1891 / 175 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Jul 1891 18:00:01 GMT) scan diff

für Freiheit und Einheit kämpften, konnten sie auf die warmen Sympa:hien der Engländer rechnen. Seit dem Frieden von Villafranca bat s\sih nie cine S{wierigkeit voa größerer Bedeutung zwishen den Kabineten beider Staaien ergeben. Es war England nicht beschieden, der guten Sache Itaiiens Hinder- nisse zu bereiten, und wir bekennen, daß die Ftaliener für die Art von Unterstüßung, die wir ihnen gerähren konnten, uns größere Dank- barkeit erwiesen haben, als wir verdienen. Indessen war die dauernde Unterstüßurg durh unsere Diplomatie in einem Zeitraum von etwa 30 Jahren ohne Zwcifel von einigem Werth, Aus dieser Art von Sympathie auf der einen und ron Aner- kennung auf der anderen Seite ist nach und nach das Bewußtsein wvoilkommener Gieichkeit der Interessen er- wachsen. Es ift vergeblih, daß die politishen Alletwisser geLeime Verträge und vertraulihe Klauscln aufzuspüren suben. Hinsichtlich Italiens hat Ergland ganz freie Hand und diese Freiheit ist eine gegenseitige. Was sie miteinander vereinigt, ist etwas Solideres, als das dickîte Pergament und die \{öônfte Untecs@rift. Sie wünschen beide die alcihen Dinge und wollen die gleihen Dinze vermeidea. Wir verlangen für alle Nationen Europas freie Verfügung über ihre Kräfte und Ruhe vor Anzapfungen und Drohungen mit Kriegs- gefahren.“

__ Wie die „World“ mittheilt, wird Prinz George von Wales am 2. August mit seinem Kriegsschiff „Thr ush“ in Cowes erwartet.

In der gestrigen Unterhaus sißung erwiderte der Unter-Staatssekretär Fergusson auf eine bezüglihe An- frage: der englishe General-Konful in Kairo Sir Baring glaube, die egyptishe Regierung thue ihr Möglichstes, um den Sklavenhandel zwishen den kleinen Pläßen des Rothen Meeres zu verhindern. Der konservative Depu- tirte Atkinson wurde weaen ungebührlihen Verhaltens gegen den Sprecher auf eine Woche von den Sitzungen des Hauses suspendirt. 5

Nachdem das Bersten einer sechszölligen Kanone an Bord der „Cordelia“ mehrere Menschenleben gekostet hat, will, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, die Admiralität alle Kanonen dieses Modells einziehen.

__ Einem soeben veröffentlichten parlamentarishen Bericht zufolge betr"g die Zahl der agrarishen Ausschreitungen in Jrland in dem mit 30. Funi beendeten Vierteljahr 120. Der Hauptantheil daran fällt auf die Grafshast Munster, in welcher allein 80 folher Fälle vorkamen.

Aus Victoria in British-Columbien vom 26, Juli meldet ein Telegramm des „Bureau Neuter“:

Der canadishe Schooner „Marvin“ versuchte in das Beringsmeer cinzufahren, obwokl er von den amerikanischen Kreuzern gewarnt worden war. Die Folge war, daß der Zollkutter der Vereinigten Staaten „Rush“ den Schooner besch!lagnabmte rnd ihn dem britishen Kriegss{chifff „Nymphe“ übergab. Die „Nymphe“ brate den „Maroin“ hierher ein.

Frankreich.

Wie aus Paris gemeldet wird, hat der Kaiser von Rußland nach der Besichtigung des französischen Geschwaders an den Präsidenten Carnot ein Beglückwünshungs:Telegramm gerihtet, welches der Präsident sofort mit einem Telegramm, in dem er seinem Danke Ausdruck gab, beantwortete.

Die französischen Blätter beschäftigen sih eingehend mit dem Besuh des französishen Geshwaders in Kronstadt und dessen Aufnahme Seitens der russishen Bevölkerung. Der „Siècle“ meint, daß in dem Freudenjubel des gesammten russishen Volks kein Mißton „aus den ahtzig Millionen Einwohnern des weiten Reichs“ sih habe vernehmen lassen. Freilich fügt das Blatt hinzu, daß die Kundgebungen, obgleih sie eine großartige Wirkung haben werden, fein Bündniß, keinen Kriegsvertrag bedeuten. Ferner heißt es in der „Estafette“, dem Organ Jules Ferry's:

„Wir verhalten uns skeptisch zu den Begegnungen der Kaiser und Könige und werden auch hbinsi@tlich des Besuchs unseres Ge- \ckwaders in decn russis@en Gewässern tasfelbte thun. Man wieder- bolt, wir stehen da einer Verbrüderung zweier Völker gegenüber, die aus Temperament und Ueberlieferung sympathisiren. Das ist nit ribtig, Auf die Gefahr hin, außerhalb der Tagesströmung zu stehen, können wir nicht zugeben, daß zwishen der fran- zösishen Nation, von der jede moderne Gesittung ausging, die immer voran war bei cen geistigen und moralisGen Fort- \chritten der Welt, und tem russishen Voik, das mekr asiatish als euroräisch ist und diesen Grundzug in seinem politishen und sczialen Leben sowie auch in der Geringshäßurng für Alles, was vom Westen kommt, aufweist, Gleichgestimmtheit herrschen soll. Die Wahrheit ist, daß die beiden Völker, die an den entgegengeseßten Enden der sozialen Bildung stehen, nur gemeins{haftlihe Antipathien haken. . . , Diese Antipathicn Gemeinschaft wird den Grundzug der Feste bilden, durch welche die russis@e Regierung und haupt- fablich die russishen Bevölkerungen unsere Flotte aut- zeihnen wollten. .. . Der “Zar und feine Regierung haben bei dem herzlihen Empfang, den sie unserem Geschwader zu Theil werden ließen, anderen Ideen gehort, als die Presse und die Slavophilen Rußlands. Die Kaiserliche Regierung streckt Frankreich die Hand hin, weil sie im Interesse Rußlands wünscht, daß unsere Nation die hervor- ragende Stellunz behalte, die sie in der Familie der europäischen Nationen einnimmt. Die Slavophilen sehen dafür mehr nah einem großen Völkerkriege aus, in welchen die französishe Macht sich blind- lings verwickeln ließe, um die Größe Nußlands zu fördern, wie sie vor 37 Iabren der Größe Englands förderlich war. Allein die Zeiten sind Gott sei Dank vorbei, da wir gern die Rolle ritterliher Helfer in den Kriegen Anderer spielten. Wir wollen vor Allem den Frieden. Darum strecken wir dem Zarea die Hand entgegen, welcher durch freundshaftlihe Beziehungen zu Frankreich das richtige Gegengewicht zu dem mitteleuropäishen Bunde bildet. Wenn aber der Tag kommt, an dem wir das Schwert ziehen müssen, um an der Seite eines Anderen zu kämpfen, so werden wir uns nicht binden, ohne uns im Voraus versichert zu haben, daß wir für unsere Interessen und nicht für den Rubm fechten, cine Hegemonie dur eine andere zu ersetzen.“

Die „République française“ schreibt:

„Aus dem großartigen Empfange der französis{en Schiffe in Kronstadt werden überspannte Gemüther Scblüsse zu Gunsten einer Allianz ziehen wollen, nach der sie gebieterisch verlangen, ohne zu fragen, od beide Theile damit einverstanden wären... . Gewiß dachten die französische und die russishe Regierung, indem sie die sympathishe Kundgebung vorberéiteten, eben so wenig daran, den Grundstein eines Vertrages zu legen, als Europa zur Besorgniß Anlaß zu geben. Wir glauben, sie haben im Gegentheil den Frieden gefördert dur den handgreiflihen Beweis, daß der Unterschied der staatlichen Einri&tungen den vertrauensvollen und freund\{aftlihen Beziehungen zwischen Frar krei und Rußland nicht binderlich ift.“

Nah einem Telegramm Berliner Blätter bekämpfen neuerdings der „Temps“ und das „Journal des Débats“ die Anschauung, daß die Verschiedenheit der Staatsform ein dauerndes Bündniß zwischen Frankreih und Rußland unmöglich mache. Der „Temps“ hebt hervor, daß die Republik mit der Auto- kratie, welche Rußlands Kulturentwickelung entspreche, desto leihter zur Verständigung gelangen könne, als die Verständigung bestimmte Zielpunkte habe, deren vornehmster und unerbitt- liher der Widerstand gegen jeden, selbst indirekten Versuch, die Macht der Türkei auf dem Balkan herabzumindern, bildet.

Wir fügen hieran eine kühl abwäßende englische Stimme. So schreibt die Londoner „Morning-Post“:

„Es ift vielleicht eines der ermuthigendsten Zeichen der besseren Lage der europäischen Politik, daß das Eintreffen der Flotte einer Macht in den Gewässern der anderen stets zum Anlaß des AustausHes internationaler Höili&k- iten gema§t wird, Die Besfitßtigung der französfishen Panzershiffe durch den Zaren is das jüngste Ereigniß dieser Art. Daß darin eine Uafceunadlihkeit gegen andere Staaten liect, köôunen nur Diejenigen glauben, bei denen der Wuynsh Väter des Gedankens it. Die britische Flotte wurde erst fkTürzlich ähnlio vom Kaiser von Oesterreich besucht und darauf vom König von Italien, wäh:en® sie leyztes Jahr formell mit weit grözerer Feteclifeit vom Deutschen Kaiser inspizirt wurde. In all diesem lag niht die mindeste Drohung gegen andere Staaten und britische Kriegsschiffe sind in der That ebenso gast- freundlich in Marseille und Kronstadt empfangen worden, als anderswo. Das versprochene Erschcinen eines französishen Geschwaders in britis@en Gewässern wird zu einer herzlihen Begrüßung führen, während unter ähnlihen Umständen der Marine des Zaren das Gleiche zu Theil werden würde. Wenn deshalb cinige kontinentale Zeitungen sagen, daß Frankreid und Rußland j:tt auf die Vorgänge im Adriatishen Meer geantwortet haben, fo ijt es nothwendig, fich daran zu erinnern, daß diese Vorcänge völlig legit m und unschuldig waren. Wir seben keinen drohenden Charakter in der französis russischen Höf- lihfeit. Die Geographie entscheidet vielleiht mehr diese Zusammen- füifte als die Politik. Die britische Flotte wurde erft na Mèarseille geschidt, ehe sie Venedig oder Fiume besuhte. Rußland bält keine Flotte im Mittelmeer und Oesterreih keine in der Ostsee. Eine Bearüßung der Marinen dieser Mächte ist daber ausge\{&lofsen. Deutschland und Rußland andererseits fragen niht viel na einer Flottenparade. In der Regel ijt es daher entweder die französische oder brilishe Flotte, welcher das Compliment eines Empfanges in fremden Gewässern zu Theil wird.“

Ueber den Attentatsv:rsuch gegen den Minister Constans, Etienne und Treille wiro der „Köln. Ztg.“ mitgetheilt, daß es sih bei der Sprengstoffsendung nicht um Bücherkisten, sondern um einzelne Bücher unter Streifband gehandelt habe. Die Bücher kamen am Donnerstag früh an. Die an den Minister Constans selbst gerihtete Sendung ¿am dur Jrrthum des Pförtners in die Hand der Frau Constans. Treille und Frau Constans fanden die Sendung verdächtig, und, da beim Anfassen der Bücher eine Art weißer Staub herausfiel, schickten sie dieselben sofort zur Polizei. Etienne empfing sein Buch am Abend, als er nah Hause zurückehrte, und da Treille ihn bereits benacrihtigt hatte, ließ er das Buch sofort zum Polizeikommissar bringen. Durch die Unter- suchung auf dem Laboratorium wurde festgestellt, daß jedes Buch nur 20 Seiten am Anfang und Ende enthielt und der Rest leer war. Statt dessen war unter sorgfältiger Shonung der Ränder ein Raum ausgehöhlt; in diesem Hohlraum be- fand sih eine Büchse mit 200 Gramm Mercurfulminat, 22 Revolverpatronen und einigen Gevelot-Zündhütchen. Durch das ganze Buch zogen sich zwei Pergamentstreishen mit Zündern, wie sie bei Knallbonbons verwandt werden, sodaß beim Aufshlagen des Buches die Zünder explodiren und die Sprengmasse in Brand seßen mußten. Der Chef der öffentlihen Sicherheit, Goron, der nah Toulon ab- gegangen ist, um über den dreifahen Mordanschlag Unter- suchungen anzustellen, telegraphirt dem Polizei-Präfekten, daß er die Nahforshungen fortseßt, aber niht auf der rechten Fährte zu sein glaubt.

Nuf:land und Polen.

Ueber die Festlihkeiten aus Anlaß der Ankunft des

französishen Geschwaders in Kronstadt meldet „W. T. B.“ weiter: Der Admiral Gervais gab gestern (Montag) ein großes Déjeuner an Bord des „Marengo“, an welhem außer dem General-:Admiral Großfürsten Alexis die Admirale und Kommandanten der russishen Schiffe sowie das Stadthaupt von Kronstadt und andere Notabilitäten theilnahmen. Der Großfürst Alexis brah!e einen Toast auf den Präsidenten Carnot und dann einen solchen auf die fian- zösische Fiotte aus, deren würdige Vertreter er bei sich sehe. Der französishe Botschafter Laboulaye toasiete auf den Kaiser und die Kaiserin, Admiral Gervais auf die russishe Flotte und deren erlauchten Chef, Die Musik spielte abwechselnd die Marseillaise und die rufsishe Nationalhymne. Die Munizipalität von Kronstadt veranstaltete den Offizieren des französishen Geschwaders zu Ehren gestern im Kommerz-Klub ein Diner. Die Stadt war festlich mit Fahnen in den russishen und französishen Farben geshmüdckt, der Speisesaal mit Guüirlanden und Blumen, mit den Wappen und Emblemen von Paris und Kronstadt dekorirt. Jn den Straßen concertirten zahlreihe Musikcorps ; die Bevölkerung begrüßte die Franzosèn mit sympathischen Kundgebungen. Bei dem Diner trank der Bürgermeister auf die Gesundheit des Präsidenten Carnot, Admiral Gervais toastete auf die russishen Majestäten und die gesammte Kaiser- lihe Familie; ferner trank der Admiral Gervais auf die Gesundheit der russishen Seeleute, und der Bürgermeister seinerseits auf das Wohl der französischen und deren würdige Vertreter. Auch hier intonirte die Musik die Marseillaise und die russishe Hymne.

Ueber die in den russischen Blättern zu Tage tre- tende Stimmung aus Anlaß des Besuchs des französischen Geschwaders in Kronstadt wird der „Nat.-Ztg.“ aus St. Petersburg, 25. Juli, geshricben :

Ueber die unzäbligen Preßstimmen zu Ebren der fremden Gäste ließe sich als gemeinsames Motto füglich das Wort setzen: „Zwei Herzen und ein Schlag!“ Der „Grashd.“ legt in cinem Leitartikel dies Wort seinen Ausführurgen direkt zu Grunde, indem er sagt, die Zusammenkurft der französischen und russishen Schiffe auf der Rhede von Kronstadt bedeute die Einheit zweier Flotten, zweier Nationen, zweier Regierurgen Alles und JIedes, wir möchten sagen Himmel und Erde, werden herangezogen, um den Bund der Freundschaft zu verherrlihen. Wendungen wie „der Himmel lächelte Beifall“ oder „fendete seinen Sonnenglanz zu dem Austaush der Gefüble auf den Fluthen vor Kronstadt“ kehren in den Spalten der R:sidinzblätter immer wieder. Und als sich gerade während eines Höherunktes des Festirubels ein Gewitter ent- lud, da haben, so berichtet ein kleines Lofalblatt, die frommen russishen Seeleute ihr Kreuz geschlagen und einander zu- ceraunt: „Die Kanonen im Himmel donnern ihren Salut zum Friedensbunde auf Erden!“ Denn daß jeut eine neue Aera höheren, reineren Weltfriedens für Europa angebrocen, darüber kann, nah den politishen Raisonnements der russis@en Presse zu urtheilen, do wohl fein Zweifel mehr bestehen. So z. B. {ließen die „Nowosti* einen Leitartikel mit den Wort:n: „Nicht mehr der Dreibund und Salisbu: y, sondern Rußland und Frankceih diktiren von jeßt an Europa ibren Willen.“ Eine unwillkürlich zum Nah- derken anregende Reserve bekunden im Gegensatz zu den enthusiaftishen Deklamationen der Zeitungen die offiziellen Regierungskceie, Das eJournal de Stk. Péters8bourg“ bezrüßt zwar die französiscke Flotte mit berzliGen Worten, ist aber gleichzeitig unverkennbar be- strebt, eine bestimmte Linie der Höflichkeit nicht zu überschreiten. Diesen

die Großartigkeit dcs Empfanges der französischen Gäste die deutschen «Reptilien® überzeugen müsse, wie niht nur die so ara befehdeten ePanslawisten“, sondern das ganze Hundert-Millionen-Volk Rußlands bei dieser Gelegenheit durchcängig „panslavistisch* emvfinde, denke handele! Auffaüend kurz und inhalttos sind die in allen Blättern gleidlautenden Berichte übec di? offiziellen Empfangsfeierlihfkeiten der obersten Chargen des französisHen Geschwaders, während auf der anderen Seite die Menge der Worte kaum ausreiht, um die Wärme der Begriffe uad der Sympatbiebezeugungen den französishen See- uten ns u S u vin a n einer anderen Stelle bemerkt die „National-Zeitung“ :

„Was die russishe Presse betrifft, so sei Ler voraelbe: daf die meisten Blätter in ihren Auslassungen vom Freitag die russisch-französische Allianz, von der sie erzählen, immer wieder als ein „Friedensbündniß“ bezeihnen. Dies geschieht so übeceinstimmend, daß man fast zu der Vermuthung gedrängt wird, man habe es hier mit dem panslavistish-französischen Mot d’ordre zu thun, durch welches dem Zaren der Abschluß eines förmlihen Bündnisses mit Frankrei plausibel gemacht N N

Das Ministerium des Jnnern beabsihtigt, wie die „Birsh. Wed.“ melden, demnächit in Abänderung der gültigen Bestimmungen über die Anmiethung von Arbeitern beim Reichsrath ein Proj-kt einzubringen, nah welchem einem jeden Arbeiter von seiner Heimathgemeinde nebendem Paß noch ein Formular für einenArbeitsvertrag eingehändigt werden joll. Sobald der Arbeiter \sich verdingt, ift er gehalten, seinen Paß und jenes Formular demArbeitgeber auszuhändigen. Solche hat au zu geschehen, wenn der Arbeitsvertrag bloß mündl ch geshlossen wird, zum Zeichen dessen, daß der Arbeiter nicht dur einen anderweitigen Vertrag gebunden is. Für Nicht- abnahme von Paß und Formular unterliegt der Arbeitgeber der Verantwortung auf Grund des Allerhöhst bestätigten Neichsraths-Gutahtens vom 12. Juni 1886. Ein mündlicher Vertrag, vor Gericht als zu Stande gekommen erwiesen, und ein schriftliher von beiden Theilen unterzeichneter sollen gleiche Kraft haben wie ein in das Vertragsformular in vorge- schriebener Ordnung eingetragener.

Ftalien.

Die italienishen Truppen in der Erythräischen - lonie sollen nach einer Mittheilung der "A tg, e mindert werden. Am 24, Juli haben sich in Mafssovah auf dem Dampfer „Ortigia“ der Oberst-Lieutenant Nava mit 13 Of= fizieren und 284 Mann eingeschifft, um in die Heimath zurück- zukehren. Nach einer Meldung des „Secolo“ beabsichtigt der Minister des Jnnern Nicotera, in Asmara und Keren Straf- kfolonien zu errichten,

Schweiz.

__ Die Bundesversammlung is gestern in Bern zu einer außerordentlicen Session zusammengetreten. Bei dec Konstituirung des Bureaus wurden Lachenal (Genf) zum Präsidenten des Nationalraths und Goettisheim (Basel) zum Präsidenten des Ständeraths wiedergewählt resp. bestätigt. Der Nationalrath hat in seiner gestrigen Sigzung das Dekret, betreffend das Ergebniß der Volks abstimmung vom 9, Juli über die Revision der Bundesverfassung (Ein- führung der rnitiative), angenommen.

_ Das CEentral-Comité der Schweizer sozialdemokra- tishen Partei hat, wie „W. T. B.“ melder, einstimmig beschlossen, die Referendumsbewegung gegen den An- kauf der Centralbahn selbständig in die Hand zu nehmen. __ Bei der shweizerishen Bundesfkanzlei sind im Ganzen 50226 Referendums-Unterschriften gegen den Zoll- tarif eingegangen. Dieselben vertheilen sih auf die Kantone wie folgt: Zürich 952, Bern 3936, Luzern 362, Glarus 3155, Freiburg 845, Solothurn 98, Appenzell A.-Rh. 45, St. Gallen 367, Aargau 336, Thurgau 39, Tessin 6927, Waadt 5757, Wallis 1739, Neuenburg 13 608, Genf 12 060,

Griechenland.

__ Wie man dem „Hamb. Korr.“ aus Athen meldet, hat

die griechishe Regierung die Ecrihtung von Handels- kammern in mehreren großen Städten der Türkei ins Auge gefaßt. Ein Vertreter der genannten Regierung wird demnächst die betreffenden Städte besuhen, um mit den dort ansässigen griehishen Kaufleuten die Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit dieses Planes zu ezörtern.

Numänien.

Bukarest, 27, Juli. Das Gesetz, betreffend die Um- gestaltung der Fnfanterie, ist heute in Kraft getreten. Die Durchführung des Gesetzes soll laut Meldung des „W. T. B.“ bis zum Oktober erfolgen.

Der russische Gesandte Fonton begab sih heute vor Antritt seines Urlaubs zur Abschiedsaudienz zu dem König nah Sinaia.

An Stelle Bratiano's ist Cankacuzeno (kons.) in den Senat g¿wählt worden. Die Regierung gewinnt mithin einen Sìß.

Amerika.

Vereinigte Staaten. Ueber die Arbeiten zur Be- festigung des Hafens von New-York, die mit allem Eifer gefördert werden, s{hreibt man dem „Hann. Cour.“ unterm 12. Juli:

„Die Festung soll aus einer Anzahl von Strandbatterien bestehen, deren Feuer au das stärfîïte Panzershiff in Grund und Boden scießt. Auf Sandy Hoek wird eine Batterie von zwölfzölligen Kanonen er- rihtet, welde 54 t wiegen und wit Hülfe einer Pulverladung von 500 Pfund ein 1600 Pfund \{chweres Geschoß feuern, welches noch auf cine Entfernung von fünf Meilen im Stande sein soll, den stärksten Sciffspanzer zu durchschlagen. Diese Riesenkanonen werden in dem Arsenal von Waterolict in New-York hergestellt. Eine davon ist be- reits fertig und einer Probe von 250 Schüssen unterworfen worden, einer Prokte, die ziemlich kostspielig ist, denn ein jeder Schuß kostet 260 Dollars. Die Probe kostet also 65 009 Dollars oder 260 000 #4 Die Erdarbeiten sür die Batterie sind joweit gediehen, daß man mit der Legung des Cementbettes für die Kanonen hat beginnen können. Außer dieser Strandbatterie sollen noch folgende Batterien angelegt werden : eine 16zöllige Batterie beim Leuchtthurm auf Romers Staals und drei Mörserbatterien, deren eine auf Plum-Island, eine auf Staten-Jtland und eine an der New-Yerseyer Küste zu liegen fommt. Der Bau eines jeden dieser Ricsenges{chüße dauert nahezu drei Jahre.“

Chile, Einem Telegramm des „New-York Herald“ aus La Serena zufolge ist das britishe Kriegs1chiff „Daphne“ an dem leßteren Orte von Jquique angekommen. Die „Daphne“ soll wichtige Schreiben des Führers der chilenishen Kongreß- partei Señor Montt überbringen. Man vermuthet, daß sie die Vorsch:äge zu einem Vergleich enthalten. Jn La Serena.

Eindruck können auch die Tiraden der (rufsishen) „St. Petersburger | 1 ¿ [e Zeitung* nit verwischen, welches Blatt mit Begeisterung ausruft, daß ' sammeln sih bei La Serena an.

geht ferner das Gerücht, daß die Stärke der Kongreßpartei im Schwinden begriffen sei. Die Truppen des Präsidenten

Asien.

Persien. Uebex die Angelegenheit von So-uj-Bolak liegt folgende neuere Drahtmeldung des „R. B.“ aus Teheran vom 25. Juli vor: e

Dark der Intervention einiger Notablen von Suleimania gelang es, Frl. Kate Greenfiel d woblbehalten aus dem türkischen Kon= sulat in So-uj]-Bolak in das Haus des Gouverneurs zu bringen. Der britishe Geschäftsträger \chlägt vor, die junge Dame vor einer

aus britishen, tücfishen und persishen Beamten bestehenden - Kom- mission zu vernehmen, um festzustellen, ob Frl. Greenfield freiwillig zum Islam übergetreten ist und den Kurden freiwillig in das türkische Konsulat gefolgt ist. Türkische Kurden lagern vor dem Hause des Gouverneurs und begehen grobe Ausstreitungen. Die persisen Be- bôrden zaudern noch immer, die Mebellen aus der Stadt zua treiben.

Parlamentarische Nach richten.

L Aus Rae is jeßt vorliegenden l i Uan bai Endemann (natlib.) 10 532, Pfannkuch (Soz.) 9696 Stimmen erhalten. Aus einigen kleinen Ortschaften liegt das Wahlergebniß noh nicht vor, durch dasselbe wird indeß an dem Hauptergebniß der erfolgten Wahl Ende- manns nichts geändert werden.

Statiftik und Volkswirthschaft.

Zur Arbeiterbewegung. ;

Jn Hamburg wurde von einer öffentlihen Versamm- lung der Gewerk shaftsdelegirten solgender Antrag an- genommen: „Die einzelnen Organisationen haben die gegenseitigen Lohnsäßze zu refpektiren. Mitglieder der einen Gewerkschaft dürfen nicht in die Arbeit anderer für billigeren Lohn eintreten.“ Diesem Beschluß ging eine Verhandlung voraus, über welche2 wir dem Bericht des „Vorwärts“ Fol- gendes entnehmen: . : :

Der Vertreter der Schiffszimmerer beshwerte si über das Eingreifen der Stellmacher in die Arbeit der S{1ffszimmerer. Die Stellmacher hâtten sich seit dem Tischlerstrike 1888 auf den Wersten als Strikebreher eingedrängt. Die Schiffszimmerer hâtten unter dieser Konkurrenz {wer zu leiden, da die Stellma@er zu be- deutend billigeren Löhnen arbeiteten. Für Natfeierabeudarbeit er- halten die Schiffszimmerer 79 4 per Stunde, die Stellmacher da- gegen nur 40 S. Es ergebe fich hieraus, daß die Werftbesiger den Stellmacher votrzögen. Redner wünscht, daß diese Lohn- drückerei n dey Versammlungen zur Sprache komme. Eggers, Stellmacher, erklärt, daß die Schiffszimmerer den Glauben hegten, die Werften seien nur für sie da. Sie bâtten erklärt, die Schiffe scien keine Wagen und in Folge dessen hätten die Stellmacher auf den Werften nihts zu suhen. Wenn es so gemeint sei, hätten die Stellmacher ebenfalls Ursache, fich zu be-

\chweren, da in den Wagenfabriken auch viele Tischler beschäftigt

würden. Ein anderer Delegirter erklärte, die Klage der Schiffs- zimmerer sei berechtigt, man müsse verlangen, daß die Gewerkschaften dafür eintreten, daß die gegenseitigen Löhne geachtet würden. Es dürften nicht ‘die Angehörigen der einen Branche der anderen gegen- über als Lohndrücker auftreten. Wenn das nicht geschehe, so könne man die Organifationen aufgeben und den Unternehmern das Feld überlaffen, : e :

Die Berliner Buchdruckergehülfen beshäftigien sich in einer Versammlung am Sonnabend mit Tariffragen. Eine lange und ziemlih lebhafte Besprchung entstand über den Antrag der Arbeitgeber, die bestehende Tariffommission aufzuheben «oder umzugestalten, namentli die Kreise des Ver- bands von zwölf auf neun herabzusezgen. Während BuchdruEerei- besißer Naether, nah dem Bericht hiesiger Blätter, den Stand- punft der Arbeitgeber vertrat und darauf hinwies, daß der Antrag nur aus praftishen Erwögungen hervorgegangen sei und eine Vereinfachung des Geschäftsganges bezwece, erklärten sih die Gehülfen Besteck, Dolinski, Döblin, Silberberg und Giesecke mit Entschiedenheit gegen jede Aenderung dieser Organisation, die seit mehr denn 20 Jahren bestehe und sich in jeder Be- ziehung bewährt habe. Eher sei bei der großen Ausdehnung einzelner Kreise eine Theilung derselben zu empfehlen. Scließlih wurde eine Resolution Silberberg angenommen, in welcher die Gehülfenschaft die Zumuthung der Prinzipale mit Entschiedenheit zurückweist und erflärt, daß sie zur

ortsezung einer ersolgreihen Agitation die alten Ver- ältnisse erhalten zu sehen wünscht, Einen weiteren Gegenstand der Bespre{ung bildeten Anträge für die im Herbst zu verhandelnde allgemeine Tarifrevijion. Die Ber- liner Gehülfen stellen folgende Forderungen: Neunstündige Arbeitszeit, Erhöhung des Grundpreises um 10 Proz., Er- höhung des Lokalzushlags von 25 auf 331/z Proz., Erhöhung des Lohnes für Üeberstunden mit Ausnahme der ersten um 5 , für Zeitungsseßer eine Arbeitszeit von niht über 6 X 9 Stunden d1e Woche, endlih Verpflichtung für den Maschinen- meister, niht mehr als zwei Maschinen zu bedienen. Diese Forderungen fanden die Zustimmung der Versammlung. Einige andere wurden vorläufig zurückgezogen.

Ina Potsdam beschäftigte sich eine Volksversammlung am 23. d. M. mit der Laçce der „ausgesperrten Arbeiter und Arbeiterinnen der Fabrik J. P. Denker“. Es wurde cin Bescheid des Hrn. Denker bekanntgegeben, wonach die Arbeiter am 27. d. M. die Arbeit wieder aufnehmen könnten, wenn sh dieselben bedingungslos den Wünschen des Arbeitgebers fügen würden. Die Versammlung erklärte dem „Vorwärts“ zufolge in einer Resolution, die bei I. P. Denker auszesperrten Arbeiter und Arbeiterinnen moralisch und finanziell unterstüßen sowie ferner den Bedarf an Cigarren nur aus den Geschäften bezichen zu wollen, welche ihren Arbeitern den Minimallohn von 5,25 M bezahlen.

Eine Anzahl sähsisher Sozialdemokraten berufen, wie demselben Blatt aus Leipzig berichtet wird, eine Kon- ferenz sähsisher Gemeindevertreter, um über fol- gende Punkte zu verhandeln:

1) die Nothwendigkeit der Abänderung der \ächsishen revidirten Landgemeindeordnung, insbesondere aber in Bezug auf Erhebuag der Gemeindeabgaben (Abänderung der Bestimmungen der §8. 16 bis 28 der rev. L-G.-O.,); 2) die Nothwendigkeit einer dem Verhältniß an der Tragung der Gemeindelasten entsprehenderen Vertretung in den Gemeindekörpershaften (Abänderungen der Bestimmungen in §8. 29 bis 37 der rev. L.-G.-O.); 3) die Regelung des Armen-, Schul- und Wegebauwesens ; 4) die Nothwendigkeit, den Gemeinden größere Selbständigkeit innerbalb ihres Wirkungskceises zu sichern.

Zu dieser Konferenz sind, wie das Blatt bemerkt, alle diejemgen Gemeindevertreter eingeladen, welche in der Art der Besteuerung, Vertretung und in den Gesammtverhältnissen ihrer Gemeinden eine den Zeit- und Kulturverhältnissen ent- sprehendere Verbesserung dieser Verhältnisse wünschen.

Wie der „Voss. Ztg.* aus Graz telegraphirt wird, ist gegen die ausständigen Bergarbeiter des Trifailer Bezirks (in Steiermark) ein energishes Vorgehen geplant, Falls bis zum 1, August eine allgemeine Arbeitseinstellung erfolgen sollte, um so mehr, als erwiesen sei, daß die Arbeiterschaft durch auswärtige Ein- flüsse aufgewiegelt worden ift.

1 aus 48 Firme uli, meldet „W. T. B.“: Nah den | S eri&ten über die Stichwahl zum

Aus ReiGenuberg i. B. wird dem „N. Görlißer Anz.* gé» chrieben: In den Ortschaften Gränzendorf, Friedrihswaid und ohanneéberg ftellten in den leßten Tagen zahlreihe Glas8arbeiter die Arbeit unter der Forderung einer Lohnerhöhung und Einführung der abtstündigen Arbeitszeit ein, nahmen dieselbe aber wieder auf, weil ihnen die Regelung ihrer Ansprüche in kürzester Zeit zugesagt wurde. In- zwischen haben die Glasdrucker in GrünwaïTv bei Gablonz die Arbeit eingestellt. Der Strike greift nun weiter und {eint ein wohl- organisirter zu sein, da in Folge von Arbeitsanhäufung und neuer Bestellungen Arbeitskcäfte gesucht find. : :

In W itkowitz (Mähren) Haben einer Wolff’ hen Meldung zufolge etwa 200 Kesselschmiede des dortigen Eisenwerks in Folge von Lohndifferenzen die Arbeit eingestellt. Die Kefselfabrikation rußt daher vollständig. Ruhestörungen sind nicht vorgekommen. Aus London becihtet die „Allg. Corr. “, daß die Köni gliche Arbeitskommission am leßten Donnerstag den Vorsißenden des Vereins der Kohblengrubenbesißzer von Durham, Lindsay Wood, vernommen Habez derselbe theilte mit, daß der Verein besteht, welhe zusammen 149 Zehen be- sigen. Die Zabl der in diesen Zechen beschäftigten Ar- beiter beträgt 81296. Zweck des Vereins is, alle Lohn- streitigkeiten gemeinsam zu ordnen. In Jahre 1883 kamen in Durham 32 Strikes vor, die sich über 111 Tage hbinzogen, 1884 21 Strifes (92 Tage), 1885 19 (172 Tage), 1886 10 (19 Tage), 1887 17 (73 Tage), 1888 32 (62 Tage), 1888 37 (109 Tage) und 1890 86 Strikes (354 Tage). Lindsay Wood hielt die E:nseßung von Stieds8gerichten für das befte Mittel, Strikes zu vermeiden. Starke Organisation der Arbeitgéber wie Arbeitnehmer wäre dem guten Verhältniß beider zu einander nur förderlich.

Kunft und Wifserfehaft.

—s. Wie sehr die Lungenschwindsucht und ihre Hei- lung fortgeseßt im Vordergrunde des ärztlihen Interesses steht, beroeift ‘die außerordentlihe Fruchtbarkeit der Falliteratur auf diefem Gebiete, Die gestrige Nummer der „Deuts. Med.-Ztg.* bringt reichlich dreitig Besprehungen von medizinishen Werken und Ab- handlungen, die sich mit der Erkenntniß und der Bekämpfung jener Krankheit beschäftigen, und man ersieht aus dem hier gebotenen Ueber- brick, wie die Zahl der Wege fh mehrt, auf denen man der Krankheit beizukommen suht. Da plädirt T. Cranstoun Charles in „The Lancet® lebhaft für die Inhalation erhißter Luft, während M. G. Daremberg im „Bull. de l’Acad. de Méd.“ die Freiluftbehandlung der Phthisfiker empfiehlt. G. Martell hat, wie er in der „Wien. med. Wochenschr.“ mittheilt, bei Behandlun der Tuberkulose mit Kalomel aünstige Erfolge erzielt; F. Dronke- Berlin giebt in der „Berl. Zlin. Wochenschr.*“ einen Fall bekannt, in welchem die Anwendung von Guajakol eine relativ günstige Wirkung im Gefolge hatte und R. Ljwow becichtet in der „Rußfk. Medicina“ von mehreren günstig vec- laufenen Fällen, in welchen die Lungenkranken mit Pfeffermünzöl- SInhalationen behandelt worden waren. Von besonderem Interesse sind im Hinblick auf die Nothwendigkeit prophylaktisher Maßregeln diejenigen Beobachtungen, welche das Auftreten bestimmter Krankheitserscheinungen bei ganzen Berufsklafsen betreffen und nach dieser Richtung liegen U. A. beachtenêwerthe Untersuchungen eines amerikanischen Arztes über die Verbreitung der Lungenphthise unter der Feuerwehr vor, deren wesentlihere Ergebnisse mitzutheilen gestattet ‘sei, wenn ih jene Beobachtungen zunähst auch nur auf amerikanische Verhältnisse beshränken. Der in Rede stehende Beobawter, Dr. Thomas I. Mays38- Philadelphia, hatte auf Bogen, die er den Feuerwehrabtheilungen der bedeutendsten amerikanishen Städte zugehen ließ, um die Beantwortung folgender Fragen ersucht: „Dauer der Beobahtung? Sind andere als kräftige Leute eingestellt worden? Anzahl von Todesfällen jeglider Art? Anzahl der Todesfälle an Lungenphthise? Anzahl der Todesfälle an Pneumonie, Pleuritis, Bronchitis, Asthma u. \. w. ? Anzahl der Todesfälle, herbei- geführt durch Verunglückung ?* und es waren Antworten aus Phila- delphia, New-York, Boston, Chicago, St. Louis, Buffalo, San Francisco, Washington, Cleveland und Baltimore eingegangen. Das Ergebniß der betreffenden Zusammen|tellung war folgendes: Von 434 Todes- ‘fällen jegliher Art waren 144 oder 31,04% durch Lungenphthife, 38 oder 8,74 9% durch andere Lungenkrankheiten, 122 oder 28,11 %

fommen normalen Verbältnifsen befinden. Entgegengeseßten Falls ordnet die K. K. Seebehörde weitere Verhaltung8maßregeln an. j

Der Gesundheitsstand in Berlin blieb au in der Wobe vom 12. bis 18. Juli ein günstiger, obwohl die Sterblichkeit eine eiwas gegen die Vorwoche gesteigerte war; von je 1000 Einwohnern starben, aufs Jahr berehnet, 21,7 Personen gegen 19,7 der Vor- woche, und zwar kamen in gegen die Vorwothe erheblih vermehrter Zahl afute Darmkrankheiten besonders in der jeaseitigen Luisenstadt und auf dem Wedding zum Vorschein, die au in gesteigerter Zahl zum Tode führien. Die Betheiligung des Säuglingsalters an der Sterblihkeit war cine größere als in der VorwoDHe; von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berehnet, 115 Säuglinge. Da- gegen riefen afute Entzündungen der Athmungs8organe wentger Grkrankungen hervor. Das Auftreten der Infektionskrankheiten blieb meist ein beshränktes. Erkrankungen an Typhus blieben ver- einzelt; au Erkrankungen an Scharlach und Diphtherie wurden weniger zur Anzeige gebraht. Dagegen kamen Erkrankungen an Masern, und zwar in der diesseitigen Luisenstadt am häufigsten, zur Meldung. Erkrankungen an Kindbettfieber und an rosenartigen Ent- zündungen des Zellgewebes der Haut wurden seltener zur Behandlung gebraht. Erkrankungen an Pocken fanden 2 in der Königlichen Charité Aufnahme. Rheumatishe Beschwerden aller Art gelangten seltener als in der Vorwoche zur ärztlihen Beobachtung. Erkrankun- gen an Keuchhusten wurden wieder etwas “mehr beobachtet und endeten auch in 9 Fällen tödtlich.

Handel und Gewerbe.

Tägliche Wagengestellung für Koblen und Koks

an der Ruhr und in Oberstlesien. An der Ruhr sind am 27, d. M. gestellt 9871, niht recht- zeitig gestellt keine Wagen.

Subhastations-Refultate. Beim Kösniglihen Amtsgericht 1 Berlin ftand am 27. Juli d. I. das Grundstück in der Swinemünderstraße be- legen, der geschiedenen Frau Agnes Trapp, geb. Hint, hierselbst gehörig, zur Versteigerung. Das geringste Gebot wurde auf 920 4 ae Für das Meistgebot von 160000 A wurde der Kaufs mann Max Besckow hierselbst Ersteher.

Leipztg, 20 Juli, W. L. B) Kammzug - Termins handel. La Plata. Grundmuster B. per Auguft 4,15 #4, per Sep- tember 4,20 M, per Oktober 4,223 F, per November 4,25 , per Dezember 4,25 M, per Januar 4,223 A, per Februar 4,224 , per März 4,20 A Umsay 170 000 kg. Fest. j

London, 26. Juli, (W. L. D) An der Küste 5 Weizens ladungen angeboten.

Glasgow, 27. Juli. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Wohe 6500 Tons gegen 8600 Tons in derselben Woche des vorigen Jabres.

Bradford, 27. Juli. (W. T. B) Wolle ruhig, Preise e Woche F} d niedriger, englishe Garne rubig, stetig, Stoff rubig.

New-York, 27. Iuli. (W. T. B) Visible Supply an Weizen 14 100 000 Busbels, do. an Mais 3 036 000 Bushels.

Verkehrs-Anstalten.

Am Sonntag, den 2 August d. I., kommt ein Sonderzug zu ermäßigten Fahrvreisen von Berlin nach Dresden und Schandau über Elsterwerda zur Beförderung. Derselbe fährt 6,40 Vorm. vom Bahnkbof am Askanishen Play ab und trifft in Dresden (Altstadt) 10,49, in Schandau 11,58 Vorm. ein. Die Fahrkartenpreise betragen von Berlin nach Dresden 2 #4 11, 6 K III. Kl, von Berlin nach Schandau 11,40 4 II., 7,60 M III. Kl. Für Kinder im Alter von 4 bis 10 Jahren werden Fahrkarten zum halben Preise verausgabt, Die Rückfahrt kann innerhalb at Tagen, bei Schnellzügen gegen Lösung von Zuschlagfahrkarten, beliebig über Röderau oder Elsterwerda erfolgen, Freigepäck wird niht gewährt. Fahrtunterbrechung ift nur bei der Rückfahrt in Dresden zulässig. Bei der Rückfahrt müssen die Fahrkarten abgestempelt werden. Der

dur anderweitige Krankheiten und 130 oder 29,95 9% durch Ver- unglückungen herbeigeführt worden. Danach fordert die Lungen- \{chwindsucht unter den amerikanishen Feuerwehrleuten mehr Opfer, als sämmtlihe Unglüdcksfälle; der Prozentsaß der Phthisiker beträgt 31,04 und derjenige der Lungenkranken über- haupt 40, die Sterblichkeitsziffer der Lungenphthise unter der ge- jammtéen Bevölkerung 27,29 %/. Wenn der leßtere Saß nun auch von der Feuerwehr nur um nit voll 4 %/% übertroffen wird, so spricht do zu Ungunsten dieser der Umstand sehr erheblich mit, daß der Feuerwehr nur kräftige, zuvor meistens einer ärztlihen Untersuchung unterzogene Leute einverleibt wurden, während zwar kräftige, abec hereditär belastete Männer zurückgewiesen wurden.

An dem gestern in Paris eröffneten Kongreß zu Ver- handlungen über die Tuberkulose nehmen nach einer Meldung des „W,. T. W.* etwa vierhundert französishe und auswärtige Aerzte Theil. Professor Lannelongue ftellte vierzig Fälle von mit Zinkchlorür behandelten Tuberkulosen vor. Professor Arloing (Lyon) sprach über das „Kochin“. :

Auf Veranlafsung der Königlich irishen Akademie hat Professor Mahaffy in Dublin einige der von Flinders Petrie in Fayum auf Mumien entdeckten Pap yri herausgegeben. Die „Times“ bezeichnet den Fund als einen für alle Freunde des griehischen Alter- thums Hhôft interessanten und werthvollen. Die entzifferten Papyri enthalten wichtige Bruchstücke aus einem verlorenen Stück von Euripides, der „Antiope“, lange Stellen aus dem Phâdon des Platon, eine große Menge anderer literarischer Bruchstücke, außerdem Testamente und Briefe. Alle datiren ohne Zweifel aus einer Periode, die weit vor der unjerer übrigen klassishen Texte liegt. Die Frag- mente aus dem Platon und Euripides können nur ganz kurze Zeit nah dem Tode dieser beiden Autoren abges{rieben worden sein. Aeußerst merkwürdig sind die 35 Anfänge und Sw{hlüfse von

exametern aus dem 11, Buche der Ilias. Die Bedeutung dieser

telle liegt darin, daß unter den 35 Versen sich fünf befinden, die in unserer Ilias fehlen. Um die Herausgabe des Buches haben si außer Prof. Mahaffy, die Hrrn. Prof. Sayce in Oxford, Weil in Paris, Blaß in Kiel, Robinson Cllis in Oxford und Rutherford in London verdient gemacht.

Land- und Forstwirthschaft.

Ernte-Aussihten.

Aus dem Regierungébezirk Aurich wird geschrieben: Der Winterroggen, die wichtigite Brodfruht im Bezirk, wird bei günstiger Witterung noch eine Mittelernte geben. Der frühgesäete steht gut, der spâtgesäcte etwas dünn. Umpflügungen find nur in verhältniß- mäßig geringem Umfang erforderlih gewesen. Die Blütheperiode, welche ungefähr 14 Tage später als unter normalen Verkbältnissen begann, war von günstiger Witterung begleitet. Der landwirthschaftliGe Haupt- verein für Ostfriesland \{chlägt den Ernteertrag für den Bezirk auf 1500 bis 3000 kg pro Hektar an, ersteren auf leihtem Boden, letzteren auf weihem Marshboden. Die Sommersaaten zeigen einen be- friedigenden Stand, au für Kartoffeln, Hackfrüchte und für die Obst- ernte sind gute Aussichten vorhanden.

Gesundheitswesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.

Oesterreih-Ungarn.

In Folge unbeschränkter Zulassung der Provenienzen von Massovah in Egypten werden Proventienzen aus egyptischen Häfen bei ihrer Ankunft in Triest einer genauen ärztlichen Unter- suchung unterzogen, wenn dieselben während der Ueberfahrt keine ver-

däâchtigen Krankheitéfälle an Bord gehabt und sich überhaupt in voll-

Fahrfkarten-Verkauf erfolgt ab 29. Juli d. I. an den Fahrkarten- Ausgabestellen auf den Bahnhöfen am Askfanishen Plat, in der Friedrichstraße und am Alerxander-Plat von 9 Uhr Vorm. bis 1 Uhr Nachm. und 3 bis 6 Uhr Nahm. Bet der Fahrkarten-Ausgabeftelle auf dem Bahnhofe am Askanischen Plaß wird der Verkauf bis zur Abfahrt des Zuges gele bei den übrigen Fahrkarten-Ausgabe- stellen dagegen am 1, August d. I, 5 Uhr Nahm., geschlofsen.

München, 27. Juli. Die Jsarthalbahn ist heute Morgen zufolge eines gestern erlaffenen Ministerial-Reskripts in ihrer ganzen Länge, von Thalkirhen bis Wolfrathshausen, dem öffentlihen Verkehr ubergeben worden.

Bremen, 27. Juli. (W. T. B.) Norddeutscher Lloyd. Der Swhnelldampfer „Ems“ ist gestern Nachmittag von hier nah New- Vork abgegangen, Der Dampfer „Darmstadt* ift heute von Southampton abgegangen. Der Dampfer „Kronprinz Friedrih Wilhbelm®* hat gestern St. Vincent passirt. Der Dampfer „Straßburg“ ift gestern, der Dampfer „Baltimore“ heute von Antwerpen abgegangen. Der Dampfer „Frankfurt“ ist gestern in Antwerpen, der Dampfer „Bayern“ in Aden angekommen. Der Dampfer „Braunschweig“ ift heute von Port Said abgegangen. Der Dampfer „Stettin“ ist mit der Post für Australien heute Vormittag in Port Said von Brindisi ange- kommen. Der Dampfer „Danzig“ ist heute Vormittag mit der Hel von Australien in Brindisi von Port Said angekommen.

er Schnelldampfer „Aller“ ist heute Morgen in New-York angekommen. Der Dampfer „Hermann“ hat vorgestern Lizard, der Dampfer „Köln“ Las Palmas passirt. Der Schnelldampfer „Saale“ fuhr gestern Nachmittag von Southampton weiter. Der Dampfer „Pre ußen" ist gestern Nachmittag in Colombo eingetroffen. Der Schnelldampfer „Fulda“ hat von New-York vorgestern die Heimreise angetreten.

Hamburg, 27. Iuli.- (W.T. B.) Der Postdampfer „Scan- dia* hat, von New-York kommend, am 25. Juli, Abends, Scilly vassirt. Der Postdampfer „Gellert“ ift, von Hamburg kommend, gestern Morgen in New-York eingetroffen. Der Postdampfer „Holsatia“ ist, von Hamburg kommend, gestern in San Thomas

eingetroffen.

28, Juli, (W. T. B.) Hamburg - Amerikanische Packetfahrt - Aktien - Gesellshaft. Der Postdampfer „eScandia“ ist, von New-York kommend, heute 1 Uhr Morgens auf der Elbe eingetroffen.

London, 28, Juli, (W. T. B) Der Union-Dampfer „Arab“ ist gestern auf der Auêrcise in Southampton angekommen. Der Union-Dampfer „Anglian“ is geftern auf der Heimre1je von den Kanarischen Inseln abgegangen.

Theater und Musik,

Philharmonie.

Gestern Abend veranstaltete der Stuttgarter Liederkranz, ein großer Männergesangverein, der unter Leitung des Musik-Direktors Prof. Förstler steht, ein Concert, das zu einem künstlerishen Erfolge für den Verein und seinen Leiter führte. Der „Liederkranz“ läßt in seinen Vorträgen an Exaktheit und Ausdruck des Vortrags faum etwas vermissen, wie auch die Klangshönheit des Ganzen tadellos war; in der dynamishen Behandlung allerdings dürfte die Leistung des Wiener Schubertbundes, der vor einigen Tagen an der- selben Stätte concertirte, vorzuziehen sein. Das Pianissimo erschien hier niht immer so rein abgetöônt, wie man es hâtte wünschen mögen, doch waren alle übrigen Elemente, welche dem Chorgesang eigen sein sollen, musterhaft ausgebildet und die Sorgfalt der Leitung trat besonders in dem Umssande hervor, daß die verschiedenen Stimmen in glei@er

Stärke und darum cinbeitlih zu Bebör kamen, sodaß sich also nit, wie