1891 / 139 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 16 Jun 1891 18:00:01 GMT) scan diff

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Arbeiter obne Bes{&ränkung zuzulaffen, um dem Arbeitermangel ab- zuhelfen.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Was zunächft den vom Herrn Grafen von Klinckowftröm aus- gesprohenen Wunsh nach einer erweiterten Zulafsung russischer Arbeiter anlangt, so möchte ih darauf aufmerksam maden, daß es nit ganz zutreffend ist, wern, wie nach den Worten des Herrn Grafen von Klinckowftroem anzunehmen ift, davon aus- gegangen wird, es sollten nur l[andwirthschaftliche Ar- beiter zugelassen werden. Es ist au die Zulassung in- dustrieller Arbeiter ausdrücklih in den betreffenden Ver- fügungen vom November vorigen Jahres in Ausfiht genommen worden, allerdings aber ift diese Zulassung an gewisse Beschränkungen geknüpst. Es kam darauf an, bei dieser Zulaffung russischer Arbeiter ein Gegenmittel zu finden gegen die Entvölkerung an Arbeitskräften, die durch die ‘sogenannte Sacbsengängerei entsteht. Da die Satsengänger im Winter wieder zurückehren, also während dieser Zeit die nöthigen Arbeitskräfte vorhanden find, so ift das Mittel zur Beseitigung ftenes Uebelstandes in gleiwer Weise konstruirt worden; man hat gewissermaßen dieser SaWsengängerei gegen- über cire Preußengängerei organisiren wollen, aber auch mit der Mafgabe, daß sie bier nit dauernd si aufhalten, sondern während des Winters womögli wieder zurückehren sollten. Es find aber allerdings Ausnabmen zugelassen, es ist sogar mit Rück- ndt darauf, daß in gewissen Landeêtbeilen die landwirthschaftlichen Arbeiten nit dur ledige Arbeiter verriGtet werden, fondern daß die Instleute Familienväter zu sein pflegen, nit ausges{lofsen wor- den, daß ausnahmêtweise auch Familien zugelassen werden und daß für diese Fälle auch von der periodishen Zurückweisung Ausnahmen gemacht werden.

Im Uebrigen ift aber überbaupt diese ganze Maßregel nur als eine Probemafinabme vorerst in Aussiht genommen, und es sind die Ober-Präsidenten auf1efordert worden, fi darüber ¿zu äußern, ob dieselbe die erwartete Wirkung gehabt habe und ob es etwa notb- wendig würde, Ausdebnungen oder Beshränkongen eintreten zu laffen, So weit diese Berichte biëber eingegangen find, muß ih allerdings sagen, daß noch ein sehr großes Mifßverbältniß besteht zwischen der Zabl der Auswanderer und Sa&sengänger und der Zabl der zum Ersaß derselben herübergekommenen russisben Arbeiter, und daß, wenn sih demnätbft berausstellen sollte, daß dieses Mißverbältniß fortbesteht, allerdings in Er- wägung genommen werden müßte, erlei@ternde Bestimmungen na dieser Richtung bin eintreten zu lassen, da sonft der beabsichtigte Zweck der Maßnahme nit erreicht wird.

Was die Resolution des Herrn Grafen zu Stolberg anlangt, fo handelt es sih bei derselben um die Abänderung eines Reichs- gesetzes, des Gesezes über den Untersiüßungswohnsiß. Es ift das legte Mal, als diese Frage im Reichstage im Jahre 1887 zur Er- örterung kam, Seitens des Herrn Staatssekretärs des Reich8amts des Innern ausdrücklich darauf bingewiesen worden, daß diese Frage erst tann zur definitiven EntsHeidung würde gebracht werden können, wenn man die Wirkung der sozialvolitishen Gesetze vollständig zu über- sehen in der Lage sein würde. Dieser Zeitpunkt ift jeßt noch nicht gekommen; denn wenngleich das Gesttz über die Alters- und Inva- liditätsversiherung in Kraft getreten ist, so läßt si doch die Wirkung desselben auf die Erleihterung der Armenpflege beute noch nicht vollständig übersehen. Im Uebrigen, wie gesagt, handelt es sich um ein Reichsgeseß, und if damals schon die Erklärung abgegeben, daß Verbandlungen und Erörterungen über die Abänderung der Prinzipien des Unterstüßungaëwobnsitzes in Erwägung gezogen seien, aber bestimmte Erklärungen darüber, ob und inwieweit solhe Erwägungen demnähst zur Vorlegung eines Reichs- gesezes in dem in der Resolution bezeihneten Sinne führen würden, können natürlich von dieser Stelle aus zur Zeit niht gegeben werden.

Meinerseits möchte ich im Anschluß an Dasjenige, was der Herr Referent bereits ausgeführt hat, noch betonen, daß die Moti- virung dieser Resolution in ihrem zweiten Theil m. E. un- zutreffend ist. Jch vermag ni cht anzuerkennen, daß durch das Gesetz über die außferordentliche Armenlast, defsen Annahme soeben erfolgt ist, den Ortsarmenverbänden neue Lasten auferlegt werden. Meine Herren, es ift ja richtig, daß durch cine Anstaltspflege, welche für alle hülfsbedürftigen Irren, Siechen, Epileptischen, Blinden u. #. w. vorgesehen ift, eine Anstaltspflege, welhe zum Theil jeßt nit statt- findet, fi die Gesammtkosten der Armenpflege im Ganzen vor- auési{tlich vermehren werden. Aber diese Mehrbelastung trifft, wie dies, meine Herren, von dem Herrn Referenten ganz richtig aus- geführt worden ist, nicht die Ortsarmenverbände, sondern die Landarmenverbände, welche bisher nur befugt waren, jene Lasten zu übernehmen, und denen nunmehr die entsprechende Verpflichtung auferlegt wird, und welche also in Zukunft unbe- dingt die sogen, Generalkosten, die Kosten der allgemeinen Verwal- tung tragen, sodaß s{chon nach dieser Richtung die Ortsarmen- verbände cine Erleichterung erfahren. Außerdem is aber durch die weitere Beslimmung, daß der Kreis zwei Drittel des Restes der Kosten übernehmen foll, meines Erachtens ganz zweifellos dafür Sorge getragen, daß in Zukunft die Ortsarmenverbände in ihren Lasten erleihtert werden, Sie hatten bis jeßt die vielleiht im Ganzen geringeren Kosten der Pflege hülfsbedürftiger Jrrer, Blinder, Epileptischer u. \. w. allein zu tragen; sie werden in Zukunft aber nur ein Drittel der allerdings etwas höheren Kosten nah Abzug der allgemeinen Verwaltungskosten zu tragen haben, und das wird im Ganzen und Großen für die Ortsarmenverbände eine sehr erhebliche und wünschenswerthe Erleichterung herbeiführen.

Ober-Bürgermeister Struckmann bält es für bedenklich, eine so wichtige Materie, welche mit dem Gesetze niht im Zusammenhange stehe, so nebenbei zu erörtern und das Herrenhaus in dieser Frage

festzulegen ; gegebenen Falls müsse man die Resolution an eine Kom- D S Breihderr von Wendt bezweifelt, daß die Resolution den richtigen Weg der Abhülfe nachweise; denn die Beweglichkeit der Be- völkerung werde noch mehr befördert, wenn die Frist zur Erwerbung des Unterstüßung8wohnsißes verkürzt werde. Im Uebrigen glaube er N im Le hon d SLE D wenn auch nicht für i gung, fo doch für die Beschrä izügigkei finden fönne \{hränkung der Freizügigkeit _ Vber-Bürgermeister Bötticher (Magdeburg) bittet, die Reso- Tlution heute nit anzunehmen, denn fie zeige 9 Et das ridbtloe pi T ea ute zu erer Der Mürsung der Krankheit. Die ejolution enthalte fene genaue Angaben, wie di , E soll. : S R raf von der Shulenburg (Beetendorf) empfiehlt die Ab- «chnung der Resolution, wenngleich er dankbar sein müsse für die

Anregung der ganzen Erörterung. Redner bält cine Beschränkung der Freizügigkeit für nothwendig. : 4 : i Graf Udo zu Stolberg-Wernigerode bält, da die Frei- zügigkeit wohl jeßt nicht geändert werden könne, die Aenderung des Unterstüzungswohnsißgeseßes für nothwendig, zieht aber mit Rücksi®t auf die stattgehabte Debatte seine Refolution zurü.

Minister des Jnnern Herrfurth:

Auf die Sache selber braute ich nah der leßten Erklärung des Herrn Vorredners riht weiter einzugehen. Dagegen veranlassen mi die Ausführungen im Eingange seiner leßten Rede doch darauf bin- zuweisen, daß er von einer unzutreffenden Annahme aus- geht, wenn er behauptet, es wäre dur das vorliegende Gesetz der Gemeinde eine Quote der Kosten für die Unterbringung der bülfsbedürftigen Irren, Blinden, Epileptishen u. \. w. in allen Fällen und unbedingt auferlegt. Wenn er annimmt, daß selbft in denjenigen Provinzen, wo bisher die Provinz alle Koften allein ge- tragen habe, sie in Zukunft von den Ortéarmenverbänden einen Bei- trag einfordern müsse, so ist das nit richtig und berubt auf einem Mifverständniß. Meine Herren, ein derartizes Mißverständniß war wobl möalich bei den früberen Beschlüssen des Herrenbauses, in denen gesagt wurde: „den Landarmenverbänden iff von den Ortsarmenverbänden ein bestimmter Theil der Koften zu erstatten“; aber gerade mit Rücksi@t darauf, daß ähnliche Verbältnisse, wie sie Herr Graf Stolberg für Schlesien und Oft- preußen erwähnte, au in Weftpreußen zutreffen, ist im andern Hause Seitens des Abg. Wessel eine Aenderung des §. 31 a dahin beantragt werden, daß gesagt werden solle, der Landarmenverband sei be- rechtigt, cinen solhen Beitrag zu fordern und es is ausdrückli diese Abänderung damit motivirt worden, daß der Landarmenverband von dieser Berechbtigung keine8wegs immer Gebrauß machen müfse, sondern es ibm überlafsen bleibe, na wie vor die Kosten allein zu übernehmen. Es wird ja in Zukunft si so gestalten, daß da, wo der Ortsarmenverband bisber nichts gezablt bat, er auch in Zukunft nichts ¿ablen wird, daß aber da, wo er bisber Alles oder einen großen Theil der Kosten gezablt hat, er ¡u den Bedürfnissen nur F der Kosten zu tragen bat, welche übrig bleiben, wenn die allgemeinen Verwaltungskoften von dem Gesammtbetrage der Kosten abgezogen werden.

Graf Udo zu Stolberg-Wernigerode bezweifelt, daß der Landarmenverband von seinem Rechte der . Kostenliquidation nit Gebrauch maten werde. Dot fei anzuerkennen, daß diese Befugniß nit obligatorisch fei. - i

Damit ist dieser Gegenstand erledigt, und das Haus geht zur einmaligen Schlußberathung über das Geseß, betreffend die Heranziehung der Fabriken u. f. w. mit Voraus- leistungen für den Wegebau in der Provinz Brandenburg, über.

Der Berichterstatter von Betbmann-Hollweg beantragt, den Entwurf in den §8. 2 und 3 dahin abzuändern, daß die Kreise das Antragérecht baben und bei Kreiswegen die Entscheidung dem Bezirksausscbuß zuftehen solle. Es entspre{e dies dem früheren Be- \chlusse des Herrenbauses. Der Berichterstatter bemerkt, das andere Haus habe die Regierungsvorlage wiederhergestellt, ohne den ab- weichenden Herrenhaus-Beschluß zu beachten. # ae

Geheimer Ober-Regierungs-Rath Gamp: Es fei unrichtig, daß die Beschlüsse des Herrenhauses im Abgeordnetenhause nit beahtet worden seien, Dies sei sowohl in der ersten Berathung geschehen wie in der Kommission, welche sich in zwei Lesungen mit dem Gesetzentwurfe beschäftigt habe. Wenn die Kommission dem Wunsche der Regierung entsprewend die Regierungsvorlage wieder- hergestellt babe, fo sei dies aus sahliben Erwägungen geschehen. Es sei ribtig, daß der Provinzial-Landtag bei Berathung dieses Gesetzes beshlofsen habe, auch den Kreisen das Ret zur Erhebung von Präzipualbeiträgen zu geben. Die Erbebungen der Regierung feien bis jezt aber auf die Gemeinden bes{ränkt gewesen, und es werde die Ausdebnung der Befugniß auf die Kreise neue Erhebungen nötbig machen. Es werde dur Annahme dieser Aenderung eine ungerecht- fertigte Belaftung der Induftrie in der Mark entstehen. Er mötte glauben, {on im Interesse der Beschleunigung des Gesetzes werde es {ic empfeblen, den Entwurf in der Fafsung des Abgeordnetenbauses anzunehmen; im anderen Falle könne das Zustandekommen des Gesetzes leiht sid now längere Zeit hinzieben. g

Hierauf wird unter Ablehnung der Anträge des Herrn von Bethmann-Hollweg der Gesezentwurf in der Fassung des Abgeordnetenhauses angenommen. : A

Das Gesetz, betreffend Eintragungen in die Höfe- rolle und Landgüterrolle auf Ersuchen der Generalkommissionen, wird ohne Debatte angenommen.

Ueber eine Petition des Gemeinde: Kirchenraths zu Jessen mit Entschädigungëansprüchen in einer Forstablösungs- fache geht das Haus zur Tagesordnung über.

Schluß 5 Uhr.

Haus der Abgeordnetenu. 104, Sihung vom Montag, 15. Juni.

Der Sizung wohnen der Vize-Präsident des Staats- Ministeriums, Staats-Minister Dr, von Boetticher, der Minister des Jnnern Herrfurth, der Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berlepsch und der Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden bei.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Be- rathung des Geseßentwurfs, betreffend die König- lihen Gewerbegerichte in der Rheinprovinz.

Jn der Generaldiskussion spriht Abg. von Strombeck die Befürhtung aus, daß dieses Geseß in einzelnen Punkten die Jnteressen der Rheinprovinz schädigen könne.

Minister für Handel und Gewerbe Freiherr von Berleps c:

Der Herr Vorredner hat sich vorbehalten, bei der Spezial- berathung der einzelnen Paragraphen noch Bemerkungen zu machen, und ich darf in Folge dessen mir wohl auch vorbehalten, dann zu antworten.

Er hat aber einen allgemeinen Punkt berührt in Bezug auf die Geltung des §. 79 des Reichsgeseßes im Gebiete der rkeinischen Gewerbegerihte. Ich kann nur erklären, daß ih ganz auf seinem Standpunkte stehe, ich bin keinen Augenblick zweifelhaft, daß §. 79 des Gesetzes über die Gewerbegerihte zwingendes Reichsreht enthält und daß in Folge defsen kein Landesgeseß im Stande ist, daran etwas zu ändern.

Wenn der Herr Vorredner dann geglaubt hat, bervorheben zu müssen, daß durch einzelne Bestimmungen, die das Gese enthält, die Rheinprovinz benachtheiligt werden würde, so möste ih doch glauben, daß diese Anschauung in der Rheinprovinz nit ge- theilt wird (vielseitige Zustimmung); wenigstens haben bei der erften Berathung sämmtliche Herren aus dem Rkbeinlande, die zur Vorlage gesprochen haben, fi außerordentli befriedigt über dieselbe autge- sprohen. Es _ist eine bekannte Thatsache, daß unsere Rheinlande den

Fortbestand der alten Gewerbegerihte wünschen, und die Provinz wird in- Folge dessen es siH auch gefallen lassen und gern gefallen laffen, daß sie in einzelnen Punkten anders geftellt wird als die Landestbeile, die sonst dem Reichëgeset, betreffend die Gewerbegerihte, unterliegen und deren Sgiedsgerihte naß Maßgabe des Reich8gesetzes einzu- richten sind.

Jn der Spezialdebatte werden die einzelnen Paragraphen und sodann das Geseß im Ganzen unverändert nah den Be- schlüssen zweiter Lesung angenommen. j

Es folgt die Fortseßung der Berathung des Wild- shadengeseßes. _ ä p i;

Jn der leßten Sißung hatte sich bei der Beschlußfassung über den voa den Abgg. Brandenburg und Frandcke A beantragten 8. 4a, welcher die Regreßpfliht ein- ühren will, die Beshlußunfähigket des Hauses herausgestellt ; in der wieder aufgenommenen Abstimmung wird §. 4a mit sehr geringer Mehrheit gegen die Stimmen der Freisinnigen, des größten Theiles des Centrums und der Nationalliberalen, sowie einzelner Polen und Konservativen abgelehnt.

8. 5 der Herrenhausbesclüsse lautet :

„Ein Ersatz für Wildschaden findeï nicht statt: N

1) wenn die Umstände ergeben, daß die Bodenerzeugnisse in der Absicht gezogen oder erbeblih über die gewöhnlihe Erntezeit hin- aus auf dem Felde belafsen sind, um Schaden8ersaß zu erzielen ; 2) wenn die zur Verhütung von Wildscaden gebräublihen Shußz- maßregeln unterlassen sind; und 3) wenn Gärten, Baumschulen, Pflanzgaärten nit vollfiändig eingefriedigt sind.“ s

Nach dem Antrag Freiherr N d und R werden die Nummern 2 und 3 gestrichen, sodaß in diesen Fällen Ersaß von Wildschaden stattfinden joll.

8. 7 der Herrenhausbefhlüsse lautet : Î

„Die Abshätung des Schadens wird naG Prozentsäßen der Ernte unter BerückËäctigung der Boden- und Dungverbältnisse be- messen, und finden Schäden unter 6 °/9 keine Berücsichtigung.“

Die Abgg. Freiherr von Huene und Gen. beantragen, diese Bestimmung zu streichen. x

Abg. von Schalscha beantragt, dem §. 7 folgenden Saß hinzuzufügen:

„Grundftüde, welche größer find als 2 ha, können Bebufs Feststellung des Schadens in Theilstücke niht unter 1 ha zerlegt werden.“

Nath kurzer Debaite wird zunächst der Antrag von SWalscha angenommen, sodann aber der ganze Paragraph abgelehnt.

8. 9 des Herrenhausbesclusses lautet : /

„Na rettzeitig erfolgter Anmeldung bat die Orts-Polizei- bebörde zur Ermittelung und Schäßung des behaupteten Schadens und zur Herbeiführung einer gütliwen Einigung unverzügli einen Termia an Ort und Stelle anzuberaumen und zu demselben die Betbeiligten in ortsübliher Weise zu laden. Die Anwesenheit oder Vertretung derselben in dem Termine ift nicht erforderlich.

De Orts-Polizeibebörde ist befugt, sich in diesem Termine vertreten zu laffen.“

Ein Kompromißantrag des Abg. Freiherrn von Huene will zu dem Termin au die Jagdpähhter geladen und der Einladung die Verwarnung hinzugefügt wissen, daß im Fall des Nihtersheinens mit der Ermittelung und Schäßung des Schadens demna vorgegangen wird. Ferner foll Absay 2 gestrichen werden. | e

Abg. Rintelen beantragt, diesen ganzen Abschnitt zu streichen, während von den Abgg. Freiherrn von Huene und Genofsen einige Amendements eingebracht sind, welche haupt- sählih den Zweck haben, das von dem Herrenhause zugelassene Verwaltungsstreitverfahren zu beschleunigen. G den Fall der Ablehnung der Streihung beantragt Abg. Rintelen noch einige Unteramendements zu den Kompromißanträgen des Abg. Freiherrn von Huene.

Abg. Rintelen: Das vom Herrenhaus vorgeschlagene Ver- fabren würde, abzeschen von der Thatsache, daß nah der Civil- vprozeßordnung die Streitigkeiten dieser Art vor das Amtsgericht ge- bôrten, so aroße praktishe Schwierigkeiten mit sich bringen, daß sie die Durchführung der Vorlage zum größten Theil illuforisch machen würden; es sei weit besser, die Sachen dem gewöhnlihen Rechtsweg zu unterbreiten. Die Kosten, die das Amtsgerichtsverfahren mit si bringe, kämen diesen Schwierigkeiten gegenüber niht auf.

Aba. Rickert: Auch er bitte, die §8. 8 bis 13 abzulehnen; die Einführung des VerwaltungEstreitverfabrens beim Wildschadenersag sei in der That eine rechtlihe Anomalie und würde so große Schwierigkeiten macen, daß dadurch die Selbstverwaltung ernstliche Beeinträctizungen insofern erfahren könne, als sich die Leute zur Uebernahme der dazu nöthigen Aemter niht geneigt zeigen würden. Menn das Amtsgerichtsverfahren zu tbeuer für die oft sehr geringen Wildschäden fei, so müsse man dies Verfahren eben billiger machen.

Abg. von Jagow: Er bitte, im Interesse der gesbädigten Grundbesißer die Beschlüsse des Herrenhauses aufrecht zu erhalten, weil das Verwaltungsstreitverfahren billig, \chnell entsheidend und im Publikum sehr beliebt ei; auf eine Herabsetzung der Amtsgerichts- kosten kônne man im Auaenblick niht renen. /

Geheimer Justiz-Rath Dr. Holtgreven betont, daß die Ordnung des Wildschadens-Ersaßanspruhes im Berwaltungsstreitverfahren mit der Civilprozeßordnung des Deutsben Reichs keineêweges kollidire, aus diesem Grunde also eine Ablehnung der Herrenhausbeshlüfse nicht geboten sei. :

Abg. Franke wendet sich gegen Einzelheiten der vom Herren- kaus vorgeshlagenen Bestimmungen, namentlich gegen eine, wonach die Verjährung des Entschädigungsanspruhes nah drei Tagen ein- treten solle, was doch eine gar zu furz bemessene Frist sei.

Abg. Freiherr von Huene hält im Interesse der Gerechtigkeit eine so furze Verjährungéfrist für geboten, um Verdunkelungen zu vermeiden. Das WVerwmaltungsstreitverfahren solle übrigens nur gegenüber der Gemeinde, nicht aber beim Regreßanspruch an den Iagdpächter Plat greifen.

Abg. von Jagow erklärt si{ch Namens der konservativen Fraktion mit dieser Auffassung einverstanden.

Abg. Gerlich spricht si für das Amtsgerichtsverfahren in allen Wildschadenssachen aus, welches nicht langsamer sei, als das Ver- waltungsftreitverfahren.

Abg. Schmidt (Warburg) erklärt fich für die Herrenha:18- vocschläge.

Unter Ablehnung des Antrages Rintelen werden die S8. 8 bis 13 mit den vom Abg. Freiherrn von Huene bean- tragten Amendements genehmigt.

Die Abstimmung über eine vom Abg. Rintelen beantragte Abänderung des §. 12, wona der von der Orts-Polizeibehörde erfolgte Vorbescheid, wenn innerhalb zwei Wochen die Klage dagegen nicht erhoben ist, nit, wie die Herrenhausbeschlüsje wollen, endgültig, sondern nur vorläufig vollstreckbar sein soll, bleibt zweifelhaft; in der Auszählung wird der Antrag Rintelen mit 130 gegen 108 Stimmen angenommen.

F. 14 der Herrenhaus-Beschlüsse will, wenn in einem Jahre wiederholt durch Roth- oder Damwild verursachter Wildschaden festgestellt ist, auf Antrag der Ersagpflichtigen den FJagdberechtigten die Abminderung der schädigenden Wildart auch während der Schonzeit du:ch den Landrath E statten und gegen die abweisende Verfügung nur die Be- \hwerde bei der Auffichtzbehörde zulassen.

Nach dem Antrag der Abgg. Freiherr von Huene und

Gen. soll in solhen Fällen auf Antrag des Ersaßpflichtigen oder der Jagdberechtigten die Aufsichtsbehörde für den betr., eventuell auch für die benahbarten Jagdbezirke due Schonzeit für einen bestimmten Zeitraum Tibebên und die Jagd-

berechtigten zum Abschuß anhalten.

Abg. Rintelen beantragt die Einfügung eines §, 14aa, wonach ein Jagdberechbtigter, der der an ihn nab §. 14 ergangenen Auf- forderung zum Abs{uß nit genügende Folge gebe, für jeden den C ou durch das Wild ferner verursahten Schaden

aften Jolle. i

Abg. Conrad beantragt, §. 14 auh auf den dur Fasfanen und Rebe entstehenden Schbaden anzuwenden, und weist darauf hin, daß diese Bestimmung dringend nothwendig geworden fei durch die Beseitigung des Regreßparagraphen. Die jeßt angenommenen und vom Abg. Freiherrn von Huene vorges{lagenen Bestimmungen erschwerten den Gemeinden die Verpa&tung ihrer Jagdbezirke.

Abg. Freiherr von Huene wendet si gegen diese leßtere Be- bauptung. Ein Jagdbezirk, durch den Wildschaden entstehe, fände jeder Zeit einen Jagdpächhter. Rehe s\tifteten nämlich, wenn sie nicht geradezu mafsenbaft vorkämen, so gut wie gar keinen Schaden, und wenn Rehe massenhaft vorkämen, so sei das ein sehr begehrens- werther Jagdbezirk.

Abg. Freiherr von Wackerbarth bittet, den Antrag von Huene anzunehmen und den Antrag Conrad abzulehnen, weil diefer die Ver- nichtung der im §. 1 genannten Wildarten herbeiführen wolle. Die konservative Partei habe diesem Geseß Konzessionen gemacht, zu denen sie sih nit wieder verstehen würde, wenn das Geseß dies Mal nicht zu Stande kommen sollte.

Abg. Dr. Langerhans erklärt den Antrag von Huene für lange nit weitgebend genug, zumal die Oberförster in solhen Fällen den Unterförstern den Abschuß in einer solhen Weise vorshreiben würden, daß sie wobl merkten, daf sie mit einem irgendwie ausgiebigen Ab- \chuß das Mikffallen der Oberförster erregen würden. Redner befür- wortet die Annahme des Antrages - Conrad.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Wie ih mich erboben batte, um dem Hrn. Abg. Dr. Langerhans zu antworten, erbielt gerade der Hr. Abg. Boh das Wort, so daß ih dem Hrn. Abg. Dr. Langerhans nicht sofort antworten konnte.

Der Abg. Dr. Langerhans hat bei Würdigung des An- trages von Huene, betreffend Aufhebung der Sconzeit für Rotb- und Damwild, behauptet, daß Kösöaiglihe Oberförster die ibnen zu Theil gewordene Anordnung, dem Schwarzwild nach- zustellen, nicht ausgeführt hätten, daß sie den ihnen untergebenen

Förstern in einer nicht mißzuverstehenden Art und Weise den Auftrag ertbeilten, ein oder zwei Stück Schwar. wild abzuschießen, so daß keiner der Förster darüber zweifel-

baft scin könnte, daß er, wenn er mehr Schwarzwild abs{chöfse- sich das Mißfallen des Oberförsters zuziehe. Deshalb wurde den von der Centralftelle ertheilten Aufforderungen nicht Folge geleistet. Mir ist ein derartiger Fall nit bekannt. Derartize Beschwerden sind zwar an die Centralstelle gekommen, sie sind geprüft worden, und, soweit ich aus meiner Thätigkeit übersehen kann, als nicht begründet befunden. Wern dem Hrn. Abg. Langerhans derartige Fälle bekannt sind, so stelle ich anheim, sie zu meiner Kenntniß zu bringen.

Ich bin darüber nicht zweifelhaft, daß, wenn man bei den viel- fa@en Beschwerden über Wildshäden überhaupt noG Hochwild in unseren Wäldern erbalten will und nit den Zustand der Grabesruhe in denselben anstrebt, daß man dann gleichzeitig Schwarzwild und Rothwild nicht erhalten kann.

Diese Ueberzeugung hat wobl bereits früher bestanden und mit zu den auf die Verminderung und Ausrottung des Schwarzwildes binzielenden Anordnungen Veranlassung gegeben ; ich bin voll gewillt, diese Anordnung bezügli der Vertilgung des Schwarzwildes, auß wenn das Gese nicht perfekt werden follte, zur Durchführung zu bringen. Ich muß aber hervorheben, daf, wenigstens soweit ich überschen kann, namentlich im Westen, wo die stärksten Klagen über Schwarzwildshäden hervortreten, die Forfst- beamten mit der größten Energie und auch mit Erfolg dem Shwarz- wild nacgestellt haben. Aber das Schwarzwild ift nicht immer zu bekommen. Sollte mir jedo ein Fall nabgewiesen werden, daß ein Ober- förster in unzulässiger Weife auf Schonung des Schwarzwildes bedacht ift, und ich zu der Ueberzeugung komme, daf: ein Oberförster in diefer Art bestehenden Anordnungen entgegenhandelt, dann werde ih annehmen, daß der betreffende Beamte nit an der richtigen Stelle ift.

Abg. Dr. Langerhan® nimmt die von ihm Betreffs der Ober- förster gemackte Aeußerung zurü.

Minister für Landwirthschaft 2c. von Heyden:

Ich nehme mit Dank davon Akt, daß der Hr. Abg. Dr. Langer- hans soeben den gegen die Forstbeamten erhobenen Vorwurf wie ih ihn verstanden habe zurückgenommen hat, Wenn er eben auch nur von der Möglichkeit gesprochen hat, daß von den Forstbeamten so verfahren würde, wie er es dargestellt hat, so meine ich doc, daß eben in der Aut und Weise, wie diefe Möglichkeit vorgetragen wurde, der Vorwurf enthalten war, welchen ih geglaubt habe, zurückweisen zu müssen,

Unter Ablehnung des Antrages Conrad wird der Antrag von Huene angenommen.

Um 41/y Uhr vertagt das Haus die fernere Berathung.

Statiftik und Volk8wirthschaft.

Getreideeinfubr nach Danzig.

Wie die „Danz. Allg. Ztg.“ mittheilt, sind in den leßten Tagen wieder 33 Waagons Roggen, 35 Waggons Weizen, 36 Waggons Kleie und 9 Waggons Rübsen von Rußland in Danzig eingetroffen. Ferner ist der Dampfer „Hebe* ebenfalls mit 270 t Getreide von St. Peters- burg daselbs angekommen, zwei weitere größere Schiffe follen ebenfalls mit Getreideladung den Danziger Hafen erreiht haben, während, wie bereits wiederholt betont, mehrere tausend Tonnen Getreide nah Danzig unterwegs, bezw. gehandelt sind.

; Zur Saw sengängerei. E |

Wie avs dem Regierungsbezir” Gumbinnen geschrieben wird, ist in dem Fortzuge der Arbeiter nah dem Westen ein Stillstand noch immer nicht eingetreten; zahlrei sind die Klagen über Vertrags- bruch Seitens der Arbeiter. Von der Erlaubniß, landwirtbschaftlihe Arbeiter aus Rußland annebmen zu dürfen, hat bisher nur in sehr bes@ränktem Umfange Gebrau gemacht werden können, da die russishen Grenzbehörden den Uebertritt dortiger Arbeiter vielfach zu verhindern suhen. Im Uebrigen ist die wirthshaftlihe Lage der Arbeiter durchaus aünstig.

Zur Arbeiterbewegung. Während Deutschland gegenwärtig von größeren Arbeiterausständen völlig frei ist und auch für die nähste Zukunft keine bemerkenswerthen Bewegungen in Aussicht

stehen, scheinen sich im Auslande und namentlich in Frank- reich umfangreiche Bewegungen vorzubereiten.

In Folge des nachsichtigen Auftretens der Regierung bei dem Auéftand der Angestellten der Omnibusgesellschaft hat sich, so shreibt man der „Köln. Ztg.“ aus Paris, ein ziemlich böser Geist aller Arbeiter bemächtigt. „Selbst die Briefträger wollen jeßt ein Syndiïat bilden, um die Regierung zu einer Verbesserung ihrer Lage zu zwingen. Das wird ihnen aber \{lecht bekommen, da die Postbeamten als Staatsdiener betrachtet und deshalb dann von den Artikeln des Strafgeseßbuchs betroffen werden, welches die „Koalition®* von Staatsdienern fehr streng ahndet. Die Forderungen , welhe die Briefträger an die Ober - Postverwal- tung ftellen wollen, sind folgende: „Abschaffung der Trink- gelder am Neujahrêtage, da diese eire Verlezung des Gesetes gegen die Bettelei seien; Echöhung der Gehälter; Abschafung der achten Vertheilung von Briefen an Sonn- und Festtagen; Wiederherstellung der jährliben Prämie von dreißig Franken für das Auswe(feln des Kupfer- geldes.* Die Briefträger müssen nämlich ihre Einnahme in Silber oder Gold abliefern; da sie aber meistens Kupfergeld erbalten, so be- willigte man ihnen früher dreißig Franken für das Jahr, um ske für das Einwechseln des Kupfers gegen Silber zu entschädigen. Die Beschwerden der Pariser Briefträger werden aber s{werlich von der Regierung berücsicbtigt, zumal das Auftreten derselben, wie son bemerkt, für geseßwidrig gilt.* Die Commis der Spezerei- händler wollen jeßt au ein Syndikat bilden. Ihr Hauptziel ist die Beschränkung der Arbeitszeit im Sommer auf dreizeha Stunden, von 7 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends, und im Winter auf zwölf Stunden, von 8 Uhr Mo-gens bis 8 Uhr Abends. Außerdem verlangen sie, daß die Lüden an Sonn- und Feiertagen, mit Ausnabme von Weihna®ten und Neujahr. wo die Spezereihändler die ganze Nacht offen lassen, um 1 Uhr Nachmittags geschlofsen werden. Untec dem Perfonal der Gesellschaft, welhe die DampfsHiffahrt im Innern von Paris auf der Seine versicht, herrscht gleichfalls eine gewisse Er- regung. Zum Ausftand wird es aber \{chwerlich kommen, da die Gesellschaft ißre Leute sehr gut bezahlt und daher die Versuche einiger entlassenen Angestellten, ibre ebemaligen Kollegen zum Ausftand zu bestimmen, ohne Erfolg bleiben werden. Der „Vo}s. Ztg.“ wird aus Paris vom gestrigen Tage telegraphirt: In Lyon ruht wegen des Ausftandes der Bediensteten seit gestern der Omnibusverkehr. In zahlreichen anderen Gewerben werden im Zusammenhang mit der Gründung der Berufsgenofsenschaften Ausstände vorbereitet. Die Unternehmer beginnen an Widerstand zu denfen. Für den gestrigen Tag war eine Versammlung der Pariser Shuhfabrikanten einberufen, welcher der Antrag vorgelegt werden foll, eine Million einzuschießen, um den Kampf gegen neue Forderungen und Verrufserklärungen der Arbeiter aufzunehmen. Allen diesen Nachrichten steht die Meldung gegenüber, daß der angedrohte Bäckerstrike eberso- wenig zur Ausführung kommen werde, wie der Strike der Eisenbahn-Angestellten. In beiden Fällen, berichtet man der „Magdb. Ztg.“, führten Lärmmater das Wort und suchten die rubigeren Leute mit fortzureißen; aber es gelang ihnen nur, eine An- zahl Gleihgesinnter für ihre Idee zu gewinnen, während die Mehrheit unverdrofsen bei der Arbeit blieb, ohne ich an die Herausforderungen z1 kehren. Was die Bäder betrifft, so zählt Paris deren acht- bis zehntausend, wovon jeßt etwa ein Viertel unbeschäf1igt ist. Höchst wahr- scheinlih gebörten Diejenigen, die dem Meeting auf der Arbeitsbörse bei- wohnten und den Ausf\tand beschlossen, der leßteren Kategorie an; aber für die übrigen war der Beschluß nicht bindend und man er- wartete von einer Versammlung der Vorstände der Syndikate (die gestern stattfinden sollte) die Aufhebung des ersten Beschlusses. Ferner hielt am 13. d. M,, wie die „Köln. Ztg * aus Paris berichtet, der seit Anfang voriger Woche in Paris tagende Kongreß der katholischen Gesellenvereine seine Swhlußsißung ab. Der Deputirte Graf de Mun, einer der Gründer der katholishen Gefellenvereine, hieli die Hauptrede, die insofern Interesse hat, als er darin den großen Erfolg dieses Beginnens feststellt. Er stüßte fich auf die leßte Encyklika des Papstes und forderte die Katholiken auf, mit aller Kraft die arbeitenden Klassen durch weit- gehende Zugeständnifse der katholischen Kirhe wiederzugewinnen. In einer späteren Rede forderte der Abgeordnete die Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf, Syndikate aus Gesellen und Meistern zu bilden, um sih über ihre gemeinsamen Interessen ¿zu verständigen.

In Belgien ist der Ausstand im Becken von Charleroi noch immer nicht beendigt. Der „Voß. Ztg.“ schreibt man von dort:

20 000 Bergleute feiern und darben mit ihren Familicn seit 45 Tagea. Alle Zechen feiern und erleiden \chwere Verluste, und beide Parteien bebarren auf geseßlihem Boden bei ihrem Widerstand. Alle Versucbe, die Arbeiter mürbe zu machen, sind gescheitert. Die Zecbenbesitzer ba“en nunmehr kundgethan, daf sie alle Arbeiter, welche am 15. d. M. die Arbeit niht wieder aufnehmen, als endgültig entlassen an- sehen. Einige liberale Deputirte des Beckens von Charleroi suchen jeßt eine Verständigung anzubahnen; die Arbeiterführer wollen si fogar ibrem Schiedsspruche fügen. Ob diese Versuhe mehr Erfolg haben werden, als die bisberigen, wird sch erst in der kommenden Woche zeigen. Die ftaatlihen Behörden enthalten sich_ jeder Ein- mishung, da die Zechen wiederholte Mabnungen des Gouverneurs niht beachtet haben 5

Ueber die Versammlung von Arbeiterinnen, welche am Sonntag im Hyde-Park zu London stattfand, berihtet die „Alg. Corr.“:

Die Masfsen-Versammlung der Wäscherinnen Londons fand programmäßig ftatt und nahm einen böchst eindrucksvollen Verlauf. Eine Anzahl von Londoner Gewerkshaftëvereinen hatte bes{lossen, die Bewegung nach Kräften zu unterstüßen, und betheiligte sich somit an der Prozession, die gegen 2 Uhr ihren Einzug in Hyde-Park hielt. Die Neubeit des Schauspiels lockte viele Zuschauer heran, denen der Aufmarsch der meist in Kattun gekleideten Wäscherinnen vielen Stoff zur Erheiterung bot. Von den fünf Haupt- plattformen aus hielten die bekannten Arbeiterführer, unter denen die Leiter der Dockstrikes, John Burns, B. Tillet und Tom Mann sfelbst- verständli® nit fehlten, Ansprachen, in denen unter Anderem wiederum die Einführung des a!stündigen Arbeitstages verlangt wurde. Swließlib wurde eine Resolution angenommzn, in der man die Forderungen der Wäscherinnen (Einbegreifung in das Fabrikgesez, Erhöhung des Lohnes) unterstüßte. Die Sozia- listen batten sich ebenfalls an dem Meeting betbeiligt. Louise Michel redete ihre Anhänger auf französisch an und führte aus, daß die Arbeiter nicht mehr binter Barrikaden zur Erlangung ihrer An- sprüche zu fehten und sfih den Kugeln der Kavitaliften auszusetzen brauhten. Sie hätten jeßt eine andere Waffe den Strike, Während der Versammlung verlautete, daß die Angestellten der Pferdebahn-Gefellshaft ihre Arbeit niederzulegen beabsichtigten.

__ Was die Ausstände in Deutschland anbetrifft, so ist einer Mittheilung der „Magdb. Ztg.“ aus Bremerhaven vom 14. d. M. Erwähnung zu thun. Nach derselben is in dem Ausstande der Heizer und Kohlenzieher des Nord- deutshen Lloyd eine Aenderung zum Besseren eingetreten. Die Ausständigen sind durch Vorstellungen Seitens des hams- burgischen Vereins der Heizer und Trimmer bewogen worden, ihre Lohnforderungen auf die in Hamburg üblichen Sätze herabzuseßen, wodurch der Weg zu einer Einigung ge- geben ist. Dann fährt das Blatt fort:

Im Uebrigen hat der Lloyd Vorkehrungen getroffen, daß {ih die lärmenden Kundgebungen von neulich nit wiederholen. Er hat den Dampfer „Amerika“ auf den Strcm gelegt mit der ausgesprochenen Bestimmung, als Sammelschiff zu dienen für Diejenigen, welche von auswärts als Ersatz für die ausftändishen Heizer herangezogen werden. Die in Bremen ankommenden Arbeiter werden jeßt mit einem Passa- agierdampfec direkt nah der „Amerika®" gebracht, wo sie so lange freie Unterkunft und Verpflegung finden, bis sie verwendet werden können.

Jn Mannheim hat, wie der „Köln. Ztg.“ telegraphirt wird, gestern die Mehrzahl der ausständigen Getreide- arbeiter die Arbeit bedingungslos aufgenommen.

Aus Dudweiler berichtet die „Dudw. Ztg.“, es sei die Bildung eines christlich-sozialen Bergarbeitervereins für das ganze Saarkohlengebiet geplant. Die Orga- nisation des Vereins wird folgendermaßen in Aussicht ge- nommen ;

Jede der elf JInspektionen erbält einen Vorsitzenden , einen Schriftführer und einen Kassirer, diese bilden gemeinsam das Bureau. Außer diesen elf Bureaux wird noch ein Central-Bureau zur Rege- lung der durch die Lokal-Bureaux an dieses gelangenden Sachen gewählt. Dieses Central-Bureau foll in die Mitte des Saar- Reviers gelegt werden. Dudweiler ist hierfür in Ausficht ge- nommen. Der Verein soll die Regelung der zwischen den Berg- leuten und Grubenbebörden entstandenen Streitigkeiten auf gütlihem Wege bezwecken, auf ein einträhtigeres Leben und Wirken zwischen Beamten und Bergleuten hinarbeiten, in der Hauptsache sfih aber au die Pflege des Patriotismus, der Liebe zu Kaiser und Reich und des christlihen Familienlebens angelegen sein lassen. Beitritts- erklärungen find in großer Menge in Aussicht gestellt.

Aus Dirschau wird der „Brb. Ztg.“ gemeldet: Der Arbeits- zug, der die zum Brückenbau erforderliche Erde hierher befördert, kam leer hier an, weil die dortigen Arbeiter plöylih höheren Lohn verlangt und, da derselbe thnen verweigert wurde, die Arbeit ein- gestellt hatten.

Hier in Berlin faßte der „Ves. Ztg.“ zufolge eine öffentliche Generalversammlung der Maurer Berlins und Um- gegend am Sonntag den Beschluß: „Hauptsählih da, wo die Lobnverbältnisse am Scchlechtesten sind, an die Unternehmer heranzutreten und die alte Forderung von 60 A Stunden- lohn wieder aufzunehmen, die Sammlungen zum FKriegs=- fonds, d. h. zum Generalfonds der Berliner Maurer, überall und mit größter Energie wieder vorzunehmen und zum nächsten Sonntag wieder eine öfentlihe Generalversammlung zu berufen, in welcher über Mittel und Wege zur Abhülfe ver Lohndrückerei be- rathen werden foll.

Dänemarks Handelsflotte 1891.

Am 1. Januar 1891 bestand die dânishe Handelsflotte ein- \chließlich der auf den Faröern, in Island und den westindishen Be- sißungen Dänemarks beheimatheten Schiffe, die unter dänischer Flagge segeln aus 3497 S@&iffen mit einer Netto-Tragfähigkeit von 301 307,5 Reg.-Tons. Dieselben setzten sih wie folgt zusammen:

S Zahl der Netto- Tragfähigkeit Segelschiffe: Schiffe (Reg.-Tons) von 4—50 Reg.-Tons 2296 38 671,5 ber:60.., 871 149 758 Dampfs chiffe: von 4—50 Reg.-Tons 104 2 009 « Über 50 226 110 879

Die Dur{G\chnitts-Tragfähigkeit betrug bei den kleineren Schiffen von 4 bis 50 Reg.-Tons 16,8 Reg.-Tons für Segelschiffe und 19,3 für Dampfer, bei den größeren Schiffen von über 50 Reg.-Tons 171,9 Reg.-Tons für Segler und 490,6 für Dampfschiffe. Sämmt- lihe Dampfschiffe hatten nominell 27 227 Pferdekräfte.

Land- und Forstwirthschaft.

Die Anwendung Koch scher Lymphe bei Rindvieb.

óIn der zweiten Sißung des Landwirthschaftsraths von Elsaß- Lothringen erstattete Landes-Thierarzi Imlin einen längeren Bericht über die Anwendung von Koh'sher Lymphe bei Rindvieh. Es sind in den leßten Tagen in Mannheim ausgedehnte und gründ- lihe Versuhe gemacht worden. So wurden am 9, Juni dreiundzwanziig zum Sw{lachten bestimmte anscheinend wvoll- kommen gesunde Stück Rindvieh einer Einsprißung mit der Lymphe unterzogen. Drei Stück reagirten hierauf in der bekannten Weise unter Fiebererscheinungen u. w. Bei der am andern Tage vor- genommenen S{lachhtung und Untersuchung ergab si, daß diese drei Stü in der That tuberkulös, die Übrigen zwanzig aber ganz gesund waren. S

Ernteausfichten in Frankrei.

Na ciner Engquete des franzöfishen Müllerverbandes wird laut Meldung des „W. T. B.“ das diesjährige Ergebniß der Getreide- ernte in Frankrei auf 83 Millionen Hektoliter geshäßt, d. i. 31% weniger als im Vorjabre. Der Imvort dürfte über 40 Millionen Hektoliter betragen. Vorausgeseßt, daß die Witterung die Ernte nicht weiter ungünstig beeinflußt, würde der Import bei dem Durchschnitts- preise von 22 Fr. per Hektoliter 925 Millionen erfordern.

GesundheitSwesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Der Gesundbeitéstand in Berlin blieb in der Wote vom 31, Mai bis 6. Juni ein günstiger und die Sterblichkeit eine für Berlin selten niedrige (von je 1000 Einwohner starben aufs Jahr berehnet 15,2). Insbesondere kamen akute Entzündungen der Athmungs8organe in erbeblich selteneren Fällen zum Vorschein und endeten auch meist mit günstigem Verlaufe. Dagegen zeigten sh akute Darmkrankheiten zwar etwas bäufiger, jedo, zumeist wohl in Folge der fühleren Witterung, erheblih seltener als sonst um diese Iahres8zeit und führten auch nur in verhältnißmäßig geringer Zahl, besonders unter den Säuglingen, zum Tode, so daß die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblifkeit eine kleinere als in der Vor- wohe blieb und von je 10000 Lebenden, aufs Jahr berenet, 56 Säuglinge starben. Das Vorkommen der Infektionsfrankheiten blieb gleichfalls meist ein beschränktes. Erkrankungen an Unterleibstyphus waren selten; Erkrankungen an Sccharlach wurden weniger, an Masern und Diphtberie etwas mehr als in der Vorwoche zur An- zeige gebracht, und zeigten sich leßtere in der jenseitigen Luisenstadt und im Stralauer Viertel am bäufigsten. An Kindbettfieber kamen 4 Erkran- kungen zur Anzeige, Rofenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut gelangten selten zur ärztliwen Behandlung. Erkrankungen an Keuch- busten haben abgenommen auch war der Verlauf ein milder. Rheumatishe Beschwerden aller Art zeiaten in ihrem Vorkommen im Vergleich zur vorangegangenen Woche keine wesentliche Ver- änderung.

St. Petersburg, 16. Juni. Nach einer Meldung des eW. T. B.“ aus Kronstadt sind gegen 150 Mann von der Be- saßung der Fregatte „Minin*“ an der Influenza erkrankt. Man glaubt, daß die Krankheit aus Stockbolm, welchen Hafen die Fregatte vor ihrer Rückkehr na Kronstadt angelaufen war, vers{chleppt wurde.

Handel und Gewerbe.

Täglihe Wagengestellung für Koblen und Koks ¿ an der Ruhr und in Oberslesien. _ An der Ruhr sind am 15, d. M. gestellt 10580, nit rechtzeitig gestellt keine Wagen.

/ Subhastations8-Resultate.

Beim Königlichen Amtsgericht T Berlin ftanden am 15. Juni 1891 die nachverzeihneten Grundstücke zur Versteigerung : Markgrafenstraße 64a und an der Edcke der Krau sen stra fe 20, dem Architekten Conrad Friedrih Adolf Schumann hierselbit gehörig. Das geringste Gebot wurde auf 1210 4 festgeseßt. Ersteher wurde Kaufmann Ed. Troplcwiz, Jägerstraße 26, für das Meist- gebot von 660 000 # Kieler ftraße 23, dem Maurermeister Otto Telÿ gehörig. Das geringste Gebot wurde auf 115 000 M fest- geseßzt. Ersieherin wurde die Fr. Wittwe L. Wedell hierselbst für das Meistgebot von 121800 « Havelberger straße 3, dem Frl. Martha Murrmann hierselbst gehörig und mit 9200