Auf der Mittelskufe soll er deutsch ertbeilt werden, die polnische Sprae kann zu Hülfe genommen werden; und ebenso soll er avf der Oberstufe deutsch ertheilt werden, aber aub hier kann das Polnishe zu Hülfe genommen werden. Also ein rein deutf{er Religiongunterriht diesen Kigdern gegenüber besteht nicht.
Nun sagt der Hr. Abg. Zaruba: Die Ergebnisse dieser Unter- ri&tsform seien ungenügende gewesen. Ih bin sehr gern bereit, das erneut zu prüfen, aber darauf darf ich binwcisen, daß während der Zeit, in welher ih an der Spitze des ober s{lesis{en Regierungs- bezirks stand, der damalige Herr Fürstbishof von Breslau eine von mir sehr freudig begrüßte, eingehende Revision einer groSen Zahl von Sgulen durch seine Organe hat vornebmen lafscn und daß i zur Theilrabme an dieser Revision den den Herren aus Ober-S{hlesien gewiß wohlbekannten und weder nas seiner Kenntniß der polnische:n Sprache und der volnishen Ver- bältnifse, noch na seiner strengen Katbolizität bin irgendwie anfecht- baren, hoverdienten — ih freue mich, das hier zu Ehren dieses Mannes, der unter mir gearbeitet hat, ausfprechen zu können — boverdienten Schulrath S{ylla entsandt habe; und das Ergebniß dieser auf bischöflihe Instanz und dur bischöflide Kommissare aus- geführten Revision ist ein durchaus befriedigendes gewesen. (Hört! rechts.) Í
Fa, meine Herren, Sie müsen es nit übel nebmen, daß die Staatéregierung, die doch den Wunsch haben muß, daß die Bevölkerung mehr und mehr si assimilirt, den Klagen aus Bezirken, wie Ober-S&lesien, etwas skeptisch gegenübersteht (Sehr richtig! rets), daß sie um so skeptischer ist, wenn gleihzeitig — wie das jeßt leider der Fall ist — von Außen in eine Bevölkerung und einen Distrikt, der es sih bis jet zu einer besonderen Ehre rechnete, preußisch und vielleicht preußisher zu sein, als andere Distrikte, eine nach jeder Richtung hin verwerfliche nationale Agitation bineingetragen wird. (Bravo! rets.)
Der Hr. Abg. von Jaédzewski hat zwei Fragen an mi gerihtei. Ich lasse dahingestellt sein, ob es — auch im íInteresse der Herren — zweckmäßig und taktisch richtig ist, mich, den neuen Unterrihts-Minister, {on jeßt und fo bald nah Erlaß der von dem Abgeordneten so hoch geshäßten Verfügung vom 11, April vor fo \&werwiegende Fragen zu stellen. Meine Herren, als ich bekundete. diese Verfügung zu erlassen, wurde wir von verschiedenen Seiten, und zwar nicht etwa — um fkeine Mißverständnisse aufkommen zu lassen — aus meinem Ministerium, sondern von Seiten, die außerhalb detselben stehen, das Bedenken ge- äußert: „Sie betreten eine gefährlihe, durGaus den Cha- rakter der schiefen Ebene LkEabende Bahn (Hört! rechts); wir machen Sie darauf aufmerksam, daß, wenn Sie den kleinen Finger geben, sehr bald von Ihnen die Hand gefordert werden wird.“ (Sehr wahr! Hört! rechts.)
Meine Herren, an diese Stelle kann ein Mann treten, wie er will, — die ganze Hand Tann er Ihnen niemals geben (Bravo! rechts), und deswegen, glaube ich, ift es im höhfien Maße bedenklich, jeßt {on mit erneuten Forderungen an die Staatsregierung beran- zutreten, die Ihnen eben, wie ih glaube, ein Zeichen sehr weitgehenden Vertrauens gegeben hat. (Sehr gut! rechts.)
Nun noch ein Wort zur konkreten Erwiderung auf die konkret gestellten Fragen. Der Erlaß ift, glaube i, von Hrn. von Faédzewski hier nit ganz zutreffend kommentirt worden. Die Staats- regierung sagt :
Aus dem Kreise der katholischen Geistlihßen wird die Beschwerde erboben, daß die Erfolge des in polnischer Sprache ertheilten Reli- gionsunterrihts in den Volks\{Gulen durch den Fortfall des polni- \{en Spraunterrihts beeinträ&@tigt werden, und daß die Möglich- keit, diefer Beeinträchtigung durch Einrichtung polnishen Privat- unterrichts vorzubeugen, abgeschnitten set.
Meine Herren, das ift sedes materiae, das ift die Vorfrage, die ih dahin beantwortet Fabe: dem Wunsche foll entsprochen werden, die Möglichkeit, daß polnischer Privatunterricht ertheilt werde, will ih einräumen.
Wenn jeßt aus diesem Umstand gefolgert wird, daß ih meiner- seits nun auch, und zwar mit staatlichen Fonds, diesen Privatunter- rit remuneriren müßte, — ja, meine Herren, dann ift es eben kein Privatunterriht mehr (sehr rihtig! rechts), sondern dann ift es ein ganz offizieller Unterriht wie jeder andere. Ih muß also die erfte Frage des Hrn. Abg. von Jazdzewski verneinen.
Wenn er sodann die zweite Frage an mi rihtet: wo foll die Zeit berkommen? — nun, meine Herren, wer die Verhältnisse auf dem Lande und in den Städten praktis kennt, weiß: wo der Wille ift, da finden stch nicht nur die Mittel, sondern da findet sih au die Zeit. (Sehr gut ! rechts.) Ich glaube, es ist wirklich zu viel von mir verlangt, diese Frage zu beantworten. (Bravo !)
Abg. Knörcke: Für die als nothwendig anerkannten Gehalts- aufbeferungen für die Seminarlehrer müsse der Staat auch Geld baben. Der Abg. Fuchs habe über die Lehrer ein so hartes Urtheil ausgaesproden, daß man fast zu sagen geneigt sci, er verstände von der ganzen Sache gar nichts. Seitdem Pestalozzi die neuen Grund- sätze der Erziebungslehre aufgestellt habe, die den Abgeordneten vom Centrum vielleiht niht gefielen, betrahte man die Schule nicht bloß als eine Vorbereitung für die Kirhe. Wenn das der Fall wäre, müßte man die Schule und zwar nicht bloß die Volkss{hule, sondern auch die böberen Lehranstalten der Geistlichkeit unterstellen. Wenn den Polen gegenüber die Gefahr vorliege, daß sie die ganze Hand haben wollten, so fei die Gefahr dem Centrum gegenüber noch viel größer. (Sehr ri®tig! links.) Gr möhte dem Minister deshalb rathen, mit scinem Entgegenkommen etwas vorsichtiger zu fein.
__ Abg. v. Pilgrim stellt aus seiner Erfahrung heraus fest, daß es in den S&ulen vor 1870 nicht besser gewesen sei als jeßt, daß vielmehr jeßt die Sculen viel mehr leisteten als früher, auch in Bezug auf den Religionsunterriht. Die Schule erfülle ihre Auf- gabe, aber wenn die Kinder die Schule verließen und in die Fabriken gingen, dann werde das Gute ihnen ausgetrieben.
_ Abg. Dr. Vir chow : Seine Partei habe si eine große Zurückhaltung auferlegt. Aber sie könne \ch{ließlich nicht s{chweigen, wenn ihr fol{e Dinge gesagt würden, daß die Siege von 66 und 70 dur die Kirche erfohten seiea und daß na 70 die Sozialdemokratie entstanden sei in Folge anderer Sculeinrihtung. Es enispreche doch nicht dem ge- sunden Mens@enverstande , daß die Menschen nur auf die Erde ge- kommen feien, um sh für den Himmel vorzubereiten. (Lebhafter Widerspru re{chts und im Centrum.) Die Menschen sollten Menschen sein, und wenn sie das ordentli wären, dann würden sie {ließli au in den Himmel kommen.
… Abg. Lohren bleibt bei feinen Klagen über die mangelhaften Leistungen der Volksschulen stehen und tritt für die Aufbesserung der Gehälter der Seminarlehrer ein, welche \{chle{ter gestellt seien, als die Kanzlisten, die Gerichtésekretäre u. \. w., für welche in den letzten
Jahren dreimal Geld für Gehaltserböhungen vorhanden gewesen sei. Abg. Porsch: Die Stellung seiner Partei zur Séule fei aus
ihrem Schulantrage und aus ihrer Stellungnahme zum Goßler'sGen Volkéshulgesez bekannt. Dem Lehrerstand sei sie dankbar, weil er unter den \&wierigsffen Umftänden die Erziehung der katholischen Kinder geleitet habe. Man habe das treue Bekenntniß zur katholischen Kirche während der Kulturkampfszeit als Reichsfeindshaft angesehen ; dadur sei an dena Lebrerstand die VersuWung berangetreten, si der Kire feindlich gegenüberzustellen. Dieser Kulturkampf habe den religiösen Zustand des Volkes erschüttert, er babe den Lehrer- stand und die Schule geschädigt. Aber man müsse immer noch dankbar sein, daß der Lehrerstand mit solcher Treue diese {lehten Sahre durhgematt habe. Die Sozialdemokratie verlange möglihft viel Bildung, nit weil sie glaube, daß die Leute sich dadur Religion erwürben, sondern nur, weil sie dadur s{chneller reif würden für die Sozialdemokratie. Seine Partei wolle deshalb im Interesse des Staats die religiöse Erziebung, niht für si. Mit aller _Grt- sciedenheit müsse sie den Vorwurf zurückweisen, daß die Schule die Magad der Kirche fein folle, aber die Kinder sollten für die Ewigkeit erzogen werden und nichi für die kurze Spanne des irdi- {en Daseins. Er sei überzeugt, die überwiegende Mehrheit dieses Hauses werde bestrebt sein, darauf hinzuwirken, daß ein religiöfes Geshlecht groß gezogen werde, welhes der Sozialdemokratie Abbruch thue. Redner cmpfahl dann die Berücsihtigung der Wünsche des Abg. Zaruba. : / L S
Abo. Schmelzer: Die Nationalliberalen würden bereit sein, die Gelder für die Aufbesserung der Gehälter der Seminarlehrer zu bewilligen. Die Vertiefung und Verallgemeinerung der Bildung stärke au die sittlihe Kraft und nüte damit auc der Religion. Gewifse Lehrer, die aber nit in der Volkzschule gelehrt bätten, bätten die Sozialdemokratie erzogen, und zwar in der Preffe, die seten au in der Wolle gefärbt, aber s{chwarz, pe%s{warz. Vielleiht könne der Abg. Fus diese Presse in etwas andere Bahnen lenken. (Gelächter im Centrum. Zustimmung bei den Nationalliberalen.) /
Abg. Fuchs erklärt, daß seine Angriffe fich nur gegen die Falk’\@e S(bule gerichtet hätten; daß diese die Sozialdemokratie ge- fördert habe, daran sei kein Zweifel. (Widerspru links.) Wenn selbt Professoren erklärten, daß die Menschen nur dazu auf der Erde seien, um als Menschen zu leben, dann müsse vom Standpunkt des Christenthums dagegen Protest erboben werden. Bebel sage ja au: Die Sozialdemokratie führe nur das aus, was die Professoren vorbrächten. Wenn der Abg. S&melzer ohn: Beweis die Centrums- pee angegriffen habe, so müsse er das als einen großen Leichtfinn bezeichnen. E / i
Die Ausgaben für die Seminarien werden genehmigt und um 41/4 Uhr die weitere Debatte vertagt.
Statistik und Volkswirthschaft.
SFnvaliditäts- und Altersversicherung.
Zufolge der vor wenig Tagen erfolgten Bekanntmachung der Ver- siGerungéanstalt Berlin, betreffend die Ernennung der Kontrolbeamten, stellt sich für jeden Arbeitgeber die Nothwendigkeit heraus, spezielle Bücher und Nacweislisten für die Inbvaliditäts- und Altersversiherung zu führen, um die erforderlihen Beweise Dber die verwendeten Marken und gezablten Beiträge erbringen zu können. Die Contobücherfabrik Carl Fraenkel, Werder- straße 3, Berlin W., hat ein bequemes, einfaches und sicheres Kontrol- formular bergestellt, welches für beregten Zweck praktis und über- sidtlih ist und wenig Arbeit verursacht, und dabei den Vorzug hat, billig zu sein. (Bücher {on zu 60 chck§ und 1 #) .
Eleicherweise hat die Fatrik ein neues Lohnbuch hergeftellt, welches bequeme Uebersicht ni&t nur zur Kontrole, sondern au bei der Abrechnung und Lohnautzahlung gewährt und die Abzüge für die Krankenversicherung, für die Invaliditäts- und Altersversicherung, für Vorschüsse und sonstige Abzüge enthält, sowie den wirklich ver- dienten als auch den zur Auszahlung gelargten Lohn. Auch diese sind zu billigen Preisen (1 4 und 2 #) bergestellt.
Evangelish-sozialer Kongreß.
Der Evangelis@z-foziale Kongreß wird seine diesjährige Versamm- lung am Donnerstag, den 28., und Freitag, den 29, Mai, in Berlin abhalten. Er hat es sich zur Aufgabe geîtellt, die sozialen Zustände unseres Volkes vorurtheilslos zu untersuchen, fie an dem Maßstabe der sittlihen Forderungen des Evangeliums zu messen und diese selbst für das beutige Wirthschaftsleben und die in ihm Stehenden fruht- barer und wirksamer zu machen als bisher,
Das Programm des Kongresses ift folgendes: :
Mittwoch, 27. Mai: A. Na6mittags 4 Uhr im Hospiz der Stadtmission, Mohrenstraße 27: Sitzung des Auss{usses und Aktionscomités des Kongresses. B. Abends 8 Ubr im Saale des Christlihen Vereins junger Männer, Wilhelmstraße 34: Gesellige Vereinigung der bereits anwesenden Theilnehmer am Kongreß.
Donnerstag, 28. Mai, fcüh 9 Ubr, im großen Saale der Stadtmission, 8W. Johannistisch 6 (diht vor dem Halleschen Thore), erster öffentliher Verhandlungstag: A. Gebet, B. Eröffnungs- ansprache des Vorsitzenden, C. Jahresberiht des General-Sefkretärs, D. Verhandlungen: a. Religion und Sozialdemokratie. Referent : Hr. Professor D, Herrmann, Marburg. b, Erziehung der gewerblichen Jugend. Referent : Hr. Eisenbahn-Direktor Garbe, Rummelsburg bei Berlin. Korreferent : Hr. Dr. Otto Kamp, Frankfurt a. M. ec. Individualis- I Sozialismus. Referent: Hr. Hofprediger a. D, Stötcker,
erlin.
Freitag, 29, Mai, früh 9 Uhr, zweiter öffentliher Ver- bandlungstag: Verhandlungen: a. Zur ländlihen Arbeiterfrage. Referent : Hr. Landes-Oekonomie-Rath Nokbe, Berlin. b. Die kir{- lie und soziale Nothwendigkeit der Beseitigung aller Gebühren und L für kirhlihe Handlungen. Referent: Hr. Pastor D. Sulze,
resden.
Eintrittskarten für 1 4, die zur Theilnahme am Kongreß be- regriten, J act Tage zuvor zu haben im Centralbureau der Stadt- mission, Berlin SW., Iohannistish 6, und in der Buchhandlung der Stadtmission, Mohrenstr. 27, fowie an den Verbandlungstagen selbft an den Eingängen zum Saal.
Etwaige Anfraçcen sind zu richten an den General-Sekretär des Evangelisch - sozialen Kongresses Hrn, cand theol. Göhre, Berlin W., Kötbenerstraße 46. Das Aktionscomité des Evangelisch-sozialen Kongresses besteht aus folgenden Mitgliedern : Prediger Dr. Arndt, Berlin. Prediger Burckhardt, Berlin. Professor Dr. Delbrück, Berlin. Ober - Verwaltung8gerihts - Rath Hahn, Berlin. Professor D. Harnack, Berlin. Professor D. Kaftan, Berlin. Professor Dr. Kropatscheck, Berlin. Kommerzien-Rath Metenthin, Brandenburg, Schatmeister. Landes-Oekonomie-Rath Nobbe, Berlin, Vorsitzender. Prediger D. Freiherr von Soden, Berlin. Hof- prediger a. D. Stöcker, Berlin, zweiter Vorsitzender. Geheimer Regierungs-Rath Professor Dr. Wagner, Berlin.
Volks-Unterbaltungs8abende.
Die Gesellschaft zur Verbreitung von Volksbildung hat in ihrer Generalversammlung, welhe am 6. Mai in Muskau abgehalten wurde, auch die Frage der Veranstaltung von Volks-Unter- haltungsabenden erörtert. Solche sind bisher in Berlin, Dreéden, Bremen, Lübeck, Kiel, Lüneburg, Hamburg, Lindenau, Zittau, Görliß, Husum, Elmshorn u. \. w. abgehalten worden. Die Versammlung nahm, wie die „Nat.-Ztg.“ mittheilt, folgende Resolution an: „Die 21. Generalversammlung der Gesellshaft für Verbreitung von Volk3- bildung erkennt die hohe Bedeutung der Volks-Unterhaltungsabende cu r empfiehlt allen seinen Gliedern die eifrige Pflege dieser
inrihturg.“
Kongreß deutscher Schmiedemeifter. ; Gestern wurde hier der Kongreß deutsher Schmiedemeister eröffnet. Zunächst wurde das Fachshulwesen erörtert. Von allen Rednern wurde auf die Schwierigkeit, Fahs{ulen zu errihten, hin-
gewiesen. Es sei doch ein kläglihes Resultat, daß von 138 dem Bunde SEenteR Innungen nur im Ganzen 46 Fachschulen besißen. Es sei nothwendig, daß den Fahshulen eine größere ftaatli®e Unterstüßung als bisher zu Theil werde. Nah längerer Debatte gelangte einftimmig, wie wir der „N. A. Z.“ entnehmen, folgende Resolutios zur Annahme: „Der Kongreß erkennt die Noth- wendigkeit der Errihtung von Fawschulen an und beschließt, mit allen zu Gebote stehenden Mitieln an möglichft allen Orten für E:rihtung von Fas{bulen zu wirken.“ Ein Antrag der Schmiedeinnung zu Frankfurt a. O.: „Bei der ferneren Anfertigung von Lehrbriefen und Gesellen-Legitimationsbüchern bei denselben einen Raum zu beschaffen, worin der Vermerk zu verzeiGnen wäre, ob Inbaber eine Fabschule besudt hat“, wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Den folgenden Gegenftand bildete die Einführung von „Theilungsges{äften“. Es wurde bes{lofsen: die Errichtung von Einkaufsgenofsen- schaften allen Innungen zu empfehlen. S{miedemeister Schnell (Hamburg) beritete bierauf über die Begründung von Centralballen für Wagenbau mittelst Genofsenshaften mit beshränkter Haftpflicht. Der Redner tbeilte mit, daß in Hamburg derartige Einrichtungen mit großen Erfolge bestehzn. Es wurde beschlossen: die Errihtung von Centralballen für Wagentau 2c. allen Innungen zu empfehlen. Den leßten Gegenstand der Tagesordnung bildete die Errichtung von Innungs- Krankenkassen für Gesellen und Lehrlinge. Es wurde be- {©lofsen: den Bundeévorstand zu ersuchen, an maßgebender Stelle vorstellig zu werden, dqß die Hindernifse, die der Ercichtung von íInnungs-Krankenkafsen entgegenstehen, beseitigt werden.
Schiffahrt.
Wie aus S@&leswig-Holkstein berihtet wird, litt die Shiff- fahrt im vergangenen Vierteljahre schr unter den ungünstigen Witterungsverbältnifien; alle Häfen waren weit hinaus feft einge» froren. Mit Ausnahme von Altona, welches bis auf wenige Tage für Dambf\chiffe erreichbar blieb, waren sämmtli®e Häfen längere Zeit bindurch gesperrt. Die Inseln Pelworm und Hooge waren zehn Woten von dem Festlande abges{nitten, die übrigen Inseln der Westküste nur dur Uebershreiten des festen Eises oder mit Eis- booten zu erreihen. Nach dem Abgange des Eises hat si der Ver- kebr aller Orts lebhaft entwickelt, jedo wird über die Niedrigkeit der Fratgelder Klage geführt. — Der Schiffbau ift in gutem Fort- fchreiten begriffen.
Fischerei.
In S®le8wig- Holstein hat die Fischerei im verfloffenen Vierteljahre unter dem lange andauernden ftarken Frofte gelitten. Das Eis verbinderte die Ausübung des Fischfangs. Nur in Eckern- förde wurde unter dem Eise mit Sprottneßen und iht obne Erfolg gefischt. Im Laufe des Februar wurde die Fischerei auf und bor der Elbe wieder aufgenommen, lieferte aber nur geringe Erträge. Au die in der Mitte des März aufgenommene Hocfeefisherei verlief unbefriedigend. An der s{leswigs{hen Ostküste war der Heringtfang sehr mäßig, befser in Neustadt. Die Geringfügigkeit des Fangs in der Stlei wurde durch die Höhe der Preise einigermaßen wieder ausgeglichen.
Branntwein-Produktion.
In Folge der geringfügigen Kartoffelernte, welhe einzelne Brennereien im Regierungsbezirk Magdeburg zur gänzlichen Ein- stellung des Betriebes veranlaßte, war die Spiritus-Produktion in der lezten Can: pagne eine bedeutend geringere; die dadur für den fraglihen Artikel geshaffene Preissteigerung maWte im Laufe des Januar weitere gor ane. Spâäterhin ermaitete jedo das Geschäft, zumal die
rennereien, veranlaßt durch die bohen Preise, dur Zumaischung von Surrogaten, Mais und Melasse die Produktion verstärkten, Indessen ift ein allgemeiner Rückgang nicht eingetreten, vielrnebr be- haupteten fich die Preise.
Zur Arbeiterbewegung.
Der Ausstand in den Belgischen Kohlenbezirken scheint sich auf der bisherigen Höhe zu halten, ohne daß größere Ausschreitungen der Ausständigen vorkommen. Ueber die Entwicklung des Strikes sind die Meldungen widersprehend. Während Lütticher Telegramme des Wolff'shen Bureaus vom gestrigen Tage berihten, es mache si eine leihte Wieder- aufnahme der Arbeit bemerkbar; bei der Einfuhr zur Abendschicht seien einige Arbeiter anwesend gewesen; in dem Bassin des Centrums sei der Strike niht so ausgedehnt, wie man glaubte; die Hälfte der Kohlengruben feiern, es herrshe überall Ruhe, — wird gleichzeitig aus La Louvière telegraphish ge- meldet: Jm größten Theil der Gruben des Centrums ift der Ausstand ein vollständiger; in einigen Werken sind die Belegschaften heute zwar angefahren, haben indeß erklärt, Abends bei der Ausfahrt ihre Werkzeuge mitbringen und die Arbeit niederlegen zu wollen. Fn mehreren Stahlwerken feiert ein Theil der Arbeiter. Die Fndustriellen und die Direktoren mehrerer Hütten- werke haben beschlossen, eine Petition zu Gunsten der Verfassungsrevision an den König zu rihten. Eine Abordnung soll an das Ministerium das - Ansuchen stellen, eine Erklärung zu Gunsten des allgemeinen Stimmrechts abzugeben, um die Krise zu beendigen. Der Zustand in den anderen Becken if unverändert, die ge- troffenen militärishen Maßnahmen genügen für alle Eventualitäten. — Jm Uebrigen wird die Lage in Belgien dur folgende Brüsseler Meldungen gekennzeichnet:
Der Brüfseler Bund der Arbeiterpartei nahm in einer gestern Abend stattgehabten Versammlung eine Resolution an, in welcher geaen das gewalisame Vorgehen der Behörden in dem Strikegebiet protestirt, das Verhalten des Generalraths aber gebilligt wird. Die Versammlung beschloß ferner, beim Strike zu verharren, die Brüffeler Arbeiterbevölkerung zur Theil- nabme an der Strikebewegung zu vermögen, den Strikenden unver- züglih Hülfe zu senden, große Meetings einzuberufen, die si gegen die Langsamkeit des Parlaments in der Erledigung der Stimmret®- frage aus\prechen, und die loyalen Elemente der nach dem Census gegenwärtig wahlberechtigten Bürgerschaft aufzufordern, gegen ihr Wakblyrivilegium, welches die Ursache der Rubestörungen im Lande sei, selbft Einspruch zu erheben. : 4
In Lüttich wurden am Donnerstag und Freitag zablreihe Ver- baftungen von Plünderern und Urhebern von Ausschreitungen vorgenommen. Auf die S{ildwachen wurden Nachts wieder ver- \schiedene Angriffe mit Revolvern gemaht. Der Gouverneur von Lüttich bat die Veranstaltung von Meetings unter freiem Himmel und ebenso auch die Ansammlung einzelner Personen an den Zugängen zu den industriellen Etablissements untersagt. Die Staatsanwaltschaft beschloß, gegen jeden Akt der Einshüchterung von Seiten der Strikenden energisch vorzugehen.
In Leipzig nahm eine Versammlung von Bäckergesellen am Mittwo die Neuwahl des Gehülfenaus\chusses vor und erörterte gleiczeitig die Punkte, auf die der Auss{chuß sein Hauptaugen- merk zu rihten haben würde. Es wurde der „Lpz. Ztg.“ zufolge besonders über die unverbältnißmäßige Zunahme der Lehrlinge geklagt und hierbei mitgetheilt, daß in 5951 Bäereien des KönigreihsSachsen 4802 Gehülfen und 2404 Lehrlinge beschäftigt würden. Weiter wurde als ein besonderer Mißstand das bei der -Arbeitsftellen-Ver- mittelung getriebene Unwesen hervorgehoben. Ferner soll fich der Aues{uß die Beseitigung der oft mangelhaften Schlaf stellen und die thatsählihe Einführung eines vollen Ruhetages an jedem der hohen Fefte angelegen sein lafsen. Dieser Ruhetag wäre nach den vorgestrigen Mittheilungen von der Innung zwar zu- geftanden worden, würde aber von deren Mitgliedern niht überall
gewährt. Der Aus\{huß soll bei der Innung dabin vorstellig werden, daß sie {on vom zweiten zum dritten Pfingftfeiertag eine vierund- zwanzigstündige Ruhepause für die Gehülfen eintreten und die Ein- haltung dieser Pause bei ibren Mitgliedern kontroliren lafse.
Wie aus Wien gemeldet wird, nahm der Strike der Buch- drucker und Shriftgießer im Laufe des geftrigen Tages zu. Nur in vier Buchdruckereien, in welchen die Prinzipale sh mit den Arbeitern arf Grund der von diesen gestellten Forderungen geeinigt haben, wird voll gearbeitet. Eine Konferenz der Be- siger der 35 bervorragendsten Wiener Buchdruckereien und Srift- gießereien beschloß, an2dem Ende Dezember d. J. ablaufenden Tarif- vertrag feftzubalten und nöthigenfalls den Betrieb ganz einzustellen oder do® möglichst einzuschränken. Die Prinzipale erklärten fch für S uud forderten die übrigen Arbeitgeber zu dem gleihen Vor- gehen auf.
Aus Fourmies berihtet ein Wolff {es Telegrarum vom gestrigen Tage: Die Arbeiter begaben sih heute nah ben Werken, um mit den Eigenthümern zu unterhandeln, wurden jedo von Agitatoren veranlaßt, ihre Absidt wieder aufzugeben.
_ In Stockholm haben die Schneidergesellen am 6. d. M. die Arbeit niedergelegt. Nachdem die Meister im vergangenen Jabre wiederbolt unter den Ausftänden und Lohntreibereien der Gesellen zu [eiden batten, ift es nunmehr geglückt, auch die Meifter zu einem Bunde zu vereinigen, um unbilligen Forderungen entgegentreten zu können. Dieser Bund der Meister bat das größte Mißfallen der Gesellen erregt, sodaß diese nun wegen unbedeutender Zwistigkeitn um den Lobntarif den Ausstand beschloffen. _ Es sind gegen 1000 Stneidergesellen ausftändig. Auch die Scuhmather gesellen beginnen aus gleiwer Ver- anlassung die Arbeit niederzulegen. Vorläufig find nur mebrere der größten Meister für blockirt erklärt; gestern sollte der allgemeine Ausftand erklärt werden, wenn die Meister den von den Gesellen vorgelegten Lobntarif nit annebmen wollen.
ck, Zur Statistik der offentlihen Stiftungen im Königreich Bayern.
_ Dur den Rechnungsabs{luß vom 31. Dezember 1888 sind im Königreich Bayern 17992 Stiftungen ermittelt, deren rentirendes Vermögen im Ganzen 421 996 038 F beträgt. HinsithtliG des Stiftungszwecks entfallen nach der „Zeitschrift des Königlich bayerischen Statistishen Bureaus“ von diesem Gesammt- vermögen 48,1%/ — oder nabezu die Hälfte — auf Wohlthätigkeit ; 37,6 9/0 — also nabezu zwei Fünftel — dienen Kultusz;wecken; für Unterri@tszwecke entfallen 14,1 9%, also nit ganz ein Siebentel ; der Restbetrag von 0,29%/o ift für gemeindlihe und sonstige Zwecke bestimmt.
Auf den Kopf der Bevölkerung trifft vom Gesammtstiftungs- vermögen ein Antbeil von 77,8 Æ, und zwar; 37,4 A der Wosl- thâtigkeitsftiftungen, 29,3 4 der Kultusstiftungen, 11,0 4 der Unter- rihtsftiftungen und 0,1 Æ der sonstigen Stiftungen.
__Vergleibt man das Gesammtoermögen mit der Gesammtzabl der Stiftungen, so bereYnet si im Durwschnitt auf eine Stiftung ein rentirendes Vermögen von 23 455 Es dürfte ein Vergleid des Vermögens der Kultuestiftungen der einzelnen Glaubensbekenntnifse mit der Bevölkerung des betreffenden Glauben®bekenntnisses ni&t uninterefsant sein. i
Vom Vermögen der katholishen Kultuëstiftungen trifft auf den Kopf der katbolisGen Bevölkerung ein Betrag von 36,5 #4, vom Vermögen der protefiantishen Kultuéstiftungen auf den Kopf der proteftantishen Bevölkerung ein Betrag von 12,0 A, vom Ver- mögen der reformirten Kultutstiftungen auf den Kopf der reformirten Bevölkerung ein Betrag von 30,0 (, vom Vermögen der anglikaniscen Kultuëstiftungen auf den Kovf der anglikanis@en Bevölkerung ein Betrag von 197,4 #4, vom Vermögen der grie{ischen Kultusftiftung auf den Kopf der griehishen Bevölkerung ein Betrag von 26,7 und vom Vermögen der jüdis@en Kultusstiftungen auf den Kopf der jüdishen Bevölkerung ein Betrag ron 0,4 4
Kunft und Wissenschaft.
Aus dem Museum zu Rennes in Frankrei ch sind die nahstehend näher bezeihneten Gemälde entwendet worden:
1) Ein David Teniers der Jüngere: FJnneres einer Schänke mit Kartenspielern und Rauchern; auf Holz gemalt; Höhe 0,25 m, Breite 0,35 m, Figurenhöhe 0,20 m.
2) Ein Francesco Primatriccio: Bachuszug; auf Lein- Mas gemalt; Höhe 0,35 m, Breite 0,45 m, Figurenhöhe , IN,
3) Ein Annibale Carracci: Ruhe auf der Flucht nah Egypten (die heilige Jungfrau, der heilige Joseph und das Jesuskind); auf Leinwand gemalte Landschaft mit Figuren; Höhe 0,25 w, Breite 0,28 m, Figurenhöhe 0,10 m,
4) Ein Willem van Mieris: Bild auf Holz mit Namens- zug und Datum, eine Dame bei der Toilette darstellend; im Vordergrunde Vase auf einem Fußgestell, im Hintergrunde männliche Figur mit breitrandigem Filzhut und Reiterstiefeln ; Höhe 0,41 m, Breite 0,52 m, Figurenhöhe 0,25 m.
Außerdem wird noch das Facsimile einer goldenen Opfer- shale (patera), deren Original fich in Paris befindet, vermißt.
__ Da es nit ausgeschlossen ist, daß die Thäter versuchen, die gestohlenen Kunstgegenstände in Deutshland zu verwerthen, so wird vor Ankauf dieser Gegenstände gewarnt. Es empfiehlt fih, die zum Kaufe etwa angebotenen Stücke anzuhalten und der nächsten Polizeibehörde s{leunigst Mittheilung zu machen.
Internationale Kunstausstellung. I
Alt- Berlin.
Lk, Zum zweiten Male seit seiner Erbauung hat unser Landes-Ausftellungspalaft seine Pforten einer internationalen Kunstausstellung geöffnet. Wenn es 1886, als es galt, die
undertjährige Wiederkehr der akademischen Ausstellungen in Zerlin zu feiern, niht in vollem Maße gelang, der Ausstellung einen wirklich univerfellen Charakter zu geben, vielmehr der Schwerpunkt durchaus in die deutshe Abtheilung verlegt werden mußte, so hat fich diesmal das Bild der Ausstellung zu Gunsten der Ausländer verändert. Seit der großen Münchener Ausstellung 1883 sind kaum wieder soviel Kunst- shöpfungen fremder Nationen auf deutshem Boden zu einer Shhau- stellung vereinigt gewesen, als in demdiesjährigen Berliner Salon. Der Verein Berliner Künstler, dessen rührigem Vorgehen wir dieses men bedeutender ausländischer Leistungen verdanken, blickt in diesem Sommer auf eine fünfzigiährige an mannigfachen Erfolgen reiche Thätigkeit zurück, und es wäre begreiflich gewesen, wenn er uns in seiner Jubiläums-Aus- stellung ein Bild von dieser Entwickelung gegeben hätte. Der vorwärtsstrebende Sinn unserer Künsilecschaft ebenso sehr wie ihre Bescheidenheit spriht fih darin aus, daß fie eine aus- shließlihe Berliner Ausstellung vershmähte und vielmehr bereitwill g allen gleihen Bestrebungen auf deutshem wie fremdem Boden bei solcher Gelegenheit Plaß einräumte, ja fich innerhalb des Ausftellungsplanes mit einem verhältnißmäßig kleinen Raum für die eigenen Kunstshöpfungen begnügte. Wir freuen uns, hinzufügen zu können, daß die damit zugleih bekundete Auffassung, den Vergleih mit dem Streben und den Erfolgen anderer Kunstshulen brauche man nit zu scheuen, eine berechtigte ist, Eine Betrachtung
der Berliner Abtheilung, mit der wir unsere Aus- Ca A beginnen wollen, wird das im Einzelnen n.
Das Wesen der Berliner Kunst, insbesondere der Malerei — denn diese wollen wir zunächst ins Auge fassen —, läßt fich unshwer aus dem Charakter des Berlinerthums überhaupt erklären: Verständige, oft auch nücterne, aber \hnelle Auf- fassungsgabe, Wiß, Tüchtigkeit im technishen Können, Bereit- willigkeil, neue Errungenschaften sich zu eigen zu machen, find die hauptsählihen Eigenthümlichkeiten des Ber- liners und seiner Kunst. Einbildungskraft, kräftiges Sinnenleben, Humor und Tiefe der Empfindung Da gegen zählen nicht zu ihren hervorstehenden Eigenthümlih- keiten. Fnnerhalb dieser durch den Volkscharakter festgeseßten Grenzen bewegt fi die Berliner Kunst nun aber in reicher Abstufung und mannigfachen, oft au der Mode unterworfenen Strömungen. Deutlih sondern sich zwei größere Gruppen von einander ab: die ältere der akademischen Ueberlieferung größtentheils treugebliebene Generation und die der neuen Richtung begeistert folgende jüngere Schaar der Freilicht- maler. Es würde von einem bedauerlihen Mangel an Weitblick zeugen, wollte man die Ausschließlihkeit der einen oder der anderen Richtung gar zu {rof betonen. Die Gegensäße zwischen zwei künstlerishen Strömungen können vielmehr überbrückt werden durch ein wohlwollendes und vor- urtheilsloses Eingehen auf die individuellen Leistungen in beiden Feldlagern. Oder sollte etwa Adolf Menzel keinen Anspruch auf die Bewunderung der modernsten Kunstbeflissenen haben, weil er seine Schatten nit in violette Kleckse auflöst und weil seine Gestalten keine holländishen Hauben und keine Holzshuhe tragen? Gerade die Schöpfungen dieses Altmeisters der Berliner Schule können als kräftigster Beweis dafür gelten, daß persönliche Tüchtigkeit und Begabung keiner Bevormundung durch irgendwelhe Massenbestrebungen bedürfen, um ihre eigene Siegesbahn zu durchlaufen. Als Menzel 1867 in Paris jeinen „Sonntagsnahmittag im Tuileriengarten“ malte, fragte er wenig nach Manet und seinem Zmpressionis- mus; gerade deshalb ist der seinige so gesund geblieben und seine Shöpfungen aus den sechziger und siebziger Jahren, wie das geistsprühende Ballsouper im Berliner Shlosse und der Gottesdienst im Buthenwald bei Kösen, nehmen in der Ausstellung des Jahres 1891 einen Ehrenplag ein, obne daß es Jemand einfallen könnte, ihre Berehtigung dazu zu bestreiten. Der Schritt von ihnen zu den Arbeiten Liebermann's und Skarbina's ist nit so groß, wie ihr Abstand von den Schöpfungen seiner gleihalierigen Genoffen. Auch Ludwig Knaus hat eine seiner älteren Arbeiten, die Bauernberathung, welhe aus dem Jahre 1873 stammt, ausgestellt: ihre braunen Töne und ihre glatte Behandlung berührt uns freilih tros der bewundernswerthen Charafk- teristik der Gestalten in der modernen Umgebung etwas fremd- artig. Die Wandlungsfähigkeit seines Genies bekundet seine andere ausgestellte Arbeit, Daniel in der Löwengrube darstellend, die niht nur in der Komposition, sondern auc in der Karnation mit ihren rothen Lichtern und grauen Schatten und in den äußerst lebendig wiedergegebenen Thiergestalten an die bekannte Darstellung des gleihen Gegenstandes von P. P. Rubens in der Hamilton-Sammlung erinnert. Die auch hier auffallende Glätte der Behandlung isst mit auf Rechnung des als Malgrund gewählten Holzes zu seßen.
Die Werke Anton von Werner's auf der diesjährigen Ausstellung haben wir bereits in der Vorbesprehung (Nr. 100 des „R. U. St.:A.“ vom 29. April, Zweite Beilage) erwähnt. Hoffent- lih finden wir bald Gelegenheit, sein hier nur in einer viel- versprechenden Farbenskizze vorhandenes großes Repräsentations- bild, die Eröffnung des ersten Reichstages unter Wilhelm II,, zum Ausgangspunkt einer eingehenderen Würdigung seiner Verdienste zu nehmen. Carl Becker, der noch immer rüstige Senats-Präsident unserer Akademie, ist mit zwei Bildern vertreten, die dem mit so viel Erfolg von ihm gepflegten Gebiet der Kostümmalerei im guten Sinne angehören. Auch Georg Bleibtreu weiht in seiner Schilderung aus dem ereldzuge von 1870/71 von seinen altbewährten Pfaden keinen Schritt ab.
J. Scheurenberg, der diesmal auÿh ein interessantes Männerbildniß ausgestellt hat, wird mit seiner Temperaskizze zu dem Quißowbilde des Berliner Rathhauses sicher bei seinen Verehrern vielen Beifall finden, wenn seinen Gestalten auch die unmittelbar packende Wirkung hie und da mangelt. Als eine verfehlte Leistung indeß muß unseres Dafürhaltens troy aller Werthshäßzung jeiner sonstigen Wirksamkeit Gustav Spangenberg*"s großes Bild „Domine quo vadis?“ bezeihnet werden. Um die ältere Generation der Berliner Historienmaler — au dieser Begriff wird mehr und mehr aufgegeben werden müsen, ofern man damit eine eigene Richtung der Phantasie bezeihnen will — zu s{ließen, seien noch die Leistungen Brausewetter's, Michael's, Woldemar Friedrichs und Schrader's, der zwei hübsche Porträts neben einer historishen Komposition ausftellt, erwähnt.
August von Heyden, den wir eigentlih dieser Gruppe anschließen müßten, zeigt sich von den Umwälzungen im Ge- biet malerisher Tehnik niht so völlig unberührt, wie die oben genannten Altmeister. Schon die im vorigen Jahre ausgestellte große Leinwand „Grubenunglück“ zeigte in der Wahl des afktuellen Stoffes eine gewisse Hin- neigung zu den modernen Bestrebungen, und die lite Farbengebung seiner beiden diesmal ausgestellten Bilder „Almenrausch und Edelweiß“ und „Einsamkeit“ scheint einen weiteren Schritt auf dieser Bahn zu bedeuten. Ob ältere Künstler bei diesem Wandel unbedingt gewinnen, läßt das ebenfalls hellgemalte, aber sonst in die alte süßliche Eleganz gekleidete kleine Bild von Paul Thumann „Günstige Gelegenheit“ sehr fraglih erscheinen.
_ Auf dem Gebiet der Bildnißmalerei find die Grenzen zwishen Alt- und Fung-Berlin am Schwerfsten zu ziehen. Steht doch das eminente tehnishe Können Gussow's auf diesem Gebiet noch immer vorbildlih da, und die Leistungen jüngerer Porträtmaler wie Kiesel, Hans Fehner und Koner bilden durchaus keinen shrofen Gegensaß zu demselben. Gussow's Virtuosität verirrt fih allerdings hie und da zu merkwürdigen Spielereien, wie in dem sons so {arf und lebendig charakterisirten männlihen Bildniß auf grünem Grunde, in welchem durch rein malerische Mittel die Textur eines Leinwandgrundes nachgeahmt ist, während doch das Bild auf Holz gemalt ist. Auch die wähserne Dur@hfihtigkeit des Frauenkopfes (383a) wirkt troß der meisterhaften Stoff- malerei des Kostüms nicht minder kalt und unwahr. Daß
fih auch auf Holz flott und mit breiter Pinselführung malen läßt, hat GuRo selbst am Besten in B allgemeines
Aufsehen erregenden Bilde „Dorfparzen “ bewiesen, welhes in einzelnen Partien von einer entzückenden Frische ist. Drei Basen von ier dämonishem Aussehen umstehen klatschend und fritisirend ein Neugeborenes, das, von einem reizenden Dorfmädchen im Arm gehalten, fih gegen diese Muhmenkritik aus Leibeskräften auflehnt. Die tehnishe Geschicklichkeit des Meisters kann kaum treffender in ihrer Vielgestaltigkeit charakterisirt werden, als durch die Nebeneinanderstellung dieser breiten Jmprovisatior mit dem emailartig wirkenden Frauen- porträt 383b,
Biermann,Graef und Paulsen, die über weit weniger Kunstfertigkeit in diesem Sinne verfügen, stehen mit ihren Bildnissen den neueren auf Vereinfahung der Mittel hin- zielenden Bestrebungen weit näher, womit wir der Nüchtern- heit des Graefe’shen Porträts von Professor Koh durchaus nicht etwa das Wort reden wollen. Conrad Kiesel lehnt si in seinen eleganten Damenporträtz an Gussow und Angeli an, während Koner in seinem dünngemalten Porträt der Fürstin von Pleß bei einer gewissen Aengstlihkeit der Zeihnung und dem unglücklihen Mißverhältniß zwishen Kopf und Körper do selbftändigere Bahnen einschlägt.
__ Meyerheim is außer mit seiner bekannten Menagerie diesmal mit zwei Landschaften vértreten, die uns den Künstler nicht gerade von einer besonders bedeutenden Seite zeigen, zumal er auf dem Gebiet der Landschaftsmalerei in seinen Berliner Fachgenossen, wie Bracht, Gude und Hertel, gefährliche Kon- êurrenten hat. Albert Hertel's kräftig gemalte Mittelmeer- landschaften zeigen in der gewählten Beleuhtung eine fast nordishe Stimmung, nur die zackigen Umrisse der die Ferne um)äumenden Bergmassen und Einzelheiten der Vegetation rusen uns den Süden wieder in die Erinnerung. H. Gude's Strandbilder und Dahl’'s Sommertag in Norwegen \ind von der gleihen typishen Tüchtigkeit, wie O. von Kamedcke's Gebirgslandschaften und Douzette's Mondschein, ohne daß wir aus diesen Bildern neue Seiten in dem Wesen ihrer Schöpfer kennen lernten. Jm Wesentlichen ift dies der Ein- druck der altberliner Abtheilung überhaupt: es spriht ih in diesen Werken das Verharren auf altbewährten Pfaden künst- lerishen Strebens, die von keinem Eigenzweifel angefohtene Ruhe des Befizes aus. Unruhiger und weit weniger vornehm ist das Treiben in der Gruppe jüngerer Berliner Künstler, deren Werken wir in einem folgenden Artikel unsere Auf- merksamkeit zuwenden wollen. j
—s In der Dienstagssißung des Berliner Zweigvereins der Deutschen_ Met eorologishen Gesellshaft spra zunächst Hr. Dr. Süring über „die Luftdruckvertheilung in 2500 m Höhe.“ Er erörterte bei dieser Gelegenheit die Mängel der auf dem Wege direkter Beobahtung gewonnenen Ergebnisse zum Zwecke von Feststellungen der Vertheilung des Luftdruckes in den böberen Luftshichten, um darauf zur Besprehung einer Beobahtungs- methode überzugehen, mittelst deren er im verfloffenen Winter Er- gebnifse erzielte, welde cer in einer Anzabl von Tabellen fixirte, die es ermöglien, unter Zugrundelegung und Vergleichung der beoba(teten Daten die Luftdruckvertbeilung in verschiedenen Höben rechneri'ch festzu- stellen. Die auf diese Weise gewonnenen Resultate bezüglich der Luftdruckvertheilung in 2500 m Höbe stimmen, wie dur die auf der Säntis- und auf der St. Gotthardstation gemahten Beobachtungen bestätigt worden, annähernd mit der Wirklihkeit überein. Der Vor- tragende, wel@er besonders die gleihmäßigere Vertheilung des Luft- drudes in den höheren Regionen als carakteristisch kennzeihnete, bofft durch Fortsezung seiner Beobachtungen unter entsprehender NRüsichtnahme auf alle Faktoren, welche auf die Temperatur- verbältnifse in den böberen Luftshihten von Einfluß sind, zu immer festeren Grundlagen für die Witterungslehre und die Wettervorhersage gelangen zu können. — Hr. Dr. Sprung, welcher sh darauf über „Wolken- und Blißbilder* ausließ, legte u. A. den Wolkenatlas von Hildebrandt Hildebrandtson vor, welher eine Anzahl vortrefflich aus- geführter und ansWauliher Karten enthält. Ferner legte er Photograpbien vor, die er selber angefertigt und die verschiedenartige Wolkengebilde, von der dünnen dur{sihtigen Wolkenshiht bis zum dihten 1ndurGdringlihen Wolkengebirge, zum Gegenstande hatten. Bezüglich der Aufnahme von Bligbildern, von denen au eine An- zahl zur Ansicht auslag, konnte der Vortragende mittbeilen, daß sh Bebufs Ueberwindung der mannigfahen, den Aufnahmen von Bligzbildern entgegenstehenden S{wierigkeiten in England eine besondere Gesells@aft zum Zwecke der Aufnahme von Blißbildern gebildet habe, ein Vorgang, dessen Nachahmung für Deutschland außerordentlich wünschenswerth ersheinen würde. — Séließlih machte noch Hr. Profeffor Dr. Svörer der Gesellschaft interessante Mittheilungen über die von ihm angestellten Beobachtungen der Oberflähe der Sonne, welhe auf anticyclonale Bewegungen zurückzuführende Veränderungen erkennen ließen; in der nächsten Geunag wird der Vortragende ausëführlihere Mittheilungen folgen assen.
— Die Maler Hans von Bartels-Münthen, Marx Frigtz- Dreéden, Hans Herrmann-Berlin, Arthur Kampf-Düfseldorf und Profefsor Franz Skarbina- Berlin haben eine Vereinigung unter dem Namen: „Gesellschaft deutscher Aquarellisten“ gebildet, welche den Zweck hat, gemeinsame Ausftellungen ihrer Werke in Bn grometen Kunstpläßen Deutschlands und des Auslandes zu veranstalten.
Weimar, 8. Mai, Die heutige Generalversammlung der Goethe-Gesellschaft war, wie die „Th. C.* berichtet, unge- mein zablreich besucht und auksgezeihret durch die Anwesenheit Ihrer Königlihen Hoheiten des Großherzogs, der Groß- herzogin, der Erbgroßherzoglihen Herrschaften sowie der Prinzessinnen Auguste und Dlga von Sachsen-Weimar. Auch der Minister von Goßler wohnte der Versammlung bei. Wirklicher Geheimer Rath von Loeper leitete die Ver- handlungen und gab nach Begrüßung der Anwesenden dem Be- dauern über die Ursaße der Abwesenheit des Präsi- denten der Gesellshaft Ausdruck. Hr. Geheimer Hofrath Dr, Ruland erstattete darauf den JIahresberiht. Hierauf hielt Profeffor Dr. von Valentin einen sehr anziehenden Vortrag über „die klassische Walpurgisnaht“, während Professor Dr. Su phan Bericht erstattete fiber die neuesten, auf die Göethe’ sche Leitung des Theaters bezüglichen Aktenfunde. Es sind dies zahlreihe Aktenbefte ; ein Theil derselben bezieht sich auf die Geschäfte zur Zeit nah der Errichtung der Theaterkommission im Jahre 1797, der andere auf die Filialbühnen. In literarisher Beziehung enthalten die Akten „manes Werthvolle, namentlich auch zablreihe Briefe Goethe's. Aber auch für die Bühnenverhältnisse der Zeit {eint reihes Material in den verschiedensten Beziehungen vorhanden zu fein. Der Fund is von Seiner Königlichen Hobeit dem Großherzog dem Goethe-Archiv überwiesen worden. Er wird mit Genehmigung der hohen Besigerin des Archivs den nälhsten Band der Veröffentlihungen der Goethe-Gesellshaft ausmahen. Nachmittags fand das übliche gemeinschaftlihe Festefsen der Mitglieder ftatt. Am Abend kam due t Volksschauspiel „Die \{chlimmen Brüder“ zur ersten Auf-
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: Handel und Gewerbe. M
Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks G au der E BEE M S veel Stetten, j
n der Ruhr find am 8. 08, “
zeitig geftellt keine Wagen. E E E