1891 / 128 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 03 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

ist es unwahr, daß die Grabstätte des Puttliß auf dem Begräbnißplaß der Strafanstalt zu Moabit mit einem Kreuz versehen, und daß dieses Kreuz bei der Planirung des Kirch- hoss erhalten worden ist. Kurz, alle Mittheilungen in der Tagespresse, welche dahin gehen, daß die Unschuld des Puttlig ermittelt, und daß dies Seitens der Justizverwaltung in irgend einer Hinsicht anerkannt worden sei, sind nichts als leere Hirngespinste.

Sachsen.

Chemniß, 2. Juni. Unter all’eitiger Betheiligung wurde hier, wie den „Dr. N.“ geschrieben wird, gestern die 95, Wiederkehr des Tages fesilich begangen, an welchem im Jahre 1866 das 9. Königlih Sächsische Jnfanterie- Regiment Nr. 104 „Prinz Friedrich August“ seinem jeßigen Chef verlichen wurde. Zahlreiche Privathäuser in allen Straßen der Stadt hatten zu Ehren der Regiments- Jubelfeier festilihen Flaggenshmuck angelegt. Vor Allem prangten die Kaserne und die militärishen Gebäude im Fest- aewand. Jm Laufe des Vormittags fanden \sich zahlreiche Osfiziere und Abordnungen auswärtiger Regimenter ein. Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich August langte Vormittags mit dem fahrplanmäßigen Zuge hier an und wurde von dem Regiments - Commandeur , Oberst von Malortie und den zum Empfang erschzienenen Offizieren aufs Ehrfurchtsvollste begrüßt. Beim VBesteigen des Wagens wurde dem Prinzen ein mächtiger Lorbeer- franz mit grün: weißen Schleifen überreicht, und unter dem brausenden Hurrah der zahllosen Menge fuhr der hohe Gast, nah allen Seiten huldvoll grüßend, nach der Kaserne, wo das Regiment Aufstellung genommen hatte. Nach dem Regimentsappell sand im Unteroffizier Cafino ein glänzender Festactus statt. Nach demselben vereinigte sih das Offizier- corps zu einem gemeinsamen Fefimahle, während die Unter- osfiziere des Regiments einige Spiele, Waffentänze vorslellend, zur Aufführung brachten. Alsdann versammelten sih die Unteroffiziere und Mannschaften in dem geräumigen, aufs Glänzendste ausgeshmüdckten, mit etwa 30 Städtewappen dekorirten Exerzierhaus zur Festtafel. Jm legteren hatte, von einer Sammlung Waffen und Rüjtungen umgeben, die von dem dritten Bataillon des Regiments im Kriege von 1870/71 eroberte Miitrailleuse Aufstellung gefunden, welche aus Anlaß des Festes nah Chemniy gebracht worden war. Seine Königliche Hoheit der Prinz Friedrich August, der überall bei seinem Erscheinen Gegenstand begeisterter Ovationen wurde, kehrte am Abend nah Dresden zurü.

Anhalt.

Dessau, 2. Juni. Jhre Königliche Hoheit die _Groß- herzogin von Luxemburg ist nah dem „A. St. A,“ gestern von hier nah Schloß Königstein abgereist.

Bremen.

Bremen, 2. Juni. Jn der heutigen Ersaßwahl für

den verstorbenen Senator Luelmann wurde, wie T: zum Mitglied des

berichtet, Konsul Joh Aqhelis Senats gewählt.

Deutsche Kolonien.

Wie bereits mitgetheilt, war der Gouverneur für Ost Afrika Freiherr von Soden Anfang April in Ost-Afrika eingetroffen. Die Uebernahme der Geschäste erfolgte am 9, April. Jn Tanga war Freiherr von Soden bereits am 7, April angelangt. Es wurde ihm daselbst durh Major von Wissmann, die Offiziere S. M. S. „Schwalbe“ und den Commandeur der Schissstruppe von Zelewski ein festlicher Empfang bereitet, welcher sich in Bagamoyo und Dar-es- Salaam wiederholte. L E O

Jn Dar-es-Salaam befinden sih bereits die Fntendantur und Kanzlei des Gouvernements, welche in verschiedenen ge- mietheten Räumen untergebraht find, Dem Kaiserlichen Gouverneur selbst sind in dem Gebäude der Evangelischen Mission einige Zimmer zur Verfügung gestellt worden; der Fertigstellung des für ihn bestimmten Gebäudes wird in zwei bis drei Monaten entgegengesehen. : n

Die Ergebnisse der Thätigkeit des Neichskommissars von Ost- Afrika lassen sich nach einem Bericht des Majors von Wissmann, wie das „Deutsche Kolonialblatt“ mittheilt, in Folgendem zusammenfsassen:

Die ostafrikanishe Küste ist zurückerobert, und ihr Besiß der- artig gesihert dur Anlage von Befestigungswerken und Kommuni- kationen, daß sie mit einem im Verhältniß zur Größe des Landes äußerst geringen Truppenkontingent gegen alle Eventualitäten be- bauptet werden kann. Die aroßen Karawanenstraßen sind auf weite Strecken gesichert und unser Machteinfluß bis an die äußersten Grenzen unseres Gebiets auêgedehnt, dem deutschen Namen bis torthin Achtung und Respekt vershaft worden.

Im Norden ist das Hinterland von Tanga und Pangani bis zum Kilima-Ndscaro hinauf als endgültig gefi@ert anzuseben.

Die große Straße von Bagamoyo und Saadani aus ist bis Mpwapwa gesichert und eine weitere Sicherung in Unyamwesi von CEmin Pascha und Stokes eingeleitet. Nur in Ugzogo, wo Handel 8- er R noch des Oefteren gefährdet werden, bleibt eine Lücke aus- zusüllen.

Auch im Süden unserer Besitung ist, seitdem Matschemba sich unterworfen bat, das nächste Hinterland beruhigt.

Nur eine \{warze Truppe war der rastlosen kriegerischen Thätig- keit, wie sich solle hier entfalten mußte, gewachsen. Die im Ver- bâltniß zu der gewaltigen Ausdehnung unseres Gebiets verschwindende Truppenstärke bedingte ein ununterbrohenes Hin- und Herziehen, ohne Rüctsicht auf die klimatishen Verhältnisse. Diesem Umstande sind die meisten Verluste an europäishem Personal zuzuschreiben. Die von vornherein verfolgte Taktik, den Feind bei allen Gefehten durch einen kräftig eingeleiteten und schnell ausgeführten Angriff moralisch zu überwältigen, bewahrte die Truppe \tet3 vor großen Verlusten im Gefecht selbst. Immerhin sind die Verluste, wie vorher erwähnt, hauptsählih durch die Strarazen in dem ungewohnten Klima verhältnißmäßig größer, als bei einem europäischen Kriege. Der Gesammtverlust der Truppe im Gefecht (Todte und Verwundete) beträgt 21 Europäer und 151 Farbige, was bei Zugrundelegung einer Komkbattantenstärke von 150 Europäern und 1200 Farbigen für erstere einen Verlust von 14, für leßtere von 127 9/0 bedeutet. Die Verluste der Truppe an Todten überhaupt betragen 20 Europäer und 208 Farbige, was für eine Gesammtstärke von 200 Guropäern und 1800 Farbigen (eins{ließlich der Nichtkombattanten) für erstere 10, für leßtere 113 °/6 ausmacht.

Erst allmählich, na Wiedergewinnung verschiedener Küstenpunkte, nach Vergrößerung des Sanitäts-Personals, nach Durchführung der Impfung aller Truppen konnte die ärztliche Pflege der Truppe eine wirk- samere werden ; aber erst, nachdem dieUnterkunftsräume auëgebaut und die Erdarbeiten, die eine Entwickelung des Malaria:Bacillus begünstigen, beendigt waren, wurde der allgemeine Gesundheitszustand cin bedeutend besserer. Gute Unterkunft {ütte vor Malaria, Desinfektion und

Kraukhiiten. Jcht, wo die kriegeriscken Strapazen zum größten Theil über- wunden sind, und dur die Se der Regierung das Sanitäts- personal sür das kommende Jahr um das Doppelte verstärkt ift, wird der Gesundheitszustand ‘sich jedenfalls weiterhin bedeutend bessern.

Was die Erfolge der friet lihen Arbeit betrifft, so mußte die

durch die militärisdbe Thätigkeit auf Seiten der Eingeborenen ent- standene Furt und Scheu zunächst gehoben werden. Strenge Ge- rechtigkeit und Wohlwollen ron Seitea der Curopäer der Schutz- truppe, die unterdeß mit den Sitten und Gewohnheiten der Inder, Araber und Neger mehr und mebr vertraut geworden waren, und strenge Veberwachung der Unbestelichkeit der farbigen Beamten erzeugten bald Vertrauen, wo früher Furt gewaltet batte. Das erste Zeichen von einem Gefühl der Sicherheit unter unserem Schuß war die massen- bafte Rückebr der während des Krieges Geflohenen und Ausgewan- derten. Während wir beim Beginn der Expedition in Bagarnoyo täglih unge}ähr cin Dutzend Leute veaipflegten, die zu alt und krank aewesen waren, um mir den Andern zu entfliehen, hat jeßt {on Bagamoyo mindestens seine aite Bevölkerungszahl wieder erreicbt. Es fällt jedem Fremden mit Erftaunen auf, wie jeder Europäer auf der Straße in unseren Küstenorten freundlich und vertraulich von überall begrüßt wird. Araber und Belutschen, VBanjanen, Hindus und Parsis, Goanesen, Suaheli-Sklaven und Karawanenleute aus dem Innern, griehishe und Levantiner Händler, sogar Chinesen fühlen fich im lebhaft zurückgekehrten Handel und Verkehr sicher unter der deutshen Flagge. Der Druck des früher herrsGenden Arabers, des seine Kapitalmacht mißbrauwhenden JInders haben aufgehört. Die Erpressungen der bisherigen Walis, Kadis und Jumbes, die, da sie von ihrer Regierung unbesoldet blieben, si selbst bezahlt machen mußten, sind einer ur parteiischen und unbestechlien Rechtspflege und Polizei gewi{en. Der Sklave findet sein Recht wie der Herr.

Durch mögli} seltenen Wechsel in den Stellen der Stations- Gefs wurde bei diesen das regte Interesse an dem Wachsthum ihier Stationen und Distrikte erzielt und damit manche Einritung zum Vortbeil des Handels, zu hygieniscen und Berschönerungs8zwecken.

Die Zerstörungen in manchen Küstenstädten in der ersten Periode des Aufstandes dur die Granaten der Marine erlaubten nacbaltiges Durtgreifen beim Wiederaufbau. Es wurden breite, gerade Straßen angelegt, Brücken und Wasserleitungen erbaut, Sümvfe trocken gelegt, Markthallen eingerichtet, Straßenbeleuhtung durchgeführt, offine Plätze freigehaltcn und durch Gartenanlaaen verschönert sowie durch ent- {precende poliz-ilihe Aussi§1 auf Ordnung, Reinlichkeit und Sicher- heit hingewirkt Für Unterkunst der Katrawanen find Karawansereten errichtet, und kürzli is der Grundstein für das erste Hospital für Eingeborene (unsere bisherigen Krankenhäuser waren nur für Europäer und die \{warze Trupve eingerichtet) vnd die erste Schule für die Kinder der indischen Händler gelegt worden.

Die bevorstebende Ankunft des lihten ter drei Fahrzeuge der Küstenlinie wird boffentlih bald ein allgemein erwünschtes regelmäßiges Anlausen ter Küstenplätße ermöglichen, und ebenso ist zu boffen, daß R für die. Eisenbahnen tie Vollendung bald folgen möchte.

Die allgemeine Wiedcraufnahme des Feldbaues seit dem Wieder- cintritt friedliher Verhältnisse, das Wiederaufblühen des Karawanen- bandels nach erfolgter Sicherung der Strafen und jede nur mögliche Maßnahme zur Förderung des Handels müssen cine allmählihe Ab- nabme der unserer neuen Kolonie gebrachten Ovfer bringen, müsser, wenn wir na&halti;g weiter arbeiten an tem Schaffen neuer, werth- voller Exportprodukte dur Plantagenbau, auch mit der Zeit für unsere Opfer Zinsen tragen. Feder Europäer, der während des Aufstandes unsere Küste gesehen hat und sie jeßt nah nur zweijähriaer Arbeit wiedersieht, muß die Ueberzeugung gewinnen, daß diese Slüsse niht optimistisch sind, sondern das Resultat fachliher Beobachtung.

Oesterreich-Ungarn.

Wien, 2. Juni. Das Befinden Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Erzherzogs Franz Ferdinand hat si weiter gebessert. Der Shlaf in d.r leßten Naht war zwar durch Husten gestört, aber fieberfrei.

Der zur Vorberathung des Jnitiativantrages, be- treffend die Aufhebung der Ausnahmeverfügungen für Wien und Umgebung, gewählte Ausschuß hat denselben mit allen gegen zwei Stimmen angenommen.

Der Budget: Ausshuß hat die Debatte über die Valutaregulirung abgeschlossen. Der Obmann von Plener resumirte das Ergebniß der Debatten, indem er hervorhob, daß es sich darum handele, die öffentliche Mei: nung für die große Operation vorzubereiten, Die öffent- lihe Meinung verstehe ziemlich übereinstimmend unter der Wiederherstellung der Metallwährung den Uebergang zur Goldwährung im Sinne der Herstellung eines Gold- guldens, welher ungefähr das Gold-Aequivalent des bis- herigen Papiergulderns sein solle. Pflicht der Negierung sei es: ihre ganze Autorität aufzubieten, um die früheren pessimistishen Aeußerungen zu berihtigen und die öffentlihe Meinung auf den richtigen Standpunkt zu führen. er Referent Rozlowski konstatirte, daß alle Stimmen bis auf drei darin übereinstimmten, daß die An- gelegenheit noch nicht spruchreif und die größte Vor- sicht zu empfehlen sei. Ja Betreff der Steuerreform erklärte der Finanz-Minister Dr. Steinbach, er könne sih diese Reform ohne Einführung der progressiven Personal:-Einkommen- steuer nicht vorstellen. An den Entwürfen werde mit vollstem Ecnste gearbeitet, der Zeitpunkt der Einbringung fei jedoch noch nicht zu bestimmen.

Großbritannien und Frland.

Ja der gestrigen Unterhaussißung erklärte der Unter- Staatssekretär Fergusson hinsichtlih der Nede des Abge- ordneten Chiala im italienischen Parlament: er (Fergusfon) habe in Betreff irgend welcher von der englischen Regierung eingegangenen Engagements nichts zu dem hin- zuzufügen, was er in der Adreßdebatte im Jahre 1888 und in einer Antwort auf eine Juterpellation am 19. Juli 1889 esagt habe. (Unter-Staatssekretär Fergusson hatte damals im esentlihen erklärt, daß die englishe Regierung keinerlei Engagements Betreffs Verwendung der militärischen oder maritimen Streitkräfte Englands eingegangen sei, ausgenommen diejenigen, welhe dem Hause bekannt seien.) a Tipperary in Jrland ist endlih Frieden ge- {lossen worden. Die Ladeninhaber haben mit wenigen Aus- nahmen die Vergleichsvorshläge der Hauseigenthümer ange: nommen, ihre Miethe gezahlt und ihr Gewerbe wieder auf- genommen. Auch die Pächter auf den Smith-Barry'schen Landgütern haben sich mit ihren Gutsherren in Güte geeinigt und sind wieder in ihre alten Wohnungen zurückgekehrt. Die ihrem Jnhalt nach in Nr. 114 d, Bl. bereits er- wähnte amtliche Bekanntmachung des Foreign Office vom 14. Mai, betreffend die Uebernahme des Protektorats über Nyassa-Land, hat folgenden Wortlaut: Es wird hierdurch zur öffentlihen Kenntniß gebracht, daß auf Grund von Vereinbarungen mit den eingeborenen Häuptlingen sowie anderer gesezmäßiger Vorgänge diejenigen Gebiete in Afrika, welche im

Das kritische Protcktorat der Nyassa Land: Distrikte begreift die Gebiete, welche begrenzt sind im Osten und Süden dur die portu- giesishen Besißungen, im Westen durch eine Grenze, welche, beginnend im Süden von dem Punkt, wo die Grenzlinie der portugiesishen Besitzungen durh die im Artikel T. der Berliner Akte bestimmte Linie der Tkonventioncllen Freihandelszone gescnitten wird, der letzteren Linie nördlich bis zu dem Punkte folgt, wo sie die Linie des în demselben Artikel bezeichneten geozravhishen Congo-Beckens trifft, um dann auf der leßteren Linie entlang zu laufen, bis dieselbe die Grenze zwishen den britishen und deutschen Interessen1phären erreicht, wie solhe im zweiten Parazrapben des 1, Artikels des Abkommens vom 1. Juli 1890 bestimmt ift. Maßregeln für die Einrichtung der Justizverwaltung, sowie für die Aufrechterhaltung des Friedens und der guten Ordnung in dew Nyassa-Landdistrikten sind in Vorbereitung.

Aus Jndien liegcn folgende Nachrichten vor:

Kalkurta, 30 Mai Das Verhör des Regenten von Ma- nipur is bis auf den 1. Juni hinau8geschoben worden. Derselbe bat die Erlaubniß erhalten, s während der Dauer der Untersuchung. der Dienste eines britishen Offiziers als Vertheidigers versichern zu dürfen. Der Prozeß gegen den Senaputty wird wahrsceinlidck erst nach Beendigung des gegen den Regenten angestrengten Pro- zesses aufgenommen werden. Der Aufstand in Kenjur scheint dur die Abseßung der Minister des Rajahs hervorgerufen: worden zu sein. Es3 wird versichert, daß die Rebellen 10 000 Mann stark sind und si aus Chuiyas, Juangs und anderen Stämmen zu- sammensezen. Sie follen jedo unzureichend bewaffnet und nit organisirt sein, Der Kommissär ron Oriba Toyubee ift zu ihnen aufgebrochen, um ihre angeblichen Unbilden zu unterfugßen. Von Cuttack und Singhboom rückt ein 300 Mann starkes Policeicorps vorsichtig vor und ein Theil des 17. bengalishen Infanterie-Regiments it na Chafkardarpore abgegangen, um, wenn erforderlich, weiter vorzudringen. Ueber das Gemepel in Manipur werden no folgende weitere Einzelheiten bekannt: Es scheint, daß die britischen Offiziere si überreden ließen, nah der Durbar-Halle zu gehen. Dort angelangt, wurden fie ersucht, die Truppen zum Niederlegen der Waffen zu veranlassen. Sie shlugen diese Zumuthung jedoch ab und wollten den Palast verlassen, als sie die Entdeckang machten, daß ibnen der Rückweg abg?!shnitten war. Während sie die zur Durbar- Halle fübrenden Stufen wieder hinaufftiegen, entsandte die Veage einen Schauer von Speeren gegen se, welhe Hrn. Grimwood und Lieutenant Simpson trafen. Der Erstere fi:k sofort todt nieder. Die Anderen wurden zwei Stunden in cinem Gewahrsam gebalten, worauf der Tongal-General ihre Hi1- rihtung verfügte. Der Senaputty, welcher gerade das Haus des britishen Residenten beschoß, gab seine Zustimmung, und das blutige Werk nahm seinen Anfanz. Die Offiziere wurden in eisernen Ketten ins Freie gebracht und einer nach dem anderen enthauptet. Der Regent befand sich inzwischen in seinem Palast und nahm an den Norgängen keinen Antheil. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß: er das Gemegel bätte verhüten können, wenn er es gewollt hâite. Oberst Sammo Singh und Major Aiya Parel sind wegen Theils nahme an den Morden zum Tode verurtheilt worden.

Frankreich.

Paris, 3. Juni. Die Regierung wird, wie „W. T. B,“ berichtet, in der nähsten Woche in der Deputirtenkammer eine Vorlage einbringen, durh welhe den Arbeitern nach dreißig Arbeitsjahren eine jährlihe Rente von 300 bis 600 Fr. gesichert wird. Die Arbeitgeber und die Arbeiter werden hierzu zu gleichen Theilen beisteuern, und der Staat wird ?/z des. Gesammtbetrages dieser beiden Einzahlungen beitragen. Nur sranzösishe Arbeiter werden an der RNentenkasse theilnehmen. Arbeitgeber, welche ausländische Arbeiter beschäftigen, haben für jeden solhen Arbeiter täglih 10 Cts. zu Gunsten der Kasse zu zahlen. Die jährlihe Ausgabe des Staats für diesen Zweck wird 100 Millionen Franken nicht überschreiten.

Die Deputirtenkammer genehmigte in ihrer gestrigen Sizung für Wolle in großen Mengen, rohe Haare, Schmudckfedern und Shreibfedern Zollfreiheit und für gefärbte Wolle in großen Mengen sowie für ge- kämmte und gestrihene Wolle die von der Zollkommis- sion vorgeshlagenen Zollsäße und trat den Beschlüssen des Senats bezüglih des Rennwettengeseßes bei.

Jn der Angelegenheit Turpin sind zwei neuer- lihe Verhaftsbefehle erlassen worden. Eine Persönlich- keit, gegen welche der Befehl ergangen war, entzog sih der Verhaftung durch die Flucht, während ein Anderer, welcher übrigens niht dem Militärstande angehört, in Courbevoie fest- genommen wurde. Es wurde eine Hauésuchung bei dem: Letzteren vorgenommen. i

Nach einer Meldung des „Temps“ ist der Lieutenant Quiquerez, welcher si in einer Mission an der Elfenbein- küste befand, gestorben.

Rußland und Polen.

Die Kaiserin und die Großfürstin Xen ia sind gestern von Moskau nach dex Krim abgereist. Der Kaiser ist na Gatschina zurückgekehrt.

Ftalien.

Ju dem morgen stattfindenden Konsistorium wird der Papst, wie „W. T. B.“ aus Nom erfährt, den Erzbischöfen Vanutelli und Dunajewski den Kardinalshut übergeben ; darauf folgt die üblihe Mundschließung. An die Präkonisirungen mehrerer Erzbischöfe und Bischöfe, unter denen sih ein baye- rischer Erzbischof und zwei albanesishe Bischöfe befinden, reiht sich sodann die üblihe Mundöffaung und Uebergabe des Kardinalsringes an die Erzbischöfe Vanutelli und Dunajewski.

Spanien.

Der d'esjährige fünfte Geburtstag des jungen Königs Alfonso XIIL, (17. Mai) wurde, wie man der „Pol. Corr,“ aus Madrid vom 31. v M. schreibt, von zahlreihen Damen, Würdenträgern und Militärs zum Anlaß genommen, um Jhrer Majestät der Königin-Negentin einen neuen Be- weis der Bewunderung und Ehrfurcht . zu geben, welche die hohe Frau während der Dauer ihrer Regentschaft in Spanien sich zu erwerben gewußt hat. Die Königin- Regentin beabsihtigte ursprünglich, den Geburtstag im engsten Familienkreise zu feiern, und es wurde erst dann ein größerer Hofempfang vorbereitet, als der Kongreß den Wunsch ausgesprochen hatte, am Geburtstage des Königs der Königin- Regentin die Antwort auf die Thronrede zu unterbreiten und seinen loyalen Empfindungen Ausdruck zu geben. Obwohl keine besonderen Einladungen zu dieser Cour erfolgt waren, fiel dieselbe doch überaus glänzend aus, und hat diese Huldi- gung der Königin-Regentin große Befriedigung gewährt.

_ Die Deputirtenkammer hat in ihrer gestrigen Sipung mit 137 gegen 74 Stimmen den ersten Artikel des Geseß- entwurfs, betreffend die Bank von Spanien, angenommen.

Portugal.

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf Valbom brachte in der gestrigen Sißung der Deputirten-

Maßnahmen zur Erlangung guten Trinkwassers vor Dysenterie, Impfun vor Potenerkrankungen, den drei die Truppe am Meisten Lia

Folgenden als Nyafsa-Land- Distrikte bezeibnet sind, sih unter dem Protektorate Ihrer Majestät der Königin befinden.

kammer das am 28. Mai in London unterzeichnete Ab- kommen mit England ein und erbat von der Kammer

die Ermächtigung für die Regierung, dasselbe zu unterzeichnen und zu ratifiziren. Ju seiner Begründung der Vorlage sagte der Minister, laut Meldung des „W. T. B.“: es bilde die Konvention zwar keinen Triumph, sie sei indessen annehmbar ; er verlangte dafür die Dringlichkeit. Die Vorlage wurde hierauf

der Kommission für auswärtige Angelegenheiten überwiesen. .

Es herrscht die Ansiht, daß der Vertrag unter den gegen- wärtigen Verhältnissen in beiden Kammern keinen Widerspruch erfahren werde.

Schtoeiz.

Jm Nationalrath wurde gestern ein von 20 Mit= gliedern unterzeihneter Antrag eingebracht, in welhem der Bundesrath eingeladen wird, über die Frage Bericht und Antrag zu bringen, ob und in welcher Ausdehnung eine Amnestie auszusprehen sei wegen der den eidgenössischen Assisen überwiesenen Vorfälle im Kanton Tessin vom September 1890 und vom Februar und März 1891. Der Antrag soll am Freitag zur Verhandlung kommen. Die Vorlage wegen Ankaufs von 50 000 Stück Centralbahnafktien ist auf die Tagesordnung für Donnerstag geseßt.

Luxemburg. :

“Luxemburg, 1. Juni. Mit dem fahrplanmäßigen Trierer Schnellzuge traf am Sonnabend Nachmittag der Groß- herzog wieder hier ein. Der Großherzog kam der „Lxb. Ztg. zufolge von Schloß Seegenhaus, wo Seine Königliche Hoheit einige Tage zum Besuch seiner Schwester der Fürstin-Mutter von Wied geweilt hatte; in feiner Begleitung befand sih Kammerherr Freiherr von Einsiedeln. Da der Großherzog sich jeden Empfang verbeten hatte, war die Stunde der An- kunft niht bekannt gemalt worden ; es waren auch nur wenige Personen auf dem Vahnperron anwesend. Empfangen wurde Seine Königliche Hoheit vom Grafen de Villers und dem Eisen- bahn-Direktor de Bary. Der Großherzog bestieg den bereit stehenden offenen Wagen und fuhr, selbst kutschirend, nach dem hiesigen Palais, wo er eine halbstündige Unterredung mit dem Staats-Minister hatte, und darauf nah Schloß Walferdingen weiterfuhr. Eich, Dommeldingen, Bereldingen und Wal!ferdingen hatten geflaggt, der Groß- herzog hatte sih jedoch auch dort jeden Empfang verbeten. Jm S erwarteten ihn der Hof-Marschall Freiherr von Syberg und der Ordonnanz-Offizier Lieutenant Vandyck. Zum Diner am Abend, zu dem die im Park des Schlosses aufgestellte Militärkapelle die Tafelmusik gab, waren die vier Regie- rungsmitglieder und der Major:Kommandant geladzn. Am gestrigen Morgen kam Seine Königliche Hoheit zum Gottes- dienst in die Stadt gefahren. Jn der Kirche wurde er vom Pfarrer Kranichseld an der Spiye des evangelischen Konsistoriums empfangen. Bei seiner Ankunst am Sonn- abend trug der Großherzog den Mantel der Freiwilligen- Compagnie, bei der gestrigen KirHenfahrt hatte er die ganze Uniform mit Tschako angelegt. Er trug die Abzeichen eines Obersten. Am gestrigen Nachmittage wurden der Bürgermeister und der Pastor von Walferdingen vom Großherzog in Audienz empfangen. Abends brachte der Walferdinger Gesangyverein ein Ständchen,

Türkei.

Der Kaiser von Rußland sendete dem Sultan telegraphisch seinen herzlihsten Dank für den dem Großfürsten Georg bereiteten Empfang.

Serbien.

Belgrad, 2. Juni. Als Grund der Hinausschiebung des Termins für die ursprünglih am 1. d. M. anberaumt gewesenen Waffen übungen der Reserven und Milizen wird in Regierungskreisen die Rüsihtnahme auf die Bedürf- nisse der Landwirthschaft angegeben. Die Einberufung der Skupschtina zu einer außerordentlichen Session im Q wird wegen einer Vorlage über die Timokbahn ventilirt.

Schweden und Norwegen.

E, Stockholm, 1. Juni. Der König und die Königin werden am nähsten Sonnabend auf S{hloß Rosendal Wohnung nehmen und ‘daselbst bis Mitte Juli verweilen :

Der bisherige Legationssekretär bei der Gesandtschaft in London Baron Wedel-Farls berg is zum Gesandten in Madrid ernannt; gleichzeitig ist der bisherige Geschäfts- träger in Madrid Graf Wrangel’ in seine frühere Stellung als Legationssekretär bei der Gesandtschaft in Paris zurüc- verseßt worden,

Die Einnahmen der Staatseisenbahnen in den ersten vier Monaten dieses Jahres betragen 7 542 466 Kronen oder 290 368 Kronen mehr und die an das Staatscomptoir abgelieferten Uebers chüfßse 2400 000 Kronen oder 200 000 Kronen «weniger als in der gleichen Zeit des Vorjahres.

Dänemark.

(F) Kopenhagen, 2. Juni. An den Felddiensst- übungen auf der Jnsel Fünen sollen nach der Bestimmung des Kriegs-Ministers theilnehmen: die erste feeländische Bri- gade, das 3. Jnfanterie-Regiment, die fünensche Brigade, das Garde-Husaren-Regiment , das 2. Dragoner-Regiment , die 2. Artillerie-Abtheilung mit 24 Geshüßen und „die 1. und 4, Compagnie des Jngenieur-Regiments. Die Truppen for- miren eine selbständige Uebungsdivision. Der Kronprinz über- nimmt das Oberkommando, mit dem Chef des Generalstabes, General-Major Schroll als Souscef.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Der Sekretär des Schaßes An welcher gegenwärtig mit Spanien über die Ein- ührung von Handelsbeziehungen mit den spanischen Kolonien im Atlantischen Ozean verhandelt, \soll, wie es einem Reuter'shen Telegramm aus Washington zufolge heißt, über einen Rec iprocitätsvertrag auh noch mit einem anderen fich dd dessen Name geheim gehalten werde, in Unterhandlung In Hinsicht auf das Gesetz, welhes das Landen von im Auslande fkontraktlih verpflichteten Arbeitern ver- bietet, ist, wie „R. B.“ aus New-York meldet, eine be- merken8werthe Entscheidung getroffen worden. Jn Scranton im Staat Pennsylvanien hatte eine Gesellshaft den Beschluß gefaßt, eine Gardinenfabrik zu errihten und zu diesem Zweck 60 geschickte Arbeiter aus England kommen zu lassen. Auf eine Anfrage erwiderte der Sekretär des Schaßamts, daß das Geseß das Engagement von auswärtigen tüchtigen Arbeitern niht verbiete, sobald diese für einen neuen, in den Ver-

einigten Staaten noch nicht bestehenden Jndustriezweig bestimmt seien.

Chile. Die Kongreßpartei ist von der Nachbar- Republik Bolivia als kriegführende Maúht anerkannt worden. Die Londoner „Times“ veröffentliht den Text des Dekrets der Regierung von Bolivia, worin dieser Schritt damit be- gründet wird, daß die Beziehungen Bolivias zu der in Jquique hergestellten Regieruna nothwendig seien, da leßtere die Land- strecken von' Antofagasta und Arica beseßt halte und regiere, und Bolivia vertragsmäßig den freien Durchgang für seine Ausfuhr und Einfuhr im erstgenannten Hafen, sowie einen Antheil an den Einnahmen im leßtgenannten genieße.

Afrika.

Nach einer Berechnung von A. J. Wauters umfaßte der Kolonialbesiß der europäishen Staaten folgende Flächen in Quadratkilometern (auf die Tausende abgerundet) im Jahre 1876: Frankreih 733 000, Großbritannien 761 000, Portugal 1 799 000, Türkei 1000, Spanien 9000, das Deutsche Reich, Jtalien und ebenso Belgien sind noch niht vertreten. Im Jahre 1890 stellt sich die Sache folgendermaßen : Frankreich 5957 000, Großbritannien 4 170 000, Deutsches Reih 2 720000, König der Belgier 2491000, Türkei 1 000 000, Stalien 935 000, Spanien 519 000 gkm,

Parlamentarische Nachrichten.

In der beutigen (94.) Sitzung des Hauses der Ab- geordneten, welcher der Finanz-Minister Dr, Miquel und der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden bei- wohnten, stand an erster Stelle auf der Tagesordnung die Fortsezung der Berathung des Berichts der XVIII. Kom- mission über den Antrag der Abgg. Korsch und Genossen auf Annahme eines Geseßentwurfs, betreffend das Verbot des Privathandels mit Staatslotterie- loosen. u erledigen war nur noh die ron der Kommission beantragte Resolution, welche lautet:

Die Königliche Staatsregierung aufzufordern :

I. Die Zahl der Lotterieloose der Königlichen Klafssenlotterie wer noch für das laufende Etatsjahr dem Bedarf entsprechend uer en. | 11. Den Vertrieb der Loose der Königlichen Klafsenlotterie mit thunlichster Sparsamkeit unter Abänderung des bestchenden Systems der Lotterie-Cinnehmer zeitgemäß anzuordnen.

III. Shre Bemühungen für den Erlaß eines Reich8gesetzes eintreten lassen zu wollen, durch welches eine einheitlihe Regelung des Staats- und Privat-Lotteriewesens im Reich und innerhalb der Einzelstaaten angebahnt wird.

Abg. Dr, Ritter empfahl die Annahme aller drei Punkte der Resolution. :

Abg. Richter hielt auf Grund des §. 27 der Geschäfts: ordnung eine Vorberathung der Resolution in der Budget- kommission für erforderli.

Präsident von Köller widersprach dieser Auffassung.

Abg. Dr. Arendt legte die Gründe für eine Vermeh- rung der Loose dar und betonte die Nothwendigkeit einer ein- heitlihen Regelung des Lotteriewesens für das ganze Reich.

Die Abgg. Dr. Sattler und von Eynern sprachen si für, Abg. Olzem gegen die Verweisung der Nr. I. der Resolution an die Budgetkommission aus.

Abg. ckhoff war für Annahme der Nr. 1 und ITL, aber gegen Nr. 11 der Resolution, da eine anderweite Ordnung des Loosevertriebes nicht angezeigt sei.

Regierungskommissar, Geheimer Ober-Finanz-Rath Mar - cinowsfki erklärte, daß die vorhandenè Ungleichheit in der Vertheilung der Loose über das Land sich dur Maßnahme der Verwaltung allein nicht beseitigen lassen werde.

Abg. von Schalscha war für seine Person der Ver- mehrung der Kollekten und Loose geneigt.

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Richter und Dr. Arendt wurde die Debatte geschlossen.

Nr. 1 der Resolution wurde der Budgetkommission über- wiesen, Nr. IT abgelehnt und Nr. 111 angenommen. (Schluß des Blattes.)

Nr. 21 der Veröffentlihungen des Kaiserlihen Ge- sundheitsamts vom 26. Mai hat folgenden Inhalt: Gesund- beits\#and. Mittheilungen über Volöskrankbeiten. Sterbefälle in deutshen Städten von 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in

größeren Städten des Auslandes. -— Erkrankungen in Berliner -

Krankenhäusern. Desgl. in deutshen Stadt- und Landbezirken. Erkrankungen in Krankenhäusern Oesterreihs 1890, 2. Halbjahr. Oeffentlihes Gesundheitswesen im Reg.-Bez. Stade 1886/88, Witterung. Zeitweilige Maßregeln gegen Volkskrankheiten. Thierseuchen in Portugal 1890, 3. Vierteljahr. Neterinär-polizei- lihe Maßregeln. Medizinalgeseßgebung u. |. w. (Preußen. Reg.- Bez. Merseburg.) Maul- und Klauenseuche. (Oesterreih. Kärnten.) Todtenbeshau. (Schluß) (Frankreich. Seine - Depactement.) Niehhandel. Recbtsprehung. (Baden) Entschädigung für an Milzbrand gefallenes Rindvieh. Verhandlungen von geseßgebenden Körperschaften. (Preußen.) Verhandlungen im Abgeordnetenhause über tas Medizinalwesen. Vermischtes. (Preußen. Berlin.) Ver- waltung der \tädtishen Kanalisationtwerke 1889/90.

Nr. 22 des „Centralblatts der Bauverwaltung“, berausgegeben tm Ministerium der öffentlichen Ar- beiten, hat folgenden Inhalt: Das Koch'sche Institut für Anfektionskrankheiten in Berlin, (Fortsezung.) Bau des Nord- Dftsee-Kanals. (Schluß.) Beschädigungen von Pflanzen durch Dämpfe von Pflasterfugen-Ausgußmasse. Lehrer-Seminar in Rerden a. Aller. Bau der We:chen- und Signal-Stellwerke. Vermischtes: Preisertheilung für den Entwurf eines Rindviehstalles. Preitausschreiben für eine evangelis(-lutherishe Kirche in Plauen. Neuerbaute Markthalle in Leipzig. Sönnecken’'s neue Schreib- und Zeichengeräthe. Königliche Technische Hochschule in Hannover. R der Straßenbrücke bei Höflein i. Mähren, August von Kaven #.

Entscheidungen des Reichsgerichts.

Die Verweigerung eines Zeugnisses bei der Ent- lassung des Gesindes odec eines Hausoffizianten über die Führung und das Benebmen deöselben berechtigt, nach einem Urtheil des Reicbsgerihts, 1V. Civilsenats, vom 16. März 1891, im Gebiet des Preußischen Allgemeinen Landrehts ohne Weiteres den Entlassenen zur Klage gegen die Dienstherrshaft auf Shadenersaß ; eine vorhergehende Änrufung der Polizeibehörde gegen die Dienst- herrshaft Behufs Erlangung eines Zeugnisses ist nicht erforderlich.

Jst in einem Eisenbahn-Frachtvertrage vereinbart, daß die Bahnverwaltung für die in unbedeckten Wagen zu trans- portirenden Güter Behufs Verhinderung der s{ädlihen Einwirkung von Regen und Schnee De cken liefere, welche von dem Personal des Absenders über die Güter gelegt werden sollen, fo haftet, nah einem Urtbeil des Reichsgerichts, 1 Civilsenats, vom 18. April 1891, die Bahnverwaltung für die Lieferung zweckentsprehender und

brauchbarer Decken, auh wenn die Nichthaftung für die aus dem Tranéport in offenen Wagen verbundene Gefahr ausbedungen ift.

Kunst und Wissenschaft.

8. In der Sißung des Vereins für innere Medizin am Montag, in welcher zunäbst einige Themata von vorwiegend fah- männishem Interesse erörtert wurden, \prach zum Schlusse Hr. Dr. Gußmann über „Wesen und Ausbreitung der Spra cch- stôörungen unter der Shuljugend Preußens.“ Es handelt ch bier, wie der Vortragende ausführte, im Wesentliben um das Stottern und um das Stammeln: ersteres stellt sih als ein organischer Fehler, leßteres als folcher in der Aussprache dar. Der Stammler fann auch gleichzeitig Stotterer sein, und bei Kindern findet man bäufig beide Sprachgebrecen vereinigt. Demosthenes war aleihfalls mit beiden Fehlern behaftet: er stieß beim Reden an und stotterte auch außertem. Um den Sprachstörungen entgegen- zuarbeiten, ist es erforderli, der Entwickelung der Sprache dcs Kindes zu folgen. Kußmaul untersckeidet hier drei Perioden. Die erfte reiht bis zum Ablauf des ersten Vierteljahres und fällt zusammen mit der Zeit der ersten Greif - versuce ; das Lallen des Säuglinas erscheint, ebenso wie jenes Greifen, als der Trieb, die betreffenden Musfeln in Bewegung zu seßen. Es folgt dann die Periode, in welcher das Kind zu forsden und zu hören beginnt, um darauf na{zuspre{en. Ez" ivird hier also der Naturlaut dur die Muttersprache verdränat und die Nachahmung, zunächst allerdings ohne Verständniß, greift Play. Diese Periode der Laut- nahabmung ist für die Spraentwickelung von ganz hervorragender Bedeutung, und die Eltern sollten sorgfältig darguf bedacht sein, alle etwa schâdlich wirkenden Einflüsse fern zu halten. Die Luft zur Lautnahahmurg erwaht bei den einzelnen Kindern zu ganz verschiedenen Zeitpunkten. Als Grund e die exst später geübte Lautnahahmung ist indessen durhaus nit mangelnde Intelligenz, fondern eine gewisse Sprech{faulheit geltend zu machen, die au ein lanasameres Sprechenlernen im Ge- folge hat. In der dritten Entwickelungs8periode wird die Sprache zum Gedankenautdruck, und hier”ist es, wo der Grund zum Stottern gelegt zu werden pflegt. Besonders nothwendig erscheint es, darauf aufmerksam zu sein, daß ein Ueberstürzen und Poltern. beim Sprechen unterbleibt, denn diese Unarten führen zum Stottern. Wenn den Kindern korrekt vorgesprohen wird, lernen sie au ebenso nachs\prechen, und bei Ueberwahung der Sprahübungen müssen die Eltern den rihtigen Grad von Strenge und Milde zu treffen wissen. Häufig zeigt ih nun bei Kindern, die im elterlihen Hause keine Disposition zum Stottern bekundet haben, eine folche sofort beim Sthulbesu, wo die Scheu vor der fremden Umgebung zum Ausdruck gelangt. Das Uebel pflegt dann {nell zu wachsen, nah vierwöchigem Sgwulbesuch hat es si vollständig eingenistet, und die Annahme, daß das Stottern vielfah von selber wieder vershwinde, ist eine völlig falsche. Die Ansteckungsgefahr ift eine große, und wenn jeßt die Ent- fernung stotternder Kinder aus der Schule und die energishe Ves handlung dieses Sprachgebrechens verlangt wird, so fann das nur gerechtfertigt ersheinen. Umfassendes ftatistisches Material über die PBerbreitung des Uebels ist gesammelt worden. Danach beträgt das Minimum \totternder Shulkinder überhaupt 1/0, in Dresden steigt dieser Saß jedo auf 29% und in Berlin beträgt derselbe auch über 19%. Fast sämmtlihz Statistiken ergeben eine auffallende Zunahme der Stotterer in den S6ulenz; dieselbe ist stellenweise eine dreifacbe, da z. B. in Berlin der Prozentsatz stotternder Kinder vom Eintritt in die Schule bis ¿um Verlassen derselben von 0,5 auf 1,5 gestiegen is. Die Gründe für diese beforgnißerregende Zunabme des Stotterns in ter Shule sind in dem ansteckenden Beispiele und in der un- genügenden Berücksichtigung der sprahlihen Entwickelung zu suchen; in letzterer Hinsicht könnte vieles zu erfolgreiher Bekämpfung des funktionellen Stammelns geshehen. Nachdem der Vortragende noch darauf hingewiesen, daß der Prozentsaß von Stotterern männlichen Geschlechtes ein bedeutend höherer als der des weiblichen sei, trat er der sogenannten Armutbstheorie, daß das Stottern besonders der ärmeren Bevölkerungsklafse anhafte, mit Entschiedenheit unter Bes tonung der Thatsache entgegen, daß er selber das Vorkommen von Stottern viel häufiger in den besseren als in den ärmeren Stände" beobachtet habe. Die Inangriffnahme therapeutischer Maßregeln gegen das um ih greifende Uebel ist in überaus dankenswerthzer Weise von dem Staats-Minister Dr. von Goßler ausgegangen. Der auf Ver- anlassung der Potsdamer Regierung zuerst auf diesem Gebiet aus- gebildete Lehrer hat in seinem ersten Kursus von 12 stotternden Kindern 11 glücklich geheilt, während die Heilung des zwölften noch im Laufe des zweiten Kursus gelang. Im Ganzen sind bisber in 7 Kursen 146 aus verschiedenen Regierungsbezirken nach Berlin gesandte Theilnehmer in der Sprachheilkunde unterrichtet worden, und diese haben nach den vorliegenden Berichten der betheiligten Re- gierungen durhweg überaus günstige Erfolge erzielt. Nachdem der Vortragende betont, daß es kein Gebiet der Medizin gebe, welches in solhem Maße, wie die Sprachheilkunde, die Aufmerksamkeit der Päâdagogen beanspruchen dürfe, erklärte er zum Schluß seiner Aus- führungen, daß es seine Absicht gewesen, den behandelten Gegenstand der besonderen Aufmerksamkeit der praktischen Aerzte zu empfehlen, welche sich auch auf diesem Gebiet als treue Berather der Familien bewähren könnten, a

D. August Franke, Professor der Theologie, welcher früber in Halle, zuleßt in Kiel lehrte, ist nach einer Meldung des „W,. T. B * an einem langwierigen Lungenleiden am Sonntag in Montreux gestorben. _

—- Der nädste Juristentag soll, wie {hon gemeldet, vom 10, bis 12. September in Köln stattfinden. Das Haupt- thema wird die Frage der bedingten Verurtheilung bilden. Weiterhin sind Gegenstand der Tagesordnung noch Themata des bürgerlihen Geseßbuches wie die Regelung des Inventar- rechtes, die Mißbräuhe der Abzablungsgeshäfte, die Rück- wirkung der Kompensation, die Indossirung der Lagerscheine, die Rechts\tellung des Testaments-Vollstreckers, das echelihe Güterret, die Vershollenheits-Erklärung u. a. Arßerdem als strafrechtliche Themata die Strafbarkeit der Trunksuht, das Verhältniß zwifchen Geld- und Freiheitsstrafen, die Beibehaltung der Chescheidungsstrafen.

Ein ebenso werthvoller als in wissen haftlicher Beziehung bhocinteressanter neuer Sil berfund ist, wie uns aus Kopenhagen geschrieben wird, am Sonnabend in einem Torfmoor nähst dem Dorfe Aars bei Hobro in Jütland gemacht worden. Der Fund besteht aus ciner großen flachen silbernen Sale von 70 cm Durch- messer und 21 ecm Höhe mit get ogenem Rande, an welchem auswendig sieben gebozene Platten von gleiher Höhe befestigt gewesen sind, die, lothrecht herabhängend, eine äußere Bekleidung der Schale bildeten. Auf jeder Platte sieht man eine größere stark erhabene Menfchen- figur (oder Götterbild); deren Augen gläserne Pupillen zeigen, sowie mehrere kleinere Menschen- und Thierfiguren, Attribute u. . w. In der Schale selbst wurde eine lofe runde Platte gefunden, die cine Thierfigur in stark getriebener Arbeit zeigt. Fünf recht- winklige Platten, jede 21 cm lboch und 40 em lang, zeigen in mehr oder minder ftark getriebener Arbeit 24 Menschen- und 38 Thier- figuren als: Greife, Löwen, Wölfe, E Vögel u. \. w. Diese Platten erscheinen als die Bekleidung eines Altars, Alle diese Gegenstände sind aus massivem Silber gearbeitet und wiegen zusammen 20 Pfund. Die Arbeiten, welche deutlibe Spuren feiner Gold- belegung zeigen und rômishe Einwirkung verrathen, sind kräftig und tüchtig ausgeführt. Der offenbar aus dem Anfang des Eifenalters stammende Fund ist der einzige seiner Art in Skandinavien. Das altnordische Museum in Kopenhagen wird durch diefen außerordent» lihen Fund wieder eine bemerkenswerthe Bereicherung erhalten.

Land- und Forstwirthschaft. Grnte-Aussichten.

__ An der Pariser Getreidebörse wurde der Ertrag der dies- jährigen Getreideernte Frankreichs auf ?/z einer gewöhn»

lichen vollen Ernte ge\chäßt.