1911 / 104 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 03 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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würden. Die britische Regierung habe vernommen, daß auc anderen Regierungen diese Mitteilung gemacht worden sei. Die von Frank- reih unternommene Aktion ziele nicht darauf ab, den politischen Status von Marokko zu ändern. Die britishe Regierung könne daher nit sehen, warum irgend ein Einwand gegen sie erhoben werden follte.

Sodann fragte Dillon, ob Sir Edward Grey dem Hause die Bedingungen der der persishen Regierung durch die Jmperial Bank of Persia angebotenen britischen Anleihe und ebenso den etwa hierüber zwischen der britishen und der persischen Regierung gepflogenen Schriftwechsel vorlegen werde, und ob der britische Vertreter in Teheran irgend einen Druck auf die persishe Ne- gierung ausgeübt habe, um diesem Anleiheangebot den Vorzug vor anderen Angeboten zu geben. Hierauf erwiderte Sir Edward Grey: was die beiden ersten Fragen anbelange, so würde die Verhandlung über die Anleihe lediglih zwischen der persishen Re- gierung und der Imperial Bank of Persia ohne irgend eine Mit- wirkung der britishen Regierung geführt. Den leßten Teil der Frage beantwortete er dahin, daß der britishe Gesandte in Teheran berichte, daß er zu keiner Zeit auf die persishe Regierung einen Druck aus- geübt habe, das Anleiheangebot der Imperial Bank vor anderen An- geboten anzunehmen, oder daß er seinen Einfluß in dieser Richtung geltend gemacht habe, daß er aber die persishe Negierung habe wissen lassen, daß Großbritannien keinen Plan unterstützen könne, der die Interessen dec Imperial Bank s{hädigen würde. /

Dillon fragte ferner, ob Sir Edward Greys Aufmerksamkeit auf die Erklärung des persishen Ministers des Aeußern gelenkt worden sei, daß die britische Expedition im persischen Golf nicht unternommen worden sei auf Grund einer Veretnbarung mit Persien und daß sie sich nur auf ein Vorgehen zur See beshränken werde. Zweitens, ob es beabsichtigt set, daß die Expedition an zwei Punkten der persischen Küste landen und militärische Operationen in das Innere des Landes unternehmen solle. Sir Edward Grey erwiderte, die Expedition sei unternommen worden im Verfolg einer von der persischen Regierung vor etnigen Jahren gegebenen Ermächtigung für britishe Schiffe, die Polizei in ten persishen Gewässern auszuüben, um den ungeseßlihen Waffenschmuggel zu unterdrücken. Er beabsichtige nicht, die Akten über diesen Gegenstand zu veröffentlichen. Auch könne er niht daran denken, den Operationsplan bekannt zu geben. Er stelle jedoch fest, daß es nur beabsichtigt sei, Mannsckaften zu landen, wenn sih die Notwendigkeit ergeben sollte. Die persische Regierung fei von der Expedition in Kenntnis geseßt worden. Auf die Frage Dillons, ob die Vereinbarung mit Persien eine Erlaubnis zur Landung von Truppen zu einer Expedition ins JInnere ein- \{lösse, erwiderte Grey. daß die Frage der Landung von Truppen in der ursprünglthen Vereinbarung nicht enthalten sei, daß es aber für die britishe Regierung ganz unmöglich sei, sih diesem ausgedehnten Waffenshmuggel gegenüber, der im persishen Golf stattfinde, voll- kommen untätig zu verhalten.

Frankreich.

Jn der gestrigen Sizung des Ministerrats teilte der Minister des Aeußern Cruppi, „W. T. B.“ zufolge, mit, daß er weder aus Fes noch von dem Major Brémond Meldungen erhalten habe.

Rußland.

Die Reichsduma hat gestern die Arbeiten wieder auf- genommen und ist in die Beratung des vom Handelsminister eingebrachten Geseßentwurfs, betreffend die Arbeiterunfall- versicherung, eingetreten.

Wie „W. T. B.“ meldet, wies der: Referent Baron Tiesen- hausen darauf bin, daß alle Mitglieder der Dumakommission für Eingreifen des Staats in die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit seten. Die Regierung sei jeßt entshlossen, die in den west- lihen Staaten, besonders in Deutschland, erprobten Maßregeln durh- zuführen. Die Vorlage sei für Nußland bedeutungsvoll und müsse auf den weiteren Entwicklungsgang des russishen Staatsgedankens ein- wirken. Als Redner traten meist Sozialdemokraten auf. Der Abg. Pokrowsfki erklärte, die Sozialdemokraten seien für die Versicherung, doch müßten die Kosten der Vorlage durch Besteuerung der Arbeit- geber aufgebracht werden; der Arbeitslohn, das Existenzminimum, dürfe niht ges{hmälert werden. Da die Vorlage die Versicherung den Arbeitgebern übertrage, würden die Sozialdemokraten dagegen stimmen. Der Kadett Stepanoff meinte, die Vorlage lasse zuviel Ein- mishungen der Lokalverwaltung zu und weise zu wenig Staatshilfe auf. Außerdem habe die Dumakommission die Regierungsvorlage entgegen den Interessen der Arbeiter umgearbeitet.

Türkei.

JZnfolge der Kämpfe bei Moikovaß zwishen Monte- negrinern und türkischen Truppen ind zwei Bataillone Reservisten, vier Nizambataillone, eine Maschinengewehrabteilung und eine Gebirgsbatterie nah Gronia dirigiert worden.

Serbien.

Die S kupschtina, die zu einer außerordentlichen Session einberufen ist, hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, den Geseßz- entwurf, betreffend die Erteilung der Konzession zur Erbauung einer hydroeleftrishen Zentrale von 120 000 Pferdekräften an- genommen, die den Hafen von Antivari mit Elektrizität zu Jndustriezwecken versorgen soll.

Amerika.

Jn Gegenwart des Präsidenten Taft wurden, „W. T. B.“ zufolge, gestern im Kabinett verschiedene Entwürfe eines englisch - amerikfanishen Schieds ¡erihtsvertrages besprochen und über die Lage in Mexiko, die nach den an den Präsidenten gelangten Berichten wenig befriedigend ist, beraten.

Einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus No- gales (Arizona) zufolge haben die Rebellen die Bundestruppen in einem Treffen bei Magdalena aufgerieben.

Der amerikanishe Botschafter und ein Mitglied der deutschen Gesandtschaft in Mexiko haben \sih gestern auf das Auswärtige Amt begeben und die Beschüßung der Amerikaner und Deutschen in Cuernavaca gefordert, das durch einen An- griff der Aufständischen bedroht sei. Das Kriegsministerium befahl, obiger Quelle zufolge, das Abrücken von Verstärkungen nach Cuernavaca einschließlich eines Bataillons Jnfanterie und einer Kompagnie Artillerie mit Maschinengewehren. Das -Aus- wärtige Amt erklärte, es bestehe kein Anlaß zur Beunruhigung.

Afien.

Das persishe Parlament hat gestern nah längerer Debatte die englishe Bankanleihe angenommen. Nach Meldungen des „W. T. B.“ übte die Opposition an jedem einzelnen Artikel des Vertrages heftige Kritik. Das Programm über die Verwendung der Anleihe wird dem Hause später unterbreitet werden. Ein Vorschlag Walid el Mulks, daß das Programm unter Mitwirkung der amerikanischen Finanzbeiräte, die binnen furzem in Teheran eintreffen, aufgestellt werden möchte, wurde vom Finanzminister zurückgewiesen, der darauf hinwies, daß zur Kontrolllommission, die gebildet werde, geigishe Beiräte gehören würden, die durchaus sachverständig eien.

Der neue Generalgouverneur der Mandschurei hat, der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ zufolge, einen Plan für seine Tätigkeit aufgestellt, worin er die Vernichtung

der Tschungusen, um Rußland diesen Anlaß zur Einführung neuer Truppen zu nehmen, den Schuß der Rechte Chinas gegen- über Rußland und Japan und die Kolonisierung der Nord- mandschurei ins Auge faßt.

Wie „W. T. B.“ aus Hongkong meldet, haben die Aufständischen gestern in Fa-tshan vier Yamen nieder- gebrannt.

Afrika.

Jn Tanger eingetroffene Briefe aus Alkassar, die vorgestern abgesandt worden sind, melden, dem „Reuterschen Bureau“ zu- folge, daß die eingeborenen Soldaten jenes Distrikts, die unter französishen Jnstrukteuren stehen, gemeutert haben, desertiert sind und sih weigern, unter den Franzosen Dienst zu tun. Die Nachricht, daß französishe Truppen von Casablanca und Rabat nah Fes aufgebrochen sind, hat alle Stämme im Gharbgebiet in Aufregung verseßt. Die Stämme verkünden den heiligen Krieg. Wie ferner aus Alkassar gemeldet wird, hat ein Teil der Chlotleute sih gegen Raisuli empört und seinen Kaid abgeseßt. :

Koloniales.

_ Die in den Tagesblättern verbreitete Nachricht von einem Eingeborenenaufstand in der Bimba-Gegend in Süd- kamerun ist, wie „W. T. B.“ mitteilt, amtlih bisher nicht bestätigt worden. Dem Reichskolonialamt liegt lediglich ein kurzer Bericht des Gouvernements vor, der auf einem Telegramm der Station Dume vom 16. März d. J. beruht. Danach ist der Leiter des Dumebezirks am 9. Februar auf Hilferuf des Kauf- manns Greve von der Firma Pagensteher nah Betugge im Norden des Bezirks gerückt, wo anscheinend die Haltung der Eingeborenen unsiher geworden war. Der Häuptling Betugge und zwei Helfershelfer sind festgenommen und zu 15, 8 und 7 Jahren Kettenhaft verurteilt worden. Der Bezirks- leiter ist am 20. Februar wieder nah Dume zurückgefkehrt und betrachtet die politishe Lage im Bezirke zurzeit der T nd des Telegramms als ruhig. Auch der Gouverneur, der in- zwischen den Südbezirk bereist hat, hat in einem Telegramm vom 18. März die Lage im Süden des Schutzgebiets als ruhig bezeichnet. Es ist niht ausgeschlossen, daß die jüngsten Privat- meldungen auf Gerüchte zurückzuführen sind, die mit dem ge- schilderten Vorgang im Zusammenhange stehen.

Die Eröffnung der Manengubabahn im Schutgebiet ; Kamerun,

Nach einem Telegramm des Gouverneurs ton Kamerun ist die feierlihe Eröffnung der Manengubabahn für den 25. Mai in Aussicht genommen.

Im Jahre 1905 hatte sih die Kamerun-Eisenbahngesellshaft mit einem Grundkapital von 16 640 000 46 zum Bau einer Eisenbahn von Duala nach den Manengubabergen gebildet. Das Grundkapital ist in 166 400 Anteile über je 100 # eingeteilt, von denen die An- teile Nr. 1 bis 56 400 die Bezeichnung „Vorzugsanteile, Reihe A“ und die Anteile Nr. 56 401 bis 166 400 die Bezeichnung „Stamm- anteile, Reihe B* tragen. Die Genehmigung des Baues durch den Neichstag erfolgte am 27. März 1906. Auf Grund der der Gesell- haft erteilten, auf 90 Jahre bemessenen Bau- und Betriebskonzession wurde durch Geseß vom 4. Mai 1906 den Inhabern der Stamm- anteile, Reibe B, eine Garantie des Neichs bewilligt. Das Reich zahlt den Inhabern am 1. Juli jedes Jahres bis zur völligen Tilgung dieser Anteile: a. vom ersten Geschäftejahr an einen jährlichen Zins von 3 9/6 des eingezahlten Anteilskapitals vom Tage der Einzahlung an, erstmals am 1. Juli 1907, b. vom fünften Geschäftsjahr an den um 2099/6 erhöhten Nennbetrag der jeweiligen gelosten und als solche abzustempelnden Anteilsheine, ecstmals am 1. Juli 1911.

Im Ans(luß an die gegen Ende des Jahres 1905 veranstalteten aenerellen Erkundungen wurde im Dezember 1905 mit den aus- führlihen Vorarbeiten und einige Monate später dann mit dem Bau begonnen. Die Bahn nimmt ihren Anfang in Bonaberi, einem Duala an der rechten Seite des Kamerunflusses gegenüberliegenden Playe. Sie durchquert die Mangrovenwälder an der Küste, weiter den Urwaldgürtel und endigt in km 160 bei Nkongsamba. Die Spurweite ter Bahn beträgt 1 m. Der Bau war infolge der Durchquerung der Sümpfe an der Küste, der Veberbrückung mehrerer größerer Flüsse und der ungünstigen Bodengestaltung am Rande der Manengubaberge teilweise mit aroßen Schwierigkeiten verbunden. Auf weiten Strecken wechseln tiefe Ein- schnitte und hohe Dämme miteinander ab. Die wirtschaftlihe Be- deutung der Bahn liegt in der Durchquerung des Urroaldgürtels und in der Erschließurg des dahinter liegenden, zum Bau von Baumwolle, Tabak, Reis usw. geeigneten Ge- bietes. Der strategishe und politishe Wert der Bahn ist ebenso boch wie ihr wirtschaftliher einzushäßen. Der Betrieb wird von der Erbauerin , der Deutschen Kolonial. Eisenbahn-Bau- und -Betriebs- gesellschaft, für Nechnung der Kamerun-Eisenbahngesellshaft gefübrt. Das Reich ist an etwaigem Gewinn beteiligt und hat sih das Er- werbungsrecht an der Bahn gesichert. (Deutsches Kolonialblatt.)

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sißungen des Reichs- tags und des Hauses der Abgeordneten befinden si in der Ersten Beilage.

In der heutigen (165.) Sigung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Jnnern Dr. Delbrück bei- wohnte, wurde die erste Lesung des Geseßentwurfs, betreffend a Aufhebung des Hilfskassengeseßes von 1876, fort- ge}eßzt.

Vor Beginn der Verhandlungen erbat und erhielt der Erste Vizepräsident Dr. Spahn die Ermächtigung, Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen zu seinem Geburtstage die Glückwünsche des Reichstags darzubringen.

Atg. Graf von Westarp (dkonf.): Die Frage der Verhältnisse der Hilfskassen zur Krankenversicherung scheidet ja jeßt aus, nahdem in dieser Beziehung die Reichsversiherungtordnung besondere Be- stimmungen getroffen hat. Die Gründe für die Aufhebung des Ge- seßes von 1876 balten wtr für durchs{lagend und das Matertal, das über Schwindelkassen betgebracht ist, für vollständig über- zeugend. Außer den prafktishen sprechen aub prinzipielle Er- wägungen dafür, die Privatversicherungsvereine, die \sich mit ter Krankenversicherung befassen, dem Gesetz, betreffend die Be- aufsihtigung der Privatversicherung zu unterstellen. Es wird aber zu prüfen sein, ob das disfretionäre Ermessen der Aufsichtsbehörde noch etwas weiter einzushränken wäre, als der Entwurf es vorsieht. Au wird zurückzugreifen sein auf eine früher abgegebene Erklärung, daß das Aufsichtéamt von den Kassen nit verlangen kann, daß sie die Beiträge nah dem Alter abstufen. Wir stehen der Vorlage im allgemeinen durchaus \ympathisckch gegenüber, halten Kommissionsberatung für geboten unv beantragen, N der 16. Kommission für die Reichsversicherungsordnung zu überweisen.

«- Stadthagen (Soz.): Die beiden Vorredner haben i thren Aeffibrnaen auf die Wünsche der Arbeiter nicht bie Peeis Nüksicht genommen, höchstens daß ihnen die Mitglieder des deutsh- nationalen Handlungsgehilfenverbandes ein gewisses Interesse eins flôßen. Nicht eine einzige Schwindelkasse wird durch die Auf- hebung des Hilfskassengeseßes und durch diesen Gesetzentwurf be- seitigt werden. Es ist doch höchst carakteristisch, daß in dem gonzen Hamburg keine Schwindelkasse erxistiert; sowie man aber über die preußische Grenze fommt, findet man {on in Altona Schwindelkassen. Diese zeichnen \ich dur besonders. vatrio- tische Namen und Titel aus, wie „Königin Luise“, Patria" usw. : es fehlt nur noch eine „Reihsverbandia“. Gerate die Organe der Arbeiterklassen haben vor den S{hwindelkassen gewarnt; diese Warnungen haben die Regierung zum Einschreiten veranlaßt, und ihrem Wesen getreu will fie nun die Schwindelkassen aus der Welt schaffen, indem sie alle Vereinigungen, die sih die Arbeiterschaft

aus eigener Kraft geschaffen hat, unterschiedlos in einen Topf

wirft und ihnen den Schuß des Hilfskassengeseßes entziehen will. Die Konservativen und das Zentrum haben es au abgelehnt, daß die Negierung für die Zulassung von Schwindelkassen verantwortlih und haftbar gemacht wird. Der jeßige G.-E. ist geradezu eine Prämiterung für neue Schwindeleien. Wer die Geschichte des Kassenwesens kennt, weiß, daß schon bi der Beratung der G.-O. von den Arbeitern geklagt wurde, daß die Konzession der Negterung als Aushängeschild für , shwindelbafte Unternehmungen benußt würde. er Entwurf läuft \{ließlid darauf hinaus, den Ar- beitern unter dem Vorwande, Schwindelkassen zu unterdrücken, den leßten Nest der Selbstverwaltung zu nehmen, wie es bei den Ortskrankenkfassen gesehen ist. Man will in den Zustand zurü, den wir 1869 in Preußen gehabt haben, einen Zustand, den Zentrumsabgeordnete wie Reichensperger und Moufang bekämpft haben, daß die Arbeiter verhindert werden, ohne behördlihe Genehmigung solhe Hilfskassen ins Leben zu rufen. Die Arbeiter werden dem diekretionären Ermessen, der reinen Willkür der Behörden preis gegeben. Das Geseß hat ledigli eine parteipolitisce Tendenz, wie die frühere ähnlihe Vorlage auc, es richtet sih gegen die fozialdemokratishen Gewerkschaften. Die Bestimmung, daß die Konzession aus Zweckmäßigkeitsgründen verweigert werden kann, wird zweifellos gegen die Arbeiter gebrauht werden. Zu den \charf- macherischen Mitgliedern des Aufsichtzamts können die Arbeiter kein Vertrauen haben.

(Schluß des Blattes.)

Jn der heutigen (65.) Sißung des Hauses der Ab- geordneten, welher der Minister für Landwirtschaft 2c. Dr. Freiherr von Schorlem er beiwohnte, fand zunächst die Ver- pg des am 21.März 1911 zum Mitgliede der Staats\chulden- tommission gewählten Abg. Aronsohn (fortschr. Volksp.) in der Weise statt, daß dieser auf die Frage des Präsidenten die Erklärung abgab, daß er sich auf den von ihm auf die

erfassung geleisteten Eid hin für verpflichtet erachtet, die M als Mitglied der Staatsschuldenkommission aus- zuüben.

Jn einmaliger Beratung des 62. Berichts der Staats- \huldenkommission über die Verwaltung des N chuldenwesens wurde ohne Debatte Entlastung erteilt.

Dann folgte die erste Beratung des Entwurfs eines Ausführungsgeseßzes zum Reichsviehseuchengeseß e. Zur Begründung des Gesetzentwurfs nahm der Minister für Landwirtschaft 2c. Dr. Freiherr von Schorlemer das e dessen Nede morgen im Wortlaute wiedergegeben werden wird.

(Schluß des Blattes.)

__ Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Geseßes, betreffend Entlastung des Ober- verwaltungsgerihts, nebst Begründung zugegangen. Der Geseßzentwurf lautet, wie folgt:

ALTtteL L;

Hinter § 94 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung bom 30. Juli 1883 (Geseßsamml. S. 195) wird folgender § 94 a eingeschaltet: y

4a.

S

_In Streitigkeiten über Geldleistungen, die für Zwecke der Ge- meinden und anderer öffentlichrechtliher Körpershaften oder Verbände entweder in der Form von Zuschlägen zu stagtlihen und staatlich ver- anlagten Steuern oder auf Grund besonderer Steuerordnungen, Ab- gabentarife, Gebührentaxen, Statuten und sonstiger eine Heran- ziehung allgemeiner Art in sich s{licßender Besh!üsse oder auf Grund von Observanzen angefordert werden, ist die Zulässigkeit der Revision durch ‘einen fünfhundert Mark übersteigenden Beschwerde- gegenstand bedingt.

Durch vorstehende Vorschrift wird das Reht des Vorsigßenden des Bezirksaus\chusses, aus Gründen des öffentlichen Interesses das Rechtsmittel der Nevision einzulegen, nicht beschränkt.

Veber die Zulässigkeit der Revision (Abs. 1) hat das Gericht, welches in erster Instanz entschieden hat, zu befinden. Auf das Ver- fahren finden die Vorschriften des § 86 Abs. 4 entsprehende An-

wendung. A Artikel IT.

Das Staalsministerium wird ermätigt, für die Zeit bis längstens zum 1. Oktober 1914 Hilfsrihter avs der Zahl der er- nannten Mitglieder der Bezirksausshüsse oder aus der Zahl der Mitglieder der ordentlihen Gerichte dem Oberveuwaltungsger!cte zum Zweck der Erledigung seiner Geschäfte zuzuweisen. Die Hilfs- richter haben während der Dauer ihrer Zuweisung in bezug auf die Teilnahme an der Nechtsprehung dieselben Rehte und Pflichten wie die ordentlihen Mitglieder, dürfen aber in keinem Falle die Mehrheit des Kollegiums bilden und an der Entscheidung über Disziplinarsachen niht teilnehmen. Die Zuweisung der einzelnen Hilferihter is unwiderruflich, solange - deren Tätigkeit erforderli ist. Das Präsidium des Oberverwaltungsgerichts hat über die Verwendung der Hilfsrihter zu beschließen und wird insbesondere erwächtiat, bis zu dem bezeichneten Zeitpunkte Hilfssenate einzurihten. Der Vorsitz in den Hilfsfenaten ift ordentlichen Piit- gliedern des Oberverwaltungsgerichts zu übertragen.

Artikel ITII.

Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 1911 in Kraft.

In Ansehung der Revision gegen die Entscheidungen der Bezirks- ausshüsse, die verkündet oder zugestellt find, bevor dieses Gese in Kraft getreten ist, finden die bitherigen Vorschriften Anwendung.

Statisiik und Volkswirtschaft.

Die staatlich veranlagte Gebäudesteuer in Preußen im Nabre 1910.

__ Gemäß den 88 1 und 30 des Gefeßes über die Aufhebung direkter Staatssteuern vom 14. Juli 1893 wird die Gebäudesteuer seit dem 1. April 1895 für die Staatskasse niht mehr erhoben. Nach S 3 dieses Geseges ist ‘aber die Veranlagung und Verwaltung der Gebäudesteuer, ebenso wie die der Grund- und der Gewerbesteuer, unter Aufrechterbaltung der bestehenden geseßltchen Einrihtungen vom Staate für die Zwecke der kommunalen Besteuerung auszuführen. In einer tabellarischen Uebersicht der „Stat. Korr.“ sind die Ergebnisse der staatlihen Gebäudesteuerveranlagung für das Fahr 1910 zusammengestelt und mit denen für das Jahr 1895 verglichen.

Danach betrug in L (mit Ausnahme der Hohenzollernschen

e) 1910 die Zahl der steuerpflihtigen Gebäude zum E inen in den Städten 1331698 (die Zunahme seit dem Fahre 1895: + 831,40 9%) und auf dem Lande 3009615 (4 12,71 0/0), im ganzen Staate mithin 4 341 313 (+ 17,85 9/9), derjenigen zu gewerblihen Zwecken 786376 (+ 42,45 9/9) und 575 018 (+ 69,40 2/0), im ganzen Staate 1361 394 (+ 52,71 9/9), die Gesamtzahl der steuerpflihtigen Gebäude in den Städten 2118074 (+ 35,30 9/6) und auf dem Lande 3584 633 (+ 19,10 9/0), im ganzen Staate 5702707 (+4 2464 9%). Es ist also für 1910 auf dem Lande die Zahl der vorzugs- weise zum Bewohnen bestimmten, mit 4 v. H. des Nugungswertes veranlagten Gebäude größer, die der auss{ließlich oder vorzugsweise zum Gewerbebetricbe dienenden, mit 2 v. H. veranlagten steuer- pflichtigen Gebäude dagegen kleiner als in ten Städten. Nach dem Fahresbetrage ber veranlagten Gebäudesteuer überwtegen aber in beiden Steuergruppen die \tädtishen Gemeinden, und zwar bei den Wohnhäusern mit mehr als dem 3 fachen, bei den gewerblichen Gebäuden sogar mit dem 4Ffachen der entsprehenden _Veran- lagungssumme in den Landgemcinden. Es stellte sich nämlich 1910 der Jahreébetrag der Gebäudesteuer bei den vorzugéweise zum Be - wohnen bestimmten, also mit 4 vom Hundert des Nutungs- wertes veranlagten Gebäuden in den Städten auf 66191127 (die Zunahme seit 189 auf 4 86,74 0/6) und auf dem Lande auf 21076 748 M (+4.73,09%), im ganzen Staate mithin auf 87 267 875 A (+ 83,25 9/0), bei den aus\{ließlich oder vorzugs- weise zum Gewerbebetriebe dienenden, mit 2 vom Hundert des Nußungswertes veranlagten steuerpflihtigen Gebäuden in den Städten auf 8173462 #4 (+ 178,66 0/6) und auf dem Lande auf 1743 935 46 (+ 141,37 9/6), im ganzen Staate auf 9 917 397 M (+4 171,29 9%), bet den beiden Arten der steuer- pflichtigen Gebäude zusammen in den Städten auf 74 364 589 M4 (+ 93,77 9/0) und auf dem Lande auf 22820 683 4 (+4 76,91 9/0), im ganzen Staate somit auf 97 185272 M4 (+ 89,53 9/6). Die Zahl der steuerfreien Gebäude betrug 1910 in den Städten 406 686 (die Zunahme seit 1895: 4 8,970) und auf dem Lande 4 303 280 (412,44 9/0), imganzen Staate 4709 966 (4- 12,13 9/6). Zu mehr als neun Zehnteln befinden sich also die steuerfreien Gebäude auf dem platten Lande. i

Während die Grundsteuer auf seit den \echziger Jahren des vorigen Jahrhunderts unveränderter Kontingentierung beruht und von Jahr zu Jahr nur geringen Veränderungen unterworfen ist, vermehrt sich die Gebäudesteuer infolge von Neubauten und infolge des im all- gemeinen steigenden Nußungswertes alljährlih recht anschnlih. Um den leßteren in ausreihendem Maße bet der Gegenwart zu erhalten, werden die Gebäudesteuerrollen regelmäßig alle 15 Jahre einer Re- vision unterworfen und der jährlihe Mietwert auf Grund durchschnitt- licher Mietpreise eines rückwärts liegenden zehnjährigen Zeitraums neu fest- gestellt. Die leßte, seit Bestehen des Gebäudesteuergesetzes dritte Nevision it in den leßtvergangenen Jahren ausgeführt und zum 1. Januar 1910 in Wirksamkeit gescßt worden. Stellt man die Ergebnisse der beiden Jahre 1895 und 1910, also der Veranlagungsjahre nah der der vorleßten und nach der leßten Revision, gegenüber, so haben in den legten 15 Jahren beide Kategorien von steuerpflihtigen Gebäuden sowohl in den Städten wie auf dem Lande einen Zu- wachs erfahren. Am stärksten war dieser mit mehr als zwei Dritteln bei den gewerblihen Gebäuden des platten Landes, am geringsten mit nur einem Achtel bet den Wohngebäuden des ao Gebiets. Im ganzen Staate haben sih die gewerblihen Gebäude etwa dreimal fo stark vermehrt wie die zum Bewohnen bestimmten.

Bei dem Jahresbetrag der veranlagten Gebäudesteuer war die Zunahme weit betröchtliher als bei ter Zahl der Gebäude; dieser Umstand ist auf die Ausführung besonders großer Neubauten, vor allem aber auf den in den vergangenen drei Jahrfünften ge- stiegenen Nußungswert der bestehenden Gebäude zurückzuführen. Am wenigsten sind auch hier ihrem veranlagten Steuerbetrage nah die Wohngebäude des platten Landes, am stärksten dagegen, nämlich auf das 2 fache, die gewerblihen Gebäude der Städte gestiegen. Im ganzen Staate beläuft sih die Zunahme des Steuerbetrages der ge- werblihen Gebäude auf mehr als das Doppelte von der der Wohn- gebäude. Die steuerfreien Gebäude haben verhältnismäßig \{chwächer zugenommen als die steuerpflihtigen.

Nach Landesteilen geordnet, wurden bei der Veranlagung zur Gebäudesteuer für das Jahr 1910 ermittelt:

mit einem jährlichen steuer- steuer- Gebäude jährlichen in der Prcvinz freie V Ege steuer- See - ußungs8- TEUÊL Gebäude wert von …. pon... M Ostpreußen... . 329406 274300 71 470 140 2 655 785 Westpreußen ... 208537 220 446 62 096 875 2 266 513 Stadtkreis Berlin Ac 58 614 444410315 15 604981 Brandenburg .. 486 520 570627 358220278 13 498 734 Pommern .... 238597 263339 78 984 500 2 865 917 Posen 361336 28283 697 68 380 325 2470015 Sdlefien .... 680206 699057 235032385 8477980 Sachsen 5974599 603208 - 169 950 870 6198 278 Schhleswig-

Doe «4 103209 «8302.270- - 112139970 4 134 620 Hannover .... 373756 492755 156 595 405 5 701 167 Westfalen G eie B00 04A 924025 212 203 415 7 649 479 Hessen-Nassau .. 338829 364651 197 650 860 7 230 342 Jbeinprovinz .. 729681 1045718 510431360 18 431461

im Staate . 4709966 5702707 2677566698 97 185 272.

Der größ!e Bestand an steuerpflihtigen wie an steuerfreien Gebäuden entfällt hiernah auf die Rheinprovinz, die allerdings auch ihrer Einwohnerzahl nah die erste Stelle unter den preußischen Provinzen einnimmt; an steuerpflihtigen Gebäuden besißen die Nhein- lande fast den fünften, an steuerfreien mehr als den siebenten Teil der entsprehenden Staatssummen. Die geringste Zahl besteuerter Hausgrundstücke besißt infolge seiner roßen und hohen Gebäude der Stadtkreis Berlin, obwohl noh vier Landesteile eine geringere Ein- wohnerzahl haben. Nach dem Gebäudesteuer-Nutßungswerte sowohl wie nah der davon mit 4 und 2 v. H. erhobenen jährlichen Ge- bäudesteuer steht die Rheinprovinz mit nahezu einem Fünftel der betreffenden Staatssummen ebenfalls an erster Stelle; do A dann in niht zu großem Abstande Berlin mit fast einem Sechstel. Die geringste Gebäudesteuersumme ist in den Provinzen Westpreußen und Posen veranlagt.

Was den durchsch{chnittlichen tbe ba L KaEE a de wert der steuerpflihtigen Gebäude betrifft, so belief er sich 1910 auf...

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Gebäude Gebäude 1155,1 240,3 98,7 61,5 283,5 175,1 Westpreußen... 889,1 20099 109,8 116,5 290,1 2321 Stadtkreis Berlin 9385,2 4755,7 9385,2 4755,7 Brandenburg. . . 16522 237,6 402,7 200,4 824,0 222,8 Pomtnern ¿« ,- ‘803,7 92481 1306 884 3387 1997 704,8 237,3 91/0. 119.0 251,9 204,4 12348 4792 142,66 146,4 347,6 296,4 64/6. 2018 1376 116,4 318,0 183,9

.. 9614 3061 2087 995 4388 202,4

Hannover 851,7 3936 136,0 1623 325,3 287,5 Westfalen 753,9 4780 245,8 2058 420,8 351,1 efsfen-Nassau .. 14998 7867 1320 98,3 5549 487,3 beinprovinz. . . 1010,55 6521 184,8 195,1 496,1 457,6 im Staate 12426 5197 1751 1516 502,5 364,2.

Ostpreußen . .

Den gronees durchs{hnittlißen Nußungswert der W obhngebäude besißt unter den städtischen Gebieten der Stadtkreis Berlin mit feinen zahlreihen „Mietskasernen". Ueber den Staatsdurchschnitt gehen bei diesen Grundstücken ferner noch hinaus Brandenburg, dessen hohe Durc(hschnittsziffer sih durch die großen Berliner Vorstädte erklärt, und Hefsen-Nassau. Bei den gewerblichen Gebäuden der Stadt- gebiete folgen auf Berlin mit den Staatédurhschnitt noh übersteigenden Ziffern Hessen-Nassau und die Rheinprovinz. Auch bei den in Land- gemeinden liegenden Wohngebäuden zetgt Brandenburg in seiner hohen Durchschnittsziffer den Einfluß der großen Berliner Vor- orte; do rird das Landgebiet dieser Provinz bei den gewerblichen Gebäuden noch von Westfalen übertroffen. Bei den Stadt und Land zusammenfassenden Ziffern sind die über den Staatsdurchschnitt binausgehenden Provinzen die gleihen wie bei den entsprechenden Zahlen für die Stadtgemeinden allein.

A Zur Arbeiterbewegung.

In Großberlin sind, hiesigen Blättern zufolge, nah den vor- läufigen Ermittlungen etwa 9000 Arbeiter infolge der Maifeier bis Sreitag ausge\perrt worden. Davon entfallen 3000 Arbeiter auf die Holzindustrie, fast eben so viel auf das Baugewerbe und der Rest auf die Metallbranche, das Transportgewerbe, das Maler-, Töôpfer- und andere Gewerbe. In einigen Be- trieben ruht die Arbeit bis Sonnabend.

Wie die „Flensburger Nachrichten“ melden, find auf der Flens- burger Schiffswerft etwa 1100 Arbeiter bis zum 5. Mai ausgesperrt worden, weil sie am 1. Mai gefeiert hatten.

Aus Münster wird der „Köln. Ztg.“ gemeldet: Der Verband münsterländisher Tertilindustrieller hat beschlossen, am 6. Mat allen organisierten Arbeitern zu kündigen, falls niht die Arbeiter in der Weberei Kolck u. Co. in Coesfeld die Arbeit- unter den bisherigen Lohnsäßen wieder aufnehmen. /

Der Ausstand der Fuhrleute und. Ablader in Barmen (vgl. Nr. 103 d. Bl.) hat #ch, der „Köln. Ztg.“ zufolge, auch auf L ausgedehnt. Bisher wurde bei vier Firmen die Arbeit eingestellt. = Die Lohnbewegung in den Hafengebieten von Mann- heim und bv ia da fen ist, wie die „Frkf. Ztg." mitteilt, gestern beendet worden. Nach längeren Verhandlungen zwischen Arbeit- gebern und Arbeitern wurde eine Verständigung erzielt. Die Arbeiter, es kommen über 3000 in Betracht, sollten heute die Arbeit wieder aufnehmen. :

25 000 Streckenleute bei sechs Eisenbahnen in den West- staaten Nordamerikas sind, wie der „Frkf.“ Ztg." aus New Vork telegraphiert wird, autständig.

Kunst und Wissenschaft.

Das Schiff „Deutschland*, auf dem die deuts{be Süd- polarerpedition unter der Führung des Oberleutnants G. Filchner am 7. d. M. ihre Ausreise von Bremerhafen antreten ‘wird, ist vollständig ausgerüstet; es wird heute von Hamburg, wo es in den leßten Tagen von Seiner Königlichen Hoheit dem Keinten Heinrich von Preußen eingehend besichtigt wurde, nah Bremerhafen übergeführt werden. Die Reise geht von dort über die Azoren nah Buenos Aires, wo der Nahshub der Teilnehmer an Bord gehen und Herr Filchner die Leitung übernehmen wird. Das Stif bat durch den bei Blom und Voß in Hamburg au®2geführten Umbau 71 Registertons Fafsungs- vermögen gewonnen und faßt jeßt 598 Tons Brutto. Es konnten 400 Tons Kohlen verladen werden, die dem Schiff einen sehr großen Aktionsradius verleihen” zumal seine Maschine, die 280 indizierte Pferdekräfte L t, bei Volldampf nur 5, bei halber Fahrt nur 2— 3 Tons Kohlen in 24 Stunden verbraucht. Das Schiff, das zugleich ein LgUNE Segler ist, wurde auch mit zahlreichen Hilfs- maschinen, mit elektrishem Licht, Dampfwinde, Desttllations- apparat und Telefunkenanlage ausgerüstet. Die auf 34 Jahre berechneten Lebensmittel, die für die Schiffsreise, die Basisstatton und die Schlittenreise bestimmt sind, nehmen 220 Tons ein. Mitgeführt werden ferner je 5 t Petroleum und Benzin, 500 kg Sprengstoff und 50 Wasserstoffflaschen. Zur Ausrüstung gehören außer den auf 34 Jahre berechneten Bekleidungsstücken auch 40 lange Transport- shlitten, 100 Paar Skis und eine alpine Ausrüstung. Zur Beförderung der Schlitten werden grönländishe Hunde und mandschurische Ponys dienen, die in Buenos Aires an Bord genommen werden. Die eigentlihe Schiffsbesaßung beträgt 25 Mann; zu ihnen kommen 10 eigentlihe Erxrpeditionsteilnehmer. Mit Ausnahme von 2 Norwegern sind alle Mitreisenden Deutsche. Hauptforschungs8gebiet ist der \üdöstlih von Süd- amerifa gelegene Teil des Südpolargebiets, das Weddellsee- gebiet. Bei früheren Expeditionen i festgestellt, daß ih auf der pazifishen wie der füdatlantishen Seite der antarkftis{en Landmassen Meeresbucbten - befinden, woraus man das Vorhandensein eines tiefeinshneidenden Sundes folgert. Otto Nordenskjôld gab dieser Theorie auf Grund seiner in den Jahren 1902/04 an der Westseite des Weddellmeeres gesammelten Beob- achtungen die Form: Von der Roßsee zur Weddellsee zieht sich ein mit CEismassen angefüllter Meeresarm hindur, der die antarktischen Landmassen in ein Ost- und ein Westantarktika teilt. Man fkann die Lösung dieses Problems sowohl von der Roßsee als von der Weddellsee aus versuhen. Die Noßsee, die einen leihteren Zugang bietet, kam für die deutsche Expedition deshalb nit in Frage, weil sich dort z. Zt. {hon eine englische und eine norwegische Expedition (unter Scott und Amundsen) befinden, die freilich nicht die Lösung jenes Problems, sondern die Er- reihung des Südpols anstreben, und weil eine japanische Expedition der Roßsee zustrebt. Es kam für die Filhnershe Expedition daber nur das Weddellseegebiet in Frage, obwohl dieses noch ziemlich un- bekannt ist und viel ungünstigere Cisverhältnisse bietet. Es kommt vor allem darauf an, daß es dem Kapitän der „Deutschland“ gelingt, vor Beginn des Winters soweit vorzudringen, daß die Landung an der Ostseite des Weddellsee gelingt. Nah Meldungen aus Neuseeland und Australien soll der leßte Sommer die Cisperipherie des antarktisch' n Festlandes erheblich geschwäct haben, sodaß die Expedition mit nicht allzu ungünstigen Eisverbältnissen rechnen darf.

Im Neuen Ausstellungssaal des Kupferstichkabinetts der Königlichen Museen wird an Stelle der Städteansichten am nächsten Mittwoch etne andere Ausstellung eingerihtet mit dem Titel: Die französische Originallithograplie fon ihren Anfängen bis zur Gegenwart.

Die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin hält am 6. d. M., Abends 7 Uhr, cine allgemeine Sitzung im großen Saale des Architektenhauses, Wilhelmstraße 92. er Professor Dr. R. Neuhauß wird über Reisen in Deutsh-Neuguinea sprechen. (Mit Lichtbildern und kinematographishen Vorführungen.)

In Norddeutschland waren bisher nur in Nüdersdorf bei Berlin und bei Gagern in der Nähe von Magdeburg sogenannte „Gletschertöpfe“, die Kunde von einer Eiszeit geben, gefunden worden. Jeßtt sind, wie der „Tägl. Rundschau“ aus Halle a. S. emeldet wird, in einem dieser Stadt benahbarten Steinbruch zwei letshertöpfe freigelegt worden, die der Kreis Oscheréleben als wichtige Naturdenkmäler zu erwerben beabsichtigt.

Land- und Forsftwirtschaft. Saatenstand und Getreidehandel in Spanien.

Der Kaiserliche Generalkonsul in Barcelona berichtet unterm 25. April d. I.: Die Ueberwinterung der Saaten in Spanien wird im allgemeinen als günstig bezeihnet. Es fehlte nidt an der nötigen Feuchtigkeit des Bodens. Die Witterung war nicht vor- zeitig warm; ‘gegenüber manchen anderen Jahren hat fh das Wachs- tum vielmehr verzögert. Die in der ersten Hälfte des April ein- getretenen Spätfröste haben niht soviel Schaden angerichtet, daß das Gesamtergebnis der zukünftigen Getreideernte dadurch erheblich beein- trächtigt ersheint. Die Bestellung der Frühjahrs\aaten konnte unter erwüns{hten Boden- und L ten stattfinden. Die Vorräte, namentlich an eizen, sind ansehnlich, die Nati ngen seit dem Herbst vorigen Jahres gering. Der arkt ist zurzeit wenig belebt. : Die Weiz enpreise betrugen auf den maßgebenden kastilischen Märkten für den Doppelzentner : O Be l A T4 1940 19101910 19101. 19H 911 TOTE Valladolid Pes.-26,41 26,27 25,70 25,70 26,70 25,89 25,89 Medina del Campo 2020 2027 29/90 29/70 2627-2627 2589 Arévalo « 26,27 26,27 26,27 25,98 25,98 26,55 26,55 Rioseco O2 00,12 2409 2454 259/70 2512 2512 Die Einfuhr von Weizen und Mais war von Oktober 1910 bis Februar 1911 bedeutend. Es wurden eingeführt: / a, Weizen : 1910: 1909: im Oktober z 95008 99 330 2 ACODenD N 141 048 115 410 ¿ Deer 147 105 157 189 1911: 1910: 168 423 104 410 Februar 145 388 110 609, bh. Mais: 1910: 1909 : im Oktober 213-432 103 438 ¿ Beob C LSO 0I0 144 672 ¿ Deb L 10284 195 384 1911 : 1910: Januar 152 274 92 171 Februar v T0081 119 062, c. Gerste und andere Ge- treidearten : 1910: 1909: im Oktober 182 34 ¿ ACOVEINDeL a 15 740 3 268 ¿eem 24 158 7 351 1911: 1910: e ZLanuar 20 252 11 461 « Februar 9 575 24 488. Eine nennenswerte Ausfuhr fand nur in Reis statt; sie betrug : 1910: 1909: im Oktober O DRA 7 127 ¿ MUODOIbeE a 4172 5 153 e Dejemb 5 5 000 4314 LOL L: 1910: Januar 971 2 565 Februar D00 6 682.

Verkehrswesen.

Ueber die Entwicklung der elektrischen Zugförderung und ihre Vorzüge gegenüber dem Dampfbetrieb auf den Cisenbah nen.

Der dem Hause der Abgeordneten zugegangene Entwurf eines neuen preußischen L eh egesezies enthält u. a. auch eine Forderung von 27,330 Millionen Mark zur Einrichtung elektrischer Zugförderung auf den Strecken Magdeburg—Bitterfeld—Leipztg— L a. S. und Laubau—Dittersbach—Königszelt mit den Zweig- treckden Hirschberg i. Schles.—Grünthal, Hirschberg i. Schles.— Schmiedeberg i. Sébles —Bandeskut i. Schles), Nuhbank— Liebau i. Schles. und Nieder-Salzbrunn—Halbstadt, nachdem bereits auf der Teilstrecke E, UETIO dieser neue Betrieb auf Grund des Cisenbahnanleihegeseßes vom 28. Juli 1909 eingerihtet worden ist. Zur Begründung diefer Forderung ist dem Geseßentwurf eine Denk- rift beigegeben, der die folgenden Ausführungen von allgemeinem Interesse entnommen seien.

Die elektrische Zugförderung war bis vor einigen Jahren im allge- meinen auf Personenverkehr, mäßige Zuggewichte und Ges{hwint igkeiten und eng begrenzte Bahngebiete, insbesondere Stadt-, Vorort- und Städte- bahnen beschränkt, weil zum Antrieb der Fahrzeuge nur Gleichstrom von niedriger Spannung benußt werden konnte. Für Fernbahnen und Güterverkehr war sie bei dieser Betriebsweise zu kostspielig. Ihr An- wendungsgebiet erfuhr eine gewisse Erweiterung dur die Einführung des Drehbstroms. Hierbei war es mögli, die Triebfahrzeuge bei hoher Spannung mit elektrischer Leistung zu versorgen und dadurch zu etner Betriebsform zu gelangen, die an die Beschränkung des Gleichstrom- betriebs nicht gebunden ist. Indes gestattet Drebstrom abgesehen von den erheblihen Schwierigkeiten der dafür erforderlihen doppelten Fahrleitung einen wirtschaftlihen Betrieb nur bei wenigen be- stimmten Geschwindigkeiten, was seine Verwendbarkeit sehr einschränkt. Erst in den leßten Jahren ist auf Anregung und unter \teter Mit- wirkung der Verwaltung der preußish-be\ssisGen Staatsbahnen eine neue Betriebsform der elektrischen Zugförderung entwickelt worden, die den Anforderungen des Eisenbahnbetriebes in weitestem Umfange zu genügen vermag, weil sie weder an enge räumlihe Grenzen oder mäßige Zuggewichte und Fahrgeshwindigkeiten noch an be- stimmte Geshwindigkeitsstufen und Verkehrsarten gebunden is und die daher au, wie unter anderm ihre {on jeßt bedeutende Ver- breitung in verschiedenen Ländern zeigt, allenthalben als im wesent- lichen absc{ließende Lösung gilt. Sie bedient i der einfahsten Art des eleftrishen Stroms, des sogenannten einphasigen Wechselstroms und gestattet, elektrische Leistung mit sehr hober Spannung und daber in praktis fast unbegrenzter Größe auf weite Entfernung zu über- tragen und den Triebfahrzeugen durch eine einfache obertrdishe Fahr- leitung, äbnlich wie bei Straßenbahnen, zuzuführen. Auch können Triebmaschinen verwandt werden, die sich in vollkommenster Weise den wechselnden Bedingungen des Bahnbetriebs anpassen.

Die elektrishe Zugförderung kommt, wie bereits angedeutet wurde, in zwei grundsäßtlich vershiedenen Arten vor. Auf Stadt-, Vorort- und Städtebahnen, wo es ih meist um dihten Verkehr bei kleiner Entfernung der Haltepunkte handelt, werden mäßig {were Züge gefahren, bei denen einzelne oder alle Wagen Tricebmaschinen baben, die bon dem jeweilig an der Spiße laufenden Wagen aus geregelt werden. Für solche Betriebe ist diese Anordnung vorteilhaft, weil sie snelles Ingangsetzen der Züge und damit kurze Zugfolge und Fahr- zeit ermöglicht. te seßt aber voraus, daß alle Fahrzeuge für den elektrishen Betrieb eingerihtet sind, und ist daher bei Fernbahnen, wo Wagen aller Art verkehren, nicht brauchbar. Vielmehr müssen dort die Züge entsprehend der beim Dampfbetrieb üblichen Art der Be- förderung mit eleftrischen Lokomotiven gefahren werden. Beide Be- trieb8arten werden in vershiedenen Ländern zum Teil in großem Maß- stab und überall mit günstigem Erfolg angewandt.

Gegenüber dem Dampfbetrieb hat die elektrische Zug- förderung eine Reibe von Vorzügen, die teils auf wirtschaft- lichem, teils auf betrieblihem Gebiete Tiegen.

Als solche sind anzusehen :

Geringeres Gewicht der Antriebseinrihßtungen, bezogen auf die Einheit der Leistung. E

Wesentlihe Ersparnisse an Brennstoff bei dihter Zugfolze, kurzen Abständen der Haltepunkte, {werem Verkehr und großer Fahr- geschwindigkeit sowie auf Strecken mit starken und langen Stetgungen.

Die Möglichkeit, Wasserkräfte und minderwertige Brennstoffe, wie Braunkohlen und Torf, zur Zugförderung nutzbar zu machen.