1911 / 126 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind vorgestern S. M.S. „Tiger“ von Schanghai und S. M. S. „Panther von Duala und gestern S. M. S. „Möwe“ von Cadiz ab- gegangen.

S. M. S. „Seeadler“ ist vorgestern in Dares\alam eingetroffen.

Großbritannien und Frland.

Das Oberhaus hat gestern in zweiter Lesung die Parlamentsbill einstimmig angenommen.

Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte der Krieg®minister Haldane im Laufe der Debatte, die Regierung handle im Geiste der Verfassung, wenn sie sih bemühe, sie in Einklang mit der modernen Zeit zu bringen. Lord Lansdowne unterzog das Gesetz einer scharfen Kritik und er- klärte, daß es den Lords weder bedeutsame noch überhaupt wirkliche Machtbefugnisse belasse. Er werde nicht gegen das Geseß stimmen. «Dbwohl wir zugeben“, fuhr Lord Lansdowne fort, „daß nah den beiden Wahlen die Regierung das Recht hat, diese Frage zu regeln, ist es doch wünschenswert, daß wir die Bestimmungen des Gesetzes im einzelnen erörtern und folhe Zusäße vorschlagen, die uns etwa notwendig erscheinen. Ich vertraue darauf, daß diese Anträge in der gewlssenhaftesten Weise von der N geprüft und erörtert werden. Wir werden darauf hinweisen, daß es, während wir eine Neuzusammenseßung des Oberhauses erwarten, notwendig ist, einige Sicherheitsmaßregeln ausfindig zu machen zum Schutze des Landes gegen gefährliche, unüberlegte Neuerungen und vor allem Sicherheitsmaßregeln, um unsere heiligsten Einrichtungen und die Grundlagen der Regierung des Vereinigten Königreis gegen unerseßlihen Schaden zu \{hüßen.“ Viscount Morley erklärte, die Regterung werde es nicht abweisen, über irgendwelhe Zusagßanträge, die niht dem Prinzip des Gesetzes widersprächen, zu beraten.

Das Unterhaus hat in der gestrigen Sißung in zweiter Lesung die nationale Versicherungsbill einstimmig angenommen. Die Regierung hofft, die Bill noch in dieser Session verabschieden zu können. Das Haus hat ferner die Bill angenommen, in der das Ueberfliegen gewisser Ge- biete mit Flugzeugen mit Strafe belegt wird.

Frankreich.

Die Deputiertenkammer hat in der gestrigen Sißung zunächst ein sechstes Budgetzwölftel bewilligt und sodann die Beratung der Wahlreformvorlage begonnen. Der Justiz- minister Antoine Perrier erklärte, er hoffe, der Minister- präsident Monis werde imstande sein, den Verhandlungen gegen Schluß der Generaldebatte wieder beizuwohnen.

Ftalien.

Jn der gestern veröffentlichten Enzyklika des Papstes wird nah Aufzählung der von der portugiesischen Regierung getroffenen antikirhlihen Maßnahmen, „W. T. B.“ zufolge, weiter ausgeführt: :

Gegenüber so vielen gehässigen Maßnahmen habe der Heilige Stuhl etne geduldige und langmütige Haltung bewahrt und ih jedes Schrittes enthalten, der als feindselig gegen die portu- gtesishe Regierung aufgefaßt werden könnte. Diese aber habe threm religionsfeindlißen Werke die Krone aufgeseßt durch den . Erlaß des Trennungsgeseßes. Der Papst könne nun nicht mehr

schweigen, da das Gese den Abfall des Staates von Gott ver- kunde und mit der katholischen Reltgion breche, zu der sich fast die Gesamtheit der Bürger bekenne. Das Gefeß sei niht etn Trennungs- geseß, sondern ein Raubgeseß gegen die katholishe Kirche, was die materiellen Güter angebe, und ein Geseß tyrannisher Unterdrückung auf geistlihem Gebiete. Das Gesetz raube der Kirche alle beweglichen und unbeweglihen Güter und mache es ihr U folhe in Zukunft zu erwerben, indem es den Willen der Erblasser durch ungerechte Bestimmungen über die frommen Legate breche. Noch verderbliher fei die Tyrannei, die das angebliche Trennungegeseß auf geistllhem Gebiete ausübe. Die kirch- liche Hterarchie sei vollständig ausgeschlossen von jedem Einfluß auf die Organisation des Kultus, mit der man Wohltätigkeitsvereine be- auftrage. Andererseits rufe das Gese Korruption des Klerus und Empörung gegen die rechtmäßigen Oberen hervor, indem es den Priestern, die von den kirchlichen Behörden suspendiert worden seten oder sich verhetratet hätten fowie ihren Witwen und Kindern Ver- günstigungen gewähre und die portugiesishe Kirhe von der Ver- bindung mit Rom zu lösen bestrebt sei.

Jnfolgedessen verurteilt der Papst das portugiesische Trennungsgeset, erklärt es für null und nichtig und ohne Gewicht gegenüber den unverleßlichen Rechten der Kirche, spendet sein wärmstes Lob dem portugiesishen Episkopat und Klerus, der dieses Gesetz verurteilt hat, und ermahnt ihn, die einträchtige Verbindung mit dem Heiligen Stuhl zu wahren.

Türkei.

In der gestrigen Sißung der Deputiertenkammer richtete der Abg. Dschenani an den Minister des Aeußern eine Anfrage wegen des diplomatischen Schrittes Rußlands.

Nah dem Bericht des „W. T. B.“ hob der Fragesteller Dschenani in der Debatte die ungebührlihe Form dieses Schrittes bervor und betonte, daß keine andere Macht gegenüber Montenegro konzilianter handeln könnte als die Türkei. Der Abg. Fbrahim (Albanese) hob die Anhänglichkeit der Albanesen an die Türkei hervor. Der Minister des Aeußern Rifaat Pascha verlas eine Er- klärung, in der betont wird, daß die von der öffentlihen Meinung an den Zwischenfall geknüpften Vermutungen einer Wiederkehr der bedauerliherweise in früheren Jahren vorgekommenen fremden Einmiscbungen in die inneren Angelegenheiten der Türkei grundlos seien. Der russishe Botschafter habe keine Note übergeben, sondern die Mitteilung sei eine mündlihe und keineswegs der am Tage vorher durch eine Telegraphenagentur in einer ungebräuchlihen und felt- famen Weise erfolgten Publikation ähnlich gewesen. Wie der Botschafter zum Schluß der Unterredung selbs gesagt habe, war seine Erklärung mit dem durch die Telegraphenagentur mit- geteilten Texte niht konform. Der Minister erwähnte den bekannten Appell Montenegros an die Großmächte und betonte, daß zu Besorg- nissen Montenegros kein Anlaß vorliege. Wenn Montenegro die Grenze gegen die Aufständischen gesperrt halte und den Malissoren die weitere Anteilnahme am Aufstande nicht gestatte, werde die Unter- drückung des Aufstandes in kurzer Zeit leicht erfolgen. Rußland habe aber geglaubt, daß der allgemeine Frieden gefährdet werden könnte, und daher den russishen Botschafter in Konstantinopel beauf- tragt, einige freundschafilihe Erklärungen abzugeben. Der Bot- schafter habe dem Minister fein Bedauern über die Mißdeutung der Mitteilung, die einen rein freundshaftlihen Charafter getragen habe, ausgedrückt. Was die Beshwerde Montenegros anlange, fo halte der Minister es für überflüssig, zu erklären, daß diese ebenso unlogisch als unangebracht sei. Die Türkei habe Truppen an die montenegrinishe Grenze gesandt, weil ein Aufstand dort aus- ebrohen sei. Es sei unverständlih, wie der Türkei ge- Petnié Ziele zugeschrieben werden fönnten. Ein Krieg mit Montenegro könne der Türkei weder materielle, noch moralische Vorteile bringen. Die ottomanishe Regierung habe keinen Angriffsgedanken gegen irgendwelhen Nachbar. Der Minister gab \chließlich der R erze Ausdruck, daß dte obigen Erklärungen fowie die in gleihem Sinne gehaltenen Lntworten der Großmächte genügen würden, um die Befürchtungen Montenegros zu beseitigen,

und spra die Hoffnung aus, daß Montenegro eine mit den nachbar- lichen Pflichten zu vereinbarende Politik befolgen werde.

Hierauf ergriff der Großwesir Hak ki Pasha das Wort und führte betreffs des S aus:

ie Regierung habe gewußt, daß im Frühjahr ein Aufstand aus- brechen sollte, und deshalb Truppensendungen vorbereitet, die aber infolge des Aufstandes im Jemen eine Verspätung erlitten hätten. Infolge des abenteuerlustigen Charakters der Montenegriner habe ein Armeekorps konzentriert werden müssen. Der Großwesir betonte \o- dann nochmals die friedlihsten Absichten der Türkei.

Hierauf wurden zwei Tagesordnungen eingebracht. Die erste verlangte dieUmwandlung der Anfrage in eine Jnterpellation, die zweite, die vom jungtürkishen Zentrum eingebraht wurde, bezeichnete die Aufklärungen als hinreichend und sprach der Re- gierung das fortgeseßte Vertrauen aus. Die Opposition wollte unter Lärm die Abstimmung verhindern, da die Verknüpfung der Anfrage mit dem Vertrauensvotum ein lächerlihes Spiel sei. Der Großwesir nahm die zweite Tagesordnung an. Unter dem Lärm der Opposition \prah die Kammer der Regierung mit 135 Stimmen das Vertrauen aus. 47 Abgeordnete enthielten sih der Abstimmung.

Wie „W. T. B.“ meldet, hat gestern auf Befehl Torgut Schefket Paschas der Vormarsch der Truppen von Tuzi, Kastrati und Gusinje gegen die montenegrinische Grenze begonnen, um diese abzusperren und den Malissoren die Gelegenheit zu nehmen, nah Montenegro zu entkommen. Torgut Schefket Pascha hofft, den Aufstand in kurzer Zeit ohne große Opfer zu ersticken.

Afrika.

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ aus Melilla ist gestern eine unter dem Befehl eines spanischen Oberstleutnants stehende Abteilung eingeborener Polizei von Riff- leuten angegriffen worden. Es kam zu einem lebhaften Feuergefeht, nah dem sich die NRiffleute zurückzogen. Auf

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spanischer Seite waren keine Verluste zu verzeichnen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sizungen des Rei chs- tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Der Reichstag seßte in seiner heutigen (187.) Sißzung, welcher der Staatssekretär des Jnnern Dr. Del brück beiwohnte, die dritte Beratung der Reichsversicherungsordnung mit der Spezialberatung des dritten Buchs: „Unfallversiche- VUNng Fol

Der erste Teil betrifft die Gewerbeunfallversicherung.

__ Jn § 560 find unter Nummer 10 als der Versicherungs-

pflicht unterworfen aufgeführt :

i Betriebe zur Beförderung von Personen oder Gütern oder zur Behandlung und Handhabung der Ware, wenn sie mit einem kauf- männischen Unternehmen verbunden sind, das über den Umfang des Kleinbetriebes hinausgeht, fowie unter der gleihen Vorausseßung Holzfällungsbetriebe. Das Reichsversicherungëamt bestimmt, welche kaufmännischen Unternehmen als Kleinbetriebe der Unfallversicherung nicht unterliegen.

Abg. Fin del (nl.) begründete einen Antrag der Nationalliberalen, die Ziffer 10 zu fassen, wie folgt: „Betriebe zur Beförderung von Personen oder Gütern und Holzfällungsbetriebe, wenn sie mit einem kaufmännischen Unternehmen verbunden sind, das über den Umfang des Kleinbetriebes hinausgeht" und als Ziffer 11 hinzuzufügen: , unter der gleihen Vorausseßung (Nr. 10) Betriebe zur Behandlung und Handhabung der Ware. Das Reichsversicherungsamt bestimmt“ usw. wie in den Beschlüssen zweiter Lesung.

Abg. Dr. Potthoff (forts{r. Volksp.): Jh verzichte bei der geschäftlihen Lage des Hauses und bei der Aussichtslosigkeit, weiter- gehende Anträge durchzubringen, darauf zu beantragen, eine Reihe weiterer Beiriebe unter diesen Geseßabschnitt zu stellen. Nur ein Gewerbe möchte ih hervorheben, das dringend der Aufnahme bedarf : das Gastwirtsgewerbe, das diesen Wunsch wiederholt betont hat.

Abg. M olkenbuhr (Soz.): Die Negierung wollte früher alle Gewerbebetriebe der Unfallversiherung unterwerfen. Dagegen \träubte sich aber die Großindustrie. Wir sind nah wie vor der Ansicht, daß die Unfallverfih-rung auf alle Gewerbebetriebe ausgedehnt werden sollte. Einen einzelnen Kleinbetrieb herauszuschälen, würde nur die Folge hâben, daß die Verwaltungskosten \sich erhöhen würden. Viel besser wäre es, die Kleinbetriebe in einer großen territorialen Be- rufsgenofsenschaft zusammenzufassen.

Der Antrag Findel wurde angenommen und mit diesem Zusaß § 560.

Nach § 612, der in zweiter Lesung unverändert nah der Vorlage angenommen worden ist, ist den Verwandten der auf- steigenden Linie, die der Verstorbene ganz oder überwiegend aus seinem Arbeitsverdienst unterhalten hat, für die Dauer der Bedürftigkeit eine Rente von zusammen 1/; des Jahresarbeits- verdienstes zu gewähren. :

Ein Kompromißantrag Schul will statt der Worte: „ganz oder überwiegend“ seßen: „wesentlih““.

Ein Antrag Albrecht bezweckt, hinter „unterhalten hat“ einzufügen: „oder später unterhalten müßte“.

Abg. H och (Soz.) begründete den leßten Antrag.

Direktor im Reichsamt des Innern Caspar bat, diesen Antrag abzulehnen. Es handle sih da um nah dem Unfall künftig neu ein- tretende Tatsachen, und damit würde die für die Unfallversicherung gebotene Grenze überschritten.

Der Antrag Albreht wurde abgelehnt, § 612 mit dem Kompromißantrag Schulß angenommen.

S 614 a bestimmt:

Die Hinterbliebenen eines Ausländers, die fich zur Zeit des Unfalles nicht gewöhnlih im Inland aufhielten, haben keinen An- spruch auf die Nente.

Aba, Stadthagen (Soz.) beanstandete die Ausdrucksweise dieses Beschlusses zweiter Lesung, gegen die der berühmte ,verrückt gewordene Grenzstein“ des § 919 des Bürgerlichen Geseßbuchs ein Waisenknabe sei. Auf dem Wege der Auslegung komme man dozu, daß nah diesem Wortlaute der Ausländer dreimal gestorben sein müße.

8 614a blieb unverändert.

S 640 bestellt das Reich oder den Bundesstaat zum Träger der Versicherung, wenn der Betrieb für seine Rechnung geht, bei den Baggerei-, Binnenschiffahrts-, Flößerei-, Prahm- und Fähr- betrieben, es sei denn, daß die Betriebe den für sie errichteten Genossenschaften angehören. Der nachträgliche Beitritt, Wieder- austritt oder Wiedereintritt „ist, wenn die Genossenschaft nicht zu- stimmt, nur mit Genehmigung des Bundesrats zulässig. ei Wiederaustritt hat das Reich oder der Bundesstaat von da an die Entschädigungsansprüche zu befriedigen, die gegen die Ge- nossenshaft aus Unfällen entstanden sind, wogegen ein ent- sprehender Teil der Rücklage und des anderen Vermögens der Genossenschaft dem Reich oder dem Bundesstaate zu über- weisen ist.

Abg. Bassermann (nl.) beantragte, den streichen, eventuell folgenden § 640 a einzufügen: as ju „Insoweit durch Geseß oder Vertrag .dem Reiche, einem Bundesstaate, öffentlichen Verbänden oder Körperschaften das alleinige Recht vorbehalten wird, auf einer Wasserstraße Binnen. schiffahrt oder einen Teil davon (Schleppschiffahrt und dergleichen) auszuüben, gehören diese Betriebe den für sie gebildeten Berufs. Ie A Reichsamt tes I N ireltor im Reichsamt des Innern Caspar: Der Antra übershäßt doch wohl die \chlechte Lage der leinen Schiffer. A sie sich in einer folchen befinden, kann ihnen cuf dem vorgeschlagenen Wege nicht geholfen werden. Zu einer Aenderung des Paragraphen liegt din EL N Nudd nav! E B j i g. LTrtmborn (Zentr.) erkannte die mißlihe Lage eines Tei der mittleren Schiffahrt an und fprah fd f dén Saa antrag aus. g l Molkenbuhr (Soz.) trat für die Anträge Basser- mann ein.

,_ Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück: Ich bitte Sie dringend, . den Prinzipalantrag abzulehnen. Die verbündeten Negierungen haben entschieden erklärt, daß sie den jeßt bestehenden Zustand aufrecht erhalten wollen. Aber au den Eventualantrag bitte ih Sie nit anzunehmen; denn er stellt eine Ausnahme von dem Wege dar, den der Reichstag bisher mit den verbündeten Regierungen gegangen fst.

_ Abg. Gothein (fortshr. Volkep.): Wir müssen do bestrebt sein die Schäden zu besei gen, die den Berufsgenossenschaftea dur die immer weitergehende Ausdehnung der Staatsbetriebe erwahsen, Ich bitte Sie, die Anträge Bassermann anzunehmen.

Der Prinzipalantrag Bassermann wurde mit {wacher Mehrheit abgelehnt, der Eventualantrag angenommen.

_S 747a, wonah der Bundesrat im Jahre 1918 dem Reichstag die geseßlihen Vorschriften über Rücklagen zur er- neuten Beschlußfassung vorzulegen hat, wurde auf Antrag Schultz hier gestrichen und soll später in das Einführungsgeseßz aufgenommen werden. :

__ Nach § 847 leßter Absaß sind, wenn in einem Betriebe Arbeiter beschäftigt sind, die des Deutschen niht mächtig sind, ihnen, falls 25 gemeinsam eine andere Muttersprache sprechen, die Unfallverhütungsvorschriften in dieser bekannt zu machen.

Der Abg. Albrecht (Soz.) u. Gen. wollen den Unfallver- hütungsvorschriften au „alle sonstigen zum Schuß von Leben und Gesundheit erlassenen Vorschriften der betreffenden Betriebe“ hinzufügen.

Ein Antrag der Polen will auch die die Unfallverhütungs- O ergänzenden bergpolizeilichen Vorschriften hier auf- nehmen. /

Abg. Sachs e (Soz.) befürwortete den Antrag Albreck(ht.

Direktor im Reichsamt des Innern Caspar sprah ih gegecn den Antrag Albreht aus.

Abg. Gothein (forts{chr. Volksp.): Die Polizei bat hinsichtlich der Unfallverhütungsvorschriften ihre volle Schuldigkeit getan, teil- weise noch darüber hinaus. Wenn wir die Verpflichtung für den Arbeitgeber vorschreiben, sämtlihe Unfallverhütungsvorschriften in der betreffenden Sprache mitzuteilen, so muß das selbstver- ständlih auch für die bergpolizeilißen Vorschriften“ gelten. Gerade in Bergwerken werden am meisten fremdsprachige Arbeiter beschäftigt. Der Antrag der Sozialdemokraten geht aber zu weit, in dem Üebermaß von Vorschriften würde fich weder ein Beamter, noch ein Arbeiter zurechtfinden können. Dagegen ist der Antrag Korfanty empfehlenswert.

Abg. Korfanty (Pole): Es wäre nicht konsequent, die ergän- zenden Polizeivorschriften auszunehmen. Die Vorschriften passen durhaus in das Gesetz binein. Wir bitten um Annabme unseres Antrages.

(Schluß des Blattes.)

Auf der Tagesordnung für die heutige (87.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach beiwohnte, standen zunächst Berichte der Budgetkommission über Petitionen.

Ueber Petitionen um Abtrennung der Hilfsgerichtsvollzieher von der Klasse der Gerichtsdiener, Einreihvyng in eine gehobene Unter beamtenstellung, Titeländerung und Bewilligung einer pensionsfähigen Aufwandentschädigung sowie um anderweite Festseßung des Besoldungé- dienstalters der Justizkanzleibeamten geht tas Haus nah dem Kommissionsantrag zur Tagesordnung über.

Eine Petition des Deutschen Kanzleibeamtenbundes in Berlin um Verbesserung der Anstellungsverhältnisse der Justizkanzleidiätare und -gehilfen wird der Regierung als Material überwiesen.

Bezüglich einer Petition des Zentralverbandes preußischer Justiz- fanzleigehilfen in Pankow um etatsmäßige Anstellung der nicht versorgungsberehtigten Justizkanzleigehilfen beantragt die Kommission Uebergang zur Tagesordnung.

Abg. Delius (fortshr. Volksp.) beantragt Ueberweisung an die Regierung als Material.

Das Haus beschließt nah dem Kommissionsantrage.

Eine Petition des Gertchtsdieners Nebder in Kiel um Errichtung bon gehobenen Stellen im FJustizunterbeamtendienst wird gleichfalls dur Uebergang zur Tagesordnung erledigt.

Eine große Reihe von Petiticnen wünscht die Erbauung neuer Bahnlinien, Aenderung von Linienführungen, Errichtung von Haltestellen, Bahnhofsumbauten, Einführung dcs Vorortverkebrs auf der Strecke Berlin—Werneuchen, Verstaatlihung der branden- burgishen Städtebahn, Verstaatlihung der Bahnstrecke Reinicken- dorf—Liebenwalde—Gr -Schönebeck. Die Petitionen werden na den Anträgen ter Budgetkommission der Regierung als Material überwiesen.

Eine Petition um Erbauung einer Abkürzungsstrecke von einer Station der Linie Königszelt (Kanth oder Ingramédorf) nah Striegau fowie um Erbauung einer Bahn Merzdorf—Landeshut und Schmiede berg—Krummhübel beantragt die Kommission gleichfalls der Regierung als Material zu überweisen. ;

Die Abgg. Wenke, Delius und Gantert (forts{chr. Volksp.) beantragen, die Petition der Negierung zur Erwägung zu über- weisen. Abg. Wenke (forts{r. Volksp.) begründet diesén Antrag. Es handle fih um eine Petition der Handelskammer in Breslau. Wern sich avch eine gewisse Opposition gegen das Projekt geltend gemacht habe, so möchte er, der Redner, doh den Minister bitten, auch wenn die Petition nur als Material überwiesen werden follte, sie wohl- wollend zu prüfen. |

Abg. Dr. Wagner - Breslau (freikons.) unterflüßt die vorlicgende Petition, wenn er auch einige Vorbehalte gegen die Forderung machen müsse. Er bittet, die Petition jedoch nur als Material zu über weilen. ; Minister der öffentlihen Arbeiten von Breitenbach bitte unter Hinweis auf seine Ausführungen in ter Kommissicn, es bet den! Kommi|sionsbeslusse zu belassen. n

Das Haus beschließt nah dem Kommissionsantrage.

Darauf folgt die zweite Beratung des Entwurfs eine? Eisenbahnanleihegeseßzes. d

Die Kommission beantragt die unveränderte Annahme der Vorlage. i R :

Berichterstatier Abg. Mac co referiert zunäckst über die Kow- mr issionsverhandlungen über den allgemeincn Teil der Vorlage, in E u. a. zur Beschaffung von Fahrzeugen für die neu zu bauen à Linien 8 185 000 4 und für die bestehenden Staatsbahnen 82 Miillionc Mark gefortert werden.

Die Forderungen werden ohne Debatte bewilligl- : (Schluß des Blattes.) i

tellte die Ordnung wieder her.

78 Klempner,

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

In ter Dampfmühle desGroßbäckereibesißers E. Gold- ader in Berlin (Brunnenstraße) sind sämtlihe Mühlenarbeiter in den Ausstand getreten, weil thre eingereihten Forderungen nicht bewilligt wurden. Eine allgemeine Versammlung der Mühlenarbeiter Groß-Berlins, die vorgestern im Gewerkschaftshause tagte, beschloß, in diesem Jahre us für alle übrigen Betriebe eine Lohnbewegung ein- zuleiten. Cine Lohnkommission wurde mit der Aufstellung eines Tarif- vertrages beauftragt.

Aus Anlaß eines Ausstands in- der Norddeutschen Cellu- losefabrik in Königsberg i. Pr. ist es vorgestern, wie ,W. T. B.“ meldet, zwishen Streikposten und Arbeitswilligen zu einer großen Schlägerei gekomwen. Mehrere hundert Mann bewarfen sich

gegenseitig mit Steinen, wobei mehrere Arbeiter verleßt

4vurden. Ein starkes Aufgebot von Polizei und Gendarmerie

Wegen Lohnstreitigkeiten find, der „Köln. Ztg.“ zufolge, Verzinner und andere Arbeiter der Maschinen - Fabrik Eduard Ahlborn in Hildesheim in den Ausstand ge- treten.

Der Sekretär des Verbandes der Seeleute und Heizer in Liverpool erklärt, der Seemannsstreik werde wahrscheinlich am 1. Juni beginnen. (Vgl. Nr. 125 d. Bl.) i

In Tarrasa (Prov. Barcelona) sind, wie ,W. T. B.“ erfährt, alle Webereien bis auf drei ge\chlossen worden. Fast 6000 Ar- Heiter feiern.

(Weitere „Statistisle Nachrichten" \. i. d. Zweiten Beilage.)

Kunst und Wissenschaft. Große Berliner Kunstausstellung. *)

El

Neben den jüngst besprohenen Werken Berliner Künstler inter- essieren auf der Großen Berliner Kunstausstellung vornehmlich einige Malergruppen anderer deutscher Kunststätten. Recht ansehnlich find die Leistungen der Düsseldorfer. Friß von Wille zeigt eine fehr silimmungsbvolle niederrheinishe Landschaft, Otto Ackermann einen breitflähig hingestridenen „Sonnigen Tag in der Mark“, Ervin Günter einen prächtigen Blik auf die mächtig wogenden Wassermassen der Scheldemündung, Heinrich Hermanns eine sehr reizvolle, ganz in goldigen Tönen gehaltene Ansicht von Leer, Arthur Wansleben zwei sehr fein auf Nötlih-Braun und Grau gestimmte Frühlingélandshaften. Zu rühmen ist ferner Max Sterns sehr fris gesehene und gemalte Szene in einem Gartenrestaurant, während Sterns andere, von spielenden Kindern belebte Gartenansicht threm Namen „Die Sonne feine. rew Ehre malt, denn das Bild ist gerade in der Lichtgebung etwas flau. Von Düsseldorfer Porträtisten find hervorzuheben Walter Petersen, der ein in fköstlih zart behandeltem Pastell gemaltes Bildnis seiner kleinen Tochter eingesandt hat, Edmund Schwarzer, der ein anziehendes Bildnis einer Mutter mit Kind, ebenfalls in Pastell, zeigt, und Friß Nensing, der mit einem trefflihen Künstlerporträt (der Dargestellte is der Architekt Wilhelm Kreis) und einem fein carafterifierenden Bildnis eines jungen Herrn vertreten ist. Die Münchener Künstlergenossenschaft tritt diesmal niht ganz fo vorteilkaft wie in früheren Jahren auf. Doch gibt es auch in den beiden Münchener Sälen manches aufmerksamer Be- achtung Wertes. Genannt seien das ansprehende Bildnis Wil- helm Rabes von Wilhelm Immenkamp, das Damenbildnis von Leonhard Blum, Hermann Kochs {hon von der großen Münchener Ausstellung von 1905 her rühmlih bekanntes „Nonnen von Frauenwörth“ und die humorvolle Studenten- szene von Hans Gabriel Jenyscch. Unter den Landschaftern fällt besonders Karl Hartmann mit seinem „Obstgarten“, Hans von Petersen mit einer „Brandung“ und Alfred Bachmann auf, der mit seinem „Wattenmeer“ durch Betonung weniger großer Linien und Beschränkung auf wenige, ernste Farbentöne einen heroischen Landschafts\}til anstrebt. Zu nennen sind ferner einige Still- seben, wie August Hermanns beinahe altmeisterlihe „Zwiebeln auf Zinnschüfssel“, die farbig ungemein zarten „Blumen aus Porzellan“ von Marie Weger und das prächtige „Atelierstilleben“ von Paul Ehrhardt, in dem höchst diskret Weißgrau mit dunklem und hellerem Not kontrastiert. Gndlih mag noch auf das grazióse JÎn- terieur „Am Sofa“ von Viktor Schramm und auf das auch tednisch recht interessante große Aquarell „Mein Hausgenosse“, ein Hund auf cinem mit türkishem Teppih belegten Divan auf- merfsam gemaht werden. Schramm hat es verstanden, aus den Wasserfarben Wirkungen herauszuholen, die im allgemeinen nur mit Oelfarben erreicht werden, und dabei hat sein Aquarell doch jenen stumpfen Reiz der Dberfläche, der Wasserfarben eigentümlich ist. Neue und willkommene Gäste in Moabit sind einige Künstler Elsaß-Lothringens. Heinrih Beecke zeigt neben anderen gehaltvollen Bildnissen eine brillant gemalte Ballerina vor dunklem Grunde, der die lihten Fleishtöne und das Rosa und Hellviolett des Kostüms zu glänzender Wirkung bringt. Von hoher farbiger Feinheit sind Emil Schneiders Bildnisse. Das Selbsiporirät des Künstlers und die tonig in Gelb und Rotbraun gehaltene „Kleine Lady" sind besonders gelungene Arbeiten. Eigenartig in der Auffassung und von großer Frishe des Vortrags ist E. Hirt hs Herrenporträt, von dem weiter ein prächtiges Bildnis zweier Knaben zu nennen ist. Als recht gute Leistungen stellen sih ferner die Bildnisse von Alexandre Urbein, Hans Mathis und Lothar von Seebach dar, der fest und gut zeihnet und viel Charakter in die Kontur seiner sich von hellem Grunde präzis abhebenden Figuren legt. Unter den Landschaftern dieses Kreises zeihnen \sich besonders Jules-Raymond König mit zwei köstlihen, sonnigen Küsten- bildern, Lucien Blumer mit einer Ansiht von Alt-Straßburg im Winter, einem Weiler in Abendbeleuchtung und einem Elsässer Dorf im Vorfrühling aus, sowie Otto Leibes mit einer „Schnee- [chmelze“ von breitflähig, dekorativer Wirkung und einer wundervollen „Italienishen Frühlingelandschaft“. Von plastischen Arbeiten seien der Iagdfalke und der Stier von Hans G|ell, die eigenartig s{chöne Porträtbüste einer Dame von Charles Jaeccktle und der „Sißende Knabe“ von Albert C omes genannt. Dv, D D:

A. F. Auf Grund seines in der lezten Fachsizung der Gesell - \chaft für Erdkunde gegebenen Verspredbens stellte sich am Sonn- lagmorgen Geheimrat, Professor Dr. Penck an die Spiye elner Be- lehrung suchenden Gesellshaft von etwa 40 Herren und einer Dame, um fie auf einer Wanderung durch den Grunewald zu geleiten und dabet seine Methode zur Anschauung zu bringen, wie man lehrt, mit offenem Auge zu sehen, und unterhaltend unterrichtet, ohne dem Ernst der verfolgten Absicht Eintrag zu tun. Der Ausgangs- punkt der Wanderung war der nördliche Zugang zum Grunewald- babnhof. Vor Aufbruch erklärte Geheimrat Penk an einer Karte des zu besuchenden Abschnittes die Gründe, aus denen der Grunewald dem Geologen und dem Topographen so besonders interessant ist, nämlich als Schauplaß und me1kwürdiges Erzeugnis einer Erdbewegung in der Diluvialzeit, die wir einstweilen noch weit entfernt sind, in Vern leßten ÜtsaWen und den dabei tätig gewesenen Kräften ganz zu ver- ste en. Es ist z. B. höchst fraglih, wenn das Tal der Spree dem Lauf eines großen Stromes der Diluvta!zeit entspricht, in welchem Verhältnis zu diesem Stromtal die dasselbe fast in rechtem Winkel kreuzende Havel und dite ihr annähernd parallelen beiden Grunewaldrinnen tehen bezw. in der Vergangenheit standen, von denen die östliche den Ließensee, den Halensee, den Hundekehlensce, den Grunewaldsee, die Krumme Lanke und den Schlachtensee enthält, die der Havel nähere aber den Teufelésee und den Pechsee. Man spricht von einer Seenkette; aber dieser Ausdruck ist irreführend, weil keinerlei Verbindung der einzelnen

*) Vergl. Nr. 114 d. Bl.

Seen untereinander bestebt. Welches ist nun das Geheimnis dieser sowohl Zufluß als Abfluß entbehrenden Seen, welche gleihwohl und so stark fie immer, wie der Teufelssee z. B., durh den Wasserbedarf von Charlottenburg, beanspruht werden, stets gleichhleibenden Wasserstand zeigen. Das Wunderbarste des Abschnittes aber ist die Geländegestaltung um die Zwischenrinne berum, die ten Teufels- und den Pechsee enthält und die jeder Regel zu \potten scheint. Nach dieser aufmerksam angehörten Einleitung wanderte die Gesell- schaft in mehrstündigem Marsch quer durch den nah dem voran- gehenden Nachtregen kräftigen Harz- und Grasgeruch hauhenden Wald zum Teufelssee, von hier, ihn auf seiner Nordseite umgehend, zum Welte, dann weiter zur Saubucht und zu den auf dem Wege zum arlsberg gelegenen Sandgruben. Der Kaiser Wilhelm-Turm wurde bestiegen und oben lange verweilt. Dann ging es zum Havelberg, der mit 96,6 m Meereshöhe die höchste Stelle des Grunewaldes be- deutet und ein trigonometrishes Signal trägt. Hierauf wurde die die Moränenlandschaft im Süden begleitende Rinne bis zur leßten Ausmündung als Hängetal b m über dem .Wasser- spiegel nah der Havel zu durchwandert. Das Hängetal hängt mit einem Steilkliff von etwa 40 Grad Böschungsakt gegen das östliche Havelufer zusammen, ein Punkt von richtigem, überrashendem Ge- birgêcharakter. Die weitere Wanderung bewegte sich nah dem be- kannten, ob seiner Schönheit aber lange nicht nah Gebühr anerkannten «großen Fenster“ auf der Höhe östlich vom Schwanenwerder mit um- fassendem Blick. Von da ging es südwärts durch den Grunewald nach der Station Nikolassee, wo die Heimfahrt angetreten wurde. Nücksichtlih ihres einleitend dargelegten Sonderzwecks gestaltete sich die bei herrlihstem Wetter ausgeführte Wanderung nun so, daß Geheimrat Penck, wo immer sich ihm erwünschte Gelegenheit und ein passender Nuhepunkt bot, die Teilnehmer seiner Begleitung um sih sammelte, um ebenso häufig in belehrendem Vortrag, als durch Entfesselung lebhafter Aussprache die verschiedensten ih darbietenden Gegenstände zu behandeln. An der ersten alten Eiche, deren es zwischen Kiefern eingestreut ja noch mande im Grunewald gibt, wurde die Frage angeregt, wober der Name „Grune- wald“ rühre, den der Wald anscheinend so wenig verdiene, weil er zumeist aus Kiefern besteht. Der Fragesteller beantwortete selbst die Frage dahin, daß der Wald früher ein Eihwald gewesen sei und daber den ihm auch später verbliebenen Namen wohl verdient habe. Die Beseitigung der Eichen und die Anpflanzung der s{neller wachsenden Kiefer statt ihrer fei ein Akt landesväterliher Fürsorge der Kurfürsten etwa im 16. oder Anfang des 17. Jahrhunderts ge- wesen, um die Befriedigung des Brennholzbedarfs von Berlin sicher- zustellen. Der Entschluß möge den Landesherren mit Nücksicht auf die darunter leidende Jagd {wer geworden sein. Um die gleiche Zeit habe man auch bei Wien die Eiche vom Wiener Walde entfernt, aber hier zu gunsten der Buche. Professor Lampe machte zu diesem Gegenstande darauf aufmerksam, daß die Einsicht der Dominialakten wahrscheinli inter- essante Aufschlüsse geben werde über die wenig bekannte Tatsache der allgemeinen Anpflanzung von Kiefern in den kurfürstlihen Forsten. Noch wurde an diesem Haltepunkt die Frage erörtert, warum die Vegetation unter den Eichen soviel üppiger sei als unter gleih großen Kiefern. Der vermehrte Schatten könne es nit sein, weil die be- treffenden Pflanzen den Schatten nicht brauchen. Die Ursache bilden die Vögel, welche die Eiche lieber zum Aufenthalt wählen als die Kiefer. Uebrigens werden im Grunewald Anstalten getroffen, der Cihe wieder vermehrte Wohnungsrehte einzuräumen. Eine an einer Lchtung gelegene Baumschule junger Eichen gab den Anlaß, diesen Gegenstand zu besprehen. Sie is durch einen hohen Zaun gesichert, der unten zum Schuß gegen das Wild ordnungs- gemäß mit ODrahtnet bekleidet, darüber aber durch drei Drahtlinien, eine glatte und zwei Stacheldrahtlinien, wie es {eint allzu ängstlich agegen die Jugend von Berlin und Charlottenburg, ges{chüßt ist. Freilih, wer die reihlich im Walde verteilten großen Papierkörbe feht, die ein Restaurateur Adolf Schröder-Schildhorn aus eigenen Mitteln zur Benußung einladend angebraht hat und troßdem den Waldboden mit Stullenpapier bedeckt findet, wird dem sozialen Empfinden Groß-Berlins nicht allzuviel zutrauen. Am Teufels\see angelangt, wurde die Frage der zu- und abflußfreien und doch immer gefüllten Grunewald-Seen besprohen. Die Er- klärung ist, daß die Einbuchtungen des Geländes, in denen sie liegen, tief genug find, um den Grundwasserstrom zu erreichen. Dieser in der Tiefe über undur{lässigem Boden in der Nichtung nach der Havel unterirdis{ch fließende Strom liegt am Teufels\see 32,6 m über Meeres- spiegel. Da Bahnhof Grunewald 47 m und das hohe Ufer um den See herum 40,8 m hoch liegt, erklärt es si, daß eine zweite tiefe Ein- buhtung ganz in der Nähe, deren Grund aber erheblichß höher als 32,6 m ist, ebenso stets wasserleer, wie der Teufels\ee stets wassergefüllt ist. Sein Wasser muß für den Trinkgebrauch enteisent werden, was in einer entsprehenden Anlage am Seeufer selbst erfolgt. Geheimrat Penck besprach bei dieser Gelegenheit den in der Wasserversorgung Groß- Berlins getanen Fortschritt vom Brunnenwasser zum Seewasser und dann zum Grundwasser, das uns ein einwandfreies Wasser liefert. Zum Nord- ufer des Teufelsfees weitergehend, wurden die hier passierten Hügel auf ihre Höhe mit 20 bis 40 m, auf ihren Böshungswinkel auf 15 bis 20 Grad geshäßt. Das Nordufer bildet, unterbrohen durch einige \{hmale Landzungen, ein ausgedehntes Moor mit bezeihnender Moor- flora, Baumwollaras, Drosera, Sphagnum. Setn Vorkommen beweist, daß es einst, von Wasser bedeckt, eine weni tiefe Stelle des Sees war; doch ist mit Sicherheit fesbzustellen, daß die Berlandung nicht die Folge eines ntedriger gewordenen Grundwasserstandes, sondern einer Erhöhung des Seebodens ist, bewirkt durch den Faulshlamm, der sich auf jedem Sceeboden abseßt als das Produkt zahlloser, vershiedenartiger Tier- geshlechter, die in langen Zeiträumen den See bewohnt haben. Es wird ein natürliher Verlauf das Schicksal aller Grune valdseen fein, in dieser Art zu verlanden; aber es können Aeonen darüber vergehen ! Am Pechsee, der in südwestliher Nichtung etroa 3 km entfernt liegt, wurde festgestellt, daß der Spiegel des Grundwasserstromes hier nur noch 31,6 m hoh liegt. Da das Grundwasser offenbar der Havel unterirdisch zustrômt, deren Spiegel hier 29 m über dem Meeres!piegel liegt, so folgt hieraus ein Gefälle des Grundwassers von 1 pro PViille. Auch der Pechsee zeigt eine Um- gebung von Moorboden. Auf dem weitern Wege wurden an einer Stelle, wo bei Anlage eines Weges ein tiefer Einschnitt gemacht worden ist, die Schichtungen der verschiedenen Sande besprochen, ganz steinfreier und mit Steinen untermengter. Diese Erörterung fortzuseßen gab weiterhin die jenseits der tiefen, aber das Grundwasser nicht erreihenden Saubucht aelegene Sandgrube willkommenen Anlaß. Sandgruben und Haufen von Findlingen, diese von dem Laien so mißachteten Dinge, gehören für den Geologen mit Recht zu dem Interessantesten, was ihm vorkommt, und vermêgen ihn f\tundenlang zu fesseln. Auch Geheimrat Penck wußte an dieser Stelle das Interesse seinèr Hörer zu entfachen, indem er die Schichtungen erläuterte, auf die charakteristishen Unterschiede der nördlihen und nordishen Geschiede aufmerksam machte, auf mehreren Cxemplaren der leßteren Gletscherschliffe nahwies und zeigte, wie Dreikanter nur an der oberflächlihsten Schicht vorkommen, welche auf die unmittelbar nah der Vereisung folgende vegetationélose Periode zurückzuführen ist. Ganz anders wteder wie dies Bild mutete der gleih darauf folgende Ueberblick über den Grunewald von der Höbe des Aussichtsturms an. Ueber den wunderbar und regellos couplterten westlihen Teil nah der Havel hin sah man auf den mebr ebenen östlichen und darüber hinaus auf das bebaute Groß-Berlin, während nah Norden und Westen die Ninne der Havelseen von Potsdam kis Spandau cin besonders reizvolles Bild bot. Lebrreihe Erklärungen besonderer Art gab Geheimrat Penck dann noch neben dem trigono- metrischen Signal auf dem Havelberg über die Art und Weise der trigonometrish-topographischen Landesaufnahme. Noch einmal, ebe sh die Gefellshaft zur Heimwärtäwanderung anschickte, genoß sie dann vom „großen Fenster“ einen Blick nordwärts auf die Havelseerinne.

Ausftellungsnachrichten.

Die Internationale Hygieneausstellung in Dresden wurde am Sonntag voa einer Anzabl von Mitgliedern des Reichstags und von Vertretern der Berliner Presse besuit, die auf Einladung

des Rats der Stadt Dresden dort am Vormittag mit einem Sonterzug angelangt waren. Nach einer Begrüßung dur den Oberbürgermeilter, Geheimen Rat Dr. Beuïler und den Präsidenten der Ausstellung, Professor Nenk wurden die volkétümlihe und die geshichtlihe Abteilung der Ausstellung unter Führung von Sachverständigen besichtigt. An den Besuch der Ausstellung {loß si eine Dampferfahrt nach Pillnitz und ein Festessen im neuen Rathause an, dem auch die Minister und die Spißen der städtishen Behörden beiwohnten. Abends kehrten die Gâste mittels Sonderzuges nach Berlin zurück.

Land- und Forftwirtschaft.

Zur Hebung der Landeskultur sind im Rechnungsjahre 1910 an Gemeinden, öffentliche Anstalten, Privatgrundbesiter und Wegebau- verwaltungen aus den Staatsforsten an Holzpflanzen zum Selbstkostenpreise abgegeben worden:

Laubholz Nadelholz zusammen

in der Provinz QOUM der fe

dee.

Ostpreußen 2072| 08.) 26436 | 15 28 508 Westpreußen . 504 | 23 ( Ie ITANDenNDuta s 919 | 86 8! 46 050 Pommern 417 «19 B 96 17 948 Posen 300 | 43 6 265 | 26 6 565 Schlesien 150 | 93 P 5 7372 Sachsen 9(9-/|: 8D C ao 15 498 Schleswig-Holstein . S 10 Í 20 408 Hannover 968 | 47 D8 L 59 455 Westfalen 40 O7 939 | 8 1418 Hessen-Nassau 742 | 65 7 7 20 818 Rheinprovinz . . 140 | 62 3 6 5d 8 721 13 | 216 780 224 482

zusammen O

Saatenstand in Ungarn.

Nach dem Saatenstandsbericht des ungarishen Ackerbauministeriums vom 24. d. M. brachte der Beginn des Monats Mat ergiebige Negenfälle sowie warmes und trockenes Wetter. was auf die Ent- wicklung der Saaten einen au8gezeihneten Einfluß avsübte. Die durch das s{lechte Wetter im April zurückgebliebenen Pflanzen haben sich zusehends gebessert und entwickelten sh derart, wie man es vor eintgen Wochen kaum für möglich gehalten hätte. Zwischen dem 16. und dem 18. Mai machte sich eine Temperaturabnahme geltend, worauf wieder Landregen eintrat. Dies hatte zur Folge, daß sih zwischen dem 20. und 22. Mai in vielen Teilen des Landes, besonders aber in den nördlihen und nordöstlihen Gebirg8gegenden sowie im kleinen Alföld, Nachtfrost, beziehungsweise in den Morgen- stunden Reif einftellte. Als Folge hiervon zeigten ih insbesondere an den s{chwächeren Hakfrüchten, dann an den Gartengewächsen, am Weinstock und an den in der Blüte befindlihen Roggensaaten bedeu- tende Schäden. Obwohl man sih von der eigentlihen Größe des Schadens jeßt noch kein klares Bild machen kann, ist doch aus den bisher eingelaufenen Berichten die beruhigende Wahrnehmung gemacht worden, daß der Schaden bedeutend geringer ist als man zunächst befürhtete. Dies ist dem Umstande zu verdanken, daß die Saaten infolge der vorangegangenen günstigen Witterung genügend Widerstandsfähigkeit entfalten konnten. Andererseits war die Temve raturabnahme auch von Wind begleitet, sodaß Frost und Neif an Intensität verloren. An den Halmfrüchten ist mit Ausnahme des bereits erwähnten Noggens fast gar kein Schaden angerichtet wordea. In einigen Gegenden hat auch Hagel stellenweise Schaden anze- richtet. Seit drei Tagen herrscht wieder das \{chönste Frühlingswetter, sodaß die Saaten in threr Entwicklung fortschreiten können, und es ist anzunehmen, daß die jeßt herrshende Witterung die dur die Kälte eingetretenen Schäden wieder wettmahen wird. Für die Getreidearten, namentlich für Weizen, war das kühle Wetter sogar von Nutzen. So in den Anbaugebieten zwischen der Donau und der Theiß, wo die durch die üppige Entwicklung drohende Gefahr von Lagerungen abgewendet wurde. Hackfrüchte werden der ersten Behauung unterzogen. Winterweizen entwickelte sih im größten Teil des Landes ausgezeichnet; tn einzelnen Gegenden ist die Saat sogar übermäßtg üppig. In den südlichen Landesteilen schießt die Saat {hon in den Halm, weshalb man die derzeitigen Ernteauésichten als sebr günstig bezeihnen kann. Auch die Noggensaaten haben sich während der Berichtsperiode überaus gut entwtckelt. Die Stengel sind genügend hoh, die Halme kräftig. In den südlihen Gegenden ist der Noggen bereits verblüht, in den anderen Anbaubezirken stebt die Saat noch in der Blüte. Zu erwähnen ist, daß die Maisröste in den betroffenen Gebieten eine fehlerhafte Kornentwicklung nah ch ziehen werden. Winter- und Sommergerste sind bis jeßt gleihfalls gut gediehen, stellenweise sogar zu üppig. Aus dem Komitat Jasz-Nagy - Kun - Szolnok treffen Klagen über durch die Fritfliege verursahten Schaden ein. Da die um die Mitte des Monats etngetretene Kälte die Hafersaaten ir ihrem Weiterkommen behindert hat, wäre für dieselben nunmehr andauernd mildes und warmes Wetter notwendig. Mats keimte im überwiegenden Teile des Landes tadellos und zeigt einen befriedigenden Stand. Frost und Reif verbrannten zwar in manhen Gegenden die Blätter, do dürfte die Maispflanze ohne Schaden davonkommen. Die Kartoffeln sind bereits überall verpflanzt. Fn den nördlichen Gegenden hat die Pflanze unter Frost gelitten, in den südlichen dagegen blieb sie vom Frost vershont. Gartengewächse steben ium allgemeinen gut. Bohnen müssen tnfolge von Frostshäden teilweise ergänzt werden. Kraut, Hirse, Hopfen und Flag find bereits verpflanzt. Hovfen b sh gut entwickelt u erreiht bereits eine Höhe von 2 m. Die Zuckerrübe wird jetzt zum ersten, in manchen Gegenden sogar schon zum zweiten Malte

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behackt. Das naßkalte Wetter hat vielfah den Nüsselkäfer vernichtet In vielen Gebieten steht die Zuckerrübe ausgezeichnet. Infolge einer mangelhaften Keimung wurden die Pflanzen tin vielen Gegenden d

Neujsaaten ergänzt. Künstlihe Futtersorten, Weid

Wiesen weisen einen guten Stand auf. Der Weinstock litt unter Neif und Frost; nichtsdestoweniger sind die Aussichten bing Ertrages immer noch gute. Auch die Obstbäume wurden dur Kälte geschädigt (Wiener Zeitung

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs- maßregeln.

Graz, 29. Mai. (W. T. B.) sind bei dem Postoffizianten Franzki, Benedig an Brehdurchfall erkrankte Heimats8ort Walten dorf choleraver worden. Die bakteriologishe Untersuch:

ben. Der Erkrankte ist beute mitt maßregeln sind getroffen.

Wien, 29. Mai. (W. wird aus Venedig gemeldet: worden. Die Stadt muß daher al werden. Jn den leßten Tagen k Gastroonteritis festacstellt, wie f und Sceticeren hervorgerufen Municipium den Verkauf von

Theater und Mufik, Komis®e Oper. In der Komishen Oper stellte ch am Sonnabend Alice Nielsen vom Metropolitan Opera House in New York als Mimi

A y d d A Garden D D CIT d U F d pin in Puccinis „Bohbême*" vor. Die Könstlerin ist im Besi einer

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