1911 / 120 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

"Niggkamlliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 22. Mai.

Seine Majestät der Kaiser und König hat, „W. T.B.“ ufolge, dem Präsidenten Fallières anläßlich des jähen Todes des Kriegsministers Berteaux ein herzliches Beileidtelegramm oe und gleichzeitig die besten Wünsche für die Wiederher- fie ung des Ministerpräsidenten Monis übermittelt. Der Reichskanzler und der stellvertretende Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Unterstaatssekretär Zimmermann haben estern bei dem französischen Botschafter vorgesprochen, um ihm ihr Beileid anläßlich des Unglücksfalls, der den Ministerpräsidenten Monis und den Kriegsminister Berteaux betroffen E aus- usprehen. Der Reichskanzler hat ferner den deutschen Bot- schaster in Paris beauftragt, der französischen Regierung die Teilnahme der Kaiserlihen Regierung an dem erschütternden Unglücksfall auszusprechen.

Der Vorsizende der Reichsshulkommission, Wirkliche Ge- heime Oberregierungsrat Präsident Dr. Kelch ist aus Bayern von der Dienstreise zurückgekehrt.

Jn der Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des Reichs- und Staatsanzeigers werden im Kaiserlichen Statistishen Amt zusammengestellte Nachrichten über den Saatenstand im Deutschen Reih um die Mitte des Monats Mai 1911 veröffentlicht.

Vayeru. Seine Königliche Hoheit der i l hat, Ee Bos ee die bayerishe Gejandtschaft in Paris beauftragt, der französischen Regierung seine wärmste Anteil-

nahme an dem {weren Unglück zu übermitteln, das sie und die französishe Armee betroffen hat.

Großbritannien und JFrlanv.

Der Kaiser Wilhelm und die Kaiserin Auguste Viktoria sind, „W. T. B.“ zufolge, vorgestern nachmittag mit der Prinzessin Viktoria Luise nach herzliher Ver- abschiedung vom König und der Königin, die ihre hohen Gäste zum Bahnhof geleitet hatten, nah Port Victoria abge- fahren und haben von dort mit der Jacht „Hohenzollern“ gestern früh die Rückreise angetreten.

Frankreich.

Jn der vorgestrigen Sißung des Ministerrats verlas der Kriegsminister Berteaux eine Depesche des Generals Toutée über das Gefecht bei El Aluana vom 15. d. M., in der, „W. T. B.“ zufolge, mitgeteilt wird, daß die Verluste in diesem Gefecht größer gewesen seien als ursprünglich ge- meldet sei. Außer einem Hauptmann seien 27 Mann gefallen und ein Leutnant “und sechs Mann verwundet worden. '

Jn der gestern vormittag abgehaltenen Beratung haben die Minister keine Ernennung eines interimistishen Ministers des Innern ins Auge gefaßt, da der Unterstaatssekretär Constant die Fähigkeit besiße, die laufenden Geschäfte zu erledigen. Schwierigkeiten würden sich nur ergeben, wenn der Zustand Monis \ich verschlimmern sollte. Mit der vorläufigen Führung der Geschäfte des Kriegsministers wurde der Minister des Aeußern Cruppi betraut. Ausschlaggebend war hierfür die Nücksicht auf die marokkanischen Angelegenheiten. Da die Organisation der Hilfskolonne von Berteaux und Cruppi in gegenseitigem Einvernehmen vorbereitet worden war, waren der Präsident Fallières und die Minister der Ansicht, daß Cruppi dazu bestimmt wäre, die Verantwortung für die der Kolonne zu erteilenden Jnstruktionen zu übernehmen.

Der ehemalige L Albert Sarraut ist zum Generalgouverneur von Jndo-China ernannt worden.

Nußland.

Vorgestern vormittag fand vor dem Großen Palais in Zarskoje Ss\elo in Gegenwart des Kaisers und der Kaiserin, des Kronprinzen Wilhelm und der Kronprinzessin Cecilie eine Parade der Truppen der Garnison von Zarskoje Sselo und Pawlowsk und daran anschließend im Alexanderpalais ein Familienfrühstück statt. Abends reisten der Kronprinz und die Kronprinzessin, vom Kaiser, der Kaiserin und den Großfürstinnen Olga und Tatjana Nikolajewna zum Bahnhof geleitet, nah herzlicher Verabschiedung nah Kalisch ab, wo der Kronprinz die Parade über das 14. Kleinrussische Dragonerregiment, das seinen Namen trägt, abnehmen wird.

Zur Begrüßung des Kronprinzen und der Kronprinzessin, die gestern abend in Kalisch eintrafen, waren auf dem Bahnhof der Generalgouverneur von Warschau und der Gouverneur von Kalisch: erschienen. Das fkleinrussishe Dragonerregiment des Kronprinzen hatte die Ehrenwache gestellt, das ganze Negiment war neben dem Bahnhof aufgestellt. Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, spielte die Musik die deutsche National- hymne. Der Kronprinz begrüßte in russischer. Sprache die Mannschaften des Regiments, das im Parademarsh an ihm vorbeizog. Um 10 Uhr verließ der Zug den Bahnhof.

Jn der vorgestrigen Sißung der Reihsduma wurde über eine Vorlage beraten, durch die dem Ministerrat die Er- mächtigung gegeben werden“ soll, einzelnen Gesuchen um Erlaubnis zur Einfuhr von Gußeisen für die Bedürfnisse der metallurgishen Jndustrie zu einem ermäßigten Zoll- say bis zum 14. Juli 1912 Folge zu geben. Für die Vor- lage sprachen, „W. T. B.“ zufolge, der Handelsminister und einige Oktobristen, dagegen der Kadett Kuttler, der eine Formel beantragte, die die dringende Notwendigkeit betont, den Guß- eisenzoll von 45 auf 20 Kopeken für das Pud zu ermäßigen. Diese Formel“ wurde abgelehnt und die Vorlage als dringlich angenommen. Jn geheimer Sißung heendete die Duma die allgemeine Besprehung der Geseßvorlage über die Kredite zum Bau von vier Linienschiffen für die baltische Flotte.

s Die Kommission der Duma hat dem Plenum den Gesezeniwurf, betreffend die Ansiedlung von Nichtrussen im Südwestgebiet, unterbreitet. Jn dem Entwurf wird es, obiger Quelle zufolge, als notwendig bezeichnet, die Be- siedelung durch Nichtrussen zu verhindern. Ausgenommen sind Tschechen, Galizier und die eingeborene Bevölkerung Polens.

Jm Gegensaß zu der Regierungsvorlage verlangt der Entwurf ni

ifi die Zugehörigkeit r russischen Kirche und beschränkt auch ni

t das Erbrecht der bereits ansässigen Bevölkerung.

Spanien. Der Minister des Aeußern Garzia R gab vor- gestern auf eine Marokko betreffende Anfrage Sorianos in der Deputiertenkammer, „W. T. B.“ zufolge, nachstehende

Erklärung ab:

Alkafsar gehöre zur spanischen Einflußzone, da es nicht weit von Larrash liege, wo Spanien die Polizei auszuüben habe. Die spanischen Truppen würden dort einzuschreiten haben, wenn die Ruhe gestört werden sollte. Die von spanischen Truppen besezten Stellungen würden geräumt werden, sobald alle Bestimmungen des spanisch- marofkkani\ hen Vertrags vom 16. November 1910 erfüllt sein würden.

Türkei.

Die jungtürkishe Kammerpartei hat mit 83 gegen 94 Stimmen den besonders von den Dissidenten unterslüßten Antrag abgelehnt, die Parlamentssession über den 27. Mai hinaus zu verlängern, und den A ausgesprochen, daß das Parlament am 14. Oktober wieder zusammentrete.

Die aufständishen Malijsoren haben, „W. T. B.“ zufolge, Torghut Schefket Pascha mitgeteilt, daß sie zu Unterhandlungen bereit seien, falls Zoran die Bedingungen mildere, den Frauen und dem Eigentum Schuß zugestehe und von den angedrohten Verwüstungen Oa

Nach einer Meldung des „Wiener K. K. Telegr.- Korrespondenzbureaus“ ist in Monastir ein französischer Ingenieur von einem Albanesen, der angeblich auf einen türkischen Offizier zielte, versehentlih erschossen worden. Bei der Verfolgung des Albanesen wurden aus vielen Häusern Schüsse abgegeben. Jn Monastir herrscht große Aufregung.

Serbien. Jm Hinblick auf das Unglück auf dem Flugfelde Jssy-les- Moulineaux hat der König, wie „W. T. B.“ meldet, seine Reise nah Frankreich verschoben.

Schweden.

Die Verfassungskommission hat sih in ihrem vor- gestern erstatteten Bericht über die Frage, ob der frühere Marineminister Ehrensvaerd wegen Ueberschreitung des Marinebudgets um eine Million Kronen zur Verantwortung gezogen werden solle, laut Meldung des „W. T. B.“ entgegen dem Votum sieben liberaler Mitglieder dahin ausgesprochen, daß kein Grund zu einem solhen Schritt vorliege. Ss.

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g Wie die „Associated Preß“ meldet, haben dieAmerikanischen Negierungstruppen nach viertägigem Kampfe Cuautla ge- räumt und Manzanillo ohne Kampf übergeben. Eine vom „W. T. B.“ verbreitete Depesche aus Juarez meldet, daß Madero auf dem Schlachtfelde von dem Heere Abschied genommen und dabei erklärt habe, er gehe nah der Stadt Mexiko, um die Verwaltung zu modernisieren und ein neues Mexiko aufzubauen. Die aufrührerishen Mi xikaner im Norden zerstreuen sh, in Juarez bleiben fünfhundert zurü.

Asien.

Der Vertrag über die Anleihe für die Hukuang- bahn, die sich auf sechs Millionen Pfund Sterling beläuft, ist vorgestern unterzeichnet worden. Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, sieht die Anleihe eine fünfprozentige Ver- zinsung und Rückzahlung in vierzig Jahren, beginnend mit dem elften Jahr, vor. Die Garantie bilden die Einkünfte der Pro- vinzen Hupeh und Hunan. Der Vertrag enthält Bestimmungen über eine weitere Anleihe von vier Millionen Pfund Sterling unter denselben Garantien. Jnnerhalb dreier Jahre foll der Bau der Linien vollendet sein. Zur Ueberwahung der Aus- gaben wird die internationale Bankengruppe für die einzelnen Linien je einen Revisor ernennen.

Jnfolge der Anordnung, daß die Gouverneure von Kirin und Zizikar in Zukunft ihre Berichte nah Peking durch den Generalgouverneur einreichen sollen, haben beide Gouverneure ihren Abschied erbeten, der, „W. T. B.“ zu- folge, aber zunächst nicht erteilt ist.

Afrika.

Von der „Agence Havas“ verbreiteten Meldungen aus Alkassar vom 19. Mai zufolge ist die Kolonne Brulard mit dem Konsul Boisset an den Ufern des Sebu nahe der Ein- mündung des Uergha in Verbindung getreten. Das Gros der Kolonne lagerte bei Sidi Gueddar. Der Marsch wurde ohne Zwischenfall fortgeseßt. Mehrere Abteilungen von Scherarda und Beni Hassen, die vor Fes standen, sind auf die Nachricht von der Ankunft der Franzosen in ihre Heimat zurückgekehrt. Ein Angriff auf- Fes hat seit dem 11. Mai niht mehr statt- gefunden.

Unter den am 15: Mai in dem Kampf bei Aluana Gefallenen, die alle dem ersten Regiment der Fremden- legion angehören, befinden sich aht aus Deutschland stammende Soldaten, von denen zwei Elsaß - Lothringer sind. Von den Verwundeten stammen gleichfalls drei aus Deutschland.

Der Generalgouverneur in Ceuta hat einer Notabelnversammlung der umliegenden Duars, die er hatte einberufen lassen, „W. T. B.“ zufolge, erklärt, daß Spanien feine militärishen Operationen unternehmen, fich viel- mehr darauf beschränken werde, die Stellungen, die es kraft des mit dem Machsen unterzeichneten Vertrags inne habe, besetzt zu halten.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des Neichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.

Der Reichstag setzte in seiner heutigen (181.) Sißung, der der Staatssekretär des Jnnern Dr. Delbrück beiwohnte, die zweite Lesung des Entwurfs einer Reichsversicherungs- ordnung auf Grund der Berichte der XVI. Kommission mit dem sechsten Buch „Verfahren“, §8 1528—1754, fort. (Re- ferrent ist der Abg. Dr. Dröscher (d. kons.)

_Jn § 1546 wird bei der Feststellung der Leistungen der Gleis dec Bb vorgeschrieben, daß bei der Untersuchung des Unfalls der Verleßzte oder seine Hinterbliebenen erwachsene An- gehörige oder andere geeignete Personen, die das Verhandeln vor Behörden nicht geshäftsmäßig betreiben, als Beistand zu den Verhandlungen zuziehen.

; S h Abg. Bus old (Soz.) befürwortete die Streichung der

„die das Verhandeln vor Behörden nicht geschäftsmäßig felrestt j

Es sei doch gerade erwünscht, vielfach notwendig, daß bie fahrenen und routinierten Arbeitersekretäre diese Vertretung über n Vie und diesen Beistand leisten könnten. Auch der Staatssekretär felbst

habe noch vor kurzem die Tätigkeit dieser Arbeitersekretäre gerühm; |

Höchst wunderbar sei, deß auch das Zentrum, daß dech selbst in ss:

Reihen 5 Arbeitersekretäre zähle, diese Bert in die Wien hineingeschrieben habe. Einen Vorteil davon hätten nur die Beruf geno malen, aber niht die Verletten. de

Mugdan (forts{r. Volksp.): Gegen die Berufs. |

° T genossen|chaften läßt fi bei dieser Gelegenheit fein Vorwurf erhebe denn sie haben um die Beseitigung dieser Bestimmung petitionie Zweifellos wird das Verfahren nah dem neuen Geseg so komplhziet werden, daß sich die Beteiligten nur sehr {wer in dessen Vor schriften zurecht finden werden, und es wäre durchaus richtig, e die Arbeitersekretäre das Necht erhielten, das ihnen die Vorlag gewähren wollte. 0e

Der Antrag Albrecht auf Streichung der erwä Worte wurde abgelehnt. q hnen

Nach § 1547 sollen ‘auf Antrag der Versicherungsträgy oder des Berechtigten Sachverständige zugezogen werden; dj Kosten trägt der Antragsteller.

Abg. Brüh ne (Soz.): Diese Bestimmung ist sehr bedenklih u) für die Arbeiter durchaus {ädlich; die Arbeiter müssen dann auf Zuziehung von Sachverständigen verzihten. Wir beantragen sts „Antragsteller“ zu seßen „Versicherungsträger“".

Der Antrag wurde abgelehnt.

Jn 8 1555 (weitere Ermittlung) wurde auf Antry Dröscher eingefügt:

„um eidlihe Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständign

darf der Versicherungêträger nur ersuchen, wenn er die Vereidigung für notwendig hält, um eine wahre Aussage herbeizuführen". Hinter § 1556 wurde ebenfalls auf Antrag Dröschty folgender § 1556a eingefügt: Bei Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen ist diy Beteiligten Gelegenheit zur Teilnahme zu gewähren.

88 1565—1573 (Bescheid) wurden zusammen behandelt,

8 1569 bestimmt:

Die rechtzeitige Erhebung des Einspruchs begründet dg Necht auf persönlihes Gehör: des Berechtigten. Die für day Erlaß des Bescheides zuständige Stelle bestimmt, ob der V; rechtigte vor ihr oder vor dem Versicherung8amt vernommen werden foll. Für die Zuständigkeit des Versicherung8amts gelten die §8 1598 bis 1599a entsprehend. Solange der Berechtigte vor der zuständigen Stelle noch nicht vernommen ist, kann er jedoch ver: langen, daß er vor dem Versicherungsamt vernommen wird, in dessen Bezuk er zurzeit der Vernehmung wohnt oder beschäftigt ist. Wird ter Berechtigte vor dem Genossenschaftsorgan vernommen, fo werden ibn hare Auslagen und Et a U vergütet. Auf Beschwerde gegen die Kostenfestsezung entscheidet das Oberversicherung8amt endgültig, Der Stelle, die den Berechtigten vernehmen foll, sind die Ver- verhandlungen vorzulegen.

Aba. Schmidt-Berlin (Soz.) befürwortete den Antrag, deu ersten Satz hinzuzufügen: „vor dem Versicherungsamt“, Sah 2,4 und 5 zu s\treihen und den leßten Saß wie folgt zu fassen: „Dem Versicherungëamt sind die Vorverhandlungen vorzulegen“. E fei zu bedauern, daß das Verfahren in allen drei Versicherungk zweigen nicht einheitlich geregelt worden sei. Die getrennte Regelung set viel zu kompliziert, umständlich und für den Arbeiter zeitraubend. Der Redner schilderte eingehend die Verzögerungen, die durch den Vorbescheid und Endbeschetd der Berufsgenossenschaften und die Vorentscheidung und Entscheidung des Versicherungsamts herbeigeführt werden. Er möchte den Arbeiter sehen, der si in diesem Instanzenwust zurechtfinden könne. Die Berufsgenossenschaft babe vor dem Versiherungsamt fachverständige Vertreter, die ber letzten Arbeiter könnten nur ihre Angehörigen zuziehen. Dann ft es {on besser, daß beide, Berufsgenossenshaft und Arbeit, vor dem Versicherungsamt keine Vertreter hätten; dieser Antrag t aber in der Kommission abgelehnt worden. Es müsse verlangt werda, daß nah Abs{luß der Ermittlungen das Versicherungéamt 1 mündliher Verhandlung unter Hinzuziehung von je zwei Vertreter der Arbeitgeber und der Versicherten entscheide. Die legt? Instanz sei das Oberversiherungsamt. Dies ganze Verfahren werde fomplizierter und au fkostspieliger sein als das bisherige Ver- fahren, wo ein Rekurs an das Reichsversicherungsamt zulä!sig g? wesen. Diese ganze Einrichtung sei eine der unglücklichsten, die in das Versicherungswerk hineingekommen sei. Manche Sache würde jabre- lang laufen, ehe sie zum Abs{chluß komme. Wahrscheinlich wäre die! gesuchte Bestimmung die erste, die reformiert werden müßte, denn da? NBerfahren führe zu einer unnötigen Vershleppung. Leider seien die Beschlüsse erster Lesung viel zu wenig der öffentlichen Kritik über geben worden, sonst würde wohl ein \tärkerer Widerspruch dagegen erhoben worden sein.

(Schluß des Blattes.) Jn der heutigen (82.) Sißung des Hauses der Ad- geordneten, welcher der Minister für Handel und Gewer Sydow beiwohnte, wurde zunächst die Beratung des im Beritt über die 81. Sißung ausführlich mitgeteilten Antrages det Budgetkommission, betreffend die Lage der staatlicen Bergwerke (Beseitigung der Mängel in den Verhältnissen der Beamten und Arbeiter, Lohnpolitik, Preispolitik, Tarifpolitik, Beteiligung am Kohlensyndikat, übersichtliere Ausstellung des Etats, Feststellung des Anlagekapitals), fortgeseßt. Abg. Dr. Röcling (nl.): Der Rückgang der finanziellen E gebnisse der staatlihen Betriebe im Saarrevier ist unbestreitbar unt troy der Darstellung des Oberberghauptmanns in der Hauptsa# organisatorische Mängel zurüczuführen. Es ijt zwar ridtig, 2 durch das lothringishe Koblenrevier dem Saarbergbau eint Œ= Konkurrenz erwachsen ist- aber die Beratungen in der Komm! baben doch unbestreitbar eine Reihe Organisationsfebler aufgede: Der Oberberghaup!mann hat sich gegen eine Verminder8n8 ker Beamtenzobl gewandt. Er meinte, taß tur eine Vermindes 5 Zahl der Beamten die Berufsfreudigkeit verringert wi u gerade der Steiger dur die Möglichkeit, eine feste Beamten T eie erhalten, zu hervorragenden Leisiungen angespornt werde. D ft gewisse Beunruhigung und Besorgnis jeyt in der S por vertsdt, ist mir wohl bekannt. Die Unruhe ist aber dadu1® bts gerufen, daß die Beamten nicht wissen, woran sie sn? “die ist \{limmer, als ein soldes Inderluftshweben. Entscheidung" ‘bri notwendig sind, sollen kräftig und möglidst {nell dur r werden. Ob es notwendig sein wird, das PrivatdienstverbällrE Beamtenqualität gegenüber vorzuziehen, haben wir nit zu CUU uns tas is Sache der Regierung. Wir sind nicht dazu da, der Neg! ¡u sagen, was sie im einzelnen tun soll. Wir ha. en in ter Kommission damit begnügt, die Mängel Wt iremé Der Abg. Brust hat sich als Vertreter des 2 ochen. am Sonnabend geaen das Vertragsverhältnis autgePT v Demgegenüber muß ih aber darauf verweisen, do teltnis in Kommissien erklärt hat, daß mit dem Privatdienstver worden feiner westfälishen Heimat recht gute Erfahrungen ema! Fs seien. Weshalb hat ter Abg. Brust hier ande1s gefprohen sche fann mir nit ‘helfen, {ch fann das tur anf S uu Motive zurückführen. Wie die Entscheidung der N ta ltefuns aber auch fallen mag, nôtig ist es, taß sie schnell ihre G Seite. trifft, entweder nach der einen oder nach der anders gehabt, Ueber den Bergbau im Saarrevier habe ih früher eine Zon Lage in die mir beute als zu optimistisch ersheint; heute sche ih acerei in diesem Revier nicht als so günstig an. Statt der Gleichm

j (tifenbahnverkehrsordnung. ——

bnen follte man vielleicht einen Anreiz schaffen, durch den die Leistungen erhöht werden und die Arbeitsfreudigkeit den e wird. "Es ist nit richtig, wenn der fleißige ge tüchtige Arbeiter sehen muß, doß er nicht mehr verdient n ver ungeschicktere Arbeiter. Der Oberberghauptmann sagt, es dürfe ht ¿in Arbeiter {huldlos um seinen Lohn kommen, es ist aber ungbeuer schwierig, festzustellen, ob der Arbeiter \huldlos etwas von seinem Lohn ‘naebüßt hat. Was die Preispolitik und die Ausfuhrpolitik betrifft, eing hen meine Freunde dem Kohlensyndikat nicht mit dem Mißtrauen r enúbergestanden wie viele andere. Wir hoffen, daß die jeßige x igere eurteilung zu praktishen Nesultaten führen. werde. in @ohlenabsa is aud nah dem Auslande nötig, und man könnte ih diesen Absaß nicht erhalten ohne den Kohlenhandel. Wenn der latliche Bergbau nit rentabler gemacht wird, werden die Steuer- ahler keine Neigung haben, noch Geld in neue staatliche Anlagen zu stecken. Fn der Kommission haben sich alle Kreise eifrig bemüht, nit nur die Einnahmen des Staates zu erhöhen, fondern auch die Nerbältnisse der Beamten und Arbeiter zu verbessern. Aber eine dauernde Zufriedenheit der Beamten und Arbeiter ist nicht möglich ohne Verträglichkeit. Der Ministerpräsident hat auf dem Handelstag die Notwendigkeit des kaufmännischen Geistes aub für die Staats- hetriebe betont. Gerade in den Staatsbetrieben, die in Konkurrenz mit der Privatindustrie stehen, ist der kaufmännishe Geist notwendig. Die Staatébergverwaltung steht und fällt damit, ob sich der kauf- männishe Geist zu tatkräftigen Entschließungen aufrafft oder ob die alten, hergebradten Bahnen weiter befolgt werden.

Abg. Gyßlin ga (forts{hr. Volksp.): Der ausführliche schriftliche Keriht der Kommission kann leider den Eindruck der mündlichen Ver- handlungen nicht wiedergeben, zumal da manches als vertraulih be- handelt werden muß. Wir müssen aber den Kommissionsmitgliedern und zub den Herren der Induflrie, die mitgewirkt baben, für die umfang- rede Arbeit danken. Die Unterjuhung der Schuldfrage fönnte nur dieSanierungsaktion, die kräftig begonnen werden muß, beinträchtigen. (6 würe verfehlt, der Staatsregierung allein die Schuld an rungünstigen Verhältaissen des staatlihen Bergbaues zuzuschieben, das Parlament muß von si sagen: wenn auch nicht maxima ulpa, so doch mea culpa. Das Parlament hätte mindestens fiber von seinem Kontrollrecht besseren Gebrauch machen sollen. Die Uebersdüsse der \taatlihen Bergverwaltung finb allerdings seit 1890 bedeutend gesunken, aber wir müssen bei dem rechnungs- máß'gen Ueberschuß diejenigen Beträge berüdsichtigen, die für neue Anlagen, also für Vermögenszuwahs ausgegeben worden sind. Danach beträot der Nückgang seit 1890 pro Mann der Belegschaft uidt mebr 300%, wie es nah dem rechnungsmäßigen UÜeber- usse erscheint, sondern nur noch 46,63 9/0. Für das Saar- revier beträgt allerdings der Rückgang 100 °/0. Es gibt im staatlißben Bergbau aber auch günstigere Momente, z. B. bei den Bernsteinwerken in Ostpreußen, und die Regierung tut recht daran, daß sie ihr Interesse den Bernsteinwerken in Palmnicken zuwendet ; die Rente hat dort das Anlagekapital {Gon vollkommen wieder ein- gebracht. Ih bitte die Regierung, diesem Werke thr Interesse zu erhalten; denn das ist außerordentlich wichtig für Ostpreußen. Vir dürfen nicht zu {warz sehen, wir wollen die Schwarzseber ver- bannen, um dem Finanzminister niht die Grundlage für eine Er- höhung der Einkommensteuer zu bieten. Mit den Ergebnissen, die der Kommissiontberiht feststellt, kann ich mich nicht in allen Punkten einverstanden erklären. Die fozialen Lasten find beim Staate höher als bei der Privatindustrie, und es ist auch recht so; denn wir wollen do, daß die staatlichen Betriebe Musterbetriebe sind. J bitte die Regierung, auf diesem Wege nicht zurückzugehen, sondern vorwärts zu schreiten. Meine politischen Freunde unter- stüßen die Regierung auch darin, daß sie bei niedergehender Kon- junflur ihre Arbeiter nickt entläßt. Auh in der Höhe der hne müssen die Staatsbetriebde an ter Spiße marscieren. Daran darf nihts geändert werden. Die LWhne können selbst- verständlichß nur festgestellt werden im Hinblick auf die Löhne in der Privatindustrie. Würden die Löhne zu hoh bemessen, dann würde die Privatindustrie zu höberen Löhnen getrieben werden, die den Betrieb nicht mehr wirtschaftliß machen. Die Bergwerksverwaltung nuß ferner auf dem Gebiete der Sicherheitsmaßregeln bahnbrechend wrangehen. Das hat die Bergwerkéverwaltung bisher getan, und das auch weiter so bleiben. Alle diese einzelnen Faktoren zusammen- mommen geben eine erheblih höhere Belastung des Staatsbetriebs zmüber dem Privatbetrichb. Die Bergverwaltung wendet auch il Kosten für die Ausbildung der „Beamten auf, die nicht (lein dem Staatsbetrieb, sondern auch dem Prival!betrieb ¡imußze kommen. Diese Kosten müßten eigentli auf den Kultusetat ibernommen werden. Der Staat muß auch für die Grhaltung der Fohlenshätze sorgen; er darf keinen Raubbau treiben, wie es vielfach im Privatbetriebe geschieht.

(Schluß des Blattes.)

Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Geseßes, betreffend die Umlegung von Grundstücken in Cöln, nebst Begründung zugegangen. Nach dem Gesetzentwurf sollen das Geseß, betreffend die Umlegung von Grundstücken in Frank- furt a. M., vom 28. Juli 1902 und das Geseß wegen Ab- änderung des 8 13 des vorbenannten Geseßes vom 8. Juli 1907 in Cöln finngemäß Anwendung finden.

Ferner ist dem Herrenhause ein Staatsvertrag zwischen dem Königreih Preußen und dem HerzogtumSachsen- Meiningen zur Erweiterung und Abänderung des am 18. Juni 1868 unterzeichneten Vertrags wegen Ueber- tragung der Leitung der Grundstückszusammen- legungen und Hutablösungen auf die Königlich preußischen Auseinanderseßungsbehörden nebst einer Denkschrift unterbreitet worden.

Dem Hause der Abgeordneten is der Entwurf eines Bullenhaltungsgeseßes für die Rheinprovinz nebst Begründung vorgelegt worden.

Am

Nr. 18 des „Eisenbahnverordnungsblatts“, heraus- gegeben im Ministerium der öffentlidhen Arbeiten, vom 16. Mai hat

folgenden Inhalt: Bekanntmachung des Neichseisenbahnamts vom } 19. April 1911

fee

betr. Grgänzung und Aenderung der Anlage C zur Crlasse des Minijters der öffentlichen Hbeiten : vom 7. Mai 1911, betr. eisenbahnseitige Prüfung der Ent-

h virfe füc flaatlih zu unteistüßende Kleinbabnen; vom 9. Mai 1911, betr. Gemeinsawe Bestimmungen für die Arbeiter aller Dienstzweige;

dom 11. Mai 1911, betr. Einfuhr von Tieren für Zoologische Gärten wmd Tierparke. Nachrichten.

Mitra

Wohlfahrtspflege.

__ Das Problem der Arbeitslosigkleit und der Mittel zu Ter Bekämpfung steht heute im Vordergrunde des öffentlichen Znteresses der gesamten Kulturwelt. Die inverpolitische, wirtschaft- ie und folzialpo!itishe Bedeutung dieses Problems liegt klar zu Tage. So hat denn die im Herbst vorigen Jahres in Paris abgehaltene internationale Konferenz zur Bekämpfung der Arbe tslosigkeit die Be- allndung einer Internationalen Vereinigung beschlossen, deren Aufgabe es sein soll, unter Teilnahme sämtlicher Kulturstaaten alle dieses Problem betreffenden Fragen zu \tudieren und in Versammlungen l erörtern, alle darauf bezüglichen Materialien zu sammeln und fo e Wege zu ebnen, die zur Lösung des Problems führen können. 2ER Statut der Internationalen Verelnlgung sicht die Bildung %on nationalen Abteilungen vor, die zur Mitarbeit an dem internationalen Wake kcrusen sind, und es gilt nunmebr, die Be-

nang ter deutschen Abteilung durchzuführen. Die Herren dides, Oberbürgermeister von Frankfurt a. M., Beutler, Ge- heimer Rat, Oberbürgermeister von Dresden, Dr. van der Borght, Präsident des Kaiserlichen Statistishen Amts, Dominicus, Erster Bürgermeister von S@öneberg, Feitg, Regierungsrat im Kaiserlichen Statistischen Amt, Dr. Freund, Vorsißender der Landesversicherungs- anstalt Berlin, Vorsitzender des Verbandes deutscher Arbeitsnachweife und Vizopräsident der Internationalen Vereinigung zur Bekämpfung der Arbeitoelosigkeit, Freiherr von reyberg, Nechtsrat in München, Fuchs, Beigeordneter in Cöln a. Rh., Dr. Kaufmann, Präsident des Reichsversiherungsamts, Kirschner, Oberbürgermeister von Berlin, Dr. von chanz, Universitätsprofessor in Würzburg, Schustehrus, Oberbürgermeister von Charlottenburg, Silber- gleit, Professor, Direktor des Statistishen Amts der Stadt Berlin, und Dr. Zacher, Direktor im Kaiserlihen Statistishen Amt, laden daher zu einer Versammlung auf Sonnabend, den 27. Mai, Nachmittags 2 Uhr, im Sißungsfaale der Landesversiherungsanstalt, Berlin, Am Köllnischen Park 8, ein. In diefer Versammlung soll die Gründung der deutschen Abteilung unter Zugrundelegung des ge- druckt vorliegenden Saßungsentwurfs beschlossen und die Wahl der Mitglieder der Organe der Gesellschaft vorgenommen werden.

Kvonuft und Wiffenschaft.

A. F. TIn der ordentlihen Sißung der Berliner Gesell- \haft für Anthropologie am 20. Mai spra der Bankdirektor Otto Messing, der im verdienten Rufe eines genauen Kenners von Ostasien steht, über die „chinesische Staatsreligion und ihren Kultus". Der Redner erinnerte einleitend daran, daß die chinesishe Kultur älter als irgend eine andere, Aegypten und Babylon niÞt ausgenommen, und zuverlässiger festgestellt worden ist, daß dort auch die wichtigsten Einzelkulturerrungenshaften auf techntischem Gebiet in Tschung-Kwo, dem Land der Mitte, lange vor der Zeit im sichern Besiß der Tshung-Kwo-s{ön, der Chinesen, waren, che fie in Curopa, allerdings ganz urabhängig vom Osten, nahentdeckt und nacherfunden wurden. (Um 105 n Chr. wurde z. B. in China bereits Papier aus Baumrinde oder Lumpen gewonnen, und im 6. Jahrhundert dort die Buchdrukerkunst erfunden.) Es ist daher auch in hohem Grade wahr- \(einlih, daß auf tntellektuellem Gebiet die Bewohner des großen Landes früher als andere Völker zu bestimmten Vorstellungen über das Verhältnis des Menschen zur Natur gelangt sind und sich Gedanken gemaht haben über Entstehen und Vergehen und über den Ürgrund der Dinge und den Sinn des Lebens. In der Tat lehren uns ibre Sckchriften eine Schrift besaßen sie wahrschetnlich seit 2850, zuverlässig sett 2000 v. Chr. daß die Chinesen zu einer Zeit, die weit gegen die geshichtlich gesicherte, um 2200 mit der Hia-Dynastie und dem Herrscher Jao beginnende zurückliegt, nämlih unter dem sagenhaften Fu hi, der vielleiht um 4000 v. Chr. anzunehmen ist, bereits die Vorstellung von einem höchsten Wesen besaßen, von dem alle Dinge gemacht, dem Schang-ti, das ist oberster Herrscher, dessen Verehrung \sich mit der des Himmels vermishte. Die Kenntnis hiervon verdanken wir dem ältesten chinesisden Geschihtswerk, dem Schu-King, das ist „Leitfaden der Aufzeihnungen“, das von keinem Geringeren als Confucius im 6. Jahrhundert v. Chr. geschrieben, in wichtigen Abschnitten verloren gegangen, aber doch zu einem großen Teil gerettet und später pietätvoll gehütet worden und in zablreihen Abschnitten vorhanden ist. Es war ursprünglih in dünne Bambus- blätter eingerißt; diese „Rollen“ wurden nach der Erfindung des Papiers und der Anwendung des Pinsels im dritten Jahrhundert unserer Zeitrehnung in entsprehend veränderter äußerer Gestalt ver- vielfältigt. Wir entnehmen ihnen, daß jene monotheistische Vor- stellung etwa bis 1200 v. Chr. und während der mehr als sec{chshundert- jährigen Herrschaft der Dynastie Schang als Stkaatsreligion maßgebend blieb. Um 1200 und unter der nachfolgenden Dynastie Tschou, die 870 Jahre im Besiß der Herrschaft war, empfing diese Staatsreligion indessen eine Weiterbildung zum Dualiémus, in- dem außer. dem Himmel fortan auc die segenspendende Erde Ver- ehrung fand. Diese Fortbildung ist sehr verständlich bei der im wesent- lien fkontinentalen Seßhaftigkeit des der Schiffahrt zumeist ab- geneigten chinesischen Volks und bei der Nichtung, die es dur die Bodenverhältnisse, die natürlihe Fruchtbarkeit, die Güte und Gleihmäßigkeit des Klimas, die leichte Bewässerungsfähigkeit des Landes auf Acker- und Gartenbau, als hauptsächlichste Nahrungésquelle empfing. Doch auch diese weiterentwickelte Borstellungsweise erfuhr etwa um 600 eine wesentlihe Aenderung, also kurz vor der Zeit, in der die Zeitgenossen Confucius (chinesisch Kung-ße) und Läo-ye den Vorstellungen ihres Volkes in mandem Betracht abweibende Wege wiesen, die in der Folge zu dem moralphilosophishen System des Confucius einerseits und dem Taoismus andererseits führte, die als Neligion der niederen Volks- klassen noch heute mit der überkommenen Staatsreligion und dem Buddhismus wetteifert, welher leßtere im Jahre 61 n. Chr. unter der Negterung des Kaisers Ming-ti von Jndien her eingefüh1t worden ist. Jenc dritte und bisher leßte Aenderung der fomit als äußerst konservativ wirkenden chinesischen Staatsreligion um 600 v. Chr. war und blieb indessen zugleih grundlegend und richtung- gebend für die nachfolgenden Lehrgebäude von Kung - he und Wo-ßze, welhe deshalb nichts weniger als fkegyerish bei den Trägern der Staatsreligion galten, obgleich sie nur ein einziges Mal während ‘des Verlaufes der chinesishen Geschichte unter Kaiser Hwang-ti (221 v. Chr.) so aufgefaßt und ihre Träger mit Feuer und Schwert verfolgt worden sind. Verbindend zwischen den verschiedenen Richtungen, die in mehr als 2000 jähriger, seitdem vollzogener Ent wicklung vergleihéweise friedfertig nebeneinander bestehen, lst, daß fie alle mit dem Volksempfinden übereinstimmen, aus diesem hervor- gegangen sind, und daß die materialislisch-agnostishe Entwicklung, als welche diese dritte Entwicklung zu kennzeichnen ist, als die reife Frucht des Naturkultus zu betrachten is, der, wie gesagt, mit der Verehrung von Himmel und Erde einseßte und allmählich alle beil- oder verderbenspendenden Naturdinge und Naturkräfte in den Kreis der Anbetung zog. Der im wesentlichen auf das Praktische ge- rihtete Volkägeist der Chinesen war dem Gedanken an Unsterblichkeit und an ein Leben na dem Tode zwar von jeher abgewandt, aber mit der Ausdehnung des Kreises der verehrungswürdigen Gegenstände ergab es sih von selbst, daß man von ter Ve ehrung um das Gemein- wohl verdienter und deéhalb hohgeahteter Menschen nah dem Tode überging zur Verehrung und Anbetung ihrer irdischen Neste und ibres Andenkens. So entstand ein Ahnenkultus, wie er in dieser Ausdehnung und Inbrunst sih bei keinem andern Volke findet und wie er begreifliherweise von den Machthabern allezeit ge- begt und gefördert wurde als eine niht versagende Stütze ibrer

Herrschaft.

‘sind. Es

i wurden auch Ahnentafeln vorgewiesen: solhe von einfahster Gestalt, aus Holz, mit den eingezeicneten Namen der Ver- storbenen, wie sie in jeder chinesis{en Wohnung aufgestellt sind, bis zu der kostbaren Gestalt, in der z. B. ein Gouverneur dem Andenken seiner Vorfahren Verehrung widmet. Viele der Tempel sind zuglei Aufbewahrungsorte für kostbare bronzene Weih- und Opfergefäße von ästhetisch vollendeten Formen. Auch von solhen Gefäßen wurden einige Eremplare vorgezeigt neben anderem eigenartigen Tempelschmuck. Es is indessen an dieser Stelle niht möglich, auf die interessanten Einzelheiten des Tempeldienstes einzugehen, von denen der Vortragende berichtete und die er teilweise an ausge- bängten Bildern von Tempelinnern erläuterte. Sehr bemerkenswert ist nah dem Gehörten die große Duldsamkeit welche die verschiedenen Kulte si gegenseitig erweisen, und die Tatsache, daß außer dem oben angeführten einen Falle während einer mehrtausendjährigen Geschichte die Verschiedenheit der Bekenntnisse nicht zu Ünterbriickungsvers uben durch die Machthaber geführt hat. Aehnliche Duldfamkeit wird staatsseitig jeßt auch seit lange den zahlreichen Anhängern des Islam im Ginesischen Neiche sowte den Juden und den Christen erwiesen. Es ist aber bezügli der Christen keineswegs immer so gewesen, wenn auch in langen Perioden der Bergangenhel, unter der mongolishen Dynastie &Füan, wie unter der großen Ming-Dynastie und seitens des zweiten Herrschers aus dem Hause Tfsing, der den Christen große Förderung zuteil geworden ist. Den zweiten Vortrag des Abends hielt unter Begleitung zahlreicher LUchtbilder Geheimrat, Professor Dr. Virhow über die Weich- teile des Chinesinnenfußes. Etnleitend wies der Redner darauf hin, daß er zwar zum dritten Male über den gleihen Gegen- stand an dieser Stelle sprehe, daß ihm jedoch die thm zu Unter- fuhungen überlassenen, in Spiritus konservierten, charakteristishen Füße einer mit 63 Jahren gestorbenen Chinesin einige neue interessante Erfahrungen gebracht hätten. In den beiden früheren Fällen hake er Füße am lebenden Körper zu untersuchen Gelegenheit gehabt, sie mit NRoentgenstrahlen durhleuhtet und an den betreffenden Bildern, die nochmals vorgezeigt wurden, die eigenartige Verkrüpplung nahweisen können. Die neuen Präparate aber hätten erlaubt, Muskeln und Sehnen der Füße anatomisch zu untersuchen, und dabei hätte sich, wie auch in Lichtbildern dargestellt wurde, eine wunderbare Fähigkeit der Natur herausgestellt, die Formen der Muskeln unter Aus\{luß krankhafter Verkrümmung troß der so überaus ungünstigen Umstände zu erhalten. Uebrigens set fest- zustellen, daß die chinesischen Frauen, welche dieser Sitte huldigten, die E in \{nellem Abnehmen begriffen sei, es durch die Herstellung des Schuhwerkes fertig brächten, ihre Füße noh kleiner er- scheinen zu lassen, als fie in Wahrheit seien. Nur der vordere Teil des Fußes werde vom Schuh bedeckt, der bintere sei kunstvoll in die Bekleidung des Unterschenkels hineinbezogen. Professor von den Steinen fügte aus eigener Beobachtung in China hinzu, n es ihm s{lechterdings unmöglih gewesen fei, im Krankenhaus verkümmerte Frauenfüße zu unter}uchen, weil die Chinesinnen in diesem Punkte von einer durh nihts zu überwindenden Schamhaftigkeit seien. Der sie im Gehen stark hindernde verkümmerte Fuß sei übrigens nit die einzige Torheit, zu der eine unsinnige Mode die Chinesin zwinge oder verleite, eine andere ähnlihe Torheit sei die außerordentlihe Länge, zu der sie ihre Fingernägel wachsen lassen, die manchmal länger find als die Finger. Natürlich hemmt eine folche Länge der Nägel bei jeder Arbeit, jedem Handgriff; aber gerade darum gâlte die Mode als das unzweifelhafte Zeichen des Reichtums und der Vornehmheit, indem die glücklihe Besiyerin solcher Nägel dartue, daß sie fich in allen Stücken bedienen lassen könne.

gegenwärtigen Dynastie,

JOCrmronEe von Preuschen-Telmann eröffnet am 1. Juni in threm Landhause „Tempio Hermione“ eine Ausstellung von etwa 250 Gemälden aus Japan, China, Siam, Java, Sumatra uîro.

Theater und Musik.

Im Königlichen Opernhause wird morgen, Zauberflöte“ in der bekannten Besetzung der Haupt Im Königlihen Schauspielhause

14. Vorstellung im Lustspielzyklus Krampus“ von H. Bahr aufgeführt. Bollmer, die Generalin von Matt Frau Bugte. Hauptrollen sind die Damen Meyer, Refsel, L sowie die Herren Zeisler, Eggeling, Boettcer beschäftigt.

Mannigfaltiges. Berlin, 22. Mai 1911.

Ueber die Witterung in d April 1911 berichtet das Königlich zue Snstitut auf Grund der angestellten Beobachtungen vorangegangenen Monate vom Dezember vorige auch der April im größten Teile Norddeuts{lands einen Uebershuß an Wärme, der allerdings nur L hinausging, meist aber zwishen & und s{wrar? westlichen Deutschland sowie im Bereich der nordfriefck« es ctwas zu kalt. Im einzelnen machten sich jedoch während de s ungewöhnlihe Shwankungen im Temperaturverlauf bemertbar. NzÉte: in den ersten Tagen noch milde Witterung geherrickcht batte 5. April ein außerordentlicher Temperaturrückdgang ein, è gesprochenes Winterwetter herbeiführte. Speziell Tagetmittel vom 4. und 5. mebr als 2 ® unter de an diesen Tagen beobachteten. Allmäbli Gegensatz dazu“ die Temper Höhe, daß die Marxima n dessen betrug der U tiefsten im Monat Orten mehr als 30 wieder fkühbleres meist etwas zu klein, doc Werten Himmels einzelt ein zwar stellenweise : Von! §t orr .. ...+. y m p der Mitielwerte. Dee

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So entwidelte sih in weiterer Folge auh der Brau | wäh

der Opfer, Opfer nicht bloß der segenspendenden Sonne oder dim } lidere R Monde in den ihnen geweihten besonderen Tempeln dargebracht, nit | im G

bloß den hohen Bergen, unter denen man namentlich die 5 mit Tempeln gekrönten von 2400—3500 m hohen Gipfel

den Provinzen Schan-si und Ho- nan auszeibnet, nit

dem Donnergott und dem besonderen Stadtgott,

vor allem den A ; Scbang-ti der oberste, einst alleinige Gott, von dem die 4—6000 jährige Entwicklung ausging, ist dabei allmählich etwas zu kurz ge fommen. Es wird in den Gebeten der Priester weniger von ibm atf® von anderen Verehrungswürdigen gesprochen. Neuerdings erst wärd und zwar von den protestantisdcn Missionaren, scin Name öfters ge nannt, indem sie den chinesishen Christen „Gott“ mit „Schang-ti überseßzen. n de „Gott“ mit „Thbien-tre“, d. îi. Sohn des Himmels, was ©igen- tümlith ist, da Thienetre und Hrwoang-ti (erbabener Herrséher) and der Kaiser genannt wird. Der Redner ging nach diesen mit großem Interesse angebdrten Darlegungen zu der Schilderung der wichtiaiter der œinesis@en Staatèëreligion dienstbaren Tempel über, namentli solder in Peking, wo den Ahnen der HÖerrs@er, _

der gegenwärtigen Mands@(u - Dynastie aewcibte Tempel beträck(htlider Zadl und Auts{mücktaung wvordand

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