1891 / 124 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 29 May 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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(in italienisher Sprache) halten. Derselbe beginnt Montag, 1. Juni, Abends 7 bis 8 Uhr, Georgenstr. 30/31, mit dem Thema: PDegli gcrittori che han preparato il risorgimento nazionale und wird anz selbständig gestaltet, sodaß au neu hinzutretende Hörer volles Verständniß erlangen. Der erste Vortrag if für Herren und

Damen frei.

Die 25. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger hat gestern Abend mit der feier- lihen Begrüßung der auswärtigen Vertreter im Kasinosaal der Kriegs-Akademie ihren Anfang genommen. Anwesend waren die Delegirten von sechzehn Küstenbezirksvereinen, von sieben Binnen- bezirksvereinen und von zwei Vertretershaften; darunter befanden sh u. A, Ober-Regierungs-Rath von Buttel-Oldenburg, Profefsor Matthiessen-Rostock, Senator Fehling-Lübeck, Dr. Muyenbecher-Ham- burg, Geheimer Kommerzien-Rath Haner-Stettin, Kommerzien-Rath Damme-Danzig, Hr. von Lingen-Bremen, Konsul Kruse-Kiel, Landrath Geiger-Geestemünde, Hafen- Kapitän Lösche-Altona, die Navigations- lehrer Reinbrecht-Memel und Erich-Stralsund, die Lootsen-Comman- deure Köthner-Königsberg, Jantzen-Rostock und Laarmann-Emden. Im Namen des Berliner Bezirksvereins begrüßte der Präsident des Reichs-Invalidenfonds Dr. Rösing die Erschienenen in herzlicher An- sprahe. Er gedachte dabei au der Sympathie und Anerkennung, welche das Werk des Vereins in den Offizierkrcisen der Reichs- Hauptstadt gefunden. Ueber vierhundert Offiziere seten dem Verein beigetreten und seit einigen Jahren au die Offiziere von der Marine. Mit Stolz habe der Verein unter seinen Mitgliedern auch den Grafen Moltke geführt, durch dessen Beispiel zuerst viele Offiziere des Generalstabes angeregt worden seien, die Sache des Vereins zu fördern.

4 Breslau. Die Niederlegung des früheren Weiber- gefängnisses, und dadurch die Freilegung der St. Dorothcenkirche, an der Ecke von Palaisplay und Schweidnitzerstraße, sind naßezu volleydet ; die Vorbereitungen zu neuen, dem Charakter dieses {önen Stadttheils entsprechenden Bauten werden {on getroffen. Magistrat - und Stadtverordneten-Versammlung haben die Anlegung eines großen städtishen Parks im Süden der Stadt be-

\chlofsen. A

Saarlouis. In Pachten fand man, wie die „Saarbr. Z.“ berihtet, dieser Tage beim Abbruch der bisherigen katholischen Kirche, deren ältester Theil, ein romanisher Thurm, mindestens 800 Jahre alt ift, theils unter dem Mauerwerk, theils unter der Erde eine ganze Reihe von Steinsärgen verschiedener Größe, übereinander und nebeneinander stehend. Der Form nach find sie vielleicht röômishen Ursprungs, späteftens gehören fie dem Mieittel- alter an. Die Oeffnung eines dieser Steinsärge, der 1,90 m lang und 0,75 m breit war, ergab als Inhalt das Sfelett eines ausgewahsenen Menschen mit guterhaltenem Schädel und voll- ständigem Zahnsaz. Ferner wurden Steinfragmente von Säulenkapitelen aus Kalksandstein und Marmor, theils rômischer, theils romanisher Formengebung gefunden. Besonders ist ein etwa 1,80 m langer und etwa 0,30 m hoher Werkstein interessant, welher auf der einen Seite röômischbes Blattwerk von \{chwerfälligen Formen großen Mafßstabes zeigt, während eine andere Seite ein {n entwickeltes, \{wungvolles Ranken- ornament mit Weintrauben und Vögeln erkennen läßt. Ein im inneren Portal dcs Thurmes eingemauert gewesenes Relief zeigt in der Mitte eine menschlihe Figur mit einem Buch in der Hand, bekleidet mit Helm und Panzer, bewaffnet mit Schild und Schwert, mit den Füßen ausshlagend nah einem hinter ihm stehenden Centaur, der mit einem Bogen einen Pfeil nah ihm abschießt. Auf der anderen Seite liegt ein Drache mit Flügeln, der einen Menschen im Rachen hält. Der Ort Paten war ein rômishes Castellum und A Ee Fundamente ergeben, eine Länge von 160, eine Breite von

uthen.

Leipzig, 27, Mai. Die neuen Markthallen sind gestern durh den Ober-Bürgermeister im Beisein der Prinzen Johann Georg und Max feierli eröffnet worden. Die Gesammtikosten der Bauten betrugen 3452000 4; der Flächeninhalt im Parterre und auf den Galerien umfaßt 11897 qm. Für die Stände (im Ganzen ca. 1000) verbleiben 4588 qm,

Braunschweig, 28. Mai. Elf Herren unternahmen, wie die „N. Pr. Z.* erfährt, in der verflossenen Nacht anläßlich einer Geburtstagsfeier eine Bootfahrt auf der Oker. Während eines Wortwe(sels {lug das Boot um. Vier von den Insassen ertranken, fieben wurden gerettet.

Hamburg, 26. Mai. Der hiesige Kaufmann C. H. von Donner hat, wie der „Hann. C.* berihtet, zwei M illionen Mark zur Errichtung eines Frauenkrankenhauses bestimmt, aus Anlaß der glücklichen Errettung seiner Gattin, geb. Lehnsgräfin von

Holsteinburg, durch die geshickte Operation eines Dresdener Arztes.

Hamburg, 27. Mai. Zum Bau des neuen Segel- \chiff8hafens in Cuxhaven berichtet der „H. Corr.“: Der Bau des östlihen Hafenkopfes in Cuxhaven, welcher bekanntli im Februar der Firma F. H. Schmidt, Hamburg-Altona, übertragen ist, wird wahrscheinlih in diesem Jahre nicht mehr zur Ausführung gelangen, weil die Bergungsarbeiten des am 7. Januar durch die Kollision mit den Dampfern „Kaffraria® und „Borkum“ gesunkenen Hamburger Fijchdampfers „Platessa“, welher auf dem Bauplaß des Hafen- kopfes liegt, bis jetzt resultatlos geblieben sind und deshalb der geebnete Play dem Unternehmer niht überwiesen werden kann. Der den Hafenkopf bildende eiserne Caisson von 125 m Linge, 9 m Breite und 9,5 m Höhe steht auf dem Helgen am Reiherstieg, wo die Firma F. H. Smidt denselben auf einem vom Hamburger Staat zur Verfügung gestellten Terrain erbaut hat, fertig, er darf jedoh nit eher vom Stapel gelassen werden, bis der Bauplay in Curhaven frei und damit die Möglichkeit der Bauausführung in diesem Jahre gesichert ist. Nach erfolgtem Stapellauf soll der Caisson im hiesigen Hafen theilweise mit Beton gefüllt und sodann mit 4,5 m Tiefgang na Cuxhaven bugsirt und dort, nachdem er an der Bau- stelle sicher verankert is, weiter dur Betonfüllung gesenkt werden unter gleihzeitigem Aufbau der Wände in Höhe von ferneren 6 m, Sobald der Caisson auf Grund steht, wird ¡er bei seiner Gesammt- böhe von 15,5 m den normalen Fluthwasserstand um 1 m überragen. Die oberen sech8 Meter des Hafenkopfes werden im Innern des Caissons mit Granit verblendet, und es soll auf dieser Höbe die äußere Eisenummantelung durch Tauherarbeit entfernt werden, sodaß der fertige Bau si als Granitmauerwerk präfentirt. Da die Ausführung dieser äußerst shwierigen Arbeit si nur in der günstigsten Jahreszeit ohne besondere Gefahr bewerkstelligen läßt, so ist eine Jn- angriffnahme in diesem Jahre ausgeschlossen, wenn niht die im Fébrüar begonnenen Bergungsarbeiten an der „Platessa*, welche von dem Dampfer „Newa“, dem Nordischen Bergungs- und Tauwerverein gehörig, ausgeführt werden, in allernähster Zeit von Erfolg gekrönt sind. Dem Anschein nach dürfte eine Flottmahung des mit dem Vorsteven in das Fahrwasser hineinragenden Fishdampfers nit mehr möglich sein, da die Hebungsversuhe durch Auspumpen des Schiffes, sowie das Hochbringen desselben mittelst der von Hartlepool beshafften ledernen Lustsäcke zu keinem günstigen Ergebniß geführt haben. Eine Sprengung des immer mehr und mehr versandenden Wrak3 würde jedenfalls der rihtigste Weg zur Beseitigung desselben sein.

Lon don, 27. Mai. Am 20, Mai hat nah der „A. C.“ Seine Durchlaucdbt der Fürst von Waldeck eine. mit etwa 17 000 (6 ver- siherte Sammlung von Jagd- und Sportgegenständen an das unter der Leitung des Rittmeisters von Heuser stehende Sport- Departement in der Deutschen Ausstellung zu London ab- gesandt. Die Sammlung wird zusammen mit den vom Herzog Ernst von Coburg gesandten Artikeln einen Hauptglanzpunkt in der Sport- Abtheilung bilden. Die Rehkronen sollen die interessantesten Gehörne sein, die ein Jäger jemals zu Gesicht bekommen. Seine König- lihe Hoheit der Prinz Friedri Leopold von Preußen, Graf Lerchen- feld u. A. sind ebenfalls Beisteuerer zur Sport-Abtheilung in der Aus- stellung. Der Fortschritt, den die Deutsche Ausstellung in London in Bezug auf Ausftellungsgegenstände gemacht hat, ist ein außer- ordentliher. Die Ausstellungshalle wird dermaßen von Gemälden, Handels- und sonstigen Gegenständen von Interesse angefüllt, daß es scheint, als ob die Halle zur Hälfte zu klein für den wahrhaft end- losen Andrang sei. Soeben trifft u. A. eine- herrliche Sendung von den merkwürdigsten und gediegensten Sport-Artikeln von Seiner Hoheit dem Herzog Ernst von Coburg-Gotha ein, ein wahres Museum

riher Ztg.“ :

von Hunderten der prahtvollsten und elegantesten Jagdartikel. Als deutsher Jäger hat Herzog Ernst dem orsteher des Sport - Departements der & Heuser, die hönsten Trovhäen, welche er in seinem langen Jäger- leben gesammelt, nach London zur Verfügung gestellt, im Ganzen nicht weniger als 289 Gegenstände gesandt, darunter aus seiner Coburger Sammlung: achtzig Büchsen und Flinten, vierzig aar Pistolen, eine Menge Armbrüste, Armbrustwinden, Pulver- rner, Weidemesser, einen Reitzaum, eine große Anzahl der seltensten Hirshgeweihe, Monstrosa ganz eigenartiger Bildung, Kronleuchter von Hirschgeweih, ein Jagdbuch, zwei Eberköpfe, eine Saufeder mit Doppelflinie, eine ausgestopfte Gemse mit einem kleinen Gehörn aus dem Rücken heraus8gewasen, eine Zahl sehr \{öner Rehbocksgeweihe. Das Zimmer mit den Schäßen Herzog Ernst's ist ohne Zweifel eine der Perlen der Ausstellung.

Ausstellung, dem Rittmeister von

Paris, 28. Mai. Ein Telephonbeamter ist nach einer Meldung des „D. B. H.* dur den elektrishen Strom der Linie Paris—London schwer am Kopfe verleßt worden.

Genf. Ueber ‘* die Maikäfervlage berihtet die „Neue Zü- Bis jeßt sind rund 75 000 kg Maikäfer eingestampft worden, die allein im Kanton Genf gesammelt wurden. Lroß dieser Menge sieht es in den Aesten der Laubwälder, meistens Eichen, noch braun aus; alles hängt voll von dieser Landplage, die weder der lange, außerordentlih kalte Winter noch der starke Reif am 18. d. M. be- seitigt oder auch nur vermindert hat. Man \chreibt die Zunahme des Ungeziefers dem Unverstande mancher Landleute zu, welche die Maul- würfe ausrotten. Verschwinden der Schleiereule (Stryx flammea) liegen, eines der nüp- lichsten Natvögel, der unalaublihe Mengen Mäuse, Ratten, aber auch Kerbthiere, besonders Engerlinge vertilgt.

Ein anderer Grund mag auch im zunehmenden

institute.

Nach Schluß der Redaktion xingegangene

Depeschen.

Sigmaringen, 29. Mai. (W. T. B.) Die deutsche Eiseubahn-Tarifkommission, zu welher Vertreter aus ganz Deutschland und der Schweiz eingetroffen sind, beginnt heute hier ihre Sizungen.

Wien, 29, Mai. (W. T. B.) Jn der heutigen Sizung des Steueraus3\schusses erklärte der Vertreter der Regie- rung, mit der Reform der direkten Steuern werde die Einführung progressiven Personal - Einkommensteuer Hand in Hand gehen müssen. Den Zeitpunkt für die Ein- bringung eines hierauf bezüglihen Geseßentwurfs anzugeben, sei er niht ermächtigt ; dem Antrage, Betreffs Gewährung von Begünstigungen für Neubauten mit Arbeiterwohnungen, stehe die Regierung sympathisch gegenüber.

Pest, 29. Mai. (W. T. B.) Das Unterhaus begann heute die Berathung der Verwaltungsvorlage. Die äußerste Linke versuchte wiederholt, den Referenten durh Zurufe und Lärmen zu unterbrehen. Seitens der Regierungs- wurde die Rede des Referenten sympathisch auf- genommen.

29. Mai. (W. T. B.) Der portugiesische Finanz-Minister Mariano Carvalho hatte gestern eine Unterredung mit dem Minister des Aeußern Ribot und später Besprehungen mit Vertretern hiesiger e

Die Unterhandlungen sollen heute

ortgeseßt

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

C Ea e O)

Wien .... | 763 |NW 3wolkenlos | 14 | Anfang 7# Uhr.

Breslau... | 764 |W 1\wolkenlos __13_ Ile d'Aix . . | 757 |SO 3|bededt | 13 Nizia ..…. | 764 [O lwollfig | 14 Triest... . | 763 | f\tillwolkenlos | 20

1) Nachts Regen. Uebersicht der Witterung.

Wettezheritt. vom 29. Mai, Theater-Auzeigen. | Bi, ler, Bitters ger det Borfelung: orgens V; ¿ in . S T T ; Königliche Schauspiele. Sonnabend: Opern- 64 Uhr, der Vorftellung Ubr. DB;E 22S | haus. 135, Vorstellung. Tannhäuser und der | „Sonntag und die folg, Tage: Der verlorene S ÉS ; SSD | Eängerkrieg auf der Wartburg. Romantis@e | Sohn. Vorher: Das Modell. Stationen. SES Wind. | Wetter. |L8 || | Oper in 3 Akten von Richard Wagner. Ballet 2 E 27S Bo s von E. Graeb. Jn Scene geseßt vom Ober- Friedrich - Wilhelmftädtisches Theater. D 2E E enieur E Dirigent : Kapellmeister Sucher. F: An ; nile eie nfan r. 3 Akten von F. Zell und Rich. Genée. usik von Mullaghmore | 749 |WSW 5 bedeckt 6 S@auspielbaus. 142, Vorstellung. Zum Besten | Richard Genée, J Aberdeen 752 SO 4 halb bed. 10 | der Unterstühungskasse des Vereins „Berliner Im pra(chtvollen Park: Große Militär-Concerte. Christiansund | 760 |WNW 2 [Dunst 12 | Presse“. Zum ersten Male: Die Kronprätendeuten. | Auftreten von Gesangs- und Instrumentalkünstlern. Kopenhagen . | 762 (S0 Usheiter 14 | Historisches Schauspiel in 5 Aufzügen von H. Ibsen, | Anfang des Concerts 6 Uhr, Anfang der Vorstellung Stockholm . | 762 |SW 2hedeckt 13 | deutsch von Adolf Strodtmann, In Scene geseßt | 74 Uhr. Haparanda . | 765 |NO 4 wolkig 6 | vom Ober-Regisseur Max Grube. Anfang 7 Ühr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung. ca L 3 pi Met n 38 „Sonntag z Opernbaus, 06, Berfellnns, Mignon, A e. per in ten von Ambroise Thomas. Text mi V i; L Cork, Queens3- Benußung des Goethe'schen Romans: „Wilhelm Residenz Theater. Direktion : Bano Lame town .…. | 752 |W 2 heiter 9 | Meister's Lehriahre“ von Miel Carré und Jules | burg, Schluß der Saison am 31, Mai. D 7566 |SSW 3\halb bed. | 12 | Barbier, deutsch von Ferdinand Gumbert. Ballet | abend: Zum 36, und vorleßten Male: Dr. Jojo. elder... ! 758 |SSW 2wolkig 12 | von Paul Taglioni. (Philine: Frl. Dietrih vom | Schwank in 3 Akten von Albert CGarrs, N | 759 |SSO 1Regen 11 | Hof-Theater in Stuttgart als Gast.) Anfang 7 Uhr. | von Carl Lindau. Regie: Emil Lessing. amburg . . | 761" |[SO 2|wolkig 12 Schauspielhaus. 143. Vorstellung. Der neue | zum 36. Male: Wer das Größere nicht ehrt, winemünde | 763 |NNO 1\wolkenlos | 15 | Herr. Schauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von | is das Kleinere nicht wer(h. Schwank in 1 Auf- Fensahrivasser Le NNW 2 bede) : Î Wildenbruch. Anfang 7 Uhr. e n N E Me A aa met... __NW 2bedeckt |__1: S nrag: G R Paris 780 (SSO 2 halb bed. 11 | Deutsches Theater, Sonnabend: Die Welt, S b Blei bin Beit Sf ünster. .. | 760 |SSO 2\wolkig 12 | in der man fich langweilt. Anfang 74 Uhr. M DIGE O / Karlsruhe . . | 762 SO 2\wolfenlos | 16 Sonntag: Der Weg zum Herzen. S E Wiesbaden . 762 |SW 2hhalb bed. | 13 | Montag: Des Meeres und der Liebe Wellen. | Kroll's Theater. Sonnabend: Die weiße München . . | 764 |SO 4\wolkenlos | 14 —————— : A Erl als Gast Gen 08 (2D NBalfenlos 15 | Berliner Theater, Somabend: Gotvisehe, | ®Wontbg Lts Gatte des Den, Anton El f & j ; . &Wonn : . ; Berlin... | 763 |SSO 2\wolkenlos | 16 Der \chwarze Domino. |

lieutenaut.

Eine Zone hôhsten Luftdruckes erstreckt \sich von | Der Probepfeil. Gnsemble - Gastspfel Angelo Neu- Beginn 13. Juni: Cavalleria Rusti-

Nord-Skandinavien südwärts über das Ostseegebiet Voranzeige. und Deutschland hinaus nah Italien hin, charakte- | mann. Die Temperatur ist in Deutschland allenthalben, | vou Bagdad. außer im Nordosten, gestiegen und nähert stch wieder dem Durschnittêwerthe, Stellenweise is Regen gefallen ; an der deutschen Nordseeküste fanden au

britannien und Umgegend Regenfälle erzeugend, liegt | Anna S

füdlih von den Hebriden, indessen ist unwahrschein- | lorene Sohn.

Sonntag, Nahm. 23 Uhr: Der Veilchenfresser. Abends 7} Uhr: Der Hüttenbefiter. Montag: Der Hüttenbesigzer.

Tessing-Theater. Sonnabend: Der Königs-

Auftreten sämmtl. Spezialitäten.

Adolph Ernfi-Theater.

lich, daß dieselbe das Wetter unserer Gegenden erheblich | Worte in 3 Akten von Michel Carré Sohn. Mosik | Anfang 74 Uhr.

beeinflussen werde.

von A. Wormser. Vorher: Zum ersten Male: Das Deutsche Seewarte. Modell. Lustspiel in 1 Akt von G. Cohnit.

Schluß der Saison: 1. Juni.

Dienstag: Gastspiel ron Fr. Marcella Sembrich. Lakme. Oper in 3 Akten von Leo Delibes.

Täglih: „Großes Concert“ im Sommergarten, Abends bei brillanler elektrischer desselben. Anfang F, der Vorstellung 7 Uhr.

: Belle-Alliance-Theater. Sonnabend: Sonntag: Letzte Vorstellung in dieser Saison. | 13, Male: Tricoche und Cacolet, 5 Aufzügen von Meilhac und Halévy. D NE Ne D nmérgatien! (vor- risirt durch ruhiges und vorwiegend heiteres Wetter. | cama. E ie beri Dien Der Barbier In ba Grokaa * Militie Dorpat Cat e drei Piutos.

Beleuchtung

Brillante JIllu- ———— mination des ganzen Garten-Etablissements. Anfang Wallner-Theater. Sonnabend: 1. Gastspiel des Concerts 6 Uhr. Anfang des Theaters 74 Uhr.

Gewitter statt. Eine Depression, über Groß- | von Helene Odilon und erftes Wiederauftreten von ramm. Zum ersten Male: Der ver- Musikalishes Schauspiel ohne | führung. Sonnabend: Unsere Don Juaus.

Der Sommer-Garten ift geöffnet.

Mittwoch : Ensemble-Gastspiel der „Münchener.“ Der DHerrgottschnizer von Ammergau.

Thomas-Thedter. Alte Jakobstraße 30. (Sonrtag: S{luß der Saison.) Sonnabend; Zum 6. Male: Der liebe Onkel. Schwark in 4 Akten von Rudolf Kneisel Vorher zum 3. Male: Der Zigeuner. Genrebild mit Gesang in 1 Akt von Uulois Berla. Musik von A. Conradi. Jn Scene gesezt von A. Kurz. Anfang 7x Uhr.

Vorher im Gartn! Großes Concert. 4

Sonntag: Letzte Vorstellung in dieser Saison. Zum 7. Male: Der liebe Onkel. Zam 4. Male; Der Zigeuner.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes - Ausstellungs - Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglih Vorstellung im ea gen Theater. Näheres die Anschlag- zettel.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Anna von Borcke mit Hrn. Lieut. Carl von Schhmiterlöw (Stargard i. P.) Frl. Marie Streit mit Hrn. Gerichts-Referendar Her- mann Olfe (Stargard i. P.).

Verehelicht: Hr. Pastor Karl Reichert mit Frl. Meta Nitschke (Deutmannsdorf i. Schl).

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Pasftoc Philipps (Berlin). Hrn. G. Graf Finck von Finckenftein (Reitwein). Eine Tochter: Hrn. Friy Nickish von Roseneak (Kuchelberg). Hrn. Pastor G. Pfannshmidt (Neu-Tornow).

Gestorben: Hr. Amtsanwalt Karl Kury (Rati- bor). Fr. Ober-Landesgerihts-Rath Marie Meyer, geb. Esbner (Brcslau). Verw. Fr. Oberlehrer Luise Bufsmann, geb. Röhropp (Berlin). —- Frl. Sovhie von Gräveniß aus dem Hause Waschow (Malchow i. M). Hr. Major Her- mann Luther (Thorn).

Nedacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin: Verlag der Expedition (Schol z).

Druck der NorddeutsWen Buchdruckterei und Verlags- Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Fünf Beilagen (einfchließli} Börsen - Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

¿ 124.

Statistik und Volkswirthschaft.

Evangelish-sozialer Kongreß.

In der gestrigen Sißung sprach nach_ dem Superintendenten Wilke zu dem Thema „Religion und Sozialdemokratie“ noch Pastor Rahlenbeck (Berlin): Er könne den Thesen des Re- ferenten nicht vollständig zustimmen. Einmal habe der Referent den Gegensaß der Sozialdemokratie zur christlichen Kiche zu wenig be- tont und andererseits könne doh die Kirche die wirthschaftlihen Ziele der Sozialdemokratie nicht anerkennen Die Thesis 4 sei daher un- annehmbar.

Geheimer Regierungs-Rath, Professor Dr. Adolf Wagner (Berlin): Er sei doch der Meinung, daß der Referent in treffender Weise die Gegensäye, die zwishen der Sozialdemokratie und der christlichen Kirche herrschen, gekennzeihnet habe. Er sei auch der Ansicht, daß die Thesen eine etwas andere Fassung erhalten könnten, im Großen und Ganzen könne er ihnen aber zustimmen. Wenn man lobend die Bestrebungen der englishen Gewerkvereine hervorhbebe, so müsse er sagen: die deutshen Sozialdemokraten baben Recht, wenn sie die Besserung der sozialen Verhältnisse niht einseitig, P von allgemeinen Gesichtspunkten aus anstreben. Es sei kein Zweifel, daß es unter den Sozialdemokraten vielfach Phantasten gebe, die für die ristlihe Religion noch keineswegs verloren seien. Deshalb müßten die Geistlichen sih ganz besonders angelegen sein lassen, die soziale Frage zu studiren und nicht von vornherein gegen die Forderungen der Sozialdemokratie Stellung nehmen. Man dürfe sich niht deshalb gegen eine Forderung wenden, weil sie ursprünglich eine sozialdemokratische sei, Er gehe z. B. Betreffs des Cinkommensteuer-Geseßes noch bedeutend weiter als die preußische Regierung, ungeachtet, daß er damit für eine sozialdemokratishe Forderung eintrete. Es sei eine Thorheit, die Saa der Sozialdemokratie ohne Weiteres zu verwerfen. Die

egriffe über Eigenthum richten sich nach der ges{hichtlihen und ökonomischen Entwidckelung, die Kirhe Tönne daher nicht sagen: sie stehe im Gegensaß zu der s\ozialdemokratisWen Etigenthumstheorie. Er sei der Meinung: der wahre Christ müsse jede neue Rehtsordnung unparteiisch prüfen und derselben Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn er auch persönlich Nachtheil davon habe. (Lebhafter Beifall.)

Den folgenden Gegenstand bildete: „Die Erziehung der

ewerblihen Jugend“. Der Referent, Eisenbahn-Direktor

arbe (Rummelsburg bei Berlin) befürwortete eine lange Reihe von Thesen, die im Auszuge etwa folgendermaßen lauten: Die Erziehung und Ausbildung der gewerblihen Jugend geschieht naturgemäß dur ein geordnetes Lehrlingswesen. Die bisher auf diesem Gebiete erlassenen Geseßze und Bestimmungen haben eine beunruhigende Verrohung der Sitten eines großen Theiles der ge“ werblihen Iugend und eine Verflachung der Handfertigkeit niht ver- hindern können. Das Lehrlingswesen müsse durch grundlegende Reichs- gesehze ecinheitlih geregelt und geleitet werden, wobei ganz besonders das Fortbildungss{hulwesen zu berücksichtigen sei. Die Lehrlinge seien dur zeitgemäße Grweiterung und Anvassung des Schulzwanges an die jeweiligen Verhältnisse als unerwahsene Menshen und Schüler zu behandeln. Behörden und Arbeitgeber haben ih bei diesen Haupt- aufgaben wechselseitig zu unterstüßen. Die Beaufsichtigung der În- zuchthaltung und Lehre in Fabrik und Werkstatt solle durch einen Prüfungsaus\{uß erfolgen, der aus Innungsmttgliedern, Industriellen, Technikern, Lehrern, Werkführern, Handwerkergehülfen und Arbeitern, sowie tehnisch gebildeten Staatsbeamten zusammengeseßt ist, und von der Regierung bezw. Ortsbehörde bestätigt werden. Jeder Arbeitgeber in Industrie und Gewerbe habe das Ret, Lehr- linge in beliebiger Zahl anzunehmen, so lange er die geschlichen Mindestforderungen für die betreffenden Industriezweige oder Gewerbe erfüllt, Die geseßliche Erfüllung der Lehrkontrakte wird durch eine Lehrlingsprüfung nachgewiesen, ohne deren Bestehen keinerlei Lehre als beendet anzusehen ist. Lehrlinge, welche die Prüfung nicht be- steben, erhalten kein Prüfung8zeugniß. Sie werden als unreif zur Erfüllung gewisser Pflichten als Staatsbürger betrachtet und als . Tagelöhner bezeihnet. Jeder andere Jüngling wird feierlich zum Fabrifhandwerker zweiter oder erster Klasse oder zum Gewerbegehülfen oder zum Kunsthandwerker unter entsprehender Lehbrzeugnißertheilung freigesprohen. Die Prüfungsarbeiten werden einem mit dem Prüfungsaus\huß in Fühlung befindlichen Ausftellungsaus\{huß Übergeben und alljährlich ausgestellt. Arbeit- geber und Lehrlinge werden geeignetenfalls entsprehend öffentlich belobigt oder anderweitig ausgezeihnet. Hervorragend tüchtige Lehr- linge werden Behufs entsprehender Berücksichtigung zur Abkürzung der Militärdienstzeit empfohlen.

Hofprediger a. D. Stöcker (Berlin) spra hierauf über: eIndividualismus und Sozialismus“. Der Redner legte seinen Ausführungen folgende Thesen zu Grunde:

„1) Der Individualismus, das System der überwiegenden Geltung des Individuums, und der Sozialismus, das System der überwiegenden Geltung der Gesellshaft, find in einer Auseinandersetzung begriffen, welche das Wesen der heutigen gesellshaftlihen und wirthschaftlichen Kämpfe bildet. Die Versöhnung beider würde die Lösung der sozialen Frage sein. 2) Sofern der Individualismus die Persönlichkeit in ihrer Bedeutung zur Anerkennung und Entwicklung brin1t, ist er niht blos ein berectigtes, sondern ein unveräußerliches Moment menschliher Kultur, ohne welhes die menschliche Gesellschaft entwickelungsunfähig, die christlihe Gesellschaft, sonderlih die auf reformatorishem Grunde erwachsene, unvenkbar ist. 3) So- fern der Individualismus das Individuum nur als Exemplar der menschlichen Gattung gelten läßt, ohne die Lebensbedingungen des- selben in Persönlichkeit und Familie, Staat und Kirche anzuerkennen, zu s{onen und zu pflegen, wird er zum Egoismus und als folcher die Quelle wirthschaftlicher und gesellschaftliher Uebel. 4) Sofern der Sozialismus das Individuum nur als Exemplar der mens{lichen Seeung gelten läßt und zum Zweck äußerer Gleichstellung die in der Menschheit vorhandenen Anlagen, Ordnungen und Unterschiede verkennt, ist er nichts Anderes als die Uebersparnung des falschen Individualismus und die Zerstörung der Gesellshaft. 5) Sofern der Sozialismus unter dem Gesichtêpunkte der Solidarität den gesunden Zustand der Gesellschaft, den physishen und wirtb\chaftlihen wie den sittlichen und religiösen, zum regulirenden Geseß des persönlihen und öffent- lichen Lebens mat, ohne die Einzelpersönlihkeit in ihrer Lebens- entfaltung zu hindern, ist er ein nothwendiger Faktor heilsamer Ent- widckelung urd unter den gegenwärtigen Verhältnissen das ge- gebene Mittel, um die sozialen Kämpfe auf eine friedlihe Bahn zu lenken. 6) Das Christenthum, indem es die Persönlichkeit wie die Gesellshaft göttliGen Ordnungen unterwirft, welche das Wohl des Cinzelnen und der Gesammtheit verbürgen, ist die Einheit des Individualismus und des Sozialismus und, da die Persönlichkeit Gottes der menschlihen Persönlichkeit ein ewiges Leben, die Kirche Christi der menshlihen Gesellschaft ein brüderlihes Verhalten, der heilige Geist der Einzelperson wie der Gesellschaft die für die soziale Reform unentbehrlihen inneren Kräfte verheißt und verleiht, der einzige Retter in dem Sturm der Zeit.“ G

Hofprediger a. D. Stöcker äußerte sich ungefähr folgendermaßen: Der Sozialismus, der früher nur ein Spuk in Büchern gewesen, der von Zeit zu Zeit todt gesagt wurde, sei jeßt ein Moment geworden, das das gesammte öffentlihe Leben bewege, und deshalb müsse si der evangelisch-soziale Kongreß mit der sozialen Frage beschäftigen. Swneller als man vielleiht ahne, werde das sozialpolitishe Leben fortschreiten, Deshalb sei es Aufgabe der christlichen Kirche, dahin zu

Berlin, Freitag, den 29. Mai

wirken, daß die sittlichen Kräfte auf die soziale Entwickelung ein- wirken. Geschäftsfreiheit, Gewerbefreiheit, Handelsfreiheit fei Individualismus. Ohne den Individualismus hätte sih das gewerb- lihe Leben nit in der Weise, wie es geiGeyen, entwickeln können. Aber auH der Individualismus, der bereits eine lange Geschichte habe, fei gekommen, um den Individualismus zu korrigiren. Das Reht der Persönlihkeit sei ers durch Christus zur Geltung gelangt. In den Mönsklöstern, wo Kadaver- gehorsam gefordert werde, trete das Recht der Persönlihkeit allerdings wieder in den Hintergrund. Allein die Reformation habe das Recht der Persönlichkeit von Neuem betont ; deshalb seien die evangelischen Christen ganz besonders verpflichtet, für das Recht der Persönlichkeit einzutreten. Der falsche Sozialismus aber, der Alles glei machen wolle, gestehe das Recht der Persönlichkeit Nie- mandem zu. „Thut Ehre an Jedermann, liebet die Brüder, fürchtet Gott, ehret den König“ : in diesem Sinne sei die christliche Kirche berufen, die soziale Frage zu lösen. Diese Lösung könne allerdings nicht geschehen, indem man sich an diesen Grundsäßen bloß erwärme. Wenn man es wohl meine, dann müsse man diese Grundsätze realisiren. Bebel habe ganz Recht gehabt, als er auf einen Vorwurf, daß die Sozialdemo- kraten gottlos seien, im Reichstage erwiderte: Was fällt Euch ein, haben wir denn die Gottlosigkeit erfunden, haben wir das niht von der Bourgeoisie gelernt? Er (Redner) sei allerdings der Meinung, daß, wenn die Gottlofigkeit in der bisherigen Weise fortschreite, wir großen sittlihen Gefahren entgegengehezn. Er habe sich deshalb um so mehr gefreut, daß sowohl im vergangenen Jahre als au diesmal auf dem evangelish-sozialen Kongreß die Meinung ausgefyrochen worden sei, man müsse der Sozialdemokratie nicht bloß entgegentreten, sondern ihr auch entgegenkommen. In dieser Weise lasse sich am Ehesten und Besten zur Lösung der sozialen Frage beitragen. Aller- dings sei diese Arbeit eine \{chwierige. Das 19. Jahrhundert werde zu Ende gehen, das 20. Jahrhundert beginnen, und wir werden immer noch an der Arbeit sein. Allein, hoffen wir, daß wie das 18, Jahrhundert das Zeitalter des Individualismus, das 19. Jahr- bundert das Zeitalter des Sozialismus, das 20, Jahrhundert eine Aussöhnung zwischen Sozialismus und Individualismus bringen werde. Wenn das geschieht, dann wird der soziale Friede niht ausbleiben, (Lang anhaltender Beifall.)

__ Nach kurzer unwesentliher Debatte beschloß die Versammlung, sih mit den Thesen des Referenten im Allgemeinen einverstanden zu erklären. Im Weiteren wurde beschlossen: Der Kongreß f\timmt den Grundgedanken des Professors Dr. Herrmann über „Religion und Sozialdemokratie" im Allgemeinen zu. /

Dr. Otto Kamp (Frankfurt a./!M.), als Korreferent über die gewerblihe Erziehung befürwortete eine Reihe von Thesen, die sich auf die Erziehung, der gewerblichen weiblichen Jugend beziehen. Dieselben besagen etwa: „Die gewerblihe Ausbildung der wetblichen öIugend darf dem Broterwerb, der Tageslohnarbeit nicht allein anheimgegeben werden, sondern muß in fachgewerblihen Anstalten ihre für das ganze Leben werthvolle, die Einzelarbeit vorab lohnende Ergänzung finden. Die gewerbliche Ausbildung der weiblichen Jugend ist, wenn auch in erster Linie nur materiell fördernd, doch innerhalb der Gesamtmterziehung als eine sehr bedeutsame, mit ihrer Lösung auch die sittliche Lebensgestaltung wesentlich fördernde soziale Aufgabe zu erachten.“ Die Versammlung stimmte den Thesen des Referenten und Korreferenten im Allgemeinen zu, worauf die Ver- handlung gegen 6 Uhr Abends auf heute vertagt wurde.

In der heutigen zweiten und leßten Sitzung befürwortete Pastor Budy (Schwanebeck bei Bernau) einen Antrag: das Aktions-Comité zu beauftragen, das Inslebenrufen einer im evangelisch-sozialen Sinn redigirten, volksthümlich geschriebenen, billigen Zeitung in Erwägung zu zichen. Nach kurzer Debatte gelangte dieser Antrag zur Annahme.

Den ersten Verhandlungs8gegenstand bildete: die ländliche Arbeiterfrage. Der Referent, Landes - Oekonomie - Rath Nobbe (Berlin) führte etwa Folgendes aus: Die vorliegende Frage sei eine der wichtigsten, die den Kongreß beschäftige. Bereits beginne die Sozialdemokratie mit voller Kraft unter der länd- lichen Arbeiterbevölkerung zu agitiren, und die Gefahr dieser Agitation fei jedenfalls nit zu untershäßen. Die ländlibe Bevölkerung sci zweifellos die Hauptfäule von Staat und Gesell\saft. Die Sozialdemokraten werden daher sicherlich Alles aufbieten, um die ländliche Bevölkerung zu gewinnen. Die Sozialdemokraten werden jedenfalls alle Kalamitäten ausnüten, und es falle ja nicht schwer, die Lage des Kleinbauernstandes und der länd- lien Arbeiterbevölkerung düfter zu schildern. Allordings dürfte es den Sozialdemokraten niht gelingen, den Kleinbauernstand für sih zu gewinnen, denn diese werden sich nicht einer Partei anschließen, die ihre Lage nicht nur niht verbessern, \fondern ihre Selbständigkeit geradezu aufheben wolle. Jedenfalls sei es erforderlich, darauf bedacht zu sein, daß die Lage der ländlichen Arbeiter eine bessere werde. Er (Redner) sei 30 Jahre lang Guts- besißer gewesen und habe mit seinen Arbeitern stets in sehr gutem Verhältniß gelebt. Vieles sei ja im Allgemeinen im Laufe der Zeit besser geworden, allein jedenfalls müsse noch Viel gethan werden, wenn die ethish-sozialen Verhältnisse au bezüglich der ländlichen Arbeiterverhält- nisse zur Geltung gelangen sollen. So könnte z. B. im Osten Deutsh- lands, woselbst die Arbeitszeit noch bis zum Sonnenuntergang dauere, dieselbe sehr wohl abgekürzt werden. Es sei nothwendig, dem Wandertrieb der ländlichen Arbeiter durch bessere Arbeitsbedingungen, Schaffung gesunder Wohnungen u. |. w. entgegenzuwirken, Wenn es niht gelingen sollte, bessere Arbeitsverhältnisse zu scchafen, dann dürfte derjenige ernten, für den der Ader be- stellt sei, und dann könne man auf soziale Reformen vollständig verzichten. Bedauerlih sei es, daß die Grundbesißer im Allgemeinen ihren Landbesiß nur als eine kapitalistishe Ausbeutung betrachteten. Sei denn die soziale Frage gelöft, wenn der etnzelne Gutsbesißer eine hohe Rente beziehe? Gewiß sei eine blühende Landwirtbschaft ein Segen für den Staat. Wenn jedoch die blühende Landwirth- \chaft eine dauernde werden soll, dann müßen sich die länd- lichen Großgrundbesizer ihrer sittlich - sozialen Aufgaben erinnern. Man zetere über die Genußsuht und die Sittenlosigkeit der Arbeiter. Allein seien denn die Sropacundhelher von aller Sünde frei? Man mae den ländlihen Arbeitern den Vorwnrf, daß sie so häufig das sechste Gebot verlezen. Es sei das sehr bequem, man werde aber nicht behaupten können, daß die Großgrundbesiger genau die zehn Gebote beobachten. Die Großgrundbesißzer müssen deshalb auch bei sich Einkehr halten. _Ganz besonders sei darauf Bedaht zu nehmen, daß die aus der Shule entlassene Jugend vor den sittlihen Gefahren bewahrt werde. Leider sei si der aus der Schule entlassene Arbeiter vollständig selb überlassen, er habe si seiner Handlungen wegen lediglich vor dem Strafrichter zu verantworten. Viel können zur Besserung der Verhältnisse die Geist- lichen wirken. Diese müssen niht bloß auf die Arbeiter, sondern auch auf die ländlichen Arbeitgeber in sittlih-sozialer Beziehung ein- wirken. Nothwendig sei cs, sih über das Wesen der Sozialdemokratie klar zu werden. Man dürfe die Sozialdemokraten nicht mit Waffen bekämpfen, wie es einmal ein preußischer Minister-gethan, der den Sozial- demokraten vorwarf, daß sie theilen wollen. Wer sih mit Sozialreform be- \châftige, müsse wissen, daß die Sozialdemokraten gar nicht daran denken, zu theilen. Die Sozialdemokraten wollen zum Theilen überhaupt nichts mehr übrig lassen. (Stürmishe Heiterkeit.) Der Redner betonte im Weiteren die Nothwendigkeit, den Arbeiter seßhaft zu machen und

dem Verschuldungssystem auf dem Lande dur geeignete Einrichtungen

1891.

zu teuern. Der Redner {loß mit den Worten: Unser deutsches Volk muß zum religiösen Leben erweckt werden. Sittlich-religiöses Leben in das deutshe Volk hineinzutragen, ift die s{önste Aufgabe des evangelish-sozialen Kongresses, die zweifellos von Erfolg fein wird. (Lebhafter Beifall.) Der Redner befürwortete {ließlich folgende Thefen: \ L

„1) Als Pfliht der ländlihen Grundbesitzer is es zu erachten, mit aller Kraft dahin zu wirken, daß das Verhältniß zwischen Besißern und Arbeitern im landwirthschaftlichen Betriebe nicht in einen bedrohlihen Jateressengegensaß ausarte, sondern das erfreuliche Bild persönlichen und gesicherten Zusammenwirkens biete. Dazu erscheint esals erforderlich: a daß die Grundbesitzer der wahsenden Desorzanisation der ländlichen ArbeiterverHältnisse durch vermehrte Darbietung aus- fömmlihecr, mit gesunder Wohnung und Landnußzung verbundener, vor Wechsel geshützter Arbeiterstellen entgegenwirkea und darauf Bedacht nehmen, daß das System der Wanderarbeiter, wo es zur Zeit unentbehrli ist, niht zur Lockerung noch bestehender, geordneter Arbeiterverhältnisse führe; b. daß die Liebe unseres Volkes zu eigenem Haus- und Grundbesig in erweiterteim Maße zur sozialen und wirthscha\tlihen Förderung des ländlichen Arbeitersiandes verwerthet werde, und daß die auf Erleichterung gesicherten Eigen- thumerwerbs durch die ländlichen Arbeiter ab- zielenden geseßgeberishen Akte bei den Grund- besißern eine ernste und wohlwollende Würdigung finden; c. daß dem vielfah willkürlihen und ungerecht\ertigten, ja wirth\chaftlich verderblihen Hange der ländlihen Arbeiter zur Aufgabe des landwicthschaftlihen Berufs und zum Abzug nah den großen Städten unentwezt dur alle diejenigen Mittel entgegen- gewirkt werde, welche christlihes Pflihtbewußtsein, persönlihe Für- sorge für das sittlihe und wirthschaftlihe Wohl der Arbeiter, sowie genaue Kenntniß der Bedürfnisse derselben den Grundbesigßern an die Hand geben. p

2) Aufgabe des geistlihen Amtes auf diesem Gebiete ist es, seel- sorgerish dahin zu wirken und darüber zu wachen : a. daß die An- forderungen des wirthschaftlichen Betriebes die ländlichen Arbeiter niht an der Erfüllung ihrer Aufgaben im häuslichen und kicchengemeindlicen Leben hindern ; b. daß nicht minder die Arbeiter sich ihrer Pflichten gegen den Betrieb, dem sie ihre Kräfte widmen, bewußt bleiben, und daß namentlich die jugendlihen Arbeiter den Verführungen zu ungebundenem Leben und Sittenlosigkeit zu widerstehen lernen; c. daß die Stellung der ländlihen Arbeiter in der christlihen Gemeinde nicht auf das Mindestmaß eines kümmer- lichen Gewohnheits - Christenthums herabsinkcé; daß denselben vielmehr aus dem Leben inmitten der Gemeinde eine reibe Fülle fittliher Einflüsse, erzieherisher Gegenwirkungen gegen verflachenden Materialismvs und sihtbarer Beweise eines helfenden und tragenden Gemeinschaftélebens zu Theil werde.“

N Auswanderung.

Für viele Güter des Reg.-Bez. Köslin wird si, wie von dort ge\{chrieben wird, im Sommer ein Mangel an Arbeitskräften empfind- lih bemerkbar machen, denn nur wenige haben ihre Arbeiterwohnungen voll beseßt. # Hierzu hat die Auswanderung ländlicher Arbeiter na Nord-Amerika, die fich in diesem Frühjahr wieder mehr bemerkbar machte, nit unwesentlih beigetragen. Die Auswanderung nah Bra- filien ist dagegen Dank der energishen Thätigkeit der betheiligten Behörden zucückgetreten.

Sachsengängere i.

Die Landwirthe des Regierungsbezirks Breslau klagen über die immer mehr überhand nehmende „Sachsengängerei“, die mit ihrer ungebundenen Leben8weise wie eine ansteckende Krankheit auf die länd- lie Iugend wirkt. Aus dem Kreise Brieg gingen sogar vierzehn- jährige Kinder, welche erst Ende März d. J. die Schule verlassen hatten, nah dem Westen. Im Kreise Wartenberg haben allein im Monat März 792 männliche und 1189 weibliche jugendlihe Arbeiter, also gegen 2000 Arbeitskräfte, den Kreis verlassen.

Zur Arbeiterbewegung.

Der „Voss. Ztg.“ wird aus Brüssel geshrieben: Der Staats- rath der „Ritter der Arbeit®* hat beschlossen, folgende Arbeiter- forderungen aufzustellen: Stufenweise Herabseßung der Schicht- zeit, Vermehrung der Zahl der Bergleute und Aufrechterhaltung der jeßigen Löhne. Bis zur Durchseßung dieser Forderungen soll der Ausstand fortgeführt werden. Gleichzeitig beshloß man, den Gouverneur der Provinz, Grafen von Ursel um eine Unter- redung und um fein vermittelndes Eintreten zu Gunsten der Berg- arbeiterforderungen zu ersuhen, Der Gouverneur hat am 26. Mai die Hauptortschaften des Beckens Charleroi besuht, um sich von der Sachlage zu überzeugen und die Errihtung von Bürger- garden zu veranlassen , aber die gewünschte Unterredung mit den Arbeiterführern nicht bewilligt, da dem Ausstande von seinen Anstiftern ein pvolitisher Charakter gegeben worden ift. Trotz diejes Beschlusses sind gestern, wie der „N. Pr. Z.“ telegraphirt wird, in Charleroi wieder 2000 Bergleute angefahren. Die Wiederaufnahme der Arbeit wäre bedeutender, wenn niht mehrere Werke für die Wiederannahme die Bedingung gestellt hätten, daß der Lohn verkürzt wird und die Arbeiter aus dem Verband der „Ritter der Arbeit“ auêtreten. Die Hoffnung auf eine baldige gänzliche R E des Ausstandes kann also auch heute noch aufre{cht erhalten werden.

Ueber die Folgen des Strikes im Saargebiet erhält die „Mgdb. Ztg.“ folgende Mittheilung aus Trier: Es ist unglaublich, wel anderes Bild die Verhältnisse im Saargebiet heute darbieten als vor etwa zehn Tagen. Damals führten die Strikehetzer allein das Wort, nah der Beendigung des Strikes wagen sih auch die ord- nungéliebenden und fkaisertreuen Bergleute, die troß Allem noch die Mehrzahl bilden, an das Tageslicht und geben endlih einmal ihrer Ge- finnung kräftig Ausdruck, während die Führer des Rehtsshußvereins ganz fleinlaut geworden sind. So fand am Montag in Berus eine sehr zablreih besuchte Bergmannsversammlung statt, die mit Hochrufen auf Seine Majestät den Kaiser eröffnet und geshlossen ward. Der Hauptredner warnte vor den Sozialdemokraten, dem „Linksschußverein“, und endete mit einem Hoh auf den Handels- Minister Freiherrn von Berlepsch. Die Zahl der aus Anlaß des Strikes entlassenen Bergleute, welhe s bisher auf fünfzehn ge\{äßt wurde, ist auf mehr als dreißig gewachsen.

Am Sonntag feierte der evangelishe Arbeiterverein in Altendorf bei Essen, wie wir einem Beriht der „Wes. Z.*“ entnehmen, in dem großen Saale der Krupp’shen Bierhalle auf Kronenberg unter Theilnahme mehrerer auswärtiger Brudervereine sein Jahresfest. Nah der Begrüßung der Gäste dur den Vor- fißenden, Hrn. Jansen, spra Hr. Sponheimer einen patriotischen Fest- gruß, worauf Hr. Pfarrer Klingemann-Essen das Rednerpult bestieg und die Festrede hielt, in der er den hohen Werth des Vaterlandes pries, die Arbeiter ermahnte, stets das theure Evangelium hoch zu halten, denn dann würden „die Arbeitervereine auch ihre erste und \{höônste Aufgabe erfüllen, nâmlih ein Bollwerk zu sein gegen die Umsturzbestrebungen in heutiger Zeit. Hr. Rosenkranz brachte den Toast auf unseren thatkräftigen Kaiser aus. Der Verbands- agent Hr. Fischer-Gelsenkirhen stellte die Bedeutung der Ar-

beiterfrau ins rehte Licht und zeigte, inwiefern die Ar- beiterfrau berufen sei, zur Lösung der Ain Feagé bei

Pr O R E A E G E E G W