1911 / 132 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Jun 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Beide Kammern werden gleichzeitig berufen, erdffnet, vertagt und geschlossen. Die Berufung des Landtags findet alljährlih statt. Die Auflösung nur einer Kammer hat für die andere den Schluß der Sißzungsperiode zur Folge. 7 § 12.

Ohne Zustimmung des Landtags darf dessen Vertagung die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Sißungsperiode nicht wiederholt werden.

_Im Falle der Auflösung muß der Landtag binnen 90 Tagen wieder versammelt werden. S 13

Jede Kammer regelt ihren Geschäftsgang und ihre Disziplin dur eine Geschäftsordnung und wählt ihren Präsidenten, ihre Vize- präsidenten und Schriftführer.

S 14. Die Mitglieder des Landtags \{chwören bei ihrem Eintritt in die Kammer Gehorsam der Verfassung und Treue dem Kaiser. Die Ausübung der Mitgliedschaft wird durch die Leistung des Cides bedingt. La J .

Die Verhandlungen des Landtags sind öffentlih. Die Geschäfts- sprache ist deuts. __ Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffent- lihen Sigzungen des Landtags bleiben von jeder Verantwortlich- keit frei. ¿ S 16.

Innerhalb des Bereihs der Landesgescßgebuna steht neben dem Kaiser jeder der beiden Kammern das Recht zu, Geseße vorzuschlagen. _Gesetesvorschläge, welhe durch eine der Kammern oder den Kaiser verworfen worden sind, können in derselben Stzungsperiode niht wieder vorgebraht werden. Jede Kammer bat das Necht, Interpellationen an die Regierung

zu richten und an sie gerichtete Petitionen der Regierung zu über-

weisen. : Q Le Die Mitglieder des Ministeriums und die zu ibrer Vertretung abgeordneten Sauitént haben das Recht, bei den Verhandlungen der Kammern sowie in deren Abteilungen und Kommissionen gegenwärtig zu sein. Sie müssen auf ihr Verlangen jederzeit gehört werden.

S 18) __ Die Kammern beschließen nah absoluter Stimmenmehrheit. Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist in der Ersten Kammer die Anwesen- heit von mindestens dreiundzwanzig Mitgliedern, in der Zweiten Kammer die Anwesenheit der Mehrheit der geseßlihen Anzahl ihrer Mitglieder erforderlich. S 19.

Die Mitglieder des Landtags sind Vertreter des ganzen Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.

Niemand kann Mitglied E 6 Wg fein.

S 20. __ Kein Mitglied des Landtags darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufs getanen Aeußerungen gerichtlich oder disziplinarish verfolgt oder sonst außer- halb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.

S 21,

Kein Mitglied einer Kammer kann ohne deren Genehmigung während der Sißungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Unterfuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Autübung der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird.

___ Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied einer Kammer sowie jede Unterfuhungshaft wird für die Dauer der Situngspertiode auf- gehoben, wenn die Kammer es R

Die Mitglieder des Landtags erhalten eine Entschädigung nah Maßgabe eines Landesgesetzes.

Bis zum Erlasse dieses Gesetzes, längstens jedo bis zum 1. Juli 1912, erhalten sie die bisher den Mitgliedern des Landesaus\chusses zustehende Entschädigung. ä

8 23.

Der Kaiser kann, während der Landtag nicht versammelt ist, Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen, wenn die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit oder die Beseitigung eines ungewöhnlichen Notstandes cs dringend erfordert.

Diese Verordnungen sind dem Landtag bei seinem nächsten Zu- sammentreten zur Genebmigung vorzulegen. Sie treten außer Kraft, sot ie Genehmigung versagt.

S 24. téringen dürfen Eisenbahnen, die dem öffentlichen

7 D 5 ; T C44 +1 0 n Reiche oder mit dessen Zustimmung gebaut |

beziebenden Rechte der Reichsverwaltu Umfang dieser Nehte Meinungsvers und der Landesverwaltung, so entick Werden durch den Bau neuer oder die Cisenbahnen die Verkebréinterefsen des Landes ber die Herstellurg neuer oder die Veränderung bef anlagen in den Geschäftsbereih der Landeépolizei ei fen, fo dürfen die Entscheidungen der Neichsverwaltung nur Anhörung der

die Zulässigkeit der Enteignung. In den Entscheidungen ist fest- zustellen, daß die Landesbehörden gehört sind. S 25.

Das Gesetz, betreffend die Gleichberehtigung der Konfessionen in bürgerlicher und staatsbürgerlißher Beziehung, vom 3. Juli 1869 (Bundesgeseßbl. S. 292) wird in Elsaß-Lothringen eingeführt.

S 26.

Die amtliche Geschäftésprache der Behörden und öffentlichen Körperschaften sowie die Unterrichts\sprahe in den Schulen des Landes ist die deutsche.

In Landeéteilen mit überwiegend franzöfis{ \prechender Bevölke- rung fönnen auch fernerhin Ausnahmen zugunsten der französischen Geschäftssprache nah Maßgabe des Gesetzes, betreffend die amtliche Geschäftésprache, vom 31. März 1872 (Geseßbl. für Elsaß-Lothringen S. 159) zugelassen werden. Desgleichen kann der Statthalter den Gebrauch des Französischen als Unterrichtésprache entsprechend der bis- berigen Uebung auf Grund des § 4 des Gesetzes, betreffend das Unter- rihtêwesen, vom 12. Februar 1873 (Geseßbl. für Elsaß-Lothringen S. 37) auch fernerhin zulassen.

S 27.

N :

Seseges, betreffend die Vereinigung von Elsaß inge it dem Deutschen Reiche, vom 9. Juni 1871 ebl. S. 212; Geseßbl. für Elsaß-Lothringen S. 1),

t s. 1 des Gesetzes, betreffend die Verkündung der Gesetze und Verordnungen, vom 3. Juli 1871 (Gesezbl. für Elsaß-Lothringen S. 2),

S 10 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Einrichtung der Ver- waltung, vom 30. Dezember 1871 (Geseßbl. für Elsaß-Lothringen 1872 S. 49),

S 8 des Gesetzes, betreffend die Einführung der Verfassung des Deut)chen Reichs in Elsaß-Lothringen, vom 25. Juni 1873 (Reichs- geseßbl. S. 161: GesegbL für Elsaß-Lothringen S. 131),

das Geseg, betrefffend die Landeëgeseßgebung von Elsaß-Lothringen, vom 2. Mai 1877 (Reichégesegbl. S. 491),

S8 1, 2, 4, 7, 9, 10, 12 bis 21 und § 22 Saß 2 des Gesetes, betreffend die Verfassung und die Verwaltung Elsaß-Lothringens, vom 4. Juli 1879 (Neichëgesegbl. S. 165),

das (Seseg, betreffend die Oeffentlichkeit der Verhandlungen und die Geschäftssprache des Landeëaut schusses für Elsaß-Lothringen, vom 23. Mai 1881 (Reichsgescybl. S. 98) und

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auf landesgefeßlihe Angelegenheiten aß-Lothringens, v ¿Ul

1887 (Netchsgeseßbl. S. 377), N A sowie ferner :

der Allerhöchste Erlaß, betreffend die Einrihtung eines beratenden

Landesaus\chusses für Elsaß-Lothringen, vom 29. Oktober 1874 (Ge-

seßbl. für Elsaß-Lothringen S. 37), i zur Ausführung des Allerhöchsten

§1 und 2 der Por g, Erlasses vom 29. Oktober 1874, betreffend die Se nes be- ärz 1875

ratenden Landesaus\chusses für Elsaß-Lothringen, vom 23. (Geseßbl. für Elsaß-Lothringen S. 63),

der Allerhöchste Erlaß, betreffend die Wahl eines zweiten Stell- vertreters des Vorsitzenden des Leo I IeE für Elsaß: Lothringen, vom 13. Februar 1877 (Geseßbl. für Elsaß-Lotbringen S. 9),

die Verordnung, betreffend die Wablen zum Landesaus\{husse, vom 1. Oftober 1879 (Geseybl. für Elsaß-Lothringen S. 89) und

8 2 Ziffer 1, § 7 der Verordnung, betreffend 002 G der

Zuständigkeit des Kaiserlichen Rats, vom 22. April 1902 (Geseßbl. für Elsaß-Lothringen S. 32). is

8 28.

Wo in Geseßen oder Verordnungen vom Landesausschusse die

Nede ist, ist die Zweite Kammer zu verstehen. : : Artikel TiI.

Dieses Geseß tritt hinsihtlih der Bestimmungen über die Bildung des Landtags (Artikel 11 § 6 Abs. 1, 2, § 7, § 8 Abs. 2, S 9) mit dem Tage seiner Verkündung, im übrigen an einem dur Kaiserlihe Verordnung festzuseßenden Tage, späteftens am 1. Januar 1912 in Kraft. Es kann nur durch Reichsgeseß aufgehoben oder ab- geändert werden.

Urkundlih unter Unserer Höchsteigenhändigen Untersclrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. lt

Gegeben Neues Palais, den 31. Mai 1911.

(L. S.) Wilhelm. von Bethmann Hollweg.

Geseg über die Wahlen zur Zweiten Kammer des Landtags für Elsaß-Lothringen. Vom 31. Mai 1911.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c., verordnen im Namen des Reichs für Elsaß-Lothringen, nach A i des Bundesrats und des Reichstags, was folgt:

A 8 L Die Zweite Kammer wird aus 60 Abgeordneten gebildet. Hiervon entfallen : auf den Kreis Altkirch 2 Abgeordnete, S S Colmar 3 z Gebweiler Mülhausen Nappoltsweiler . . ..

Straßburg-Stadt . .. Straßburg-Land . . . . Erstein Hagenau Molsheim Schlettstadt Weißenburg Zabern Megt-Stadt de pru Bolchen Château-Salins. . .. Diedenhofen-Ost . Diedenhofen-West . . . Forbach Saarburg Saargemünd 2 ü 60 Abgeordnete. Jeder Abgeordnete wird in einem besonderen Wahlkreis gewählt. Innerhalb der einzelnen Verwaltungskreise werden die Wahl- kreise durch Kaisferlihe Verordnung mit Zustimmung des Bundeérats unter tunlihster Anlehnung an die bestehende Kantonaleinteilung in ter Weise abgegrenzt, daß die Bevölkerung des Verwaltungskreises

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| möglidst gleibmäßig auf die einzelnen Wahlkreise verteilt wird. Die

Wahlkreise müßfsen örtlih zusammenhängen. S 2. Wakblberechtigt sind die männlihen Einwohner Elsaß-Lothringens, sie im Zeitpunkt der Wahl 1) im Besitze der Reichsangehörigkeit sind, ) das 25. Lebensjahr zurückgelegt und 3) seit mindestens drei Jahren ihren Wohnsitz in Elsaß-Lothringen

| baben. Es genügt jedoch der Wohnsiß von einjähriger Dauer für dte Einwobner, die in Elsaß-Lothringen ein öffentlißes Ant ausüben,

Landeébebörden ergehen. Das Gleiche gilt für die Entscheidungen über | Religionsdiener oder Lehrer an öffentlihen Schulen sind.

Die Berechtigung zum Wählen ruht für die zum aktiven Heere

| gehörtgen Militärpersonen mit Ausnahme der Militärbeamten.

Bon der Berechtigung zum Wählen sind ausges{lossen :

_1) Personen, welche entmündigt oder unter vorläufige Vormund- (dal! gestellt sind, für die Dauer der Entmündigung oder Vormund- 1MaTt,

2) Personen, über deren Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist, während der Dauer des Konkursverfahrens,

3) Personen, welche bei Abschluß der Wählerliste mit den für die legten beiden Rechnungsjahre fälligen direkten Staatssteuern oder Gemeindeabgaben troß rechtzeitiger Mahnuna, und ohne Stundung erhalten zu haben, ganz oder zum Teil im Rückstand sind,

4) Personen, welche wegen eines Verbrechens oder wegen eines Vergehens, das die Aberkennung der bürgerlihen Ehrenrechte zur Folge haben fann, zu einer Zuchthaus- oder Gefängniéstrafe rechts- kräftig verurteilt worden sind, für die Dauer von fünf Jahren, von dem Tage an gerechnet, an welhem die Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, sofern niht der Verlust der bürgerlihen Ehrenrehte auf eine längere Dauer ausgesprochen ift,

5) Personen, welhe eine Armenunterstüßung aus öffentlichen Mitteln beziehen oder in dem leßten der Wahl vorhergegangenen Fahre bezogen haben.

Als Armenunterstüßung sind niht anzusehen :

a. die Krankenunterstützung,

b. die einem Angehörigen wegen körperlicher oder geistiger Ge- brechen gewährte Anstaltspflege,

c. Unterstüßungen zum Zwette der Jugendfürsorge, der Erziehung oder Ausbildung für einen Beruf,

_ d. sonstige Unterstügungen, wenn sie nur in der Form vereinzelter Leistungen zur Hebung einer augenblicklichen Notlage gewährt sind,

e. Unterstüßungen, die erstattet sind.

Das Wahlrecht darf nur in der Gemeinde ausgeübt werden, in der der Wahlberechtigte seit mindestens einem Jahre seinen Wohnsitz me Mer Wähler darf das Wahlrecht an mehr als einem Orte auêuben.

8 3. Jeder Wahlberechtigte hat C R

8 4.

Wählbar sind die männlihen Einwohner Elsaß-Lothringens,

welche seit mindestens drei Jahren die Reichtangehörigkeit besitzen,

ebensolange in Elsaß-Lothringen ibren Wohnsiy haben, eine direkte Staatssteuer entrihten und das 30. Lebentjahr vollentet haben.

Die Aus\{ließungsgründe des § 2 Abs. O Wählbarkeit. schließungsgründe des § 2 Abs. 3 gelten auh für die

8 5, Die Wakhl erfolgt gemeindeweise auf Grund von L ten, w die Wahlberechtigten der Gemeinde enthalten und Fel durch e dieses Gefeßes geforderten Eigenschaften angeben (Wählerlisten).

_ Sind aus einec Gemeinde mehrere Wahlkreise gebildet, so erfolgt die Aufstellung der Wählerliste der Gemeinde gesondert für die einzelnen Wahlkreise. Die Listen werden von dem Bürgermeister und zwei von dem Gemeinderat aus seiner Mitte zu bezeihnenden Mit. gliedern aufgestellt und spätestens sechs Wochen vor dem zur Wahl bestimmten Tage während einer Woche zu jedermanns Einsicht aus- gelegt. Spätestens drei Tage vorher ist zur öffentlichen Kenntnis zu

Ungen, wan uno wo es ei MA m.

„„ Sinwendungen gegen die Richtigkeit der Wählerliste müße während die Liste zur Einsicht ausliegt, bei dem Bürgermeister sin, gereiht oder zu Protokoll erklärt werden. Befugt zur Grhebung von Einwendungen ist jeder Wahlberehtigte sowie die Gemeinde- E j

, Ueber die Ginwendungen wird innerhalb fünf Tagen durhch de Bürgermeister und die zwei im Abs. 2 Pelinten BeucD mitglieder nach Stimmenmehrheit entschieden. Gegen diese Ent- scheidung kann Beschwerde erhoben werden. Die Beschwerde ist innerhalb drei Tagen nach Zustellung de Entscheidung durch Er- klärung auf der Gerichtsshreiberei des Amtsgerichts einzulegen und durch das Amtsgericht innerhalb fünf Tagen zu entscheiden.

_ Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts steht den Beteiligten weitere Beschwerde an das Landgericht zu, welches endgültig entscheidet. Die Beschwerde ist in der Frist von drei Tagen nah Zustellung der Entscheidung auf der Gerichtsschreiberei des Landgerichts einzulegen. Die Entscheidung ist binnen fünf Tagen zu treffen, dem Beschwerde- führer und dem Bürgerweister mitzuteilen und von legterem in der Wählerliste zu berücksichtigen.

Das Verfahren ist frei vbn Gerichtsgebühren. __ Nach Ablauf der Auslegefrist wird die Liste vorbehaltlich der- jenigen Aenderungen, welche infolge der Entscheidung über erhobene Be s Pen geschlossen. en in der Wählerliste eingetragenen Wahlbere{tigten werden alsbald Ausweiskarten übersandt. i; : Aus

6.

_Mit Genehmiguffsg der Beth beautiliatciaii fann der Vürgermeister zum Zwecke der Stimmabgabe die Gemeinde in Stimms- bezirke einteilen. Wer bei Schluß der Wählerliste dem Stimmbezirk, in dem er seinen Wohnsiß hat, noch nicht drei Monate angehört, wählt in dem Stimmbezirk, in dem er dret Monate vor Schluß der Wählerliste seinen Wohnsiß gehabt hat. Diese Vorschrift ist ent- sprechend anzuwenden, wenn ein Wahlberehtigter seinen Wohnsitz As der Gemeinde aus einem Wahlkreis in einen anderen erlegt.

L S Bie Berufung der Wahlberechtigten zur Wahl erfolgt durch den Bürgermeister mindestens aht Tage vor dem Wahltag mittels orts- üblicher Bekanntmachung. Die Bekanntmachung muß den Raum, in dem die Wahl stattfindet, Tag, Stunde und Dauer der Wabl und, U Gemeinde in Stimmbezirke eingeteilt ist, deren Abgrenzung ezeichnen.

Die Wahl dauert mindestens vier Stunden und höchstens at Stunden; sie darf niht vor 10 Uhr Morgens beginnen, der Solch muß spätestens auf 6 Uhr “Abends festgeseßt werden.

Der Wahltag muß ein Sonntag sein.

N 8 8. , Das Wablrecht wird in Perfon durch Abgabe eines Stimmzettels in eine abgeschlossene Wahlurne ausgeübt. Die Wahlurnen follen n fu Verordnungswege zu erlassenden Normativbestimmungen ent- en. …__ Jeder Stimmzettel muß von weißem Papter sein, darf kein äußeres Kennzeichen aufweisen und ist von dem Wähler in einem mit amtlichem Stempel versehenen Umschlag, der sonst kein Kennzeichen haben darf, abzugeben. i 04 S 9. __ Die Wahl sowie die Ermittlung des Wahlergebnisses erfolgt öffentlich. S 10

, Gewählt ist, wer im Wahlkreis die meisten Stimmen ' und zu- E mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen er- alten hat. h _ Soweit si keine \olche Stimmenmehrheit ergibt, findet am siebenten Tage nah der Hauptwahl eine Nachwahl statt. Gewählt ist bei der Nahwahl, wer die meisten gültigen Stimmen erhalten hat. Bei Stimmengleichheit entsheidet das Los.

E 8 11. __ Wird die Wahl abgelehnt oder für ungültig erklärt oder scheidet ein Mitglied während der Wahlperiode aus, so findet sofort eine Ersaßwahl slatt.

Bei etner Ersazwahl, die innerhalb eines Jahres nach einer Wahl stattfindet, für welhe die Wählerliste neu aufgestellt war, be- darf es einer neuen Aufstellung der Wählerliste nicht.

S 19

i 5 H _ Den Aufwand für die Anfertigung der Wählerlisten und Aus- weiskarten und die Bereitstellung und Ausrüstung des Wahlraums tragen die Gemeinden; alle übrigen durch die Wahlen entstehenden Koiten trägt die Staatékasse.

p

Q 153. Soweit das Wahlverfahren nicht durch dieses Gefeß festgestellt worden ist, wird es durch Kaiserlihe Verordnung (Wahlordnung)

geregelt. Die Wahlordnung sowie die Wahlkreiseinteilung 1 Abs. 4) können nur durch Geseß abgeändert werden. S 14

Dieses Gesetz tritt mit lea Ea seiner Verkündung in Kraft. Urkundlih unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Jnsiegel. Gegeben Neues Palais, den 31. Mai 1911. (L, S3 Wilhelm. von Bethmann Hollweg.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 29 des Reichs gesezblatts enthält unter s

Nr. 3897 das Geseg über die Verfassung Elsaß-Lothringens, vom 31. Mai 1911, und unter

Nr. 3898 das Gesez über die Wahlen zur Zweiten Kammer des Landtags für Elsaß-Lothringen, vom 31. Mai 1911.

Berlin W., den 6. Juni 1911.

Kaiserliches Postzeitungsamt. Krüer.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: dem Kommerzienrat Gerrit van Delden in Gronau i. W. den Charafter als Geheimer Kommerzienrat und i: dem Fabrikbesißer Friedrih Sucker in Grünberg i. Schl. den Charafter als Kommerzienrat zu verleihen.

Zur Be der in unserem Erlaß vom 22. Oktober v. J. 1II. B. 12. 819, D. M. d. s. A. /TT d. 2528. M. d. J, unter B. b. 2 und C. 2 vorgeschriebenen Prüfungen der Frei- und Fesselballone sind außer den in Anlage B dieses Erlasses bezeichneten Vereinen noch folgende Vereine

ächtigt: i i ermin e Königlih sächfishe Verein für Luftschifighrt.. in

resden, : Î / E 9) der Chemniger Verein für Luftschiffahrt in Chemnitz,

3 der Vogtländishe Verein für Luftschiffahrt in Plauen i. 2E |

4) der Zwickauer Verein f. L.,

5) der Limbacher Verein f. L.

Wir ersuchen, das unserm Erlaß vom 22. Oktober v. J. als Anlage beigegebene Verzeichnis hiernach zu ver- vollständigen.

Berlin, den 20. Mai 1911.

Der Minister Wer der öffentlichen Arbeiten. Minister des Jnnern. Jm Auftrage: Im Auftrage: France. Freund. An die Herren Regierungspräsidenten und den Herrn Polizeipräsidenten in Berlin.

Ministerium der geistlihen und Unterrichts- angelegenheiten.

Der bisherige Wissenschaftliche Hilfsarbeiter an dem König-

lichen Astronomischen Recheninstitut in Berlin Dr. Hugo Clemens ist zum Observator an dem Jnstitut ernannt worden.

Nichkamflliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 7. Juni.

Der Finanzminister Dr. Lente hat sih in Begleitung des Unterstaatssekretärs Dr. Michaelis und einiger Räte des Finanzministeriuums in dienstlihen Angelegenheiten nah der Provinz Hannover begeben.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M.S. „Möwe“ am 4. Juni in St. Cruz (Teneriffa) und S. M. S. „Panther“ am 3. Juni in Lome angekommen.

Abgegangen sind gestern S. M. S. „Panther“ von Lome und S. M. S. „Tsingtau“ von Hongkong und vor- gestern S. M. S. „Geier“ von Palermo.

Mecklenburg-Streliß.

Jhre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin find heute vormittag in Neustreliß eingetroffen und, „W. T. B.“ zufolge, auf dem Bahnhof von Jhren Königlichen Hoheiten dem Großherzog, der Großherzogin, dem Erbgroßherzog, sowie dem Hof und den Spißen der Behörden empfangen worden. Eine Ehrenkompagnie vom 2. Bataillon des Großherzoglich Mecklenburgischen (Srenadierregiments Nr. 89 mit der Fahne und dem Groß- herzoglichen Hoboistenkorps erwies die Honneurs. Nach herz- liher Begrüßung hielten die Majestäten unter begeisterten Kundgebungen der Bevölkerung ihren Einzug in die Stadt. Unter einem Baldahin wurde Jhre Majestät die Kaiserin von neun Ehrenjungfrauen mit Blumen und Versen ‘be- grüßt. An Seine abl rien den Kaiser richtete der Bürger- meister von Neustrelig, Geheimrat Wohlfahrt eine An- sprache, in der er an die früheren Besuche des Kaisers in Neu- streliß und an die nahen verwandtschaftlihen Beziehungen er- innerte, die den U-enkel der Königin Luise mit dem mecklenburgi- schen Fürstenhause verbänden. Obenan stehe bei den Mecklen- burgern die Treue, und wie der Landesherr ständen auch sie in un- erschütterliher Treue fest zu Kaiser und Reich. Sollte der Kaiser je genötigt sein, einmal zu den Waffen zu rufen, so würden die Mecklenburger mutig und voll Gottvertrauen für Kaiser und Reich, für Fürst und Vaterland dem Feind entgegentreten. Nachdem Seine Majestät der Kaiser dem Bürgermeister M seine Begrüßungsworte gedankt und ihn gebeten hatte, der Bürgerschaft für die herrliche Ausshmücckung der Stadt seinen und der Kaiserin Dank zu übermitteln, wurde die Fahrt zum Residenzschloß fortgeseßt.

Spanien.

Jn der Deputiertenkammer gab gestern der Minister- präsident Canalejas, „W. T. B.“ zufolge, die Erklärung ab, daß die Besaßung des Kreuzers „Cataluna“ nur ausges\chifft werden würde, wenn sih in Larrasch infolge der in der Gegend von Alkassar herrschenden Unruhen ea ereignen würden, die eine solhe Maßnahme rechtfertigen sollten. Spanien werde sich darauf beschränken, fügte der Ministerpräsident hinzu, die Pflichten, die ihm die Verträge auferlegten, zu erfüllen.

Türkei.

Das Kriegsministerium dementiert die kürzliche Meldung des „Reutershen Bureaus“ über eine Niederlage der Mahalla des Großscherifs von Mekka in Assyr und die Ein- nahme Ebhas durch die Aufständischen.

Nach der türkischen Darstellung des gestern gemeldeten Zwischenfalles an der türkish-griehishen Grenze feuerten, wie „W. T. B.“ meldet, die griechishen Soldaten zu- erst aus einem Hinterhalt auf die Türken, von denen sie drei tôteten, und umzingelten sodann das türkishe Blockhaus bei Dereli, das sie zerstörten. Der Kampf dauerte fünf Stunden. Die Griechen nahmen den getöteten Türken Geld, Waffen und Munition ges Die Pforte hat den türkischen Beltea tsträger in Athen beauftragt, ernstlich einzuschreiten und Bestrafung der Schuldigen sowie Entschädigung für die Familie der Getöteten zu verlangen.

Nach einer Depesche des Oberkommandierenden in Albanien ard Malissoren und Mirediten, deren A einige

undert Köpfe betrug, einen Angriff auf Alessio unter- nommen. Sie plünderten das Wakfendepot und zerschnitten den Telegraphendraht nach Durazzo. Bei dem Zusammenstoß mit en Truppen und der Gendarmerie hatten die Albanesen neun Tote und mehrere Verwundete; auf seiten der Truppen

wurden ein Gendarmerieleutnant und zwei Soldaten und außerdem ein Zivilist verwundet. Die Ee Ver- bindung mit Durazzo ist inzwishen wiederhergestellt worden. Um den Albanesen den Rückzug abzuschneiden, wurden von Skutari drei und von Durazzo zwei Bataillone entsandt.

Amerika.

Der amerikanische Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und der Gesandte von Nicaragua haben, „W. T. B.“ zufolge, gestern in Washington einen Vertrag unterzeichnet, der die Rückzahlung der äußeren Staatsschuld von Nicaragua und die Gewährung einer weiteren finanziellen Unterstüßung zur Entwicklung Nicaraguas vorsieht.

Nach einer Meldung aus Tucson in Arizona sind bei Campania im Altardistrikt 28 Gegner Mader os, sogenannte Liberale, summarisch erschossen worden.

Asien.

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Depesche des Großscherifs von Mekka hat bei Alguez in Assyr neuerlich ein Kampf zwischen der von Truppen unterstüßten Kriegsmacht des Großscherifs und den Aufständischen stattgefunden, die unter Zurülassung von mehr als hundert Toten die Flucht ergriffen. Unter den Toten befinden sih drei hervorragende Scheiks. Den Truppeu, die drei Tote und acht Verwundete hatten, ist es gelungen, drei von den Aufständischen als heilig betrachtete Fahnen zu erbeuten.

Einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen- agentur“ aus Mukden zufolge bestehen die zuständigen Ministerien dem Regenten gegenüber auf der Einschränkung der diplo- matischen und militärishen Vollmachten des General- gouverneurs der Mandschurei Chao Erh-hsün. Sie ver- langen, daß alle seine Maßnahmen vor ihrer Veröffentlichung mit der Ansicht der Negierung in Peking in Einklang gebracht

werden. Afrika.

Nach Meldungen der „Agence Havas“ is General Mo inier mit den ihm unterstellten Truppen am 31. Mai in Zegotta eingetroffen, nachdem er den Duar Khermet, dessen Bewohner an den Angriffen gegen den Obersten Gouraud sich beteiligt hatten, beschossen hatte. Am 1. Juni verließen die Truppen das Lager von Zegotta und erreichten Nzala Beni Amar, wo eine Etappenstation errichtet werden wird. Zahl- reiche Stämme haben sich infolge des tatkräftigen Vorgehens Moiniers unterworfen. Am 2. Juni gelangten die Truppen nah Ras el Ma. An der Brücke über den Mefkkesfluß hatten sie zahlreihe heftige Angriffe marokkanischer Reiter abzuwehren, die troy des Jnfanterie- und Artillerie- feuers sih bis auf hundert Meter den französischen Linien näherten und \sich erst zurückzogen, als ihre Reihen vollständig gelichtet waren. Der Kampf dauerte von 7 Uhr Morgens bis 2 Uhr 40 Minuten Nachmittags. Auf seiten der Franzosen fielen ein Stabsarzt und drei Soldaten der Fremdenlegion ; dreizehn Mann wurden verwundet. Am 38. Juni brachen die Truppen zur Erkundung der Ebene von Sais auf. Nachts wurden die Vorposten wiederholt angegriffen.

Der Roghi Tazzia ist, wie die „Agence Havas‘ aus Elksar meldet, vom Kapitän Moreaux unter großen Verlusten in die Fluht geschlagen worden. Auf die Kunde von der Niederlage des Roghi \chickte Raisuli Ausrufer aus, um die Stämme der Gegend aufzufordern, sich gegen den Agitator zu bewaffnen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Ein- und Ausfuhr einiger Ros Waren im Spezial- handel in der Zeit vom 21. bis 31. Mai 1911 und im Monat Mai der beiden leyten Jahre.

dz =- 100 kg.

Einfuhr Ausfuhr

21.—31.| Monat Mai |21.—31.| Monat Mai

Mai | -— Mai |

1911, | 1911 [. 1910| 1911 | 1011 | | |

| Baumwolle. | 80591 291183) 30079561 9322| 39601

Flachs, ge-

47864

\{chwungen |

\ 6336 20906] 18408 2420 6206 Hanf, ge- | | | brochen, ge- | | | \{wungen

U Jute Sutewerg .| 33997| 130600 Merinowolle im Schweiß] 81271} 119180 102830 738 | 1168 Kreuzzucht- wolle im Schweiß .| 33733| 90480| 77742 32 685 1228 Eisenerze . . |2880080| 8429243] 8119219] 601041| 2206360| 2273137 Steinkohlen 13410783| 9953918| 9087792|9842298/23253455/17821843 Braunkohlen|2576451| 6667228| 6313986] 13068 44950| 43373 Erdöl, ge- reinigt . . .1 127364| 419362| 441008 4 236 305 Chilesalpeter] 226460| 1006141| 910002 9129| 40556 39362 MOLEen ¿v LBOO1 97967| 130354| 308248| 801607| 699880 Rohluppen,

Rohschienen,

Nohblöcke 19018/ 374632| 391268 MUIOEL e 6 | 98196| 291488| 370453 Eisenbahn-, ahnrad-, latt-

lah-

hieve L 988 2546 1032] 194824] 517040| 309806 ifenbahn-

\{chwellen aus Eisen . 24148 61063| 133277 Kupfer . . .| 41459| 161168] 121774] 1301 4831 5392 Feingold, le- giertesGold| 2,98) 15,69| 76,06) 1,69| 5,69) 9,70 Deutsche : Goldmünzen] 1,40 4,22 5,58] 90,52 2,77 4,07 Fremde Goldmünzen] 1,05 1,88 0,901 0,14 0,67| 25,72

Berlin, den 7. Juni 1911. Kaiserliches Le Wioeias Amt.

Dr. Zacher.

| |

brochen, ge- | | |

| | 6325) 20748| 20857 1474| 7424 73390 6665 8325

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Aachen wird der „Rhein.-Westf. Ztg.“ berichtet, daß in

der Möbelfabrik von Dreising am 6. Juni sämtlihe Schreiner in den Ausftand getreten sind, weil die Firma den neuen Schreiner- tarif nicht anerkannt hat. Die übrigen Firmen in Aachen haben diesem Tarife zugestimmt. ___ In Leipzig hat, wie der „Lipz. Ztg.“ zufolge in einer Ver- sammlung der Geschirrführer berihtet wurde, die Ortsverwaltung des Zentralverbandes der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter den Entwurf zu einem Lobn- und Arbeitsvertrag für die Betriebe für \{weres Fuhrwerk ausgearbeitet und dem Verein Leipziger Fuhrherren zur Anerkennung zugestellt. Neben anderen Verbesserungen den bisherigen Verhältnissen gegenüber wird darin etn fester Wochenlohn von 29 #4 gefordert. Zahlreihe Mitglieder des Vereins Leipziger Fuhrherren gehören dem Arbeitgeberverband des Leipziger Fuhr- und Verkehrs- gewerbes an. Diesen ist es aber durch das Verbandsstatut unter- sagt, mit einer Arbeiterorganisation ohne Mitwirkung der Verbandsleitung Tarifverträge abzuschließen. Deshalb hat der Verein der Fuhrherren den Tarifvertrags8entwurf dem Arbeitgeberverband vorgelegt, und dieser hat der Arbeit- nehmerorganisation geantwortet, daß er seinen auch dem Verein der Fuhrherren angehörenden Mitgliedern grundsäglih nicht estatten könne, mit dem Transportarbeiterverband den geforderten Veetren abzuschließen. Wohl aber könne unter Umständen in einzelnen Betrieben, in denen eine Lohnerhöhung als angemessen erscheine, hier- über mit den Vertretern der in diesen Betrieben bes{chäftigten Arbeiter verhandelt werden. Falls aber wegen der Ablehnung des Vertragsentwurfs Arbeitseinstellungen erfolgen sollten, werde der Arbeitgeberverband mit allen ihm faßungêmäßig zur Verfügung stehenden Mitteln, nöttgenfalls sogar mit der Aussperrung vorgehen. Die Geschirrführer- versammlung beschloß, sich durch diese Mahnung nicht abschrecken zu lassen, sondern in den Betrieben, in denen es mögli sei, die Be- seitigung der bestehenden Mißstände durch Streik zu erzwingen.

Nach einer Meldung der „Köln. Ztg.“ aus Parts vom 6. Juni haben die Angestellten der nördlihen Trambahn beschlossen, den Dienst wieder aufzunehmen. Da jedoch die Gesellschaft wegen des Ausstandes eine Anzahl Bedienstete entlassen hat, befürhtet man, daß die Streikberoegung bald von neuem beginnen werde.

In Verviers haben, wie dasselbe Blatt berichtet, die aus- ständigen Streichgarnarbeiter in einer Versammlung mit großer Mehrheit die Vermittlungsvorschläge des Bürgermeisters angenommen. Nach diesen soll kein Arbeiter wegen des Ausstandes gemaßregelt werden. Wo neue Arbeiter an Stelle ausftändiger angenommen worden sind, hat der Arbeitgeberverband diese anderwärts unter- zubringen. Die Verhandlungen über die Streitfragen, die vor dem Ausstand shwebten, werden nah der am 6. Juni erfolgten Wieder eröffnung der Betriebe von neuem durch Vertreter der Arbeiter und Arbeitgeber aufgenommen.

(Weitere „Statistise Nachrichten" \. i. d. Zweiten Beilage.)

Lunst und Wissenschaft.

Das Berliner Münzkabinett hat, wie im JIuntiheft der „Amtlichen Berichte aus den Königlichen Kunstsammlunzen“ mit- geteilt wird, aus dem Pariser Kunsthandel cin Silbermedaillon des Geta, Sohnes des Kaisers Septimius Severus (193—211 n. Chr.) erworben, das ein Unikum ist. Die Vorderseite zeigt das Brustbild des Prinzen; aus der Umschrift, in der der Prinz Caesar genannt wird, geht hervor, daß das Stück vor dem Jahre 209 geschlagen worden ist, in dem er zum Range eines Augustus erhoben wurde. Die Rückseite zeigt die drei „Münzgöttinnen" jede mit Wage und Füllhorn in den Händen und einem vor den Füßen aufgeshihteten Haufen gemünzten Metalls. Die mittlere der Münzgöttinnen weicht in Haartracht und Haltung von den beiden anderen ab, eine Abweichung, die sich auch auf anderen Stücken aus jener Zeit vorfindet und üblich gewesen zu sein scheint. Die ägyptische Abteilung hat von Herrn James Simon wieder eine Anzahl sehr wertvoller Gegenstände zum Geschenk erhalten, unter denen sih die Statue eines Offi- ziers Thutmosis? Ill. (1501—1447 v. Chr.) befindet; sie ist 76 cm hoh und aus einem festen alabasterähnlien Kalkstein hergestellt. Sie zeigt das Bildnis eines Mannes namens Maje, der fürstliwen Mang hatte als Berwalter des 10, ober- ägyptischen Gaues und Vorsteher der Priester in seiner Hauptstadt Aphroditopolis, auf dem westlihen Nilufer, gegenüber von Ahmim. Auf der rechten Brust und Schulter des auf einem würfelförmigen Thron sißenden Mannes ist der Name des Königs Thutmosis 111. eingegraben. Die Haltung der Figur ist die übliche: geradeausblickend, die Beine geschlossen, die rehte Hand geballt auf den reten, die linke geöffnet auf den linken Oberschenkel gelegt. Eine große, oben ab- geflahte Perücke rahmt das Gesicht ein. Vom Wirbel laufen nah allen Seiten {male Strähnen hinunter, in der Stirn kurz geschnitten, nah den Seiten breit auf die Schultern fallend. Die ganze Haarmasse der Perücke ist in mehrere Wellen gegliedert. Während sie selbst mit dem Meißel durchgearbeitet ist, tritt an den Schläfen das fkurzgeshorene natürliße Haar nur durch Bemalung angedeutet hervor. Die Kleidyng besteht aus einem kurzen Schurz, der einst ein Zeichen der Königsnracht gewesen war, in der Zeit, aus der die Statue stammt, aber längst von der Mode in das Volk hinabgetragen war. Ein breiter Gürtel mit glattem Schließfeld hält den Schurz um die Hüften fest. Die geballte Rechte hält einen schmalen, einmal quer- gefalteten Zeugstreifen, den man als Fliegenwedel oder Taschentuch gedeutet hat, das die besseren Stände bei würdevollem Auftreten in der Hand zu tragen pflegten. In geradezu auffallender Weise ist der Mann mit Shmuck beladen. Um den Hals legen \ich als dier, doppelter Wulst zwei schwere Ketten aus aufgereihten Scheibenperlen ; an den Oberarmen fißen je zwei glatte, dickde Armringe und ncch breitere anderer Art an den Unterarmen. Solche dicken Halsketten müssen nah den Üüberkommenen Denkmälern dic ägyptischen Könige öfter ihren Günstlingen geschenkt haben, und Armringe dieser Form befinden sih fast stets unter „dem Golde“, den Kleinodten, die die ägyptishen Offiziere als Belohnung - der Tapfer- keit vor dem Feinde in den Kriegen der 18. Dynastie erhielten. Aus den Lebensbeschreibungen der Helden Amonis, Amenemheb und anderer wissen wir genaueres über diese „Ordensverleihungen“. In der Tat erzählen davon auch die Inschriften unserer Statue. Es heißt in ihnen: „Maje, der Erbherr und Fürst, den der König von Ober- ägypten groß und der König von Unterägypten angesehen gemacht hat, dessen Stelle der Herr der beiden Länder vorgerückt hat, der dem Könige bejonders gefällt und der erhöht war über die Menschen, den der Köntg groß gemacht hat unter seinen Amtsgenossen, belohnt mit dem Golde, das der König gibt, angesihts des ganzen Landes. Mich hat mein Herr geehrt, weil ih so tapfer gewesen bin und well er wußte, daß ih feinem Herzen wohlgefällig bin.“ Maje gehörte also zu den tapferen Dffizieren, die unter dem Heldenkönig Thutmosis 111. in Syrien und Nubien die Großmachtstellung Aegyptens hatten aufrihten helfen. Jedes der genannten Shmukstüccke bedeutet gewissermaßen einen Tapferkeits- orden. Unter die großen Werke ägyptischer Kunst ist diese Statue wohl nit zu rechnen. Ihr Gesicht ist wenig individuell ausgearbeitet, Rumpf und Glieder verraten kaum Verständnis des Künstlers für die Wiedergabe der Natur; die Muskulatur an Armen und Beinen ist nur angedeutet, die Schlüsselbeine fehlen, der Nücken ist kraftlos. Einzig eine gewisse tehnische Vollkommenheit könnte man an der Statur loben. Der Abstand zwischen ihr und einem fast glei{zeitizen

orträt der Königin Hatshepsut aus Theben, das sich auch in der Berliner Sammlung befindet, ist außerordentlich groß. Die Haupt- stadt scheint damals alle namhaften Künstler an fich gezogen zu haben, und die Provinz blieb zurück.

L E E e E T E E