Zuschuß zur Förderung von Kultur und Handel im Scußtzgebiete von Kamerun fort. Die Position wurde mit 15 gegen 7 Stimmen angenommen. Die für das Reichsamt des Innern verlangten Summen wurden ebenfalls genehmigt, ebenso die für das Kriegs-Ministerium ver- langten, mit Ausnahme von 41304 4 für Brot- und Fourage- verpflegung. Auch die übrigen Positionen des Na(htrags-Etats wurden sämmtli bewilligt.

Auf der Tagesordnung für die 17. Plenarsitzung des Herrenhauses am Montag, den 11. Mai, stehen: die Interpellatiom des Herrn Grafen von Frankenberg über die Kanalisirung der oberen Oder; die einmalige Schluß- berathung über den zweiundvie-zigsten Bericht der Staats- \shulden-Kommission, betreffend die Verwaltung des Staatsschuldenwesens im Rehnungsjahre vom 1. April 1889/90, und Petitionen.

Jm 6. Wiesbadener Landtagswahlkreis (Oberlahn- kreis-Usingen) ist an Stelle des Landes-Direktors a. D. Wirth, welcher sein Mandat niedergelegt hat, der Landrath Dr. Be ck- mann (deutshkonservativ) mit 118 gegen 88 Stimmen, welche Münch-Diez (freisinnig) erhielt, zum Mitgliede des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.

L

Na Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.

München, 8. Mai. (W. T. B.) Der König von Jtalien ließ durch den hiesigen Gesandten Chevalier H. Cova der bayerischen Regierung sein tiefes Bedauern über den Tod des Professor Gregorovius aussprehen; der Prinz-Regent erwiderte die theilnahmsvolle Kundgebung dur den Ausdru seines tief empfundenen Dankes.

Braunschweig, 8. Mai. (W. T. B.) Anläßlich ss Geburtstages ern:nnte Seine Königliche Hoheit der

egent, Prinz Albrecht von Preußen, den Wirklichen Geheimen Rath, Mitglied des Staats: Ministeriums Otto zum Staats-Minister. : , -

St. Petersburg, 8. Mai. (W. T. B.) Die Bei- seßung der Leiche des Großfürsten Nikolaus fand heute in der Peter-Pauls-Kathedrale statt. Die Leiche war auf prahtvollem Katafalke, von zahlreihen Orden, Wappen und Kränzen umgeben, aufgebahrt. Gegen 11 Uhr versammelten sih der Kaiser, die Miserin, die übrigen Mitglieder des Herrscherhauses, die hier anwesenden fremden Fürstlihkeiten und andere Leid- tragende in der Kathedrale. Nachdem das feierliche Todtenamt celebrirt war, wurde die Leiche vom Kaiser und den Großfürsten um Grabe getragen und unter Salven in die Erde versenkt.

ie die „Nowoje Wremja“ mittheilt, legte auch eine bulgar i} che Abordnung am Sarge des Großfürsten Nikolaus einen Kranz nieder, der die Jnschrift trug: „Dem erlauchten Ober- Kommandanten der Armee während des Krieges zur Befreiung des Vaterlandes von den dankbaren Bulgaren.“

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

E E E E a

Wetterbericht vom 8. Mai, Morgens 8 Uhr.

\cheinlich sein.

j ! |

trüben Witterung mit Regenfall zunächst noch wahr-

Müller

Deutsche Seewarte. Der Garten ist eröffnet.

um.

Großes Garten - Concert,

j 1 | |

Stationen. | Wind. | Wetter. |

Bar. auf 0Gr.

u. d. Meeres\p. red. in Mill

L

Mullaghmore| 7 Aberdeen . . | 755 O Christiansund | 762 |S Kopenhagen . | 759 |ONO Stodtholm . | 768 |SO aparanda . | 769 |NO eterêburg . | 767 |W Moskau... | 768 |N

Cork, Queens- | 749 |NW 3 halb bed. | 754 |[WSW 3 wolkig 754 |SSW 1 'bedeckt 757 |DSO 3\wolkig amburg .. | 75 |NO 2 bededt winemünde | 757 |D 4 bedeckt Neufahrwasser 761 |SO 2 bedeckt Memel... |_76_ |SO ___3 halb bed. Hte Lie S TDB Dunst ünster. .. | 754 bededt Karlsruhe . . | 755 Regen Wiesbaden . | 755 Regen

8 |SSW 4 Regen 3 bededckt 1 wolkenlos 3 wolkig 2 wolkenlos 2 wo'fenlos 1 Nebel 1 wolkenlos

Anfang 7 Uhr

Anfang 7 Uhr.

fang 7 Uhr

Wally. Vorspiel

Theater-Anzeigen.

Bônigliche Schauspiele. Sonnabend : Opern-

haus. 115. Vorstellung. in 3 Akten von C. M. von Weber. nach einem Volksmärcen : Friedrich Kind.

Schauspielhaus. 121. Vorstellung. fung. Lustspiel in 1 Aufzug von Lothar Clement. Hierauf : Post sestum. von Ernst Wichert, fommene Frau. S{chwank in 1 Aufzug von Carl Görliß. In Scene gefeßt vom Regisseur Plashke.

Sonntag: Opernhaus. Prophet. Oper in 5 Akten von Meyerbeer. Text nah dem Französishen des Scribe, deuts bearbeitet von L. Rellstab. Ballet von Paul Taglioni. An- S&wank in 3 Akten von Albert Carré. von A Ton, L Sebk ge A Lt n : u . Male: er da rößere ui e So ne gs Roden S aa ist das Kleinere nicht werth. Schwank in 1 Auf | Roman gleihen Namens von Wilhelmine von | #!9_von Sigmund S&lesinger. Lillern. Antang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 122. Vorstellung. Die Geier-

64 Uhr, der Vorstellung 7& Uhr. Weib.

Der Freishüß. Oper F Text zum Theil „Der Freishüß“, von | Sonnabend :

Die Prü- | Musik von Richard Genée.

7 Uhr.

116. Vorstellung. Der

Mortier, bearbeitet von Th. Herzl. Musik von Adolf Bei günstiger Witterung vor der Vorstellung

Sonntag und folgende Tage:

Friedrich - Wilhelmstädtisches Mit neuer Ausftattung. Unter per- Male: Dirigent: KapeUmeister Kahl. | \önlicher Leitung des Komponisten. Nauou. Komische 50. und legten Male Operette in 3 Aktien von F. Zell und Rich. Genée.

DOLI Im prachtvollen Park: Große Militär-Concerte. Lustspiel in 1 Aufzug | Auftreten von Gesangs- und Inftrumentalkünstlern. Zum Scluß: Eine voll- | Anfang des Concerts 6 Uhr, Anfang der Vorstellung

Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Anfang 7+ Uhr. c: Sonntag und folg. Tage: Dieselbe Vorstellung.

Adolph Ernfst-Theater. Sonnabend: Zum 83. Male: Adam und Eva. Gesangsposse in 4 Akten von Ebvuard Jacobson und Leopold Ely. Couplets von Jacobson und Guftav Görß. Mußk

Anfang des Concerts | „on Adolyh Ferron. Im 4. Akt: Der unselige

Doupinel. Parodistische Einlage. Anfang 74 Uhr. Der Sommer-Garten ist geöffnet.

Des Teufels

Thomas-Theatier. Alie Zakobstraße 30, Sonnabend: Benefiz für Gustav Steffens. Zum Der Millioneubauer. Volksstück in 4 Akten von Max Kretzer. Gesangstexte im 3. Akt von À. Schnfeld, Musik von G. Steffens. Anfang 7F Uhr.

Sonntag: Zum 45. Male: Der Registrator auf Neisen.

Eröffnung des Sommergartens. Anfang des Con- cects 6 Uhr.

Theater.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.

Residenz-Theater. Direktion : Sigmund Lauten- Ra, : burg. Sonnabendk Zum 15. Male: Dr. Jojo, Am Landes - Ausstellnngs - Park (Lehrter Bahnhof).

Geöffnet von 12—1”. Uhr. Täglih Vorstellung im

Ds A Theater, Näheres die Anschlag-

Familien-Nachrichten.

München . . | 754 Chemniy . . | 754 Berlin... | 755 Wien .…... | 755 Breslau... | 756

bededckt Regen bedeckt halb bed. bedeckt

Ile d'Aix . . | 757

WNW

Ma Do Triest Spe A 753

SW O

Do O U! O D D pk I D O

Regen Regen

Regen

Uebersicht der Witterung.

Ein Hochdruckgebiet mit ruhigem, vielfa heiterem Wetter erstreckt \si{ von Nord-Schweden südostwärts nah dem Kaukasus hin, während ein Gebiet niederen Luftdrucks von den Britishen Inseln nach den Alpen hin verläuft. Unter dem Einflusse des Letzte- ren herrscht in Deutschland trübes Wetter mit Regenfall bei s{chwachen, im Norden östlichen Winden Süden meist südwestlichen

In Deutschland ift die

mit Erroärmung, im Winden mit Abkühlung.

Temperatur dur{schnittlich Regenmengen, 18 mm, sind am

normal.

Erhbebliche Bodensee gefallen. Da über West-Europa der Laftdruck allenthalben im Abnehmen begriffen ist, so dürfte Fortdauer der

Deutsches Theater, Sonnabend: Die Kinder

ver Excellenz. S onsag: Die Welt, in der man fich

langweilt. 3 tontag : König Heinrich der Vierte.

Berliner Theater. Sonnabend: Rosenkranz

und Güldeustern. Anfang 7# Uhr.

Sonntag: Nachm. 24 Uhr: Rosfenkrauz und Güldeufternu. Abends 73 Uhr: Kean.

Montag: Schuldig.

Tesäag-Theater. Sonnabend: Ultimo. Sonntag: Lettes Auftreten von Josef Kainz. Sodoms Ende.

Wallner-Fheater. Sonnabend: Z. 29. Male: Des Teunfels Weib. Phantastisches Singspiel in

Kroll's Theater. Sonnabend: Dic luftigen

Weiber von Windsor.

Sonntag: Die Zauberflöte. Birrenkoven )

Montag: Gastspiel der Königlich preußischen Kammersängerin Fr. Lilli Lehmann zum leßten Male : Fidelio.

Täglich: Bei günstigem Wetter „Großes Concert“ N Anfang F, der Vorstellung

r.

(Tamino: Hr.

Belle-Alliance-Theater. Sonnabend: Zum

20, Male: Der Giftmischer. Schwank in 4 Akten nach dem Französishen von Friy Brentano und Carl Tellheim. 4

Im prachtvollen, glänzenden Sommergarten (vor- nehmstes und großartigstes Sommer-Ctablissement der Residenz): Sroßes Doppel-Concert, Auftreten \ämmtliher Spezialitäten. Brillante Illumination des ganzen Garten-Etablissements. Anfang des Con- certs 6 Uhr. Anfang des Theaters 7} Uhr.

3 Akten und einem Vorspiel von Meilhac und

Verlobt: Frl. Marie Latrille mit Hrn. Schulamts- kfandidaten- Albrecht Kistiag (Prenzlau).

Verehelicht: Hr. I Es Paul Mayer mit Frl. Else Lindner (Magdeburg—Berlin). Hr. Regierungs-Baumeister Heydemann mit Frl. Martha Hohenstein (Berlin).

Geboreh: Cin Sohn: Hrn. Landrath Tenge (Ottweiler). Eine Tochter: Hrn. Haupt- mann Oscar John von Freyend (Stettin).

Gestorben: Hr. Amtsrichter a. D. Rudolf Reimann (Pleß). Verw. Frau Syndikus Agne (Etdorf, geb. von Waßbdorf (Neumark b. Mücheln).

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin: Verlag der Expedition (S ch olz).

DruC der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags- Anstalt, Berlin §8W., Wilhelmstraße Nr. 32.

Acht Beilagen (einscließli@ Börsen - Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Dentscher Reichstag. 116, Sizgung vom Mittwoch, 6. Mai.

Am Tische des Bundesraths die Staatssekretäre Dr, von Boetticher und Freiherr von Maltzahn und der Staats- Minister Freiherr von Berleps\ch.

8. 1204 giebt den zuständigen Polizeibehörden die Be-

“fugniß, die zur Durchführung der allgemeinen Grundsäße üver

Einrichtung und Unterhaltung der Betriebsstätten, Maschinen U. \. w. erforderlihen Anordnungen im Wege der Versügung zu erlassen, und regelt den Beshwerdeweg.

Ein Antrag Gutfleisch und Genossen will die Be- \hwerdefrist von zwei auf vier Wochen verlängern und außer- dem dem §. 120d einen Zusay geben, wonach den Berufs- (ELLNEISGIT ara ein selbständiges Beschwerderecht ver- iehen wird, wenn die Versügung den von den Berufsgenossen- schaften erlassenen Unfallverhütungsvorschriften widerspricht.

__ Abg. Noesicke befürwortet den Antrag Gutfleish. Es könne nit ausbleiben, daß die betreffenden Verfügungen der unteren Ver- waltungsbehörden den Vorschriften der Unfall-Berufsgenofsenschaften widersprähen, indem sie entweder mehr verlangten oder niGt so weit gingen wie die Vorschriften der Unfall-Berufsgenofsenshaften. Das sei umsomehr zu erwarten, als bei den unteren Verwaltungsbehörden wenig Sachverständige auf diesem Gebiete vorhanden seien. Es frage #ch nun, ob der Unternehmer sich den Polizeiverfügungen fügen oder auf Grund der Bestimmungen der Berufsgenossenschaften sein Be- \{chwerderecht wahrnehmen solle. Ec werde das Leßtere niht thun, wenn die Polizeiverfügungen ihm bequemer seien oder er nit in Kollision mit der Polizei kommen wolle. Auf seine Anregung sei de8halb das selbständige Beschwerdereht der Unfall-Berufsgenofsen- \{afts-Vorstände beantragt. Auch gegen den Antrag bezüglich der Beschwerdefrist sei nihts einzuwenden. Er bitte durch Annahme des Antrages den Unfall-Berufsgenossenschaften ein anerkennendes Zeugniß auszustellen.

8. 120d wird mit nommen. i:

Nach 8. 120e können durh Beshluß des Bundesraths Vorschriften darüber erlassen werden, welhen Anforderungen in bestimmten Arten von Anlagen zur Durchführung der in Rede stehenden Grundsäße zu genügen ist. Soweit diese Vor- schriften nicht vom Bundesrath erlassen sind, können sie dur Anordnung der Landes-Centralbehörde und durch Polizei- verordnungen erlassen werden. Vor dem Erlaß find die Be- rufsgenossenschaften gutachtlih zu hören. Dur Beschluß des Bundesraths kann für solche Gewerbe, in welchen durch über- mäßige Dauer der täglichen Arbeitszeit die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird, die Dauer der zulässigen täglichen E la und der zu gewährenben Pausen vorgeschrieben werden.

Den leßten Saß will ein Antrag Hartmann und Genossen dahin ändern, daß „Dauer, Beginn und Ende“ der zulässigen Arbeitszeit vorgeschrieben und die dazu erforderlichen Anordnungen erlassen werden können.

„Abg. Roesicke bemerkt, daß man in berufsgenossenschaftlihen Kreisen eine Beschränkung der Rechte der Berufsgenossenschaften durch dieses Gejeß befürhtet habe. weil zwishen Krankheitsverhütung und Unfallverhütung schwer zu unterscheiden sei und für erstere nah diesem Gefeß die Polizeibehörden Vorschriften zu erlassen hätten. Aber die jeßt existirenden Vorschriften der Unfall-Berufsgenossenschaften seien geltendes Recht, und die leßteren seien nah der Ansicht des Hauses, mit welcher auch die Vertreter der Regierung in der Kommission einverstanden gewesen seien, auch fernerhin berechtigt, in den bis- herigen Grenzen nicht nur Unfallverhütungs-, sondern auch gewerbe- hygienishe Vorschriften zu erlassen. Einen diesbezüglihen Antrag habe er mit Rücksicht auf die Geschäftslage und, weil bei anderer Stet des darauf zurückgekommen werden könne, niht mehr cin- gebracht.

Bayerischer BurdesbevolUmächtigter Ober-Regierungs-Rath Lan d- mann erklärt, sih auf die Frage, ob solhe Vorschriften der Berufs- genofsenshaften zulässig seien oder nit, nit einlassen zu wollen, und konstatirt nur, daß ein Einversländniß des Bundesraths in der vom Abg. Rocsicke ausgesprochenen Richtung bis jeßt nicht erzielt fei.

Abg. Dr. Hartmann begründet kurz seinen Antrag.

Abg. Roes ide bemerkt, daß er nicht vom Bundesrath gesprochen, fondern nur gesagt habe, die Ansicht der Vertreter der Regierung sei in derselben Richtung gegangen. Die Ausführungen des Ober-Regierungs-Raths Landmann widersprächen daher den seinigen

nicht.

Bayerisher Vevollmächtigter Ober-Regierungs-Raih Land- mann: Um Irrthümer für die Zukunft auszusließen, bemerke er, daß die Berufsgenofsenshaften auch in Zukunft nicht befugt seien, Vor- \hriften nit bloß in Bezug auf Unfallverhütung, sondern in Bezug auf Gewerbehygiene im Allgemeinen zu erlassenz Abg. Roesike habe bei der zweiten Lesung einen Antrag gestellt, um diese Befugniß der Berufsgenossenshaften für die Zukunft festzulegen. Die verbündeten Regierungen hätten hierüber Erörterungen gepflogen und seien überwiegend, wenn auh nicht übereinstimmend, zu dem Schluß ge- Tommen, daß einem derartigen Antrage entgegengetreten werden müsse.

Nachdem Abg. Roesicke nochmals einen Widerspruch zwischen den Üisffibrungen des Ober-Regierungs-Raths Land- mann und den seinigen bestritten hat, wird §. 120e mit dem Antrage Hartmann angenommen. -

Abschnitt 11 regelt die Verhältnisse der Gesellen und Gehülfen. :

S8. 121 bis 124a werden ohne Debatte im Wesentlichen un- veränderi angenommen. s

8. 124b segt für den Fall, daß der Geselle oder Gchülfe rechtswidrig die Arbeit verlassen hat, eine fixirte Entshädigung fest, welhe in N des ortsüblihen Tagelohns, höchstens jedoch für eine Woche vom Arbeitgeber verlangt werden kann. Diese Forderung soll an den Nachweis eines Schadens nicht gebunden sein. / i

Die Abgg. Auer und Gen. beantragen die Streichung des §. 124b, Ohne Debatte wird der Paragraph unver- ändert angenommen, ebenso die §8. 125 bis 134, nahdem Abg. Sin g er den sozialdemokratishen & "trag auf Streihung des S, 134 Abs. 2, wonach die Verwirkung des Lohnes für den Fall des Kontraktbruhs über einen durchschnittlihen Wodchenlohn hinaus niht ausbedungen werden darf, zurück- gezogen hat.

J 134a, der den Erlaß von Arbeitsordnungen vor- schreibt, wird mit einem redaktionellen Amendement Roesicke angenommen.

8. 134b bestimmt, was in der Arbeitsordnung enthalten sein muß. Nah dem Beschlusse zweiter Lesung dürfen Geld-

dem Antrage Gutfleisch ange-

Berlin, Freitag, den §. Mai

strafen den Betrag des ortsüblichen Tagelohnes nicht über- steigen und müssen zum Besten der Arbeiter der Fabriken

verwendet werden. Es liegt hierzu folgender Antrag des Abg. Dr. Gut-

fleisch und Gen. vor: : :

Geldstrafen dürfen die Hälfte des durhschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes niht übersteigen; jedo können Thâtlichkeiten gegen Mitarbeiter, erheblihe Verstöße gegen die guten Sitten sowie gegen die zur Aufrechterhaltung der Ordnung des Betriebes, zur Sicherung eines gefahrlosen Betriebes oder zur Dur{führung der Bestimmungen der Gewerbeordnung erlassenen Vor- \hriften mit Geldftrafen bis zum vollen Betrage des durchschnittlichen Tagesarbeitsverdienstes belegt werden. Alle Strafgelder müssen zum Besten der Arbeiter der Fabrik ver-

wendet werden.

Abg. Wöllmer: Der Antrag vershlechtere in der Haupt- fache den Beschluß zweiter Lesung, wenn er au den ersten Saß ver- bessere. Namentlih seien die Fälle, in denen die Strafe verdoppelt werden könne, so dehnbar und vieldeutig, daß man \ch{ließlih Alles darunter subsumiren könne.

Abg. Bebel: In dem Antrag sei nicht gesagt, wie oft in einer Lohnperiode die Strafe den ganzen Arbeitslohn absorbiren könne; das werde also eintreten, so oft es dem Arbeitgeber beliebe. Dem gegenüber gebe es für den Arbeiter keinerlei Becufung, denn das Gewerbegeriht werde nur selten angerufen werden können, und wo es geschehen könne, werde die Berufung die Entlassung des Ar- beiters zur Folge haben. Der erste Saß des Antrages freilih könne als Verbesserung aufgefaßt werden, und die Fabrikgeseßzgebung der S@weiz enthalte eine gleihe Bestimmung, aber hier sei dieser erste Sat nur Dekoration, alle seine guten Wirkungen würden durch die weiteren Bestimmungen aufgehoben, die viel zu vieldeutig und dehn- bar seien. Was heiße Verlegung der „guten Sitte“? Wenn ein Ar- beiter den Arbeitgeber oder dessen Frau auf der Straße nicht grüße, könne das als eine Verleßung der guten Sitte mit einem vollen Tagelohn bestraft werden? Wenn Verstöße gegen die Ordnung des Betriebes mit der gleichen Strafe bedroht seien, so werde damit jedes- Vergehen gegen irgend eine Bestimmung der Fabrikordnung betroffen, denn der Abg. Freiherr von Stumm werde in jeder Ver- lezung einer Bestimmung der Fabrikordnung eine Störung der Ord- nung des Betriebes sehen.

__ Abg. Hitze: Der Antrag beruhe auf einem Kompromiß und die Verbesserung durch den ersten Saß sei überhaupt nur dur

. Aufnahme des zweiten Theils zu erreihen gewesen. Abg. Bebel klage,

daß keine Grenze angegeben sei, wie oft in einer Lohnperiode die Bestimmung in Kraft treten dürfe; nun, so oft ein Vergehen erfolge, das unter diese Bestimmungen falle, daran sei doch nichts zu ändern. Was unter Verleßung der guten Sitte zu verstehen sei, darüber be- ständen eben allgemein gültige feste Anshauungen. Der Fall vom Nichtgrüßen auf der Straße passe niht hierher, weil es sich hier überhaupt nur um Vergehen handele, die im Arbeitsraum begangen würden. Es sei auch nicht richtig, daß jedes Vergehen gegen die Fabrikordnung hiernach als ein Verstoß gegen die Ordnung des Be- triebes betrachtet werden könne. Komme ein Arbeiter zu spät, so stôre er damit noch nit den ganzen Betrieb, komme aber der Heizer oder sonst ein für den Betrieb wichtiger Arbeiter zu \pät, fo sei Störung vorhanden. An der Aufrechthaltung der guten Sitte seien die Arbeiter s{chließlich mindestens ebenso interessirt, wie der Arbeit- geber. Die ganze Vorlage sei nah Ablehnung des §. 153 nur durch diesen Kompromißantrag für die Regierung annehmbar.

Staats-Minister Freiherr von Berlepsch:

Meine Herren! Namens der verbündeten Regierungen rihte ih die Bitte an den Reichstag, das Amendement des Hrn. Abg. Dr. Gut- fleisch und Genossen auf Nr. 468 der Drucksachen anzunehmen; die verbündeten Regierungen sind zwar der Anschauung, daß sowohl die Vorlage, als namentlich der Antrag des Hrn. Freiherrn von Stumm dem Antrag, wie er vorliegt, vorzuziehen sind, weil es einfacher und zweckmäßiger ersheint, daß ein Strafmarimum in der Arbeiterordnung vorgesehen wird, und die Unterscheidung zwischen erheblichen und nicht erheblihen Verstößen nicht gemacht wird. Auch die verbündeten Negierungen sind der Meinung, daß diese Kasuistik im Allgemeinen nicht wünschenswerth ist ; indessen, wie der Hr. Abg. Hitze bereits ausgeführt hat, dieser Antrag ift das Resultat eines Kompromisfses, und um die Annal,me auch dieses Paragraphen durch die Mehrheits- parteien des Hauses zu ermöglichen, erklären die verbündeten Regierungen, daß sie mit dem Inhalt desfelben einverstanden sind.

Meine Herren, ih muß hier die Gelegenheit benußen, um einige kurze Bemerkungen zu machen, die an und für sich vielleiht an eine andere Stelle gehörten, aber doch in einigem Zusammenhange mit 8, 134 b stehen. Die verbündeten Regierungen gehen von der Ueber- zeugung aus, daß es unerläßlich nothwendig sei, die Bestimmungen, die zur Aufrechterhaltung der Disciplin in den Fabriken unerläßlich nothwendig sind, auf ein Maß zu bringen, daß fie wirklich wirksam sind. Diese Ueberzeugung is noch stärker geworden, nahdem der Reichstag dazu übergegangen ift, den §. 153 der Vorlage abzulehnen. Ich will Sie in dem augenblicklichen Stadium urserer Berathungen niht mit ausführlichen Darlegungen aufhalten, mit Darlegungen, die den Standpunkt der verbündeten Regierungen bezüglich des S. 153 begründen sollen. Jch habe hier nur die Verpflihtung, nochmals Namens der verbündeten Regierungen zu erklären, daß sie den Erlaß von Strafbestimmungen gegen einen Zwang zur Einstellung der Arbeit und gegen die öffentlihe Aufreizung zu Kontraktbruch für unerläßlih noth- wendig halten und daß sie in diesem Standpunkt bestärkt worden sind durch die Erscheinungen der neuesten Strikebewegungen in dem westfälischen Bergreviere. (Sehr richtig!) Au diesmal haben sämmtlihe am Ausftande betheiligten Arbeiter ohne Ausnahme den Ausstand ohne Einhaltung der Kündigungsfrist begonnen, während ®auch nicht der. mindeste Grund dafür vorlag, die Kündigungsfrist nicht zu wahren. Auch hier wieder ist cin Zroang gegen Arbeiter ausgeübt worden, die si niht am Ausstande betheiligen wollten, und auch hier wieder haben öfentlihe Aufforderungen zur Arbeitseinstellung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist stattgefunden. Unter diesen Umständen lag den ver- bündeten Regierungen die Erwägung nahe, ob das Geset, das unserer Berathung unterliegt, für sie überhaupt noch annehmbar wäre, nachdem der §. 153 vom Reichstage abgelehnt is. Die Aufforderung, diesen Standpunkt einzunehmen, das Geseg für unannehmbar zu erklären, is von verschiedenen Seiten an die verbündeten Re- gierungen gelangt in der Presse wie in Petitionen, au, wie die Herren gehört haben, in zweiter Lesung aus der Mitte des Hauses heraus. Wenn die verbündeten Regierungen dieser Aufforderung nicht Folge

1891.

leisten, niht die Erklärung abgeben, daß das Geseß für se durch Ablchnung des §. 153 unannehmbar wird, so geschieht das in der Erwägung, daß man geseßlihe Bestimmungen, die man an und für sich für unerläßlich nothwendig hält, nit deshalb fallen lassen darf, weil andere geseßlihe Bestimmungen, die man ebenso für nothwendig bält im gegenwärtigen Augenblick niht zu erreihen sind. Nah der Meinung der verbündeten Regierungen wäre es nicht billig und nit gerecht, wenn man die Wohlthaten dieses Geseßes dem großen Theil unserer Arbeiterschaft vorenthalten wollte, der sich Verstöße gegen den 8. 153 nicht zu Schulden kommen läßt, weil ein anderer großer Theil der Arbeitershaft, wie das zu unserem Bedauern konstatirt werden muß, derartige Verstöße immer und immer wieder begeht und wirksame Bestimmungen gegen diese vom Reichstage nicht zu erreihen sind.

Die verbündeten Regierungen erklären, daß sie nah wie vor an der Ueberzeugung festhalten, daß Strafbestimmungen gegen den Zwang zur Arbeitseinstellung, gegen die öffentlihe Aufreizung zur Nieder- legung der Arbeit unter Kontraktbruch unerläßlich nothwendig sind, und daß, wenn der Reichstag bei dieser Gelegenheit die Vorschläge der verbündeten Regierungen in dieser Beziehung niht annimmt, er in späteren Zeiten wieder vor dieselbe Frage gestellt werden wird. Wir sind der Ueberzeugung, daß auf die Dauer der Reichstag {h der Ver- pflihtung niht wird entziehen können, zur Aufrechterhaltung der öffentlihen Ordnung und im Interesse des allgemeinen Wohls gegen die Ausschreitungen, die der §. 153 Treffen wollte, au seinerseits das Nothwendige zu thun. (Bravo! rets.)

Abg. Singer: Es sei nicht erwiesen, was der Handels- Minister über den leßten Strike behaupte, ja Thatsachen \sprähen für das Gegentheil, daß nämlich der Strike im Interesse der Unternehmer begonnen worden sei, und daß Kohlen- \spekulanten große Summen für das Entstehen des Strikes aufgewendet hätten, um die vorhandenen Kohblenlager werth- voller zu maten. Ueber das Aufgeben des §. 153 tröste sich der Handels-Minister mit der Vershärfung der Strafbestimmungen im §. 134b und zeige damit auch hier wieder, daß die Regierung ohne den Polizeistock® nicht auskommen könne, sodaß man sich bei diesem Standpunkt wirkli überhaupt wundern müsse, daß fie ein Arbeitershußgeseß in Angriff genommen habe. Die Strafgewalt des Arbeitgebers, der Ankläger und Richter in einer Perfon fei, müsse die Arbeiter erbittern. Die Ausführungen des Abg. Hitze bewiesen eigentlich nur, daß er innerlich sich der Ungerechtigkeit dieses An- trages voll bewußt geworden fei. Der Abg. Freiherr von Stumm habe erflöct, er würde seine Zustimmung zu dem Gesey abhängig machen von einer Verschärfung des §. 134 b, und die Abgg. Dr. Gut- fleisch und Genossen bâätten fh dem gegenüber willfährig erwiesen. Es habe kein Grund vorgelegen, über die Bestimmungen der zweiten Lesung hinauszugehen. Die Ausführungen des Abg. Hige dem Abg. Bebel gegenüber seien unzutreffend, denn der Begriff des Verstoßes gegen die guten Sitten sei in der That ein sehr schwankender, und die Arbeitgeber würden dieses Wort häufig in der rigorosesten Weise auslegen. Auch unter Ordnung des Betriebes könne man recht verschiedenartige Dinge verstehen. Das Beispiel des Abg. Hitze sei geshickt konstruirt, aber wenn ein Arbeitgeber eine abweichende Auf- fassung von dem Begriff „Ordnung des Betriebes“ habe, werde der Abg. Hiße ihm das Unrichtige seiner Meinug auch nicht nachweisen können, Also diese ganze Bestimmung müsse als arbeiterfeindlich an- gesehen werden. Man wolle die Arbeiter durch Strafvor- [riften zur Ruhe eines Kirchofs zwingen; durch diese Be- stimmung würden die ganzen wohlthätigen Bestimmungen der Vorlage, von denen der Staats- Minister gesprochen habe, illusori\ch_ gemacht. Auch durch die Bestimmungen, daß die eingegangenen Strafgelder im Interesse der Arbeiter verwendet werden sollten, werde nihchts genügt; denn die Arbeiter wollten sich nichts \chenken lassen, sie wollten keine Wohl- thätigkeit, sondern sie wollten nur, daß sie ihren er- arbeiteten Lohn, auf den sie Anspruch hätten, unverkürzt bekämen. Ein Betrieb, der nur durch Geldstrafen regiert werden könne, stehe überhaupt nicht auf der Höhe, die seine Partei wünsche. Die heutige bürgerlihe Gesellschaft habe über das Urtheil des Arbeiters über Geldstrafen eine ganz falsche Meinung; der Arbeiter sei nah seiner ganzen Auffassung der Dinge viel zu wenig materia- Listisch gesinnt, als daß er sich durch Geldstrafen von einer Handlung zurückhalten ließe, die er im Interesse seiner Ehre und seiner Würde für nöthig halte. Geldstrafen würden das, was man unter guter Sitte verstehe, niht herbeiführen. Man möge do au bedenken. daß man mit der Strafe niht nur die Arbeiter treffe, sondern auch Set ti an dem Verschulden des Arbeiters gar nicht betheiligte

amilien.

__ Abg. Freiherr von Stumm: Der Abg. Singer fage, es sei niht erwiesen, daß an dem leßten Bergarbeiterstrike die Arbeiter Schuld seien. Damit kôane man jede Thatsache in Abrede stellen. Die Kohlenspekulanten und die Arbeitgeber hätten sehr häufig ganz entgegengeseßte Interessen, wobei er (Redner) nicht zugebe, daß die Kohlenspekulanten hier die Rolle gespielt hätten, die der Abg. Singer ihnen zuweise, Der §. 153 sei doch niht zu Gunsten der Kohlenspekulanten da, sondern zum Schutze der Arbeiter. (Sehr richtig! rechts und im Centrum.) Er wolle niht untersuchen, ob der §. 153, wenn der Handels-Minister erklärt bätte, daß das Geseg ohne ihn niht zu Stande kommen würde, nicht durzuseßen gewesen wäre, er (Redner) habe aber diese Ansicht. Für alle die Arbeiter, welche Hungerlöhne hätten, bedeute der Antrag Guifleisch eine Herabsezung der Strafe. Die Konzessionen, die er (Redner) hier gemacht habe, seien viel erhebliher als die von anderen Seiten. In dem sozialdemokratischen Parteiblatt in Magde- burg sei seine Arbeitsordnung einer \{arfen Kritik in beleidigender Weise unterzogen worden, und zwar auf Grund seiner alten Arbeits- ordnung von 1864, die \chon lange niht mehr gelie. Er habe keinen Strafantrag gegen das Blatt gestellt, müsse aber annehmen, daß es mala fide die Unwakbrheit gesagt habe, indem es die neue Arbeits- ordnung unberücksichtigt gelassen habe. Er bitte den Abg. Bebel, wenn er seine Arbeits8ordnung angreife, nit nur selbst bei der Wahr- heit zu bleiben, sondern auch dafür zu sorgen, daß man außerhalb des Hauses bei der Wahrheit bleibe.

Abg. Dr. Hirsch: Er sche in dem §. 134b gar keinen Zu- sammenhang mit dem §. 153. Der Zusammenhang scheine hier künstlich konstruirt zu werden. Wenn der Handels-Minister heute wieder die Arbeiter beshuldige, cin großer Theil von ihnen neige zum Kontraktbruh, so müsse er (Redner) dieser Anschuldigung ent» schieden entgegentreten. Bei dem ganzen Strike handele es h im Ganzen um 30000 Arbeiter, welche kontraktbrühig geworden seien ; was bedeuteten diese gegen die 11 Millionen deutscher Arbeiter über- haupt? Auch an diesem Strike trügen die Arbeitgeber und ihre Beamten, wie der Staats-Minister selber niht bestreiten werde, einen großen Theil der Schuld. Er (Redner) bedauere die Einbringung des Kompromißantrages, der den Beshluß zweiter Lesung wieder um- werfe. Die Vorlage habe den doppelten ortsüblihen Tagelohn ge- wollt; er habe in der Kommission die Fixirung des einfahen orts- üblichen Tagelohns erreicht. Die jetzige Unterscheidung zwischen er-