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at auch am Trinitatis-Sonntag wiederum dem Gottesdienst
E A — ein exfreulihes Zeichen der fortschreitenden Krästigung der hohen Frau. Mit Anfang k. M. dürfte der Aufenthalt Jhrer Königlichen JOA in Meran zu Ende gehen und die Abreise nah Baden-Baden erfolgen.
Hamburg.
Hamburg, 26. Mai. Ueber den Anschluß der Wandrahminsel an das Freihafengebiet shweben gegen- wärtig zwishen dem Senat und dem Bundesrath Verhand- lungen, welhe nah der Reform bereits soweit vorgeschritten find, daß der Bürgerschaft noch vor den Ferien ein Antrag des Senats auf Einverleibung der Jnsel in das Freihafen- gebiet zugehen dürfte.
Oesterreich-Ungarn.
Vorgestern hat im Ministerium des Aeußern die zweite Konferenz der österreihish-ungarischen und deut- shen Delegirten mit den Vertretern der Schweiz in Betreff Erneuerung der Handelsverträge stattgefunden. Die Verhandlungen sollten gestern fortgeseßt werden. Dazu bemerkt das „Fremdenblatt“: L
So hoffnungsvoll von den Inter: ssenten der vertragenden Staaten dem Eintritt in diese Vertragsverbandlungen und deren befriedigendem Abschluß entgegengeschen wird, so darf man doch nit außer Att lassen, daß fih im Verlaufe derselben manhe:lei Schwiirigkeiten er- geben werden, sodaß eine allzu optimiftishe Anshauung von einer baldigen Abwikelung dieser Angelegenheit nit zu nähren ift. Wohl baben die Vertreter Oesterreih-Ungarns und Deutslands während ihrer Ver- handlungen über den deutshen Handel8vertragGelegenbeit gehabt, ibreAn- \chauungen über die Behandlung des mit der Sbweiz abzuschließenden Vertrages auszutauscen und ibre Haltung zu präzifiren, aber anderer- seits waren damals die Intensionen der \hweizer Regierung, wie sie si in dem Zollgeseze vom 15. April 1891 darstellen, noch nit voll- ständig bekannt, und bieten die dort ftipulirten Zollerhöhungen, wenn sie auch in manchen Punkten als Negotiationszöle zu betrachten sind, zu eingehender Erörterung vielfa Veranlaffung.
Jn der vorgestrigen Plenarsizung des Welt-Pofst- Kongresses theilte der deutshe Staatssekretär Dr. von Stephan mit, daß durch die kürzlih erfolgte Einführung der Seeposten zwishen Deutschland und Nord-Amerika ein be-
deutender tehnisher Fortschritt erreiht worden sei, und daß nach einem ihm zugegangenen Telegramm ein Schnelldampfer der Hamburger Padcketfahrtgesell-
schaft die Reise von Southampton na N?2w-York in 6 Tagen und 14 Stunden zurückgelegt habe, wodur die shnellste bisher erzielte Fahrt dieser Strecke um eine Stunde und 55 Minuten übertroffen worden sei. — Die zweite Kommission des Kongresscs (Präsident General-Direktor de Selves, Berichterstatter Recoing) hat in zwei Sigzungen, am 22. und 23. d. M., die Revision des Werthbrief- Uebereinkommens beendet, Die Kommission hat beschlossen, dem Kongreß die Annahme folgender wichtiger Aenderungen zu empfehlen: die Zulassung von Schahhteln mit deklarirtem Jnhalt von Werthgegenständen (Boîtes avec valeurs déclarées, Antrag Frankreih#); die Einführung der Progression von 300 zu 300 Fr. statt 200 zu 200 Fr. des deklarirten Werthes für die Taxbemessung der Werthbriefe, ohne Erhöhung des bis- herigen Portosazes (österreihisher Antrag); die Einführung der Portofreiheit für den Austausch von Werthbriefen zwischen den Postverwaltungen (österreihisher Antrag); die Zulässigkeit der Adreßänderung und Rücknahme sowie der Expreßbehandlung von Werthbriefen (Antrag Belgiens und Oesterreihs). ' N /
Seine Majestät der Kaiser und König und Seine Königlihe Hoheit der Prinz-Regent von Bayern wechselten, wie „W. T. B.“ berichtet, gestern Abschiedsbesuche. Der Prinz-Regent verabschiedete sich fodann von den bier an- wesenden Mitgliedern der Kaiserlihen Familie und dem Herzog Wilhelm von Württemberg, sowie dem Grafen Kälnoky und empfing später den Erzbischof Gruscha. ; e
Jhre Majestät die Kaiserin und Königin is hier wieder eingetroffen. :
Wie dem „Fremdenblatt“ aus Konstantinopel berichtet wird, hat die gemischte Kommission zur Berathung des neuen österreichish-ungarish-türkishen Handels- vertrages am 21. d. M. eine weitere Sißung abgehalten.
In der gestrigen Sißung des ungarischen Unter- hauses erklärte laut Meldung des „W. T. B.“ der Finanz- Minister Weckerle, die Regulirung der Valuta bilde einen integrirenden Bestandtheil des Programms der Re- gierung, Er habe am 15. Januar dem Ministerrathe eine ausführlihe Darstellung unterbreitet, auf ‘Grund deren er ermächtigt wurde, mit der österreichishen Regierung in bindende Verhandlungen zu treten, welche gegenwärtig \{chwebten. Bei dem Entgegenkommen der österreichi- schen Regierung sei die Hoffnung gerechtfertigt, daß die Frage bald gelöst werde und er (der Finanz-Minister) in nicht ferner Zeit in der Lage sein werde, dem Hause darauf bezüglihe Vorschläge vorzulegen. Wichtig sei hierzu die Herbeischaffung des nöthigen Goldes; er benüße jede Gelegen- heit, dieselbe zu fördern. Es sei unmöglich, die Werthrelation lange Zeit vorher festzustellen. Bei der Valutaregulirung könne auch in Erwägung gezogen werden, ob auf eine kleinere Geldeinheit übergegangen werden solle.
Der Klub der Liberalen begann gestern die Berathung der Verwaltungsreform. Der Minister-Präsident Graf Szapary erklärte, die Regierung halte den Gesehentwurf für so wihtig und für einen so integrirenden Theil ihres Programms, daß sie an demselben auf das Entschiedenste fest- halte und wegen der Bedeutung des Entwurfs genöthigt sei, die Unterstüßung der gesammten Partei zu verlangen. Mehrere Abgeordnete erklärten, den Entwurf niht annehmen zu können, und meldeten ihren Austritt aus der Partei: an. Der Geseßentwurf wurde \ch{ließlih in der Generaldebatte an- genommen.
Großbritannien und JFrland.
gn der gestrigen Sißung des Unterhauses wurde eine Petition der Legislatur von Neufundland verlesen, dahingehend, daß das Haus die Delegirten der Leaislatur gegen die Neufundland-Bill vernehmen möge. Stave- ley- Hill kündigte an: er werde anläßlih der zweiten Lesung der Bill einen Antrag auf Vernehmung der Delegirten ein- bringen. Si ager Goschen erklärte: die Regierung könne die Bill, welhe in der Legislatur von Neufundland eingebracht sei, nicht annehmen, weil die Dauer des Gesetzes darin auf ein Jahr beschränkt jei. Auf Antrag Lord Elcho's beshloß das Haus mit 137 gegen 109 Stimmen,
heute anläßlih des Derby:-Rennens keine Sißung abzu- halten. Der von der Regierung abgelehnte Antrag Stuart's, nah welchem die Frauen in den Grafschaftsrath wählbar und in demselben zu sigen berehtigt sein sollen, wurde mit 78 gegen 52 Stimmen verworfen.
Da der bekanntlich eines Sittlichkeitsvergechens wegen an- geklagte Avg. De Cobain dem gegen ihn erlassenen Ver- haft2befehl niht Folge geleistet hat, so wird der erste Lord des Schaßamts Smith am Donnerstag seine Ausftoßung aus dem Parlament beantragen. 4
Aus Jndien wird berichtet, daß die Expodition
egen die Miranzai erfolgreih beendet ist. Ein Reuter- hes Telegramm aus Calcutta vom 23. Mai meldet:
Das 60. Schütßen- und das Manchester-:Regiment traten gestern den Rüdckmarsch an. Mit Ausnahme der Regimenter, welche in Samana wäbrend des Sommers als Garnison zurückblei ben, werden sämmtliche - Eingeborenen in Kürze folgen. Die Ruke ist vollständig wiederhergestellt, und die legtbin gegen die Enaländer kämpfenden Stämme bringen jeßt freiwillig Proviant und sonstige Zafubhren herbei. Sir W Lockhart hat von dem Oberstkom- mandirenden ein Telegramm erhalten, in welhem diefer ihm warm zu der erfolgreichen Beendigung der Exrp:dition gratulirt. Der Verluft auf englischer Seite betrug im Ganzen 100 Todte und Verwundete, darunter 5 britische und 3 eingeborene Offiziere. Der Krieg ist alfo nit so billig erkauft. wie es sonst bei Grenzerpeditionen in der Regel der Fall ift. Der Verlust des Feindes läßt sih in Folge feiner Sitte, die Todten mit fi zu führen, niht genau bestimmen. Er verlor jedoch allein in dem Gefecht bei Mastaon über 300 Todte und Verwundete, und es läßt fi nur annehmen, daß diese Z2bl in den anderen Scharmüßeln eine entsprechende Zunahme erfabren hat,
Frankreich.
Paris, 27, Mai. Der Senat nahm gestern das in der Kammer erledigte Geseg, betreffend die Reform der Zuckersteuer, mit einigen Aenderungen an. Danach wird die geseßlihe Ausbeute auf 73/4 kg Zudcker aus 100 kg Rüben in Bottichen festgesetzt. i :
Die Deputirtenkammer genehmigte gestern einen Eingangszoll- von 10 Frcs. für 100 kg auf Ochsen, Kühe und Bullen, einen Zoll von 12 Frcs. auf Kälber und einen Zoll von 15 Frcs. 50 Centimes auf Hammel. Diese Zollsaße entsprehen den Vorschlägen der Zoll: kommission und gehen in ihrer Mehrzahl über die von der Regierung vorgeshlagenen Säße hinaus. Ferner nahm die Kammer die Vorschläge der Kommission, betreffend die Zölle auf Wild, Hausgeflügel und Tauben, an. — Die Kommission für die Arbeiterfrage nahm einen Antrag an, durch welch.n den öffentlihen Verkehr3gesell- schaften verboten wird, ihre Angestellten länger als täglich zwölf Stunden zu beschäftigen.
Wie aus Sedhiu (Senegal) berichtet wird, soll der Kolonial - Administrator Forihon im Kamy»fe mit den Sklavenhändlern getödtet worden scin.
Rußland und Polen.
Die son (in Nr. 120 d. Bl.) erwähnten Kaiserlichen Erlasse anläßlich dexr glüdcklihen Rückkehr des Groß- fürsten-Thronfolgers auf dem Wege durch Sibirien haben nah der Uebersezung der „St. Pet. Ztg.“ folgenden Wortlaut :
Allerhöchster Befehl an den Dirigirenden Senat.
Um den Besuch Sibiriens Seitens Unseres wvielgeliebten Sohnes, S:iner Kaiserlihen Hoheit des Throufolgers Câäfarewitsh und Großfürsten Nikolai Alexzndrowitsch zu verberrliten, wünschen Wir Unsere Gnade derjenigen Verbannten zu erweisen, welche gegen- wärtig Kraft gerihtliben Urtheils ihre Strafe in Sibirien verbüßen und bis zum Tage des Eintreffens ‘Seiner Kaiserlihen Hoheit auf dem Boden Sibiriens in der voraeshriebenen Weise an ihre Be: stimmungs- und Arbcit8orte vertheilt sind.
Demnath befehlen Wir: 1) Den zur Zwanggearbeit Verbannten, wele durch gute Aufführung und Fleiß bei der Arbeit si der Berücksichtigung würdig erweisen, die vom Gericht bestimmten Zwangs- arbeitsfriften auf zwei Drittel zu reduziren, die unbefriftete Zrvangê- arbeit aber durch eine auf zwanzig Jahre befristete zu ersetzen. 2) Die auf Fristen von weniger als vier Jahre zur Zwangsarbeit Verurtheilten, welde die Verbreben voc ibrer Volljährigkeit begangen, gegenwärtig in die Kategorie der Ansiedler über- zuführen 3) Den zur Kategorie der Ansiedler gehörenden, \o- wie Denjenigen, welche gegenwärtig nach Absolvirung ihrer Zwangs- arbeitéfrist in diese Kategorie überzuführen sind, Falis ihre Auftüh- rung im Laufe von vier Jahren vollständig befriedigend gewesen, die sih mit nüglien Arbeiten beschäftigt und ansässig gemacht, die vom Gese für die Zwangéansiedler bestimmte zehnjährige Frist für die Ueberfübrung in den Bauernstand abzukürzen, nah Ablauf von zehn Jahren aber, wo sie durch ihre Führung das Recht zur Ueberführung in den Bauernstand erworben, ihnen die Wabl ihres Wobnorts mit Aus- rahme der Nesidenzen und der Residenz-Gourernements zu gestatten, wobei sie dec Polizeiaufsiht zu unterftellen und anstatt aller Rechte verlustig, nah dem Art, 43 des Strafgeseßes als aller besonderen, persönlichen und dem Stande nach zugeeigneten Rechte und Privilegien verlustig zu betrahten sind. 4) Den zum Aufenthalt in Sibirien Verbannten nach Ablauf von fünfzehn Jahren, seit- dem das über sie verhängte Uttheil rechtskräfiig geworden, die freie Wabl ihres Domizils zu gestatten, mit Ausnahme der Resi- denzen und der RNesidenz-Gouvernements und ohne Restitution ibrer früheren Rechte. 5) Den Verbannten, deren Verbreÿen in die Zeit vor dem 15 Mai 1883 fallen und denen bereits durch das am Tage Unserer Heiligen Krönung veröffentlihte Allerhöchste Manifest die in den Artikeln 1, 3 und 4 des gegenwärtigen Befehls angeführten Gnadenbeweise gewährt worden, außerdem nachstehende Dispensationen zu biwilligen: a den zur Zwangsarbeit Verbannten die Zwangs- arbeitsfrist um ein Jahr zu kürzen; b, den Zwvangsanstedlern, die das Recht zur Ueberführung in den Bauernstand erworben, zu gestatten, sh den städtishen Kleinbürger-Gemeinden Sibiriens zuzuschreiben, falls diese ihre Cinwilligung dazu geben, doch ohne die Bere(tigung zur Rückkehr in das Gebiet des europäischen Rußlands, ehe ihnen dieselbe in der vom erwähnten Manifeste bestimmten Weise gestattet worden, und e. den zum Aufenthalt in den sibiriswen Gouvernements Verbannten, nachdem sie kraft des erwäbnten Manifestes von der Verbannung befreit, die Ertheilung von Pässen ohne die Bezeichnung „Zu den Verbannten gehörig“ und ebenso ohne die Anmerkung über Verurtheilung und ohne die rothen Zeichen über den Rechtsverlust zu bewilligen, Y Die für Vagabundiren zur Ansiedelung Verbannten, falls sie ihre Herkunft angeben, nah Bestätigung derselben durch das lokale Gericht, von der Verbannung zu befreien, mit dem Verbot für die nah Unserer Heiliaen Krönung Verurtheilten, in den Residenzen und den Residenz-Gouvernements zu leben.
Die Anwendung der in den Artikeln 1, 3 und 5 dieses Befehls oben dargelegten Dispensationen überlassen Wir, je nach der Kom- petenz, dem Minister des Innern und den General-Gouverneuren von Irkutsk und des Amur-Gebiets nach der Vergewisserung über p gute Führung der Verurtheilten während der Zeit ihrer Ver-
annung.
Vei Zweifeln über die Anwendung der Vorschriften dieses Be- fehls baben sämmtlihe Regierungsbehörden beim Dirigirenden Senat vorftellig zu werden, welcher in Fällen, die seine Machtbefugniß über- steigen, in vorshriftsmäßiger Weise Unsere Entscheidung erbittet.
Der Senat wird nicht ermangeln, zur Ausführung dieses die be- treffenden Anordnungen zu treffen. Alexander.
Gatschino, den 17. April 1891.
Allerböchstcs Reskript an Seire Kaiserlihe Hoheit den Thron- folger Câsarewitsh und Großfürsten Nikolai Alexandrowitsch.
Eure Kaiserliche Hoheit! Nachdem Ih gegenwärtig den Befehl gegeben habe, mit dem Bau einer durch ganz Sibirien fortlaufenden Eisenbahn zu beginnen, die den Zweck hat, die reih von der Natur ausgestatteten Gebiete Sibiriens mit dem inneren Eisenbahnnetß in Verbindung zu fezen, beauftrage ich Sie, diesen Meinea Willen kund zu thun, nachdem Sie nah der Besichtigung der fremden Länder des Orients wieder ru)sifGe Erde betreten Gleichzeitig hiermit betraue Ih Sie, in Wladiwostok den ersten Spatenstih zum Bau der für Rechnung der Krone und auf unmittelbare Anordnung der Regierung genehmigten Ufsuri-Strecke des großen sibirischen Schienenweges zu bewerkstelligen. e 4
Ihre bedeutungëvolle Betbeiligung an dem Beginn dieser von Mir unternommenen wahren Volksfahe möge als neues Zeugniß Meines herzlichen Strebens dienen, die Verbindungen Sikbiriens mit den übrigen Theilen des Reichs zu erleichtern und dadur diesem Meinem Herzen nahestehenden Lande Meine lebhafteste Sorgfalt für sein fciedlihes Gedeihen zu beweisen.
Indem Ich den Segen des Herrn für die Ihnen bevorstehende weite Reise dur Rußland berabrufe, verbleibe Ih Ihr Sie innig liebender Alexander.
St. Petersburg, den 17. März 1891.
Ein laut Meldung des „W. T. B.“ aus St. Petersburg
eute veröffentlihtes Geseß modifizirt die bisherige
Landwehrordnung dabin, daß eine größere Heranziehung von Mannschaften und Offizieren zur Landwehr angestrebt wird. — Ferner wurde heute ein Erlaß -des Heiligen Synods, betreffend die Gründung von Volksbildungs- Schulen (Sonntagsshulen), veröffentlicht; diese Schulen sollen von der orthodoxen Geistlichkeit geleitet werden.
Die Verhandlungen des Reichsraths über die Zoll- reform sind dieser Tage abgeschlossen worden. Der „Rev. Ztg.“ wird aus St. Petersburg darüber geschrieben :
e Mit einigen geringen Abweichungen, die sih namentli auf Rokb- stoffe bezieben, hat sich die gcsetz2ebende Körperschaft vollständig auf den vom Finanz-Ministerium vertretenen Standpunkt eines strengen Schutzolles geftellt. Die angedeuteten Abweichungen bedeuten freili Ermäßigungen der in Vorschlag gebrachten Tarifsäße, aber diese sind vo1 dem Gedanken getragen, den Schutz, der dem betreffenden In- dustriezweig zu Gute kommen soll, niht durch zu große Vertheuerung der Rohstoffe zum Theil oder ganz wirkungêlos zu maWen. Befon- dere Beachtung beanspruht der vom Reicsrath gegen die Vorlage des Finanz-Ministeriums ermäßigte Zoll auf Rohbaumwolle: bei voller Anerkennung der Bedeutung eines Schußes unserer mittel- afiatischen Baumwollenkultur ward hierbei entscheidend zur Geltung gebracht, daß die einheimishe Erzeugung zur Zeit noch nit im Stande ist, den Gefammtbedarf zu decken, mithin unsere Baum- wollenindustrie noch «uf ausländis@e Rohwaare angewiesen ift, ein bober Zoll auf dieselbe aber diefen wichtigsten Theil der einheimischen Industrie drücken würde. Weiterbin verlautet, daß die Frage eines na dem Cours unseres Kreditrubels we{selnden Zolltarifs fürs Erste niht zur Entscheidung gelangt ift ; es bleibt demnach der feste Say in Gold, wie auch der Cours si gestalten mag.“
Niederlande.
Die Königin Wilhelmine und die Königin- Regentin sind gestern bei prahtvollem Wetter gegen 3 Uhr Nachmittags in Amsterdam eingetroffen. Die Stadt war festlih belebt. Bei ihrem Erscheinen auf dem Balkon des Palais wurden die Königinnen von der Menge enthusiastisG
begrüßt. Türkei.
Der russische Botschafter Nelidow reiste, wie „W. T. B.“ aus Konstantinopel meldet, gestern Abend dem Groß- fürsten Georg entgegen, dessen Ankunft morgen erwartet wird. Der Großfürst wird während feines zweitägigen Aufenthalts in Konstantinopel an Bord des russishen Schiffes „Kornilof“ Wohnung nehmen.
Griechenland.
Aus Corfu wird der „Wien. Pr.“ gemeldet: Der hiesiger israelitishen Gemeinde wurde amtlih mitgetheilt, daß der Sultan es den aus Corfu auswandernden Judenfamilien freistelle, sfich in Albanien _niederzulassen und dort Grund und Boden zu erwerben. Das türkishe Amtsblatt „Tarik“ bestätigt diese Nachricht. Zahlreihe jüdishe Auswanderer werden sih nach Janina begeben.
Numänien.
Bukarest, 26. Mai. Der Adreßaus\chuß der Depu- tirtenkammer hat einen Adreßentwurf vorgelegt, welcher besagt: Die erste Pflicht der gewählten Vertreter des Landes am Schlusse des Vierteljahrhunderts der glorreichen Entwie- lung des Landes unter König Karl sei, der Liebe zum Monarehen Ausdruck zu geben, der die großen Ziele der Na- tion verwirklihe, namentlih die Stabilität des Thrones ik vg habe, deren Mangel viel Unheil über Rumänien gebracht.
Der Kriegs-Minister brachte in der Kammer eine Vorlage, betreffend die Kreditforderung von 45 Mil- lionen zur Vollendung der Befestigungen und Armirung von Forts, ein, i
Jnfolge der von der bulgarischen Regierung an die rumänische Regierung gerichteten Aufforderung, die der Mitschuld an der Ermordung Beltschew's verdächtigen bulgarishen Emigranten Rizow und Najarow aus- zuliefern, hat der „Agence Balcanique“ zufolge die hiesige Regierung die diesbezüglihen Aktenstücke sowie den auf Nicht- auslieferung lautenden Beschluß des zuständigen Untersuhungs- rihters geprüft und beschlossen, die beiden Emigranten aus Rumänien auszuweisen. Rizow soll bereits über die Grenze gebracht jein.
Schweden und Norwegen.
(F) Stockholm, 24. Mai. Ueber die Fabrikations- versuhe und die Probeschießen mit dem \chwedi- \hen rauh schwachen Pulver, die hon während einiger Zeit stattfinden, enthält „Dag. Nyh.“ einen eingehenden Bericht. Wir entnehmen demselben Folgendes:
Die erlangten Ergebnisse sind als unaewöhnlich günstig zu charakterisiren und dürfte Shweden jeßt ein Pulver haben, das mit dem anderer Länder in gleicher Höbe stebt, mem nicht diese übertrifft. Die Fabrikation des neuen ulvers, das Apyrit genannt wird, erfordert wenige Spezialmaschinen, geschieht {nell und ift relativ ungefährlich. Das Apyrit ist in hohem Grade unempfänglich für Reiben und Stöße und verbrennt obne Explosion, selbst wenn es in größerer Menge angezündet wird. Es ist beinahe ganz raufrei und steht in dieser Hinsiht, nah der Bekundung von Sachverständigen, über anderen bekannten Pulversorten. Dessen meist bemerkenswerthe Eigenschaft ift jedoch vielleiht, daß es bei der Ab- gabe von Schüfsen keine Flamme giebt, sei es daß es im Gewehr oder in der Kanone verwendet wird. Da kein Feuer aus der Müntung. dringt, fo kann man in einer finsteren Naht in einer Entfernung von 100 m von einem abgeschossenen Gewehr nur nah dem \{chwaten Knall beurtheilen, wo der S&üte sih ungefähr befindet, Hinsihtli der Erbißung der Waffe beim Schieken hat man gefunden, daß man
mit gleiher Erhißung 23 S{Güfse abgeben kann, wie man mit Nitro- glycerinpulver bei 10 Schüssen oder mit Sch{warzpulver bei 15 Schüssen erhält. Als ein Beispiel, wie wenig ein Gewebr dur \{chmutig wird, kann angeführt werden, daß beim Einschießen bei drei Gewehren 21400 Schüsse abgegeben wurden, ohne daß die Gewehre gereinigt und obne daß ein einziger Shuß abnorm war. Das eine von diesen Gewehren blieb aht Tage ungepußtt stehen; das Puten war dann aber nicht s{wierioer, als wenn es unmittelbar nah dem Schießen geshehen wäre. Die Ladung wiegt 3,5 g und die Kugel 145 g, und damit erbält man eine Aus8gangsges{windigkeit von 640 m und einen Druck von 2,260 Atmosphären. Diese Geschwindigkeit giebt eine rasirende Kugelbahn bis 700 m für Mannshöhe. Das Apyrit ist au für Schläge wenig empfänglich ; angestellte Versuche sollen gezeigt haben, daß eine Erplosion im Munitionswagen nicht statifinden wird, selbst wenn Projektile in diesen niedershlagen. Es ift außerdem haltbar und widersteht der Feuchtigkeit, sodaß es längere Zeit lagern kann und die Einflüsse der verschiedensten Witterungen erträgt. Der Direktor der Pulverfabrik der norwegishen Armee, Kapitän Färden weilt gegen- wärtig in Stockholm, um den Versuchen beizuwohnen, welche jeßt von Truppenabtheilungen in größerem Maßstabe vorgenommen wer- den, und um die Fabrikation8methode des Apyrit kennen zu lernen.
(F) Christiania, 23. Mai. Der Gesctzentwurf. betreffend den Feingehalt und die Stempelung der Gold- und Silberwaaren 2c., wurde gestern vom Odels- thing mit den Abänderungsvorschlägen der Kommission an- genommen. Nach den Abänderungsvorschlägen foll es künftig
estaitet sein, Gold- und Silberwaaren von jedem beliebigen
eingehalt zu verarbeiten und zu verkaufen; die Stempelung bleibt eine freiwillige Sache, wird aber nur für solche Arbeiten erlaubt, die ein gewisses Minimum an Feingehalt haben. Der Geseßentwurf wurde dann dem Lagthing überwiesen.
Die Zollkommission des Storthings hat ihren Bericht, betreffend die Zolltarifsäße für das nächste Finanzjahr (1. Juli n e L jeßt erstattet. Die Kommission hat dem Bericht den jeßt bestehenden Fail zu Grunde gelegt, indem sie meinte, daß es am Richtigsten sein werde, die prin- zipiellen Fragen wegen Freihandels- oder Schubßzollsystem vorläufig zu vertagen, da man noch nicht wissen könne, wie die Frage wegen des Abschlusses von Handelstraktaten mit fremden Ländern nah Ablauf des französishen und des spanischen Traktats am 1. Februar 1892 sich stellen werde. Die wihtigsten Anträge der Kommisfion sind: den Zuckerzoll von 40 Dere per Kilogramm auf 20 Oere herabzuseßen, während die Regierung eine Herabsezung von 40 auf 30 Oere vor- geshlagen hatte. Die Kommission legt besonderes Gewicht darauf, „daß die Zollermäßigung sogleih und mit ihrem vollen Betrage den Konsumenten zu Gute komme“, was als siher nur anzunehmen fei, wenn die Zoll- ermäßigung eine wirklih beträhtlihe werde. Die Wiederein- führung eines Zolls von 5 Oere per Kilogramm Syrup, den die Regierung aus verschiedenen Gründen beantragt hat, - ist von der Kommission beinahe einstimm'g abgelehnt worden. Im landwirthschaftlichen Interesse sind von den Kommissions- mitgliedern selbst Anträge auf die Einführung von Zöllen auf frishes Fleish, Speck, Schmalz u. st. w. gestellt worden, die lebhafte Unterstüßung fanden, von denen aber nur der Zoll von 7 Dere per Kilogramm auf Eier zur An- nahme kam. Schließlih beschloß die Kommission, die Herabsezung des Petroleumzolls von 10 auf 5 Oere zu beantragen, Es wurde berechnet, daß die Zollherabsezungen und sonstigen Aenderungen des Zolltarifes, unter der Erwartung eines gesteigerten Verbrauchs von Zucker, zusammen eine Mindereinnahme von 2 720 000 Kronen im nächsten Finanzjahre ergeben würden. Dieser Fehlbetrag soll nach dem Vorschlage der Kommission theilweise durh Erhöhung der Branntwein- und Malzabgaben sowie durch Streichung eines berechneten Uebershusses gedeckt werden; der Rest von 1100 000 Kronen aber wäre aus dem Kassenbestande der Staatskasse zu saldiren.
Amerika.
Chile. Nach in Paris eingegangenen Meldungen aus Jquique hat die Kongreß-Partei einen Freundschaft s- vertrag mit der Republik Bolivia abgescblossen. Gleich- zeitig wurde beiderseits beschlossen, Betreffs Regelung der n Grenzstreitigkeiten in Unterhandlung zu reten.
Argentinien Die von der Deputirtenkammer den Banken gewährte Frist von 20 Tagen zur Rückzahlung der Guthaben bei Banken is einem Telegramm des „W. T. B.“ aus Buenos Aires zufolge vom Senat auf unbestimmte Zeit verlängert worden.
Parlamentarische Nachrichten.
In der heutigen (89.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten , welcher der Minister des Jnnern Herrfurth, der Justiz-Minister Dr, von Schelling, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlep\ch, der Finanz- Minister Dr, Miquel, der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden und der Minister der geistlichen 2c. An- gelegenheiten Graf von Zedliz-Trüßshler beiwohnten, wurde die dritte Berathung des Gesezentwurfs, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts- Etats für das Jahr vom 1. April 1891/92 fortgeseßt, und zwar bei dem Etat des Ministeriums für Handel und Gewerbe.
a, Goldschmidt beshwerte sich, daß der Berliner Polizei-Präsident der Berliner Gastwirths-Jnnung die Privi- legien des §. 100 f der Gewerbeordnung verliehen habe, wäh- en. die Fahshulen und sonstigen Einrichtungen der freien
erelinigungen der Berliner Gastwirthe allen berehtigten An- forderungen genügten. B u Minister für Handel und Gewerbe Freier von EN epsch legte die thatsählihen Verhältnisse dar und führte daraus3 den Nachweis, daß das Verfahren des Polizei- rüsidenten den geseßlihen Erfordernissen unbedingt genüge. bâtt nhörung der nihtbetheiligten Gastwirthe sei erfolgt; sie ätten allerdings der Verleihung der Privilegien niht zuge- stimmt, das sei aber auh nit nöthig. bél A Ebert y meinte, daß der Vorgang große Aufregung ei AN Nichtinnungsmitgliedern hervorgerufen habe, und bat um bg, Gerd ihrer an den Reichstag gerichteten Petition. der 208. Goldshmidt billigte niht, daß auf das Ergebniß id E der Nichtmitglieder der Jnnung kein Gewicht
Der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch wies darauf hin, daß viele der großen Restau- rateure sowohl den freien Vereinigungen wie den Innungen
Een und zu den Jnnungseinrihtungen willig ihre Beiträge zahlten.
_ Abg. Eberty meinte, daß der Eintritt dieser Herren in die Jnnungen erst später auf einen sanften Druck erfolgt sei.
Abg. Lehmann regte die Umgestaltung der rheinischen Gewerbegerichte an.
Der Minister für Ane und Gewerbe Freiherr von Berlep\sch erklärte, daß eine bezüglihe Vorlage in den nächsten Tagen dem Hause zugehen werde.
Die Abgg. Schmidt (Hagen), von Schendcken dorff, Eber ty, von Eynern und Seyffardt (Magdeburg) er- örterten die Lage und Aussichten des Fortbildungs\{hulwesens.
Auf eine Anfrage des Abg. Richter erklärte der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden, daß die im Reichstage angekündigten Erhebungen über die vorhandenen Getreide- vorräthe und den Stand der Saaten noch niht zum Ab- {luß gelangt seien. Bezüglih der Ernie seien die Besürch- tungen in den leßten vierzehn Tagen erheblih abgeschwäht.
m Augenblick sei kein Grund zur Besorgniß vorhanden. Wie 1h die Verhältnisse definitiv gestalten würden, sei zur Zeit natürlih noch nicht zu sagen. Voraussihtlich werde es eine shlehte Stroh: und verhältnißmäßig gute Körnerernte geben. Welche Getreidevorräthe noch vorhanden seien und welche eventuell aus dem Auslande gn werden könnten, sei mit Genauigkeit festzustellen wohl überhaupt niht möglich. Die Höhe der Getreidepreise sei wesentlih mit herbeigeführt durch die Unsicherheit der Verhältnisse auf zollpolitischem Gebiete. Diejenigen, die jeg! eine Forderung auf Zollermäßi- gung stellten, ohne daß derselben Folge zu geben ein dringender Anlaß vorliege, trügen nur zur weiteren Steigerung der Getreidepreise bei. (Schluß des Blattes.)
Entscheidungen des Reichsgerichts.
Leistet ein Gemeinschuldner nah der Zahlungseinstellung (aber vor der Konkurseröffnung) an einen seiner Gläubiger, welcher wegen seiner fälligen und vollstreckbaren Forderung bereits Mobiliar- pfändung bewirkt hat, Zahlung, um die Aufhebung der Pfändung zu erwirken, so ist, nach einem Urtheil des Reich8gerihts, VI. Civil- senats, vom 23. März 1891, diese Dan der Schuld nicht aus S. 23 Ziffer 2 der Konkursordnung, sondern nur aus §. 23 Ziffer 1 anfehtbar; zur Anfechtung bedarf es daher des ‘ dem befriedigten Gläubiger gegenüber zu führenden Nachweises feiner Kenntniß der Zahlungseinstellung.
Statistik und Volkswirthschaft.
JInvaliditäts- und Altersversiherung.
Auch aus dem Regierungsbezirk Stade wird gemeldet, daß \ih dort, nahdem Seitens der Invaliditäts- und Altersversiherungsanstalt Hannover die Bewilligung einer größeren Anzahl von Alterörenten an Anwärter, welche am 1. Januar 1891 das 70. Lebensjahr bereits voll- endet hatten, stattgefunden, bei der betheiligten arbeitenden Bevsl- kerung troy vielfaher Gegenagitationen die Grkenntniß mehr und mehr Bahn gebrochen habe, welhe Wohlthaten das Invaliditäts- und Nantes den Arbeitern hon während der Uebergangs- i jetet.
Volkszählung.
Das nunmehr für das ganze Herzogthum Meiningen end- gültig festgestellte Volkszählungéergebniß vom 1. Dezember v. F. hat nach dem „Hann. Cour.* eine Gesammtseelenzahl von 223 832 gegen 214 884 im Jahre 1885 und sona eine Zunahme von 8948 oder 4,16 % ergeben. Im Verbältniß vom Hundert berehnet, hat Sonneberg am Meisten um 7,80 und Meiningen am Wenigsten mit 2,25 zugenommen.
Land- und Forftwirthshaft.
Stand der Saaten.
Im Süden und Südwesten Rußlands, besonders in den Gouvernemeuts Woronesh, Charkow, Poltawa, Jekatherinoslaw und in einem Theile des Landes der Donischen Kosaken bis nah Rostow hin, baben neueren Mittheilungen zufolge Winterweizen und nament- lich U aTeoga unter der Ungunst der Witterung im Winter und Frühjahr stark zu leiden gehabt. Große Flächen mußten umgepflügt und mit Oelsaaten beziehungsweise Sommerung bestellt werden. Die Sommersaaten sind gut aufgegangen,
In den Gegenden \üdlich von Rostow nah dem Kaukasus zu zeigen Sommer- und Wintersaaten einen vielversprehenden Stand. Auch in Nord-Rußland sollen die Ernteaussichten bisher angeblich im Allgemeinen niht ungünstig fein.
Ueber den Stand der Saaten in den Distrikten der unteren Moldau erfahren wir Gardes! Der strenge und lange Winter hat den Herbftsaaten erheblihen Schaden zugefügt; in einigen Distrikten ist der Raps gänzli, Roggen und Weizen zum großen Theil vernihtet. Auch die Frühjahrsbestellung hat unter der Ungunst der Witterung zu leiden gehabt.
Nawbrichten aus Serbien vom 21. d. M zufolge hat der außer- gewöhnlih lange Winter und die feit Beginn des Frühlings ein- getretene Dürre den Wintersaaten stark geshadet und au der Anbau der Sommerfrucht, insbesondere des Kukuruz, konnte der ungünstigen Witterung wegen nit rechtzeitig erfolgen.
Nach Mittheilungen aus Schweden ist der Stand der Saaten daselbst bisher ein guter.
Zur Moorkultur.
Der im vergangenen Jahre im Reg.-Bez. Stade begonnene Versuch, die Bestrebungen zur Förderung der Moorkultur durch Ein- führung von Seeschlik als Dungmittel zu unterftüßen, in der Weise, daß auf fiskalishe Kosten der Seeshlick von Bremerhaven und der Oste-Mündung na solchen Lagerpläten geshafft wird, welhe den Moorkolonisten leiht zugänglih find, wird auch in diesem Jahre, und zwar in verftärktem Maße, fortgeseßt. Während im vorigen Jahre etwa 1000 ebm zur Vertheilung gelangt find, werden în diesem Jahre etwa 1500 cbm abgegeben werden können, weil sich die Kosten für Beschaffung des Seeschlicks und defsen Transport zu den Lager- plägen billiger stellen und zu erwarten fteht, daß der Einheitspreis pro Kubikmeter den Betrag von 5 #6 — gegen 6 K 50 &Z im Vorjahre — nit übersteigen werde, Die für das Hellweger Moor im Kreise Acim beftimmten Schlickmengen sowie die hierfür auêtgeworfenen Mittel sind der Königlihen Moorversuchsftation in Bremen über- wiesen worden, welche au die rationelle Verwendung überwachen wird. Nach Mittheilung des Dirigenten diefer Station haben die Be- dingungen für freie Abgabe von Seeschlick auf dem Lagerplay an die Bewohner des in der Kultur {hon weiter vorge¡chrittenen oben ge- nannten Moores insofern erweitert werden können, als die Abnehmer von Seeschlick si verpflihten müssen, eine ebenso große Menge, als ihnen frei abgegeben war, auf eigene Kosten si zu verschaffen und zu verwenden. Ein weiterer Fortschritt in dem Bestreben, die landwirth- schaftlihen Erträge in den Moorgebieten durch geeignete Meliorationen zu heben, darf auch nah einer anderen Richtung hin verzeichnet werden.
Unweit des Ofte-Hamme-Kanals, in der Gemarkung Langenhausen' Kreises Bremervörde, is unter einer Moorshiht ein Mergellager in einer Ausdehnung von etwa 100 m Länge, 40 m Breite und durch\chnittlich 3 m Tiefe aufgefunden und in Bezug auf seinen Dungwerth untersucht worden. Die Analyse der der Moor- versuhsftation CNSGANNN Proben hat ergeben, daß der Mergel einen durch{schnittlihen Gehalt von 18% an kohblensaurem Kalk enthält und daber zur Verwendung auf Moorflächen geeignet ist. Zur Erschließung des Mergellagers bedarf es der Anlage eines Kanals von 380 m Länge, welcher von dem Ofte-Hamme-Kanal direkt an das Mergel- lager führt und den Kolonisten gestattet, mit ihren kleinen Schiffen an das Lager zu gelangen, das Material dert zu laden und dasselbe zu Wasser an die Verwendungsstelle zu hafen. Die Ausführung de3 Kanals hat die Oste-Hamme-Kanal-Genossenshaft unter der Bedingung übernommen, M: eine staatli®ße Beihülfe in Höhe von einem Drittel der Kosten, welhe zu 4780 #Æ ermittelt sind, also im Betrage von 1500 4 gewährt werde. Jn Anbetrabt des wih- tigen öffentlihen Interesses ist diese Beihülfe von dem Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten bewilligt worden; die Aus- führung des Unternehmens darf sonach als gesihhert angesehen werden.
Theater und Musik.
Adolph Ernst- Theater.
Das Adolph Ernst-Theater beging gestern eine jener Jubiläums- Festlichkeiten, die an dieser Bühne herkörnmlich sind. Kann do der glücklihe Direktor auf nicht weniger als 20 solcher Erfolge zurück- blicken! Diesmal war es die 100. Aufführung der YJacob- A Görß'shen Posse „Adam und Eva.“ Außer dem irektor wurden namentlich die Damen Dora, Bäckers und die Hrrn, Weiß und Tielscher mit reihem Beifall und \{öônen Blumenspenden belohnt. Auch die Verfasser echielten von den Ovationen ihren Antheil und wurden mit den Darstellern am Swhluß wiederholt hervorgerufen. Kapellmeister Ferron hatte zur Feier des Tages eine \{chwungvolle Festouverture komponirt, und an die Besuber wurden am Eingange als Souvenir die beliebtesten Couplets, Noten und Text, vertheilt.
Mit Erlaubniß des Direktors Ludwig Barnay wird die von ihm neuengagirte Lustspielsoubrette Frl. Elli Bender in der Novität: „Der verlorene Sohn“ im Wallner-Theater mitwirken. Die Haupt- rollen darin sind nunmehr, wie folgt, besegt: Vater Pierrot: E:
ranz Guthery ; Mutter Pierrot: Fr. Walter-Trost ; Pierrot Sobn:
rl. Helene Odilon; Phrynette: Frl Elli Bender; der Baron: Hr. ichard Alexander. Für den Klavierpart, der einen Künstler ersten Ranges verlangt, ist Hr. Max Jentsch, vom Rach- fall’shen Konservatorium, als Sologeiger Hr. Walther Cavalléry ver- pflichtet. Das Orchester wurde bedeutend verftärkt. Die neuen Dekorationen liefert E. Falke, die kostümlihe Ausstattung die Firma Baruch u. Co. Die erste Aufführung des „Sthauspiels ohne Worte“ ist für Sonnabend, den 30. Mai geplant.
Um dem Publikum wie der Presse entgegenzukommen und vielen Freunden des Frl. Martha Zipser — die am Sonnnabend dur die Aufführung der „Kronprätendenten*“ im Könizglihen Schauspielhause vom Besuch des Residenz-Theaters abgehalten worden wären — Gelegenheit zu geben, der \{heidenden Künstlerin Lebewohl zu fagen, hat Direktor Sigmund Lautenburg die Vorstellung der „Wildente“ auf Sonntag Mittag 12 Uhr verschoben.
eDer \chwarze Domino* von Auber, welher am Freitag im Kroll’\chen Theater zur Aufführung gelangt, und in welchem Hr. Anton Erl feine drittleßzte Gastrolle giebt, ist in den weiteren u f vertreten durch Frl. Schacko (Angela), Frl. Cleve Brigitte), Frl. Finkenstein (Ursula); der Gil Perez wird von Hrn. Grosser, der Lord von Hrn. Theile und Juliano von Hrn. Bufsard gegeben. Fr. Marcella Sembrich tritt morgen (Donnerstag) in der „Nachtwandlerin“ als Amina auf.
_Die „Münchner“ werden gelegentlich ihres bevorstehenden Gastspiels am Adolph Ernst-Theater dem Berliner Publikum die Bekanntschaft eines neuen Anzengruber’s{en Stütes vermitteln. Direktor Hofpaur hat das Schauspiel „Der ledige Hof® erworben und wird dieses Werk voraussihtlich mit dem „Herrgottshnizer* und „Meineidbauer“ abwechselnd zur Aufführung gelangen.
Mannigfaltiges.
Zu der feierlihen Eröffnung der \chon gestern im „R. u. St.-A.“ erwähnten „Kolonial- Ausstellung“ im Waarenhaus für Deutsche Beamte in der Dorotheenstraße Nr. 33/34, war im Auftrage Ihrer Majestät der Kaiserin Kammerherr von dem Knescbeck erschienen; ferner waren anwesend der Geheime Ober-Regierungs-Rath Graf Bernstorff, Vertreter von Kolonial- und Missionsgesellschaften und zahlreihe Offiziere, Die Ausstellung, die zugleih einen inter- essanten Verkaufsbazar umfaßt, ist u. A. aub beschickt von Ihrer Hoheit der Herzogin von Sachsen-Altenburg und von Ihrer Hoheit der Fürstin Sophie zur Lippe, welche Leßtere ein felbst ge- maltes „Stillleben“ dem guten Zweck gewidmet hat. Betritt man die im Parterre belegenen Ausstellungsräume, so sieht man ih in einem großen Zimmer, an denen Pfeilern Waffen, Fahnen und Trophäen, links folhe der Wissmann'shen Expedition, rechts \olhe von Dr. Peters’ Zuge prangen. An den Schmalwänden sind zwei große Negerhütten aufgebaut. Geradeaus gelangt man in die an Meister- werken reie Kunsftabtheilung, links in den westafrikanishen Saal, an den s\sich weiter der ostafrikanishe Saal anschließt. In der Lotterie sollen 300 000 Loose ausgegeben werden. Bei der Eröffnung bielten nah einem Gebet des Pastors Hagenow Graf Bernstorff und E j U ea mp Ansprachen über Zweck und Ziel der Veran-
altung.
Bei dem gestrigen Brande in der Ulanen-Kaserne ist ein Mitglied der Feuerwehr {wer verleßt worden. Um das Feuer mög- lihst abzuschneiden, kro der Ober-Feuermann Lembke von der vierten Compagnie durch eine der vom Stall nah dem Boden führenden Luken. Troß des furchtbaren Qualms, der den Boden bereits erfüllte, versuchte Lembke doc, in seiner gefährdeten Stellung auszuharren, indem er \ich_ platt auf die Diele des Bodens legte und dur die Luke das Rohr cines Sprißzenshlauchs nahzog. Noch ehe er aber Wasser geben konnte, ertönte ein furhtbarer Kra, die Stichflamme war in den Bodenraum eingedrungen und hatte den ganzen Raum in Flammen gehüllt. Man versuchte zwar sofort, ihm zu Hülfe zu kommen; es gelang au, ihn noch dur die Luke wieder herabzu- ziehen, leider war er aber {on furhtbar beshädigt. Vom Rücken waren alle Kleider abgesengt, der Kopf war sämmtlicher Haare beraubt und die Hände waren mit shrecklihen Brandwunden bedeckt. Dem mühsam Geretteten wurde ein Nothverband angelegt und dann die Ueber- führung nah seiner Wohnung veranlaßt. Die Feuerwehr war gestern noch bis zum späten Abend mit Aufräumungsarbeiten auf der Brand- stelle beschäftigt, die au heute noh den ganzen Tag über drei Züge der Feuerwehr in Anspruch nehmen.
In Folge einer an 350 evangelishe Schriftsteller bezw. S(hrift- stellerinnen ergangenen Einladung trat gestern etwa der fünfte Theil der Geladenen im CUdE Sen Les Hause in der Mohrenstraße zu einer Konferenz evangelisher Schriftsteller zusammen. Unter den Theilnehmern, welhe den verschiedensten Gegenden des Deutschen Reichs entstammten, befanden si, neben einer beträct- lihen Anzahl von Geistlihen, unter denen Hofprediger D. Frommel hervorgehoben sei, Chef-Redacteur Pantenius vom „Daheim“, Verlagsbuhhändler Petersen- alle, Professor Baumgarten- Jena und mehrere \({riftstellernde Damen. Hr. Pastor Evers, welcher die Konferenz einberufen, be- grüßte die Versammlung und führte aus, daß der Wunsch, der evangelishen Shriftstellerwelt Gelegenheit zu persönlichem Nähertreten und gemeinsamem Gedankenaustau|ch zu geben, auf dem Nürnberger Kongresse für innere Mission laut geworden und ein zur Förderung dieses Zwcckes zusammengetretenes Comité die
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