1891 / 127 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 02 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Freiberr von Zedliß und Neukirh aus Merseburg, von Es aus A und von Guérard aus Düsseldorf haben am 30. v. M. die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Am Sonntag war in Berlin ein Parteitag der Nationalliberalen, zu welhem etwa 400 Abgesandte aus allen Theilen des Reichs erschienen waren, versammelt, Von den dort gehaltenen Reden heben wir diejenige des Ober-Präsidenten von Bennigsen hervor, über welche die „Nationalliberale Correspondenz“ u. A. folgendermaßen be-

et: E, E Redner warf einen Rückblick auf die Entstehung der Geschichte der nationalliberalen Partei und mahnte, diejenigen, die den nationalen Staat gewissermaßen als historisches Gescherk überkommen, mö@ten für Erhaltung des {wer Errungenen sorgen. Von den fleinen wirtbscaftlihen und politisben Verkbältnissen vor 1866 mae man i kaum mehr eine Vorstellung. Ein anderes Gescbleht fei groß geworden, mit anderem Gefühle und Interessen; die Grundanschauung fei aber bei ‘cinen Gesinnungsgenohen dieselbe getlieben, die Liebe zu einem freibeitlichen politischen Leben und die Hingebung an einen starken nationalen Staat. Die Schwierigkeiten und Hemmni}|e der Begründung des legteren beleuchtete der Redner eingehend. Die Aufgabe der Partei war damals, wit Kräften zusammenzuwirken, die in vielfacher Bezichung andere Anshauungen hatten. Verständigung im Reichstage war nothwendig und konnte, da sie na links hin fast immer ver- sagte, nur mit gemäßigten patriotishen Elementcn der Rechten er- folgen. Cin geordnetes Staatêwesen seßte die Mitwirkung ftarker fonservativer Elcmente voraus. Daß solche Kräfte mit den Liberalen zusammenwirkten, habe große Erfolge zu Wege gebracbt. In einer solchen vermittelnden Stellung habe die Partei Angriffe von allen Seiten über die Gerechtigkeit hinaus über sich ergeben laffen müssen. Viel Feind, viel Ehr! Freie Bahn war für die Betbätigung eines regen Lebens auf allen Gebieten aeschafffen. Die politische Be- freiung, das Erwachen des nationalen Bewußtseins hatte alle Kräfte entfesselt. Namentli unser wirthscaftliches Leben hatte seit 1871 cinen Aufschwung genommen, der kaum für mögli gehalten worden. Die ruhige Entwidelung in Deutswland wurde dur versiedene Ereig- nisse unterbroden, den sogenannten Kulturkampf, das Uebermaß der Spekulation und Produktion und die daraus entstchende wirth|chaft- liche Krisis, die dann das Verlassen des Systems des Freibandels zur Folge hatte. Die wirthscaftlihen Gegensäße baben seiner Zeit haupt- \ählih eine Trennung der nationalliberalen Partei bervorgebraht und den Rückgang des Einflusses des liberalen Bürgerstandes gegenüber den Konservativen und Ultramontanen herbeigeführt 5 N T L \chaftliher Beziehung hakte die Partei stets den Grundsatz fest- gebalten, daß zoll- und bandelEpolitische Fragen nicht in das Pro» gramm einer politishen Partei gebörten. Die Partei umschließe mehr als andere verschiedene landwirthschaftli®e Gegensäße und wirtb- \chaftilide Interessen; durch die Aufnahme wirths%aftiißer Fragen in das Programm würde eine Auflösung der Partei entstehen, Die Ansichten über den Schuß der Landwirthschaft seien sehr verschieden. Fedoh haben die Gegen\äße einigermaßen an Schärfe verloren Das Widerstreben gegen agrarishe Zölle sei nitt mehr in dem früheren Maß vorhanden, Es sei die Ueberzcugung durgedrungen, daß die Kornzölle nicht bloß dem Großgrundbesiß, tondern au dem Bauern- stande zu gut gekommen. Selbst die freisinnige Partei trete mit großer Zurückhaltung an diese Fragen heran. In Deutscland drehten ih die Gegensäge jeßt mebr um das Maß und die Form des Schutzes für landwirihscaftliGe Produkte, als um den Schuß selbs. Stimmen seien laut geworden, die von der Partei verlangen, sie solle sich {on jetzt gegen den österreichischen Ver- trag, der noh gar nicht bckannt, grundsäßlich erklären, wegen der viellciht bevorstehenden Herabminderung der Kornzölle. Davor möchte Redner warnen. Jede einzelne Bestimmung könne ibre Beurtheilrng nur im Zusammenhang des Ganzen finden. Der Redner hob au den politishen Werth des Vertrages mit Ocsterreid hervor und wies auf die nationale Bedeutung des früheren Zollvereins bin. Sodann ging der Redner auf die soziale Bewegung über. Die Aus- nahmemaßregeln waren nit im Stande, die Ausbreitung der Bewegung zu hindern, jedenfalls aber baben sie ihr den rohen und brutalen Charafter einigermaßen genommen. Man hat dann versucht, durch die Gesctzgebung den bere{chtigten Kern der Arbeiterforderungen ¿zu berücsichtigen. Diese Gesetzgebung sei dur{ die Arbeiters{ut- und Versicerungsgeseße zu einem gewissen Abscluß gekommen. Kein Land der Welt besiße ein so umfassendes System der Gescigebung zum Arbeiterwohl. Ein gewisser Stillstand sei aber jeßt zu empfehlen; die Cleve seien praktisch {wer dur{führbar, und es werde längerer Jahre bedürfen, um sie sih einleben zu lossen. In den Kreisen der Unternehmer seien diese Geseze vielfah mit Viß- trauen und Mißstimmung aufgenommen worden. Unsere Industrie produzire gegenwärtig in Folge dieser Gesete ungünstiger als andere Länder. Aber diese Gesetze würden bald auch anderwärts eingeführt werden müssen und einen versöhnenden und beruhigenden Einfluß autübcn, Die Arbeiter werden sich überzeugen, daß es doch werthrolle Errungenschaften sind. Auf die Dauer könne dies Borgehen seinen Einfluß nicht verfehlen, Die Arbeitgeber haben sich als die Stärkeren erwiesen, zumal wenn sie sich nach dem Beispiel der Arbeitcr in Koaliticnen zusammenthun. Wenn se daneben Billigkeit, Gerechtigkeit und Schonung gegen die Ver- {führten neben der vollen Strenge gegen die Verführer walten lassen, so wird man das Vertrauen haben müssen, daß die Arbeiter f der sozialdemokratisen Verleitung mehr und mehr entziehen. Den Arbeitern könne man keinen Vorwu:f machen, daß sie das ihnen dur das allgemeine Wahlrecht eingeräumte politishe Machtmittel benugen ; sie müßten es aber in den Grenzen des Rechts und Gesetzes thun. Redner beleuchtete \{licßli die nationalpolitishe Geschidbte Deuis(lands und die Ursaten, warum die Deutschen fo spät und shwer zu einem nationalen Staat gelangen kornten. Eine Zerseßung der national- liberalen Partei mürde nur zur Vcrschätfung der \{rofen Gegensäßze von rechts und links führen, Auch innerhalb der Partei müßte man Verträglichkeit, Autgleihung, Vertrauen, Duldung abweichender An- sidten üben, Das Wohl des Vaterlandes folle unter allen Umftänden höher steben als die Interessen Einzelrer. Mit einem warmen Appell an die Nation, festzuhalten an dem s{hwer Errungenen, {loß Redner B N andauerrdem, von Grkeben von den Siten begleiteiem

eifall.

Der Parteitag nahm \chließlih folgende Resolution an:

„Der Delegirtentag erklärt: 1) daß es Aufgabe der Partei in

Fragen der Reichs- und Landeëpolitik ist, unter Betonung ibrer alt- bewährten Treue zu Kaiser und Reich ihre durhaus selbständige, von der Rücksicht auf das Wobl des Ganzen geleitete, nah jeder Seite unabhängige Haltung zu bewahren und inébesondere die alien liberalen Grundsäße zu pflegen; 2) daß er auf sozialpolitishem Gebiet einen MRuhcpunkt gekommen erachtet, der es ge- stattet, der praktishen Durchführung der im leßten Jakr- zehnt ges{afenen Gesetzgebung die voUe Sorge zuzuwenden unter gleichzeitiger aufmerksamer Beobachtung der laufenden und etwa neu auftauchenden sozialen Bcdürfnisse; 3) daß die Partci nach wie vor an dem Grundsatz festhält, daß wirtbschaftlihe Fragen ni&ät zur Grundlage pelitisher Parteien dienen sollen und deshalb in der Frage der Handels- und Zollpolitik wie namentli der Getreidezölle und des deuilsh-ôsterreihishen Handelsvertrages jedem Einzelnen nah seinem pflihtmäßigen Ermessen die Entscheidung überlassen bleiben muß.“

Sigmaringen, 1. Juni, Seine Hoheit der Fürst und Jhre Königliche Hoheit die Fürstin von Hohenzollern find laut Meldung des „W. T. B.“ heute aus Ftalien hierhec zurüdgekehrt.

Sachsen-Weimar-Eisenach.

Weimar, 1. Juni. Seine Königliche Hoheit der Groß- herzog ist nach achttägigem Aufenthalt in Jena von dort nah Schloß Belvedere zurückgekehrt. Von Jena aus besich- tigte der Großherzog der „Th. C.“ zufolge den Schauplaß der vorjährigen Uebershwemmung und nahm mit Befriedigung von den Wiederherstellungsarbeiten Kenntniß. Verschiedenen akademischen Anstalten wurden Besuche abgestattet. Am ver- gangenen Freitag Abend wohnte Seine Königliche Hoheit der Sizung der medizinisch - naturwissenschastlihen Ge- sellschaft bei, in der u. A. Professor Dr. Barde- leben über bieher unbekannte anatomische Arbeiten Goethe's sprah. Am Sonnabend brachte die Studentenschast „dem Durtlauchtigsten Protektor einen Fackelzug. Am selben Tage hatte der Großherzog einer Senatesißung im Ober-Landes- geriht und gestern Sonntag der Hauptversammlung der Geographischen Gesellschaft für Thüringen beigewohnt, in welcher Dr, Hans Mey.r über Schneeberge in Afrika berichtete,

Die Erbgroßherzoglihen Herrschaften nehmen morgen ihre Sommerresidenz in Etiersburg.

Sachsen - Meiningen.

Meiningen, 1. Juni. Das Gesetßblatt für das Herzog- thum Sachsen-Meiningen veröffentliht die Einberufung des Landtages auf den 8. d. M.

Sachsen-Coburg-Gotha.

Coburg, 1. Juni. Jhre Großherzoglihe Hoheit die Herzogin ist, wie die „Cob. Ztg.“ meldet, in der verflossenen Nacht hier wieder eingetroffen. : :

Der Landtag des Herzogthums Coburg is auf den 11. Juni hierher einberufen worden,

Anhalt.

Ballenstedt, 1. Juni. Jhre Königliche Hoheit die Erbgroßherzogin von Mecklenburg - Streliß ist dem „Anh. St.-A.“ zufolge mit Höchstihren Kindern, den Herzoginnen Marie und Jutta und dem Erbprinzen Friedrich von hier wieder abgereist,

Schwarzburg-Sonder®Shausen.

Rudolstadt, 1. Juni. Seine Durchlaucht der Fürst hat sich nah der „S{wzb.-Rud. Lde .-Ztg.““ heute zu mehrwöchigem Aufenthalt noch Drehna begeben.

Elfaß-Lothringen.

Straßburg, 1. Juni. Der Kaiserliche Statthalter Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst ist nah der „Straßb. Post“ gestern von Berlin hierher zurückgekehrt.

Oesterreich-Ungarn.

Die Ergebnisse der Berathungen derx ersten Kommission des Weltpostkongresses über die Revision des Haupt- vertrages liegen nah einer Meldung des „W. T. B.“ nun- mehr dem Plenum des Kongresses zur definitiven Beschluß: fassung vor. Die Kommissionsbeshlüsse betreffen unter Anderem die Abschaffung des bisher den über- seeishen Staaten vorbehaltenen Rechts der Er- hebung höherer Rekommandationsgebühren, ferner die Erhebung einer gleihmäßigen Zuschlagstaxe in allen Staaten sür Korrespondenzen nah über- secishen Ländern. Mit Rücksicht auf die Verpflih- tungen gegenüber den australishen Kolonien wurde von einer Aenderung in den Seetransitgebühren ab- gesehen, hinsihtlih der Landtransitgebühren wurde der Vorshlag Deutschlands angenommen, nah welchem der väthste Weltpostkongreß durch die von dem internationalen Bureau zu veranstaltende Enquete in die Lage verseßt werden soll, die Frage zu ents eiden, ob es möglich sei, die Landtransitgebühren im Wege der Ablösung abzuschaffen. Die dritte Kommission des Kongresses, Vorsißender Ober- Postdirektor Sachse (Deutschland), Vize-Präsident Ansault (Frankreich), Berichterstatter Garant (Belgien) beginnt morgen ihre Thätigkeit mit der Revision des Po st- anweisungs:-Uebereinkommens. E

Wien, 1. Juni. Seine Kaiserlißhe und Königli®e Hoheit der Erzherzog Franz Ferdinand ersreute sich in der vergangenen Nacht eines ruhigen Schlafes. 3

Jn der heutigen N des Herrenhauses wurde die Vorlage über die Reform des rechts- und staats- wissenschaftlihen Studiums nah den Vorschlägen der Kommission angenommen. Ein Amendement, betreffend die Wiederaufnahme der Statistik in die Reihe der pflihtmäßig zu hörenden Kollegien, wurde abgelehnt. A

Im Abgeordnetenhause kündigte der Minister- Präsident Graf Taaffe die Errichtung staatlicher Unter- suhungsanstalten für Lebensmittel, sowie von Unterrichtskursen für Organe der Gejundheits- polizei an, sobald die darauf bezügliche, heute eingebrachte Regierungsvorlage Geseßeskraft erlangt habe, und brachte einen Geseßentwurf, betreffend den Erlaß von Bestimmungen gegen die gemeingefährlihen sozialistishen Bestrebungen, ein. Der Handels-Minister Marquis Bacquehem legte einen Geseyentwurf, betreffend die näheren Anord- nungen wegen Einbeziehung des Freihafengebietes von Triest in das österreichisch - ungarishe Zoll- gebiet, sowie, betreffend die Zuslimmung zu der Anordnung der ungarishen Regierung wegen Eir- beziehung Fiumes in das österreichisch - ungarishe Zoll- gebiet, vor. Dies Gesct, welches auch dem ungarischen Unterhause zugegangen ist, verfügt: Vom 1. Juli ab findet der zollfreie Eintritt zollpflihtiger Waaren nur in die bestimmten Freibezirke oder in die unter zollamtliher Mitsperre und Kontrole stehenden öffentlichen oder Privatmagazine statt. Die am 1. Juli vorhandenen Vorräthe zollpflichtiger auslän- disher Waaren unterliegen der Zollpfliht, jedoch ist die gänzliche oder theilweise Rückausfuhr ins Ausland sowie die Unterbringung auf Freipläßgen und in öffentlihen oder Privatmagazinen unter zollamtlicher Mitsperre gestattet. Die Waarenkategorien, die bisher bei der See-Einfuhr Zollbefreiungen oder Zollbegünsti- gungen genießen , behalten dieselben und werden durch weitere Waarenkategorien vermehrt werden. Die Abgeordneten

Kyrle und Genossen rihteten an den Ackerbau-Minister eine

Ansrage in Betreff der Vorkehrungen zur Abwendung der

Beier in den Wäldern an der ösierreichish-bayerischen renze.

Im Budget-Aus\ch interpellirte der Abg. Baern-

reither über den Stand der Valutaregulirungs-

Frage. Dem Vernehmen nah exklärte der Finanz-Minister

Dr, Steinbach, über den gegenwärtigen Stand der Frage sei eine Auskunft deshalb noch unmöglich, weil die Verhand- lungen darüber noch s{webten; eine stabile Valuta sei für Oesterrei - Ungarn von hohem FJnteresse. Die- selbe ist nach Ansicht des Ministers nur durch Ver- wendung des Goldes als Währungëmetall zu er- reihen. Die Einführung des klassischen Bimetallismus sei in Oesterreich zur Zeit unmöglih. Die Fragen Betreffs der Goldausprägung, Goldbeschaffung und Golderhaltung er- forderten budgetäre Opfer, welche noch Gegenstand der Ec- örterung seien und namentlich bei dem zwischen den Staats- noten und Salinenscheinen bestehenden Zusammenhange be- deutende sein würden. Die Frage sei außerordentlich shwierig und erfordere die größte Vorsiht. Die Herbeiführung einer dauernden Stabilisirung der Währung müsse unentwegt im Auge behalten werden.

Beim Prager Bezirksgericht stand heute Verhand- lung in der Privatklage an, w:lche in Betreff des bekannten Vorfalls auf der Landesauëstellung gegen Müller von Cziczek angestrengt worden ist. Der Beklagte Müller bestritt, daß er, wie von Cziczek behauptet wird, den Ausruf „Böhmische Bagage“ gethan oder überhaupt auch nur gehört hab:. Die Verhandlung wurde von dem Gerichtshof bis nah Erledigung der anderen, von dem öffentlihen Ankläger gegen Cziczek ge- führten Anklage vertagt.

Großbritannien und Frland.

In der gestrigen Unterhaussizung erklärte der Unter- Staatssekretär Fergusson: das Verbot eines französi- schen Marine-Osffiziers in Neufundland, Fisch- föder ameifanischen Fishern zu verkaufen sei ein Eingriff in die Rechte der britishen Unterthanen und eine Aneignung der Jurisdiklion, welche den souveränen Rechten der britischen Krone zuwiderlaufe. Die Regierung habe die Angelegenheit sofort zur Kenntniß der französishen Regierung ge- bracht. Die zweite Lesung der Bill, betreffend den Robben- fang, wurde sodann einstimmig angenommen. Der erste Lord des Schatzes Smith erklärte: der Zweck der Bill sei die Streitfrage mit Amerika mittels eines Schieds\spruchs zu lösen. Das Vz?rbot des Robbenfangs im Behringsmeer solle bis zum 1. Mai 1892 aufrecht erhalten werden. Das Verbot solle er- folgen, Falls Rußland der Untersagung des Robbenfangs im Behringsmeer beistimme. j

Bei der gestrigen Ersaßwahl zum Unterhause in Paisley an Stelle des verstorbenen Deputirten Barbour (Gladstonianer) wurde Dunn (Gladstonianer) mit 4145 Stimmen gegen den unionistishen Liberalen Mc Kerrel ge- wählt, welcher 2807 Stimmen erhielt. A

Aus St. Johns (Neufundland) vom 1. Juni wird gemeldet, daß die Regierung der Vereinigten Staaten ein Panzerschiff nah der St. Georges-Bai gesandt habe, um über die oben erwähnten französishen Eingriffe, welche al amerikanischen Fischer shädigen, eine Untersuhung anzu- tellen.

Der Zustand des canadishen Premier-Minisiers Ma c- donald hat si, Nachrichten aus Ottawa vom 1. Juni zufolge, bedeutend verschlechtert ; sein Ableben wird für bevor- stehend gehalten.

Frankreich.

Paris, 2. Juni. Der portugiesishe Finanz - Minister Carvalho wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, heute dur den portugiesishen Gesandten D'Antas dem Präsidenten der Republik, Carnot, vorgestellt. L :

Der Senat hat gestern die Vorlage betreffend, die Rennwetten, mit einigen redaktionellen Aenderungen an- genommen, weihe es nöthig machen, daß die Vorlage an die Kammer zurückverwiesen wird. Jn der Depu- tirtenkammer interpellirte Basly die Regierung wegen Auflösung mehrerer Arbeiter-Syndikatskammern. Der Justiz-Minister Fallières erkannte an, daß das Gese Betreffs der Syndikate niht ausreichend sei. Der Minister- Präsident de Freycinet erklärte, die Regierung werde die Frage heute in einem Kabinetsrath untersuhen und unver- züglih eine Vorlage einbringen, durh welche das Syndikats- geseß geändert werde. Die Regierung verlangte alsdann die einfahe Tagesordnung, welhe angenommen wurde.

Rußland und Polen.

Die Kaiserin hat mit der Großfürstin Xenia gestern Moskau verlassen und sich nah Livadia begeben. Eben dorthin ist au der Großfürst Michael Nikolajewitsch und dessen Sohn, Großfürst Alexander Michailo- witsch abgereist. Der Kaiser hat Moskau gestern ebenfalls verlassen und ist nah St. Petersburg zurückgekehrt. Vor der Abreise besichtigte die Kaise:lihe Familie noch die mittel- asiatishe Ausstellung, das Hospital und die Militärschulen.

Aus Wladiwostock vom 31. Mai wird berihtet: Der Großfsürst-Thronfolger wohnte gestern der Grundstein- legung zu einem neuen Do bei. Heute fand in Gegenwart des Großfürsten-Thronfolgers die Brut des ersten Theiles der Ussuri-Strecke der sibirischen Eisen- bahn statt. Der Großfürst, mit lebhaften Fubelrufen be- grüßt, fügte persönlih den Grundsteinen der Eisenbahn und des Stationsgebäudes silberne Gedenktafeln ein und befuhr sodann im Waggon die 21/2 Werst lange Strecke der Eisenbahn.

Der „Nowoje Wremja“ zufolge sollen die hebräischen Elementaxr- und Kirchenschulen unter strengere Kontrole der Regierung gestellt werden. Mehrere Blätter wollen ferner wissen, daß dem Reichsrath der Entwurf für die Gründung eines in St. Petersburg zu errichtenden medizinischen Jn- stituts für Frauen zugegangen sei.

Ftalien.

Das gestern vom Papst abgehaltene Konsistorium begann um 10% Uhr. Fn demselben ernannte der Papst den apostolishen Nuntius in Paris, Monsignor Rotelli und den Erzbishof Grusha von Wien zu Kardinälen und präkonisirte zwanzig Bischöfe (darunter den Bischof von Straßburg), wobei er eine Allokution hielt. Der Fnkbalt der leßteren wird geheim gehalten, jedoch v:rnimmt „W. T. B.“ aus Rom, daß die Encyklika über die Arbeiterfrage den Hauptgegenstand der Allokution bildete. Der Papst soll sich dahin auëgesprochen haben: es sei sehr trostreih, daß die Regierungen 1n richtiger Werthshäßung der von der Kirche vorgeschlagenen Maßnahmen zu einer Mitwirkung an der Lösung der sozialen Frage bereit seien.

Jn Mailand fand am Sonnabend und Sonntag die Delegirten-Versammlung der italienischen Frie- densgesellshaften statt. Zum Präsidenten wurde der Deputirte Maffi, zu Vize-Präsidenten Pandolfi und Pareto

gewählt. Die Versammlung nahm, wie dem „W. T. B.“ be- richtet wird, die Anträge d:3 Referenten an, eine Kommission von drei Mitgliedern zu ernennen, welhe einen inter- nationalen Kongreß in Rom vorbereiten und eine Res solution feststellen soll, wonach den Legislativen die Ent schei- dung über Krieg und Frieden zuge)prohen werde. Der Kongreß soll die Nothwendigkeit betonen, daß die Friedens- gesellschaften sh mit der sozialen Frage beschäftigen, daß die Deputirten an einem internationalen Parlament theilnehmen und auf demselben die Abrüstung und \chiedzrichterlihe Austragung vertreten. Die Versamm- lung beshloß ferner, politishe Fragen auf dem Kongreß im Geiste der Eintracht zu behandeln, und einen internationalen Kongreß in Chicago im Jahre 1893 während der Aussiellung abzuhalten. Außerdem wurde ein Vorschlag, betreffend die Bildung eines internationalen Centralbureaus der Friedensvereine, genehmigt. Schließlih nahm die Ver- sammlung den Antrag an, die Regelung der italieni}sch- amerikanischen Streitfrage dem internationalen Jnstitut in Genf zu überweisen. Der Konferenz wohnten viele Delegirte italienishe. Vereine, Deputirte, Professoren und Provinzial- und Kommunalräthe bei.

Spanien. i Der Minister des Jnnern Silvela erklärte in der gestrigen Sißung der Deputirtenkammer, daß inBilbao die Ordnung wieder hergestellt sei. (f. „Arbeiterbewegung“.)

Portugal.

Das von der Regierung den Cortes vorgelegte Budget pro 1891/92 beläuft sich auf 42917 Contos Reis in Ein- nahmen und 44 857 Contos Reis in Ausgaben.

Schweiz.

Jn Bern i} gestern die ordentlihe Sommersession der Bundesversammlung eröffnet worden. Zum Präsidenten des Nationalraths wurde der bisherige Vize-Präsident Lachenal-Genf (radikal) und zum Vize-Präsidenten Holdener- Schwyz (ultramontan) gewählt. Der Lebhtere hat jedoch die Annahme der Wahl abgelehnt. Der Ständerath wählte den bisherigen Vize-Präsidenten Göttisheim-Basel (radikal) zum Präsidenten und Schaller-Freiburg (ultramontan) zum Vize: Präsidenten. : A

Der Präsident der Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien hat den Baron de Agniar d’Antrada zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der Eidgenossenschaft ernannt; der Gesandte wird am Dienstag dem Bundesrath seine Kreditive überreichen.

Der den eidgenössishen Räthen vorgelegte Geseß- entwurf des Bundesraths, betreffend die Errichtung von vier Armee-Corps an Stelle der bisherigen aht Divisionen, lautet :

Art, 1. Aus den Truppen der acht Armee-Divisionen werden vier Armee-Corps gebildet. Art. 2. Ein Armee-Corps besteht aus dem Armee-Corpsstab, zwei Divisionen, der Kavallerie-Brigade, der Corps-Artillerie, dem Corps-Park, dem Brükentrain, der Telegraphen- Compagnie, den Sanitäts- und Verpflegungs- Anstalten des Armee-Corps. Art, 3. Der Stab des Armee: Corps wird gemäß der diesem Gesche beigefügten Tafel gebildet. Die neu aufzunehmenden Truppenverbände werden aus den ent- sprehenden Einheiten der beiden zum Armee:Corps vereinigten Divisionen gebildet. Der Bundesrath ist befugt, durch Verordnung je nah Bedürfniß Aenderungen in der Zusammenseßung dieser Ver- bände und ihrer Stäbe vorzunehmen. Art, 4. Die Komman- danten der Armee-Corps werden vom Bundesrath frei aus den höheren Offizieren gewählt, die Kommandanten der Divisionen auf den unver- bindlihen Vorschlag einer Kommission, welche unter dem Vorsißze des Chefs des Militär-Departements aus den Armee-Corps-Komman- danten, dea vier Waffen-Chefs und dem Chef des Stabs-Bureaus besteht. Art. 5. Die Bestimmungen der Bil itärorganisation vom 13. November 1874, welche mit gegenwärtigem Bundetgeseße in S stehen, werden aufgeh oben. Art. 6. Referendums-

ausel,

Jn der bezüglihen Botschaft des Bundesraths an die Bundesversammlung heißt es:

__ Unsere ftrategishe Einheit, die Armee-Division, ist mit allen Hülfsanstalten zu selbständiger Dperationsfähigkeit derart avszerüstet, wie sie in anderen Armeen nur den Armee-Corps zukommen. Da- dur hat unfere Armee-Division wohl die Schwerfälligkeit eines Armee-Corps, aber nicht einmal die Hälfte seiner Gefehtskraft. Die Einführung eines Armee-Corpsverbandes ct an die Stelle der komplicirten Führung der Armee-Division eine zweckmäßige Arbeits- eintheilung: das Armee-Corps-Kommando übernimmt hauptsählich die strategishe Führung der beiden zu einem Armee-Corps vereinigten Divisionen, die strategische Aufklärung und die Verwendung der übrigen Corpstruppen, den Kommandanten der von den {weren Fuhrwerkskolonnen entlasteten und dadur viel beweglicher gewordenen Divisionen bleibt mehr die taktisde Führung dieser Gefechtskörper. Dur die Ecrichtung von Armee-Corps wird aber nit nur die Führung dec bisherigen Divisionen vereinfackt, sondern es wird au eine wirksamere Verwendung eines Theiles der ten Divisionen zugetheilten Truppen gesichert... Es wird aber auch die Führung der gesammten Armee wesentlich an Kraft und Einfachheit gewinnen, wenn der Ober-Befehlshaber nur noch vier Hauptglieder zu leiten hat, anstatt deren acht. Auch dürfte ins Gewickt fallen, daß ih in unserm Milizheere leihter vier zur Führung selbständiger itrategisher Einheiten befähigte Führer finden werden als doppelt so viele. Endlich wird die Zusamme stellung von Truppeneinheiten je zweier Divisionen in neue Verbände vielercrts eine Reduktion der Stäbe und der Rekrutirung dieser Truppen gestatten, welhe unserer Hauptwaffe, der Infanterie, in nicht geringem Maße zu Statten kommen werden. Wenn es aber keinem Zweifel unterliegt, daß im Kriegsfalle die Errihtung von Armee-Corps sih als ein unabwend- bares Bedürfniß erweisen wird, so ergiebt sich die Nothwendigkeit von felbst, diese Organisation hon im Frieden zu \{chaffen.“

Am S@hluß wird erklärt, daß für den Fall einer allge- meinen Mobilmachung bereits eine Verordnung vorliege, welche die Mobilisirung und den Aufmarsh der vier Armee:Corps auf Grund der bestehenden Vorarbeiten ermögliche.

Türkei.

Der Großfürst Georg von Rußland hat fich am Sonnabend Nachmittag 5 Uhr an Bord des Dampfers „Korniloff“ in Konstantinopel eingeschifft und in der Nacht die Reife nah der Krim fortgeseßt. Der Minister des Aus- wärtigen Said Pascha und mehrere Großwürdenträger gaben Seiner. Kaiserlichen Hoheit das Geleit bis zum Dampfer. Der Großfürst hatte am Freitag dem Selamlik und der Truppenshau beigewohnt und an dem darauf folgenden Dejeuner theilgenommen.

Numänien.

Bukarest, 1, Juni. Die Kammer beschloß mit 70 gegen 36 Stimmen den Adreßentwurf in Erwägung zu D B Kammer und dex Senat haben sich bis Donnerstag vertagt.

Bulgarien.

Sofia, 1. Juni. Anläßlih des Namensfestes des Pxinzeu Fal aus hatte, nach einer Meldung des

„W. T. B.7, die Stadt gestern Abend illuminirt. Jn Philippopel fanden aus gleihem Anlaß große Fest- lihkeiten fiatt. Die Menge jubelte dem Prinzen zu, welcher zweimal am Fenster ershien und dankte. Sodann begab sie sich nah der Wohnung Stambulow's, um ihm Ovationen darzubringen. Stambulow forderte die Menge auf, das Vaterland höher zu stellen als persönliche Interessen.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Das Staats-Departement hat, wie „R. B.“ aus Was Pn erfährt, ein Rund- shreiben fertig gestellt, welches sih mit dem jüngst von dem Kongreß angenommenen Gese über das Urheberreht der Autoren befaßt und demnächst von den resp. Gesandten den auswärtigen Regierungen überreiht werden foll. Die einzelnen Bestimmungen der Bill find in dem Cirkular genau wiedergegeben und es wird speziell auf den 8. 13 aufmerksam Ga in dem es heißt, daß das Geseß ih nur auf die

ngehörigen solher Staaten bezieht, welche amerikanischen Autoren praktish die gleichen Rechte gewähren.

Mexiko. Der Präsident der Republik erklärte, laut Meldung des „W. T. B.“ aus Mexiko, vom 1. Juni, anläßlich des am Sonntag erfolgten Ablebens des Finanz- Ministers Dublan, daß in der Finanzpolitiè Merikos keinerlei Veränderung eintreten werde.

Argentinien. Nach einer in Paris eingegangenen Meldung aus Buenos-Aires wurde in der Sißung des Senats vom Sonnabend eine Fnterpellation, betreffend die innere Politik der Ung, eingebraht. Die Ma- jorität des Hauses sprah fich für die Ablehnung der Jnter- pellation aus.

Haiti. Nach einer Meldung des „R. B.“ aus New- York erhielt der dortige Vertreter Haitis ein Telegramm aus Port au prince, welches den daselbst am 28. v. M. unter- nommenen Aufstandsversuch bestätigt. Nah erfolgter Hinrichtung der Rädelsführer wurde die öffentlihe Nuhe nicht mehr gestört; der westlihe Theil der Jnsel sei unter das Krieagsrecht gestellt worden. Eine Privatdepeshe aus Port au Prince besagt, daß die Zahl der hingerihteten Fnsurgenten vierzig betrage; die Depesche fügt hinzu, daß im westlichen Theil eine abermalige Jnfurrektion nahe bevorstehen dürfte.

Afien.

_ Fapan. Der Vicomte Admiral Enomoto is, nach einem Wolff’ hen Telegramm aus Tokio, an Stelle des Vicomte Aoki, welcher seinen Abschied nahgesucht hatte, zum Minister derx auswärtigen Angelegenheiten ernannt worden. Tsuda Sanzo is|st von dem Reichs- gericht zur Untersuhung gezogen, eines Mordversuhs auf das Leben des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland \{huldig erklärt und demgemäß zu der äußersten laut Gese zulässigen N zu lebenslänglihem Zuchthaus, verurtheilt worden.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (93.) Sißung des Hauses der Ab: eordneten, welcher der Präsident des Staats-Ministeriums, eihskanzler von Caprivi, der Vize-Präsident des Staats-

Ministeriums, Staats-Minister Dr. von Boetticher, der Minister der öffentlihen Arbeiten von Maybach, der Minister des Jnnern Herrfurth, der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Graf von Zedliß-Trüßschler beiwohnten, wurde für die Rechnungen der Kasse der Ober-Rechnungskammer für das Jahr vom 1. April 1889/90 Entlastung ausgesprochen.

Darauf folgte die zweite Berathung des Geset- entwurfs zur Ausführung des §8. 9 des Gesetzes, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römish-katholishen Bis- thümer und Geistlihen, vom 22. April 1875.

Bei Art. 1 der Vorlage erklärte der Präsident des Staats-Ministeriums, Reichskanzler von Caprivi, daß die Staatsregierung der ursprünglichen Fassung der Vor- lage au jeßt noch den Vorzug gebe, aber, um den Zweck der Vorlage zu erreichen, den Frieden zu fördecn, auch dem Vor- schlage der Kommission zustimmen werde, wenn er Seitens des Hauses Annahme finde.

Abg. Dr. Freiherr von Heereman zog ebenfalls die ursprünglihe Vorlage vor; das Centrum werde aber, um das Gesey zu Stande zu bringen, auf die Einbringung prinzipieller Abänderungsanträge zur Kommissionsfassung verzichten.

Abg. von Jazdzewsky schloß fih diesen Ausführungen an und bat um Auskunft, ob eingezogene Rentenbriefe mit Coupons in natura oder in Geld zurückgegeben werden sollten.

Regierungskommissar Geheimer Ober-Regierungs-Rath Löwenberg erklärte, daß die eingezogenen Kapitalien im Sammel-:Conto enthalten seien.

Abg. von Eynern gab Namens der Nationalliberalen die Erklärung ab, daß sie gegen das Geseg stimmen würden, weil die Katholiken den definitiven Frieden nicht wollten und Leh ge, G auf Rüczahlung dieser Gelder nit estehe.

Abg. Rickert stellte die Zustimmung der Freisinnigen zu dem Geseve in Aussicht.

Abg. Freiherr von Zedliß war der Meinung, daß troß der Verbesserungen durch die Kommission nit alle Bedenken gegen die Vorlage beseitigt seien; er werde deshalb mit dem größeren Theil der Freikonservativen gegen dieselbe stimmen.

Abg. von Kardorff erklärte sich Namens des kleineren Theils der Freikonservativen für die Vorlage. i

Abg. Graf zu Limburg-Stirum vermochte mit der überwiegenden Mehrheit der Konservativen in der Vorlage feine Verlezung der evangelischen Gefühle zu erblidcken; die- selben werden im Paeree des Friedens derselben zustimmen.

Art. 1 wurde hierauf angenommen.

Art. 2 in der Fassung der Kommission lautet :

Aus den im Art. 1 aufgeführten Summen sind denjenigen Instituten und Personen, welhe auf Grund des Gescßes vom 92, April 1875 Einbuße an ihren Einkünften erlitten haben, bezw. deren Erben die aus eingestellten Staatsleistungen aufgesammelten Beträge mit Por & von Zinsen zu bewilligen.

Fee Dr. Por\ch beantragte, den Artikel- 2, wie folgt, zu fassen:

Aus den im Artikel 1 aufgeführten Summen sind mit Aus-

\{luß von Zinsen in den einzelnen Diözesen bezw. Diözefanantheilen

Beträge zu bewilligen an solche Institute und Personen bezw. deren

Erben, welche dadurch Einbuße an ihren Einkünften erlitten haben,

daß auf Grund des Geseßes vom 22. April 1875 für sie bestimmte

Bezüge zu dem Artikel 1 bezeihneten Sammelkonto eingezogen

worden sind,

Im Artikel 2 als zweiten Absatz zuzufügen : ;

Hierbei treten an Stelle der in Absay 1 aufgeführten Institute und Personen bezw. deren Erben diejenigen Institute, Korporationen und Fonds auf den Antrag ihrer geseßlihen Vertreter, welche diesen Instituten und Personen nachweislich einen Ersaß für die erlittenen Einbufen gewährt haben. :

Nachdem Abg. Graf zu Limburg-Stirum Namens der Konservativen \sich gegen den Antrag Porsch ad 2 aus- gesprohen und der Finanz-Minister Dr. Miquel anheim- gegeben hatte, entweder beide Anträge Porsh oder die Kom- missionsfassung anzunehmen, entschied fich das Haus für die Annahme der beiden Anträge Porsch.

Der Rest der Vorlage wurde unverändert angenommen.

Hieran {loß sich die dritte Berathung des Geseß- entwurfs, betreffend die Erweiterung, Vervoll- ständigung und bessere Ausrüstung des Staats- eisenbahnneßtes.

Jn der Generaldiskussion “erörterten zunächst die Abgg. Lehmann, von Pilgrim, Lassen und Jürgensen und Regierungs-Kommissar Geheimer Ober-Regierungs-Rath Mie Fragen lokaler Natur.

Darauf nahm Abg. Graf zu Limburg-Stirum das Wort, um einen anerkennenden Rücfblick auf die Leistungen des Staatsbahnsystems zu werfen, die nur dadurch so aroßartig gewesen seien, weil der Minister von Maybah die ganze Krast seiner Person dafür einge- seßt habe. Und Minister von Maybach dürfe stolz darauf sein, der einzige selbständige Organijator neben dem Fürsten Bismarck gewesen zu sein. Er sei immer ein Staatsmann und nie ein Bureaukrat gewesen.

Der Minister von Ma ybach erwiderte, daß diese Worte ihn tief gerührt hätten. Die Leistungen der Eisenbahn- Verwaltung seien nur möglich gewesen durch das Zusammen- wirken aller Kräfte der Verwaltung. Sein Streben jei stets auf die Förderung des allgemeinen Fnteresses gerihtet gewesen, und nur um deswillen hätten zuweilen Einzelinteressen verleßt werden müssen. Wenn er jeßt wegen seiner Gesundheit aus dem Amte scheide, so beruhige ihn, daß er mit gutem Gewissen scheiden könne. Das Vertrauen des Hauses möge auch auf seinen Nachfolger übertragen werden.

_ Die Abgg. Freiherr von Huene, von Eynern und Dr, Ritter schlossen sich mit warmen Worten den Ausführungen des Abg. Grafen zu Limburg-Stirum an.

Nach kurzer weiterer Debatte wurde die Generaldiskussion geschlossen.

Jn der Spezialdiskussion wurden die Beschlüsse zweiter Lesung angenommen mit der einzigen Aenderung, daß in 8. 11 zwishen den Worten „von Fordon“ und nah „Schön- jee“’ nah einem Antrage des Abg. von Czarlinski einge- fügt wurde „mit südliher Umgehung von Kulmsee.“ (Schluß des Blattes.)

___— Die nächste Sißzung des Herrenhauses ist auf den 12, d. M. anberaumt worden.

Verkehrs-Anstalten.

Sofia, 2. Juni. (W. T. B.) Die Eiseabahnverbindung mit Konstantinopel ist wiederhergestellt.

Theater und Musik.

Tonkünstler- Versammlung in Berlin,

Das dritte Concert der Deutschen Tonkünstler-Versamm- lung, das gestern wiederum unter Leitung des Hofkapellmeislers Weingartner in der Philharmonie stattfand, wurde mit einer Duverture zur Oper „Der faule Hans“ von dem in Würzburg als Komponist und Musikverleger lebenden A. Ritter eröffnet. Das sehr klare, melodiós und {wung- voll gehaltene Werk folgt dem Vorbilde Weber's und machte einen sehr günstigen Eindruck. Die Berliner Liedertafel trug hierauf unter Zander's Leitung drei Männerchöre vor: ein „Pax vobiscum“ von Liszt mit Orgelbegleitung, welches unisono, mit abwärts steigenden Quartettgängen beginnend, denen sich der volle Dae Männerchor ernst und feierlich anschließt, sehr andachtsvoll gehalten ist. Schubert's fünfstimmiges Chorlied „Sehnsucht“ und das „Morgenlied“ von J. Rieß wurden gleih dem geistlihen Gesang von Liszt vortrefflich ausgeführt. Hierauf spielte Eugen d'Albert das Klavierconcert op. 66. von dem zu Bologna als Direktor des Konservatoriums lebenden G. Martucci (geboren 1856). Dieses Tonstück, das an das Orchester wie an den Spieler gleih hohe Anforderungen stellt, fesselt besonders im Larghetto durch Melodienreiz und läßt oft den Einfluß Wagnex's erkennen. Daß der Solist und die Kapelle das höchst shwierige Werk vollklommen bewältigten, bedarf kaum der Bestätigung. Eugen d'’Albert brachte eine Scene aus seiner Oper „Der Rubin“ für Tenor und Orchester zu Gehör, die eine entshiedene Begabung für den Ausdruck des Drama- tishen erkennen läßt. Hr. Hofopernsänger Anthes aus Dresden trug diese Scene ganz vorzüglih vor. Der Kammer- sänger Hr. P. Bulß sang sodann, vom Hofkapellmeister Weingartner am Piano begleitet, vier Lieder von Reinhold Bedcker „Vergangene Zeit“, „Traum und Erfüllung“, „Osterlied“ und „Durch den Wald“, unter denen das zweite und vierte am Meisten zu gefallen schienen. Hr. B. glänzte wieder durch s{hönen Stimmklang und edlen Vortrag. Nach der \symphonishèn Dichtung „Hungaria“ von Liszt, die theils die kriegerishen Scenen des tapferen Volkes, theils den Triumph ihrer Siege, sowie die Klage um die ge- fallenen Helden in treffender Weise schildert, machte eine Symphonie-Dde für Männerchor, Solostimmen und Orgel von Nicodé, „Das Meer“ betitelt, den Beschluß des Concerts. Um das großartige Naturbild darzustellen, braucht der Kom- ponist allerdings oft außergewöhnliche orhestrale Mittel, sucht aber stets seinen Zweck durch wirkungsvolle Behandlung des Männerchors und tonmalerishe Verwendung des Orchesters zu erreihen. Herr N. leitete sein Werk selbst. Sämmiliche Mit- wirkenden, zu denen auth die Solisten Frl. Huhn (Alt) und Hr. Grahl (Tenor) gehörten, verdienten mit Recht die vielen Beweise dankbarer Anerkennung von Seiten des sehr zahlrei erschienenen"Publikums,