wirkliches, sci es militärishes, sei es Verkehrsbedürfniß if, sie auf große Leistungen eingericktet werden müßte. Und das ift einer der Gründe, die nach meiner Auffassung der Herstellung eines solhen Unternehmens durch Privatkapital entgegenstehen.
Ih sche ganz davon ab, daß, wenn man nun einmal das Staatsbahnsystem acceptirt hat, es doh nicht richtig sein würde, eine nah Ihrer Meinung so wihtige Linie, wie die von Kassel nah Köln, inmitten der Staatsbahnlinien der Privatindustrie zu überlassen. Ih bezweifle au, daß si wirkli das Priva!kapital dafür finden würde, wenn dieses si ernsthaft die Situation betrahtet. Es ift bisher immer gesagt: das Privatkapital hat sih erboten. Ja, es haben ver- schiedene Persönlihkeiten — auf dem Papier — erklärt, sie würden das Kapital beschaffen; ob sie dieses aber ernstlich und geseßlich solidirt beibringen würden, is eine andere Frage. Denn es handelt fch um eine schr schwierige Gebirgsbahn, die im Bau und Betrieb sehr kostspielig scin wird, und ih frage Sie: was wird wohl an Verkebr auf diese Linie übergehen? Mein Herr Kommissarius bat ganz richtig angedeutet, daß der Verkehr zwischen den beiden Centren Kassel und Köln, wern ih sie so bezeiSnen soll, doch kaum jo erheblich ist, um diese Bahn genügend zu alimentiren; ebensowenig wird der Verkehr auf den zwisch{erliegen- den Strecken dies können. Es würde also die Linie in der Haupt- sache rur dienen dem Durchgangsverkehr, und glauben Sie, meine Herren, daß die Staatsbahn-Verwaltung ih jemals — ih sage das geradezu — dazu herbeilassen wird, den Verkehr, den sie vollständig beherrshen kann, an eine Privatbahn abzugeben, um diese Privatbahn rentabel zu machen? (Große Heiter- keit.) Das wird gewiß niht ges{ehen; die Verwaltung würde das nit zugeben können und — ih glaube — auch mit Jhrer Zustim- mung nicht zugeben dürfen. Wenn aiso die Aussicht auf eine irgend genügende selbständige Rente nicht besteht und somit für das Privat- kapital ein solider Reiz nit besteht, so bleibt die Frage immer die: ift das Bedürfniß des Baues vorhanden? Ist das zu bejahen, so kann die Bahn nur vom Staate autgeführt werden, und es fragt sich dann weiter nur: wie und wann? Eine Bakßn, die 100 Millionen praeter propter fostet — genau kann man das niht sagen —, würde mit ibrem Kostenaufwand eine ganze Menge anderer Linien in anderen Landeëtheilen jedenfalls vorläufig zurückzustellen nöthigen. Daran ift gar kein Zweifel. Indessen, wenn es sein müßte, würde man die Bahn doch zur Ausführung bringen können.
Und bieran {ließe ich cinige Werte in Bezug auf die Aus- führungen, die bier vor einigen Tagen gemacht wocten sind. Die finanziellen Resultate der Staatscisenbahnverwaltung, obgleich sie im vorigen Jahre ungünstig beeinflußt worden sind durch elementare Kalamit!äten ganz anormaler Art, dur eine auferordentlihe Steige- rung von Kohlen und Eisen und aller Materialienpreise, dur eine Erböbung der Löhne, tie, wie i) glaube, ganz mit Ihrer Billi- gung vorgenommen ist, dur Erhöhuxg der Gehälter u. f. w. — wenn diese Resultate, die so unçcünstig beeinflußt gewesen sind, doch dahin führen, daß wir nur einen Minderübershuß von etwa 22 Millionen bei einem Einnahmebudget von nur 900 Millionen und einem Aus- gabebudget von gegen 550 Millionen haben, so kann ein Ausfall, in- dem statt eines Betriebsübershu}es von 329 Millionen, wie es der Etat verlangt, nur 307 Millionen erreicht werden, nit so sehr ins Gewitt fallen. Wenn dabei nah Verzinsung des ganzen Eifenbakln- fapitals, nach Verzinsurg und Amortisation der Prioritäts-Obli- gaticnen und Aktien, die darauf aus früherec Zeit noch ruben, ein Uebers{uß von 123 ftatt von 143 Millionen verbleibt, wenn nah Abschreibung der F 9/6, wie es im Eisenbahngarantiegeseß vorgescrie- ben ift, auf das Staatscisenbahnkapital noch eine Summe von 80 Millionen übuig bleibt für sämmtliche übrigen Staatsbedürfnifse, oder, Falls Sie das auf die gesammte Staatsverwaltung anwenden wollen: wenn nach Verzinsung und planmäßiger Amortisation der gesammten Staatsschulden, die ja größer sind als die Staats- eisenbahn- Kapitalschuld, roch eine Summe von 90 Millionen übrig bleitt, dann läge noch kein Grund vor, zu sagen: wir wollen eine Bahn von Köln nah Kassel nit bauen, wenn sie im Uebrigen eia notbwendiges Unternebmen ist. Für folchen Fall muß man allerdings vorsorgend Rechnung tragen, und könnte dann die Summe, bie dabei in Betract kommt, nicht aus\{laggebend sein. Welce Linie aber alédann gerählt werden wird, um dieses Ziel zu erreichen, das ist eine absolut ofene Frage. Es stehen — irre ih nicht — nicht wenigcr als neun verschiedene Wege, die man nehmen kann, zur Dies kussion, es ist auch der Endpunkt nit klar, ob es Köln oder ein anderer Punkt sein wird. Darin stimme ich jedenfalls den Herren bei: es ift außerordentli wünsherswerih, daß der Landeétheil, der von der Ruhrthalbahn und der Main-Weserbahn auf zwei Seiten begrenzt wird, aufgesch‘ofsen wird dur mögli} zweckmäßige Linien. Ich meine nun, daß Sie sich durchaus nit piôäjudiziren, wenn Sie sagen: wir bewilligen diese Summe, aber wir gehen dabei von der Vorausseßung aus, daß die in der sub 2 vorgeschlagenen Reso- lution genünshte Prüfung nicht ein Resultat ergiebt, welches eine Aenderung des Beschlusses zu 1 herbeiführt. Mein Herr Kom- misfarius hat Ihnen ganz rihtig gesagt: tritt die Nothwendigkeit ein nach der Urtersuhung, die Sie wünschen, die auch die Staatsregie- rung anzustellen bereit ift, wie ich hiermit erkläre, daß eine andere Tracirung stattfindet, daß man dem Projekt Kassel-Köln, weil es ein Bedürfniß sein foll, mebr entgegenkommt, dann können wir das ja machen. Wir werdcn unter keinen Umständen vorgehen, fobald für fol&en Zwcck mebr Seld nöthig ist, um Ihnen nit zu präjudiziren, als bis diese Frage vollfiändig geklärt ist, würden vielmehr mit einer neuen Borlage an Sie hcrantrèeten. Ich würde au glauben, im Sinne der Staatsregierung verspred;en zu können, daß die Regierung keinen Spatenstih für dieses Projekt thun lassen wird, bevor sie über diese Frage vollkommen klar ift.
Ich bitte Sie also im Interesse des Landestheils, um den es ih hier bandelt : genebmigen Sie das Projekt unter der Voraus- feßung, welche die Resolution 2 auëdrückt, und seien Sie überzeugt, daß kein Schritt geschehen wird, der den Beschlüssen hinsihtlih des mehrgeda@ten größeren Proj:kts irgendwie präjudizirt. (Bravo !)
Abg. Schmidt (Warburg) empfiehlt den Kommissionsantrag.
_ Hierauf wird die Diskussion geshlossen und die Position mit erhebliher Mehrheit bewilligt. Die Resolution gelangt fast einstimmig zur Annahme. Ueber die Petitionen wird gleifalls nah dem Kommissionsantrage beschlossen.
Vom Abg. Lassen wird darauf ein Antrag begründet, welcher im §. 1 I noch die Bewilligung von 1 800000 #4 und den entsprehenden Geldbetrag für die Beschaffung von Be-
trieb3mitteln für eine Linie von der Station Tingleff an der \chleswigshen Hauptbahn über Seegaard bis Sonderburg aus- zusprechen bezweckt. Außerdem soll festgeseßt werden, daß die Jateressenten einen Zuschuß von 250 000 H zu den Baukosten à fonds perdu sicher zu stellen haben. Der Antragsteller macht in längerer Rede hauptsählih geltend, daß Stadt und Kreis Sonderburg keine Eisenbahnverbindung haben, daß die vor- geschlagene Linie shon 1884 von der Direktion zu Altona für zweckmäßig anerkannt ist und daß die betreffenden Vorarbeiten damals bereits durchgeführt worden sind. Später aber feien weitsichtigere Projekte aufgetauht, welche die Ausführung dieser so nothwendigen Linie verhindert haben.
Abg, Dr. Mithoff beantragt den einfachen Uebergang zur Tagesordnung über den Antrag, der der Budgeikonmiision nicht vorgelegen habe und dessen Erledigung absolut nicht dringlich sei.
Abg. Lassen zieht darauf seinen Antrag zurü. i
Jn §. 1 11 werden 26 305 500 6 in 19 verschiedenen Positionen zur Anlage zweiter und dritter Geleise und zu den dadurch bedingten Ergänzungen und Geleisveränderungen ver- langt und ohne Debatte unverändert bewilligt. )
Unter IIT sind im Ganzen 29 424 000 H zu verschiedenen Bauausführungen gefordert. Die Kommission hat die Forde- rung bewilligt. N i
Das Haus genehmigt ohne besondere Diskussion diese Forderungen. L
Unter 1V is die Summe von 53 800 000 /6 ausgeworfen zur Beschaffung von Betriebsmitteln für die bereits bestehenden Staatsbahnen. : i
Der Rest des Geseßes wird ohne erheblihe Debatte un- verändert genehmigt.
Schluß 31/2 Uhr.
Ulr. Jahresversammlung des Nordwestdeutschen Vereins für Ge|\ängnifiwesen zu Hamburg am 30. Mai 1891.
I
Die Versammlung wurde um 12 Uhr Miitags durch Landgerichts- Direktoc Foehring- Hamburg eröffnet. Erschienen waren gegen 49 Mit- alieder, varunter Erster Staatsanwalt Heinemann-Göttingen, Ober- Regierungs-Rath von Massow-Lüaeburg, Staatsanwalt Werner-Celle, die Gefängniß Direktoren Krohne und Streng, Professor Dr. Bennecke- Breslau, Amtsgerihts-Rath Stelling u. A. Den Vechandlungen wohnten außerdem bei der General-Direktor des dänishen Gefängniß- wesens Goos und Seitens des Rheinish-Weftfälishen Gefängniß» vereins Prediger von Kobylinéki. ;
Der Nordwestdeutshe Gefängnißverein widmet den modernen Reformbestrebungen auf dem Gebiete dcs Strafrechts reges Interesse. Bisher ist er jedo niht nur mit eigenen Plänen hervorgetreten, sondern betradtet es als eine ganz besonders wichtige Aufgabe, die von anderer Seite gemahten Vorschläge auf ihre Verwendbarkeit einer kritischen Untersuchung zu unterziehen. Bislang ift er hierbei nit selten zu negativen Resultaten gelangt So hater auf seiner gleihfalls zu Hamburg im Jahre 1890 stattgehabtenVersammlung sich gegenEinführung ber bedingten Verurtheilung ausgesprohen. In gewissem Sinne darf er daber als cin Gegengewicht gegenüber der von Professor von Liszt geleiteten Bewegung gelten, deren Anschauungen besonders in den Tagungen der Internationalen kriminaliftishen Vereinigung zum Aus- druck gelangen. Die von dieser im März d. J. berathene Reform der kurzzeitigen Freiheitéstrafe biidet daher au naturgemäß den Haupt- gegenstand der gegenwärtigen Verhandlungen: des Gefängnißvereins.
Ueber den ersten Punkt der Tagesordnung : j
Entspricht eine sih allein auf das StrafreŸcht als juristische Disziplin beziehende Ausbildung des Strafrichters den Bedürfnissen der Straf- rewtspflege der Gegenwart? l hatte Professor Dre Bennecke-Breslau das Referat übernommen. Sein Cedankengang war im Wesentlichen folgender. Als Haupt- aufgabe des Strafrichters sehe er nicht die juristich2 Konstruktion des einzelnen Falles, niht die Subsumtion desseiben unter das Straf- geschß an: weit wichtiger erscheine ihm die Frage na der Zumessung der Strafe. Dieselbe müsse in rihtigem Verhältniß zur Vershuldung sichen und zuglei geeignet sein, den Strafzweck zu erfüllen. Letzteren anlangend, stehe er nicht auf dem Boden der reinen Vergeltungs8- theorie, na welcher die Strafe streng genommea, lediglich als ein Nache- aft erscheine; mit der nach seiner Ansicht herrshenden Meinung er- blie er vielmehr den Zweck der Stcafe darin, den Thäter von neuem Unrect abzuhalten. Um diesen Erfolg dur fein Urtheil anzubahnen, sei es unbedingt erforderlih, daß der Richter wisse, was dem Delinquenten durch die Vollziebung des Urtheils zugefügt werde, Er müsse daher mit den Verhältnissen in den Gefängnissen seines Bundes- staates und vor Allem auch den- seines Bezi:ks auf das Genaueste vertraut scin, um alle nah der Gestaltung des Strafvollzugs in denselben in Betracht zu ziehenden Momente schon bei der Strafzumessuag zu erwägen, um so dem Strafvollzu g in die Hände zu arbeiten, anstatt ihm, wie es leider häufig der Fall sei, entgegenzuwirken. Des Weiteren sei anzustreben, daß der Straf- riczter sich, wenigstens in gewissem Umfange, die Ergebnisse der soge- nannten Kriminalsoziologie zu eigen mae; außer aa Kriminal- statistik deuke er besonders an die Kriminalpsychiatrie, deren Kenntniß z. B bei dem Widerstreit abgzegebener Gutachten über den Geistes- zustand des Angeklagten den Richter zu eigenem Urtheil befähige.
Die Kenntniß aller hiernach geforderten Disziplinen werde sich der Richter nicht so sehr dur theoretis&es Studium als durch eigene Beobachtung und Arschauung erwerben. Die Stufenfolge der Lus- bildung denke er sich etwa so, daß auf der Universität mit Vor- lesungen über Kriminal-Statistik, -Anthropologie 2. der Beginn zu machen sei, und taß demnächst der Referendar im Vorbereitungs8- dienst cine Station bei einem Gefängniß zu absfolvicen habe. Als sehr ersprießliG werde es ih ferner erweisen, wenn nach dem Vorgange von Baden und Württemberg Kurse, etwa von dreiwöchiger Dauer, eingerihtet würden, während welcher der junge Richter (Assessor) in einer Strafanstalt mit sämmtlichen Einrichtungen und dem vollständigen Dienstbetriebe eingehend bekannt gemac;t würde, In Baden sei die Theilnahme an derartigen Kursen eine fakultative; er wünsche, daß eine reichsgeseßlihe Regelung dieses wichtigen Punktes erfolgea möchte, wenngleih er die, besoaders au in pekuniärer Hinsicht, entgegenstehenden Schwierigkeiten nicht vérkenne.
Von der Durchführung seiner Vorschläge hofft der Referent, daß die Ausbildung dcs Strafrichters eine vielseitigere, umfassendere werden und dadur die Rec1sprehung an Wirkung gewinnen werde. Insbesondere werde man in jedem Falle das richtige Strafmaß finden und au zutreffend begründen können, in welch leßterer Be- zichung viele Urtbeile heutzutage fast nur Phrasen enthielten. ]
Von dem größeren Interesse, das- man alsdann dem Stiefkinde der Nechtswissenschast, der Gefängnißkurde, zuwenden werde, erwartet der Referent endlih eine günstige Einwirkung auf das Zustande- fomwen des allseitig gewünschten Strafvollzugs-Geseßzes.
Eine Diskussion und Abstimmung über die von dem Referenten im Sinne seiner Ausführungen aufgestellten Thesen fand nach dem von der Bersamwlung angenommenen Vorschlage des BELNE nidt statt Die gestellte Frage soll auf der nächsten Jahresver)amm- lung, nachdem inzwishen noch mehr Material gesammelt sein wird, abermals berathen und das Ergebniß alsdann formulirt werden.
Die Versammlung wendete ih darauf zu dem zweiten Gegen- stand der Tagesordnung, über welchen der „Reichs-Anzeiger“ in der nächsten Nummer berichten wird.
Statistik und Volkswirthschaft.
Sachsengänger.
Die Zahl der auswardernden bezw. in anderen Provinzen arbeit- \su@enden Personen (sogenannten Sachfengänger) hat, wie aus dem Regierungsbezirk Posen berihtet wird, gegen das vorige Jahr bet ersteren ab-, bei leßteren bedeutend N Nah den gemachten Aufzeihnungen passirten den Bahnhof in Posen seit Anfangs Februar im Jahre 1890; 262 Auswanderer und 1880 Sacsengänger, in diesem Jahre bis Ende April 139 Auswanderer und 4797 Sawsengänger.. Der weitaus größte Theil dieser Leute sj:ammte aus der Provinz
Posen.
Zur Arbeiterbewegung.
Wie der „Köln. Z.“ aus Brüssel vom 29. Mai mit- getheilt wird, nimmt der belgishe Arbeiterausstand au in Charleroi, wo an diesem Tage noch 20450 Mann feierten, weiter ab, weil die Arbeiter aus Mangel an Mitteln- nit in der Lage sind, noch längere Zeit auf den Arbeitslohn zu verzihten. Die Bergwerksbesißer des Borinage lassen die Meldung, wonah sie sich wegen einer Kürzung der Löhne verständigt hätten, in Abrede stellen. Nach der „Volks:Z.“ P sich am Sonnabend eine große Arbeitertruppe in La Louvière nah Brasilien eingeshifft, um dort mit Brückenbauten und dergl. beschäftigt zu werden. Die Grubenverwaltungen des Hennegaues scheinen alle bekannten Heter für die Folge entlassen zu wollen. Jm Borinage allein jollen ungefähr hundert als Aufwiegler bekannte Persönlih- keiten die Abkehr erhalten haben. Auf Zeche Belle-et-Bonne verweigerten am Freitag fast sämmtliche Bergleute der Grube Gaillet die Anfahrt, weil die Direktion fünf Arbeiter, welche sih bei dem leßten Ausstande hervorgethan, entlassen hat.
Aus Bremerhaven wird der „Köln. Z." vom 23, Mai be- rihtet: Der Ausstand der Heizer und Kohlenzieher des Norddeutshen Lloyd ist seinem Seitern nahe. Heute Vor- mittag batten bereits vier Mitglieder der Lohnkl'ommission eine längere Unterredung mit dem Lloydinspektor Leiit, was darauf hin- deutet, daß im Lager der Ausstehenden die Ansicht, in Verhandlungen mit dem Lloyd eine gesunde Grundlage für eine Verständigung zu \suhen, nah und nach die herrschende geworden ist j s
Dem „Ch. Tgbl.* wird aus Leipzig geschrieben, daß die dortige sozialdemokratishe Partei in einer am Mittwoch im Stadttheile Plagwiß abgehaltenen öffentlihen Parteiversammlung beshlofsen hat, einen „Diskutirklub“ zu gründen, dem nur Sozialdemokraten angebören und. dessen Zweck es sein soll, aus\chbließlich politische Fragen zu besprehen Als solche werden zunäcst die Landagitation, die Preß- verhältnisse, die Abänderung des Parteiprogramms und die Wahlen be- zeichnet. Gegen die beschlossene Gründung des gedachten Klubs sprachen auch einige der Anwesenden, indem sie vor Zersplitterung der Kräfte und der Opferung von noch mehr Zeit und Geld warnten. Shließlih wurde noch eine Kommission ernannt, welhe mit der Ausarbeitung der Statuten betraut wurde.
Der „Vorwärts“ veröffentliht einen Aufruf an die „Partei- genossen" zur Entsendung von Delegirten zu dem auf Sonntag, 16. August, naH Brüssel einberufenen internationalen “Arbeiter- kongreß. Von Seiten des Parteivorstandes und der Fraktion sind die Abgg. Bebel, Liebknecht und Singer mit der Vertretung beauftragt.
Die Lithographen, Steindrucker und Berufsgenossen (Steinschleifer und Präger) Berlins hielten, wie wir gleihfals dem „Vorwärts“ entnehmen, am 28, Mai eine kombinirte zahlreih besuchte Versammlung der in Berlin bestehenden Filialen des deutsHen Ver- bandes ab, um drei Kommissionen für Arbeitsnahweis, eine Rechts» \{ußkommission und eine Unterstüßungskommissioa zu wählen. Ferner wird dem „Vorwärts“ berichtet, daß in einer öffentlichen Versammlung sämmtlicher in Glacé- und Kartonpapier- fabriken beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen am Donnerstag Abend folgende Resolution angenommen worden ist: „Die heutige Versammlung der Glacé- und Kartonpapier- Arbeiter und Arbeiterinnen erflärt ih mit den Ausführungen des Referenten, Hr. Dr. Lütgenau, voll und ganz einverstanden und verpflichtet si, mit allen Viitteln dahin zu streben, daß die Religion Privatsahe werde.“ Die Be- gründung des in Nr. 125 des „R.- u. St.-A.“ kurz erwähnten Fach- vereins der Uhrmachergehülfen hat in einer am Donnerstag bei Gratweil abgehaltenen öffentlichen Versammlung |tattgefunden, Der Vorsigende Hr. Näther erklärte eine derartige Orcanisation für nothwendig, weil den Uhrmachergehülfen bei durchschnittlich- elfstündiger täglihec Arbeitszeit, beinahe“ obligatoris@er Sonntags- arbeit, bei dem verlangten eigenen Halten von Werkzeugen. monatlich 75 bis 80 # Gehalt gezahlt würden, Dieser Verein fönne nur ein Fachverein sein, welcher eine zeitgemäße Verkürzung der Arbeitszeit (vorläufig 9 Stunden), Beseitigung der Sonntags- und Ueberstundenarbeit, eine Aufbesserung der Löhne zu erftrezen, einen geregelten Stellennahweis zu \chaffen, \tatistiswe Erhebungen zu ver- anstalten habe, den Mitgliedern Rehtss{uß und Unterstüßung ge- währen und vor allen Dingen auch ein Bildungsvercin sein müsse. In ciner Resolution erklärte sih die Versammlung mit den Ansichten des Berichterstatters einverstanden und nahm die von ihm entworfenen Statuten an. Dem neu gegründeten Verein traten 75 Mit- glieder bei. :
Der Ausstand im Karbizer Kohlenrevier erstreckt si, wie der „N. Pr. Z.“ ans Aussig telegraphisch mitgetheilt wird, auf neun Scächte. Am Freitag haben die Arbeiter auf den gräflih Tarrka’shen Werten in Randing-Schönfeld ebenfalls die Arbeit ein- gestellt. Die Gesammtzahl der Strikenden beträgt etwa 1000. Dic Direktionen der Werke drohea bei der Nichtwiederaufnahme der Arbeit am Montag den Betrieb gänzli einzustellen. ,
Mit Kundmacbung vom 14. v. M. an die Arbeiter der Veits- berger Werke der Graz-Köflacher Bahn hat die Direktion dieser Gescllschaft, wie aus Graz gemeldet wird, die Ahtstundenarbeits- \ch{ it, vom 1. Januar 1892 beginnend, angekündigt. Gleichzeitig erging an die Arbeiter jedes Weikes die Aufforderung, drei Ab- geordnete zu wählen, welche mit den Werkëvorständen und dem Direktor der Geselischaft über die Bestimmungen berathen, welche für den Uebergang von der jeßigen zuc künftigen Arbeitseintheilung gelten ollen. | Nach einem Wolff’schen Telegramm aus Prag vom Sonnabend ist eine von czehishen Arbeitern für gestern einberufene allgemeine Volkzversammlung von der Behörde verboten worden.
Ueber den Strike der Schneider in London lauten die Nathrihten widersprehend. Während von der einen Seite {on am Sonnabend die Beendigung des Strikes gemeldet wurde, berichtet heute „W. T. B.“, daß der Ausstand an weiterer Ausdehnung zu ge- winnen heine. Danach follen 9000 Schneider und Scchneiderinnen die Arbeit eingestellt haben.
Der Aus\chuß des Walkerverbandes von Roubaix hat, wie ter „Köln. Z.* vom 80. Mai berihtet wird, an 78 Fabriken die schriftliche Aufforderung gerichtet, den Lohn zu erhöhen und den aht- stündigen Arbkeitstag einzuführen, mit der Bestimmung, daß die Arbeitszeit unter Erhöhung des Lohnes um 1 Fr. auf zehn Stunden ausgedehnt werden köane. Im Falle der Ablehnung ihrer Forderungen beabsichtigen sie zu striken und insgesammt 15 000 Weber und Spuler zum Feiern zu zwingen.
Der zweite Parteikongreß der \{chwedischen Sozialdemos- kfratie wurde nah einem Bericht ‘der „N. Pr. Z.* in voriger Woche- in Norrköping_ abgehalten. Auf dem Kongreß, welchem der Sozialistenführer Sterky präsidirte, waren 103 \{chwedishe Arbeiter- vereine durch 47 Delegirte vertreten. Es wurde eine Refolution an-- E welche besagt, daß jeglihe Dynamitpolitik zu mißbilligen
ei, und daß Agitatoren, welche zu Gewaltthätigkeiten aufhezen, als: Verräther bezeichnet werden müßten. Ferner wurde, jedoch nur mit einer knappen Mehrheit von 28 Stimmen, folgender Beschluß gefaßt 2:
„Auf Grund des prinziptellen Unterschiedes zwischen Sozialdemokratie und Anarcismus beschließt der Kongreß, daß die sozialdemokratiscke Arbeiterrarïtei von anarchistiscen Parteibildungen entschieden Abstand zu nedmen' pnd in geeigneten Fällen den anarcisirenden Theorien sahlich zu begegnen hat.“ 4 Nach einem Telegramm des „W. T. B.* aus Bilbao von estern kam cs in Folge der Auflösung einer Versammlung trikender zwischen den Polizeimannschaften und den Strikenden zu einem Zusammenstoß; der Polizeiklommissar wurde mit Steinwürfen und Schüssen empfangen. Einer der Strikenden wurde getödtet. Jn Folge dieser Vorkommnisse wurde der Belagerungêézustand proklamirt ; die Führer der Sozialisten wurden verhaftet.
Kunst und Wissenschaft.
L, In der am 29. Mai im Kaiserhof abgehaltenen ordentlichen Monaissißung der Kunsthistorishen Gesellschaft hielt der Geheime Regierungs-Rath Dr. F. Lippmann einen Vortrag über die künstlerishe und kunstgeshichtlihe Bedeutung der „Abdruckgattungen“" („États“) der Kupferstihe. Jn jedem Stadium der Ausführung eines Kupferstibs — so etwa führte der Vortragende aus — is es mögli, einen Abdruck von der Platte her- zustellen, es sind dies die sogenannten Probedrucke. Sie dienen dem Künfller zur Kontrolirung feiner Arbeit. So weit sie von bedeuten- den Künstlern herrühren, erwecken sie berehtigtes Interesse; denn sie gewähren uns einen Aufs{luß über das Schaffen des Künstlers, den wir dabei mitten in seiner Arbeit belaushen können. Von den ältesten Meistern freiliG sind fast durchweg keine Probe- drude ihrer Stiche erhalten geblieben, also von Künstlern wie Schongauer, Meister E. S. von 1466 2c. Sie nahmen aber an den fertigen Platten Veränderungen vor. Wenn nämli die Platte gedruckt wird, nüßt sie sich mehr oder weniger rasch ab, und zwar in ungleichmäßiger Weise, je nachdem die einzelnen Stellen kräftiger oder zarter behandelt sind: der Effekt des Vlattes verändert si, die Har- monie leidet darunter, Um diesem Uebelstande zu begegnen, pflegten die Steher während des Druckes Veränderungen der Platte vorzu- nehmen, sogenannte Retouchen. Diese sind niht immer mit jener Feinheit ausgeführt, welhe die ursprüngliche Arbeit zeigt, sie sind eben Nacharbeiten. Rühren sie von den Künstlern selbst her, so ift ihnen eine gewisse Bedeutung: nicht abzusprechen, Der alte Künstler konnte etwa 1500 brauchbare Abdrücke seiner Platte erhalten, von denen die ersten 100 bcillant, die näckstfolgenden 300 sehr gut genannt werden können. Der erste bedeutende Künstler, in dessen Arbeitsweise wir einen tieferen Einblick gewinnen, ist Albrecht Türer. Während der heutige Stecher die ganze Platte auf eiimal und gleichmäßig zu bearbeiten beginnt, fängt Dürer an ciner bestimmten Stelle an, die er erst voll- ständig vollendet, ehe er zu den anderen Theilen übergebt. Ein Kupfersteher zweiten Ranges des 15. Jahrhunderts, Israel! van Meckenem, betrieb das Herstellen von Plattenzuständen in größerem Maßstabe. Er hat seine ursprüngli® sehr zart gearbeiteten Platten immer wieder unter den Händen gehabt, fast jeder Abdruck weist in einzelnen Partien Verschiedenheiten auf. Es soll durch dieses Ueberarbeiten die Plaite in möglichs| gutem Aussehen erhalten bleiben. Fast eine Art Spekulation wird mit dieser Herstellung von Abdruckgattungen \{chon ven Hans Sebald Beham getrieben. Im weiteren Verlaufe des 16, Jahrhunderts kommen die Berlagéadressen auf den Stichen als neue Merkzeihen hinzu, welche uns einen festen Anhaltspunkt zur Datirung des Abdrucks liefern, ebenso die auf die Sticte geseßten Privilegien. Abzüge vor dem Privilegium sind frühere Drucke. it dera Tode des Künstlers erlisht das Privileg. Ist das Privileg auf der Platte gelöscht, so wurde der betreffende Abdruck nach dem Tode des Künstlers ange- fertigt. Der Vortragende besprach sodann die üblichen Bezeichnungen „vor der Schrift" und „mit der Schrift“, welche bei den Porträts des 17, Jahrhunderts, wohl zuerst in Frankreich, aufkamen und keute Jedermann geläufig sind. — Die von dem Künstler selbst vorge- nommenen Aenderungen der Platte haben einen hohen künstlerisben Werth, namentlich bei der Radirung, Das Hauptbeispiel in dieser Hinsicht bieten die Radirungen Rembrandi's. Dieser Künstler hatte bei seinen U mänderungen der Platte den Zweck vor Augen, gewisse Partien, welche ihm nicht gefielen, umzvgestalten. Vielleicht aber hat er auch den Sammelsinn der Liebéaber klüglich in Berehnung ge- zogen und ausnützen wollen, Es ist indessen niht immer sicher, ob die Veränderungen von Rembrandt selbst herrühren; weit mehr, als er selbst in dieser Hinsicht geleistet, wird den späteren Vertreibern seiner Werke zuzuschreiben scin. Es ist bedauerlich, daß Rovinski bei seiner umfassenden Arbeit über die Abdruckzustände Rembrandt'scher Radirungen diese Unterscheidung niht berücksihtiat hat. Im Allge- meinen wird der Kunstfreund gut thun, sih an die ersten Zustände zu halten. Auf dem Kunstmarkt äußert fich dieser Umstand in den unverhältnißwäßig böheren Preisen, welche die früheren ÉÚtats er- zielen. Der Vortragende wies dann besonders noch auf Chodowiefi hin, welher seine kleinen Blälthen mit mögalichst vielen Aenderungen ausgestattet habe, wie er denn au bereits einen Kreis von Sammlern feiner Sachen um ih zu versammeln wußte. Im 18. Jahrhundert haben die Verleger sih im Wesentlichen bemüht, das Erzeugen von Abdrucksgattungen in geregelte Bahnen zu leiten. Seitdem in den vierziger Jahren unseres Iahr- hunderts die Galvanoplastik erfunden wurde, hat die Werth)chäßung der verschiedenen Abdruckszustände bei den Werken der zeitgenössischen Kupferstechkunst fast ganz ihre Bedeutung verloren, da die Original- platte gar nit mehr in Anspruch genommen zu werden braucht, also keinerlei Abrl&tzung erleidet, Jedes Exemplar eines alten Sticbes batte einen individuellen Reiz, während heute der Kupferstich beliebig vervielfältigt werden kann.
In derselben Sitzung kam der Geheime Regierungs-Rath Dr. 28, Bode noch auf das Lautner’\che Buch über Rem- brandt zu sprechen; er wies das Gesammtergebniß dieser Schrift ebenso entsckieden zurück, als er den Begründungen des Verfassers im Einzelnen, namentlich aker den beigegebenen photographishen Abbil- dungen, keinerlei ernstere Bedeutung zuerkannte.
__ Mit den Berichten des Hrn. Prof. Dr. I. Lessing, Direktors am Königlichen Kunstgewerbe-Viuseum, über drei Ausstellungen, nämlich die Teppich-Auéstelurg im Wiener Handelsmuseum, die German Erhibition und die Royal Naval Exhibition in London, \{chloß die Sigzung. Es wird nun die üblihe Sommerpause eintreten und mit der Aufnahme der Sigzungen i erst im Herbst wieder begonnen werden, 2 Der Jahreésißung ter Akademie der Wissenschaften in Wien am Sonnabend wohnten, wie „W. T. B.* meldet, der Erzherzog Carl Ludwig, mehrere Minister und Mitglieder des diplo- matischen Corps bei. Erzherzog Rainer hielt die Cröffnungsrede, in welcher er hervorhob, die wifsenschastlice Forshung strebe, unbeirrt dur irgendwelhe Nebenabsichten, nah der idealen Wahrheit. Die Feb oensGasten der For|hung hätten die Wohlfahrt der Menschen
— Aus Kopenhagen, 29. Mai, wird uns geschrieben: Der Vobbenfänger-Dompfer, Hekla“, derdiedänisheExrpedition nach der stküste von Grönland aufnehmen soll, ist nunmehr aus Töôns-
berg in Norwegen hier angekommen und zum Zweck seiner Aus- ano in den inneren Marinchafen verholt worden. Der Kapitän es Dampfers Ragnvald Knudsen ist als einer der tüchtigsten Polar- A N bekannt. Im Jahre 1889 kam er, auf der Walroßjagd un er der Küste von Ostgröuland begriffen, zwishen dem + Und 754 Grad nördl. Br. mehrere Male an das Land ; er Juni bestimmt an, daß unter diesen Breitengraden Menschen wo A: die noh nie mit civilisirten Menschen verkehrt haben. Auf van biedenen Stellen fand er nämlich aus Steinen gebildete Ringe un Prudliótke von Gerätk schaften, die aus Steinen und Knochen a0 eitet waren. Mit Rücksicht auf die eingehende Kenntniß der stenverhältnifse, wel&e Kapitän Knudsen si auf dieser Fangreise er- worben hat, wird ihm dann auch die Ueberführung der dänischen Expedition guves raut. Der Ché der letzteren ist Marine-Lieutenant Ryder, dessen egleîtung aus vier Naturforschern, zwei Eskimos von der Westküste von Grönland und zwei Fangleuten aus Hammerfeft bestehen soll.
Die Expedition soll unterm 73. Grad nördl. Breite landen und dann die Küste südwärts bis Angmagsalik untersuhen. Bei Kap Stuart (69. Grad nördl. Br.) foll die Expedition überwintern, die „Hekla“ aber {on im September zurüdlkehren. Während des Winters sollen die Mitglieder der Expedition aus\@ließlich mit O L Beoba@ tungen beschäftigt sein. Im SEONe 1892 foll dann die Reise in Frauenbooten südwärts an der Küste entlang gehen und im August die „Hekla“ die Expedition wieder abholen. Die Expedition wird für drei Jahre und der Dampfer für zwei Jahre ausgerüstet. Die Kosten, die zu 150 000 Kronen berechnet sind, bestreitet die Staatskasse.
Land- und Forstwirthschaft. Stand der Saaten,
Dem von dem Königlich ungarischen Ackerbau-Ministerium am 24. Mai d. F. veröffentlichten Bericht über den Stand der Saaten in Ungarn entnehmen wir Folgendes :
Weizen. Links der Donau gebessert, größtentheils {öôn grün und bat sich nach dem Regen dieser Woche weiter enlwickelt, jedo nit überall ron der s{ädlichen Wirkung der früheren Higte erholt. Reckts der Donau hat der Regen auf die Vegetation günstig einge- wirkt, dennoch können die Ernteaussichten in den Komitaten Baranya, Fejér, Komorn und Tolna nur s{chwach mittel und unter mittel be- zeihnet werden. Zwischen Donau und Theiß war der Regen am An- fange dieser Woche auf die Pflanzen von guter Wirkung; Herbst- weizen is} größtentheils s{ütter, {chwach und nur an wenigen Orten befriedigend und kann nur als schwach mittel bezeihvet werden, hat Ah aber überall ein wenig gebessert; Frühjahrêweizen hat in Folge des Regens eine s{öône grüne Farbe bekommen ; entwickelt fih gut. Rechts der Theiß hat es einige Tage hindurch fortwährend geregnet und war der Regen auf das Wachsthum von gutem Einfluß. Herbst- weizen hat sih in Folge dessen bedeutend gebessert und hat seine \chöne grüne Farbe wieder zurückbekommen, sodaß er jeßt größten- theils mittel ist. Links der Theiß ift in den Komitaten Vékés, Hajdu, Bikar, Szatnár, Szilágy und Ugocéa überall die gute Wirkung des Regens bemerkbar, \chießt in die Halme und ist {8a grün, doch giebt es au viel s{wache, shüttere und unentwickelte Saaten, die eine Hälfte ist mittel, die andere unter mittel. Zwischen Theiß und Maros bat sich Weizen in den Komitaten Krassö-Szörény bedeutend gebessert, hat eine \chône grüne Farbe bikfommen und bebus{t sh; im Allge- meinen mittel. In Siebenbürgen war der leßte milde Regen sowohl auf die Herbst- wie auf die Frühlingssaaten von gutem Einfluß, an einigen Orten war aber die Besserung nur eine geringe, die Qualität ist im Allgemeinen mittel und s{wach mitte!
Roggen hat si links der Donau bedeutend gebessert, kann aber höchstens nur mittel werden. Rechts der Donau ist Roggen im Allgemeinen sehr s{chwach, klein und schütter, stellenweise aber zeigen h sehr {sn entwidckelte Aehren, hie und da verursahen Würmer Schaden. Zwischen Donau und Theiß ist der Herbstroggen sehr schwach und steht unter mittel, Frühjahrsroggen in guter Entwickelung. Rechts der Theiß stellenweise {on in Blüthe, im Allgemeinen ist nur auf eine schwade Ernte Aussicht, denn den durch die Winterfröste ver- ursahten Schaden kann selbst die {önste Witterung nit E Auch links der Theiß größtentheils nur unter mittel, die Halme find kurz, bloß im Szabolcser Komitat gut. Zwischen Theiß und Maros beginnt Weizen größtentheils zu blühen und ist nur eine {wache Ernte zu erwarten, stellenweise verursachen Insekten Schaden. In Siebenbürgen in Folge der andauerndcn Trolerheit kurzhalmig und klein, größtentheils {on mit Aebren besegt, welche viel zu wünschen Übrig lassen; eine Besserung ist kaum zu bemerken.
Gerste. Am linken Ufer der Donau stehen die Herbstsaaten \{wach, die Frühlingésaaten aber gut. Am reten Ufer der Donau ist die Herbstsaat mittelmäßig, die Frühjahrs\saat s{chöôn bebuscht. Zwischen der Donau und Theiß in Folge des Regens dur{schnittlich mittelmäßig. Rechts der Theiß dur den Regen sehr gut entwickelt, stellenweise aber durch den Drahtwurm vernichtet. Links der Theiß ist ebenfalls durch den Regen eine Besserung eingetreten und stehen die Saaten im Allgemeinen mittel, stellenweise unter mittel. In Szatmár verursachen Drahtœwürmer ebenfalls Schaden. Zwischen Theiß und Maros im Durchschnitt raittel und bebuscht sich in Folge des Regens. In Siebenbürgen beginnen die Spuren der Trockenheit zu vershwinden, der Stand ift cin befriedigender.
Hafer. Links der Donau mit wenigen Ausnahmen überall be- friedigend, stellenweise ausgezeihnet. Rechts der Donau mittel und gut mittel, am Schwächsten in Veßprim. Zwischen Donau und Theiß genug dicht, durchschnittlich mittel. Rechts der Theiß — mit Aus- nabme des Gömörer Komitats — gut; links der Theiß in Folge des Regens bedeutend gebessert und bercchtigt mit Ausnahme des Szilágyer Komitats zu den besten Hoffnungen. Zwischen Donau und Theiß sind die Spuren der Treckenheit vershwunden, nur im Torontäler Aas \chütter. In Siebenbürgen mit wenig Ausnahmen gut mittel.
Ferner wird aus Budapest vom 30, Mai telegraphisch gemeldet:
Mit Ausnahme der Siebenbürger Komitate beförderte die Witte- rung die Entwickelung der Saaten wesentlich; da der Regen genügend auêsgiebig war, haben dieselben eine s{chône grüne Farbe gewonnen und si im Allgemeinen gebessert. In den Siebenbürger Komitaten berrschte meistens Treckenheit und Hitze, und hat si die Saat, über- haupt der Herbstanbau, in kleinerem Maße verschlechtert. Gewitter und Hagel richteten Schaden in den Komitaten Temes, Baranya, Tordta- Ara. yo8, Maosotorda, Arad, Sopron, Hont, Budavest und Preßburg an; (roßer Schaden wurde insbesondere in den drei erstgenannten Komitaten an- gerihtet. Die Besserung der Herbstsaaten, überhaupt des Weizens, war in der vergangenen Woche an manchen Orten sehr günstig, auch der Roggen besserte sih, wenn au nur in seinen Achren. Die Frühjahrssaaten entiwickeln sich im Allgemeinen zufriedenstellend, wawsen aber an manchen Orten in Folge der Trockenhbeit und Hiße niht genügezd. Die Weizensaaten haben \sich_ rechts der Donau an beiden Seiten der Theiß, endlih zwiscen der Theiß und der Maros \{ôn entwidckelt, bebüsheln sih bei frischer grüner Farbe und be- ginnen _in Halme überzugehen. Die auch bisher unter mittel bezeih- neten Saaten \{ießen größtentheils in würzige Aehren und versprehen wenig, Der Weizen kann im dur{schnittlihen Resultat im ganzen Lande als mittel bezeihnet werden. Vom angebauten Areal werden 29,9 9/o als unter mittel, 64,4 9/0 als mittel und 5,7% als über mittel bezeihaet. Die Roggensaaten stehen etwas günstiger als in der Vorwoche. Die Besserung ersieht man aus den Aehren, welche si \chôn entwickeln und gut grünen Im Allgemeinen entspriht der Stand derselben auch nicht einem \{wach mittel und kann nur als unter mittel bezeihnet werden. Verhältnißmäßig stehen dieselben leidlich rechts und links der Drau und in einigen Siebenbürger Komitaten. Vom eingesäten! Gebiet find 61,40% unter mittel, 36,60 % mittel, 2% über mittel. Auch Herbst- gerste besserte sich, \chießt in Aehren, ebenso Frühjahrsgerste. Leßtere buscht sih gehörig, wird hie und da von Insekten verwüstet und in den Siebenbürger Komitaten durch die Trockenheit an der Entwicklung gehindert. Vom besäten Gebiete sind 3,40 9/0 unter mittel, 69,30 9/6 mittel und 27,30 9/0 über mittel. Hafer hat si gebessert, steht größtentheils günstig, nimmt {höôn zu und bus@t s{ch. Vom eingesäten Gebiet sind 5,10 9% unter mittel, 73,50 %/ mittel und 21,40 9/ über mittel. Raps bietet keine Aussichten auf großen Er- trag; am rechten Donau-Ufer steht derselbe leidlih. Der spätreifende Mais und an manwhen- Stellen au der frühreifende find stellen- weise mangelhaft aufgegangen. Hie und da werden dieselben von Insekten verwüstet, stehen im Durch{schnitt befriedigend und haben sih auf den Regen gebessert. Zucker- und Futterrüben wurden durh In- sektenverwüstungen sehr gelwadigl, stellenweise mußte \{on zum dritten Mal Ausackerung und Neusaat erfolgen. Der Wein steht zumeist \chwach mittel, am Leidlichsten stehen noch Weinftöôcke im Sandboden ; \chöôn treiben die jüngeren Stöcke.|
Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs8- Maßregeln.
Großbritannien (Indien).
Zufolge einer in der „Bombay Government Gazette“ veröffent- lihten Verfüaung der Regierung zu Bombay vom 6. Mai 1891 ift die: in den Häfen von Aden, Perim und der Somaliküste über Pro- venienzen von Kalkutta verhängte Quarantäne gegen Cholera auf- gehoben worden. (Vergl. „R.-A.* Nr. 89 vom 15. April 1891.)
Handel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 39, Mai gestellt 10334, nit re@tzeitig geste’! keine Wogen. In Oberschlesien sind am 29. d. M. gestellt 3673, nicht rechtzeitig gestellt keine Wagen; äm 30. d. M. gestellt 3558, niht rechtzeitig gestellt keine Wagen.
Subhastations-Resultate.
Beim Königlichen Amtsgericht. T Berlin ftanten am 30. Mai 1891 die nachverzeihneten Grundstücke zur Versteigerung: Hussitenstraße 7, dem Kaufmann F. Plewe gehörig und mit 21000 M Nußungswerth zur Gebäudesteuer veranlagt. Das geringste Gebot wurde auf 900 (G festgeseßt. Erfteher wurden der Maurer- meister Straßmann und Genoffen zu Berlin für das Meistgebot von 266 000 6 — An der Ee der Plantagenstraße 38 und Adolf- straße sowie an der Reinickendorf erstraße, dem Inspektor Julius Sarner gehörig. Das geringste Gebot wurde auf 110 900 fest- gefeßt. Erfleher wurde der Kaufmann Max Baron zu Berlin für das Meistgebot von 150 000 4
__ Berlin, 30, Mai. (Wochenberihti für Stärke, Stärke fabrikate und Hülsenfrücwte von Max Sabers ky.) Ia. Kartoffelmehl 243—254 , Ia. Kartoffelstärke 24}—25 c, Ta. Kartoffelmebl und - Ztäcfe 223—23 4, gelber Syrup 297-—30 4, Capillair - Export 313—32 „4, Capillair - Syrup 3904—315 , Kartoffelzucker Capillair 303—31 #, do. gelber 293—30 S, Rum-Couleur 36—37 H, Bier - Couleur 36—37 „4, Dextrin, gelb und weiß, Ia. 32—33 #Æ, do. sekunda 27—29 , Weizenstärke (kleinst.) 43—44 4, Weizenstärke (großfst.) 483—497 4, Hallesche und Sc(lesishe 4953—50 4, Schabe-Stärke 34—36 #, Mais- Stärte 32—33 #, Reisstärke (Strahlen) 483—49 4, do. (Stüden) 46-—47 „#4, Victoria-Erbsen 19—21} #, Kocherbsen 18}—21 4, grüne Erbsen 19—21è #, Futtererbsen 17—175 #, Leinsaat 19—27 Á, Linsen, große 34—44, do. mittel 24—34, do. kleine 20—24 .4, gelb. Senf 24—32 #, Kümmel 36—40 #, Mais loco 157—17.(6, Pferde- bohnen 15—16} F, Buchweizen 18—22,%, inländische weiße Bohnen 21—23 #6, weiße Flahbohnen 23--26 #, ungarishe Bohnen 20— 225 «&, galizishe und russische Bohnen 18—20 #4, Wicken 13—14 4, Hanfkörner 21¿—23.Æ, Leinkuchen 16}3—177.4, Weizenschale 114—12,4, Ñoggenkleie 12—13 #, Ravskuchen 133—14} «, Mohn, weißer 60—74 4, do. blauer 48—54 4, Hirse, weiße 20—23 „« Alles per 106 kg ab Bahn bei Partien von mindestens 10 000 kg.
___ — Pommersche Hypotheken-Aktien-Bank, Die dies- jährige ordentliche Generalversammlung der Pommerschen Hypotheken- Aktien-Bank wird auf den 30. d. M. einberufen. Auf der Tages- ordnung steht außer den gewöhnlichen Gegenständen die Be- {lußfassung über die weitere Erhöhung des Aktienkapitals bis auf sechs Millionen Mark sowie die Aenderung des §. 13 der Statuten.
— Die am 30 v. M. abgehaltene Genecalversammlung der Eutin-Lübecker Eisenbahn, in welcher 1070 Aktien vertreten waren, ertheilte dem „B. B. C.* zufolge die Decharge und seßte die Dividende auf 13 °/o fest; dieselbe ist sogleich zahlbar. Die General- versammlung genehmigte ferner die beantragten Statutenänderungen. Als fünftes Mitglied des Aufsichtsraths wurde Hr. Arthur Fried- länder aus Hamburg neugewählt.
— Die „Politische Correspondenz“ meldet aus Pest, in der Frage der Verstaatlicung der ungarischen Linie der Staats- eisenbahn-Gesellschaft sei die Entscheidung in wenigen Tagen bevorstehend, da die Regierung entschlossen sei, die Angelegenheit ent- weder im Juni zu Ende zu bringen oder ganz fallen zu lassen.
— Beschlüsse der Sachvers:ändigen-Kommission. Vom 1. Juni cr. ab werden Gaisbergbahn-Aktien exclusive Dividende pro 1890 und Amstervamer Bankaktien exclusive Dividende pro 1890 an hiesiger Börse gehandelt und notirt; Wilmersdorfer Terrain- Aktien exclusive Dividende pro 1890 mit 40/6 Zinsen vom 1. Januar 1891 an hiesiger Börse gehandelt und notirt. Lieferbar sind nur Stücke, welche mit Couponbogen versehen sind.
Frankfurt a. M, 30, Mai. Dem Frankfurter „Aktionär“ zufolge beläuft sih die Seitens der ungarishen Staatsbahn- gesellschaft zu zahlende Ablösungêrente auf etwa 10 Millionen Gulden, die 62/5 9/0 des in den ungarischen Linien angelegten Kapitals gleihkommen. Aus den Domänen der Staatsbahn follen drei ver- schiedene Aktiengesellschaften gebildet werden und zwar je eine für den ungarischen Besiß, für die Kohlenwerke in Böhmen und für die Lokomotivfabrik in Wien. Der Erlös soll an die Aktionäre der Staatsbahngesellshaft zur Vertheilung gelangen.
Köln, 30, Mai. Wie die „Kölnische Zeitung“ erfährt, hat die Königlihe Eisenbahn-Direktion (rechtsrheini\ch) in weiterer Verhandlung über die Lieferung von stark 100000 t Lok o- motivfoblen den von den westfälishen Zechen geforderten Preis von 105 4M für Priwa-Qualität, mit Abstufungen von 2—3 # pro Doppelwaggon für geringe Sorten, bewilligt.
Nach einer Meldung der „Kölnischen Volkszeitung“ hat die König-
liche Eisenbahn-Direktion in Hannover eine Ver- dingung unter der Hand auf 320000 t Lokomotivkohlen auêgeschrieben. Hierauf ist ein freihändiges Angebot der Ruhrzechen zu 10,50 Æ pro Tonne ab Zeche erfolgt. Sigmaringen, 30. Mai. Die deutsche Cisenbahn- Tarif-Kommission schloß heute ihre Tagung. Für die nächste im Herbst statlfindende Sihung ist Freiburg als Versammlungsort gewählt worden.
Leipzig, 30, Mai. (W. T. B.) Kammzug - Termin- handel. La Plata. Grundmuster B. pr. Juni 4,30 4, pr. Juli 4,35 4, pr. August 4,40 4, pr. September 4,40 #, pr. Oktober 4,427 M, pr. November 4,423 #4, pr. Dezember 4,425 #4, pr. Ia- nuar 4.421 M Umsaß 35 000 kg, Ruhig.
Wien, 30, Mai. Die Generalversammlung der Nord- bahn genehmigte den Bericht der Direktion und beshloß die Ver- theilung von 793 Fl. pro Aktie als Superdividende, die Dotirung der Bruderlade mit 25 000 Fl. und die Uebertragung des Restes auf neue Rechnung. Der am 1. Juli fällige Coupon wird mit 106 Fl. für eine ganze Aktie eingelöst werden. London, 30, Mai. (W. T. B.) An der Küste 2 Weizen- ladungen angeboten. Warschau, 30. Mai. In der heutigen Generalversamm- lung der Warschau-Wiener Eifenbahn waren 31176 Aktien mit 685 Stimmen vertreten. Als Dividende für das Geschäftsjahr 1890 wurden 11 Rbl. pro Aktie in Vorschlag gebracht und zu Mit- gliedern des Aufsichtsrathes die Herren Baron von Kronenberg ete Geheimrath Schoeller (Berlin) und Banquier Balser De gewählt bezw. wiedergewählt. ern, 30 Mai. Der ablehnende Beschluß der Kommission des Nationalrathes hinsihtlich des Ankaufes der \{chweizerischen Centralbahn bedeute, wie in unterrihteten Kreisen verlautet, keineswegs die Aufgebung des Ankaufs dieser Bahn, vielmehr sei der Beschluß nur gefaßt worden, um eine weitere Klärung der Ideen eg die zukünftige Organisation des Staatsbahnbetriebes abwarten zu können. New-York, 30. Mai. Einer Herald-Depeshe aus Washington folge beriethen der Präfident und das Kabinet den Vorschlag, Ven ermin der bald fälligen Regierungs- Obligationen zu
verlängern, beshlofsen jedoh, am nächften Montag die neunzig- ägige Kündigung für 52 Millionen Dollars N ausftändiger