1891 / 133 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 09 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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m E en S Cre E iee rrm rIIC.S 2.742: 00A:

Arbeiterinnen über sechszehn Jahre, welche ein auswesen zu besorgen haben, sind auf ihren Antrag eine halbe Stunde vor der Mittagspause zu entlassen, sofern diese niht mindestens ein und eine Falke Stunde beträgt. j

Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nah ihrer Niederkunft E nicht und während der folgenden zwei Wochen nur beschäftigt werden, wenn das Zeugniß eines approbirten Arztes dies für na erklärt.

Sollen Arbeiterinnen oder jugendliche Arbeiter in Fabriken beschäftigt werden, so hat der Arbeitgeber vor dem Beginn der Beschäftigung der Ortspolizeibehörde eine schriftliche Anzeige

achen.

N Tae der Anzeige sind die Fabrik, die Wochentage, an welchen die Beschäftigung stattfinden soll, Beoinn und Ende der Arbeits- zeit und der Pausen, sowie die Art der Beschäftigung an- ugeben. Eine Aenderung hierin darf, abgesehen von Ver- bagen, welche durch Erseßung behinderter Arbeiter für einzelne Arbeitsschichten nothwendig werden, nicht erfolgen, bevor eine entsprehende weitere Anzeige der Behörde gemacht ist. In jeder Fabrik hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß in den Fabrikräumen, in welchen jugendliche Arbeiter beschäftigt werden, an einer in die Augen fallenden Stelle ein Verzeichniß der jugendlichen Arbeiter unter Angabe ihrer Arbeitstage, sowie des Beginns und Endes ihrer Arbeitszeit und der Pausen ausgehängt ist. Ebenso hat er dafür zu sorgen, daß in den betreffenden Räumen eine Tafel ausgehängt ist, welche in der von der Centralbehörde zu bestimmenden Fassung und in deut- liher Schrift einen Auszug aus den Bestimmungen über die Beschäftigung von Arbeiterinnen und jugendlichen Arbeitern

enthält. 8. 1384,

Wegen außergewöhnlicher Häufung der Arbeit kann auf Antrag des Arbeitgebers die untere Verwaltungsbehörde auf die Dauer von zwei Wochen die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sechszehn Jahre bis zehn Uhr Abends an den Wochen- tagen außer Sonnabend unter der Vorausseßung gestatten, daß die tägliche Arbeitszeit dreizehn Stunden nicht überschreitet. Jnnerhalb eines Kalenderjahres darf die Er aubniß einem Arbeitgeber für seinen Betrieb oder für eine Abtheilung seines Vetricbes auf mehr als vierzig Tage nicht ertheilt werden.

Für eine zwei Wochen überschreitende Dauer kann die gleihe Erlaubniß nur von der höheren Verwaltungsbehörde und au von dieser für mehr als vierzig Tage im Jahre nur dann ertheilt werden, wenn die Arbeitszeit Bis den Betrieb oder die betreffende Abtheilung des Betriebes fo geregelt wird, daß ihre täglihe Dauer im Durchschnitt der Betriebstage des Jahres die regelmäßige geseßliche Arbeitszeit nicht überschreitet.

Der Antrag ist shriftlih zu stellen und muß den Grund, aus welchem die Erlaubniß beantragt wird, die Zahl der in Betracht kommenden Arbeiterinnen, das Maß der längeren Beschäftigung, sowie den B angeben, für welchen die- selbe stattfinden soll. Der Bescheid der unteren Verwaltungs- behörde auf den Antrag ist binnen drei Tagen schriftlich zu ertheilen. Gegen die Versagung der Erlaubniß steht die Be- schwerde an die vorgeseßte Behörde zu. |

Die untere Verwaltungsbehörde hat über die Fälle, in welchen die Erlaubniß ertheilt worden ist, ein Verzeichniß zu führen, in welhes der Name des Arbeitgebers und die für b S Antrag vorgeschriebenen Angaben einzu- tragen fin i | 10

Die untere Verwaltungsbehörde kann die Beschäftigung von Arbeiterinnen über sech8zehn Jahre, welche kein Haus- wesen zu besorgen haben und eine Fortbildungsschule nicht besuchen, bei den im §8. 105c Absaß 1 unter Ziffer 2 und 3 bezeihneten Arbeiten an Sonnabenden und Vorabenden von Festtagen Nachmittags nah fünfeinhalb Uhr, jedoch nicht über achteinhalb Uhx Abends hinaus, gestatten. Die Erlaubniß ist schriftlih zu ertheilen und A rbeitgeber zu verwahren.

S. 139.

Wenn Naturereignisse oder Unglücksfälle den regelmäßigen Betrieb einer Fabrik unterbrochen haben, so können Aus- nahmen von den in §8. 135 Absay 2 und 3, 136, 137 Absaß 1 bis 3 vorgesehenen Beschränkungen auf die Dauer von vier Wochen durch die höhere Verwaltungsbehörde, auf längere

eit dur den Reichskanzler zugelassen werden. Jn dringenden Fällen solcher Art, sowie zur Verhütung von Unglücksfällen ann die untere Verwaltungsbehörde, jedoch höchstens auf die Dauer von vierzehn Tagen, solche Ausnahmen gestatten.

Wenn die Natur des Betriebes oder Rücksichten auf die Arbeiter in einzelnen Fabriken es erwünscht erscheinen lasen, daß die Arbeitszeit der Arbeiterinnen oder jugendlichen Arbeiter in einer anderen als der dur 88. 136 und 137 Absaß 1 und 3 vorgesehenen Weise geregelt wird, so kann auf besonderen An- trag eine anderweite Regelung hinsichtlih der Pausen durch die höhere Verwaltungsbehörde, im Uebrigen durch den E kanzler gestattet werden. Jedoch dürfen in solhen Fällen die jugendlichen Arbeiter nicht E als sehs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden niht Pausen von zusammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden.

Die auf Grund vorstehender Bestimmungen zu treffenden Verfügungen müssen \hriftlich erlassen werden. S. 139 à,

Der Bundesrath ist ermächtigt :

1) die Verwendung von Arbeiterinnen, sowie von jugend- lihen Arbeitern für gewisse Fabrikationszweige, welche mit besonderen Gefahren für Gesundheit oder Sittlichkeit verbunden sind, gänzlich zu untersagen oder von besonderen Bedingungen abhängig zu machen ; :

2) für Fabriken, welche mit ununterbrochenem ie be- trieben werden, oder welche sonst durch die Art des Betriebes auf eine regelmäßige Tag- und Nachtarbeit angewiesen sind, sowie für solche Fabriken, deren Betrieb eine Eintheilung in regelmäßige Arbeitsschichten von gleiher Dauer nicht gestattet oder seiner Natur nah auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt ist, Ausnahmen von den in 88. 135 Absay 2 und 3, 136, 137 Absaß 1 bis 3 vorgesehenen Bestimmungen nachzulaf}sen;

3) für gewisse Fabrikationszweige, soweit die Natur des Betriebes oder die Rücksicht auf die Arbeiter es erwünscht er- scheinen lassen, die Abkürzung óder den Wegfall der für jugend- liche Arbeiter vorgeschriebenen Pausen zu gestatten:

4) für Fabrikationszweige, in denen regelmäßig zu gewissen

ge des Jahres ein vermehrtes Arbeitsbedürfniß eintritt, usnahmen von den Bestimmungen des 8. 137 Absag 1 und 2

mit der Maßgabe zuzula}en, daß die tägliche Arbeitszeit dreizehn

Stunden, an Sonnabenden 10 Stunden nicht über{chreitet.

In den Fällen zu 2 darf die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit für Kinder „sechsunddreißig Stunden, für junge Leute sechszig, für Arbeiterinnen fünfundsechszig, in Ziegeleien für junge Leute und Arbeiterinnen fiebzig Stunden nicht

überschreiten. Die Nachtarbeit darf in vierundzwanzi Stunden die Dauer von zehn Stunden nicht überschreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesammt- auer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Die Tagschichten und Nachtshichten müssen en wechseln.

In den Fällen zu 3 dürfen die jugendlichen Arbeiter nicht länger als sechs Stunden beschäftigt werden, wenn zwischen den Arbeitsstunden niht eine oder mehrere Pausen von zu- sammen mindestens einstündiger Dauer gewährt werden. :

In den Fällen zu 4 darf die Erlaubniß zur Ueberarbeit für mehr als vierzig Tage im Jahre nur dann ertheilt werden, wenn die Arbeitszeit so geregelt wird, daß ihre tägliche Dauer im Durchschnitt der Betriebstage des Jahres die regelmäßige geseßliche Arbeitszeit niht überschreitet.

Die durch Beschluß des Bundesraths N Be- stimmungen sind zeitlih zu begrenzen und können auch für bestimmte Bezirke erlassen werden. Sie sind durch das Reichs- Geseßblatt zu veröffentlihen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritt zur Kenntnißnahme vorzulegen.

V. Aufsicht. 8. 139b,

Die Aufsicht über die Ausführung der Bestimmungen der SS. 105a, 105b Absaß 1, 105c bis 105h, 120a bis 120e, 134 bis 139a ist ausshließlich oder neben den ordentlichen Polizeibehörden besonderen von den Landesregierungen zu er- nennenden Beamten zu übertragen. Denselben stehen bei Aus- übung dieser Aufsicht alle amtlichen Befugnisse der Ortspolizei- behörden, insbesondere das Recht zur jederzeitigen Revision der Anlagen zu. Sie sind, vorbehaltlich der Anzeige von Geseß- widrigkeiten, zur Geheimhaltung der amtlich fl ree Kenntniß gelangenden Geschäfts- und Betriebsverhältnisse der ihrer

eviston unterliegenden Anlagen zu verpflichten. :

Die Ordnung der Zuständigkeitsverhältnifse wischen diesen Beamten und den ordentlichen Polizeibehörden bleibt der ver- fassungsmäßigen Regelung in den einzelnen Bundesstaaten A E

Die erwähnten Beamten haben Jahresberichte über ihre amilihe Thätigkeit zu erstatten. Diese Jahresberichte oder Auszüge aus denselben sind dem Bundesrath und dem Reichs- tage vorzulegen. Í :

Die auf Grund der Bestimmungen der §8. 105 a bis 105 h, 120a bis 120e, 134 bis 139 a auszuführenden amt- lichen Revisionen müssen die Arbeitgeber zu jeder Zeit, namentlich auch in der Nacht, während des Betriebes gestatten.

Die Arbeitgeber stnd ferner verpflichtet, den genannten Beamten oder der Polizeibehörde diejenigen statistischen Mit- theilungen über die Verhältnisse E rbeiter zu machen, welche vom Bundesrath oder von der Landes-Centralbehörde unter Be aug der dabei zu beobachtenden Fristen und Formen vorgeschrieben werden.

Artikel 4.

Der Titel IX der Gewerbeordnung erhält folgende Fassung:

Titel LX, Statutarische Bestimmungen. 8. 142.

Statutarische Bestimmungen einer Gemeinde oder eines weiteren Kommunalverbandes können die ihnen durh das Geseß überwiesenen gewerblichen Gegenstände mit verbindlicher Kraft ordnen. Dieselben werden nah Anhörung betheiligter Gewerbetreibender und Arbeiter abgefaßt, bedürfen der Ge- nehmigung der höheren Verwaltungsbehörde und sind in der für Bekanntmachungen der Gemeinde oder des weiteren Kom- munalverbandes vorgeschriebenen oder üblichen Form zu ver- öffentlichen. , #0

Die Centralbehörde ist befugt, statutarische Bestimmungen, welche mit den Geseßen oder den statutarischen Bestimmungen des weiteren Kommunalverbandes im Widerspruch stehen, außer

Kraft zu seßen. He Ie Artikel 5.

Der Absay 2 des §. 98a Nr. der Gewerbeordnung erhält folgende Fassung: ,

b, die Ueberwachung der Beobachtung der in 88. 41a, 105a bis 105g, 120 bis 120e, 126, 127 vor- gesehenen Bestimmungen durch die Jnnung,

Artikel 6. Die Strafbestimmungen des Titels X der Gewerbeordnung werden wie folgt abgeändert: : 4 Die Ziffern 1, 2 und 3 des §. 146 Absay 1 erhalten folgende Fassung: : 1) Gewerbetreibende, welche dem §. 115 zuwiderhandeln ; 2) Gewerbetreibende, welche den 88. 135, 136, 137 oder den auf Grund der §8 139 und 139a getroffenen Verfügungen zuwiderhandeln; 3) Gewerbetreibende, welhe den 88. 111 Absaß 3 und 113 Absay 3 zuwiderhandeln; L 2) Dem 8. 146 wird folgender Absatz beigefügt: Der 8. 75 des ériditoverfäfunasgefetes findet Anwendung. 3)- Hinter 8. 146 wird e . 146 a, Mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark, im Unvermögensfalle mit Haft wird bestraft, wer den SS. 105b bis 105g oder den auf Grund derselben erlassenen Anordnungen zuwider Arbeitern an Sonn- und Festtagen Beschäftigung giebt oder den 88. 41a und 55a, oder den auf Grund des 8. 105b Absayß 2 alcuen statutarishen Bestimmungen zuwider- andelt. 4) Die Ziffer 4 des 8, 147 Absay 1 erhält folgende Fassung:

4) wer den auf Grund des 8. 120d ag erlassenen Verfügungen oder den auf Grund des 8. 120e er- lassenen Vorschriften C A giA i

5) Hinter Ziffer 4 des 8. 147 Absay 1 wird eingeschaltet :

5) wer eine Fabrik betreibt, für welche eine Arbeits- ordnung (§8. 134a) nit besteht, oder wer der end- gültigen Anordnung der Behörde wegen Ersegung oder Abänderung der Arbeitsordnung (8. 134) nicht nahkommt.

6) Der §. 147 erhält am Schluffe folgenden neuen Absahÿ:

Jn dem Falle zu 4 kann die Pole oe bis

zur Herstellung des der Cerflgung oder der Vorschrift

entsprechenden Zustandes die Einstellung des Betriebes,

soweit derselbe dur die Verfügung oder die Vorschrift

bebe wird, anordnen, Falls dessen Se ung er-

eblihe Nachtheile oder Gefahren herbeizuführen ge- eignet sein würde. y

7) Der 8. 148 Absaß 1 erhält folgende Zusäße: :

11) wer der Bestimmung des 8. 134c vlas 2 zuwider gegen Arbeiter Strafen verhängt, welche in ‘der Acbäbordnung nicht vorgesehen jind oder den geseß- lih zulässigen Betrag übersteigen, oder wer Straf- gelder oder die im 8. 134b Nr. 5 bezeichneten Be- träge in einer in der Arbeitsordnuung nicht vorgesehenen Weise verwendet ;

12) wer es unterläßt, der durh 88. 134e Absay 1 und 1340 für ihn begründeten Verpflihtung nach- zukommen;

13) wer dem §. 115a oder den auf Grund des 8. 119a erlassenen statutarischen Bestimmungen I QeIE,

8) Die Ziffer 7 des 8. 149 Absaß 1 erhält folgende Fassung :

7) wer es unterläßt, den dur §8. 105c Äbsay 2, 134e 108 2, 138, 138a Absag 5, 139b für ihn be- gründeten Verpflichtungen nachzukommen;

9) Die Ziffer 2 des 8. 150 erhält Me Fassung:

2) wer außer dem im 8. 146 Wer 3 vorgesehenen Falle den Bestimmungen dieses Gefeßes in Ansehung der Arbeitsbücher zuwiderhandelt;

D Der 8. 150 erhält folgende Zusäße:

4) wer den Bestimmungen des §. 120 Absay 1 oder einer auf Grund des §. 120 Absaß 3 erlassenen statutarischen Deeiung zuwiderhandelt;

5) wer es unterläßt, den durch 8. 134c Absaß 3 für ihn begründeten Verpflichtungen nachzukommen.

Landesgeseßliche Vorschriften gegen die Verleßung der Schulpflicht, nah welchen eine höhere Strafe eintritt, werden durch die Bestimmung unter Ziffer 4 nicht berührt.

11) Der Absaz 1 des §. 151 erhält folgende Fassung:

Sind bei der Ausübung des Gewerbes polizeiliche Vorschriften von Personen übertreten worden , welche der Gewerbetreibende zur Leitung des Betriebes oder eines Theiles desselben oder zur Beaufsichtigung be- stellt hatte, so trifft die Strafe diese Leßteren. Der Gewerbetreibende 1st neben denselben strafbar, wenn die Uebertretung mit seinem Vorwissen begangen ist oder wenn er bei der nah den Verhältnissen mög- lichen eigenen Beaufsichtigung des Betriebes, oder bei der Auswahl oder der Ba tiauna der Betriebs- leiter oder Aufsichtspersonen es an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen.

Artikel 7.

An Stelle des §. 154 der Gewerbeordnung treten folgende Bestimmungen : A

Die Bestimmungen der §8. 105 bis 133 e finden auf Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken, die Bestimmungen der SS. 105, 106 bis 119 b, 120a bis 133 e auf Gehülfen und Lehrlinge in Handelsgeschäften keine Anwendung.

Die Bestimmungen der §8. 134 bis 139b finden auf Arbeitgeber und Arbeiter in Hüttenwerken, in Zimmerpläßen und anderen Bauhöfen, in Werften sowie in solchen Ziegeleien, über Tage betriebenen Brüchen und Gruben, welche nit bloß vorübergehend oder in geringem Umfang betrieben werden, entsprehende Anwendung. Darüber, ob die Anlage vorüber-

chend oder in geringem Umfang betrieben wird, entscheidet fie höhere Verwaltungsbehörde endgültig.

Die Bestimmungen der 88. 135 bis 139b finden auf Arbeitgeber und Arbeiter in Werkstätten, in welhen dur elementare Kraft (Dampf, Wind, Wasser, Gas, Luft, Elek: trizität u. st. w.) bewegte Triebwerke niht bloß vorübergehend zur Verwendung kommen, mit der Maßgabe entsprehende An- wendung, daß der Bundesrath für gewisse Arten von Be- trieben Ausnahmen von den in 88. 135 Absay 2 und 3, 136, 137 Absaß 1 bis 3 und 138 vorgesehenen Bestimmungen nach- lassen kann. ; j

Auf andere Werkstätten sowie auf Bauten können durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths die Bestimmungen der §8. 135 bis 139b ganz oder 1 Ada ausgedehnt werden. Werkstätten, in welchen der Ar eitgeber aus|chließlich zu seiner Familie gehörige Personen beschäftigt, fallen unter diese Bestimmungen nicht. j

Die Kaiferlihen Verordnungen, sowie die Ausnahme- bestimmungen des Bundesraths können A für bestimmte Bezirke erlassen werden. Sie sind dur das Reichs-Gesegblatt

u veröffentlihen und dem Reichstage bei seinem nähsten Zu- umntenteitt zur Kenntnißnahme vorzulegen. S. 154a, i

Die Bestimmungen der §8. 115 bis 119a, 135 bis 139b, 152 und 153 finden auf die Besißer und Arbeiter von Berg- werken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unterirdish be- triebenen Brüchen oder Gruben entsprehende Anwendung.

Arbeiterinnen hätt: in Anlagen der vorbezeichneten Art niht unter Tage beschäftigt werden. Zuwiderhandlungen unter- liegen der Strafbestimmung des §. 146.

Artikel 8.

Der §. 155 der Gewerbeordnung erhält folgende ung:

Wo in diesem Geseyze auf die Landesgeseße verwiesen ist, sind unter den leßteren auch die verfassungs- oder gesezmäßig erlassenen Verordnungen verstanden. :

Welche Behörden in jedem Bundesstaate unter der Be- eihnung: höhere Verwaltungsbehörde, untere Verwaltungs- behörde, Gemeindebehörde, Ortsbehörde, Unterbehörde, Polizei- behörde, Ortspolizeibehörde und welhe Verbände unter der Bezeichnung weitere Kommunalverbände zu verstehen sind, wird von der Centralbehörde des Bundesstaates bekannt gemacht

Für die unter ias Und Staatsverwaltung stehenden Betriebe können die den Polizeibehörden, unteren und höheren Verwaltungsbehörden durch die 88. 105b Absaß 2, 105€ Absaß 2, 105e, 105f, 115a, 120d, 134e, 134f, 134g, 138 Ablas 1, 138a, 139, 139b übertragenen Befugnisse und Ob- liegenheiten auf die der Verwaltung dieser Betriebe vorgeseßten Dienstbehörden übertragen werden.

(Schluß in der Zweiten Beilage.).

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

.W 133.

(SÿHluß aus der Ersten Beilage.)

Artikel 9.

Der Zeitpunkt, an welchem die in 88, 41a, 55a, 105a bis 105f, 105h, 105i und 154 Absag 3 getroffenen Be- stimmungen ganz oder theilweise in Kraft treten, wird durch Kaiserliche Verordnung mit Zustimmung des Bundesraths be- seimmi, Vis dahin bleiben die bisherigen geseßlichen Be- [timinüungen in Kraft.

Die Bestimmungen der 88. 120 und 150 Ziffer 4 treten mit dem 1. Oktober 1891 in Kraft.

Jm Uebrigen tritt dieses Geseß mit dem 1. April 1892 in Kraft.

__ Für Kinder im Alter von zwölf bis vierzehn Jahren und für junge Leute zwischen vierzehn und sehszehn Jahren, welche vor Verkündung dieses Gesezes bereits in Fabriken oder in den in S8. 154 Absaß 2 bis 4 und 154a bezeichneten gewerb- Mh Anlagen beschäftigt waren, bleiben die A Mod gesetz- lichen Bestimmungen bis zum 1. April 1894 in Kraft.

Für Betriebe, in welchen vor Verkündung dieses Gesetzes Arbeiterinnen über sechszehn Jahre in der Nachtzeit beschäftigt worden sind, kann die Landes-Centralbehörde die Ermächtigung ertheilen, längstens bis zum 1. April 1894 solche Arbeiterinnen in der bisherigen Anzahl während der Nachtzeit weiter zu be- schäftigen, wenn die Fortführung des Betriebes im bisherigen Umfang bei Beseitigung der Nachtarbeit Betriebsänderungen bedingt, welche ohne unverhältnißmäßige Kosten nicht früher hergestellt werden können. Die Nachtarbeit darf in vierund- pati Stunden die Dauer von zehn Stunden nicht über- chreiten und muß in jeder Schicht durch eine oder mehrere Pausen in der Gesammtdauer von mindestens einer Stunde unterbrochen sein. Die Tagschichten und Nachtschichten müssen wöchentlich wechseln. 4

Urkundlih unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlihen Jnsicgel.

Gegeben Kiel an Bord Meiner Yacht „Meteor“, ‘den L. Juni 1891.

(L. S.) Wilhelm * Fk] von Caprivi.

“A SEEi

gr —r-- G c s c B, ¿4 betreffend den Schuß von Gebrauchsmustern. Vom 1. Juni 1891.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen des Reichs, nah erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstages, was folgt:

Sl

Modelle von Arbeitsgeräthschaften oder Gebrauchsgegen- ständen oder von Theilen derselben werden, insoweit sie dem Arbeits- oder Gebrauchszweck durch eine neue Gestaltung, An- R oder Vorrichtung dienen sollen, als Gebrauchsmuster nah Maßgabe dieses Geseßes geschüßt. F

Modelle gelten insoweit niht als neu, als sie zur Zeit der auf Grund dieses Geseßes erfolgten Anmeldung bereits in öffentlihen Druckschriften beschrieben oder im Jifatbe offen- kundig benugt sind.

5 S 2

Modelle, für welche der Schuß als Gebrauchsmuster ver- langt wird, sind bei dem Patentamt \hriftlich anzumelden.

Die Anmeldung muß angeben, unter welcher Bezeichnung das Modell eingetragen werden und welche neue Gestaltunc oder Vorrichtung dem Arbeits- oder Gebrauchszweck dienen oll.

Jeder Anmeldung ist eine Nach- oder Abbildung des Modells beizufügen. è

Ueber die sonstigen Erfordernisse der Anmeldung trifft das Patentamt Bestimmung.

Gleichzeitig mit der Anmeldung ist für jedes angemeldete Modell eine Gebühr von fünfzehn Mark einzuzahlen.

Entspricht die Anmeldung den Anforderungen des 8. 2, so verfügt das Patentamt die Eintragung in die Rolle für Gebrauchsmuster.

Die Eintragung muß den Namcn und Wohnsiß des An- melders, sowie die Zeit der Anmeldung angeben.

__ Die Eintragungen sind durch den Reichs - Anzeiger in bestimmten Fristen bekannt zu machen.

Aenderungen in der Vers des Eingetragenen werden auf Antrag in der Rolle vermerkt.

Die Einsicht der Nolle sowie der Anmeldungen, auf Grund deren die Eintragungen erfolgt sind, steht jedermann frei.

S4. „Die Eintragung eines Gebrauchsmusters im Sinne des J. 1 hat die Wirkung, daß dem Eingetragenen auss\chließlich das Necht zusteht, gewerbsmäßig das Muster nachzubilden, die durch Nachbildung hervorgebrachten Geräthschaften und Gegen- stände in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen.

‘Das durch eine spätere Anmeldung begründete Recht darf, soweit es in das Recht des auf Grund früherer Anmeldung Eingetragenen eingreift, ohne Erlaubniß des leßteren niht aus- geübt werden.

Wenn der wesentliche Jnhalt der Eintra ung den Be- shreibungen, Zeichnungen, Modellen, Geräthschaften oder Ein- rihtungen cines Anderen ohne Einwilligung desselben ent- nommen ist, so tritt dem Verlezten gegenüber der Schuß des Gesetzes nicht ein.

8. 5. __ Soweit ein nach §. 4 begründetes Necht in ein Patent eingreift, dessen Anmeldung vor der dung des Modells erfolgt ist, darf der Eingetragene das Recht ohne Erlaubniß des Patentinhabers niht ausüben.

JImgleichen darf, soweit in ein nach 8. 4 begründetes Recht durch ein später angemeldetes Patent eingegrisfen wird, das Recht aus diesem Patent ohne Erlaubniß des Eingetragenen niht ausgeübt werden.

Berlin, Dienstag, den 9. Juni

8. 6.

Liegen die Erfordernisse des 8. 1 nicht vor, so hat jeder- mann gegen den Eingetragenen Anspru auf Löschung des Gebrauchsmusters.

Im Falle des §. 4 Absay 3 steht dem Verleßten ein An- spruch auf Löschung zu.

S Das durch die Eintragung A Recht geht auf die Erben über und kann beschränkt oder unbeschränkt durch Ver- rag oder Verfügung von Todeswegen auf andere übertragen werden.

8. 8.

__Die Dauer des Schutzes ist drei Jahre; der Lauf dieser Zeit beginnt mit dem auf die Anmeldung folgenden Tage. Bei Zahlung einer weiteren Gebühr von sehzig Mark vor Ablauf der Zeit tritt eine Verlängerung der Schußfrist um E NOEE ein, Die Verlängerung wird in der Rolle ver- merkt.

Wenn der Eingetragene während der Dauer der Frist A Rie Schuß Verzicht leistet, so wird die Eintragung ge- öscht.

Die nicht in Folge von dp! der Frist stattfindenden Löschungen von Eintragungen sind durch den Reichs-Anzeiger in bestimmten Fristen bekannt zu machen.

C

Wer wissentlich oder aus grober Fahrlässigkeit den Be- stimmungen der §8. 4 und 5 zuwider ein Gebrauchsmuster in iung nimmt, ist dem Verleßten zur Entschädigung ver- pslichtet.

„Die Klagen wegen Verleßung des Schußrechtes verjähren rücksichtlich jeder einzelnen dieselbe begründenden Handlung in drei Jahren.

8, 10.

Wer wissentlih den Bestimmungen der 88. 4 und 5 zu- wider ein Gebrauchsmuster in Benußung nimmt, wird mit Geldstrafe bis zu fünftausend Mark oder mit Gefängniß bis ‘zu einem Jahre bestraft.

Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die ZU- rücknahme des Antrages ist zulässig.

Wird auf Strafe erkannt, so ist zugleih dem Verleßten die Befugniß zuzusprechen, die Verurtheilung auf Kosten des Verurtheilten öffentlich bekannt zu mahen. Die Art der Be- kanntmachung, jowie die Frist zu derselben ist im Urtheil zu bestimmen.

Sd:

Siatt jeder aus diesem Geseße entspringenden Entschädi- gung kann auf Verlangen des Beschädigten neben der Strafe auf eine an ihn ju erlegende Buße bis zum Betrage von zehn- tausend Mark erkannt werden. Für diese Buße haften die zu derselben Verurtheilten als Gesanmmtschuldner.

Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung cines weiteren Entschädigungsanspruchs aus.

Sa

Jn bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen dur Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund der Bestimmungen diescs Geseßes geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung leßter Jnstanz im Sinne des 8. 8 des Ei iführungs- gesezes zum Gerichtsverfassungsgeseße dem Reichsgericht zu- gewiesen.

S1

Wer im Jnlande einen Wohnsiß oder eine Niederlassung nicht hat, kann nur dann den Anspruch auf den Schutz dieses Gesetzes geltend machen, wenn in dem Staate, in welchem sein O oder seine Niederlassung sich befindet, nah einer im Reichs-Geseßzblatt enthaltenen Bekanntmachung deutshe Ge- brauchsmuster einen Schuß genießen.

Wer auf Grund dieser Me eine Anmeldung bewirkt, muß gleichzeitig einen im Jnlande wohnhaften Ver- treter bestellen. Name und Wohnsiß des Vertreters werden in die Rolle eingetragen. Der eingetragene Vertreter ist zur Vertretung des Schußberechtigten in den das Gebrauchsmuster betreffenden Rechtsstreitigkeiten und zur Stellung von Straf- anträgen befugt. Der Ort, wo der Vertreter seinen Wohnsiß hat, und in Ermangelung cines solchen der Ort, wo das Patentamt seinen Sig hat, gilt im Sinne des 8. 24 der Civil- prozeßordnung als der Ort, wo der Vermögensgegenstand sich befindet.

j 8. 14.

Die zur Ausführung dieses Geseßes erforderlichen Bestim- mungen über die Einrichtung und den Geschäftsgang des Patentamts werden dur Kaiserliche Verordnung unter Zu- stimmung des Bundesraths getroffen.

S 1B. Dieses Geseß tritt mit dem 1. Oktover 1891 in Kraft. Urkundlich unter Unserer KöGsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben an Bord Meines Aviso „Greif“ den 1. Juni 1891. (L. 5.) Wilhelm. von Boetticher.

Haus der Abgeordneten. 98, Sißung vom Montag, 8. Juni.

Der Sißzung wohnen der Minister des Jnnern Herrfurth, der Finanz-Minister Dr. Miquel und der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden bei.

Zur dritten Berathung steht der Geseßentwurf, betreffend die Beförderung der Errichtung von

Rentengüternn Î

Jn der Generaldiskussion erklärt

Abg. Szuman, seine Fraktion werde für das Gese stimmen. Man könne allerdings zweifelhaft darüber sein, ob es zur vollen Wirksamkeit gelangen werde, und es fei zu bedauern, daß die Er- theilung der Genehmigung zur Errihtung von Rentengütern niht von der vorherigen Ordnung der Kirhen- und Schulverhältnisse ab- hängig gemacht werde. Für die Ansiedelungs-Kommission und ihre Zwecke feien leider so viel Gelder flüssig gemaht, daß sie binreichen würden, um in allen Provinzen den Kleingrundbesig zu stärken.

1891.

Abg. Freiherr bon Loë: Er begreife niht, wie die Freisinnigen geaen ein Sees kämpfen fönnten, welches dazu dienen solle, eine bessere Verthei ung des Grundbesitzes herbeizuführen und “ien mittleren und kleineren Grundbesiß zu schaffen. Ihre B (ken seien vom Finanz-Minister {on so \{chlagend widerlegt, - * er darauf nicht zurückfommen wolle. Er freue sih über das Gesetz, wenn es au in seiner rheinländishen Heimath kaum zur Anwendung kommen werde, weil man keinen großen zu parzellirenden Grundbesitz habe, Aber das Gesetz werde einen Schuß gegen die Verschuldung des Grundbesizes bieten und die bisherige bypotb(karis{e Belastung desselben mit Hülfe der Rentenbanken beseitigen. Er bitte nur noÿ die Regierung, das System des Gesetzes dahin weiter aus- zudehnen, daß au ein kleinet Bauernstand geschafen werde.

, Abg. Rickert bemerkt, er könne in diesem unglücklihen Gesetze kein Heilmittel gegen die angebliche kapitalistishe Verderbniß im Grundbesiß erblicken. Ein vershuldeter Rentengutsbesitzer sei noch bedauernswertber, als ein vershuldeter freier Besißer. Man folle den liberalen Gedanken der Freiheit des Eigenthums und den alten Ruhm der preußischen Agrargeseßgebung von 1808 bis 1850 troß der jetzt gepriesenen hannöverschen Verhältnisse aufrecht erhalten. Viel besser würde es sein, die Bildung kleinen Besiges der privaten Thätigkeit zu überlassen. Der Staatskredit werde nah diesem D in unbegrenzter Weise in An- spruh genommen werden, und man habe die Unlösbarkeit der Rente cingeführt, um die dauernde Bestimmung des Gutsbesißers über die ländlichen angesessenen Arbeiter zu ermöglichen. Das sei des Pudels Kern. Aber der Arbeiter, der die Rente niht bezahlen könne und ch seiner Unfreiheit bewußt werde, werde Sozialdemokrat werden. Viel besser sei es, an die R R der Domänen beranzugehen. Das Gefeß berge eine Gefahr für den Staatskredit in b.

Abg. Sombart: Er wolle eine besser amortisirbare Rente haben. Er verweise auf die Agrargeseßgebung im Anfange dieses Jahrhunderts, wo Friedrich Wilhelm TIIL. aus Domänengütern Nentengüter gemacht habe. Die Rentenbanken, die damals geshaffen worden seien, hätten einen so großen Theil der von ihnen ausgelegten Rentenablösungen wieder einbekommen, daß zu hoffen sei, daß in Bâlde die ganze Summe und zwar handele es si hier um große Beträge abgelöst werden werde. Die Vorlage, um die es sich hier handele, gebe den Rentengutsbesißern noch weniger Rehte als das Ansiedelungsgeseß für Posen und Westpreußen. Da würden den Leuten die Gelder zu 3 %% gegeben, es werde ihnen eine dreijährige Frist bis zum Amortisationsbeginne gelassen. Hier aber werde eine vollständige Abzängigkeit der Rentengutsbesißer stipulirt, Damit fördere man den sozialen Frieden niht. Er begreife nicht, wie die Konservativen, die noch im. vorigen Jahre 60 oder höchstens 65 Fahre lang die Rente hätten unablösbar belassen wollen, jeßt für die dauernde Unablösbarkeit eintreten könnten. Mit s{chwerem Herzen werde er dennoch für die Vorlage stimmen, weil sie immerhin einige Verbesserungen enthalte.

Minister jur Landwirthschaft 2c. von Heyden: f

Meine Herrrn! Wir befinden uns in der dritten Bérath ¿ng des Gesetzentwurfs zur Beförderung der Errichtung von Rentengütern, und zwar speziell durh Wiedereröffnung der Rentenbanken. Ih kann nit leugnen, daß ich etwas unter dem Eindrucke stehe, als ob die Reden, die wir bisher gehört haben, sehr wohl au seinerzeit bei der dritten Berathung des Gesetzes vom 27. Juni 1890 hätten gehalten werden können. (Sehr richtig! rechts.) Jch glaube aber, der Ver- suchung widerstehen zu follen, ausführlih auf die Einwendungen, welche in der Hauptsahe eben gegen den Inhalt des Gesetzes vom 27. Juni 1890 und niht gegen den Inhalt des jeßt uns beshäftigenden Gesetzes gerihtet sind, einzugehen, Jh widerspreche bloß dem, was Seitens des Hrn. Abg, Rickert ausgeführt ist, daß das Geseh, welches uns heute beschäftigt, im Gegensaß stehe zu der ruhm- reihen Agrargeseßgebung im Anfange dieses Jahrhunderts. Seine Ausführungen richtete er der Hauptsahe nah gegen die Einführung der „unablösbaren Rente“. Meine Herren, darum handelt es ih in diesc: Vorlage nicht, die ist im Gesez vom vorigen Jahre fest- gelegt. Wenn Hr. Sombart bemängelt: ih habe mich zur Frage der unablösbaren oder ablösbaren Rente bisher überhaupt nit geäußert, so erwidere ih ihm, daß ich dazu keine Veranlassung hatte, da ih bei der Fassung und Vorbereitung des vorjährigen Gesetzes nit betheiligt gewesen bin, und heute diese Frage nicht zu entscheiden ist.

Meine Herren, im Uebrigen verstehe ich den Widerstand gegen die das Haus beschäftigende Vorlage niht. Die Königlihe Staats- regierung konnte nit loyaler vorgehen, wie sie es gethan bat. Beide Häuser des Landtages haben mit erdrückender Majorität die Vorlegung dieses Gesezentwurfes, und zwar die baldige Vorlegung, verlangt. Nun ist die Vorlegung erfolgt, die Regierung ist also in dieser An- gelegenheit lediglih den Beschlüssen der beiden Häuser gefolgt. (Zuruf links.) Sie sagen, das ist richtig. Ja, wenn das aber der Fall ift, dürfen Sie doch der Regierung keine Vorwürfe mahen. Sie sagen, diese Gesetzgebung sei dunkel und s{Gwebe in der Luft. Einen derartigen Vorwurf kann man doch der Königs- lien Staatsregierung nicht machen, wenn sie aus den Be- \hchlüssen beider Häuser des Landtages entnahm, daß der jeßt betretene Weg einem Bedürfniß entspriht und zur Verwirklichung des Gesetzes von 1890 führen kann. Wie die Entwickelung auf diesem Gebiete nunmehr verlaufen wird, kann i natürlich nicht sagen; jedenfalls aber wider- streitet das Geseß nit der von Hrn. Nickert in den Vordergrund gestellten Privatthätigkeit, diese wird durch das Gesetz in keiner Weise eingeshränkt. Sie wird im Gegentheil gefördert. Wenn er die Privatthätigkeit in den Vordergrund stellt, so erkennen auch wir die Erfolge derselben bereit- willigst an, wenn eben Erfolge wie im Kolberger Kreise vorliegen z aber Sie dürfen doch niht vergessen, daß ebensolche Erfolge nur in einem einzelnen Kreise vorliegen.

Auf die sonst angeshnittenen Fragen einzugehen, namentlih auf die Kornzölle, auf die Familienfideikommisse u. \. w., habe ich bei dieser Vorlage keine Veranla}sung. Au die Domîânen- parzellirung hat mit dieser Vorlage keinerlei Zusammenhang.

Meine Herren, ich kann Sie nur bitten, den Gesetzentwurf in der gegenwärtigen Fassung mögli} einstimmig anzunehmen. (Leb- hafter Beifall rets.)

Abg. von Czarlinski; Die Verwaltungsmaßregeln in der Provinz Posen maten der Schaffung kleinerer Landgüter dur private Thätigkeit die größten Schwierigkeiten, und er bitte die lagrnng, in dieser Beziehung in Zukunft Wandel eintreten zu assen.

Abg. Freiherr von Huene: Die Shwierigkeit, auf die der Vorredner hingewiesen habe, werde ja gerade durch die Vorlage