1891 / 134 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Wie „W. T. B.“ aus Potsdam meldet, besichtigte Seine Majestät der Kaiser heute Vormittag auf dem Bornstedter Felde die zu eincr Uebung eingezogene Landwehr des 1. Garde-Regiments z. F. und E das 1. und 3. Garde-Ulanen-Regiment. Hierauf erfolgte ein Exerzieren im Feuer, wozu zwei Compagnien des Lehr - Jnfan- terie - Bataillons zugezogen waren. Jhre Majestät die Kaiserin und Seine Kaiferlihe Hoheit der Kronprinz zu Pferde und die Prinzen Adalbert und Eitel Friedrih zu Wagen, sowie eine zahlreiche Suite, wohnten der Vorstellung bei. Seine Majestät der Kaiser seßte Sih zum Schluß an die Spige des 3. Garde-Ulanen-Regiments, führte dasselbe zur Kaserne zurück und nahm hierauf an dem Früh- stück im Offizierkasino Theil.

Heute tagten die vereinigten Ausshüsse des Bundes- raths für Zoll- und Steuerwesen und sür Nehnungswesen.

Nach der im Reichs-Eisenbahnamt aufgestellten, in der

Dritten Beilage zur heutigen Nummer des „R.- u, St.-A,“ ver- öffentlihten Nachweisung über die im Monat April d. J. auf deutshen Bahnen (ausschließlich der bayerischen) bei den Zügen mit Personenbeförderung vorgekommenen Verspätungen haben auf 36 größeren Bahnen bezw. Bahnneyßen mit einer Gesammtbetriebslänge von 36 151,86 km von den fahrplanmäßigen Zügen überhaupt sih verspätet: 617 Schnellzüge, 1037 Personenzüge und 149 zur Personen- sowie zur Güterbeförderung gleichzeitig dienende Züge, zusammen 1803. Von den fahrplanmäßigen Zügen mit Personenbeförderung wurden geleistet: 13 911 732 Zugkilometer, 268 165 482 Achsfkilometer gegen 14327954 Zug- und 273 876 699 Achskilometer im Vormonat und gegen 12 793 089 Zug- und 263 842436 Achskilometer in demselben Monat des Vorjahres. Von den Verspätungen wurden 616 durch das Abwarten verspäteter Anschlußzüge veranlaßt, sodaß den aufgeführten Bahnen nur 1187 Verspätungen zur Last fallen gegen 2431 im Vormonat und 1526 in demselben Monat des Vorjahres. Von den auf eigener Bahn vor: aekommenen Verspätungen entfallen auf 1 000000 Zugkilometer 85, 1 000000 Achskilometer 4, mithin auf 1000 000 Zug- kfilometer 34 = 29 v. H. weniger als im Monat April des Vorjahres und 85=%50 v. H. weniger als im Vormonat, und auf 1 000 000 Achskilometer 2 = 33 v. H. weniger als im Monat April des Vorjahres und 5 = 56 v. H. weniger als im Vormonat. Jn Folge der Verspätungen wurden 1243 Anschlüsse versäumt (gegen 1384 in demselben Vonat des Vorjahres und 2160 im Vormonat). Bei 10 Bahnen find Zugverspätungen und bei 13 Bahnen Anschlußversäumnisse nicht vorgekommen. Jn der Nachweisung sind diejenigen Bahnen, auf welchen Zugverspätungen vorkamen, nach der Verhältnißzahl (geometrishes Mittel) zwischen der Anzahl der von den fahr- planmäßigen, der Personenbeförderung dienenden Zügen auf 1000000 Zug- und 1000 000 Achskilometer entfallenden eigenen Verspätungen geordnet. Danach nehmen die Kiel- Eckernförde. Flensburger Bahn, die Bahnen im Bezirke der Königlichen Eisenbahn-Direktion zu Elberfeld und der König- lihen Eisenbahn-Direktion (linksrheinische) zu Köln die un- ünstigsten Stellen ein. Wird die Reihenfolge der Bahnen tatt nach der Anzahl der Verspätungen nah der Anzahl der Anschlußversäumnisse bestimmt, so treten die Bahnen im Bezirk der Königlichen Eisenbahn-Direktion zu Elberfeld, der König- lihen Eisenbahn-Direktion (linksrheinishe) und der König- lichen Eisenbahn: Direklion (rehtsrheinische) zu Köln an die ungünstigsten Stellen.

Nach einer mit den Senaten inHamburg und Bremen neuerdings getroffenen Verständigung sind künftighin alle telegraphischen Ersuchen, welche die Verfolgung slüchtiger, in Hamburg, Bremen oder Bremerhaven ver- mutheter Verbrecher betreffen, zur Vermeidung von Ver- zögerungen nicht an die Senate in Hamburg und Bremen, fondecn an die dortigen Polizei-Direktionen zu richten, an die Polizei: Direktion in Bremen mithin auch dann, wenn die Flüchtlinge in Bremerhaven vermuthet werden.

Der Direktor des Allgemeinen Kriegs-Departements im Kriegs-Ministerium, General-Lieutenant Vogel von Fal cken- stein, und der Jnspecteur der 1. Jngenieur-Fnspektion, General-Lieutenant Andreae, haben Dienjtreisen angetreten.

___ Der Direktor des Departements sür das Fnvalidenwesen im Kriegs-Ministerium, General-Lieutenant von Spitz ist von einer Dienstreise zurückgekehrt.

S. M. Kanonenboot „Flti s“, Kommandant Korvetten- Kapitän Ascher, ist am 10, Funi von Kinkiang nach Hankow in See gegangen.

Kiel, 9. Juni. Die Schiffsjungen-Schulschiffe „Luise“ und „Musquito“ wurden, wie die „Kiel. Ztg.“ berichtet, gesiern durch den stellvertretenden E der Marinestation der Ostsee, Contre:Admiral Mensing auf Seeklarheit inspizirt und treten heute die Uebungsfahrten in der Ostsee an. Das bisher in Potsdam stationirt gewesene Torpedoboot V6 ist Behufs Außerdienfistellung hier eingetroffen.

Sachsen.

Dresden, 9. Juni. Seine Majestät der König empfing dem „Dr. J.“ zufolge gestern Nachmittag das Direktorium der gegen hier tagenden V, Landessynode. Hieran {loß sih eine größere Hostafel bei Jhren Majestäten. Zu derselben waren die in Evangelicis beauftragten Staats- Minister, der Präsident und die Mitglieder des evangelisch- lutherischen Landeskonsistoriums und die Mitglieder der Landes- synode geladen.

i Sachsen - Meiningen.

Meiningen, 8. Juni. Der auf heute einberufene Landtag wird morgen seine Sizungen beginnen. Demselben ist nah der „Weim. Ztg.“ eine Denkschrift über die Sonne- berg - Stockheimer Eisenbahn zugegangen, in welcher die Verbindung des Sonneberger Kreises mit der bayerishen Staatsbahn bei Stockheim begründet wird. Die Länge der Bahn von Sonneberg an beträgt 14 km, wovon 4 km guf bayerishes Gebiet kommen; gegen 4 km sind bereits im Betrieb, es werden dahex nur 11,5 km

} zu bauen scin. Die Werra-Eisenbahn übernimmt den Bau mit einem Staatszushuß von 719000 f; die betheiligten Kreise haben dazu 300000 (6 aufzubringen, während der Staat 419000 4 baar und 81000 zum Erwerb bayerischen

Bodens bewilligt. Der Landtag hat also 500000 4 zu ge- währen. Sachsen-Coburg-Gotha.

Gotha, 9. Juni. Seine Hoheit der Herzog ist nah der „Goth. Ztg.“ gestern in Schloß Reinhardsbrunn ein- getroffen.

Reuß j. L.

Schleiz, 9. Juni. Das Fürstliche Hoflager ist, wie die „Leipz. Ztg.“ erfährt, von Shloß Osterstein hierher verlegt worden.

Oesterreich-Ungarn.

Zu den Vertrags verhandlungen mit Ftalien wird dem „Fremdenblatt“ mitgetheilt, daß auch bei diesen V:rhandlungen eine Kooperation zwischen Desterreih- Ungarn und dem Deutschen Reich in bestimmte Aussiht genommen ist, daß also die Verhandlungen mit Jtalien ganz so, wie jene mit der Schweiz gemeinsam zwischen den deutshen und öster- reihisch:ungarishen Delegirten einerseits und den italienischen andererseits werden geführt werden. Hierbei ist es durch die Natur der geographischen Lage, also dadur, daß Oesterreich: Ungarn an Jtalien grenzt, dieses jedoch nicht an das Deutsche Reich, geboten, daß über den Grenzverkehr separat zwischen den italienishen und österreichisch - ungarischen Delegirten zu verhandeln sein wird.

Jn der gestrigen Sißung des Welt-Post-Kongresses begrüßte, wie „W. T. B.“ berichtet, der Präsident die neu- eingetroffenen Vertreter von Kanada, Peru, Numänien und der südafrikanishen Republik. Lebterer erklärte den Wunsch seiner Negierung, dem Welt-Post-Verein bei- zutreten. Der Antrag dcs Präsidenten, das Protokoll des Kongresses bis zum 1. Juli 1892 für Beitritte offen zu lassen, wurde einstimmig angenommen. Der Kongreß nahm die Anträge der Kommission, betreffend Werthsendungen, Legitimationsbücher und Po sstt- padete, an, ebenso den Vorsch.ag des egyptishen Vertreters, den Verwaltungen des Welt:Post-Vereins fakultativ zu ermög- lichen, die Verantwortlichkeit für Postsendungen auc im Falle höherer Gewalt zu übernehmen.

Der volkswirthschaftlihe Ausschuß des Ahb- geordnetenhauses nahm die Vorlage, betreffend die A Uu f- hebung des Triester Freihafens, nah den Erklärungen des Handels-Ministers und Finanz-Ministers an, welche weitere Zollbefreiungen in Aussicht slellten.

Der im Abgeordnetenhause zur Vertheilung gelangte Entwurf eines Anarchistengeseßes enthält Wiener Blättern zufolge im Wesentlichen folgende Bestimmungen: Die Vor- lage untersagt die Bildung von Vereinen, bezüglih welcher durch Thatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sie solchen sozialistishen Bestrebungen dienen werden, welhe auf den gewaltsamen Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellshaftsordnung gerichtet sind. Bereits bestehende Vereine solher Art sind aufzulösen. Gegenseitige Unterstüßungsvereine, welhe den erwähnten Zwecken dienen, könen unter besondere staatlihe Kontrole gestellt werden; dasselbe gilt von Erwerbs- und Wirthschafts- genossenschaften mit den gleihen Tendenzen. Die wissentliche Theilnahme an untersagten und aufgelösten Vereinen oder die Anwerbung von Mitgliedern für dieselben wird als Ver- gehen mit strengem Arrest von drei Monaten bis zu drei «Fahren, beziehungsweise einem Monat bis zu zwei Jahren, sowie Geldbuß2zn bis 500 Fl. bestraft. Versammlungen, bezüglich welchèr dur Thatsachen die Annahme von Umsturztendenzen ge- rechtfertigt ist, sind zu untersagen bezw. aufzulösen, selbst wenn sie nicht allgemein zugänglich sind. Die absichtliche, eventuell wissent- liche Veranstaltung solcher Versammlungen wird mit strengem Arrest von drei Monaten bis zu drei Jahren, die wissentliche Betheiligung an denselben - mit strengem Arrest von einem Monat bis zu zwei Jahren, sowie Geldbußen bis 500 Fl. bestraft. Wer wissentlich für derartige Versammlungen Räum- lichkeiten hergiebt, ist mit strengem Arrest bis zu zwei Jahren und einer Geldbuße von 100 bis 500 Fl. zu bestrafen. Umstürz- lerisheDcuckschriften sind zu konfisziren, deren Weiterverbreitung beziehungsweise fernere Herausgabe zu untersagen; Zuwider- handelnde sind mit strengem Arrest von sechs Monaten bis zu drei Fahren und Geldbußen bis zu 500 Fl. zu bestrafen, ebenso Besißer geheimer Druckereien. Die Sammlung von Beiträgen zu umstürzlerishen Zwecken wird mit strengem Arrest bis zu sechs Monaten und Geldbußen bis 500 Fl. bestraft. Agitatoren sind unter Polizeiaufsicht zu stellen, an Umtrieben der bezeihneten Art irgendwie betheiligten Ge- werbsleuten die Gewerbslizenzen zu entziehen.

Im Laufe des gestrigen Tages trafen laut Meldung des „W. T. B.“ die englishen Thurmschiffe „Benbow“ und „Victoria“, der Aviso „Surprise“, der Torpedo- rammer „Polyphemus"““ und das Torpedoboot Nr. 44 in Triest ein.

Großbritannien und Jrland.

Die Königin hat Frau Grimwood, die heldenmüthige Gattin des in Manipur getödteten britishen Residenten, „in Anerkennung ihrer Aufopferung bei der Pflege der Ver- wundeten“ durch Verleihung des Ordens vom Rothen Kreuz ausgezeihnet. i

Das Unterhaus hat in seiner gestrigen Sißung die erste Lesung der Bill, betreffend den freien Unterricht, angenommen.

Dem verstorbenen Premier von Canada, Sir John Macdonald, widmen alle englischen Blätter ohne Unterschied der Parteien warm empfundene Nachrufe, Wie aus Ottawa gemeldet wird, ist die Stadt in tiefe Trauer verseßt; die Be- erdigung soll einen öffentlichen Charakter haben. Die Zeitungen von Ottawa und Toronto rühmen ihn als den Schöpfer der Prosperität Canadas.

Die, wie schon gemeldet, in der vergangenen Woche in einer Versammlung von Parlaments-Abgeordneten unter dem Vo1rsiß Chamberlain's begonnene Bewegung zu Gunsten einer Altersversicherung trägt bereits die ersten Früchte in Form von Jnterp:llationen an die Regierung. Der Abg. Vincent will in diesen Tagen an den ersten Lord des Sckayamts die Frage stellen ob die Negierung Angesichts der kürzlich amtlich festgestellten Thatsachen, daß aus der Bevölkerung im Alter von mehr als sechzig Jahren von sieben je eine Person

auf das Armenhaus angewiesen sei und daß dieses Verhältniß bei über fünfundsiebenzig Jahre alten Personen eins zu je drei betrage, bereit sei, eine Kommission zu ernennen, welche im Verein mit den verschiedenen Wohlthätigkeits-Gesellschaften die Frage der Altersversicherung erörtern soll. ;

Die Vermuthung, daß dem Aufstand der Keunjuren in Jndien keine besondere Bedeutung beizumessen sei, hat I Sen Ein Telegramm aus Kalkutta vom 7. d. M. meldet:

Der Leiter der Bewegung hat sich selbst der Polizei gestellt und die von Kalkutta auêsgesandte Trupyen- Abtheilupg befindet sih bereits auf dem Rückmarsh. Es sind jedoch hon wieder einige weitere Beispiele für die im Lande gährende Unruhe zu verzeiwnen. In Vizagapatam traten Ruhestörungen, verbunden mit ernsten Ausschreitungen, auf und auch in Mirzapore sollte ein Ausstand ausgebrochen sein. Zum Glü entbehrt dieses leßtere Gerücht jedoch der Begründung. i

Aus Birma sind im „R. B.“ folgende aus Rangun vom 7. Juni datirte Nachrichten eingetroffen :

Die in dem Kyanksai-Distrikt in Ober-Birma gelegene Eisen- bahnstation Belin ist gestern Abend von Dajaks angegriffen worden, Da dies \chon der zweite derartige Angriff auf Bahn- stationen im Laufe einer Woche ist, hat die Militär- polizei Befehl erhalten, die Bahnstation des Distrikts zu beseßen, um weiteren Ueberfällen vorzubeugen. Schon seit einiger Zeit giebt die Lage des Kyanksai-Distrikts Veranlassung zu Klagen, und es hieß fTürzlih, daß ein Aufstand in großem Maßstabe zu erwarten sei. Jn Unter-Birma hat die Polizei in der Nähe von Taikkyi, einem Dorfe an der Prame- Eisenbahnlinie, einige Scharmüßel mit einer starken Bande Dajaks gehabt, in welchen sie den Kürzeren 10g. Ein Polizist wurde getödtet, einer gefangen genommen und außerdem ein beträchtlicher Theil Waffen von den Dajaks erbeutet. Eine Abtheilung Militär- polizei ist jeßt gegen dieselben aufgebrochen.

Frankreich.

Paris, 10. Juni. Der Ministerrath beschloß in seiner gestrigen Sißzung, wie „W. T. B.“ meldet, beim Parlament den nothwendigen Kredit für die Betheiligung Frankreichs an der Weltausstellung in Chicago zu beantragen.

Die Deputirtenkammer genehmigte gestern nah drei- tägiger Debatte, der Regierungsvorlage und den Vorschlägen der Kommission entsprechend, die Zollfreiheit für frische und trockene Seidencocons sowie für Rohseide. Für gezwirnte Seide und Seidenfabrikate wurde ein Zoll von 300 Fr. beschlossen.

Rußland und Polen.

Einem Tagesbefehl des Großfürsten General-Admirals im Marine-Ressort zufolge hat der Kaiser bestimmt, daß die sechs für die Baltische Flotte bestimmten Torpedoboote, von denen je zwei auf der Putilow’ schen Fabrik in St. Peters- burg, auf den Jshora’schen Admiralitätswerkstätten zu Kolpino und auf der Werft von Crayton u. Comp. in Abo erbaut rwoerden, die Namen „Hapsal“ und „Moonsund“/ resp. „Kron- schlott“ und „Seskär“ und „Kotka“ und „Dago“ erhalten; zwei für die Schwarzmeerflotte auf der Motala-Werft in Schweden im Bau befindliche Transportschiffe sind „Bug“ und „Dunai“ benannt worden.

Fn Sachen der Juden-AuSweisung aus Moskau wurde der „Mosk. D. Ztg.“ zufolge die dortige Polizei durch Tagesbefehl des Ober-Polizeimeisters davon verständigt, daß Wittwen und Kinder von Hebräern, welhe auf Grund des Punkles 1 der Bemerkungen zu Artikel 12 des Paßstatuts Band XIV. vom Jahre 1890 (Rechte der den Kursus höherer Lehranstalten beendet habenden Personen) in Moskau lebten, auf Grund einer Anordnung des Ministers des cFnnern vom 30. April (a. St.) in Moskau verbleiben dürfen. Dabei gilt die Aufenthaltsberechtigung indeß für die Söhne nur bis zu deren Volljährigkeit, für die Töchter bis zu deren Verheirathung mit einem Glaubensgenossen, welcher niht das Necht hat, nah Belieben seinen Aufenthaltsort im Reich zu wählen. Wegen absihtliher Verheimlihung von Juden wurden, wie das gen. Blatt einem Tagesbefehl des Moskauer Ober-Polizeimeisters an die „dortige Polizei entnimmt, mehrere Personen mit Geldstrafen belegt.

Die Einwanderung von Ansiedlern in das Steppengebiet nimmt so zu, daß, wie die „Now. Wr.“ berichtet, die dortigen Kirgisen anfangen unruhig zu werden. Sie sollen \sich dieserhalb mit einer Bittschrist an den Minister des JFnnern gewandt haben.

Jtalien.

Jn der Deputirtenkammer kündigte der Präsident gestern eine Fnterpellation des Abg, Cavalotti und Ge- nossen über die im englischen Parlament jüngst erörterten Beziehungen Englands zu Ftalien sowie über die Blättermeldungen, betreffend die eventuelle Erneuerung des Dreibundes, an. Nachdem der Minister-Präsident Marchese di Nudini die Vertagung der Fnterpellation bis nach der Budgetdebatte empfohlen und der Abg. Cavalotti zugestimmt hatte, beshloß die Kammer die Vertagung. i i

Wie die „Agenzia Stefani“ meldet, sind die Nachrichten über angebliche finanzielle Verluste des päpstlichen Stuhles durhweg anrichtig; es sind weder Unterschleife noG Börsenspekulationen vorgekommen; die ganze Angelegenheit reduzirt sih auf einen Mangel in der Verwaltungspraxis und auf den Rügang verschiedener, von vertrauenswürdigen Per- sonen für dargeliehene hohe Summen verpfändeter Werth- papiere. Der Papst hat Personen beispringen wollen, die ihm Treue bewahrt hatten und sich in großen finanziellen Verlegenheiten befanden. Der Administrator des Papstes Folchi habe aus persönlichen Gründen demissionirt. Man glaubt, daß zum großen Theil Eifersuht und Mißgunst an den verbreiteten Gerüchten Theil haben.

Portugal.

Bei der Debatte über den Vertrag mit England in der Kammer erklärte der Minister des Aeußern, der „P. C.“ zufolge: es sei nothwendig, das Uebereinkommen mit England anzunehmen, denn ein späteres würde nur {limmer @lidfallen können. Die sechs Stimmen, welche bei der Abstimmung gegen den Vertrag abgegeben wurden, vertheilen sich auf drei Republikaner, zwei Progressisten und einen Konserva- tiven. Präsident der Kommission des Senats zur Begutachtung des Vertrages ist Serpa Pimentel und ihr Berichterstatter Barbosa du Bocage. Die Kommission ijt für den Vertrag; an dessen Annahme im Senat is also niht zu zweifeln. Der Lissaboner Korrespondent der „Morning Post“ erfährt, daß ein Mitglied der Cortes beab- sichtige, den Verkauf sämmtliher potugiesischen Kolonien mit Ausnahme der Angola-Jnseln St. Thomé,

Principe und Kap Verde zu beantragen. Dec für die

Kolonien Mozambique, Guinea, Goa, Macao und Timor er-

zielte Erlös müßte nah Ansicht des antragstellenden Abgeord-

neten zur Amortisation der Staatsschuld benußt werden. Luxemburg.

Luxemburg, 8. Juni. Der Erbgroßherzog traf am Sonnabend Abend auf dem hiesigen Bahnhof ein und fuhr direkt nah Schloß Walferdingen. Heute Vormittag wurde im hiesigen Palais der britische Gesandte im Haag, Baronet Sir H. Rumbold, den die Königin Victoria mit ihrer Vertretung am Großherzoglichen Hofe betraut hat, von dem Großherzog in feierlicher Audienz empfangen.

Türkei.

Entsprechend den FJnstruktionen des sranzösishen Ministers des Aeußern, Ribot erbat si, wie „W. T. B.“ aus Paris meldet, der Botschafter Graf von Montebello bei dem Sultan eine besondere Audienz und seßte die von Frank- reih in Betreff des. in Bethlehem ausgebrochenen Streits (\. d. gestrige Nummer d. Bl.) erhobenen Forderungen aus- einander. Der Sultan erkannte die Reklamationen als wohl- berehtigt an und ließ an den Gouverneur von Jerusalem telegraphiren, Frankreich sofort Genugthuung zu geben.

Bulgarien.

Sofia, 10. Juni. Der Prinz Ferdinand if, wie „W, T. B.“ berichtet, nah Wien abgereist und wird sich von dort zur Kur nah Karlsbad begeben. Der Minister-Präsident Stambulow ist für die Abwesenheit des Prinzen zum Regenten ernannt. :

Nach der „Agence Balcanique“ ist die Landwehr zu dreitägigen Uebungen einberufen worden.

Die Regierung hat der Pforte ihre Mitwirkung bei dem Einfangen der Räuber, welhe den Eisenbahnüberfall bei Kirkilisje verübten, angeboten und die erforderlichen Maßnahmen für den Fall, daß diese die rumelische Grenze überschreiten sollten, getroffen. Ein Angehöriger eines zur Zeit auf einem Weideplage in der Nähe der türki- hen Grenze bei Burzas befindlihen Nomadenstammes, welcher während des Winters den Anführer dieser Räuber- bande beherbergt hatte, ist von den Behörden verhaftet worden. Die bulgarishe Regierung versprah ihm das Leben zu schenken, wenn er behülflih sein wollte, die Räuber dingfest zu machen. Außerdem hat die Regierung eine Belohnung

von 5000 Fr. für jeden eingefangenen Räuber ausgeseßt.

Die türkish-bulgarishe Kommission seßt die Untersuchung in der Angelegenheit der Pomaken, welche die Entrichtung der Schafsteuer an Bulgarien verweigerten und dadur einen blutigen Zusammenstoß mit den Gendarmen hervorriefen, fort. Die Kommission hat festgestellt, daß die bulgarishen Truppen nur zu Ostrumelien gehöriges Gebiet beseßt hatten.

Schweden und Norwegen.

Nach dem gestern in Stockholm ausgegebenen Bulletin über das Befinden des Kronprinzen hat sih der all- gemeine Zustand etwas gebessert. Die Nactruhe war zum Theil dur trockenen Husten gestört. Die Temperatur war e, früh 381/52, der Puls 68; Kopfshmerz und Gelenk- chmerz haben sich verringert.

Amerika

Chile. Jn Santiago ist, wie dem Neuter'schen Bureau berihtet wird, am 6, d. M. Seitens des Präsidenten Bialmaceda folgende offizielle Erklärung erlassen worden:

„Der sogenannte Kongreß, der die revolutionäre Partei reprä- fentirt, besißt überhaupt keine moralishe Autorität, Die Insurgenten in Tarapaca besißen keine Hülfsquellen und haben feine Mittel, um eine Cxpedition nah den bevölkerten Theilen Chiles zu unternehmen. Der Regierung stehen 30 000 Soldaten und 10000 wohlausgerüstete Gendarmen treu zur Seite, während die revolutionäâre Partei nur aus 5000 demoralisirten Leuten besteht. Die Regierung der Vereinigten Staatea von Nord-Amerika hat den Dampfec „Itata“ und seine Waffenladung mit Beschlag belegt. Der verfassungsmäßige Kongreß hat gewisse ökonomische Gesetze an- C sodaß der Regierung genügend Baarmittel zu Gebote

ehen,“

Dagegen haben die Jusurgenten laut Meldung desselben Bureaus aus Arica vom 7. Juni ein Manifest veröffentlicht, in welchem sie Balmaceda einen Diktator nennen, der dur den Kongreß seines Amtes ais Prüäfident enthoben sei und die von ihm

Lrlassene Verfügung, welche es seinem Ermessen anheimstelle, das

im Nationalschay als Garantie für das im Umlauf befindliche Papiergeld deponirte Metallgeld nah Europa zu entsenden, in den s{härfsten Ausdrücken als ungesezmäßig bezeihnen. Der „Erxekutivausschuß, welcher den souveränen Kongreß repräjentirt“, versügt deshalb :

„Balmaceda besitze kein Net, über den Schaß zu verfügen, da derselbe Nationaleigenthum sei. Die Entnahme des Schatzes aus der Münze sei Raub und scin Verkauf an driite Parteien nicht allein null und nichtig, sondern strafbar. Handelshäuser und ihre Vertreter würden, einerlei ob einheimisch oder ausländisch, zur Verantwortung gezogen werden, Falls sie den Kredit ihres Namens zur Ermöglichung des „Raubes* hergeben sollten. Die konstitutionellen Truppen seien zu instruiren, von dem erwähntea Gelde Besiß zu ergreifen, auf welhem Schiffe oder an welcher Person cs auch immer gefunden werden möge."

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (100.) Sizung des Hauses der Ab- geordneten wurde zunächst in dritter Berathung der Entwurf eines Ergänzung8geseßes, betreffend die Voraus- leistungen zu Wegebauten, ohne Debatte angenommen.

Es folgte die Berathung von Petitionen.

Die Petition der Wittwe des Kanzleidiätars Brygann in Marienwerder wegen Erhöhung ihres Wittwengeldes, sowie Petitionen verschiedener emeritirter Lehrer wegen Erhöhung ihrer Pension wurden durch Uebergang zur Tages- ordnung erledigt, die Petition verschiedener Straf- anstaltslehrer wegen Verbesserung ihrer Gehalts- und Rangverhältnisse der Regierung zur Erwägung überwiesen.

Ueber verschiedene Petitionen, betreffend die Zulassung ausländischer Arbeiter zur Beschäftigung in der Landwirthschaft, beantragt die Kommission für das Ge- meindewesen zur Tagesordnung überzugehen. |

Die Abgg. Wefßs el, Dr. Sattler, Graf von Kaniß befürworteten diesen Antrag, während die Abgg. von Czar- linski, Ridert und Freiherr von Huene beantragten, die Petitionen zur Erwägung zu überweisen. Das Haus beschloß dem leßteren Antrage gemäß.

Ueber die Petition von Eigenthümern aus dem Kreise Kottbus, betreffend die Separation des Kottbus- Peiger Laßzinswiesen, beshloß das Haus nah eingehen- der Erörterung, entsprehend dem Antrage der Kommission für die A Ee zur Tagesordnung überzugehen.

ezüglih der Petition des Stellmachers Gibasiewicz wegen aa einer Unterstüßung Seitens der König- lichen Eisenbahn-Direktion Köln (rechtsrheinish) faßte das Haus den Beschluß, sie insoweit zur Berücksihtigung zu überweisen, daß dem Petenten eine monatliche Unterstüßung von 15 M gewährt werde.

Die Petition der Apotheker Bender und Genossen, be- treffend die Vermehrung der Apotheken, beantragte Namens der Petitions-Kommission Abg. Dr. Graf (Elberfeld) I Tagesordnung zu erledigen. Ein Antrag des Abg. Ple wollte sie zur Erwägung überwiesen sehen.

Nach längerer Erörterung {loß sich das Haus dem Kom- missioneantrage an.

Bezüglich der Petition der Frau Schulrath Cauer in Berlin und Gen., betr. die Zulassung weibliher Per- sonen zur Ausübung des Apothekerberufs, wurde der Antrag auf Ueberweisung als Material Seitens des Bericht- erstatters Abg. Dr. Graf (Elberfeld) gestelt. Das Haus be- {loß demgemäß. (Schluß des Blattes.)

Im 3. Düsseldorfer Landtagswahlkreise (Mettmann) ist an Stelle des Abgeordneten Frickenhaus, welcher sein Mandat niedergelegt hat, Heinrih Boettinger, nat.-libr., mit 99 gegen 64 Stimmen, welche Landwirth Ernst Bleckann, freikonf., erhielt, zum Mitglied des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.

Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Königlichen Gewerbe- gerichte in der Rheinprovinz, zugegangen.

Der bereits gestern erwähnte Bescluß ÿ „ommission über den Gesetzentwurf, betreffend die Verlegung der Landes-Buß- und Bettage, hat nah der „Nat.-Ztg." folgenden Wortlaut: „Fn Erwägung, daß der Geseßentwurf eine den beiden christlichen Kon- fessionen gemeinsame Feier eines Buß- und Bettages nit sicher stellt, daß dagegen bei seiner Annahme voraussihtlih in verschiedenen Landestheilen zwei Tage der gewerblihen Thätigkeit entzogen fernerer Erwägung, daß der in dem Gesehentwurf} in Vorschlag gebrachte Tag (Freitag) vielseitig als Feiertag niht geeignet erscheint, daß aber anderer- seits das Bedürfniß nah Vereinigung der verschiedenen Buß- und Bettage auf einen gemeinsam zu feiernden Tag anerkannt wird, 1) den Geseßentwurf, betreffend die Verlegung der Landes-Buß- und Bettage, abzulehnen; 2) der Königlichen Staatsregicrung anheimzu- stellen, mit den betreffenden Landesregierungen und Kirchenbehörden beider Konfessionen erneut in Verhandlung zu treten und dabei eine Vereinigung zu gemeinsamer Feier auf einen Tag gegen Schluß des Kirchenjahres, womöglich in der vorleßten Woche, auf einen Mittwoch, in Aussicht zu nehmen.“

werden müßten, in

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Uebersitht

über die Verbreitung der Maul- und Klauenseuche : in Preußen im Ausgang des Monats Mai 1891.

Die Seuche herrschte in Angabe- der Thiers

gattung, welche von der Seuche befallen ist.

Regierungs-

bezirk. | Gemeinde-

(Guts-) Bezirken.

Kreisen.

Königsberg . Gumbinnen . ¿ Marienwerder . . Potsdam . Frankfurt a. O. . Berlin . a, Stettin .

Köslin

Posen Bromberg Breslau .

Oppeln Magdeburg . Merseburg …. Erfurt ._. Schleswig . Hannover . Hildesheim . Münster . Arnsberg

Kassel

Wiesbaden . Koblenz . Trier . i Sigmaringen .

Summe 84 | 140

j _ Gegenüber dem Monat April, in welhem in 127 Kreisen 295 Gemeinde- (Guts-) Bezirke verseucht waren, hat die Maul- und Klauenseuche erheblih an Ausbreitung abgenommen. _ Seuchenfrei waren am Schlusse des Monats Mai die Re- gierungsbezirke Danzig, Stralsund, Licgniß, Lüneburg, Stade,

Osnabrück, Aurih, Minden, Köln, Düsseldorf und Aachen.

Jn Berlin herrsht die Seuche unter dem Rindviceh- bestande eines Besißers, im Regierungsbezirk Schleswig unter

dem Rindvieh in einer Gemeinde des Kreises Segeberg.

Rindvieh.

Rindvieh.

Rindvieh.

Rindvieh, Schweine.

Rindvieh.

Rindvieh.

Rindvieh, Schweine.

Rindvieh.

Rindvieh, Schweine.

Nindvieh.

Rindvieh.

Nindvieh.

Rindvieh, Schweine,

Rindvieh.

Rindvieh, Schafe.

Rindvieh.

Rindvieh.

Rindvieh, Schweine.

Rindvieh, Schweine,

Rindvieh, Schafe.

Rindvieh, Schweine, Schafe, Ziegen.

Rindvieh.

Rindvieh, Ziegen.

Rindvieh, Schafe.

Rindvieh.

p

ban

| |

had H O d Co D i O O5 N A E M D I A 5 O N D mrd

Do —J R C0 R U DO i I O D P A C O pi Hr d DO A H d jd pur

bench I O D V

Verkehrs-Anstalten.

Die Poft von dem am 6, Mai aus Shanghai abgegangenen Reichs - Postdampfer „Preußen“ ist in Brindisi eingetroffen gn (eangs für Berlin voraussihtlich am 11. cr. Vormittags zur

usgabe.

München, 10. Juni. Die Lokaleisenbahngesellschaft hat die Jsaruferbahn bis Wolfratshausen heute dem Per- fonenverkehr übergeben. Die Fortseßung der Strecke bis zum Kochelsee (Voralpen) ift gesichert.

Bremen, 9. Juni. (W. T, B.) Norddeutscher Lloyd. Der Schnelldampfer „Aller“ is gestern Nachmittag 12 Uhr, von New- York kommend, in Bremerhaven eingetroffen. Der Scnelldampfer „Saale ist gestern Nachmittag 4 Uhr von Southampton abge- gangen und hat die Reise nah New-York fortgeseßt. Der Post- dampfer „Braunschweig“, von Australien kommend, ist heute von Southampton abgegangen und hat die Heimreise nah Bremerhaven fortgeseßt. Der Postdampfer „Sachsen“ ift gestern von Genua

abgegangen und hat die Reise nah Ost-Asien fortgeseßt. Der Posft- dampfer „Graf Bismarck“ hat gestern auf der Reise nah Brasilien Las Palmas passirt.

10. Juni. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Fa eMünchen“, von Baltimore kommend, is am 9. Juni 1 Uhr Vorm. auf der Weser angekommen. Der Scnelldampfer „Eider“, am 30. Mai von Bremen und am 1. Juni von Southampton abgegangen, ist am 9. Juni, 10 Uhr Vorm., in New- York angekommen, Der Schnelldampfer „Lahn“, von New-York kommend, hat am 9. Juni, 3 Ubr Nachm., Scilly passirt. Der Post- dampfer „Berlin*, am 11. Mai von Bremen abgegangen, ist am 6, Juni in Bahia angekommen.

Hamburg, 9. Juni. (W. T. B) Hamburg - Ameri- kanische Packetfahrt - Aktien - Gesellschaft. Der Post- dampfer „Moravia* ist, von Hamburg kommend, heute Morgen 8 Uhr in New-York eingetroffen.

10. Juat. (W. T. B.) Hamburg-AmerikanischePacket- fahrt-Aktien- Gesellshaft. Der Postdampfer „Rhaetia“ hat, von New-York kommend, heute 10 Uhr Morgens Lizard passirt.

London, 8. Juni. Die Englische Postverwaltung hat, der „A. C.* zufolge, neuerdings die Bêéstimmungen über die für be- \chädigte, oder abhanden gekommene Sendungen zu ge- währende Entschädigung getroffen. Für im Tranfit verlorene oder beschädigte Packete zahlt die Post künftig 2 Pfd. Sterl. (früher 1 Pfd. Sterl.) vollständig unabhängig von dem ursprünglichen Werthe der Sendung oder der Höhe des wirklih entstandenen Ver- Tustes. Während früher nur Briefe, Zeitungen und Buchsendungen als „eingeschrieben“ gesandt werden konnten, finden die dies- bezüglichen Bestimmungen nunmehr auch auf Pakete, Postkarten und Mustersendungen Anwendung. Die Einschreibegebühr beträgt wie bisher 2 d, wofür im Falle des Abhandenkommens oder Verlustes 5 Pfd. Sterl. vergütet werden. Für jede weiteren 5 Pfd. Sterl. (bis zu 25 Pfd. Sterl.) wird je 1 d in Rechnung gestellt.

(F) Stockholm, 8. Juni. Aus Trelleborg wird berichtet, daß dort am Donnerstag der deutsche Passagierdampfer „Freia* nach einer 3Zstündigen Ueberfahrt von Saßnit eintraf. An Bord des Dampfers befanden sich_ die Delegirten der deutschen Regie- rung, die Delegirten Schwedens, Contre - Admiral Lagerberg, Ober - Direktor Pihlgren und Major Gagner, fowie au eine größere Anzahl deuisher Post- und Eisenbahnbeamten und anderer an der künftigen Postroute Saßxitz-Trelleborg Interefsirten, unter denen der s{wedische General-Konsul Ivers in Stettin und Konsul Devald aus Swinemünde zu nennen sind. Nach einem dreistündigen Aufenthalt, während dessen der Hafen, die Eisen- bahn u. \. w. besihtigt wurden, trat die Gejellschaft mit der „Freia“ die Rückreise an.

Theater und Musik.

X1, Schlesishes Musikfesstt.

Aus Görliß wird uns berichtet: Der zweite Festtag (8. Juni) stand hinsihtlich des Besuchs dem ersten in keiner Weise nah. Die dur die Aufführungen des ersten Tages in künstlerischer Bezichung geweckten Hoffnungen fanden dur die Leistungen des zweiten Tages in vollem Maße ihre Er- füllung. Als würdige Einleitung brachte das tüchtig vor- bereitete Orchester eines der glänzendsten Werke van Beethoven's, die Symphonie Es-dur Nr. 3, welhe die volle Selbständigkeit seines Genius in schwungvoller * Erhabenheit dokumentirt, in tadel"osem Vortrage zu Gehör. Die großartige Wirkung, 1 elche die glänzende Wiedergabe dieses Werkes auf das Auditorium ausübte, äußerte fich in wiederholten, langanhaltenden Beifallsspenden. Die Scenen (I1. Aft) aus Gludck's Oper „Drpheus“ waren in ihren beiden Solopartien dur treff- liche Kräfte besezt. Frl. Huhn von der deutschen Oper in New- York sang den Orpheus mit einer sehr klangvollen, sympathischen Altstimme, während durch Frl. Leisinger die Arie der Eurydike „Diese Auen sind seligem Frieden 2c.“ zur s{hönsten Geltung kam. Die Chöre waren auf dem Plaße und wirkten ausgezeihnet. Den Mittelpunkt der Festaufführung des zweiten Tages bildete die Schlußscene des ersten Aktes aus Richard Wagner's „Parsifal“. Der weihevolle Eindruck des Werkes ließ Alle in lautloser Stille den sanften Klängen des Glaubenschores, der von Knaben des hiesigen Gymnafiums frish und sauber gesungen wurde, laushen. Das Orchester wurde seiner schwierigen Aufgabe in vollem Umfange gerecht und erfreute durch die sichere Auffassung; die Chöre klangen voll und frisch; nur stellenweise hätten sie ein wenig diskreter sein können. Der jubelnde Beifall war die wohlverdiente Anerkennung einex schönen Leistung, Berlioz'-Ouverture zu „Ben- oa Cellini“ wurde sorgfältig und verständnißvoll gespielt.

Den Schluß des zweiten Festtages bildeten Scenen aus Goethe's Faust von R. Schunaann. Man hatte dafür aus der zweiten Abtheilung „Faust's Tod“ und die ganze dritte Abtheilung „Fausi’s Verklärung“ auserwählt. Die gelungene Aufführung dieser Stücke des von düsterem Geiste beherrshten Werkes -verrieth deutlich die Sorgfalt und liebevolle Hin- gebung, mit der der Festdirigent, Professor Dr. Wüllner, sie einstudirt hatte. Abgesehen von einzelnen, im All- gemeinen belanglosen Unebenheiten in den Leistungen der Chöre, deren Vortrag namentlich hätte etwas innerlich bewegter sein können, klappte es vorzüglih. Die Solopartien lagen durhweg in den Händen bewährter und erprobterc Kräfte. Frl. Leisinger verhalf ihren Sopransfoli durch die shöóne Entfaltung ihrer bedeutenden Stimmmittel zu einem vollen Erfolge. Fn Frl. Helene Wobbermin, Opern- sängerin aus Stettin, präsentirte sih eine Sopranistin von ent- schiedenem Talent und guten Fähigkeiten. Jhre Stimme ist zwar nicht allzu ergiebig, doch zeichnet sie sih durch reinen Wohlklang aus, Die von Frl. Huhn gesungene Altpartie befriedigte niht nur in ihrer ethishen Wiedergabe, sondern auch durch die saubere tehnishe Ausführung. Hr. Birrenkoven vom Stadt-Theater in Köln, dessen Heijerkeit sih inzwischen behoben hatte, brahte seinen Tenor in voller Schönheit und mit geistvoler Ausprägung zur Geltung. Hr. Bulß, Königlicher Kammersänger aus Berlin, bezauberte auch die3mal wieder die Zuhörer durch den wunderbaren Klang seiner prächtigen Barytonstimme. Hr. Rolle fügte sich mit jeinem markigen Baß dem Ganzen auzsgezeihnet ein, So gelangten unter siherer und klangvoller Mitwirkung der Chöre und des Orchesters durch die kraftvolle und ziel- bewußte Leitung Wüllner's die Bruhstücke der bedeutsamen Schumann'shen Schöpfung in ihrer bis ins Kleinste fein dur{gearbeiteten Charakteristik als ein kostbares Werk künst- lerisher Schaffenskraft zum Vortrag und hinterließen in den andächtig lauschenden Mreca einen tiefen Eindruck. Freilih wäre es erwünscht gewesen, wenn der „Faust“ nicht am Shluß, sondern an einer besseren Stelle des Programms zur Aufführung gelangt wäre, Der innige Dank, der Angesichts des Gebdtenen die begeisterte Zuhörershaar am Ende des zweiten Festtages erfüllte, fand seinen Ausdruck in lebhaften Beifalls\penden.