Atmosphäre auf etwa 60 bis 80 km geschäßt wurde, so war damit feineswegs behauptet, daß Über diese Höhen hinaus keine der Erde angehörigen Schichten mehr vorhanden seien, sondern nur, daß leßtere von zu gcringer Dichtigkeit sind, um no optishe Wirkungen genannter Art hervorzubringen. Ein Erkenntnißmittel für das Vor- bandensein folcher äußerst dünnen Schihhten jenseits einer Höhe von ca. 80 km ergab si, als man von Ende des 18. Jahrhunderts an nah Cladni's Vorshlag begann, die Höhen zu bestimmen, in denen das erste Aufleuten der Sternshnuppen stattfindet. Eine besonders um- fangreihe Untersuchung über diese Höben if im Auguft 1867 dur gleichzeitige Beobachtungen derselben Sterns{bnuppen an der Berliner Sternwarte und in Anklam, Nauen, Grünberg, Pleiske und auf dem Hagelsbera durcgeführt worden, indem es ge- lang, in einer ansehnlihen Zahl von Fällen für ein und dieselbe Sternschnuppe die verschiedenen Stellen am Sternen- bimmel zu bestimmen, an denen dieselbe, von den vershiedenen Beobactungsorten aus gesehen, zu einem und demselben Zeitpunkt aufleuhtete. Es ergab si, daß dieses Aufleucbten in einer Höhe stattfand, welhe 150 km niht wesentlich überschritt. Viel kommt bierbei auf die Richtung an, in welcher sih die Sternschnuppen im Verhältniß zur Bewegungsrihtung der Erde fortbewegen. Im All- gemeinen durcheilen diese H‘mmelskörperhen den Raum mit einer Geschwindigkeit von ca, 42 km pro Sekunde. Da nun die Erde selbst sich mit einer Gischwindigkeit von etwa 30 km pro Sekunde um die Sonne bewegt, so geschieht das Eindringen in die Erd- atmosphäre von solben Körperhen, welGe der Erde gerade ent- gegenkommen, mit einer Geschwindigkeit von ca. 72 km, während für diejenigen Körperhen, welche von der Erde eingeholt werden, die Ge- \{chwindigkeit im äußersten Falle nur die Differenz zwischen beiden obengenannten Geschwindigkeiten, also 12 km betragen wird. Es ift flar, taß das Aufleubten und Erglühen der in die Erdatmosphbäre eivdringenden Himmelskörperhen bei so verschiedenen Geshwindig- keiten in sehr verschiedenen Höhen entsteht. Das Verlösben der Körverchen, d. h. ihre fast völlige Auflösung, findet nah den Berliner Beobachtungen von 1867 in ca. 80 km Höhe statt uad ift natürlich sehr von der Größe und Zusammensetzung derselben abhängig. Man kann aus diesen Beobachtungen also annehmen, daß die Grerze der jenem Eindringen in die Atmosphäre Widerstand leistenden Schichten mindefiens noch einige Zehner des Kilometer höher als 150 km anzusegzen ist. In noch größere Höhen reichen die Polarlicht- Erscheinungen, deren Höbe zur Zeit ibrer sehr ftarken Entwicklung, wern sie bis in die Wendekreife sichtbar sind, 500—600 km betragen fann, während sie in den Polarregionen gewöhnlich nur in Höhen von einigen Kilometern, jz sogar ditt über dem Erdboden ih abspielen. Es ift aber fraglich, ob in jenen Höhen noch Schichten vorhanden sind, welche der Vewegung der Erde um die Sonne folgen; denn möglich wäre es, daß das elektrische Glühben, als welches man das Polarliht wobl betrahten darf, zwar von der Erde in den Himmelêraum ausfstrablt, also der Bewegung der Erde um die Scnne folgt, aber sh dabei noch jenseits der zur Erde gehörigen Scichlen erstreckt, also in die Schichten äußerst ver- dünnter Gase, welde allem AnsGein nach den Raum zwisben Pla- neten und der Sonne ausfüllen, Diese Gase, welche natürlih nit mit dem sog. idealen Medium, tem als Träger der Lichterscheinungen angenommenen „Aether“ zu verwechfeln find, könnte man als „Dimmeleluft“ bezeihnen. Für die Existenz derselben sprewen die immer voliständiger bekannt werdenden Zustände auf der Sonne, wo dur fortwährende explosive Vorgänge, sowie dur Auflösung und Verflüchtigurg der zahllosen kleinen Meteorkörper, welche ununter- brohen der Sonne zueilen, eine unablässige Entwickelung und Aus- breitung von Gasen stattfindet. Als fernerer Beweis für die Eriftenz dieser „Himmeléluft" kann ter Umstand gelten, daß der mit einer sehr kurzen Umlaufszeit von nur 1200 Tagen ausgestattete Encke’sche Komet deutlihe Spuren von ihrer bemmenden Wirkung erkennen läßt, welhe sib in einer Verkürzung dieser Umlaufszeit dokumentirt. Spuren der Gegéenwirkung der relativ . ruhenden Himmels[luft gegen die mit einer Geschwindigkeit von 30 000 m in der Sekunde dur sie bindur@ftürmende Erde lassen sich in den obersten Schichten der Atmosphäre an den Bewegungen der leuchtenden Sweife und Liétwölkhen, welhe mande Sterrshnuppen und Feuerkugeln längs ibrer Babn zurüdlafsen, erkennen, namentlich wenn die- selben minutenlang sibtbar bleiben, Die scheinbar fehr langsamen Orts- und Gestaltëänderungen dieser Gebilde dürften bei Berücksihtigaung ibrer großen Höbe und Entfernung mit Ge- \chwindigkeiten von mebr als 100m pro Sekunde si vollziehen. Doch sind die in tiefen metcorishen Sweifen f vollziehenden Bewegungen allem Arsein na nit fo einfacer Natur, daß sie cus dem einfachen Zurüdckbleiben der obersten Scickten gegen die Gesch =zindigkeit, mit welcer der Veobachter auf der Ecrdovearfläie si bewegt und welche am Aequator 465 m und in unseren Breiten 250—300 m pro Se- kunde beträgt, obne Weiteres erkiärt werden könnten.
Die Gegenwirkung der Himmelsluft gegen die Bewegung der Erde um die Sonne dürfte auch Druckwirkungen bervorrufen, welche bei sehr feinen barometri\chen Mcfsungen nicht verborgen bleiben könnten. Es eröffnen diese Erwägungen Ausblicke auf erfolgreihe Erklärung der in Folge des Zusammenwirkens der verschiedensten Ein- flüfse noch sehr dunklen tägliben Periode des Luftdrucks __ In den legten sünf bis sechs Jabren hat si als die leyte der Folgeersckeinungen des Krakatoa-Ausbrubes noch eine Ersheinungs- gruxpe aufgetban, welWe für das Problem der Zustände in den obersten Luftshichten von der größten Bedeutung ift. Es sind dies die sogenannten leuchtenden Wolken, deren systematische Beobachtung zuerst Hr. O. Jesse in Stegliß angeregt hat und welche nähhtliher Weile in den Sommermonaten jeder Halbkugel in einer Höhe von circa 82 km — wie genaue gleizeitige photographische Aufnahmen in Berlin, Ratkenow und Nauen gelehrt haben — erglänzen, Sie sind jedenfalls die bei der Krakatoa- Katastrophe im August 1883 am Höcbften geschleuderten kleinsten Wasser- theilen, welche aus jenen großen Höhen in direkter Sonnenbeleuhtung ¿u uns berabschimmern. Genaue Mefsungen in den letzten beiden Jahren haben ergeben, daß si die mittlere Höhe dieser Wolken in dieser Zeit niht geändert kat. Die lange Dauer diefes Schwebens it schr merkwürdig und wird nur mit Hülfe der Annahme einer die Schwerewirkung in jenen Höhen nabezu aufhebenden elef1riscen Ab- stoßung Seitens der Erdoberfläche e:klärbar. Die Beobachtungen der legten Jahre haben ergeben, daß nit rur die Dichtigkeit dieser Stoffansammlungen ganz erhebliw abgenommen, sondern au ihre geographische und periodishe Verbreitung über die verschiedenen Zonen der Erde sich mehr eingeschränkt und regulirt hat. In den leßten drei Jahren sind diese Wolken in Deutschland nur mehr zwischen Ende Mai und Ende Juli nah Norden bin in einer direkten Ent- fernung von 500 bis 700 km sichtbar gewesen, auf der südlihen Halbkugel an der Südspiße Amerikas im dortigen Sommer nah Süden hin. Man darf daher annehmen, daß diese Ansaramlung von Wassertheilchen unter der Gegenwirkung der „Himmelsluft“ und bei der geneigten Lage der Grdaxe alljährlich von der einen Polarzone der Erde zur anderen wandert, sodaß sie si stets über derjenigen Halb- kugel béfindet, welhe gerade Sommer hat.
er Vortragende hob zum S{luß die großen Verdiinste hervor, welde Hr. Jesse um die Erforshung der Natur der leuhtenden Wolken hat, und betonte, wie viel zur Vervollständigung aller dieser BeobaStungéergebnisse durch die Mitwirkung recht Vieler in den ver- schiedensten Zonen der Ecde gesehen tann und zwar {on schr viel ohne Apparate und Maßbestimmuncen, nämlich bloß im statistisen Sinne und auf dem Wege ungefährer Schätzung. „Die Betbeilizung an solchen großen kosmischen Forschungen au in allershlichtester Form gewährt eine unvergleihlibe Besfriedi- gung. Sich im Geist bei solchen Beobachtungen in jene Höhen empor- s{wirgen, bilst uns ar dozu, die Dinge auf der Erde von oben, R Tue fas im Ee u Ewigen anzusehen“, so \{lof der V nde einen mi ebhaf Beif 3 fefeluden Vortrag. bhaftem Beifall aufgenommenen | c. Dr. P. Ebrenreich spra \{ließlich über L im Sertao von Matto Grofso und Gra in Bete AROE
— Die hbeutige Ausgabe der „Deutshen Medizinischen Wochenschrift“ bringt folgende Mittheilung: Wie wir zuver- lässig erfahren, ist Robert Koch seit seiner Rückkehr hauptsä{lich damit beschäftigt, deu in dem Tuberkulin enthaltenen wirksamen Stoff zu isoliren und derart chemisch zu charakterisiren, daß eine Prüfung s\einer Beschaffenheit in ähnlicher Weise wie bei anderen Arzneistoffen ermöglicht wird, Sobald diese Arbeiten zu einem brauch- baren Ergebniß gelangt sind, was {on für die nächsten Monate zu erwarten ftebt, wird Koch sowohl darüber wie über die Einzelheiten des Verfahrens zur Herstellung des Heilmittels eine umfassende Ver- ¿fentlihung bewirken, indem alsdann einer solchen Bedenken nicht mehr entgegenstehen,“
— Ueber die Bauten im Marienburger Hochshlofß be-
richtet die „Elbinger Zeitung“ in Folgendem: „Die baulichen Einrichtungen des Hochschlosses sind bis auf die innere Aus\{mückung nabezu vollendet. Die Kosten für bereits ausgeführte Bauten betragen 351 804,31 Æ, die in der Ausführung begriffenen Bauten beziffern ih auf 465 669,49 S Hierzu kommen noch die Kosten für die Aus- \chmüdckung des Kapitelsaales (150 000 #), für den Kreuzgang (90 000 6), Marienkirche (80 000 4), MRemter im Süd- flügel des Hochshlosses (40 000 4A), Vorburg (10000 #) und Herrendansk (80000 #). Die Grundstücksankäufe zur Frei- legung des Schlofses sollen einen Kostenaufwand von 291 645,62 4 erfordern. Zu den bisherigen Bauauésführungen hat der Staat 275 000 M beigetragen, während auf die Lotterie 1798 181,68 A entfallen, von welhem leßteren Betrage 899 090,84 4 für Bauten und 899 090,84 Æ für Ausshmücckung der Räume verausgabt werden sollen. — Zur völligen Vollendung des Hochsblosses stehen gegen- wärtig noch folgende Aufgaben aus: 1) der Ausbau des Herren- Danskers, 2) der Giebelkranz um die Marienkirche, 3) die an die Kirhe anlehnende Gebäudegruppe des Pfaffenthurmes, 4) Zwinger und Vorthor des Hochschlosses. — Das Aeußere der Kirche (Nr. 2) in Stand zu seßen, wäre zwar nothwendig, aber der Nachweis der Einzelformen ist noch von Aufdeckungen ab- bängig. Ebenso bedarf die Gebäuckegruppe am Pfaffznthurm (Nr. 3) noch des näheren Studiums ihrer Räume: man sieht bis jeßt nicht ein, ob dort überhaupt ein Thurm stand, wie die Ueberlieferung an- nimwt. Der Bau des Vorthors und Zwingers (Nr. 4) würde die freie Bewegung hindern und muß darum zuleßt ausgeführt werden; es eignet fih daher nur der Herrendansk zur nächsten Bauaufgabe. Der Herrendansk ift ein nie fehlendes, wichtiges Bauglied eines Ordens\{lo}es. Im Hauptgesloß in der Südwesteckz des Kreuzganges hebt ein s{chräg einlaufender Tunnel an, der, auf der Außenecke sichtbar, aus dem Eckthurm heraustritt. Der erste Bogen ifff weggebroden, der zweite Bogen ist zum Theil vorhanden, die folgenden drei Bogen reichen bis in den Graben und sind na der Stadt zu durch eine feste Wand ge\sclofsen. Der Bogengang ftöft auf einen Thurm, dessen Reste noch erhalten sind. Der Thurm ift ebenfalls als Speiherraum benußt und sind dort Luken eingebrochwen. Für den Unterbau sind die wesentlichsten Stücke erhalten, für den fehlenden Oberbau kommen Urkunden, Ab- bildungen und Vergleichsbauten zu Hülfe. Der Thurm heißt in der Ordenssprahe der Herrendantk. Er erhält ein Satteldach, dessen Spitze der Nogat zuzekehrt ist. Zuerst soll der Thurm gebaut werden, im zweiten Iahre der Gang. Der Kosftenanshlag für die ganze An- lage nebst Gang beträgt 80 000 4“
— Die Gemälde-Galerie im Belvedere zu Wien ift am 24. d. M. gesch{lossen worden, um nah dem kunsthistorisen Museum überzusiedeln,
— Aus Dur wird der „Prager Ztg.“ berihtet: Bei den Thon- brüchen zwishen Dux und Ladowiß wurde ein heidnishes Grab aufgedeckt, in welchem sich neben anderen Gegenständen eine thönerne Doppelurne von seltener Schönheit in Form und Ornament vorfand. Sie hat zu beiden Seiten der Verengung in der Mitte zwei flachgedrüdte Henkel mit kleinem Ohr; die untere Hälfte des Gefäßes is mit Ring- und Strichornamenten geziert, die obere Hâlfte ist glatt. Das Gefäß is mit Graphit geglättet, mißt in der Höhe 25 ecm, in der Bauwweite 21 em und gehört wie das ganze Grab der Kelten-Zeit an. Weiter fanden sch ein aus grobem Thon gearbeitetes, bienenkorbartiges Gefäß, ein Webstuhl- gewicht mit Bohrloch, der knopfförmige Boden einer Thonlampe, ein runder Glättftein, ein Theil eines Menshenschädels sowie ein Theil eines überaus starken Hirshgeweihes vor. Der interessante Fund wurde dem Fassel’schen Museum in Teplitz einverleibt.
— Aus At hen wird der „Nat. Ztg.“ vom 20. Mai ge\{rieben : Gestern veröffentlichte das Amtsblatt den zwishen Griechenland und Frankreich abgeshlossenen Vertra3, betreffend die Ausgrabungen in Del phi. Durch denselben erhält die französische Regierung das aus\chließliche Vorrecht, in Delphi Ausgrabungen vorzunehmen, an deren Kosten die griehishe Regierung sh bis zum Betrage von 60 0090 Drachmen betbeiligen wird; alle übrigen Kosten hat Frank- reih zu tragen. Die Leitung der Arbeiten wird dem General-Inspektor der Altertbümer und dem Direktor der französishen Shule in Athen obliegen. Alle Funde gehen in das Eigenthum des griechischen Staats über; ebenso bleiben die Fundstätten Staats8eizenthum. Als Entgelt erhâäit Frankrei das aus\schlißlihe Ret, von den gefun- denen Gegenständen Abdrücke und Abbildungen zu nehmen, und zwar auf die Dauer. von fünf Jaßren; der Vertrag felbit ist auf zehn Iabre abgeschlossen.
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.
London, 27. Mai. In der leßten Woche starben, wie „W. T. B.“ meldet, in London 319 Personen an Influenza gegen 266 Personen in der Vorwoce.
(F) Stodcktholm, 24. Mai. Die Influenza breitet sich an der Küste des Kattegats immer weiter aus. In Kongsbatcka und Umgegend tritt die Krankheit bösartiger auf als im vorigen Jahre; mehrere Todesfälle sind schon eingetreten. Auf vielen Stellen müssen ganze Familien nebst dem Gesinde das Bett hüten, Auch in Falkenberg wüthet die Krankheit in hohem Grade.
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks an der Ruhr und in Oberswlesien. __ An der Ruhr sind am 26, Mai gestelit 10497, nicht re&tzeitig gestellt keine Wagon. In Obers@Glesien sind am 2. d. M. gesteilt 3855, nicht rechtz eitig gestellt keine Wagen.
l Subhastations-Resultate. Beim Königlichen Amtsgericht T Berlin stand am 26. Mai 1891 das Grundstück Brunnenstraße 67, dem Schlälhter- meister Paul Kraßzcnberg und dem Zimmermeister Rudolf Töpfer zu Berlin gehörig, zur Versteigerung. Das geringste Gebot wurde auf 126 570 A festgescßt. Ersteher wurde der Kaufmann Otto Soldan bier für das Meistgebot von 200 009
Berlin, 26. Mai. In der gestern hier abgehaltenen Sißung des Aufsichtsraths der Deut1ch-AsiatishenBank zuShanghai wurde die Bilanz für das Jahr 1890, sowie der Geschäftsbericht vor- gelegt, Derselbe ergiebt, daß die Bank, welhe thre Bureaus am 1. Januar 1890 in Shanghai eröffnet hat, innerhalb dieses ersten Geschäfttjabres einer regelmäßigen Erntwickelung \ich erfreute, wenngleih diese EntwidLelung auf einem bis dahin völlig neuen Gebiete für eine vorsihtige Geschästs- leitung nur eine langsame sein konnte, zumal im vorigen Jahre mancherlei Faktoren auf den ostasiatischen Handel ungünstig eingewirkt haben. Es wurde die Vertheilung einer Dividende von 24 %/ auf das mit 1 250 000 Taëls (ca. 5 600 000 M) eingezahlte Aktienkapital vorbehaltlich Genehmigung der Eeneralversammlung beschlossen, da- neben verbleibt cin Gewinnvertrag von 7000 Taëls (ca. 32 000 ),
Sämmtliche Organifationskosten sind abgeschrieben.
— In der Generalversammlung der Leipziger Rück- versiherungs-Gesellschaft vom 25. d. M., in welcher 589 Aktien vertreten waren, wurde der Rechnungsabs{chluß für das Jahr 1890 genehmigt, dem Aufsichtsrath und Vorstand Decharge ertheilt und die Vertheilung des Reingewinns in der von den Gesellshaftsorganen vorgeshlagenen Weise beschlossen. Danach fließen 12800 in den geseßlihen Kapital - Reservefonds und 45000 Æ in den Spezial - Reservefonds für außergewöhnlihe BVBe- dürfnifse, sodaß diese beide Fonds zusammen nunmehr 200 060 46 = 16F 9/9 des Aktienkapitals betragen, während 24000 4 = 24 # für die Aktie von Nom. 1200 #4 als Dividende zur Vertheilung ge- langen. — Die beiden nach dem Turnus ausfcheidenden Aufsichts- rath6s-Mitglieder, die Hrrn. Gusiav Plager und Konsul A. Kalischer, beide in Leipzig, wurden ebenso wie die bisherigen Mitglieder der Revisionskommission wiedergewählt.
Danzig, 27. Mai. Ja der heutigen Generalversammlung der Marienburg-Mlawkaer Eisenbahn, in welher 15722 Stimmen vectreten waren, wurde die Bilanz genehmigt, ebenso die Vertheiluag einer Dividende von 5 % für die Stammpcioritäten und von 1% für die Stammaktien, zahlbar am 1. Juni. Die aus- scheidenden Mitglieder des Aufsichtsraths wurden wiedergewählt.
__Effsen a. d. Ruhr, 26. Mai. Auf Verarlafsung der König- lichen Eisenbahn-Direktion (rechtörbeinis() fand heute bier, wie die „Rhein.-Westf. Ztg.“ meldet, eine Konferenz mit den Ver- tretern der hauptsächlich interessirten Zehen Behufs Verständigung über Lieferung des erforderlihen Quantums von Loko- motibvkohlen von starë 1000000 Tonnen ftatt. Auf das ganze Quantum fand kein Angebot statt. Offerten erfolgten für Prima- Qualität zu 105 4, für geringere Sorten mit Abstufungen von 2 bis 3 4 pro Doppelwagen. Die Ertsceitung ift bis zum 30. d. M. vorbehalten.
Leipzig, 26. Mai. (W. T. B) Kammzug - Termin- handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Juni 4,39 #4, pr. Juli 4,377 #, pr. August 4,40 4, pr. September 4,45 H, pr. Oktober 4,45 „4, pr. November 445 4, pr. Dezember 4,45 , pr. Ianuar 4,45 A Umsay 155 000 kg. Rubig.
London, 26. Mai. (W. T. B.) An der Küste 3 Weizen- ladungen angeboten.
Manchester, 26. Mai. (W. T. B.) 12r Water Taylor 64, 30r Water Taylor 84, 2r Water Leigh 73, 30r Water Clayton 72, 32r Mock Brooke 77, 40r Mayoll 82, 40er Medio Wilkinson 9%, 32x Warpcops Lees 78, 36r Warpcops Rowland 8, 40r Double Wefton 9}, 60r Double Courante Qualität 12, 32“ 116 yards 16 K 16 grey Printers aus 32r/46r 163. Rugig.
Paris, 26. Mai. (W. T. B.) Die kbeutige Börse zeigte entshiedene Besserung auf billigere Réporis bei der Londoner Liquidation. Hausse in französishen Renten und Valuten bei be- \{chränkten Geschäften.
_ Paris, 27. Mai. (W. T. B.) Nah Meldungen der Morgens blätter aus Bordeaux hat das dortige Bankhaus Menou jeine Zahlungen eingestellt. Die Passiven sollen 10 Millionen Francs N Von dem Fallifsement werden zahlreiche doctige Firmen
etroffen.
Mailand, 2s. Mai. Der Baumaterial-Lieferant Francesco Masfsin in Viterbo hat die Zabl ungen eingestellt. Die Passiva werden auf 11/10 Millionen ge\chätßt.
New-York, 26. Mai. (W. T. B) Weizen - Vershif- fungen der lezten WoGe von den atlantishen Häfen der Vereinigten Staaten nach Großbritannien 59 009, do. nah Frankrei —, do. nah anderen Häfen des Kontinents 54 000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien —, do. nach anderen Häfen des Kontinents 14 C009 Orts.
Der Werth der in der vergangenen Woche ausgeführten Produkte betrug 6078373 Doll. gegen 6 794 146 Doll. in der Vorwo(e.
Nach weiteren Mittheilungen sind für morgen nur 500 900 Doll. Gold zur Ausfuhr nah Europa bestellt.
Verkehrs-Anstalten.
Bremen, 26. Mai. (W. T. B) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Eider“ von New-York kommend, hat geftern Nachmittag 2 Uhr Nordenham passirt. Der Dampfer „Berlin“ hat gestern Las Palmas passirt. Der Dampfer „Braun chweig“ ift gestern in Suez eingetroffen. Der Dampfer „Karlsruhe“, von Baltimore kommend, ist gestern auf der Weser angekommen. Der Dampfer „Hohen staufen“, nah Australien bestimmt, ist ist gestern von Genua abgegangen. Der Dampfer „Salier* ift gestern von Adelaide abgegangen. Der Schnelldampfer „Aller * ift gestern Nahmittag 3 Uhr in New-York eingetroffen. Der Schnell- dampfer „Eider“ ift heute früh auf der Weser angekommen.
Mannigfaltiges.
Frankfurt a. M., 26 Mai. Heute NaGmittag 6 Uhr unter- nahm laut Meldung des „W. T. B.“ der Kapitän Rodeck mit einigen Begleitern seine zweite Auffahrt mit dem Fesselballon der Internationalen Elektrishen Ausstellung. Bei der Niederfaßrt [löste sich aus bis jegzt noch unbekannten Ursachen das Drahtfeil los. Der Ballon trieb in beträhiliGer Höhe nah Nord- osten zu, landete jedoŸ nach Î ftündiger Fahrt ; die Fahrgäfte und die Bedienungëtmannschaft waren unversehrt geblieben.
__GlaudGhau. Um einen Eindruck von der Formenbildung des auf hiesigem Marktplate zu errihtenden Kaiser Wilhelm-Denkmals zu erlangen, hatte man, wie das „Ch. Tgbl.“ mittheilt, am 23. Mai das Dentmal in seinen Umrifien provisorisch auf dem Marktplaße aufstellen lassen. Von der Wirkung dieses Modells war man allseitig derartig befriedigt, daß der berathende Aus\chuß zur Errichtung des Denkmals beschlofß, es in der gepl1nten Weise ausführen zu laffen, jedoch vorläufig mit Wegfall der Umrahmung.
Grimma. Die Feier des hundertjährigen Bestehens des 2. Königlih Sächsishen Husaren-Regiments Nr. 19 (früher 2. Reiter-Regiment) in Grimma und Lausigk beginnt nah einer Mittheilung des „Chemn. Tgbl.“ am 29. Juli.
Dünkirchen, 27. Mai. In der Fabrik von Clerc in Coude- kerque explodirte gestern, wie „W. T. B.* berichtet, ein Pe- troleum-Reservoir. Es entstand in Folge dessen eine große Feuersbrunst, welche sieben in der Nähe liegende Häuser ergriff. Zehn Personen, daranter zwei Kinder, kamen in den Flammen um. Die Bewohner flüchteten in Todetangst, eine große Anzabl von Personen is verwundet, Feuerwehr und Militär sind im Kawpfe gegen die Feuerébrunst begriffen, die nah deu neuesten Mel- dungen noch nit gelöscht ist. Acht andere Petroleum-Reservoirs- sind gefährdet, auch fürchtet man, daß das brennende Oel si in den Schiffahrtskanal ergießen könnte, wodur die in einiger Entfernung liegenden Naphtha-Magazine mit mehreren hundert Barrels Napbtka in Gefahr kommen würden.
Preßburg, 25. Mai. Dur den Uebermuth der Arbeiter entgleiste_ nah ciner Meldung des „H. T. B.“ auf der Gräflich Paliy N Var rttbahn bei Feljödics ein Zugz sieben Arbeiter wur-
en getödtet.
Bern, 25. Mai.
Mai. Eine vor drei Jahren vom Fuße der Dent de Morcles bis cinen Kilometer oberhalb des Dorfes. gleichen Namens (im Kanton Waadt) beruntergestürzte mähtize Lawine, die unterwegs über 3000 Tannen und Fi@ten entwurzelt und dur den bloßen Luftdruck einen ganzen Wald zerfiört hatte, ist erst jeßt voll- ständig vers{wunden, hat also drei volle Jahre Stand gehalten. Sie hatte 600 m Länge, 60 m Breite und 22 m Höhe, was
80 090 cbm oauêmaht, Dieser Tage is im gleichen Thale eine Lawine vox ähnliher Größe heruntergekommen.
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.
A2 122.
Statistik und Volkswirthschaft. Die soziale Reform -
n einer soeben erschienenen Schrift: „Die soziale Reform, als Gebot des wirthschaftlihen Fortschritts“ (Verlag von Duncker und Humblot in Leipzig, Preis 240 H), unter- nimmt es der außerordentliche Professor der Nationalökonomie an der Universität Freiburg i. B. Dr. Heinrich
erkner, ein Schüler Brentano's, die Nothwendig- eit der sozialen Reform mit wirths{chaftlihen Gründen zu belegen. Der Versuh ist um so beachtenswerther, als einerseits vielfah bizher — selbst von der wissen- \chaftlihen Nationalökonomie — nur ethishe und politische Gründe für die Nothwendigkeit der Reform angeführt wurden, und als andererseits — Dank dem immer noch zu be- merkenden Einfluß der früheren Herrschaft der manchester- liden Schule — der Glaube an die Unvereinbarkeit einer sozialen Reform mit speziell wirthschaftlihen Jnteressen noch vielsah verbreitet is. Die Schrift, welcher die Gedanken einer afkademishen Antrittsrede zu Grunde liegen, die aber für weitere Kreise berehnet ist, seßt fih zum Ziel, zu beweisen, daß eine soziale Reform im Sinne einer rößeren Antheilnahme der arbeitenden Klassen am Reinertrage Fer nationalen Produktion die wirthshaftlihe Entwickelung nicht nur niht shädigen könne, sondern wirthschaftlich vor- theulhaft und geboten sei. G
Die Beweisführung ist eine doppelte. Zunäch|t wird gegenüber bekannten geaentheiligen Theorien, insbesondere gegenüber der Lohnfondstheorie der englishen Nationai- ökonomie, dargelegt, daß Lohnsteigerungen niht mit Gefahren für den wirth\chaftlihen Fortschritt verbunden, sondern diesen u fördern geeignet seien. Diese theoretishen Auseinander- Maungen sind knapp und kurz gehalten, ohne daß sie freilih etwas Neues vorbringen. Von größerer Bedeutung ist die andere — eine indirekte — Beweisführung, welche darlegt, daß die äußerst ungleihmäßige Gütervertheilung, welche dem sih selbst überlassenen Güterverkehr eigenthümlih ist, {ließlih zu einem Hemmschuh weiterer wirthschaftlicher Fortschritte sih entwickeln muß. :
Es wird hierbei zunähst an der Hand der Entwickelung der Einkommensverhältnisse in Basel, in Baden und im Königreich Sachsen ausgeführt, daß die Reichen immer reicher und immer mächtiger an Zahl werden, daß aber die Armen, wenn auch nicht ärmer werden, so doch in weit geringerem Maße an der Steigerung des Wohlstandes theilnehmen als die Reichen, daß also der sich selbst überlassene Verkehr die Tendenz einer großen Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensvertheilung habe. Auf der anderen Seite wird an zahlreicen Beispielen die außerordentlihe Zunahme der Produfktivität der Arbeit er- wiesen und des Weiteren dargelegt, wie wenig die Zunahme der Produfktivität der Arbeit die Konsumfähigkeit der Arbeiter at habe, welhesMißverhältniß vielmehr zwishenProduktiv-
aft und Kaufkraft der Arbeiter bestehe. Als Folgen dieses Miß- verhältnisses werven Ueberausfuhr und Ueberkapitalisation be- zeichnet. Die mangelnde Kauftraft der arbeitenden Klassen und die beshränkte Konsumkraft der Mittelklassen sei niht im Stande, die ungemein gestiegenen, Ergebnisse unserer gewerb- lichen Produktion aufzunehmen, — deshalb müßten immer mehr Absazgebieie für den Export gesuht werden; auf der anderen Seite könnten auch die Zeichen nicht unsere produktive Kraf: absorbiren; große Beträge des nationalen Ein- kommens würden jährlih - der Konsumtion entzogen und kapitalisirt, d. h. zur Verwandlung in Produktiv- mittel bestimmt, wenn auch für die bereits bestehenden An- lagen die Absaßgebiete fehlen; unzählige Kapitalien würden im Auslande angelegt. So habe sih allmählih eine Hyper- trophie der Ausfuhr und der Kapitalisation entwickelt, Die Ueberausfuhr, die eine Folge sozialer Mißverhältnisse sei, wirke auf der andern Seite auf eben diese Verhältnisse wieder shädlich zurück: denn die Rückficht auf die Konkurrenz- fähigkeit der Jndustrie verhindere den Ausbau der ozialen Reformen: „wir befinden uns in der furchtbaren age, daß wir den Export zum Theil suchen müssen, weil im Jnlande die Kaufsfraft der Bevölkerung niht genügend en wickelt ist, diese Kauffkraft aber durch soziale Reformen niht erhöhen sollen, weil sonst bei höheren Löhnen unsere Jndustrie nicht mehr im internationalen Wett- bewerb bestehen könnte und Tausende von Ar- beitern aufs Pflaster werfen müßte.“ Diese chronische Störung des Gleichgewihhts zwishen Produktion und Kon- sumtion, dieses in Folge der ungünstigen Einkommensver- theilung stelige Vorauseilen der Produktion übe aber auch einen hemmenden Einfluß auf die tehnisch- ökonomische Ent- widckelung aus: auf der ginen Seite gestatten die niedrigen Löhne auch bei ge otener Technik noch dem Unternehmer den ettbewerb, andererseits s{chrecke man vor Verbesserungen, welhe die Produktivität der Arbeit erhöhen, schon aus dem Grunde zurück, weil fie ja die Menge der Produkte ungemein steigern würden, für die schon jeßt der ad bei der unentwickelten Konsumkraft der Massen s{hwierig ei. So leide hon jeßt unser Wirth- schastskörper an einer einer Krisis, die {ließlich weitere wirthschaftlihe Fortschritte verzögere und die Fundamente des Staats- und Gesellschafts- lebens bedrohe. Der Schluß ergiebt sich von selbst: die soziale Reform im Sinne gleihmäßigerer Vertheilung des Volkseinkommens erscheine niht nur als Gebot des praftishen Christenthums, der Humanität, der Gerechtigkeit, der staats- erhaltenden Politik, sondern als Gebot des wirthschaftlichen Fortschritts.
Herkner beantwortet die sih naturgemäß hier anschließende Frage, ob wir überhaupt im Stande seien, vom Boden der gegebenen Zustände aus, ohne die Grundlagen unserer staatlihen und gesellschaftlihen Ordnung in Frage zu stellen, eine wirksame Sozialreform anzubahnen, mit einem entshiedenen Ja, und legt nun des Weiteren dar, wie die schon längst in Angriff genommenen Re- formen — úrbeitershuggesehgebung und Arbeiterversicherung — einen wohlthätigen Einfluß auf die Vertheilung des Reinertrags der nationalen Produktion ausüben werden. Ebenso befürwortet er die Nothwendigkeit
furchtbaren Kreislaufstörung, an :
Berlin, Mittwoch, den 27. Mai
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sozialpolitisher Reformen im Finanzwesen, wie sie bereits | durch die vom preußischen Lazndtage genehmigte Einkommen- | steuer angebahnt sind; er geht aber noch darüber hinaus, indem er stark progresfive Erbschastssteuern, ferner die Ver- staatlichung und Kommunalisirung gewisser Betriebe Qu Verkehrs-, Versicherungs- und Kreditwesen), ferner usdehnung der inneren Kolonisation, die Ausstattung der ländlichen Arbeiter mit Grundbesiz fordert. Nur der Voll- ständigkeit halber ist zu erwähnen, daß er auch — als Schüler Brentano's — die Organisation der Arbeiter in Berufs- verbänden nah dem Muster der englishen Trades-Unions, wenn auch freilich nicht von Staatswegen, so doch unter Beihülfe des Staats, befürwortet; aug er glaubt, wie Brentano und von Schulze-Gaeverniß, an den Segen solcher Organisationen; wenn er sich dabei aber auf England, die Schweiz, Australien und Nord-Amerika beruft und der Ansicht ist, daß in jenen Ländern — Dank jener Organi- sationen — feine sozialrevolutionáäre Partei von Belang bestehe, so widerspricht dies den in den leßten Jahren ofen- kundig hervorgetretenen Thatsahen. Zum Schluß werden die Einwände gegen die wohlthätigen Folgen der sozialen Reform geschickt widerlegt und die Ueber- zeugung ausgesprochen, daß die nothwendigen Opfer, welche der sozialen Reform gebracht werden, von den Seg- nungen, die sie im Gefolge haben werde, weit übertroffen werden. „Die Zukunft gehört derjenigen Nation, welche die besten sozialen Beziehungen zwishen ihren Bürgern besißt : ein national geeinigtes und sozial gesundes Deutschland ist unüberwindlih.“ Die lesenswerthe Schrift sei weiteren Kreisen zur Beachtung empfohlen.
Zur Arbeiterbewegung.
Heute Vormittag trat in einem Saale des Stadt- missionshauses am Johannistisch der Gesammtvorstand der evangelishen Arbeitervereine Deutschlands zu einer Ausschußsißzung zusammen. Der Vorsizende, Pastor Werth-Schalke eröffnete die Versammlung mit einigen die Zwecke und Ziele der evangelischen Arbeitervereine kennzeih- nenden Ausführungen. Redner wies auf die Aufgabe der Vereine hin, den Kampf mit der Sozialdemokratie in erfolgreiher Weise zu führen, indem sie die Arbeiter auf dem Boden des Christenthums zu erhalten und so aus ihnen treue Stüßen von Kaiser und Reih zu machen suchten. Die Erfolge dieser Bestrebun- gen hätten ih u. A. auch bei der leßten Striëebewegung geltend gemacht, und die freundliche Stellung der Regierung zu den evangelischen Arbeitervereinen werde durch das Ec- seinen von Vertretern der ersteren, für welhes er im Namen der Versammlung seinen Dank aussprehe, in erfreu- liher Weise bekundet. Jn dem von . dem Shthrift- führer Lic. Weber - M. Gladbach erstatteten Bericht über das erste Jahr des Verbandes wurde ein Bild von dem gegenwärtigen Umfange der Organisation gegeben, welche sich_ in gedeihliher Entwickelung befinde. Als bedeut- samer Fortschritt seien die während des leßten Jahres erfolgte Bildung von Kreisverbänden und die Aufstellung gemeinsamer Lgcaa bezüglih der ins Auge zu fassenden Aufgaben
eitens benachbarter Verbände zu verzeihnen. Nachdem sih an den Bericht eine kurze Diskussion über Einzelheiten lokaler Natur geschlossen, wurden der Preß- sowie der Kassen- bericht erledigt, welche zu Erinnerungen keinen Anlaß boten. Darauf ging die Versammlung zur Berathung von Statuten- änderungen über, welche von dem Ausschuß vorgeschlagen worden waren. S i :
Ueber den belgishen Bergarbeiterausstand wird der „Köln. Ztg.“ aus Brüssel geschrieben :
Bon den beiden Vorwänden zum weiteren Ausstand, der A cht- stunden\chicht und der Lohnerhöhung, scheint Leßterer der maßgebende zu sein. Wenigstens ist in Charleroi an mebrere Grubenverwaltungen die enba einer Lohnerhöbung gestellt worden, hier einer zehn-, dort einer fünfzebnprozentigen. Es mögen am Sonnabend in diesem Bezirk noch 24 000 Bergleute gefeiert haben. Die „Arbeits- ritter* halten Versammlung auf Versammlung. Sie gehen mit der größten Geheimthuerei zu Werk und geben nicht einmal ihre Be- \{chlü}se bekannt. Es wird jedoch angenommen, daß die Anhänger des Widerstandes bis zum Aeußersten den Sieg davontragen. Eine Abordnung des „Staatenrathes* des Geheimbundes begab sich am Sonnabend zum Vorsißenden des bergbaulihen Vereins des Bezirks, um ihm die Wünsche der Arbeiter auf Sckichikürzung und Lohn- erhöhung darzulegen. Da der Verein bereits zu wiederholten Malen abgelehnt bat, zu diesen Fragen a!s Verein Stellung zu nehmen, so weigerte fih der Vorsitzende Mockel, auch nur die Begründung der Arbeiterforderungen anzuhören. Im Hennegau werden massenhaft Arbeiter entlafsen. Es8 follen daher zahlreihe Bergleute aus dem Borinage sich zur Auéwanderung nach Nordfrankreih ent- {lossen haben. Der Antwerpener „Précurseur“ mahnt die Grubenverwaltungen zur Nachsibt; man möge den niedrigen Bildungs8grad der belgishen Bergleute als cinen mildernden Umstand gelten lassen, über das Verhalten der dortigen Arbeiter andecs urtheilen, als über das der geschulten, vielfa gedienten und besser behandelten Arbeiter an der Nuhr. Auf der anderen Seite seien die belgishen Unternehmer nicht eben beneidenswerth. Die vielen Ausstände maten ihnen den Geschäftsgang unsicher, sodaß mehrere große Werke Kch entshlossen hätten, Zweiganlagen im Aus- lande za ercihten und darauf nur Arbeiter von Ort und Stelle zu beschäftigen. Bei den Bergwerken kommt no© in Betracht, daß die Strecken vielfah Schaden gelitten haben; in den beiden Schächten zu Houssu z. B. sollen die Ausbefserungen einen Aufwand von 150 000 Francs erfordern. Im Borinage allein wurden von 1833 an bis jeßt 32 umfassendere Ausstände beobachtet ; der dadur verursachte Lohnverlust wird auf 23 Millionen Francs geschäpt. Den Zechen mag damit ein Gewinn von 13 Millionen entgangen sein. Die Ausschreitungen, welche ab und zu noch vorkommen, sind nit er- heblich. Der Führer der Borains, Fauviaux, wurde in einer Versamm- lung von Bergarbeitern ausgezisht, als er Wiederaufnahme der Arbeit empfahl ; die Leute sind gegen ihn deshalb erbittert, weil er ihnen mit dem vermeintlih überbrahten allgemeinen Wahblreht niht au eine Lohn- erhöhung erzielte, denn etwas Anderes als diese bedeutet das all- aemeine Wablreht für Viele nit. Von den Hüttenarbeitern baben fi in Charleroi 2200 Mann auf verschiedenen Werken wieder eingestellt, nahdem sie am Sonnabend gebeten hatten, die Oefen für Montag wieder anzünden zu laffen; nur auf zwei Hüttenwerken, Pro- vidence und Espérance, wird nit gearbeitet, und zwar nah gewissen Berichten wegen Koblenmangels. Jetzt soll Callewaert, der Führer der Bergarbeiter, selbst wieder zur Aufnahme der Arbeit rathen, jedo ch
vergeblich.
1891.
Bei cinem Sozialistenführer wurde, wie dem „D. B. H * vor- gestern aus Mons gemeldet wird, eine Anzahl sprengfertiger Dynamitpatronen besklagnahmt; der Sozialist wurde verhaftet. Die verunglückten Ausstände der Bergarbeiter in Wes -- falen und im Saarrevier haben den Arbeitern dur zahlreihe Entlafsungen beträhtlihen Schaden zuge}ügt. Die Führer der Bewegung haben deshalb an Einfluß bedeutend verloren, ihre Versammlungen werden {wah besuht. Die Neigung zu Ausständen hat fih darum auch, abgeshwäht, ins- besondere wird an eine sonst regelmäßig wiederkehrende Lohn- bewegung im Baugewerbe kaum zu denken fzin.
Der Vorstand des deutschen“ Bergarbeiter-Verbandes - hat folgendes Cirkular an die „gemaßregelten“ Kameraden erlassen :
„Laut S8. 26, 27 und 28 tes Knappsthaftsftatuts kann den Mitgliedern 1. und 2. Klasse auf deren Antrag ein gewisser Urlaub gewährt werden, wenn sie zeitweise die Arbeit unterbrechen. Wir empfeblen also allen Gemaßregelten, bei der Knappschaftskasse sofort ein Gesuch auf Urlaubsertheilung einzureichen... Die Beurlaubung geschieht jedo nur, wenn Seitens des die Arbeit Unterbrebenden ein besonderer Antrag kinnen vier Wochen nah Aufgabe der Arbeit eingereiht wird. Wir mawen alle Gemaßregelten no&mal8 darauf aufmerkfsa:n und ribten an dieselben das Ersuchen, wenn sie nit ihrer Rechte ver- lustig werden wollen, sofort den Urlaub na&zusuchen.“ ;
Eine große Unzahl der entlassenen Bergleute hat Geschäfte er- ritet, meistens Cigarren- und Flasenbierhandlungen, deren Ge- deiben jedoch infofern sehr fraglih erscheint, als derartige Geschäfte massenhaft ins Leben getreten sind und mit den Konsumvereinen der „Führer“ Brodam, Hünninghaus, Werdelmann die Konkurrenz aufzu- nehmen haben.
Der „Wes. Ztg.“ wird aus Bremerhaven mitgetheilt: Die Lohnkommission der strikenden Heizer und Kohlenziecher hat vorgestern die bereits mitgetheilten Forderungen bei der Lloyddirektion eingereiht. Da aber Hr. Direktor Lohmann augenblicklich beurlaubt ist, konnte eine Entscheidung nit getroffen werden Die Expedition der planmäßig abfahrenden Dampfer erleidet dur die Zurückhaltung der Heizer und Koblenzieher von der Anmusterung nicht die mindeste Std» rung. Für den gestern abgegangenenSthnelldampfer, Havel“ ift das fehlende Personal in England ergänzt. Die betreffende Mannschaft für den heute abgehenden Dampfer „Sachsen* ist vollzählig in Hamburg an- gemustert worden, Auch hier haben s troy aller Gegenmaßregeln der Strikenden, die fogar zu Thätlichkeiten Übergingen, eine ganze Reibe von Leuten für die in Nordenham liegende „Elbe“ anmuslern lassen. Das Angebot von auswärtigen Häfen aus ist reihlich genug, um jede Verlegenheit von vornberein ausz: \ch{ließen. Die Erpedirung der „Sawbsen“ und der „Dresden“, welhe heute nach Ost-Asien und Baltimore abgeben follen, wird deéhalb voraussichtlich in regelmäßiger Weise geschehen. : ‘
Wie s{on gemeldet, ift der von der Polizei gesperrte große Verein der Wiener Buchdruclkergehülfen von der Statthalterei am 23, Mai aufgelöst worden, weil aus vier feiner Kassen Gelder zu Aus- standszwecken verwandt wurden. Zus demselben Grunde wurde au in Graz die Kasse des Fortbildungsvereins der Seter behördlih versiegelt. Gleihwohl versihern nah der „Köln, Z.“ die Führer der Wiener Ausständigen, daß sie über ausreihende Gelder verfügen, da aus Leipzig, Berlin, London und dec Schweiz bereits über 80000 Fl. zur Unterstüßung des Ausstandes eingelaufen feien. Die Prinzipale ihrerseits beharren bei ihrem Widerstande, da sie glauben, daß die Seer selber zumeist {on der Gewaltherrshaft des terroristischen Gehülfenobmannes Höger Üüberdrüssig seien, Der nunmchr aufgelöste Verein der Buchdruckergebülfen hatte im leßten Jahre allein an 724 Erkrankte über 22000 Gulden ausgezahlt. Ec war der älteste Arbeiterverein Oesterreihs und hatte 2700 Mitglieder, die ihre An- sprüche auf Invaliditäts-, Alters- und Wittwenpensionen jeyt zum Theil gefährdet sehen.
Der Scchneiderausstand in London dauert noch fort, doch glaubt man na einer der „Volks-Ztg.* zugegangenen Nachricht, daß er bald beigelegt werden wird, da ih die Meister entgegenkommend zeigen. Sechs Swhneidermeister verhandeln auzenblicklich mit sechs Schneidergesellen bezüglih eines Ausgleihs.
Ueber die Beendigung des Ausstandes der Omnibus- bediensteten in Paris ist heute folgende Meldung des
„W. T. B. eingegangen: „Nah einer Zusammenkunft des Ministers des Innern Constans mit den Direktoren der Omnibusgesellsshaft und dem Syndikat der Angestellten wurde um Mitternacht in dem Kabinet des Munizipalraths ein Einver- nehmen zwischen den Direktoren und dem Syndikat unterzeidnet und zwar auf der Grundlage der Wiederanstellung der entlassenen Beam- ten und der Anerkennung des vom Syndikat geforderten zwölftündigen Arbeitêstages. Der Strike ist damit beendet, die Arbeit wird heute Mittag wieder aufgenommen werden.“ Die Stadt hatte, wie der „N. P. Z.“ mitgetzeiit wird, durch den soeben beendeten Ausstand ein ungewöhnlid ftilles Aussehen; die Einnahmen der Theater waren auf die Hälfte beradgesunken. Der Aus\tand nahm eine immer drohendere Gestalt an, da gestern die Strikenden auch noch versuchten, den Droschkenverkehr zu stören. Auch {hien es nicht unmözlih, deß S der Ausftand auf die Droschkenkutscher mit autdehrte. Zwei Sirikende, welche gestern Morgen einen Omnibus anhielten, wurden unter die Räder geworfen und tödtlich verletzt. e
In Madrid nöthigten, nach einem Wolff's{hea Telegramm, aus- ständige Arbeiter in La Corunna durch begangene Unordnungen die Ge zum Einschreiten, wobei einige Personen verwundet wurden.
Aus New-York wird unter dem 15. Mai der „New-York. Hdl8.-Z.* geschrieben: Erst heute ist man im Stande, die am 1, Mai cr. in den Vereinigten Staaten eingeleitete Arbeiters bewegung zu übersehen. Es stellt si nah den leuten Berichten über die Behufs Einführung der achtstündigen Arbeitszeit und eine Lohnerhöhung veranstalteten Strikes heraus, daß daran eine
größere Anzabl Arbeiter betheiligt ist, als man zuerst angenommen. 25 000 Kohlengräber haben am 1. Mai die Arbeit, ein- gestellt. Von dieser Anzahl entfallen 10 000 auf Jowa, 7000 auf Indiana, 5000 auf den Distrikt Pittsburg, Pa., während ih der Rest auf Illinois, West-Virginia und Obio vertheilt. Jm Ganzen be- zifferte sich die Anzabl aller Striker in den ersten Wochen des Monats Mai auf 49 0C0, etwa 5000 weniger als in der entsprechen- den Periode des Vorjahres. Von der erstgenannten Zahl entfallen 12500 auf die im Baugewerbe beschäftigten Handwerker. Der größte Strike ist der gegenwärtig in der Stadt New-York im Gange befindlihe der Bauschlosser, an welhem eiwa 4000 Personen betheiligt sind. Von anderen größeren Strikes sind zu erwähnen diejenizen der Bauschlosser, der Stein- meen und Cigarrenmacher in anderen Theilen des Landes. Wie Hr. Samuel Gompers, Präsident der großen Arbeiterorganisation „American Federation of Labor* angiebt, waren von den zu dieser Vereinigung gehörenden Arbeitern am 1, Mai 130 000 Behufs Ge- währung der Forderung Betreffs Einführung der achtstündigen Arbeitszeit im Ausstand begriffen. Seitdem hat sih diese Anzahl merklich verringerï, da vielen Arbeitern ihr Verlangen ewäbrt worden, doch sollen noch immer viele Arbeiter des Hrn. Gompers.
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