1891 / 174 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 27 Jul 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Königreih Preußen.

Landgemeindeordnung für die sieben östlihen Provinzen der Monarchie. Vom 3. Juli 1891.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen unter Zustimmung beider Häuser des Landtages für die Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlefien und Sachsen, was folgt: Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen. S

Die gegenwärtige Landgemeindeordnung findet in den Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlefien und Sachsen hinsichtlich der Landgemeinden und selbständigen Gutsbezirke Anwendung.

Landgemeinden fann die Annahme der Städteordnung und Stadtgemeinden die Annahme der Landgemeindeordnun; auf ihren Antrag nah Anhörung des Kreistages und Provinzial- landtages durch Königliche Verordnung gestattet werden.

D

Die zur Zeit des Jnkrafttretens dieses Geseßes vorhandenen Landgemeinden und Gutsbezirke bleiben in ihrer bisherigen Begrenzung unter den nachfolgenden Maßgaben bestehen:

1) Grundstücke, welhe noch keinem Gemeinde- oder Guts- bezirke angehören, sind, sofern nicht ihre es in einen Stadtbezirk geeignet erscheint, nah Vernehmung der Be- theiligten durch Beschluß des Kreisausshusses mit einer Land- gemeinde oder einem Gutsbezirke zu vereinigen. Aus solchen Grundstücken fann, soweit dies nah ihrem Umfange und ihrer Leistungsfähigkeit angezeigt erscheint, mit Königlicher Ge- Os ein besonderer Gemeinde- oder Gutsbezirk gebildet werden.

9) Landgemeinden und Gutsbezirke, welche ihre G rehtlihen Verpflichtungen zu erfüllen außer Stande find, fönnen durch Königlihe Anordnung aufgelöst werden. Die Regelung der kommunalen Verhältnisse der Grundstücke der- selben erfolgt nah Maßgabe der Vorschriften in Nr. 1.

3) Landgemeinden und Gutsbezirke können mit anderen Gemeinde- oder Gutsbezirken nach Anhörung der betheiligten Gemeinden und Gutsbesizer, sowie des Kreisausschusses mit Königlicher Genehmigung vereinigt werden, wenn die Be- thei Do hiermit einverstanden find. Wenn ein Einverständniß der Betheiligten nicht zu erzielen ist, so ist die Zustimmung derselben, sofern das öffentlihe Interesse dies erheisht, im Beschlußverfahren dur den Kreisausschuß. zu erseßen. Gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß des Bezirksausschusses steht den Betheiligten und nah Maßgabe des §. 123 des Ge- seßes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Gesez-Samml. S. 195) dem Vorsißenden des Bezirks- ausschusses die weitere Beschwerde an den Provinzialrath zu. Erachtet der Oberpräsident das öffentliche Jnteresse durch den Beschluß des Provinzialraths für gefährdet, so steht demselben in der gleichen Weise (8. 123 a. a. D.) die Beschwerde an das Staatsministerium ofen. Der mit Gründen zu versehende Beschluß des Staatsministeriums ist dem Oberpräsidenten be- hufs Zustellung an die Betheiligten zuzufertigen. Unter den ae t Voraussezungen und in der gleihen Weise können

utsbezirke in Landgemeinden und Landgemeinden in Guts- bezirke durch Königlichen Erlaß umgewandelt werden.

Wird eine leistungsunfähige Gemeinde einem leistungs- fähigen Gutsbezirk zugelegt, jo bleibt leßterer als solcher bestehen, sofern der Gutsbejigzer dies beantragt.

4) Die Abtrennung einzelner Theile von einem Gemeinde- oder Gutsbezirke und deren Vereinigung mit einem anderen Gemeinde- oder Gutsbezirke kann, wenn die betheiligten Ge- meinden und Gutsbesißer sowie die Besißer der betreffenden Grundstücke einwilligen, oder wenn beim Widerspruhe Be- theiligter das öffentliche Interesse es erheischt, durch Beschluß des Kreisausshusses erfolgen. Gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß des Bezirksausschufses steht den Betheiligten und dem Vorfißenden des Bezirksausschu}ses die weitere Be- shwerde an den Provinzialrath, und gegen den Beschluß des Provinzialraths dem Oberpräsidenten die fernere Beschwerde an das Staatsministerium nach Maßgabe der Nr. 3 offen. Soll aus den abgetrennten Grundstücken ein neuer Gemeinde- oder Gutsbezirk gebildet werden, so ist die Königliche Ge- nehmigung erforderlich. : :

5) Ein öffentliches Jnteresse im Sinne der Nr. 3 und 4 ist nur dann als vorliegend anzusehen: 2

a. wenn Landgemeinden oder Gutsbezirke ihre öffent- lih-rechtlihen Verpflichtungen zu erfüllen außer Stande sind. -

Bei Beurtheilung dieser Frage sind Zuwendungen, welche Gemeinden und Gutsbezirken vom Staate oder arößeren Kommunalverbänden zustehen, niht als bestimmend zu erachten,

. wenn die Zersplitterung eines Gutsbezirks oder die Bildung von Kolonien in einem Gutsbezirke die Ab- trennung einzelner Theile desselbèn oder dessen Um- wandlung in eine Landgemeinde oder dessen Zu- shlagung zu einer oder mehreren Landgemeinden nothwendig macht,

. wenn in Folge örtlich verbundener Lage mehrerer Land-

emeinden oder von Gutsbezirken oder Theilen der- selben mit Landgemeinden ein erhebliher Widerstreit der fommunalen Interessen entstanden ist, dessen Aus- gleihung auch durch Bildung von Verbänden im Sinne der 88. 128 ff. nicht zu erreichen ist. :

6) Die vorstehenden Bestimmungen finden in den Fällen, in welchen es sih um die Vereinigung einer Landgemeinde oder eines Gutsbezirks mit einer Stadtgemeinde, um die Abtren- nung einzelner Theile von einem Stadtbezirke und deren Ver- einigung mit einem Landgemeinde- oder Gutsbezirke, sowie um die Abtrennung einzelner Theile von einem Landgemeinde- oder Gutsbezirke und deren Vereinigung mit einem Stadtbezirke bas finngemäße Anwendung mit der Maßgabe, daß an

ie Stelle der Beschlußfassung des Kreisausshusses nah ecr- fordertem Gutachten des Kreistages die Beschlußfassung des Bezirksaus\chusses tritt. j

7) In den vorstehend bezeichneten, der Königlichen Ge- nehmigung unterliegenden Fällen is vor deren Erwirkung der Beschluß des Kreisausschusjes, des Bezirksausschufses oder des Provinzialraths, sowie das Gutachten des Kreistages den Be- theiligten mitzutheilen.

8) Jede Bezirksveränderung ist durch das Regierungs- amtsblatt zu veröffentlichen.

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Ueber die in Folge einer Veränderung der Grenzen der Landgemeinden und Gutsbezirke nothwendig werdende Aus- einandersezung zwischen den Betheiligten bejhließt der Kreis- ausshuß, soweit aber E Stadtgemeinden in Betracht fommen, der Bezirksaus\huß, vorbehaltlich der den Betheiligten gegen einander zustehenden Klage im Verwaltungsstreitverfahren ei diesen Behörden. i

Bei dieser Auseinandersezung sind erforderlichen Falls Dei a a Ausgleichung der ee een Interessen der Betheiligten ju treffen. Jnsbesondere können einzelne Betheiligte im Verhältniß zu anderen Betheiligten, welche für gewisse kommunale Zwecke bereits vor der Ver- einigung für si allein Fürsorge getroffen haben, oder solche Betheiligte, welhe vorwiegend Lasten in die neue Gemeinschaft bringen, zu Vorausleistungen verpflichtet werden. Auch kann, wenn eine Gemeinde oder der Besißer eines Gutsbezirks durch die Abtrennung von Grundstücken eine Erleichterung in öffentlich- rechtlichen Verpflihtungen erfährt, der Gemeinde, welcher, oder dem Gutsbezirke, welchem jene Grundstücke einverleibt werden, ferner der neuen Gemeinde oder dem neuen Gutsbezirk, welche aus leßteren gebildet werden, eine Beihülfe zu den ihnen dur die Bezirksveränderung erwachsenden Ausgaben bis zur Höhe des der anderen Gemeinde oder dem Gutsbesißer dadur entstehenden Vortheils zugebilligt werden. Jm Falle der Ver- einigung von Gemeinden geht das Vermögen derjelben auf die neugebildete Gemeinde a

. 4.

Streitigkeiten über die bestehenden Grenzen der Gemeinde- und Gutsbezirke, sowie über die Eigenschaft einer Ortschaft als Landgemeinde, oder cines Gutes als selbständigen Guts- bezirks unterliegen der Entscheidung des Kreisausschusses, soweit hierbei Stadtgemeinden in Betracht kommen, des Be- zirksaus|chuffes. 4

Diese Behörden beschließen vorläufig über die im ersten Absaze bezeichneten Ae sofern das öffentliche Interesse es erheischt.- Bei dem Beschlusse behält es bis zur rehtsfräftigen Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren sein Bewenden.

Zweiter Titel. Landgemeinden.

Erster Abschnitt. Rechtlihe Stellung der Landgemeinden. 8.5. sind öffentlihe Körperschaften; es steht

Landgemeinden ihrer Angelegenheiten

ihnen das Recht der Selbstverwaltung nach den Vorschriften dieses Geseßes zu. 6

Die Landgemeinden sind zum Erlasse besonderer ftatu- tarisher Anordnungen über solche Angelegenheiten der Ge- meinde, hinsichtlih deren das Geseß Verschiedenheiten gestattet oder auf ortsstatutarishe Regelung verweist, sowie über folche e O deren Gegenstand niht durch Gese geregelt ist, befugt.

Die statutarischen Anordnungen bedürfen der Genehmigung des Kreisausschusses.

Zweiter Abschnitt. Gemeindeangehörige, deren Rechte und Pflichten.

: S T.

Angehörige der Landgemeinde sind mit Ausnahme der nicht angesessenen servisberehtigten Militärpersonen des aftiven Dienststandes diejenigen, welche innerhalb des Gemeindebezirks einen Wohnsiß haben. :

Einen Wohnsiß im Sinne dieses Geseßes hat Jemand an dem Orte, an welhem er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die auf die Absicht dauernder Beibehaltung einer solchen schließen lassen. s

Die Gemeindeangehörigen find zur Mitbenußung der öffentlihen Einrichtungen und Anstalten der Gemeinde nah Maßgabe der für dieselben bestehenden Bestimmungen berechtigt und zur Theilnahme an den Gemeindeabgaben und Lasten nah den Vorschriften dieses Geseßes verpflichtet.

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Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend das Recht. der Mitbenußzung der öffentlichen Gemeindeanstalten, beschließt der Gemeindevorsteher (Gemeindevorstand).

Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungs- streitverfahren statt. Die Beshwerden und die Einsprüche sowie die Klage haben feine aufschiebende Wirkung.

8. 10.

Soweit die Einnahmen aus dem Gemeindevermögen nicht hinreichen, um die durch das Bedürfniß und die Verpflichtungen der Gemeinde erforderten Geldmittel zu beschaffen, kann deren Aufbringung durch direkte oder indirekte Gemeindeabgaben erfolgen. ein

Die Vertheilung der auf das Einkommen gelegten direkten Ge- meindeabgaben darf nach keinem anderen Maßjtabe als nah dem Verhältnisse der von den Gemeindeangehörigen zu entrichtenden Staatseinkommensteuer und zwar nur durch Zuschläge zu der leßteren erfolgen. Den Gemeinden verbleibt die Befugniß, die Erhebung besonderer direkter Gemeindeabgaben nach dem Ge- seze, betreffend Ergänzung und Abänderung einiger Bestim- mungen über Erhebung der auf das Einkommen gelegten direkten Kommunalabgaben, vom 27. Juli 1885 (Geseßz-Samml. S. 327) zu beschließen.

Sonstige direkte Gemeindeabgaben können nur ‘entweder als Zuschläge zu den Staatssteuern (Grund-, Gebäudesteuer und Steuer vom Betriebe stehender Gewerbe) oder als be- sondere Gemeindeabgaben vom Grundbesiße und von dem Be- triebe aller oder einzelner stehender Gewerbe erhoben werden.

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Zuschläge zur Staatseinkommensteuer und besondere direkte Gemeindeabgaben nah dem Geseße vom 27. Juli 1885 dürfen nicht ohne gleichzeitige Heranziehung der Grund- und Gebäude- steuer, sowie der Gewerbesteuer oder Einführun besonderer direkter Gemeindeabgaben vom Grundbesige und Gewerbe- betriebe erhoben werden. Ebenso dürfen Zuschläge zur Grund- und Gebäudesteuer, sowie zur Gewerbesteuer oder besondere direkte Gemeindeabgaben vom Grundbesige und Gewerbebetriebe nicht ohne gleichzeitige Heranziehung der Staatseinkommensteuer erhoben werden.

_Die Heranziehung der einzelnen Steuergattungen nah verschiedenen R ist ¡ulässig, Die Grund- und Gebäudesteuer jowie die drei obersten Klassen der Steuer vom Betriebe stehender Gewerbe sind jedoch bei der Gemeinde-

besteuerung mindestens mit der Hälfte und höchstens mit dem vollen Betrage desjenigen Prozentsaßes heranzuziehen, mit welchem die Staatseinkommensteuer belastet wird.

Im Falle der Erhebung besonderer Gemeindeabgaben vom Grundbesigze ist deren Prozentverhältniß zur Staats-, Grund- und Gebäudesteuer der Vertheilung der Gemeindeabgaben nah den vorstehenden Bestimmungen zum Grunde zu legen.

Au3geschlossen von der Heranziehung bleibt die Steuer vom Gewerbebetriebe im Umherziehen.

Bis zum 1. April 1893 treten an Stelle der drei erften Klassen der Gewerbesteuer in Absay 2 die Klassen AT und ÂT der seitherigen Gewerbesteuer.

S. 13.

Gemeindeabgabepflihtige mit einem Einkommen von nicht mehr als 900 #6 können zu den Gemeindeabgaben heran- gezogen, jedoch unter Zustimmung des Kreisausshusses davon ganz freigelassen oder dazu mit einem ini etger Prozentsaßze als Personen mit einem höheren Einkommen herangezogen werden. Die Freilassung der Gemeindeabgabepflichtigen von Gemeindeabgaben muß erfolgen, wenn dieselben im Wege der öffentlihen Armenpflege eine fortlaufende S erhalten.

Soweit hiernach eine Heranziehung von Personen mit einem Einkommen von nicht mehr als 900 s. stattfindet, erfolgt deren Veranlagung zu den auf das Einkommen gelegten direkten Gemeindeabgaben auf Grund nachstehender fingirter Steuersäße:

bei einem Jahreseinkommen bis einschließlih 420 beträgt die Jahressteuer 2/;9/4 des ermittelten steuerpflichtigen Einkommens bis zum Höchstbetrage von 1,20 H,

bei einem Jahreseinfommen von mehr als 420 F bis 660 L beträgt die Jahressteuer 2,40 f, und bei einem solchen von mehr als 660 t. bis A t. beträgt dieselbe 4 M

S. 14.

Sofern es sich um Gemeindeeinrichtungen handelt, welche in besonders hervorragendem oder in besonders geringem Maße einem einzelnen Theile oder einzelnen abgesondert dap A Grundstücken des Gemeindebezirks oder einer einzelnen Klasse von Gemeindeangehörigen zu Statten kommen, fann von der Gemeinde eine Mehr- oder Minderbelastung des betreffenden Theiles des Gemeindebezirks oder der betreffenden Klase von Gemeindeangehörigen in Ansehung des zur Herstellung und Unterhaltung solcher Einrichtungen erforderlichen Bedarfes nah Abzug des etwaigen Ertrages derselben beschlossen werden.

1

S. 15.

Die Landgemeinden sind zur Erhebung indirekter Ge- ne ndeavaghen innerhalb der dur die Reichsgeseße gezogenen Grenzen berechtigt.

Ünberührt bleibt die Bestimmung des §. 2 Abs. 3 des Geseßes, betreffend die Aufhebung der Mahl- und Schlacht- steuer, vom 25. Mai 1873 (Gesez-Samml. S. 222).

S. 16.

Die Genehmigung des Kreisausfhufes ist erforderlich:

1) zur Erhebung von Zuschlägen zu den direkten Staats3- steuern, wenn der Zuschlag entweder 100 Prozent derselben übersteigt, oder niht nah gleichen Sägen auf die einzelnen Steuergattungen vertheilt werden soll,

2) zur Erhebung besonderer direkter Gemeindeabgaben,

3) zu Gemeindebeschlüssen, durch welche besondere direkte oder indirekte Gemeindeabgaben in ihren Grundsäßen ver- ändert werden,

4) zur V e indirekter Gemeindeabgaben,

5) zur Mehr- oder Minderbelastung einzelner Theile des Gemeindebezirks oder einzelner Klassen der Gemeindeangehörigen. S L

Die Landgemeinden sind berechtigt, als Entgelt für die Benuzung der von ihnen zu öffentlichen Zwecken bereit ge- haltenen Einrichtungen und Anstalten und gewährten Leistungen eine mit Genehmigung des Kreisausshusjes festzusegende Ab- gabe (Gebühr) zu erheben.

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Die Gemeindeabgabepflichtigen können durh Gemeinde- beschluß zur Leistung von Diensten (Hand- und Spanndiensten) verpflichtet werden. :

Darüber, ob diese Dienste in Natur zu leisten, oder behufs Festsezung des Leistungsverhältnisses in Geld abzuschäßen find, at die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) Beschluß zu fassen. Dieser Beschluß unterliegt der Genehmigung des Kreisaus\husses, wenn eine Umwandlung in Geld ni t für den einzelnen Fall, sondern allgemein beschlossen wi

Bei Leistung der Dienste in Natur sind die Spanndienste aus\cließlich von den gespannhaltenden Grundbestzern nah dem Verhältnisse der Anzahl der Zugthiere, welche die Be- wirthschaftung ihres Grundeigenthums erfordert, die Hand- dienste dagegen von sämmtlichen Gemeindeabgabepflichtigen, soweit solche nicht von Naturaldiensten nah dem Gesetze befreit sind, gleichheitlich zu leisten.

Öb und inwieweit hierbei den gespannhaltenden Grund- besigern die ihnen obliegenden Spanndienste auf das Maß der auf sie entfallenden Handdienste anzurehnen sind, bestimmt sich nah den hierüber getroffenen vertragsmäßigen oder statutarischen Festseßungen, oder dem Herkommen. Jm Zweifel3- falle wird vermuthet, daß jene Besiger nur bei solhen Arbeiten, bei welchen zugleich Spanndienste vorkommen, von den Hand- diensten befreit sind.

_ Wird die Abschäßung der Dienste in Geld beshlofen, so erfolgt die Vertheilung auf die Gemeindeabgabepflichtigen nah dem Maßstabe der direkten Gemeindeabgaben, oder, falls solhe niht erhoben werden, der direkten Staatssteuern mit der Maßgabe, daß es leßteren Falls der Gemeinde überlassen bleibt, auh die Heranziehung der im §. 1 des Geseßes vom 27. Juli 1885 bezeichneten Personengesammtheiten, juristischen und physishen Personen nach einer den Vorschriften dieses Geseßes entsprechenden fingirten Veranlagung zu beschließen.

Abweichungen von dieser Vertheilungsart bedürfen der Genehmigung des Kreisausschusses. f

Die Dienste können mit Ausnahme von Nothfällen durhch taugliche Stellvertreter abgeleistet werden. 1

Zur Leistung von Diensten (Hand- und Spanndiensten), soweit nit deren Abshäßung in Geld beschlossen ist, können auch die gemäß 8. 13 von der Heranziehung zu den Gemeinde- abgaben ganz oder theilweise freigelassenen Gemeindeabgabe- pflichtigen nah Maßgabe der Bestimmung des Absaßyes 3 herangezogen werden. A

Jn Ansehung der Aufbringung der Gemeindeabgaben und Dienste steht aus Gründen des öffentlihen Jnterejjes gegen den auf Beschwerde ergehenden Beschluß des Bezirksaus) uses dem Vorsißenden des leßteren die Einlegung der weiteren Be- {werde an die Minister des Jnnern und der E Qu, Hierbei finden die Bestimmungen des §. 123 des eseßes über

TORN A E S M S: R M FSTC MN D 25: f A “S R E I r nas e E E E E E A E N E Es e 2 s E (E T R a I S R D Ta

die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Geseß- Samml. S. 195) Anwendung. 2

Die Sem gung von Gemeindebeshlüssen, durh welche besondere direkte oder indirekte Ane dena es neu eingeführt oder in ihren Seutsähen verändert werden, bedarf der Zu- stimmung der Minister des E und der Finanzen.

„20,

Die Landgemeinden sind berechtigt, über die Aufbringung der Gemeindeabgaben und Dienste Gemeindeumlageordnungen zu beschließen, welhe der Genehmigung des Kreisaus\chusses mit der aus dem leßten Absaße des §. 19 folgenden Maßgabe bedürfen. Jn denjelben können Ordnungs|trafen gegen Zu- widerhandlungen bis auf Höhe von 10 F angeordnet werden.

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E Wo solche Gemeindeumlageordnungen nicht bestehen, haben die Landgemeinden bis zum Ablauf der ersten drei Monate des Steuerjahres über die Vertheilung der direkten Gemeinde- abgaben Beschluß zu fassen. E N Noti E ein gültiger Beschluß niht zu Stande, so werden für dieses Steuerjahr die direkten Gemeindeabgaben emäß §8. 12 auf die Staatseinkommensteuer unter Mit- beranziehung der Grund- und Gebäudesteuer sowie der drei obersten Klassen der Gewerbesteuer in dem dort bezeichneten Mindestbetrage vertheilt. t / Der hiernach zur Anwendung gelangende Maßstab behält au für die folgenden Jahre Geltung, sofern nicht bis zum Ablaufe der ersten drei Monate des Steuerjahres ein ander- weiter gültiger Gemeindebeschluß zu Stande kommt. 99

De “. L : Den direkten persönlichen Gemeindeabgaben unterliegen: 1) alle Personen, welche in der Gemeinde ihren Wohnsiß

aben, e

9) Aktiengesellshaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Berggewerkschaften, eingetragene Genossenschaften, deren Ge- schäftsbetrieb über den Kreis ihrer Mitglieder hinausgeht, juristishe Personen, der Staatsfiskus und Forensen unter den in dem Geseze vom 27. Juli 1885 bezeichneten Voraus}ezungen.

Personen, welche in dem Gemeindebezirke einen die Dauer von drei Monaten übersteigenden Aufenthalt nehmen, können gleih den Gemeindeangehörigen zu den Gemeindelasten heran- gezogen werden. Z

8. 23.

Den auf den Grundbesig gelegten Gemeindeabgaben unter- liegen die innerhalb des Gemeindebezirks belegenen Grundstücke und Gebäude, soweit dieselben niht nah §8. 26 von diesen Ab- gaben befreit sind.

8. 24.

Den vom Gewerbebetriebe zu entrichtenden Gemeinde- abgaben unterliegen die innerhalb des Gemeindebezirks betrie- benen stehenden Gewerbe. Erstreckt sih der Betrieb eines Ge- werbes auf mehrere Gemeindebezirke, so erfolgt die Besteuerung nah Maßgabe des auf jeden der Bezirke entfallenden Theiles des Betriebes.

Li 25

Jn Ansehung der Vermeidung von Doppelbesteuerungen des Einkommens kommen die Bestimmungen der S8. 7 bis 11 des Gesezes vom 27. Juli E zur Anwendung.

. 26.

Die von der Staats-Grund- und Gebäudesteuer befreiten Liegenschaften und Gebäude können zu den auf den Grund- besiß gelegten Gemecindeabgaben nur nah Maßgabe der Kabi- netsordre vom 8. Juni 1834 (Gesez-Samml. S. 87) heran- gezogen werden. Die Dienstgrundstücke der Geistlichen, Kirchen- diener und Volksschullehrer sind von den Gemeindeauflagen befreit.

2E

Die auf einem besonderen Rechtstitel beruhenden Be- freiungen einzelner Grundstücke von den Gemeindeabgaben bleiben in ihrèm bisherigen Umfange fortbestehen. Die Land- Fee sind jedo berechtigt, diese Befreiungen dur Zahlung es zwanzigfahen Jahreswerthes derselben nah dem Durh- schnitte der leßten zehn Jahre vor dem 1. Januar desjenigen Jahres, in welchem die Ablösung beschlossen wird, abzulösen. Steht ein anderer Entschädigungsmaßstab fest, so hat es hierbei sein Bewenden.

8. 28.

Besißer selbständiger Güter, welhe für ursprünglich bäuerlihe, zu ihren Gütern eingezogene, der örtlihen Lage nach aber gegenwärtig nicht mehr erkennbare Grundstücke (wüjte Hufen) der Gemeindeabgabepflicht in einer Landgemeinde unter- liegen, haben die von ihnen bisher entrichteten Gemeinde- abgaben und Lasten in dem Betrage, wie derselbe sih in dem Durchschnitte der leßten fünf Jahre vor dem Jnkrafttreten des gegenwärtigen Geseßes unter Weglassung des Gei und des

sten Jahresbeirages berechnet, entweder fortzuleisten oder

niedrig durch Hahlung des zwanzigfachen Jahreswerthes dieses Betrages

abzulösen. Im Fall des Streits ist zum Zweck einer billigen Ausgleihung wie im §. 3 zu verfahren.

e 29, ___ Die Geistlichen und Volksschullehrer bleiben bezüglich ihres Diensteinkommens, einschließlih des Ruhegehaltes, von den direkten persönlichen Gemeindeabgaben, sowie von allen persönlichen Gemeindediensten, foweit dieselben nicht auf ihnen pen Grundstücken lasten, befreit, Kirchendiener nur in- oweit, als ihnen solche Befreiungen bisher zugestanden haben. 30

Hinsichtlih der Heranziehung der im Dienste befindlichen, der in den einstweiligen Ruhestand verseßten und der. pensio- nirten Reichsbeamten, der unmittelbaren und mittelbaren Staatsbeamten, der hinterbliebenen Wittwen und Waisen dieser Beamten zu den Gemeindeabgaben, sowie hinsichtlih der neben dem Geseße vom 29. Juni 1886 stattfindenden Gemeinde- besteuerung von Militärpersonen, kommen die bezüglichen Vor- schriften des Geseßes vom 11. Juli 1822 ( A -Santiiil, S. 184) in Verbindung mit der Deklaration vom 21. Januar 1829 (Gesez-Samml. S. 9) und der Kabinetsordre vom 14. Mai 1832 (Gesez-Samml. S. 145) mit Ausschluß des Schlußsaßes des §8. 8 des ersterwähnten Gesezes und des auf diefen Schlußsaßz Le Theiles der zuleßt erwähnten Kabinctsordre zur Anwendung. Jm Uebrigen bewendet es wegen der Heranziehung von Militärpersonen zu Abgaben für Gemeindezwete bei den Bestimmungen des Geseßes vom 29. Juni 1886 S eß-Samml. S. 181).

Vie Beamten und Militärpersonen sind von persönlichen Gemeindedierssten frei. Sind Fe jedoch Besißer von Grund- Es oder betreiben sie ein stehendes Gewerbe, o haben sie ie mit diesem Grundbesige oder Gewerbe verbundsnen Dienste entweder selbst oder durch Stellvertreter zu leisten.e

R, E 8. 31. Alle übrigen persönlihen Befreiungen sind aufgehoben.

8. 32. __ Von Verbrauchsabgaben bleiben nur Militärspeise- einrihtungen und ähnliche Militäranstalten in dem bisherigen Umfange befreit.

: ; 8. 33.

Die Abgabepflicht beginnt und erlischt, soweit es sich um Zuschläge zu den direkten Staatssteuern handelt, für alle die- jenigen, welche zur Entrichtung der Prinzipalsteuer verpflichtet sind, mit dem Tage, mit welchem die Verpflichtung zur Zahlung der leßteren beginnt oder erlischt. Beim Wechsel des Wohnsiges erlisht die Abgabepfliht an dem Orte des Abzuges mit dem Ende des Monats, in welhem der Abzug statkfindet, und be- ginnt an dem Orte des Anzuges mit dem ersten Tage des auf den Anzug folgenden Monats.

Z Hinsichtlich der Zuschläge zu fingirt veranlagten Prinzipal- steuersäßen sowie der sonstigen Gemeindeabgaben beginnt die Abgabepflicht :

a. für diejenigen, welhe in dem Gemeindebezirke wohnen, mit dem ersten Tage des auf die Begründung ihres Wohnsizes folgenden Monats,

b. für solche Personen, welhe, ohne einen Wohnsiß im Gemeindebezirke zu begründen, si daselbst nur aufhalten, erst nah Ablauf des dritten Monats und zwar mit dem ersten Tage des auf den leßteren folgenden Monats, jedoch mit der Maßgabe, daß sie auch für die abgelaufenen drei Monate die Abgabe nachzuentrichten haben.

c. bei Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Berggewerkschaften, eingetragenen Genossenschaften, deren Geschäftsbetrieb über den Kreis ihrer Mitglieder hin- ausgeht, juristishen Personen, dem Staatsfiskus und Forensen mit dem crsten Tage des auf den Erwerb ihres Grund- eigenthums oder den Beginn ihres Pacht-, Gewerbe- oder Bergbaubetriebes in dem Gemeindebezirke folgenden Monats.

Die Beitragspflicht zu den im Absay 2 bezeichneten Gemeinde-Abgaben erlischt: s

1) durch den Tod des zur Steuer Veranlagten mit dem Ende des Monats, in welhem der Tod erfolgt ist,

2) durch das Aufgeben des Wohnsißes oder Aufenthalts, bei rehtzeitiger Anzeige mit dem Ende des Monats, in welhem der Abgabepflichtige den Wohnsiß oder Aufenthalt thatsächlich aufgegeben hat, anderenfalls mit dem Ende des darauf folgenden Monats,

3) bei den unter c bezeihneten Beitragspflichtigen durch die Veräußerung des Grundeigenthums oder die Aufgabe des Pacht-, Gewerbe- oder Bergbaubetricbes mit dem Ende des Monats, in welchem dieselbe erfolgt ist.

S. 34.

Die Bekanntmachung der Gemeindeabgaben erfolgt dur den Gemeindevorsteher.

1) insoweit es sih um Zuschläge zu den direkten Staats- steuern handelt,

a. an die innerhalb des Gemeindebezirks zu diesen Steuern veranlagten und in demselben wohnenden Pflichtigen, deren Prinzipalsteuersay unverändert der Erhebung des Zuschlages zum Grunde gelegt wird, durch ortsüblihe Bekanntmachung der zur Erhebung gelangenden Zuschlagsprozentsäße,

. an alle übrigen Pslichtigen durch besondere Mit- theilung des von ihnen N Maßgabe der Ver- anlagung an die Gemeindekasse zu entrichtenden _Jahresbetrages,

2) insoweit es sih um besondere direkte Gemeindeabgaben handelt, durch Auslegung der bezüglichen Hebeliste während eines zweiwöchigen Seititamis in einem oder mehreren in ortsübliher Weise zur öffentlihen Kenntniß zu bringenden Räumen des Gemeindebezirks und an die niht in dem Ge- meindebezirk wohnenden Pflichtigen durch besondere Mittheilung.

Jn den Fällen zu 1a und 2 kann durch Gemeindebeschluß an Stelle der daselbst vorgeschriebenen Art der Bekanntmachung eine besondere Mittheilung des zu zahlenden Jahresbetrages an jeden einzelnen Pflichtigen angeordnet werden.

S. 35.

Nach erfolgter Bekanntmachung ist der Abgabebetrag in den ersten 8 Tagen eines jeden Monats und, sofern die Er- hebung in mehrmonatlihen Raten durch Gemeindebeshluß angeordnet wird, in den ersten 8 Tagen des Hebemonats zu entrichten.

Die Gemeindeversammlung (Gemeindevertretung) ist be- rehtigt, für jeden Hebemonat einen bestimmten Steuer- erhebungstag festzusegen.

Dem Pflichtigen ist die Vorausentrihtung für einen längeren Zeitraum bis zum ganzen Jahresbetrage gestattet.

S: 36,

Die baaren Gemeindeabgaben und die Gebühren unter- liegen im Falle niht retzeitiger Entrichtung der Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren gemäß der Verordnung vom 7. September 1879 (Gesez-Samml. S. 591).

Wo Naturaldienste zu leisten sind, ist der Gemeinde- vorsteher bei Säumniß der Pflichtigen befugt, die Dienste durh Dritte leisten und die entstehenden Kosten von den ersteren im Verwaltungszwangsverfahren beitreiben zu lassen.

Q. 37,

Beschwerden und Einsprüche gegen die Heranziehung oder die Veranlagung zu den direkten Gemeindeabgaben find inner- halb drei Monaten, vom Tage der Bekanntmachung der zur Erhebung gelangenden Zuschlagsprozentsäße der Benachrichtigung über den zu entrihtenden Abgabebetrag oder der beendeten Auslegung der Hebeliste (§. 34) ab gerehnet, und Ansprüche auf Zurückzahlung zuviel erhobener indirekter Gemeinde- abgaben sind binnen Jahresfrist, vom Tage der Versteuerung ab gerehnet, bei dem Gemeindevorsteher anzubringen.

Bezüglih der Nachforderung von Gemeindeabgaben und der Verjährung der Rückstände finden die hinsichtlih der Staatssteuern geltenden Bestimmungen stnngemäße Anwendung.

S. 38.

Auf Beschwerden und Einsprüche, betreffend die Heran- zuna oder die Veranlagung zu den Gemeindelasten, beschließt er Gemeindevorsteher.

Gegen den Beschluß findet die Klage im Verwaltungs- streitverfahren statt.

Der Entscheidung im Verwaltungsstreitverfahren unter- liegen desgleichen Streitigkeiten zwischen Betheiligten über ihre in dem öffentlichen Rechte begründete Verpflihtung zu den Gemeindelasten.

Einsprüche gegen die Höhe von Gemeindezuschlägen zu den direkten Staatssteuern, welche sih gegen den Prinzipalsag der leßteren richten, sind unzulässig. Die Ermäßigung des Prinzipal- saßzes (F: 34. 1a) hat die Ermäßigung der Gemeindezuschläge von selbst zur Folge.

Die Beschwerden und die Einsprüche, sowie die Klage haben keine aufschiebende Wirkung.

Dritter Abschnitt.

Gemeindeglieder, deren Rechte und Pflichten.

S: 39:

Gemeindeglieder sind alle Gemeindeangehörigen, welchen das Gemeinderecht zusteht.

__ Eine Liste der Gemeindeglieder, welhe deren nah S. 41 erforderliche Eigenschaften nahweist, und der fonstigen Stimm- berechtigten (8. 45) wird von dem Srncinbecouiieler geführt und alljährlich im Monate Januar berichtigt. /

8. 40.

Das Gemeindereht umfaßt :

1) das Recht zur Theilnahme an dem Stimmrechte in der Gemeindeversammlung oder, wo die leßtere durch eine gewählte Gemeindevertretung erseßt ist, zur Theilnahme an den Gemeindewahlen, : |

2) das Recht zur Bekleidung unbesoldeter Aemter in der Verwaltung und Vertretung der Gemeinde.

41,

Das Gemeindereht steht “jedem selbständigen Gemeinde- Angehörigen zu, welcher

1) Angehöriger des Deutschen Reiches ist und

2) die bürgerlichen Ehrenrechte besißt,

3) seit einem Jahre in dem Gemeindebezirke seinen Wohnjiß hat, E :

4) feine Armenunterstüßung aus empfangt, E

5) die auf ihn entfallenden Gemeindeabgaben hat und außerdem

6) entweder

a. ein Wohnhaus in dem Gemeindebezirke besißt, oder

b. von seinem gesammten innerhalb des Gemeinde- bezirks belegenen Grundbesiße einen Jahresbetrag von mindestens drei Mark an Grund- und Gebäudesteuer entrichtet, oder

. zur Staatseinkommensteuer veranlagt ist oder zu den Gemeindeabgaben nah cinem Jahreseinkommen von mehr als 660 F in Gemäßheit der S8. 8 und 12 herangezogen wird.

Steht ein Wohnhaus im (getheilten oder ungetheilten) Miteigenthum Mehrerer, so kann das Gemeindereht auf Grund dieses Besißes nur von einem derselben ausgeübt werden.

Falls die Miteigenthümer sich über die Person des Be- rechtigten nicht einigen können, ist derjenige, welcher den größten Antheil besißt, befugt, das Gemeinderecht auszuüben ; bei gleichen Antheilen bestimmt fich die Person des Berechtigten dur das Loos, welches durch die Hand des Gemeindevorstehers gezogen wird.

Steuerzahlungen und Grundbesig der Ehefrau werden dem Ehemanne, Steuerzahlungen und Grundbesig der in väterlicher Gewalt befindlihen Kinder werden dem Vater angerechnet. In den Fä!len, wo ein Wohnhaus dur Vererbung auf einen Anderen übvergeht, kommt dem Erben bei Berechnung der Dauer des einjährigen Wohnsißes die Besißzeit des Erblassers zu Gute. Die Uebertragung unter den Lebenden an Verwandte in absteigender Linie steht der Vererbung gleich.

Als selbständig wird nah vollendetem vierundzwanzigsten Lebensjahre ein Jeder betrachtet, welcher einen eigenen Hausstand hat, sofern ihm nicht das Verfügungsrecht über die Verwaltung seines Vermögens durch richterlichen Beschluß entzogen it.

Jnwiefern über die Erlangung des Gemeinderechts von dem Gemeindevorsteher eine Urkunde zu ertheilen ist, bleibt den statutarishen Anordnungen vorbehalten.

8. 42.

Verlegt ein Gemeindeglied seinen Wohnsiß in eine andere Landgemeinde, so kann ihm das Gemeindereht, sofern im Uebrigen die Vorausseßungen zu dessen Erlangung vorliegen, von dem Gemeindevorsteher im Einverständnisse mit der Ge- meindeversammlung (Gemeindevertretung) {hon vor Ablauf eines Jahres verliehen werden. :

Ein Gleiches findet statt, wenn der Besißer eines selbst- ständigen Gutes (8. 122) seinen Wohnsiß in eine Land- gemeinde verlegt.

öffentlihen Mitteln

gezahlt

8. 43.

Das Gemeindereht und die unbesoldeten Gemeindeämter gehen verloren, sobald eines der im §. 41 unter Nr. 1 und 6 vorgeschriebenen Erfordernisse nicht mehr zutrifft oder der Wohnsitz in dem Gemeindebezirke aufgegeben wird.

Wer durch rechtskräftiges Erkenntniß der bürgerlichen Ehrenrechte verlustig gegangen ist, verliert dadurh dauernd die bisher von ihm bekleideten Aemter in der Gemeinde- verwaltung und der Gemeindevertretung, und für die im Urtheile bestimmte Zeit das Gemeindestimm- und Wahlrecht, sowie die Fähigkeit, dasselbe zu erwerben und Gemeindeämter zu bekleiden.

Die rechtskräftig erfolgte Aberkennung der Fähigkeit zur tra: öffentlicher Aemter hat den dauernden Verlust der bisher beflcideten Aemter in der Gemeindeverwaltung und Gemeindevertretung, sowie für die im Urtheile bestimmte Zeit die Unjahialeit zur Bekleidung solher Aemter zur Folge.

Die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe hat den Verlust der Gemeindeämter und die dauernde Unfähigkeit zur Be- kleidung solher zur Folge. :

: . 8. 44.

Die Ausübung des Gemeinderehts (8. 40) ruht,

1) wenn gegen ein Gemeindeglied wegen eines Verbrechens oder eines Vergehens, welches die Aberkennung der bürger- lichen Ehrenrechte zur Folge haben kann, das Hauptverfahren eröffnet, oder dasjelbe zur gerihtlihen Haft gebracht ist, so lange, bis das Strafverfahren beendet ist; i

2) wenn ein Gemeindeglied in Konkurs verfällt, bis zur Beendigung des Verfahrens ;

__3) wenn ein Gemeindeglied Armenunterstüßung aus öffentlihen Mitteln empfängt, während sechs Monate nah dem Empfang der Unterstüßung, fofern es nicht früher die empfangene Unterstüßung erstattet ;

4) wenn ein Gemeindeglied die auf dasselbe entfallenden

Gemeindeabgaben nah Mahnung durch den Steuererheber nicht gezahlt hat, bis zur Entrichtung derselben. : Bekleidet ein solches Gemeindeglied unbesoldete Gemeinde- ämter, oder ist dasselbe Abgeordneter nicht angesessener Stimm- berechtigter (S. 48), so ist der Kreisausshuß berechtigt, die Wahl eines kommiß}arischen Vertreters anzuordnen.

S. 45. __ Wer, ohne im Gemeindebezirke einen Wohnsiß zu haben, in demselben seit cinem Jahre ein Grundstück besißt, welches wenigstens den Umfang einer die Haltung von Zugvieh zur Bewirthschaftung erfordernden Ackernahrung hat, oder auf welchem sh ein Wohnhaus, eine Fabrik oder eine andere ge=-