1891 / 115 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 19 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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Das Präsidium des badischen Militärvereins- verbandes hat auf seine an Seine Königliche Hoheit den Großherzog bei Höchstdessen fünfzigjährigem Militärdienst- Jubiläum gerichtete Beglückwünschungs-Adresse die folgende Antwort erhalten, welhe dem Verbands-Präfidenten, Hrn. General-Major 3. D. von Deimling M |

Mein lieber Herr General von Deimling! E

Sie baten Mir 2 Shrem Schreiben vom 25. April dieses Jahres die Glückwünsche des Präsidiums und der alten Soldaten des Badischen Militärvereinsverbandes zu Meinem fünfzigjährigen Militär- dienstiubiläum in herzlichen Worten dargebrackt und den Gesinnungen treu ergebener Anhänglichkeit, welche die Mitglieder des Verbandes mit Mir verbinden, warmen Ausdruck gegeben. Ich erwidere diese werthe Kundgebung mit aufrichtigem Danke und der Versicherung, daß Fh wie bisher mit aufrichtiger Theilnahme für das Sedeihen des Nerbandes demselben Meine volle Fürsorge zu bethätigen bestrebt sein werde. Mit den besten Wünschen für die Wohlfahrt des Prä- sidiums und der aiten Soldaten verbleibe Ich in vorzügliher Werth-

säßung 1, Mai 1891. Karlsruhe, den e SFhr wohlgeneigter F riedrich.

Anhalt.

Dessau, 16. Mai. Der Prinz Wilhelm und die Prinzessinnen Adelheid und Alexandra zu Shaum- burg-Lippe sind nah dem „A. St.-A.“ wieder von hier abgereist. Die Großherzogin von Luxemburg gedenkt noch das Pfingstfest hier zu verleben und fih sodann nah Luxemburg zu begeben.

Scchwarzburg-Rudolstadt.

Rudolstadt, 17. Mai. Se. Durchlaucht der Fürst hat fih nah der „Schwzb.-Rud.-Lds.-Ztg.“ zu längerem Aufent- halt nah Schloß Schwarzburg begeben.

Reuß ä. L.

Greiz, 18. Mai. Jm Gesundheitszustand Jhrer Durilaudi A Fürstin is seit Ausgabe des leßten Bulle- tins, demzufolge das Befinden der hohen Patientin nah den Umständen ein leidlihes war, eine wesentliche Veränderung nit eingetreten. Die allseitige Theilnahme der Bevölkerung an dem Leide, welches das geliebte Fürstenhaus in der Er- krankung Jhrer Durchlaucht der regierenden Fürstin betroffen, thut sih insbesondere durch zahlreihe Einzeichnungen unter die bigher täglich früh Morgens und Abends zur Auslage ge- langenden Bulletins kund. ;

Der heutige Bericht über den Gesundheitszustand Jhrer ut lautet:

A S Ea S liste Fürstin verbrahten eine ziemlich ruhige

Nacht. Das Befinden Höchstderselben ist heute Morgen im Allge-

inen ein befriedigendes. O 4 : Dr. Overlach. Dr, Sheube.

Da in nächster Zeit eine wesentlihe Veränderung im Befinden Jhrer Durchlaucht nicht zu erwarten steht, wird täglih nux noch ein Mal, und zwar früh Morgens, ein Bulletin ausgelegt.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 19. Mai. Seine Majestät der Kaiser und König empfing gestern den neuernannten chinesishen Ge- sandten Hsü-Ching-Cheng, um dessen Beglaubigungs- schreiben entgegenzunehmen. Jn seiner Anrede drüte der Gesandte den Wunsch aus, daß sich in den Erzeugnissen beider Länder ein wachsender Austaush entwickeln möge.

Dem gestrigen Hofdiner in Shönbrunn zu Ehren des Prinz-Regenten von Bayern wohnten laut Mel- dung des „W. T. B.“ mehrere Erzherherzoge und Erz- herzoginnen, der Minister des Auswärtigen Graf Kálnoky, die Mitglieder der bayerishen Mission, die Adjutanten des Prinz-Regenten von Bayern, der österreichische Ge in München Fürst Wrede und der gesammte Hof- staat bei.

Zu einem am Sonntag in Prag von dem Erzherzog Karl Ludwig gegebenen Diner waren außer den daselbst anwesenden Ministern auch die Spißen der Bchörden, hervor- ragende deutshe und böhmishe Aussteller, sowie die Ver- fasserin eines Sonnabend dort aufgeführten Festspiels, Gräfin Christine Thun, geladen. L

Dem gestern in der russischen Kapelle anläßlich der Er- rettung des Czarewitsh abgehaltenen Dankgottes- dienst wohnte der Oberst-Hofmeister Fürst Konstantin Hohen- lohe-:Schillingsfürst, als Vertreter des Kaisers, ferner das dänische Königspaar, der Herzog und die Herzogin von Cumberland, die Prinzessin Mary von Hannover, der russische Botschafter Fürst Lobanow-Rostowski mit dem gesammten Personal der Botschaft, sowie zahlreihe Mitglieder des diplo- matishen Corps bei. E

Jm Herrenhause verlas am Sonnabend der Präsident eine Zuschrift des Minister-Präsidenten Grafen Taaffe, in welcher mitgetheilt wird, daß der Kaiser die Adresse des Herrenhauses mit Besriedigung entgegen- genommen habe. Das Haus nahm die Mittheilung zur Kenntniß.

Die Meldungen von der beabsichtigten Entsendung eines österreihish-ungarishen Kriegsschiffes nach den jonishen Jnseln sind unbegründet. Das „Fremden- blatt“ hebt hervor, unter den Juden auf Corfu befinde sich nur ein einziger österreichish-ungarisher Staatsunterthan, der überdies die Jnsel zu verlassen gedenke, es sei daher kein Grund vorhanden, außerordentlihe Maßregeln zu ergreifen. Dagegen sei die Regierung geneigt, sich aus humanitärem Interesse den Schritten der anderen Mächte in Athen an-

zuschließen. Großbritannien und Frlanud.

Die Herzogin von Fife, älteste Tochter des Prinzen von Wales, ist am Pfingstsonntag von einer Tochter ent: bunden worden; Mutter und Kind befinden sfih woh!.

; Frankreich.

_ Paris, 19, Mai. Der Präsident Carnot ist am Sonntag in Begleitung der Minister Constans und Bour- geois, sowie seiner militärishen Umgebung nah Limoges abgereist. Bei der Ankunft daselbs wurden der Präsident sowie der Minister Constans, wie „W. T. B.“ berichtet, von der Bevölkerung mit den Rufen: „Vive Carnot!“ „Vive Con- stans !“ „Vive la république !“ empfangen. Vereinzelt wurden auch Rufe „A bas Constans“ und Zischen gehört. Vier oder a ad wurden verhaftet, aber alsbald wieder frei- gelassen.

Gestern Vormittag empfing der Präsident in dem Hôtel de Ville die Spißen der Civil- und Militärbehörden, welche in ihren Ansprachen ihrer Anhänglichkeit an die Republik Ausdruck gaben; ebenso erschienen auch die Mitalieder zahl- reiher Gesellshaften zur Begrüßung des Präsidenten. Letzterer besuhte im Laufe des Tages verschiedene Krankenhäuser sowie das Keramishe Museun.. Der Präsident wurde überall auf das Sympathischste begrüßt. Bei Beantwortung eines bei dem Festmahl vom Maire auf ihn ausgebrahten Toastes hob Präsident Carnot hervor, die Lage der Arbeiter sei ein Gegenstand unab- lässiger Erwägungen der Regierung, praktische Reformen seien aber mit den Gewaltsamkeiten, zu denen sich Einzelne fort- reißen ließen, niht zu vereinbaren. Die Regierung werde Dank der allgemeinen Opferwilligkeit die Verbesserung des Looses der Arbeiter durhführen. Die Rede wurde wiederholt von Beifallskundgebungea unterbrochen. |

In ihrer Sizung vom Sonnabend beshloß die Depu- tirtenkammer, die Besprehung der von dem Abgeordneten Laur eingebrahten Jnterpellation Betreffs der Maßregeln zur Verhinderung künftiger finanzieller Krisen in Frankreich um einen Monat zu vertagen. )

Der Kardinal Rampolla hat im Auftrage des Papstes an den Erzbischof von Cambrai ein Schreiben gerichtet, in welhem er diesen ersucht, dem Pfarrer von Fourmies wegen seiner Haltung während der Vorgänge am 1. Mai die Anerkennung des Papstes auszusprechen.

Rußland und Polen.

Die Kaiserlich japanische Gesandtschaft in Berlin hat über die Einzelheiten des Attentats auf den russischen Thronfolger eine authentishe Darstellung in folgendem Telegramm erhalten:

Tokio, Sonntag, 17. Mai. Der Großfürst:Thronfolger verließ am 11. Mai Kioto in einem Finrikisha (einem von Menschen gezogenen Wagen), um sich nah Otsu zu begeben, wo derselbe nach seiner Ankunft verschiedene Sehenswürdigkeiten von Jnteresse besuchte und sodann ein Fcühstück einnahm. Bald darauf, als er die Tiomachi-Straße passirte und ungefähr 700 m von der Präfektur entfernt war, zog plöglich ein Polizist Namens Tsinda - Mitzuso, welcher auf der rechten Seite der Straße Wache hielt, sein Schwert und hieb auf den Großfürsten-Thronfolger ein, dessen Hut er durchshlug. Oberhalb der rechten Schläfe erhielt der Groß- fürst zwei Wunden, welche anscheinend durch einen Schlag entstanden waren. Nahdem der erste Verband angelegt war, kehrte der Großfürst-Thronfolger mit der Eisenbahn na Kioto zurück. Auf Grund der ärztlichen Untersuhung wurde fest- gestellt, daß die Wunden nur leiht seien und der Schädel nit getroffen war. Eine Wünde war 9 Centimeter, die andere 7 Centimeter lang. Der Angreifer, den der Prinz Georg von Griechenland mit seinem Stock niedershlug, ist {wer verwundet worden. Die gerichtliche Untersuhung ist im Gange.

Eine amtliche Mittheilung aus St. Petersburg bestätigt, daß ein Japaner, Namens Tsinda, welcher {hon aht Jahre im Polizeidienst steht, das Attentat auf den Großfürsten-Thronfolger verübte. Der Angriff auf den Großfürsten erfolgte, als derselbe mit seinem Gefolge in kleinen Handwagen (f. o.) den Ort Otsu passirte. Troß des hefti- gen Schlages, den der Prinz Georg von Griechenland mit seinem Stocke dem Thäter sofort verseßte , stürzte ih der Leßtere doch von Neuem auf den Großfürsten; der den Wagen führende Japaner stieß den Angreifer aber zurü, ein zweiter Japaner entriß demselben sein Schwert und verwundete ihn {wer. Die Wunde des Großfürsten-Thron- folgers ist bereits geheilt. Der Großfürst hatte, wie die A. R. C.“ berichtet, nach seiner Verwundung keinen

sondern n an- geordnet, daß Niemand aus seinem Gefolge vor ihm eine Nachriht nah St. Petersburg gelangen lasse, und dann selber seiner Mutter telegraphisch P von dem Unfall gemacht, sodaß die Kaiserliche Familie von Anfang an keine Besorgnisse hegte. Uebrigens hat dec Mikado von Japan erklärt, nicht von der Seite des Großfürsten weihen zu wollen, bis derselbe sein Schiff wieder bestiegen haben würde. Das Programm der Neise ist, wie der Großfürst nah St. Peterzburg meldete, niht verändert, sondern wird in beabsihtigter Weise innegehalten werden. Anläßlih der glücklihen Erreltung des Großfürsten-Thronfolgers sind in St. Petersburg, Moskau und anderen zahlreichen anderen Städten des Reichs feierlihe Dankgottesdienste abgehalten worden. Am Abend des 30. April (12. Mai) wurden von dem „Regierungs- Anzeiger“ Extrablätter über das Attentat ausgegeben, welche in den Straßen St. Petersburgs einen reißenden Absaß fanden.

Der Kaiser von Japan hat, dem „W. T. B.“ zu- folge, untec dem 11. d. M. aus Anlaß des Attentats nach- stehendes Reskript erlassen:

„Mit dem tiefsten Kummer vnd dem größten Bedauern erhalten Wir, während . Wir geme!nsam mit Unserer Regierung und Unseren Unterthanen zur Bewillkommnung Seiner Kaiserlihen Hoheit, Unseres geliebten und geehrien Kronprinzen vou Ruß- land, mit all den Ehren und der Gaslfreandshaft die Anstalten trafen, die dem hohen Gaste Unseres Landes ge- bühren, die höchst unerwartete und b 8ch}| überrashende Kunde, daß Seiner Kaiserli@en Hoheit auf der Reise ein beklagenswerther Unfall in Otsu zugestoßen ist. Es ist Unser Wille. daß die gerehte Strafe den verruhtea Uebelthäter {nell ereile, damit ¿u Unserer Beruhigung Unsere freundshaftlihen und innigen Bezichangen zu Unserm guten Nachkarlande vor jeder Trübung sicher gestellt werden mögen.

Der neue General-Gouverneur Großfürst Sergius hat am Sonntag mit seiner Gemahlin seinen feierlichen Einzug in Moskau gehalten. Auf dem Bahnhofe wurden Jhre Kaiserlichen Hoheiten von dem Stadthaupt mit folgenden Worten begrüßt: „Willkommen Großfürst und Großfürstin! Mit Freude und Liebe kommen wir Dir, Großfürst, ent- gegen. Bewahre Du die Vermähtnisse des Alterthums, liebe Du die erste Landeshauptstadt so herzlih, so heiß, wie wir unseren Zaren und unsere Heimath lieben !“

Die russishe „Moskauer Zeitung“ erfährt, das Ministerium des Jnnern habe die Provinzial- behörden beauftragt, über die Zahl der Juden, die in ven Städten Rußlands wohnen, sofort Erhebungen zu ver- anstalten. Personen jüdischer Konfession, die sich in Wider-

Augenblick die Besinnung verloren ,

spruch mit den geseßlichen Bestimmungen in den Städten

aufhalten, sollen unverweilt nach den Orten ihrer Herkunft befördert werden.

Ftalien.

Wie der „Agenzia Stefani“ aus Washington vom 16. d. M. gemeldet wird, hätten bisher weder Jtalien noch_ die Ver- einigten Staaten von Nord-Amerika in der New -Orleans- Affaire ein Schiedégericht vorgeschlagen.

Die Deputirtenkammer seßte am Sonnabend die Debatte über das Budget des Auswärtigen fort und berieth über die Frage der italienishen Schulen in den Kolonien. Der Deputirte Brin beantragte eine Tages- ordnung, welche vorschlug, zu Gunsten der italienishen Schulen in den Kolonien und im Auslande für das Budgetjahr 1891/92 den gleichen Kredit zu bewilligen, wie unter dem Kabinet Crispi. Diese Tagesordnung wurde jedoch von der Regierung niht acceplirt und in namentlicher Abstimmung \chließlich mit 159 gegen 64 Stimmen verworfen. Die Kammer genehmigte sodann den Titel nach Reduktion von 133 000 Francs ent- sprehend dem Antrage des Ministeriums. /

Dex General-Gouverneur der Erythräischen Kolonie, General Gandolfi hat einem Telegramm der „Ag. Stef.“ aus Massovah zufolge seine Entlassung eingereiht, weil er mit den neuen, aus Ersparnißrücksihten erlassenen militärischen Verfügungen nicht einverstanden sei. E

Die bereits angekündigte päpstlihe Encyklika is nun- mehr am Pfingstmontag im „Osservatore Romano“ erschienen. Die sehr lebhaft geführte Widerlegung der sozialistischen Lehren nimmt nicht weniger als 15 Seiten ein, Wie ein Telegramm des „W. T. B.“ aus Nom meldet, werden darin das Eigenthumsrecht und das Erbreht als natürliche göttlihe Rechte vertheidigt. Als Grundlage des Eigenthums stellt die Encyklika die Arbeit auf und gelangt zu dem Schlusse, daß der Kollektiviomus des Eigenthums gerade Den- jenigen s{haden würde, um deren Unterstüßung es sich handle. Durch Bestreiten der natürlichen Rechte jedes Ein- elnen werde die Thätigkeit der Gesellshaft und die öffent- liche Ruhe gestört. Von Seite 15 bis 28 giebt die Encyfklika eine Darlegung der Mitwirkung der Kirhe an der Lösung der sozialen Frage. Auf den darauf folgenden dreizehn Seiten werden die Pflichten des Staats definirt und die allgemeinen Pflichten desselben gegenüber den Arbeitern, wie folgt, t1r- gelegt: Der Staat habe darauf zu sehen, daß in den Werkstätten die Religion beobachtet werde, daß in denselben Reinheit der Sitten herrshe und gegenseitige Gerechtig- keit obwalte. Der Staat habe darauf zu schen, ob die Verwendung der Arbeiter beiderlei Geschlechts die Moralität beeinträhtige, ob die Arbeiter über ihre Kräfte an- gestrengt würden , und ob die Arbeit der Gesundheit {ädlih oder dem Geschlecht und Alter der Arbeiter angepaßt sei. Hin- sihtlih all dieser Punkte solle durch die Behörden und Geseße innerhalb gewisser Grenzen vorgesorgt werden. Die Encyklika weist ferner auf die Nachtheile hin, die aus den Ausständen hervorgehen, und ruft die Jatervention des Geseßes an, damit die Ursache der Ausstände beseitigt, und verhin- dert werde, daß dieselben sich ausbreiten und Kon- fliklte zwishen den Arbeitgebern und Arbeitern hervor- rufen. Jm weiteren Verlauf empfiehlt die Encyklika die Be- obahtung der Sonntagsruhe. Was die Lohnfrage anlangt, so ist der Papst dafür, daß die Differenzen zwischen dern Arbeitgebern und den Arbeitern durch gemischte Kollozien gelöst werden. Sodann empfiehlt die Encyklika den Arbeitern Sparsamkeit, deren große Vortheile für die Leßteren aus- einandergeseßht werden. Auf den Seiten 41 bis 52 behandelt die Encyklika die Frage der Arbeitervereine, Arbeiterversiherungen, Arbeiterpatronate, Arbeitersyndikate u. \. w. und gelangt zu dem Schlusse, es müsse mit größter Beschleunigung vorgesorgt werden, damit nicht die soziale Frage zu einem unheilbaren Uebel werde. Die RNe- gierungen sollten zu diesem Ende die Gesege und die bestehenden Einrichtungen handhaben, die Reichen und Patronate sollten ihrer Pflichten eingedenk sein, und die Arbeiter sollten auf die Stimme der Vernunft hören. Da die Neligion allein das Uebel gründlih zu heilen im Stande sei, sollten Alle, nament» lih aber die Bischöfe und der Klerus, ihren wohlthätigen Einfluß geltend machen und die Nächstenliebe als Grundlage aller Tugenden lehren und in größtem Umfange üben. /

Das nächste Konsistorium wird dem „Mon. de Rome“ ufolge zwei Abtheilungen umfassen, die sogenannte geheime, dana die feierliche und öffentliche. Das geheime Konsistorium wird an einem Montag stattfinden. Der Papst wird in dem- selben neue Kardinäle ernennen, namentlich den Pariser Nuntius Msgr. Rotelli und gahlreihe Bischöfe für italienishe und auswärtige Siße präconisiren. Das öffentlihe Konsistorium wird am nächsten Donners- tag stattfinden Behufs Ertheilung des Hutes an Jhre Eminenzen Vircenz Vannutelli, kreirt und reservirt in petto im Konsistorium vom 30. Dezember 1889 und publizirt in jenem vom 23 Juni 1890, nah welchem er in der Eigenschaft eines apostolishen Pro-:Nuntius in Lissabon geblieben ist; und an Albin Dunajews ki, Bischof von Krakau, kreirt und publizirt im Konsistorium vom 23. Juni 1890. Das geheime Kon- sistoriuum könnte au an einem Freitag gehalten werden; in diesem Fall würde das öffentliche Konsistorium, wie üblich, auf den darauf folgenden Montag festgeseßt werden. Einer römischen Meldung der „Pol. Corr.“ zufolge, ist zum Nachfolger des Kardinals Vannutelli auf dem Posten des päpstlichen Nuntius in Lissabon der bisherige Sekretär der Kongregation der Propaganda Visgr. JFacobini bestimmt. Derselbe dürfte sich noch vor dem bevorstehenden Konsistorium, somit im Laufe des Mai, nach der portugiesischen Hauptstadt begeben, wo Kardinal Vannutelli seine Ankunft abwartet.

Portugal.

Der Vicomte Melicio ist dem „W. T. B.“ zufolge zum er Kommissar bei der portugiesischen Tabackgesellschaft ernannt ‘und gestern vom König empfangen worden. |

Wie in Lissabon gestern verlautete, würde das neue Kabinet wie folgt zusammengeseßt sein: Graf San Januario Präsidentschaft und Krieg, Lopovaz Jnneres und Unterricht, Morales Carvalho Finanzen, Marianno Carvalho Marine und Kolonien, Graf WViacedo Auswärtiges, Franco Castello-:Branco Arbeiten.

Schweiz.

Das neue Begehren, betreffend die Revision der Verfassung des Kantons Tessin, ist mit den nöthigen 9000 Unterschriften am 15. d. M. der Tessiner Regierung zuge- stellt worden.

Griechenland.

Jn Athen fand am Sonntag in der dortigen Metropo- litan-Kirche anläßlich der glücklihen Errettung des Groß- fürsten-Thronfolgers von Rußland ein von den städtishen Behörden veranstaltetes Tedeum statt. Jm An- {luß hieran übersandte der Bürgermeister von Athen ein Glückfwunsh-Telegramm an den Kaiser von Ruß- land. Der Kaiser antwortete darauf, wie dem „W. T. B.“ gemeldet wird: er sei glücklih, zu sehen, daß si die Bande, die ihn mit der griehishen Königlihen Familie ver- einigen, neuerlich verstärkt hätten. :

Neuere Meldungen aus Corfu bestätigen, daß Dank der Energie des neuen Präfekten eine erheblihe Beruhigung eingetreten ist; sämmtlihe Juden haben ihre Geschäfte am Montag wieder aufgenommen. Am Sonntag ist die Kaiserin Eugenie auf der Jnsel eingetroffen. Die griechische Regierung hat 12000 Fr. Behufs Unterstüßung der jüdischen «Bewohner auf Corfu bewilligt. Jn Triest sind mit dem Lama am Sonntag neun Familien mit zusammen Personen aus Corfu eingetroffen, von denen 13 als mittellos im dortigen israelitishen Hospital unter- gebracht wurden.

Numänien.

Bukarest, 18. Mai. Der Prinz Wilhelm von Hohenzollern ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern Vor- mittag hier angekommen und auf dem Bahnhofe von dem Könige und dem Thronfolger empfangen worden. An- läßlih des 25 jährigen Regierungsjubiläums des Königs kündigt die Königin in einem Briefe an den Minister- Präsidenten den Bau eines großen St udenten-Stiftungs- hauses aus eigenen Mitteln, sowie eine Spende von 200 000 Frcs. zu diesem Zwecke an.

Gestern Nachmittag machte der König der Wittwe Bratiano's eine Kondolenzvisite. Die Blätter aller Parteien \prechen ihr Bedauern über den Tod Bratiano's aus und sind voll Anerkennung über des Verstorbenen Wirken als Politiker sowohl wie als Privatmann.

Serbien.

Gestern (Montag) ist es bei dem Versuch, die Königin Natalie aus Belgrad gewaltsam zu entfernen, zu blutigen Exzessen gekommen.

_Wie „W. T. B.“ berichtet, statteten am Sonntag der Minister-Präsident Pasic und der Minister des Jnnern Csiaja der Königin Natalie einen Besuh ab, bei welchem sie die Angelegenheit der Abreise der Königin zur Sprache brachten. Die Königin erklärte keinerlei bezügliche Vor- schläge. anzunehmen und verblieb auch auf die Versicherungen Pasic's, daß beide Minister sich durch ihr Wort für die Mög- lichkeit ihrer baldigen Rückehr verbürgten, bei der Erklärung, Belgrad und Serbien nicht verlassen zu wollen, da ihr Reht zum Aufenthalt im Lande in der Verfassung begründet si.

Der S wurde darauf mit der Aus- weisung der Königin Natalie beauftragt. Jn Folge dessen wurden am Montag die zux Wohnung der Königin führenden Straßen gesperrt und diè Zufahrt zum Bahnhof mit Gen- darmerie beseßt; in dem Hof der Wohnung der Königin hielt ein von Gendarmen umgebener Wagen. Der Polizei-Präfekt versuchte noch, die Königin zur freiwilligen Abreise zu bereden. Jn der Bahnhofsstraße hatte sih eine zahlreihe Menschen- menge angesammelt.

‘Der Gewalt weichend, verließ die Königin in eigener Equipage das E und sollte unter starker Gendarmerie- Bedeckung auf das Schiff „Deligrad“ gebracht werden. Schon bei der Ausfahrt aus dem Palais warfen sich mehrere M dem Wagen entgegen, um denselben an der

eiterfahrt zu hindern. Die Eskorte machte den Weg frei. Aber von allen Seiten strömte die Volksmasse, den Weg ver- legend, herbei. Da die Zufahrt zum Landungsplaße durch die Menge gesperrt war, wollte die Eskorte den Weg durch die Festung nehmen. Als die Menge dies merkte, riß sie die Gendarmerie von den Pferden, vertrieb sie mit Steinwürfen, spannte die Wagenpferde aus und führte die Königin unter Jubelgeschrei in das Palais zurück. Die Gendarmen flüchteten; eine unübersehbare Menshenmenge sammelte sich nah und nah in größter Erregung rings um das Palais. Abends 6 Uhr füllte die ganze Bevölkerung der Stadt die Straßen. Die Königin mußte, dem stürmishen Verlangen des Volkes nachgebend, sich wiederholt am Fenster zeigen. Die Bevölkerung gab die Absicht kund, die Königin nach der Burg zu bringen. Garde-Kavallerie versuchte die Straßen zu räumen. Die Volksmassen wichen bis zum Palais der Königin Natalie zurück, nahmen aber hier eine drohende Haltung an und v:rhöhnten den Kommandanten der Garde, welcher einen Angriff mit blanker Waffe machen ließ. Die Massen erwiderten mit Steinwürfen und zwangen die Garde zum Zurüäweichen. Zahlreiche Gardereiter, darunter auch mehrere Offiziere, wurden verwundet. Die Neiter saßen nun ab und feuerten auf Kommando zwei Mal auf die Menge, welche mit Steinwürfen antwortete und die Garden abermals zum Weichen brahte. Auf beiden Seiten gab es Todte und Verwundete. Jnzwishen war Jn-

anterie herbeigezogen worden, welhe alle Zugangs-

raßen cernirte. Die Volksmassen wichen aber noch immer niht und es wurde vielfah der Ruf: „Nieder mit Pasic“ hörbar. Wie verlautet, gedenkt die Regierung die Ent- fer vta der Königin unter allen Umständen zu erzwingen. Der König Alexander befindet sih seit gestern früh in Topschider. R /

Nah einem neueren Telegramm ist die Königin Natalie heute früh unter starker Eskorte nach dem Bahn- hofe gebracht worden und nah Semlin abgereist.

Eine von der Omladina Behufs Berathung von Ab- hülfmaßregeln gegen angebliheGewaltthaten der Arnauten abgehaltene Versammlung gab mehreren Rednern zu Angriffen auf Oesterreih-Ungarn Veranlassung, das man der Unterstüßung der Gewaltthaten, sowie einer bulgarenfreundlihen Propaganda beschuldigte. Schließ- lich wurden mehrere Resolutionen angenommen, 1n denen der Zar und der Sultan um Shußmaßregeln zur Rettung des bedrohten Serbenthums ersucht werden. Gleichzeitig wurde beschlossen, den Großmächten, allen hervorragenden Staatsmännern, sowie den Universitäten und sonstigen humanitären Anstalten ein darauf bezügliches Memorandum zu überreichen.

Bulgarien.

Sofia, 17. Mai. Hinsihhtlih der bevorstehenden Ein- berufung der bulgarishen Heeresreserve zu Waffenübungen wird der „Pol. Corr.“ mitgetheilt, daß es si aus ließlich um eine alljährlih sich wiederholende, der Praxis aller europäischen Staaten entsprehende Maßregel der bulgarischen Heeresverwaltung handle. :

Schweden und Norwegen.

(F) Stockholm, 16. Mai. Staats-Minister Freiherr Akerhielm hat einen längeren Urlaub erhalten und reist morgen nah Karlsbad.

(F) Christiania, 16. Mai. Der \{wedis{-norwegishe General-Konsul in Antwerpen Christophersen ist „Dagbl.“ qulorae bevollmächtigt worden, gemeinschaftlich mit dem chwedish-norwegishen Gesandten in Paris über eine provi- sorische Verlängerung des Handelsvertrages mit Frank- rei ch, mit Ausnahme der Zolltarife, zu verhandeln.

Amerika.

Chile. Aus Lima im „R. B.“ zu London eingegangene Nachrihten melden: Zwischen der Flotte der e H und Torpedobooten der Regierung habe am 17. d. bei Pisagua ein Kampf stattgefunden. Ueber das Resultat fehle jedoch noch jede Nachricht.

Die Pariser Vertreter der chilenishen Kongreßpartei er- fahren: Von dem Präsidenten Balmaceda sei ein Aus- tausch der Gefangenen beantragt worden; die Kongreß- partei habe jedoch darauf erwidert, sie sei bereit, den Antrag anzunehmen, wenn Seitens Balmaceda's auch alle auf bloßen Verdaht verhasteten Bürger freigelassen würden und Balmaceda sich ferner verpflihte, keinen Bürger mehr zu behelligen. Den Vertretern der Kongreßpartei sei weiter eine Meldung zugegangen, wonach der Handel vollständig darniederliege und Balmaceda sich in Geldverlegenheit befinde. Der Regierungskreuzer „Jmperial“ und die Torpedoboote „Admiral Lynch“ und „Condor“ hätten Valparaiso am Sonnabend verlassen ; vielleicht sind sie an dem oben gemeldeten Kampfe betheiligt gewesen.

Argentinien. Der Gouverneur Costa hat, wie das „R. B.“ aus Buenos Aires vom 15. d. M. ersährt, die Annahme eines Geseyes vorgeschlagen, durch welches die Provinzialbank ermähtigt würde, die in der Bank befind- lichen Depositen mittels zinstragender Certifikate zurückzuzahlen, welche von der Bank bei der Zahlung von Schulden und Steuern in der Provinz in Zahlung genommen werden sollen. Der Gouverneur hat sih andererseits jedoch entschieden gegen die Emission von Papiergeld ausgesprochen.

Kunst und Wissenschaft.

—s Die ¡weite ordentli@e Generalversammlung des Vereins für Schulreform eröffnete heute Vormittag im Architektenhause der Vorsitzende Dr. Friedrich Lange, welher den anwesenden Vertretern des Kultus - Ministeriums, dem Geheimen Ober- Regierungs-Rath Stauder und dem Geheimen Regierung8- Rath Höpfner sowie dem Vertreter des landwirthschaft- liden Ministeriums , Geheimen Ober - Regierungs - Rath Dr. Thiel für deren Erscheinen seinen Dank aussprach. Nachdem Hr. Th. Peters zum Sthriftführer sowie Haupt- mann Kastner und Dr von Hanstein zu Revisoren bestellt waren, sprach Professor Stulz- Ettenheim als Gast über: „Das \kandinavishe Schulwesen insbesondere die höheren Schulen mit gemeinsamem Unterbau*. Der Vortragende gab auf Grund eincr soeben vollendeten Studienreise ein Bild von der Gestaltung der im Wesentlichen auf dem Unitätsprinzip basirenden reformirten sckwedishen höheren Schule, welhe sowohl eine bürgerli®ße Bildung über den Rahmen der Volks\{hul- bildung hinaus, als auch die Grundlage der Vorbildung für Diejenigen gewähren soll, welche ihre Kenntnisse auf der Universität. erweitern wollen. Es wird dies durch eine mit der Unter-Tertia einsezende Gabelung in eine Abtheilung mehr gym- nasialen und in eine solche mehr realen Charakters zu bewerkstelligen gesucht. Auch den Abiturienten der letzteren steht die Berechtigung zu, Jura, Medizin, klassische Philologie zu studiren ; für das Studium der Theologie ist in diesem Falle noch ein Nahhexamen im Griechi- hen erforderliG. Nah Skizzirung der in den einzelnen Unterrichtsgegenständen gestellten Anforderungen beschäftigte sich Redner, welcher bei seinen Ausführungen regelmäßig Parallelen mit den ent- sprechenden deutshen bezw. preußi]chen Unterrichtsverbältnifsen zog, ausführlicher mit den hygienishen Veranstaltungen, welche das \{chwedische Unterrihtswesen im Interesse der Schüler getroffen, und schilderte hier namentlich die nah seiner Ansicht geradezu mustergültige Handhabung des Turnunterrihts Nachdem ih der Vortragende u. A. noch gegen jede Dressur für das Abiturientenexamen ausgesprochen, betonte er, daß man in Schweden in manchen Kreisen durch die erfolgte Schul- reform noch nit völlig befriedigt sei, daß aber zunächst nach seinen Informationen bei der Regierung und im Ministerium voraus\iht- lih feine weitere KNenderung des Schulwesens zu er- warten sei. In Norwegen sei die Organisation des Schul- wesens dem Prinzip nach die gleihe wie in Schweden. Redner \{chloß seine Ausführungen mit einer kurzen Darstellung der dänischen Sc(ulverhältnisse, zu deren persönlihem Studium ihm eine verhältnißmäßig nur beschränkte Zeit zur Ver- fügung gea, Im Ans@luß an diesen Vortrag sprah Hr. Ober- lehrer Klinckhardt ausführlih über die ihm aus langjährigem wissenschaftlichen Verkehr mit den dortigen Interessentenkreisen be- kannten \kandinavishen Schulverbältnifse.

Die gegenwärtig in Mannheim tagende 29. Allgemeine Deutsche Lehrerversammlung wurde nah einer Meldung des eW.T.W.,* Montag Abend dur eine Vorversammlung im Stadt- park eröffnet. Die Theilnehmer wurden von dem Rektor Schidck- Mannheim Nawens des Ortsaus\{husses und von Mörle-Gera Namens des ständigen Ausshusses begrüßt. Zum ersten Vorsißenden wurde Realshul-Direktor Debbe-Bremen, zu zweiten Vorsitzenden wurden * Schick-Mannheim und Mörle-Gera gewählt, Bis gestern waren 3000 Theilnehmer eingetroffen.

Zu dem Begrüßungsabend des anatomischen Kongresses in München am 17. d. M. waren näach einer Mittheilung des „W. T. B.* außer den Mitgliedern der Vorstandschaft: Professoren Kölliker (Würzburg), Waldeyer (Berlin), His (Leipzig), Toldt (Wien) und Bardeleben (Jena), unter Anderen anwesend: Dekhuizen (Leyden), von Gehn(hten (Löwen), Leboncq und van Stricht (Gent), Retiu? (Stockholm), Roniti (Pisa), Kollmann (Basel), Stöhr (Zürich), Rabl (Prag), erckel (Göttingen), Henke (Tübingen), Stieda (Königsberg), Schwalbe (Straßburg) und Braune (Leipzig). Am 18. Mai begannen die Vorträge und Demonstrationen im Anatomie- gebäude. Der Hauptversammlung der anatomishen Gesellshaft wohnten an diesem Tage Seine Königliche Hoheit der Prinz Louis Ferdinand, der Kultus-Minister Müller sowie über siebzig Mitglieder bei, Der Vorsitzende Professor von Kölliker eröffnete den Kongreß mit einer Uebersicht über den Stand der jeßt 250 Mitglieder zählenden Gesellschaft, er- wähnte, daß die Gesellschaft, da sich unter ihren Mitgliedern so viele außerdeutscwe Berühmtheiten befänden, eine internationale Vereinigung zu werden beabsichtige, und wiederholte, um einer Zersplitterung der Fahliteratur vorzubeugen, seine srühere Bitte, die Fachgenossen

möchten ihre wissenschaftliGßen Veröffentlihungen . nur in englischer franzöfiscer, italienisher und deutsher Sprache machen. Hierauf folgten Fachvorträge und Referate.

Der gestern in Pest eröffnete Ornithologen-Kongreß wurde nach einer Meldung des ,W T. B.* im Namen der Regie- rung dur den Ackerbau-Minister Grafen Bethlen, im Namen der Stadt durch den Vize-Bürgermeister begrüßt. Zum Präsidenten des Kongresses wurde Victor Tatio (Genf) gewählt. Von Homeyer hielt in der gestrigen Sitzung einen Vortrag über das Leben der Vögel in Central- und West-Afrika. / f

Unter der Leitung des Kapitäns Bartschewski ift laut Mel- dung des „W. T. B.“ aus Samarkand am Sonntag eine russische wissenschaftlibe Expedition zur Erforshung von Süd- Bucara, Pamir und Kafiristan von dort abgegangen.

Theater und Musik.

Lessing-Theater.

Am Sonnabend gelangte Sigmund Schlesinger's Lustspiel „Derby* zur ersten Aufführung und fand bei dem wohlgesinnten Publikum eine freundlihe Aufnahme, welhe nä} dem trefflichen Spiel dem unterhaltenden, in feuilletonistishem Stil durchgeführten Dialog zu verdanken ist. Der kzgtère Umstand muß den Mangel einer kräftig fortshreitenden Handlung ausgleicen, denn von einem eigentlichen Konflikt ist in dem Lustspiel kaum die Rede; dabei wirkt der scenishe Auf- bau dur feine Umständlichkeit manchmal ermüdend, und nur die geistvollen Wendungen, welche hier und da den Dialog beleben, wandten die Aufmerksamkeit der Zuschauer immer wieder dem Dichter zu, der se dur das poetishe Beiwerk mehr als durch die Handlung fesselte.

Vella, die Toihter des Fabrikbesißers und Sportsman Gbert, welche seit Jahren nur dem Pferdesport huldigt, entsagt ibrer Vor- liebe für die edle Reitkunst aus Liebe zu dem Baron Niederbeim, einem gelehrten Bücherwurm, dessen glücklihe Braut sie am Schluß des Stüds wind; au) ihr Vater entsagt dem Rennftall nah einem niht ganz einwandfreien Derbysiege ; der verliebte Gelehrte, den die Liebe gleichfalls zur Theilnahme am Rennsport verleitet hatte, unterliegt beim Derbyrennen, sieat aber dafür über seinen zukünftigen Shwiegervater in einer Gußstahlkonkurrenz und oewinnt die Braut. Als Schicksals- leiter der beiden Liebenden, der „Centaurin“ und des „BüWerwurns*“, welche allein durhaus nit zusammen kommen können, ist noch ein \chneidiger, edler Reiteroffizier eingeführt, welcher zum Lohn für seine guten Thaten er entsagt zu Gunsten seines gelehrten Freundes der reihen Fabrikbesitzerstohter die Hand der mit allen Dingen, it mit der Ehe Sport treibenden jungen gräflihen Wittwe erhält.

Die Darstellung is in ihrer Gesammtwirkung selten von so glücklihem Gelingen begleitet gewesen wie am Sonnabend. Frl. Groß entfaltete als junge Witiwe, welhe dem Sport und daneben auch dem Abetglauben leidenschaftlih huldigt, liebenswürdige Munterkeit und eine erstaunliche Redefertigkeit. Frl. P etr i wurde als kühne Pferdeliebhaberin, welche \{chließlich dem Sport entsagt, um sih in die Bücher zu stürzen, den Anforderungen ihrer Rolle gerecht. Ein liebevolles Großmütter- hen spielte Fr. von Pöllniß mit gewinnender Milde und Herz- lichkeit. Den mit zweifelhaftem Gelingen das Schicksal spielenden Reiteroffizier gab Hr. Sauer gewandt und sicher in der Form und in den Bewegungen. Den zu plöhliher Lebenslust er- wahten Gelehrten spielte Hr. Ranzenberg fehr belustigend; am Durcs(lagendsten war aber die erheiternde Wirkung, welhe Hr. Höcker als menshen- und besonders weiberscheuer Hof- meister und Hr. Schönfeld als Jockey erzielte, der mit unnah- ahmlichem Wonnegefühl aus einem radebrehenden Engländer #ich in einen gemüthlichen Sawhsen verwandelte. Die Darsteller wurden nah jedem Akt mehrere Mal gerufen.

Kroll's Theater.

Fr. Lilli Lehmann bes{loß am Sonnabend ihr Gastspiel als Lucrezia Borgia in Donizetti’'s gleihnamiger Oper. Der Saal war nit übermäßig gefüllt, aber die kleine Zahl der Er- schienenen erwies fich für das Gebotene dankbar. er Vergleich zwischen dem Einst und Ießt, den man selbstverständlih bei jeder Künstlerin und fo besonders bei Fr. Lehmann anstellt, fiel in dieser Nolle freilich niht durhaus zu Gunsten der Gegenwart aus. Zwar ließen die imponirende Gestalt und die dramatische Wiedergabe nichts zu wünsdsen übrig ; aber die Koloraturfertigkeit steh: doch niht mehr auf der glänzenden Höhe, sie Üüberwindet nicht mehr überall mühelos die Schwierigkeiten des italienischen Gesanges, wie es gerade in dieser Rolle erforderlich ist; dabei machen si hin und wieder, insbesondere in dramatisch bewegten Momenten, einige tiefere Nebentöne bemerkbar, welche als unwillkommene Zugabe zu den sonft reinen, hohen und glänzenden Tönen gelten müssen. Fr. Lehmann wurde durch wiederholten Beifall und zum Schluß dur mehrmaligen Hervorruf sowie durch Kranzspenden aus- gezeihnet. Ihr Partner, Hr. Kalisch, fand si mit der Rolle des Gennaro dramatisch wie musikalisch durchaus gut ab, wenn auch der Klang seines Tenors im Ganzen wenig Be- strickendes hat. Von den übrigen Mitwirkenden dürfen mit besonderer Anerkennung Hr. Demuth (Don Alfonso) und wohl auch Frl. Finkenstein (Orsino) genannt werden. Chöre, Orchester und De- korationen insbesondere die Dekoration des ersten Akts waren allen Anforderungen entsprechend. .

Einem soeben erschienenen Rückblick über die Vorstellungen in den Königlichen Theatern zu Berlin, Hannover, Kassel und Wiesbaden im Jahre 1890 entnehmen wir Folgendes :

In Berlin sind im Jahre 1890 veranstaltet worden: I. im Königlihen Schauspielhause 283 Vorstellungen, 11. im Königlichen Opernhause 242 Opern-, 22 Ballet-, 14 gemischte Vorstellungen. Zur Darstellung kamen an verschiedenen dramatishen Werken 60, an verschiedenen Opern 47, an vershiedenen Ballets und Divertissements 9. Die Königlichen Theater waren auf Allerhöchsten Befehl vom 7. bis 16. Januar wegen des Ablebens Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta, am 9. März, dem Todestage, und am 22, März, dem Geburtstage Seiner Majestät des Kaisers Wilhelm I, am 15. Juni, dem Todeéstage, und am 18. Oktober, dem Geburtstage Seiner Majestät des Kaisers Friedrih IIT, außerdem vom 3. bis 5, April (Charwoche), am 30. April (Bußtag), während der Ferien vom 30. Juni bis 30, August und am 24. Dezember, ferner das König: lihe Swauspielhaus am 29, September, das Königliche Opernhaus am 25, Oktober, zusammen also an §1 Tagen geschlossen. Zum ersten Male wurden 11 dramatische Werke mit zusammen 39 Akten, 3 Opern mit zusammen 11 Akten aufgeführt. Nen einstudirt wurden 11 dramatishe Werke und 5 Opern. An klassishen Weiken gelangten zur Vorstellung: von Lessing 13, Goethe 12, Schiller 58, Kleist 2, Shakespeare 57, im Ganzen 142, von Gluck 4, Mozart 18, Beet- hoven 5, Weber 25, im Ganzen 52.

Auf Allerhöchsten Befehl wurden gegeben: a. im Königlichen Opernhause: am 20. März sür die Deputirten der Arbeitershutz- Konferenz: „Sardanapal*; am 26. März für dieselben: „Götter- dâmmerung*; am 24. Mai Festvorstellung für Militärpersonen der Berliner und Potsdamer Garnison: „Der Seeräuber“; am 30. Ok- tober zu Ehren der Anwesenheit des Königs der Belgier, Festvor- stellung: „Der Seeräuber“; am 17. November zur Feier der Ver- mählung Jhrer Königlihen Hoheit der Prinzessin Victoria von Preußen, Festvorstelung: „Oberon, König der Elfen“; am 20. November aus demselben Anlaß Théâtre paré: „Das Nat- lager von Granada“ und „Coppelia“. b. im Königlihen Schau- spielhause: am 29, Oktober: „Die Quißows*; am 1. De- zember Théâtre paré zur Feier des 250, Gedenktages des Re- gierungs8antritts des Großen Kurfürsten: „Prinz Friedri von Homburg.“ e, im Theater des Neuen Palais bei Potsdam: am 29. Oktober, anläßlih der Anwesenheit des Königs der Belgier : „Der Bibliothekar.“ Zu wohlthätigen Zwecken fanden im Königlithen Swauspielhause 3, im Königlichen Opernhause 2 Vorstellungen statt. Außerdem wurden im Königlichen Schauspielhause bezw. Overnhause je cine Vorstellung für den hier tagenden YIII. Deutschen Lehrertag,

und zur Erinnerung an die vor 100 Jahren auf dem Königlichen