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eri e S INITIR ULE O T e
— In der gestrigen Sißung der Deputiertenkammer
wurde eine die jüngsten Ereignisse in Marokko betreffende.
Anfrage an den Ministerpräsidenten Canalejas gerichtet. __Nach einer Meldung des „W. T. B.“ erklärte der Minister- präsident, vas sh von den zurzeit über Marokko ver- breiteten Nachrichten die einen widersprähen, während die anderen unrihtig seien. Mit Ausnahme der in Tanger er- hobenen Reklamation, auf die bereits eine Antwort gegeben sei, sei alles andere unrihtig. Der Ministerpräsident fügte binzu, Spanien verfolge den geraden Weg der Verträge und erfülle genau seine Pflichten. Die Haltung Spaniens könne seiner Meinung nah keinen ernstlihen Konflikt motivieren, sie sei nur die natürliche Anwendung der Verträge. Der Finanzminister hat einen Geseßentwurf eingebracht, in dem 14 Millionen für den Ankauf von Material für die Armee und Marine gefordert werden.
Türkei.
Wie „W. T. B.“ meldet, ist nach YJnformationen der Pforte ein montenegrinisher General an der Grenze ein- getroffen, um die flüchtigen Malissor en aufzufordern, sich den türtishen Behörden zu unterwerfen.
Amerika.
Der amerikanische Senat hat gestern zu der Geseß- vorlage, durch die eine direkte Wahl der Senatoren durch Volksabstimmung eingeführt wird, einen Abände- rungs8antrag angenommen, der eine Beaufsichtigung dieser Wahl durch die Bundesregierung vorsieht.
Der argentinishe Ministerrat hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ das Anerbieten französischer und belgischer Bankiers zur Aufnahme einer 41/zprozentigen A n- leihe von 66 Millionen Pesos Gold angenommen.
Afrika.
Nach Meldungen dex „Agence Havas“ haben die auf dem Wege nah Mekines befindlihen Truppen am 7. d. M. Ab- teilungen der Beni Mter erreicht und sie zerstreut. Die Kasbah der aufständishen Kaids Hammon und Hakka — leßterer ist ein bedeutender Führer der Aufständishen — wurden zerstört, ebenso die umliegenden Dörfer, die man in Brand \teckte. Am 8. Juni langten die Truppen Nachts nah einem Tage- marsch, der durch Geländeschwierigkeiten und unaufhörliche heftige Angriffe der Feinde sehr erschwert worden war, unter den Mauern von Mefkines an. Die Feinde kämpften immer in auseinandergezogenen Gefechtslinien. Der Kampf begann früh Morgens. Die ganze Abteilung Gourand mußte fich entwickeln, um die Genietruppen zu süßen, die sih an die Arbeit machten, um den Truppen den Uebergang über den Uiglenfluß zu er- möglichen, der in einer 60 m tiefen Schlucht fließt und 400 m breit ist. Die Tätigkeit der Artillerie trug außerordentlich dazu bei, das Gelände zu säubern. Der Kampf dauerte bis gegen 1 Uhr. Nachdem die Truppen den Fluß passiert hatten, marschierten sie gegen Agedal. Jn der Nähe dieses Ortes zerstreuten sie die leßten feindlichen Gruppen und betraten endlih die Gärten des Sultans. Kurz darauf trafen eine Abordnung von Notabeln und der Machsen des Prätendenten Mulay Zin ein, um ihre Unterwerfung an- zubieten. Der General versprach, daß das Leben Mulay Zins geschont werden und daß er von Mulay Hafid nicht schlecht be- handelt werden solle. Am Abend erschien Mulay Zin zu einer Besprechung mit dem General Moinier.
Statistik und Volkswirtschaft.
Die Er ge der Fürfsorgeerziehung in Preußen.
In den lesten Jahren find so vielfah ungünstige Urteile über das preußishe Fürforgeerziebungëgesez und seine Durchführung ge- äußert worden, daß eù ürsnts entstand, authentisches Material über Erfolge oder Nichterfolge der Fürsorgeerziehung zu erhalten. Diesem Bedürfnis bat das Ministerium des Innern Nechnung ge- tragen, indem es über das Natbleben der vom 1. April 1904 bis 31. März 1909 zur Entlassung Fürsorgezöglinge bis zum 1. April 1910 Ermittlungen anstellen ließ und auf Grund ihrer Ergebniffe cime eingehende Statistik ausstellte, die jeßt in einem um jem Werke der Oeffentlichkeit unter- breitet woi:den ist [tf dem Zellengefängnis Moabit in Berlin NW. 40, Lehrter 3, zum Preise von nur 2,50 46). Die Ermittlungen erstreckten fi f die în den 5 Jahren vom 1. April 1904 bis 31. März 12909 jor Entlassung gekommenen 9931 Zöglinge, und zwar auf 5782 mäünnlihe und 4149 weibliche. Als verstorben, geisteskranfk, S cer schwadsinnig, epileptisch, als ausgewiesen, auêgewandert cèer überhaupt nicht in Fürsorge- erziehung gelangt wurden 480 festaefeTt- ferner fonnte der Aufenthalt von 948 männlichen und 348 weiblick ricmmen 1296 Entlafsenen niht in Erfahrung gebraht werte T# verblieben danach noch 4538 männliche und 3617 weibliche, im carjen #155 im Snland ermittelte und geistig gesunde ehemalige Zöglinge cter 82,1% der Gesamtzahl, bei denen eine Erforshung des Crgebniffe# ter Erziehung8arbeit mög- lich war. Daß 1296 aus der Fürsorgezrzietmmg Ausgeschiedene oder 13,1 9/6 der ibr früher Ueberwiesenen nicht mehr ermittelt worden find, erklärt sih daraus, daß bei den Nachforschungen mit der größten Schonung vorgegangen und alles vermieten merten mußte, was den ehemaligen Zöglingen irgendwie hätte nahteilic merten fönnen. Aus der Tatsache der Nichtermittlung darf deësbols nicht unbedingt der Schluß gezogen werden, daß bei diesen Zöglincen bie Erziehungs- arbeit von negativem Ergebnisse cewesen fet. Beredtigt wäre cin \folcher allenfalls bei den 312 männlihen und 65 weiblid j mittelten Zöglingen, die mit Haft, Gefängnis oter Zzecktbars bestraft worden sind, nahdem sie aus der Fürfergeerziehung auêgeschieden waren. Das sind aber nur 33 9% der männlichen und 19 ®/g der weib- lichen nicht ermittelten Zöglinge.
Von den 8155 im Inlande ermittelten und geistig ehemaligen Zöglingen haben sich seit ihrer Entlassung sorgeerziehuung 5661 = 69,4% „genügend bis gut“ geführ 922 = 11,3% ift die Führurg „zweifelbaft*, bei 1572 = «ungenügend. bis {lecht" gewesen. Die Prozentsäße der männlichen und der weiblihen Personen find hierbei niht wesentli verschieben. Uebertroffen werden die angefühtten Durchschnittsziffern bei den im Alter bis zu 14 Jahren und bei den im Alter von 14—16 Jahren in Fürsorgeerziehurg Ueberwiesenen. Von jen.n baben 85,1 %/g der männlichen und 88 9/9 der weiblichen, von diesen 75,1 9%, ter männlichen und 75,4% der weiblichen Personen eine „genüaende bis gute“ Führung aufzuweisen. Selbst bei den erst im Alter von 16 bís 18 Jahren Ueberwiesenen sinkt die Ziffer der mit befriedigender Fühcung Ermittelten nur wenig unter den Durchschnitt, nämlich auf 64 9/9 bei den männlihen und 659/69 bei den weiblihen Personen. Legt man ter Prozentberehnzng sämtlihe 9451 ehemals der Für- forgeerzichung Üeberwiesenen ohne die 480 gestorbenen, geistes- kranken, ausgewanderten oder überhaupt nicht in Fütsorge- erziehung gelangten zugrunde, so bleiben noch 599 °% mit „genügender bis gutes“, 9,8% mit „zweifelhafter“ und 16,6 % mit „ungenügender bis \{chlechter“ Führung, während 13,7 9%» niht ermittelt sind. Diese Ergebnisse sind durchaus befriedigend, hatte do die Erziehungsarbeit bei beiden Geschlechtern überwiegend mit den zur Verhütung des völligen sittlichen Verderbens in Fürsorge-
erziehung gekommenen Minderjährigen (88,6% der männlihen und 89,7 9/0 der weiblihen Zöglinge), unter denen die in dem Daa Alter von 16—18 Jahren stehenden, weniger biegsamen Jugendlichen die zahlreichste Gruppe bildeten, also mit den s{wiertigsten Eleinèn en sih zu befassen. Die Ergebnisse lassen erkennen, daß die geleistete Arbeit niht vergeblih war. Zweierlei tritt in ihnen be- sonders hervor: Die Erfolge der Fürsorgeerziehung find um so günstiger, in je früherem Alter sie einseßen konnte; aber au von den im nachschulpflihtigen Alter überwiesenen Zöglingen sind so viele mit befriedigender Führung festgestellt worden, daß die Behauptung, die Fürsorgeerziehung sei außerstande, aus den älteren Elementen noch brauchbare Menschen zu schaffen, verstummen muß. Besonders erfreulich ift es, daß unter den. im Alter von 16 bis 18 Jahren - überwiesenen, vor der Uebernahme in Fürsorgeerziehung der Unzucht verfallenen Mädchen niht weniger als 62,9 9/ eine ge- nügende bis gute Führung aufzuweisen haben und zuin großen Teile als Chefrauen in geordneten Verhältnissen leben. Dieses Ergebnis hat die gehegten Erwartungen bei weitem übertroffen. __ Auch insofern hat die Erziehungsarbeit gute Erfolge gehabt, als die Zahl der Bestrafungen ganz erheblich zurückgegangen ist. Von den (nach Abzug der gestorbenen, geisteskranken, ausgewanderten usw. verbleibenden) 9451 ehemaligen Fürsorgezöglingen, auf die si diese Ermittlungen erstreckt haben, also einshließlih der 1296 niht mehr ermittelten, find nämlih vor und während der Fürsorgeerziehung 9797 (77,5 9% der männlihen und 39% der weiblihen) ge- rihtlich bestraft worden, davon 4870 (685% der männlichen und 28% der weiblihen) mit Gefängnis (eins{chließlich der 90 mit Zuchthaus VBestraften). Nach der Entlassung aus der Fürsorgeerziehung sind nur 2485 (31,8 9/6 der männl. und 18,6 9/ der weibl.) mit gerihtlihen Strafen belegt worden, darunter 1771 (25,8 9/6 der männl. und 99/6 der weibl.) mit Gefängnis (einschließ- lich der 160 mit Zuchthaus Bestraften). Von den 8155 Er- mittelten waren vor und während der Fürsorgeerziehung 76,8 0/9 der männlihen und 38,6°%/ der weiblihen Zöglinge gerichtlich be- straft; diese Ziffern sinken für die Zeit nach Entlassung aus der Fürsorgeerziehung auf 30,7% “bei den männlichen und 18,59% bet den weiblihen. Dementsprehend muß sich der Einfluß der Fürsorgeerziehung auf die Kriminalitätsziffer der nach Vollendung des 21. Lebentjahres Bestraften bemerkbar machen. Auf die Gestaltung der Kriminalitätsziffer der Jugendlichen selbst hat die Sur eas nur insofern Einfluß, als sie die in Fürsorgeerziehung Ueberwiesenen vor Begehung von neuen Straftaten bewahrt. Diese Ziffer müßte also, da die Zahl der während der Fürforgeerziehung bestraften ganz erbeblich Hinter der Zahl der vor thr bestraften Zöglinge zurückbleibt, infolge des Fürsorgeerziehungs- ge)epes eine sinkende Tendenz baben. Ist dies nicht der Fall, so würde daraus nur gefolgert werden können, daß von den nicht in PRL o geen na gelangten Jugendlichen eine immer wachsende Zahl estraft werden m
Für die einzelnen Provinzen \{chwanken dke Prozentsäße der Zöglinge mit genügender bis guter Führung aus dem Einlieferungs- alter von 0—14 Jahren bei den männlihen zwishen 95,5 9% (Hannover) und 62,2 9% (Cassel) und bei den weiblihen zwischen 100 %/% (Westpreußen, Pommern, Westfalen, Cassel) und 71,4 % (Brandenburg und Posen). Die mit ungenügender bis \{lechter Führung Ermittelten der gleihen Altersklasse find verhältnis- mäßig am zahlreichsten bei den männlihen in Cassel mit 23,1 9/6 und bei den weiblichen in Wiesbaden mit 25 %/. In der nähsten Altersklasse, derjenigen der 14—16 jährigen, steben bei den Zöglingen mit genügender bis guter Führung Wkesbaden mit 86,8% der männlihen und, von L ollentólter abgesehen, Westfalen mit 82,9 0/0 der weiblichen obenan ; die meisten Zöglinge mit ungenügender bis \{lechter Führung hat hier Sachsen bei den männlichen mit 24,6 %/9 und Berlin bei den weiblihen mit 25,5 9/, die wenigsten Schleswig-Holstein bei den männlichen mit 3,30/6 und Westfalen bei den weiblihen mit 7,9%. In der Altertklasse von 16—18 Jahren, die die höchsten absoluten Zahlen enthält, bat die besten Erfolge, wiederum von Hohenzollern abgesehen, Pommern mit 70% bei den männlihen und Westfalen 76,9 9/6 bei den weiblihen. Den höchsten Prozentsay der Zöglinge mit un- genügender bis {lechter Führung zeigt auch hier Sachsen mit 35,5 9% bei den männlichen und Berlin mit 33,3% bci den weiblichen, den niedrigsten Schleswig-Holstein mit 11,2 % bei den männlichen und Caffel mit 13,59% bei den weiblihen. In dieser Altersklasse sinkt übrigens der Pozentsaß der ehemaligen Zöglinge mit gutem Er- ziehung8erfolge nur einmal wenig unter 50 9/6, nämlih auf 48 9%/ bei den männlichen in der mit besonders \chwierigen Elementen arbeitenden Stadt Berlin, während er sonst stets über 50 0/6 bleibt. _ Von den mit befriedigender Führung ermittelten männ- lihen Zöglingen haben \sih die meisten der Industrie, dem Handels-
oder Verkehrsgewerbe zugewendet (29,1 9/6). Die Verhältniszahlen der
in der Land- und Forstwirtshaft sowie der Gärtnerei, der im Hand- werk und der mit Lohnarbeiten wechselnder Art Beschäftigten sind im wesentlichen dieselben (13,7 bezw. 13,5 und 13,8 9%). Als Soldaten sind 24,2 9/9 eingestellt. Eine steigende Tendenz - haben bei dcn mit genügender bis guter Führung ermittelten männlihen Personen der einzelnen Entlassungsjahrgänge die abfoluten und relativen Zahlen der zum landwirt schaftlichen Berufe übergegangenen ehemaligen Zöglinge, ebenso absolut die Handwerker, während: die mit Lohnarbeiten wechselnder Art Beschäftigten zwar absolut au eine Zunahme zeigen, aber relativ von 1904 bis 1908 immer mebr zurückgegangen sind. Daraus darf der Schluß gezogen werden, e: im Laufe der Jahre immer mehr auf die Auébildung für einen be- stimmten Beruf bingewirkt worden ist. Unter den weiblichen chemaligen Zöglingen mit befriedigender Führung sind die meisten verheiratet und im eigencn Haushalt tätig (38,8 9/6). Als Dienst- boten erwerben 20,7% ihr Brot, in der Landwirtschaft arbeiten 11,59% und in der Industrie, dem Handels- oder Verkebrägewerbe 14,3 9/6. Von den mit ungenügender bis schlechter Führung ermittelten männlichen Personen befinden si verhältnismäßig die meisten von allen Entlassungsjahrgängen in der Industrie und unter den Lobn- arbeitern, die wenigsten in der Landwirtschaft und im Handwerk. Die weiblichen Personen mit ungenügender bis \{lechter Führung sind meist der Unzucht ergeben, von 73,1 °/g beim Entlafsungsjahrgang 1904 bis zu 48,3 9/9 beim Entlafsungsjahrgang 1908.
Die Lehren, die \sich aus der sehr eingehenden Statistik des Ministeriums des Innern ergeben, find einmal die, daß man mit dem Fürsorgeerziehungsgeseß auf dem richtigen Wege und daß damit schon außerordentli großer Nugen geschaffen ist, taß man also darauf hinzu- arbeiten hat, den Wirkungekreis des Gesetzes noch zu erweitern, und daß man weiter auf dem bieherigen Wege fortshreiten muß, wenn auch noch vieles an dem Gesetze und seiner Durchführung zu ver- bessern sein mag und immer größere Anstrengungen auf diesem Gebiete zu machen sein werden. Dies is Sache der Gesetzgebung und der Landesbehörden Die Beseitigung des Mißstandes aber, doß in so vielen Fällen die Fürsorgeerziehung zu spät eingeleitet wird, ist Sache der antragsberehtigten Stellen, der Gemeindevertretungen usw. und auch Pflicht der Seelsorger und aller derjenigen, die Minderjährige im Elend sehen. Diese müssen helfen, den Unglücklihen aus seiner Not fo rasch wie möglich herauszubeben.
Zur Arbeiterbewegung.
Nach einer Mitteilung der „Voss. Ztg.“ haben in Berlin 2000 Schmiedegesellen, soweit fie bei Innungsmeistern he- schâftigt sind, in einer Versammlung die Lohnbewegung im allge- meinen für beendet erklärt. Allen Schmiedemeistern, die den Innungen nit angehören, sollen sofort die Forderungen der Gesellen zur Annahme unterbreitet werden; wo die Unterschrift verweigert wird, foll die Arbeit niedergelegt werden.
Wie der „Köln. Ztg.“ aus Berlin berihtet wird, teilte bie Akiiengesellshaft „Panzer“ mit, daß auf ihrem Wolgaster Guß- stahlwerf ein Ausfland ausgebrochen ist. Die Arbeiter hätten am Sonnabend, ohne Gründe anzugeben, die Arbeit niedergelegt.
In Bochum ist Anfang Februar der im Pflasterer seinerzeit unter Vermittlung des Gewerbegerichts geidhlofsene Tar vertrag seitens der Arbeitnehmer gekündigt worden. Die zwischen dea beiden Parteien geführten neuen Vertragéverhandlungen verliefe ergebnislos. Beide Freu riefen wiederum das Gewerbegeridt us A DEA Es Ia T: Zrg.“ zufolge ein neuer Larifvertrag zustande gekommen, der auf drei ; Besen ¿nbe L h ' Jahre abge.
In Cöln wird von den organisierten Fuhrleuten, Kut und Lagerarbeitern eine große Lohnbewegung Vorbe. fern die „Köln. Ztg.“ berichtet, wurde in öffentlichen Versammlungen die am 11. d. M. abgehalten wurden, betont, daß der Deutsche Tranéport. arbeiterverband in Cöln und Vororten 1200 zahlende Mitglieder habe, sotaß man tazu übergeben könne, in diefen Gewerben Lohn. und Arbeitsverträge, mit den Arbeitgebern abzuschließen. Ein Entwurf hierzu sei bereits einem Vertreter des Verbandes zur Wahrung dex Pareges des Speditions- und Fuhrgewerbes und dem Vorsißenden der Fu rherrenvereinigung von Cöln und Umgegend überreicht worden In dem Entwurf würden in der Hauptsache folgende Forderungen fi hoben: „Die täglihe Arbeitézeit der Fubrleute und Kutster soll 102 Stunden nicht überschreiten. Wenn eine längere Arbeitszeit unbedingt notwendig ist, müssen die UVeberstunden mit 60 K§ vergütet werten. Die Arbeitszeit der Lager- arbeiter beträgt 94 Stunden; Ueberstunden sind ebenfalls mit 60 - zu bezahlen. Bri Tagestouren in Cöln und Vororten werden 1,50 M und bei Tageëtouren außerhalb der Stadt 3 4 für Spesen bezahlt. Der Lohn soll in diesem Jahre 28 #4 (statt, wie bisher 24 bis 25 4) und im nächsten Jahre 29 4 für die Woche betragen. Es ist cine achttäâge Kündigung vorgesehen. Der Tarif soll am 1. Juli in Kraft treten. In den Versammlungen wurde erklärt, dg den Arbeitgebern für eine Aeußerung zu dem Entwurfe eine Frist big zum nächsten Sonnabend gesetzt sei.
. Aus Dresden wird der „Frankf. Ztg.“ berichtet, daß der \ch{on längere Zeit dauernde Streik der Shuhmacher durch die Gewäh, rung einer Lohnzulage beendet worden ist.
In Paris sind, einer Meldung des „W. T. B.* vom beutigen Tage zufolge, die Angestellten der drei größten sozialistischen Arbeiterkonsumvereine, die einen wöchentlichen Mindestloby bon 50 Francs verlangten, wegen Ablehnung ibrer Forderung in dey Ausstand getreten. Der Verbandsaus\chuß der Konsumvereine erklärt: er Éônne die Forderung der Angestellten nur dann erfüllen, wenn aus die Pariser Kaufleute von ihren Angestellten gezwungen würden, im solhe Lohnerhöhung zu bewilligen.
Aus Southampton berihtet das genannte Bureau, daß dh Maler, die gedungen waren, die von der Regierung für den Truppentranéport zur Krönungérevue gecharterten Schiffe anzustreicen, und die am 10. d. M. ihre Arbeit niedergelegt hatten, obschon ihnen eine Lohnerhöhung von 4 Schilling sür die Woche angeboten worden war (\. Nr. 135 d. Bl.), gestern beschlossen haben, die angebotene Lohnerhöhung anzunehmen und mit der Arbeit fortzufahren.
Wie das]elbe Bureau aus London meldet, hat der Sekretär des Verbandes der Shiffseigentümer erklärt, der Verband heab- sihtige nicht, der Forderung der Vereinigung der Seeleute und Heizer nachzugeben, daß si der Verband an der Bildung eines Vermittlungs- ausschusses beteilige. Es werde nit zu einer internationalen Arbeits. Land kommen, wenn sih auch vielleicht lokale Störungen ereignen önnten.
(Weitere „Statistishe Nachrichten“ \. i. d. Ersten Beilage.) Wohlfahrtspflege.
__ Die Frauensqhule der Inneren Mission in Berlin beginnt im Herbst d. J. ihren 111. Ausbildungskursus. Am I. Jahreskursus beteiligten sih 42, am 11. 51 Schülerinnen ; 21 von ihnen find bereits beruflih angestellt. Die Schule gewährt Vor- bildung für eine Reihe von Berufen der Inneren Mission, z. B. als Leiterlnnen und Gehilfinnen an Anstalten, wie Krippen, Horte, Kinderbeime, Erziehungsanstalten , Waisenhäuser , Für- sorgeheime, Mätchenerholungs- und Fabrikarbeiterinnenheime für die _Vereinsarbeit : Vereins- und Klubleiterin, Vereins sekretärin für die verschiedensten Gebiete, für den Gemeindedienst, Gemeindepflegerin, Pfarrgehilfin, Stadtmissionarin, Polizeiassistentin. Bedingungen zur Aufnahme sind Absolvierung einer höherer Mädchenshule oder Nachweis gleihwertiger Vorbildung ; voller detes 18, Lebensjahr und Einsendung eines kurzge Lebenslaufes und Gesundheitsattestes. Dte Schulgebsb: beträgt 50 F vierteljährlih; Hospitantinnen können az allen Stunden teilnehmen. In dem neuen Heim der Stule Berlin W., Kurfürstenstraße 43, können, soweit Plaß vorhanden if die auswärtigen Schülerinnen gemeinsam wohnen. Anmeldungen ¡um I1T. Kursus werden entgegengenommen vom Zentralaus\{uß für J. M in Berlin-Dablem, Post Groß-Lichterfelde West, Altensteinstr. 51 vom Verein Wohlfahrt der weibliden Jugend, Berlin N. 4, Tie straße 17, und von der Leiterin der Schule, Gräfin von der Schule: burg, Berlin W. 57, Bülowstr. 88.
Am 11. d. M. tagte im evangelischen Vereinéhause zu Schwaba# die 31. Hauptversammlung der Deutschen Neichsfecht- \chule, E. V., unter Leitung des Geheimen Justizrats Dr. Schwabe Magdeburg. Dem bei dieser Gelegenheit erstatteten Berichte über di Tätigkeit des Vereins entnehmen wir folgendes: Das Gesamtergebnii betrug am Schlusse des letzten Vereinsjahrs 2 709 008,98 46. DE Jahresrehnung für 1910 weist in Einnahme 117 153,57, in Ausêgak« 82 205,24 Æ na, fodaß ein Ueberschuß von 34 948,33 4 verbleibt Seit seinem Bestehen hat der Verein für die Reihswaisenhäuïz verauégabt: 1045 109 4, für Bau und Einrichtung 416 400 #, = Zuschüfsen zu ihrer Unterhalkting 536 927,50 „6. An Stiftungen ux? Vermächtnissen sind ihm zugefallen 159 291 A. Es bestehen bis jet 5 NRetichswaisenbäuser, und zwar in Lahr, Magdebur? Schwabach, Salzwedel und Niederbreisig, die 270 armen Waisfenkindern Unterkunft, Pflege und Erziehung gewährer Mit dem Bau des 6. Reichswaisenhauses wird in diesem Jahre Bromberg begonnen. Dem Verein gehören zurzeit 166 Zweigvereiz in allen Teilen Deutschlands, in Rußland und Amerika an.
Kunft und Wissenschaft.
A. F. Die allgemeine Sigung der Gesellschaft für Ert funde vom 9. Juni erfreute sih der Anwesenheit ihrer Kaiserlid= und Königlihen Hoheiten des Kronprinzen und der Fr Kronprinzessin, die mit kleinem Gefolge ershienen waren, # einem Vortrag von Dr. t Wegener beizuwohnen, der Thema behandelte: „Das heutige Indien, nahStudien u? Beobachtungen während der Reise Seiner Kaiserliche: und Königlichen Hoheit des Kronprinzen“. Nachdem t Vorsigende, Geheimrat Professor Dr. Penck die hohen Gâltt willfomanen geheißen hatte, erhielt der Redner des Abend? das Wort zu seinem Vortrag. Wie das Thema gestellt war, durft? man von ihm feine Schilterung der Kronprinzlihen Reise erwarte Nur gelegentlich wurde ihrer Erwähnung getan in dem Sinn? daß au die Begleitung des Kronprinzen von der Belehrung und £7 chöpfenden Auskunft großen Nutzen gezogen, die sein emsiges Be- fragen der besten Kenner Indiens zur erwünschten Folge hatte. V0 gegen behandelte der Vortragende in meisterhafter Weise unt? großen Gesichtspunkten die fkulturellen und politischen Fragen, Ie ich an den derzeitigen Zustand Indiens knüpfen. Ist doi, o führte er aus, auch für unsere due Politik dit Frage von der weitreihendsten Bedeutung, ob es England auf De auer gelingen wird, seine Machtstellung in Indien zu behaupten: Um hierüber ein Urteil zu gewinnen, ist es nötig, sich die Zuständ? des Landes zu vergegenwärtigen : Auf einem Flächeninhalt von nahbez2 44 Millionen KQuadratkilometer, d. i. annähernd soviel a gans Europa ohne Otunland, besaß nach ‘der jüng!l{s Volkszählung British - Indien 315 Millionen Einwohner,
Millionen mehr als das siark bevölkerte außerrussische R und nahezu das doppelte der Gesamtbevölfkerung Amerikas. Diese Bevölkerung is dauernd in großer Zunahme begriffen, sie hat ch seit dem Jahre 1800 mehr als verdreifacht, seit der vorlezten Vo fszählüng (1901) allein si um 21 Millionen ver- mehrt. Nach Rassen und Sprachen is sie sehr vielgestaltig. Das Völkergewimmel ariser, mongolisher, negroïder Art und Mischung übertrifft äußerlih in Mannigfaltigkeit die Europa vom Nordkap bis Kreta bewohnende Bevölkerung, die Unterschiede der FKulturzustände bleiben nicht hinter denen auf dem gleichen Raum Europas zurü. Im Grunde genommen find sie größer, ein Abgrund ohne ' seinesgleihen in Europa fklafft z. B. wischen der geistigen Entwicklung eines Angehörigen der d infelhäutigen Stämme Innerivdiens und etnes brahmanischen Ge- lehrten von Benares. Und diese merkwürdig gemischte Bevölkerung bewohnt ein Land, das Oro scharf umgrenzt ist. Vom Ozean an seiner Westseite und Ostseite umspült, ist es gegen Norden durch einen ungeheuren Gebirgswall von dem asiatischen Festland geschieden, wie Lord Curzon einst sagte, eine gewaltige, bei genügender Wachsam- feit unstürmbare Festung. Während die Seegrenze durch die britische
¡her ge{chüßt wird, dürfte ein Angriff von Norden her, vom Flotte / i i Hymalaga und dem ihm als Glacis vorgelagerten Hochland von Tibet ganz ausgeschlofsen sein. Nicht ganz so ungangbar scheint das gegen Nord- westen liegende iranishe Bd so sehr auc seine schwierigen Ge- birge und wasserlosen üsten einen Angriff ers{hweren würden. Jmmerhin liegt im Nordwesten die einzige gefährlihe Stelle. Während die Gebirge im Norden und Nordosten in threr Wildheit eine so starke Scheidewand gegen China bilden, daß von dort aus niemals in mehrtausendjähriger Vergangenheit ein Angriff auch nur versucht worden ist, i zwishen dem tibetishen und iranishen Hochlande der Gebirgskranz auf eine einzige wasser- \heidende Kette, der Hindukusch, zusammengedrängt und tat- \¿hlich is diese Stelle immer das große Einfallstor ewesen, durch das alle Eroberer, alle nach Indien hineinflutenden Pölker ihren Weg genommen haben. Hier ist heute noch der einzige Punkt, an dem die Engländer die Möglichkeit einer Invasion ernst ins Auge fassen und dem sie auch in dem angrenzenden afghanischen Teil des iranishen Hochlandes volle Aufmerksamkeit zuwenden. Be- fannt ist ja, daß, um einem Angriff von dieser Seite zu begegnen, der Emir von Afghanistan unter einen vorwiegend einglischen Einfluß gezwungen, Belutschistan unter britishes Protektorat estellt, ja teilweise annektiect worden ist. Die große durch Lord Kitcbendt vorgenommene Neuorganisation der indischen Armee ist wesentlih unter dem Gesichtspunkte der Verteidigung der Nordwest- grenze erfolgt, Peschaur besißt heute die stärkste Garnison Indiens. Doch haben es die Engländer gleichzeitig verstanden, der Gefahr einer etwaigen Erhebung in Indien selbst zugunsten eines auswärtigen Angreifers und im Zusammenwirken mit ihm entgegenzuwirken. Daß jemals ein soldher Fall, etwa zugunsten Rußlands, eintreten fönnte, ersheint ausgeschlossen, weil die noch regierenden indischen Fürsten, deren Zahl 600 übersteigt, genau wissen, daß sie unter britishem Regiment die größte Freiheit der Bewegung genießen. Ebenso entseßen sich die neu emporkommenden Schichten der Gebildeten aus dem Volke vor einer russis{en Invasion, von der se stärkere Knebelung als von seiten Englands befürchten. Da inzwishen auch England und Rußland Freunde geworden, so bedeutet dies alles, daß sih England auf lange Zeit von jener großen „äußeren“ Sorge befreit sieht und seine Aufmerksamkeit ganz auf die inneren Schwierigkeiten rihten kann. Unter ihnen stehen die mit der Bevölkerung zusammenhängenden an erster Stelle. Kulturell fehr tiefstehend {find da als âlteste Volksbestandteile kleine, dunkelhäutige Ureinwohner in versprengten Stämmen und entlegenen Berggegenden. Aber in großer Zahl bewohnt die Südhälfte des Dekkan in ges{lo{senen Massen und in einzelnen Gruppen über das ganze Land zerstreut ein höher stehendes Volk, die Drawida, ein dunkelbrauner, kräftiger, arbeitsamer und leiht lenkbarer Volks\hlag. Geistig wesentlih tiefer stehend als die später gekommenen Völker, haben die Drawida auch in den Teilen des Landes, wo ihre Sprache niht mehr gesprochen wird, doch manches von ihrem Blut an die anderen Rassen und von ihren Geist an die indische Zivilisation übertragen. Jedenfalls waren die Drawida der beste Nährboden für die Entwicklung der ursprünglich edlen und einfachen Lehren der etwa um 2000 v Chr. durch die obengenannte Völkerpforte eindringenden Arier zu den phantastischsten, grobsinnlihen Vorstellungen und abergläubischen NRiten, die uns heute als indische Volksreligion entgegentreten. Dte Drawida-Gegenden sind es auch, wo die riesigsten und in den barocksten Penn gebauten Htndutempel vorhanden sind, die Herr- haft der Priesterkaste am mächtigsten entwickelt ist. Jene hellhäutigen Arier, die Angehörigen unserer eigenen Rasse, dagegen sind es, die zunächst in die Ebene des Indus ihre eigenartige, auf Ackerbau be- cuhende Kultur getragen haben, die zu den größten geijtigen Leistungen der Mcnschheit gehört. Sie \hufen die älteste der großen Welt- regionen, den Brahmaismus, und zugleih die Grundzüge des Kasten- wesens, etne \tarre soziale Gliederung, die Jahrtausende hindurch die Bevölkerung Indiens in Fesseln von großer Dauerhasftigkeit {lagen solte Die drei obersten dieser Kasten, die Priester, Krieger und Ackerbauer, waren dem Herrenvolke vorbehalten. In die vierte, die Kaste der Handwerker, wurden auch diejenigen von der einheimischen Bevölkerung aufgenommen, die sich freiwillig unterwarfen, alle anderen wurden als. Kastenlose — Paria — von allen Nechten ausgeschlossen. Im Laufe der Jahrhunderte haben dann die Arier ganz Indien erobert, ihre Religion und ihr Kastenwesen über das ganze Land verbreitet. Allmählich ist die Krieger- und die Ackerbauerkaste fast ganz verschwunden, die Priesterkaste aber hat an Bedeutung ge- wonnen als Besißer und Hüter aller geistigen Werte der indischen Kultur. Ihr unterordnet ih das Volk völlig und in Ehrfurcht. Selbst ihre weiße NRassenabstammung haben die Brahmanen zu einem hohen Grade reinblütig erhalten. Aus der vierten Kaste aber haben sih eine große Menge forafältig gegeneinander abgestufter Kasten entwickelt, welche die Bevölkerurg strenger {eiden ‘als die sonstige Verschiedenheit von Stämmen und Sprachen. Religion und Kasten wirken für die Beherrshung der Inder durch England teils günstig teils ungünstig. Erstens, weil der Hinduismus die Interessen der Bevölkerung von den Dingen der umgebenden Wirklichkeit ablenkt und die Anteilnahme an politishen Fragen ganz autscließt, was wahrscheinlich noch lange Zeit so bleiben wird. Hinzu kommt, daß die Bramahnenklasse der einzige Priesterstand der Welt ist, der \h tatsählih im wesentlihen auf die Vorherrschaft in der geistigen Velt beschränkt und durch die Jahrtausende beshränkt hat Ungünstig wirkten dagegen die das ganze Leben gängelnden religiöfen Vor- stelungen und Vorurteile, die in threr Leichtverleglichkeit einen Fanatismus erzeugen, dem mit Vernunftgründen nicht beizu- fommen ist. Das Kastenwesen hat die für die Beherrshung günstigen Folgen, daß sie im Gemüt der Inder das Dogma von der Ungleichheit aller Menschen aufrehterhält. Doch bereiten si im Kastenwesen, keinesfalls in der Religion (!) Veränderunyen vor, die seine Lockerung und Auflösung voraussehen lassen. Hierzu tragen ver- mutlih die modernen Verkehrêmittel bei, da man doch nicht für jede Kaste besondere Eisenbahnabteile schaffen kann, sowie auch die Schuke. Das Christentum hat außer bei den politisch und wirtschaftlich einflußlosen Parias keine nennenöwerten Erfolge erreichen können. Solhe sind aber der europäischen Schulbildung nachzusagen, nur mit der Einschränkung, daß sie ein gebildetes Proletariat zu {hafen droht, das in politisher Betätigung scin Heil sucht. Doch die Arier bildeten nit die leste Völkerflut, die si über Indien ergoß. Nach dem Fall der Sassaniten kamen die Perser ins Land mit der von thnen festgehaltenen Neligion des Zoroaster und bald nachher, etwa um 1000 n. Cbr., mohammedantshe Bölkerstämme,
die eine dritte Weltreliglon ins Land brachten. D ais haben sich, dank mancher A eee Herrscher die sie besaßen, mit solcher
Energie verbreitet, daß Indien heute belnahe 60 Millionen Moham- medaner zählt, fast dreimal soviel als die Türkei, Außer der Kultur, die sie ins Land gebracht, sind sie es au gewesen, die unter den LOUGER der mongolishen Dynaslie, den „Groß- moguln*, nahe daran waren, elne politis@e Einigung Indiens
herbeizuführen. Unter den indishen Mohammedanern sind natürli auch viele Bekehrte, also Hindu; doch den Mohammedaner, welcher Nasse er auch angehöre, erkennt man an der stolzen Haltung und der hochmütigen Indolenz gegenüber den „Ungläubigen“ immer beraus. Sie erfordern deshalb eine besonders vorsihtige Be- handlung. Ein festgewurzelter Haß beherrscht sowohl Moham- medaner als Hindu und scheidet beide Volksteile tiefer, als der gemeinsame Widerwille gegen die Engländer sie verbindet. Endlich seien zum Verständnis der bunten Zusammenseßung der indi- {en Bevölkerung noch die Europäer erwähnt, die seit 1498 zu See ins Land kamen, Portugiesen, . Holländer, Dânen, Franzosen, zuleßt die Engländer als Träger der vierten Weltregion, des Christentums. Sie alle rangen in den nächsten 2 Jahrhunderten sowohl mit den einheimishen Fürsten als untereinander um die Vormacht auf dem Boden Indiens, bis diese endlich England zufiel. Portugiesen und Franzosen haben noch kleine Besißungen in Indien, alles Andere beherrschen die Briten, und zwar F des Ge- biets unmittelbar, während § noch unter einheimischen Vasallenfürsten, teils Hindus, teils Mohammedanern, steht. Das Verhältnis zu diesen Fürsten, die zum Teil unermeßlich reich, ehrgeizig, do auch orientalisch- vers{chlagen sind, ist durch Sonderverträge geregelt ; es dauernd freund- lih zu erhalten, erfordert viel diplomatische Geschicklichkeit; denn diese Fürsten stehen naturgemäß ihren Völkern näher als dem weißen Fremdlinge. Es is nun, angesichts dieses Chaos durchaus ver- schiedener, weit u Fee E E Bildungszustände, Bestrebungen, Interessen in hohem Grade bewundernswert, daß England diese Welt zu beherrs{hen vermag und mit einer ihrer Zahl nah geradezu lächerlich geringen Macht beherrscht. Denn die Anzahl der weißen Truppen, auf welhe im Notfall allein sicherer Verlaß ist, übersteigt zurzett nicht 60000 Mann, denen 115 000 Mann eingeborener Truppen, europäish ausgebildet und bewaffnet, beigesellt sind. Leßtere sind auf Grund der bei dem Militäraufstand 1857 gemachten Erfahrungen aller- dings überall so zusammengeseßt, daß sie aus verschiedenen Völkern, Religionen und Kasten bestehen, sodaß Vershwörungen untereinander sehr ershwert sind. Und England herrsht wirklich, niht nur dem Namen nah oder durch allerlei Kompromisse. Es herrscht mit einer jeltsamen ruhigen Selbstverständlichkeit, die uns Deutsche auf Neisen in alle Teile des britishen Weltreihs immer wieder in Verwunderung seßt. Nirgends tritt ein Bestreben zutage, die Notwendigkeit der eigenen Existenz darzutun. Selten sieht man obrigkeitlihe Personen, wenig erbote und Verordnungen, und doch merkt man überall das Vorhandensein der Ordnung haltenden Macht. Es war bis vor kurzem: keine Uebertreibung, daß man in ganz Indien ohne Waffen wesentlich sicherer reiste als in manchen Teilen Europas. Wie erklärt sich diese erstaunliße Tatsache ? Ein Hauptgrund iste jedenfalls die völlige politishe Gleichgültigkeit von 80 bis 90 9% der ungeheuren Bevölkerungszahl, die Landbauern sind, deren ganzes Lebensinteresse im Ringen um das unmittelbare Dasein aufgeht. Aehnlich liegen ja die Verhältnisse in China, doch besteht der Unterschied, daß in der indischen Bevölkerung eine größere Neigung zu religiösem und politishem Fanatismus vorhanden ist. Aber die hierin liegende Gefahr ist wieder gemildert durch die über- aus starken, im Borangehenden nachgewiesenen Trennungen, welche die indishe Bevölkerung durhseßen, die Unterschiede der Rassen, Sprachen, Kulturgrade, vor allem der Kasten und die religiösen Gegensätßze, wodurch die Beherrschten untereinander oft rimmiger verfeindet sind, als der gemeinsame Haß gegen die Be- beiti der sie eint. In der Verwertung dieser Gegensäße besteht die Kunst der englischen Politik. Mit größtem Geschick haben die Briten, nah dem Vorbild der alten Nömer, von jeher den Grundsaß „Teile und herrsche“ angewendet, indem sie Staat gegen Staat, Rasse gegen Nasse, Neligion gegen Religion auszuspielen verstanden. Hinzu treten zur Erklärung des englishen Erfolges in Indien noch das unmeßbare Moment der moralischen und intellektuellen Kraft der weißen Rasse überhaupt sowie das eigenartige Verwaltungs- enie des englischen Volks\{lages, das er unleugbar besißt.
ndlih — und diese Seite ist bei der Beantwortung der Frage nah den Ursachen der ersichtlih festen Begründung der englischen Herr- schaft über Indien keineswegs gering anzushlagen — bilden die großen Leistungen Englands in Indien und für Indien einen wichtigen Er- kflärungsgrund. Eine eingehende Würdigung dieser Leistungen würde Bântde füllen. Was hat z. B. England aus Bombay, Madras und Kalkutta gemacht! Die 10 000 km indisher Eisenbahnen übertreffen numerisch das Mutterland. Ein großartiges Kanal- und Bewässerungs8- system hat über 600 Millionen Mark gekostet. Unausgeseßt werden au heute noch Wohlfahrtseinrihtungen aller Art geschaffen, Wege, Brücken, Hospitäler, Sanatorien, Höhenkurorte. Post und Telegraph sind in glänzender Wirksamkeit. Eine ficher fundierte Münzwährung hat früher verworrene Zustände abgelöst. Kurzum es ist gelungen, durch eine klare, ruhige, unparteiishe Leitung Menschenalter hindurh den Millionen der Bevölkerung einen Zustand von Frieden, Nuhe und Sicherheit an Leben und Eigentum zu erhalten, wie er vorher zu keiner Zeit seiner Geschihte in Indien bestanden hat. Eine einheitlihe, dem Volkëempfinden Rechnung tragende Rechts- pflege is Indien geschenkt worden, an der einheimische Nichter bis in die höchsten Stellen teilnehmen. Tausende von Schulen verschiedener Grade forgen für die geistige Hebung des Volkes, und als wertvollstes Geschenk ist dem indishen Volk durh das Beispiel der englishen Verwaltung etwas gegeben worden, das in Indien bisher unbekannt war: Der Begriff der öffentlichen Integrität und der selbstlosen Hingabe des Einzelnen an die All- emeinheit. Es könnte hiernach in hohem Grade fragwürdig er- cheinen, woher dennoch die tiefgehende und anscheinend immer wachsende Unzufriedenheit in Indien stammt. Der Hauptgrund liegt nah Ansicht des Nedners in der nun einmal vorhandenen und durch nichts zu beseitigenden Betiachtungsart der Engländer als einer Eroberernation im Verhältnis zu einer stammfremden, unterworfenen Bevölkerung. Und unfraglih ist ja auch der gar nit geleugnete Grund und Zweck dieses Ver- hältnisses der eigene Nußen, die Entfaltung der etgenen Kräfte der Permquu@ion; aber die Engländer baben es doch aus verständigen Srwägungen heraus ermögliht, auch die Wohlfahrt tes unterworfenen Volkes soweit zu fördern, als es ihnen möglih schien, obne wesent- lie Interessen des eigenen Landes zu verleßén. Eine das unter- worfene Volk völlig befriedigende Lösung gibt es niht. Die Meinung, die Vorteile, welche das fremde Herrenvolk aus jeinem Lande ziebt, gebührten eigentlich ihm, wird dem Inder nie zu benebmen sein.
Auf Dank und Anerkennung werden in diesem Verhältnis die |
Engländer nie rechnen können. Es wird von thnen darauf au nit
None oder Verbrauhsgegenstände im Innern durch Inder elbst herstellen zu lassen. Zu diesem Punkte, an tem Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik der Engländer sich zu zeigen beginnt, kamen noch andere, die gewissermaßen als die Kehr- seite der Segnungen zu bezeichnen sind, die England Indien gebracht hat: Die vorhandene Nechts\sicherheit soll die kleinen Ackerbauer den Wucherern in die Hände treiben, die Eisenbabnen sollen die Ent- leerung des Landes von Getreide durch Spekulanten befördern, vor allem aber hat die gebotene Schulbildung zur Folge, viele Inder \o heranzubilden, daß sie Anwartschaft auf allerlei bevorzugte Stellungen im öôffentlihen Dienste geben, Forderungen, die die Engländer vielleicht mit Recht, im Interesse der Aufrechthaltung ihres geordneten Verwaltungsdienstes, nicht im gewünshten Umfange erfüllen können. So vermehrt sich die Zahl der Unzufriedenen und durch die empfangene Bildung von der abergläubischen Befangen- heit der Vorfahren Befreiten. Zusammenfassend \prach in über- zeugender Begründung der Redner zum Schluß seines mit gespannter Aufmerksamkeit angehörten Vortrags die Meinung aus, daß auch für Indien einst der Tag kommen werde, da ih eine indische Nation aus dem gegenwärtigen Chaos herauszubilden be- ginnen wird, und zwar în tragischer Verkettung der Ursachen einer solhen Bewegung mit eben der Kultur, die England in den ver- schiedenen Richtungen dem Volke gebracht hat, vornehmlih der Schul- bildung, die es vermittelt, und nit zum geringsten Teil auch der einheitlichen Sprache, die es zur Beseitigung des vorhandenen Sprachen- wirrwarrs mit der allgemeinen Verbreitung des Englischen bietet.
_ Der Kirchen- und Historienmaler Professor Hermann Schaper ist, dem „Hannoverschen Anzeiger" zufolge, gestern vormittag in Hannover gestorben. Am 3. Oktober 1853 in Hannover geboren, be- suhte er die Technische Hochschule in seiner Vaterstadt und die Akademie in München. Von seinen zahlreihen Werken seien die N EinCTrelen im Ordenshoch\chloß Marienburg sowie Gemälde im Dom zu Bremen, dem Münster in Aachen und im alten Nathaus in Hannover genannt. Auch an der Auétshmückung der Kaiser Wilhelm- Gedächtntskirhe in Charlottenburg war Professor Schaper in hervor- ragender Weise beteiligt.
Land- und Forstwirtschaft.
Die diesjährige Hauptversammlung des Deutschen Forstvereins findet in der Zeit vom 21. bis 26. August in Königs- berg i. Pr. statt. Geplant sind für den 22. und 23. August Sißungen; für den 24. der Hauptausflug tn die Oberförstereien Alt- Sternberg und Neu-Sternberg, für den 25. Nachausflüge an dle famländishe Küste nah Warnicken und Rauschen oder in das große Moosbruch, Oberförsterei Nemonien; für den 26. Nachausflüge nah NRominten oder nah Palmnicken an die samländishe Küste zur Be- sichtigung der Bernsteingewinnung. Alle Freunde des Waldes, auch wenn sie dem Verein nicht angehören, sind als Gäste willkommen. Programme und Anmeldescheine können von der Geschäftéfübrung der X11. Hauptversammlung des Deutschen Forstvereins in Königsberg i. Pr. unentgeltlih bezogen werden.
Saatenstand und Getreidemarkt in den Vereinigten Staaten von Amerika gegen Ende Mai 1911.
Für die innerhalb sechs Wochen reifende Ernte von Winterweizen sind die Aussichten im ganzen genommen andauernd günstig. Es wird eine frühe und reihe Winterfruchternte erwartet. Der nicht unbeträcht- lihe Schaden, der im Südwesten durch anhaltende Dürre und starke Hitze tn den Weizenfelderv entstanden i, wird mehr als ausgeglichen durch die auf rund 2 Millionen Acres gegen das Vorjahr berehnete Vergrößerung der gesamten Fläche unter Winterweizen und die gute Qualitätszahl für die ganze Union. Sollte der Monat Juni trodene Witterung ohne übermäßige Hiße bringen, so ist es nicht ausge- chlossen, daß die Winterweizenernte 500 Millionen Bushel erreichen oder gar übersteigen wird. Auch die Güte der Frucht dürfte in diesem Jahre besser ausfallen, als 1910. Man rechnet hier als Durchschnittsgüte des Winterweizens 60 amerikanishe Pfund auf den Bushel. Im vorigen Jahre kamen durchs{chnittlich nur 56 Pfund auf den Bushel. Für 1911 erwartet man v1 Pfund. Der Unterschied von 5 Pfund würde also {on einen Mehrertrag von über 40 Millionen Bu}hel ergeben. Es ist daher wohl mögli, daß der Mehrertrag der kommenden Winterweizenernte 100 Millionen Bushel gegen das Vorjahr betragen wird. Der amtlich angegebene Ertrag war 1910 rund 464 und 1909 rund 446 Millionen Bushel. (8 sel indes hier wiederholt, daß die Zahlen in betetligten Kreisen \tark angezweifelt werden. Im Besonderen wird die Ernte 1910 angesichts des heimishen Verbraußs, der nah- gewilesenen Verschiffungen und der ermittelten Vorräte als um mindestens 25 Millionen Bushel übershäßt angesehen.
Seit etwa Jahresfrist ist der Regenfall im ganzen Wide unter dem normalen Durchschnitt geblieben. Wassermangel macht sich jetzt {hon stellenweise fühlbar. Im Norden traten Waldbrände bereits im April auf. New York sowie Städte am Stillen Ozean sind gezwungen, mit ihren Wasservorräten hauszuhalten. Der Mississippi steht bei St. Louis, also nach der Vereinigung mit dem Missouri, so tief, wie sons nur nach langer Sommer- dürre Für Mais und andere Feldfrüchte, die erst im Herbst reifen, ist die Dürre bedenklih. Aber Winterweizen reift im Juni und gibt erfahrung8gemäß in trockenen Jahren eine g F während der Ausfall în nassen Jahren in der Rege
Für die Ausfaat des Sommergetreides i Staaten und in Canada waren die Boden- un überaus günstig. Der Saatenstand ift au für die volle Entwicklung wird es Auch dort ist die Anbaufläche ni man beute {ägt, um etwa eine *
So wird zu gegenwärtigem Z im beurigen Erntejahre auéüben wird als in den l Winters die biesigen | lage mebr angepaßt baben, fo e
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gerechnet, sie sind befriedigt, und düfen es sein, wenn nur eingesehen |
wird, daß die britishen Leistungen den Interessen des Landes dienen. Aber gerade in diesem Punkte bereiten sich in neuerer Zeit tiefgehende Unterschiede der Meinungen vor, die thren Grund {on in der vor 200 Jahren eingeschlagenen Richtung der englishen Wirtschaftspolitik Indien gegenüber haben... Damals war Indien noch ein Industrieland, das Europa u. a. mit Textilstoffen versorgte. Jm Interesse seiner ein- heimischen Bevölkerung bat England diese Industrie vershwinden machen und Indien zu einem Agrarlande umgewandelt. Es sind außerordent-
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aber der Ackerbau durch die dichtsißende Bevölkerung ist bier schon
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inderungsmaßregeln getroffen werden (u. a. ist jährli ein Betrag von | 15 Millionen Rupies in den indischen Etat eingestellt worden), für | p die es aber kein absfolutes Vorbeugungsmittel gibt, da aud die | vom I
Schaffuna besserer Zufahrtstraßen, Verbesserung der VBerieselung® verhältnisse durh Kanäle, Stauwerke und Brunnen
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cine beschränkte Hilfe bringen. Es entsteht aus allen diesen Gründen j
die immer lauter werdende Forderung der Inder, mit der spste» } matishen Agrarisierung der Bevölkerung cinzubalten und dem Lande } |
wieder eine Industrie zu geben, die große Teile der Bevölkorung T nährt und ihnen eine böhere Lebensstellung ermöglicht. Das Ziel zu
erreichen, sind von indis@en Patrioten Bestrebungen in die Woge go |
leitet, Indien industriell vom Auslande unabhängiger zu maden, die
DiSule zu Siements-Schu&ertwerke, ProseFor trag üder die Elektrifiziertang de üder die in Utter Zeit dei ctr
! sder Lokomotiven erzéelten Ereig fem