1911 / 142 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Jun 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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des Gebiets niht mehr um: eine wirtshaftlihe Einheit handle, seien niht ganz unberechtigt, doch dürfe niht übersehen werden, daß von den beiden Kreisen 9009/9 der Einwohnerschaft an der Steuer- kraft nah Groß-Berlin gravitierten. Den Kreis Osthavelland ein- zubeziehen, habe man abgelehnt, da dieser Kreis noch nicht Vororts- charafter trage; die Lösung dieser Frage sei der Zukunft vorbehalten worden. Befseitigt habe die Au die erst vom Abgeordneten- hause beschlossene Erweiterung der Aufgaben des Zweckverbandes durch die Fürsorge für den Bau von Kleinwohnungen; geblieben seien die Aufgaben auf dem Gebiete der Verkehrsanlagen, der Bebauungs- pläne und: der Beschaffung größerer Freiflächen bezw. Schaffung und Erhaltung eines Wald- und Wiesengürtels um Groß-Berlin. Als würschenswert und notwendig habe die Kommission erklärt, daß in die Selbstverwaltung der Kommunen nicht tiefer eingegriffen werden dürfe, als absolut unumgänglich sei; in diesem Sinne habe die Kommission eine Reihe von Milderungen beschlossen, zu denen auch die Wieder- beseitigung der Befugnis des Zweckverbandes zum Bau von Klein- wohnungen gehöre. j __ Korreferent Herr Körte: Es ist mir die Aufgabe zuge- fallen, den Standpunkt der Minderheit der Kommission zu ver- treten. Diese erblickt in der Art und Weise, wie das Haus mit der Sache im leßten Abschnitt der Session befaßt wird, eine wenig glülihe Lösung. Die Staatsregierung hat ausdrücklich anerkannt, daß es sih hier um einen sehr wohl zu überlegenden Schritt der Gesetz- gebung handelt, denn es soll ein neues Verwaltungsorgan ein- geführt werden, der Zweckverband. Die Vorlage hat im Abgeordneten- hause begreifliherweise eine sehr lebhafte Diskussion hervorgerufen und ist eingehend geprüft worden. Die Mitglieder des Herrenhauses konnten erst sehr spät die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses prüfen, und die Kommission hat eine volle Woche in anstrengenden Sizungen sich damit beschäftigt. Heute, 4 Wochen nah Beendigung der dritten Lesung im Abgeordnetenhause, können wir uns leider erst mit der Vorlage beschäftigen. Es wäre richtiger gewesen, die Sache nicht fo eilig zu behandeln. Die Staatsregierung hält eine sleunige Verabschiedung des Geseßes für notwendig. Daß Groß - Berlin eine wirtschaftlihe Einheit im Laufe der Jahrzehnte geworden ift, unterliegt feinem Zweifel. Es fragt sich nur, ob die kom- munalen Verhältnisse Berlins einer kommunalen Neuregelung be- dürfen. Die Minderheit der Kommission glaubt, daß man hier nicht eklektisch vorgehen dürfe. Man dürfe niht in Bausch und Bogen über Berlin urteilen. Die Minderheit hat von der Staatsregierung den Bericht des Oberbürgermeisters Kirs{ner über die kommunale Entwicklung Groß-Berlins erbeten, den dieser 1906 erstattet hat. Dieser Bericht beweist, daß die Behörden die politishe Weichbild- grenze Groß-Ber!ins unbeachtet lassen, so daß die Bewohner vielfach nicht wissen, wohin sie eigentlich gehören. Die gesamte Bebauung in der Umgegend Berlins erfolgt ohne jede Mitwirkung der Mutter- gemeinde. Bon einer Einwirkung auf eine gesunde Bebauungspolitik kann daher bei Berlin nicht die Rede sein. Man múß anerkennen, daß vom kommunalen Gesichtspunkte aus die kommunalen Angelegen- beiten in Berlin und in den Vororten niht so geordnet sind, wie es zu wünschen wäre. Die Minderkbeit bestreitet niht, daß Charlottenburg usw. vortrefflich verwaltet werden, aber das muß zugegeben werden, daß bisher die Möglichkeit einer zusammenschließenden Regelung gefehlt hat. Dadurch entsteht ein erheblicher Giftebexbraucb und eine erheblihe Divergenz in der Armenfrage usw. Es ist nit zweckmäßig, daß am Ende einer Straße nach diesem und am anderen Ende nach einem anderen Gesichtspunkt gearbeitet wird. Der Vor- wurf der Verlangsamung der Geschäfte kann Berlin und anderen um- liegenden Orten nicht erspart bleiben. Von diesen tatsählihen Ver- hältnissen ausgehend, hat sich die Minderheit auf den Standpunkt gestellt, daß eine Besserung notwendig is. Sie meint aber, daß der vorgeshlagene Weg nicht der richtige ist. Es hätte ein gesamter Verwaltungsbezirk ge\chaffft werden müssen, und zwar durch eine Eingemeindung der Vororte. Die Staatsregierung kat allerdings darauf hingewiesen, daß sie selber diesen Weg früher für den richtigen gehalten, die Stadt Berlin aber 1896 diesen Weg verworfen habe. Wenn zugegeben werden müßte, daß der Weg eines freiwilligen Zu- \ammenshlusses der Gemeinden niht mehc gangbar ist, so würde immer noch die zwangsweise Eingemeindung dem Wege vorzuziehen sein, den die Vorlage gehen will. Auch diese mat von dem Mittel des Zwanges einen schr weitgehenden Gebrauch : fie gewährt aber nicht die rihtige Nemedur für die vorhandenen Uebeistände, denn sie zieht dem Zwekverbande einen viel zu engen Nahmen. Der Einwand, daß die vreußishe Städteordnurg auf Riesenkommunen von 4 Millionen Einwohnern nicht zugeschnitten sei, ist unhaltbar. Die Steinsche Städteordnung hat fih über ein Jahrhundert bewährt und ist fait für die ganze Welt vorbildlich geworden. Sie gewährleistet nit nur für kleine, son*ern auch für die allergrößten Gemeinwesen eine durchaus zweckmäßige Regelung und Verwaltung der kommunalen Angelegenheiten, und sie verbürgt zuglei die so dringend erforder- liche Einheitlichkeit der Verwaltung. Das Interesse des einzelnen an der tätigen Mitarbeit in der Kommune im Interesse des Staats- ganzen wird gelähmt, wenn das Steinsche Prinzip der Städteordnung dur{brochen, wenn an Stelle der Selbstverwaltung eine neue, ganz im Gegensaß zu dem Steinschen Prinzip überwiegend bureaukratis{ gestaltete Behörde geseßt wird. Der gegebene naturgemäße Weg ift do der, daß man Berlin der Provinz Brandenbuig wieder ein- verleibt und die Neichshauvtstadt mit ihren Vorortsanneren dadur wieder zu cinem lebensfrohen und lebendigen Gliede der jett ent-, sremdeten Provinz maht. Die Verschmelzung der beiden großen Land- kreise mit Groß-Berlin ift eine vollständig anorganishe Maßnahme. ¿Fur die Kreisverwaltungen werden dadurch Aufgaben erwachsen, die unendlih weit über die gewöhnlichen Aufgaben und Geschäfte eines Kreises hinausgehen, sodaß dadur die Bearbeitung der ci..entlichen Krei8aufgaben durch die Landräte alimählih {were Einbuße erleiden muß. Der Kreis Teltow ift ja bekanntlih auch selbst von dieser An- \hauung durdrungen, fogar bezüglich des Betriebes von Scienen- und Schnellbahnen, wie die Petition des Kreistages klar dartut:; aber auch in betreff der Bebauungspläne hat er uns höchst gewichtige und schr ernst zu nehmende Bedenken vorgetragen. In einer ganzen Reibe weiterer Petitionen der geordneten Veitretungsförper- schaften von Vorortsgemeinden ist sodann der Standpunkt ver- tr-ten worden, daß immer noch als die beste Lösung aller Shwierig- keen die Eingemeindung angesehen wird. Es stebt auch wobl fest, daß, wenn die Negierung vor 20 oder 15 Jahren ihre Auf- salfung von der Notwendigkeit der Eingemeindung mit tem gebörigen Nachdruck vertreten bätte, sie die Eingemeindung hätte haben können, eut lehnt fie diefe ab und beruft sich auf die Unmöglichkeit eines Zwanges. Es bestehen allein auf dem Gebiete der Bahn- unternebmungen etwa 100 Verträge der Gemeinden mit Babn- gesellschaften ; die Vorlage gibt dem Zweckverbande die Möglichkeit, alle diese bestebenden und noch geplant:n Unternehmungen auf si zu übernehmen und dann die Verteilung der Last nach einem „Prinzip des Intere}jes“ zu bestimmen. Werden unter folen Ausp!zien die Gemeinden nun bereit sein, weitauss{auende Verkehrépläne über- haupt noch weiter zu verfolgen? Wer vor Jahren großzügige Unter- nehmungen ins Leben gerufen hat, dürfte bei dem „Prinzip des Interesses“ zu kurz kommen, und abgelegene Orte werden vielleicht die entscheidende Stimme haben. Ale diese Gesichtspunkte bat die Minderheit in der Kommission leider vergeblih geltend gemacht. Die Minderheit glaubt, die bier in Betracht kommenden Verbältnifse befsec zu fennen als die Mebrheit, urd befürchtet, daß unter der Zwedéverbandégemeinschaft egoistishe Interessen fich in den Vorder- grund drängen werten. Man wird dur Hintertüren und halbver- ]{losjsene Türen Spekulationsinteressen zu verfolgen suchen; einer wilden Spekulation wird Tür und Tor geöffnet sein. Die Verbands- verwaltung fann diese Verbältnisse niht übersehen. Es wird ein Kampf und eine Gegensäßlichkeit entstehen, wie wir sie im kom- munalen Leben noch nt erlebt haben. Als Ve- treter größerer Ge- meinwefen bielten wir uns für verpflihtet, dies in ter Kommi!sion 1éd: üflih he vorzubeben. Eine nähzre Prüfung bat auch gezeigt, allen Richtungen unanfeh!bares Verbantêgebiet nicht rserden fonn Vîan ist zu einem Verbandëgebiet ge- bié 60 Qu eil:n umfaßt. Es handelt ih bier

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um ganz verschiedene Wirtschaftsgebiete. Den Kreis der Aufgaben des Zweperbandes hat man möglichst erweitern wollen. Das Ziel ist offenbar eine staatlich verwaltete Provinz Groß-Berlin unter einem besonderen Oberpräsidenten. Wo bleibt denn die Selbst- verwaltung der Gemeinden, wenn der Verband fo weitgehende Auf- gaben zugewiesen erhält ? Nicht weniger bedenklich ist die Belastung, die diese Vorlage zur Folge haben würde. Allein die Regelung des Fluchtlinienwesens würde viele Millionen kosten, ganz ab- gesehen von dem Erwerb der freien Flächen. Eine einzelne Gemeinde kann ihre Flächen viel billiger erwerben als ein Verband. Die Schaffung eines Wald- und Wiesengürtels \ollte der eigentliche Anlaß ¿u diesem Gesetze sein. Dabei ist doch bekannt, daß die Ge- meinden mit dem Landwirtschaftsminister hierüber verhandelt hatten. Ob der Zweckverband besser fahren wird, wenn er seiner- seins mit dem Minister verhandelt, ist doch sehr zweifelhaft. Die Organisation der Verwaltung des Zweckverbandes nach dem Muster der Provinzialbehörden erscheint uns verfehlt. Eine Selbst- verwaltung im Sinne der Steinshen Städteordnung ist das nicht, namentlih wenn man das vorgeshlagene Wahlrecht in Betracht zieht. Die Minorität erblickt in diesem Geseßentwurf einen {weren Ein- griff in die Selbstverwaltung, einen Schritt, der weitere nah sich ziehen muß. Ich schließe mit dem Wort, das ein Spandauer Ver- treter bei der Einweihung eines Nathauses gesprochen hat : Behüte uns des Kaisers Hand vor Groß-Berlin und Zweckverband.

Minister des Jnnern von Dallwißt:

Meine Herren! Jh werde mi darauf beshränken, den Vorwurf zu widerlegen, den der Herr Vorredner der Staatéregierung damit gemacht hat, daß er es für unrichtig hielt, daß die Staatsregierung ihrerseits die Bildung eines Zweckverbandes zur Beseitigung der dringendsten Notstände in Groß-Berlin vorgeschlagen und nicht den Weg der Eingemeindung der sämtlichen zum Wirtschaftégebiet von Groß- Berlin gehörenden Gemeinden nah der Stadt Berlin beschritten hat.

Cs liegt mir fern, auf die Vergangenheit einzugehen und gar nvch die Frage zu prüfen, wer die Schuld daran trägt, daß die im Jahre 1893 von der Regierung eingeleiteten Verhandlungen zur Ein- gemeindung der Vorortgemeinden nah Berlin seinerzeit gescheitert sind. Die Tatsache, daß damals auch die Gemeinden Widerspruch gegen die Eingemeindung erhoben haben, würde es allein noch nit rehtfertigen, wenn die Regierung jeßt von der Verfolgung dieses Planes definitiv Abstand genommen hat. Es liegen noch andere Momente vor, die das Vorgehen der Staatsregierung als richtig und angezeigt erscheinen lassen. In erster Reihe ist es die Entwicklurg, die die Vororte seit dem Jahre 1893 genommen haben. Handelte es sich damals um verhältnismäßig kleine Gemeinden, sowohl was die Zahl ihrer Ein- wohner, als auch was die Bedeutung ihrer kommunalen Einrichtungen betrifft, so baben diese Gemeinden in den leßten 18 Jahren einen Aufshwung genommen, der etnen großen Teil von ihnen jett als durchaus lebensfähig und zur Verwaltung ihrer etgeuen Angelegenheiten geeignet ers{einen läßt. Ein Teil der Vororte hat großstädtishen Charakter erhalten: es handelt sich um Orte von mehr als 300 000 Einwoknern, die alle kommunalen Einrichtungen, welche selbständigen Kommunen obliegen und von ihnen erfüllt werden müssen in bester und durchaus zweckmäßiger Weise zu erfüllen in der Lage sind und sie tatsählich auh erfüllen. Diese sämtlichen inzwischen aufgeblühten Gemeinden nun zum Teil gegen ihren Willen zwangs8- weise der Stadt Berlin anzuschließen, ihre eigene selbständige kommunale Cristenz zu vernihten, würde meines Dafür- haltens ein Schritt sein, den die Staatsregierung ni%t wohl verantworten könnte. Eine freiwillige Zustimuung ter in B. trat kommenden Gemeinden ist zum Til wenigstens nicht in Auéesicht zu nehmen. Es ist ja auch fraglih, ob in der Tat die ÎItee einer derartigen großen Inkommunalisierung in der Stadt Berlin selbst in der Weise populär sein würde, wie es nah den An- sichten des Magistrats der Fall sein soll. Tatsächlih aber kann sich der Staat nicht entschließen, ein derartiges gewalttätiges Vorgehen gegen durchaus [Teistungsfähige und ihre Pflicht erfüllende Gemeinden einzuschlagen.

Auch andere Momente sprechen noch mit, die es fraglih e:sheinen lassen, ob ein foldes Vorgehen praktisch und zweckmäßig oder au nur durchführbar wäre. Es unterliegt keinem Zweifel, daß, entsprebend den damals bestebenden städtishen Einrichtungen, die städtische Gesetz- gebung auf kleinere Verbältnisse zugeshnitten war, und daß ein derartig enormes Gemeinwesen wie die Stadt Berlin es nach der Einverleibung von annähernd zwei Millionen Eiawohuern und nah der Vergrößerung ihres Gebiets um das Dreifahe geworden ist, dech Schwierigkeiten haben würde, die Verwaltung in der Weise fortzuführen, wie das erwünscht ist, troß der hervorragenden Kräfte, die der Stadt Berlin zu Gebote stehen und troß der hervorragenden Leistungen, die die Gemeindeverwaltung der Stadt Berlin, wie ih ohne weiteres anerkenne, bisher aufzuweisen hat. Nun mußte {ib

doch die Königliche Staatsregierung, wenn aus diesen Gründen die allgemeine Eingemeindung der Vororte nach Berlin niht tur{führbar erschien, die Frage vorlegen, ob ein anderer Weg nit zu dem Ziele führen könnte, die dringend notwendigsten Verbesserungen einzuführen, um die Notstände zu beseitigen, die tatsählich, intbesondere auf dem Gebiete des Verkehrswesens, innerhalb des Wirtschaftsgebie:s von Groß-Berlin hervorgetreten sind. Daß sehr weitgchende Uebelstände na der Richtung bin beftchen, ist ja wohl allseitig anerkannt worden. Es ergibt sih dies" aber auch daraus, daß seitens des Magistrats der Stadt Berlin bereits vor drei Jahren Verhandlungen wegen Bildung cincs freiwilligen Verkehrszweckverbandes ein- geleitet worden waren, die nicht zum Ziele geführt batten. Nach- dem vor eincm Jahre das Scheitern der vom Magistrat Berlin an- geregten Verhandlungen wegen Bildung dieses freiweiligen Verkehrs- verbandes bekannt geworden war, lag es nabe, daß die Königliche Staatsregicrung sich die Frage vorlegen mußte, cb nun nit der Zeit- punkt gekommen sei, an dem fie ihrerseits einschreiten müßte, um das, was im Wege der Freiwilligkeit niht ecmögliht werden konnte, im Wege der Gefeßgebung durchzuführen. Dazu kam, daß gleichzeitig die Frage der Erhaltung genügender Wald- und Wiesenflähen im Interesse der Hygiene akut geworden war, und daß auf Anregung des Berliner Magistrats zwishen Berlin und anderen Gemeinden und den beiden Kreisen mit der Staatsregierung Verbandlungen ein- geleitet worten waren, über die Ueberlassung bezw. Erwerbung aus- reitender Wald- und Wiesenflähea zur Bildung von sogenannten Freiflähzn, wie sie im sanitären Interesse notwendig sind. In beiden Fällen war mithin feitens der Stadtgemeinde die Bil- dung von Zweckverbänden in Ausfiht genommen worden; in dem einen Falle war die Bildung des Zweckverbandes im Wege der freiwilligen Vereinbarung gescheitert, im anderen Falle war fie bisher noch nicht in Angriff genommen. - Es lag dcch nun nake, diese beiden wichtigen interklommunalen Fragen, bie {on spruchreif

geworden waren, und deren Wsung dringlich geworden ist, im B der Bildung eines geseylihen Zweckverkandes zu lösen, Mithi T

Z j é N t, klärt es si, daß die Königliche Staatsregierung einerseits den Mw der Bildung eines Zweckverbandes eingeschlagen hat, ferner aber A sie als die Hauptfragen, die dieser Zweckverband zu lösen berufen e sollte, die Regelung des Verkehrswesens und die Schaffung sodetan de Freiflähen in Ausficht genommen hat. Der dritte Punkt, den 2 Zweckverband zu lösen haben wird, die Festseßung von FluGtlinie, ia einem beschränkten Umfange, ist lediglih eine Folge seiner U Aufgabe, nämli das Verkehrswesen in zweckmäßiger Weise zu regel. Meine Herren, daß lebhafte Einwendungen gegen dieses Projekt ‘eis dic Bildung etnes Zweckverbandes seitens der Interessenten of. werden würden, war vorauszuschen; handelt es fih doch darum dia freie Selbstbestimmung der einzelnen Gemelnden in zwei wihtigen Punkten einzushränken und einen Ausgleih der zum Teil ätten Gegensäße der Interessen herbeizuführen, der eben nur dadurch zu ex, reichen ist, daß die einzelne Gem. inde auf zwei Gebieten ihr Selbst. bestimmungêrecht einshränken läßt zugunsten eines Verbandes, der die Feuerprobe noch nit bestanden hat. Ih halte es aber nit fir ridtig, wenn vorhin gesagt worden ist, daß tie Bildung des Zweckverbandes das Prinzip der Städteordnung, das Prinzip der städtihen Seibstverwaltung verleße. Denn, meine Herren wenn überhaupt ein Verband zustande kommen soll, f muß notwendig auf einzelnen Gebieten seitens der Gemeinden einiges an thren - biéherigen Zuständigkeiten geopfert werden. Aber dieses Opfer wird doch nicht zugunsten des- Staates oder gar der staatlichen Aufsichtébebörde gebraht, sondern lediglich zugunsten eines neuen Selbstverwaltungétkörpers, der mit der Gesamtheit der beteiligten Gemeinden identisch ist und sich organish auf diesen auf. baut, eines Selbstverwaltungskörpèrs, der der staatlichen Aufsicht nur in dem ganz beshränkten Umfange der Bestimmungen über das staat: lie Aufsichisrecht bei Provinzialverbänden unterliegt, mithin einer s{chwäheren Aufsicht, als sie gegenüber den einzelnen Gemeinden seitens der Staatsbehörde ausgeübt wird. Von ciner Verleßung der Nechte der Selbstverwaltung kann meines Dafürhaltens dler nicht wohl die Nede sein.

Nun ist von dem Herrn Vorredner die Ausdehnung des Zit. verband8gebtetes bemängelt worden und der ganze Verband alz ein unorganisches Gebilde bezeihnet worden, weil diesen Verband außer den nächstbelegenen Vororten auch die beiten angrenzenden Landkreise Teltow und Nieder-Barnim angehören sollen. Ich möchte darauf hinweisen, daß auch der Magistrai Berlin seinerzeit bei dea Verhandlungen über die Bildung eine fretwilligen Verkehrsverbandes diese beiden Kreise mit herangezogen hat und davon ausgegangen ist, daß die beiden Kreise bei einem frei willigen Zweckverbande beteiligt sein müßten. Ganz dieselben Er wägungen treffen auch zu bezüglih der Schaffung eines Wald- und Wiesengürtels bezw. der Erhaltung genügender unbebauter Flächen, Auch bei diesen Verhandlungen sind die beiden Kreise mit herangezogen worden. Sie waren mitbeteiligt, und es ist von vornherein gar nit anders gedaht worden, als *daß die Kreise bei dem eventuell zur Schaffung dieser Einrichtunz erforderlihen Verbande mitherangezogen werden müßten. Es ist doch auch gar niht anders mögli, als taß die Kreise bei der S{affung cines s\olchen Wald- und Wiefengürtels, ter ziemlich cerhebliße VBestandteile beider Kreise in Anspruch nebmen würde, derart beteiligt sein müssen. Sie auszu- salten, ersheint mir daher nicht mögli. Nun muß man do aber auch erwägen, daß die beiden Kreise derart in die wirtsGaftlidn Interesscnsphäre von Groß-Berlin jetzt bereits bineingezogen sind daß es {on aus diesem Grunde nicht mögli ist, fie fortzulasscr. 90 9/6 dec Bevölkerung und der Steuerkraft gehören bei beiden Kreisen jeßt berçits in die Interessensphäre von Groß-Berlin Wollte man nun die Kreise in zwet Hälften teilen, den weitaus größten Teil dem Verbandsgebtet zulegen, den kleineren Teil außerhalb des Verbandé- gebiets lassen, so würde man eine Auflösung der beiden Kreise be- wirken, die deêwegen nicht angängig ist, weil diese beiden Kreise doh in erheblich größerem Maße als sonstige kleinere Land- kreise si der Lésung großer kommunaler Aufgaben jeyt bereits angenommen haben. Jch erinnere an das enorme Chausseenet, das sie gebaut, an die Bahnen, die sie hergestellt haben, an den Teltowfanal, fkurzum an Unternehmungen, die eine finanzielle Be- lastung mit 40, 50 Millionen herbeigeführt haben, Unternehmungen, die es geradezu au®geslossen ershcinen lassen, daß man die Grund- lagen für derartige Unternehmungen, die Kreise, nun ohne weiteres in zwei Hälften teilt zershneidet oder überkaupt in Atome auflöst.

Cine Abgrenzung nun in der Weise zu trcfen, daß man einzelne Gemeinden, Gutsbezirke, Städte usw. dem Verbonde zuweist, die übrigen aber draußen läßt, ist aus dem Grunde niht zweckmäßig, weil die Entwickiuung von Groß-Berlin von Zahr zu Jahr aufsteigt, auch gar nit abzusehen ist, wann sie demnächst Halt machen wird, und die Gescßgebung dauernd in ‘Anspruch g-nommen werden müßte, um dieser Entwitck- lung Folge zu leisten. Wir würden genötigt sein, immer neue Ee- meinden, Ortschaften und Bezirke dem Verbandsgebiet im Wege der Gefecizgebung zuzulegen, während es weit rihtiger und zweckmäßiger ist, die vorhandenen kommunalen Gebiete, die ihrer Hauptsache na jeßt {on dem Verbandsgebiet angehêren, nunmehr vollständig dem- selben zu überweisen. Jch glaube, daß es darum garnicht anders mög lih sein wird, als das Verbandsgebiet so festzuhalten, wie es regierung® seitig vorgeschlagen und seitens ihrer Kommission angenommen worten ift

Sgließlich hat der Herr Vorredner darauf hingewiesen, daß dic Gründung dieses Verbandes einer wilden Spekulation Tür und Tor öffnen würde. Ich glaube, daß das etwas zu {warz gesehen ist und dieser Erfclg nicht eintreten wird. Das Spekulantentum wird einem einheitlihen V7 bande gegenüber, der die gesamten Verhältnisse Berlins zu regeln hat, lange nicht so mächtig und wideistandsfähig sein, wie zahllosen Einzelgemecinden gegenüber. Dieser Verband Groß-Berlin ist viel weniger den Einflüssen von Spekulanten zugänglih als kleinere St- meindeverwaltungen, die naturgemäß vou dem Einfluß ihrer Bewohne1 abhängiger sein würden als das über demn Ganzen {ebende Groß-Berlin-

Meine Herren, auf die sonstigen Ausführungen des Herrn Vor- redners, die sich zum Teil auf spätere Paragraphen tes Geseßes €r- streckten, insbesondere auf den Veiteilungsmaßstab des Interesses, den er bemängelt hat, werde ich später bei den einzelnen Paragrapbn zurückzukommen Gelegenheit haben. Ich glaube, daß ih mich jeßt begnügen darf, die allgemein:n Gesihtépunkte, wie es eben gesheh{n ist, dargelegt zu haben.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Herr Dr. Kirschner - Berlin: Ein kommunales Gebilde, das sich historisch und organisch entwickelt hat, gerät, wenn es durch äußere Einflüsse in dieser Entwicklung gestört wird, in die Gefahr, niht nur still zu stehen, sondern zurüzugehen. In dieser Lage befindet sich die Neichshauptstadt. Die leßte größere CEingemeindung von Berlin hat 1861 stattgefunden. Seitdem ist nur noch) 1872 der Kleine Tiergarten eingemeindet worden. Seit 1861 hat also eine erheblihe râumlihe Gntwicklung Berlins nicht statt- gefunden. So ist denn die Neichshauptstadt shon nah ihrem Flächen- inbalt erheblih zurückgeblieben hinter anderen Hauptstädten des Aus- landes wie Wien, St. Petersburg, Moskau, Chicago, New York; aber au Köln, Frankfurt a. M., Straßburg, Hamburg, München, Mann- heim haben einen größeren Grundflächeninhalt als Berlin. Da neue Gebiete nicht hinzugekommen sind, stagniert auch die Zunahme der Be- völferung; von 1905 bis 1910 hat sie nur 30 000 Köpfe betragen, während früher die Zunahme 50 000 jährlich und mehr betrug. Dazu kam, daß die Zunahme ih fast ausschließlich ergänzte aus den Kreisen der Minderbemittelten ; das Cinkommensteuersoll von 1910 hat egenüber 1909 nur um 1,83, dagegen in Charlottenburg um 8, in Shöneberg um 10, in Wilmersdorf um 16 9/9 zugenommen. Diese Stagnation beshränkt sich aber niht auf das materielle Ge- biet; die Abwanderung nah dem Westen entzieht Berlin auch eine große Menge von Intelligenz. Wir haben sogar hon Mühe, eine ausreichende Zahl von Beamten im Ehrenamt in der erwünschten Qualität für die Stadtverwaltung zu finden. Zu den Schwierig- feiten und Verwiklungen, die zwischen den verschiedenen Vororten bestanden haben, kommt noch, daß die Staatsbehörden die Existenz der Gemeinden als solher ignoriert haben, daß wir feinen Postbezirk Berlin mehr haben, keinen Justizbezirk Berlin, sodaß die Bewohner der Reichshauptstadt genötigt sind, unter Umständen in die Vororte zu gehen, um Recht zu suchen. Die Verhältnisse der Polizei sind derart verworren, daß es cincs förmlichen Studiums bedarf, um sich auf diesem Gebiete Klarheit zu verschaffen. Sie werden begreifen, daß dies zu unerträglichen Zuständen geführt hat. Ich gebe niht zu weit, wenn ih sage, daß die Zustände im heiligen römishen Neiche ideal dagegen gewesen sind. Die Staats- regierung hat eine sehr cinfahe Antwort: sie sagt, Berlin hat 1896 versäumt, eine damals von der Staatsregierung angeregte Ein- gemeindung in größerem Umfange vorzunehmen. Der Zeitpunkt ift vorübergegangen; die Wirkungen find hinzunehmen als eine Schickung, der man nit mehr ausweicßen kann. Ich will nicht erörtern, wer 1896 die Schuld getragen hat. Man war sih bezüglih der Ein- gemeindungen, nachdem von 1893 bis 1896 Verhandlungen geschwebt hatten, \{ließlich einig, eine Differenz bestand nur hinsichtlich Reinickendorfs, Pankows, Weißensces und Neu-Weißensees. Ob es gerechtfertigt wär, wegen dieser Differenz überhaupt auf den Ein- gemeindungs8gedanken zu verzihten und jede weitere Verhandlung abzu- brechen, will ich tahingestellt sein lassen. Ich kann nicht verstehen, daß die Staatsregierung etwas, was sie für notwendig und zwe- mäßig erachtet hat, niht weiter verfolgt. Seit 1896 hat die Staats- regterung sih dahin \{lüssig gemacht, den Eingemeindungsgedanken niht nur niht weiter zu verfolgo-n, sondern ihn zu bekämpfen. Ein großes Gelände der Gemeinde Treptow ist Eigentum der Stadt- gemeinde Berlin : sie besißt mehr als die Hälfte von ganz Treptow, und dieses war bereit, sich mit Berlin zu vereinigen. Wir haben es nit erreihen fönnen, daß diese Eingemeindung auch nur in beschränktem Umfange eintreten konnte. Es war bei der Staatsregierung der Gedanke aufgetaucht, Berlin mit einem Kranze größerer städtisher Gemeinwesen zu umgeben. Dieser Gedanke ist aufs eifrigste verfolgt worden, bis in die aller- neueste Zeit. Demgegenüber muß ih betonen, daß es nicht rihtig ist, eine organishe naturgemäße Entwicklung zu stören. Berlin hat 1902 Verhandlungen wegen Eingemeindungen in größerem Umfange aufgenommen. Die Vororte waren auch einverstanden. Plößlich erklärten sie: wir sind niht in der Lage, weiter zu ver bandeln ; wir haben von den Landräten die Anweisung erhalten, die Verhandlungen abzubrehen. Ich habe mich vergeblih bemüht, die Vororte zu bestimmen, troßdem weiter zu verhandeln, da die Forderung der Landräte nicht * gerechtfertigt sei. Ih bin beim Minister Hammerstein vorstellig geworden ; er erwiderte, es ist doch niht zweckmäßig, noch zu verhandeln, da die Zentralinstanz do niht darauf eingehen kann. Was fkann in einer so ernsten Sache, ernst nicht nur für Berlin, sondern für das ganze Deutshe Reich, gesehen, um diese Verhältnisse zu ändern? Jh kann fkeinen anderen Vorschlag machen, als daß man der naturgemäßen Entwicklung freien Lauf läßt, daß man die Eingemeindung da nicht hindert, wo sie von den Interessenten ge- wünscht wird, und wo die Verhältnisse es fordern. Es würde heute noch möglich sein, allmählich und ohne den Zwang, der ja mit einem ewissen Nechte abgewiesen wird, zu einem Ziele zu gelangen. Wir haben heute sehr bedeutende Vorortgemeinden, die geneigt sind, dem Eingemeindungsgedanken näherzutreten. Ich nenne nur Schöneberg, Treptow, Stralau-Nummelsburg. Die Staatsregierung s{hlägt vor, einzelne, nah ihrer Meinung dringende Mißstände auf dem Wege des Zweckverbandes zu beseitigen. Jch könnte mich dem an- schließen und es begrüßen, wenn es eine Etappe wäre auf dem Wege der Lösung der Frage überhaupt. Was aber die Regierung im gegen- wärtigen Entwurf vorschlägt, ist niht geeignet, als eine solche Ctappe angesehen zu werden, im Gegenteil, es wird ein Hindernis sein. Ich habe zwei Bedenken, zunächst die räumlihe Abgrenzung, sie ist in der vorgeschlagenen Form ein Monstrum. 1893 bis 96 hat die Staatsregierung die wirtschaftlihe Einheit anerkannt in dem Maße, taß sie um der vier genannten Gemeinden willen die ganze Cingemeindung scheitern ließ. Wenn die Kreise hinsichtlih der- jenigen Zwecke, die jeßt feststehen, wirklih zerrissen würden, fo ivâre das doch keine Zerreißung der Kreise an sih. Es gibt sehr wohl Gesichtspunkte, nah welhen eine Abgrenzung der einzelnen Gemeinden eintreten könnte. Man hat Merkmale, die erkennen lassen, daß eine Ortschaft nicht nur eine ländliche ist, und zweitens ilt ein sehr wesentlihes Moment die Zunahme in der Dichtigkeit der Bevölkerung. Ih habe darüber eingehende Ermittlungen an- gestellt, und es ist in die Augen springend, daß ein großer Teil der Ortschaften als einheitlihes Wirtschaftsgebiet gar niht in Frage kommt. Ferner, mit den Aufgaben, die dem Zweckverband zugewiesen werden, werden nur sehr wenig Uebelstände beseitigt, und auch diese nicht durchgreifend. Wo bleiben Wasserleitung, Kanalisation, Beleuchtung ? Wenn wir einen Kanal bauen wollen, so ist au fernerhin mit einer Unzahl von Gemeinden zu verhandeln; ein unerträglicher Zustand. Pinsihtlih der gewerblihen Verhältnisse, die eine Einheit bilden, eiben die Mißstände nah wie vor bestehen. Insbesondere ist eine verständige Bodenpolitik unmöglih. Man kann keiner Gemeinde zu- muten, si dafür zu interessieren und Opfer zu bringen, daß an einer anderen Stelle des Zweckverbandes eine Arbeiterkolonie oder eine Pilenkolonie angelegt wird. Auf einem Gebiete bin ih allerdings der «teinung, daß sich das Vorgehen rechtfertigt, auf dem Gebiete des Verkehrs. Der Minister hat bereits udtefübrt, daß wir selbst daran Ce angen Q auf diesem Gebiete einen weiteren Zweckverband zu bilden. Ste hatte seinen Grund in der Stellung, die die Große Berliner p iraßenbahn eingenommen hat. Man kann auch hier nicht daran orbeigehen, daß Verhältnisse geshaffen worden sind, und zwar durch die Ftaatsregierung, die unser Vorgehen gerehlfertigt erscheinen

H Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Montag, den 19. Juni

lassen. Es ist bekannt, daß die Stellung der Großen Berliner Straßenbahn, bald nachdem ein Köntglichec Ministerialdirektor an ihre Spitze getreten war, auf das stärkste befestigt wurde durch die Verleihung der Konzession bis 1949. Es ist ja gelungen, die Verlängerung bie nur bis 1919 erteilten Konzession durh- zuseßen, ohne daß die Stadtgemeinde Berlin mit ihren lebhaften Interessen an dieser Entwicklung Gelegenheit gehabt hätte, sich. zu äußern. Dadurch waren wir in die Lage verseßt, uns entweder mit der Großen Berliner Straßenbahn ver- ständigen zu müssen, oder im Ergänzungsverfahren die Zuständigkeit ARREn zu lassen. Da aber das Le vor dem- selben Minister stattfand, der die Konzession erteilt hatte, so war es von vornherein aussihtslos. Wir haben damals die Untergrundbahnen niht einbezogen und halten die Einbeziehung heute noch für einen roßen Fehler. Denn diese Bahnen sind, eine jede für stch, ein be- sers zu beurteilendes Unternehmen. Was die Bebauungspläne betrifft, so ist es ja wünschenswert, daß gewisse Ausfalls- und Durchgangsstraßen einheitlih festgelegt werden, aber. das würde sih auch freiwillig und ohne Zwangsverfahren machen lassen. Nach- dem im Abgeordnetenhause und, wie ih dankbar anerkenne, insbesondere auch im Herrenhause lebhaft dafür eingetreten worden war, daß den Gemeinden der Erwerb größerer Waldflächen ermöglicht werden foll, haben fsich die Ersten Bürgermeister der kreisfreien Städte mit der Forstverwaltung und den beiden Landräten zusammengetan. Wir sind an die Staatsregierung, zunächst an den Landwirtschafts-

minister, herangetreten und haben um Mitteilung der Bedingungen -

gebeten. Das alles war im vorigen Jahre im besten Zuge. Der neue Minister sah die Sache auch außerordentlih günstig an; seit der Zeit aber haben wir uns vergeblih bemüht, Auskunft zu erhalten. Wenn wir nur eine irgend annehmbare Offerte bekommen hätten, so wäre €s bei der herrswenden Stimmung möglih gewesen, das Vor- haben ohne Zwang durchzuführen. Ich kann nicht anerkennen, daß ein ausreichender Grund vorliegt zu der gekünstelten Konstruktion im Zweckverbandsgesez. Dieser Gesegentwurf und noch mehr das all- gemeine Zweckverbandsgeseß hat unter den Vertretern der Städte eine Aufregung hervorgerufen, wie ih sie in diesem Kreise bis jeßt noch niht wahrgenommen habe. Diese beiden Gesetze lassen erkennen, daß die Staatsregierung von der Bedeutung der Gemeindeverfassung und von deren Wichtigkeit für unseren Staat nicht voll überzeugt ist, und daß sie ohne zwingenden Grund in diese Verfassung eingreift, den Gemeinden die eigene Verwaltung entzieht und sie anderen Organen überträgt. Das legt uns die Befürchtung nahe, daß man doch nicht diejenige Achtung vor der Bedeutung der städtischen Gemeinde und der Selbstverwaltung hat, die wir auch im Interesse des Staates in Anspruch nehmen zu müssen glauben. Bei feierlichen An- lässen, bei Zweckessen und dergleichen habe ih noch nicht einen Staatsbeamten gesehen, der nicht übergeströmt wäre von Ver- siherungen, wie hoch er die Selbstverwaltung \{chäge. Anders aber ist es in der Geseßgebung und Verwaltung. In der Gesetzgebung sind Schritt für Schritt immer mehr Gebiete der Selbstverwaltung entzogen worden. Das Kleinbahngesez und das Volks\chulgeseß waren ganz eminente Eingriffe in die Selbstverwaltung. Durch das Seuchengesey kann einer Stadt vorgeschrieben werden, eine bestimmte Wasserleitung und Kanalisation zu errihten. Was die Verwaltung befkrifft, so haben wir zweifellos ausgezeichnete, pflicht- treue Beamte, die das Beste im Auge haben, aber die Natur der Dinge bringt es mit sich, daß wir zwei Beamtenkategorien haben, die der Selbstverwaltung gefährlich sind. Zu der einen gehören die Beamten, die zufrieden sind, wenn sie ein {chôn paragraphiertes Gesetz zustande gebracht haben, die aber kaum eine Îdee haben, was für ein Unterschied es ist, mit Personen, mit Werten, mit Zahlen zu regieren oder mit Paragraphen. Die zweite Kategorie is noch zahlreiher. Zu ihr gehören diejenigen Herren, die fih bewußt sind, etwas Gutes, Tüchtiges leisten zu können, und die das unter allen Umständen durchseßen wollen, ganz gleichgültig, ob mit oder gegen den Willen der berzxfenen Instanzen. Prof. Gierke hat vor einigen Tagen einen Vortrag gehalten über die Städte. Er kam zu dem Ergebnis, daß, wenn auch die Zeiten an der Steinshen Städteordnung manches geändert haben, der Grund- gedanke, das Recht der Stadte auf eine eigene selbständige Ver- waltung, Gemeingut dec Nation geworden ist. Wir Oberbürgermeister fürchten, daß dieser Grundgedanke gefährdet ist.

Herr Sch ustehrus - Charlottenburg : Ih bedaure, daß der Standpunkt, den ih zu der Vorlage einnehme, dem des Vor- redners durchaus entgegengeseßt ist; ih hätte viel lieber mit ihm, als gegen ihn gekämpft. Aber meine praktishen Erfahrungen gebieten mir, diesen Kampf aufzunehmen. Die Eingemeindung, die der Vorredner und der - Korreferent an die Stelle der Vorlage seßen möchte, verwerfe ih aus innerer Ueberzeugung. Die Städteordnung von 1808 ging von ganz anderen Vorausseßungen aus, als sie heute zutreffen. Damals kannte man keine großen Städte; sie ist gemacht für kleinere Gemeinwesen. Jn der Bewunderung der Steinschen Städteordnung fühle ih mich durchaus mit den Vorrednern eins; aber für Millionen- städte paßt sie niht. Der Geschäftsgang in einer Stadt von 2 Millionen ist bereits \{leppend; in Berlin wird offenkundig darüber geklagt. Ih mache daraus nicht etwa der Stadt einen Vor- wurf, sondern shiebe die Schuld der Städteordnung zu. Die Zwei- millionenstadt zu einer Viermillionenstadt zu machen, würde ih für einen {weren Fehler halten. Um die Verwaltung einer folchen Niesenkommune zu führen, ist eine sehr starke Dezentralisation nötig, die threrseits die so bedeutsame Einheitlichkeit der Verwaltung durch-

aus in Frage stellen müßte. Die Eingemeindung wird gewünscht; j

von wem? Von Berlin; vielleiht noch nicht einmal von allen Stellen in Berlin. Berlin wünscht die Eingemeindugg etwa so wie früher, d. h. die steuerkräftigen Gemeinden wollte es“ gern eingemeinden, aber über Weißensee, Pankow, Reinickendorf, die niht \teuerkräftig sind, kam es zu keiner Einigung. Berlin wollte die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken. So kann man doch nit verfahren. Uebrigens stand Berlin noch 1893 durchaus dem Gedanken der Eingemeindung feindlih gegenüber. In den Akten Charlottenburgs von 1891 be- findet sih eine Berliner Zuschrift, in der die Eingemeindung unserer Stadt abgelehnt und nur die Bereitwilligkeit erklärt wurde, den reichen Ostbezirk an der Joachimsthalerstraße einzuverleiben. Die Vorort- gemeinden haben sih nun auf ihre eigenen Kräfte verlassen müssen, sie haben \sih aus eigener Kraft emporgearbeitet und sind blühende, kräftige Gemeinwesen geworden. Wie kann Berlin jeßt fordern, daß diese blühenden, kräftigen Gemeinwesen zerschlagen werden ? Ich kann nicht anerkennen, daß es billig ist, daß nur Berlin ver größert wird, und die zitierten Worte Gierkes passen auf die Vor orte genau so wie auf Berlin. Der Berliner ist auh nicht aus sich selbst geworden. Berlin hat seinen Aufs{chwung auch erst genommen aus der Gründung des Deutschen Neiches; daraus hat es feine Kraft geschöpft, ebenso wie wir anderen niht von Berlins, fondern von Neiches Gnaden das geworden sind, was wir sind. Die Vororte wollen der großen Mehrzahl nah auhch gar nicht ihre Selb- ständigkeit aufgeben oder untergraben, sondern behalten; sie wollen ih niht zum Appendix von Berlin machen lassen. Der Gedanke der Steinshen Städteordnung würde durch die Eingemeindung in großem Stile auch niht gefördert werden; von den Hunderten von Stadtverordneten, die jeßt die Interessen der etn zelnen Stadtgemeinden wahrnehmen, würden doch höchstens 25 bis 30 nach Berlin kommen. Wegfallen würde auch die gesunde und frucht- bare Wirkung des freien Wettbewerbs, der die größten Fortschritte zu Wege gebracht und auch Berlin großen Nußen gebracht hat.

1918.

Gerade auf dem Gebiete des Bebauungs-, des Wohnungs- und des Schulwesens is ein Wettbewerb von großem Nußen. Man hat darauf hingewiesen, Groß-Berlin wäre eine wirtschaftlihe Einheit. Ft tenn die wirtshaftlihe Einheit ein feststehender Begriff ? Bei näherem Zusehen ist dics eine Vokabel ohne inneren Gehalt. Wenn gesagt wird, 30 Berliner Innungen erstrecken \ih über eine große Anzahl von Vororten, dann fehlen doch Vororte, und von einer wirtschaftlichen Einheitlichkeit is nicht die Nede. Dasselbe gilt von der Versorgung mit Gas und Elektrizität. Oberbürgermeister Kirschner sagte: die wirtshaftlißhe Ein- heit bestände zweifellos. Gegenüber solher bestimmten Er- klärung habe ich immer Argwohn, daß es an wirklichen Gründen fehlt. In Bezug auf den Verkehr liegt allerdings eine wirtschaftliche Einheit vor. Die durhgehenden Straßen sind im Bebauungéplan vorgesehen. Das hat ja auh unser Gesetzentwurf anerkannt. Er hat drei Aufgaben aufgestellt, für welhe der Zweckverband forgen foll : den Verkehr in den Straßen, die Bebauung in den Straßen und die Erhaltung eines Waldgürtels. Daß wir in bezug auf den ersten Punkt in einer großen Misere uns befinden, hat niemand glänzender dargelegt als Oberbürgermeister Kirschner in seiner Denk {rift von 1896. Unser Verkehrswesen in bezug auf die Straßen bahnen ist in der Tat rücki\tändig. Das liegt daran, daß unjer Ver kehr8wesen monopolisiert ist in der Hand einer Erwerbs-, nit einer Verkehrsgesellshaft. Die Gesellschaft will natürlih zunächst ihre Dividenden erhöhen, Verkehrsinteressen s\tehen da zurü. Ueber diese Verhältnisse ist von allen Seiten große Unzufriedenheit ausgesprochen worden, und Herr Kirschner hat selbst für diefen Zweck die Bildung eines Zweckverbandes für notwendig erklärt, allerdings auf dem Wege freiwilliger Vereinbarungen, aber dieser Versuch is gescheitert. Was foll nun heute bei dieser Sachlage geschehen? Ich habe das Vertrauen verloren, daß wir auf diesem Wege weiter kommen. Wir müssen die Sache auf dem Wege des Gesetzes zu- fammenshweißen. Ich habe das Vertrauen, daß wir einen gangbaren Weg gefunden haben, um alle diese Fragen zu lösen. Der Bau von Kleinwohnungen ift eine Aufgabe, die den einzelnen Gemeinden überlassen werden muß. Ich möchte da nicht ohne Not in die Selbstverwaltung eingreifen. Es ist kein Zweifel, daß dies Gesetz manches Bedenkliche enthält, aber ih bin überzeugt, daß es einen Fort- \chritt bedeutet. Wir sind in den Gemeinden genötigt, uns zu ver tragen und einander zu helfen, und dazu wird das Gesez wesentlich ermuntern.

Herr A di ckes - Frankfurt a. M.: Es wird mir \{chwer, das Wort zu ergreifen. Es handelt sch hier um eine weit tragende und schwierige Frage, wo große Interessen einander gegen- überstehen, wie die Reden der Oberbürgermeister Kirschner und Schustehrus bewiesen haben. Die Frage, wie Millionenstädte am besten regiert werden, ist überhaupt noch nicht gelöst, weder bei uns noch in England. Berlin hat ih seit 1871 sehr \chnell entwickelt, und man sucht nah der besten Form der Verwaltung. Hier dürfen nicht théoretische, sondern nur praktishe Gesichtspunkte entscheiden. Sollte wirklich die Eingemeindung- der einzige Weg sein, ein Groß-Berlin zu hafen? In den 60er Jahren wogte der Streit, ob Deutschland besser ein Einheits- oder ein Bundesstaat würde. Dieser Vorgang drängt sich hier als Parallele auf. Der Einheits- staat hatte viele und begeisterte Anhänger, aber die Phantasie stich sh an der harten Wirklichkeit, und es ist anders gekommen. Sollte es nicht möglih sein, analog dem deutschen Bundesstaat auch für Groß-Berlin Formen zu finden für einen [eistungsfähigen Verband, der troßdem den einzelnen Mitgliedern ihre Selbständigkeit beläßt? Diese Frage ist noch gar nicht genug vertieft worden. Ich bedauere ja, daß wir jeßt einen Be \{luß fassen sollen; wir sind heute noch niht so weit. Der Geset- entwurf bringt gewiß keine definitive sung; es fragt sich aber, ob er niht so viel an Möglichkeiten bietet, daß man dafür stimmen- muß. Die Unhaltbarkeit des jeßigen Zustandes und die Größe der Diskrepanzen hat Herr Kirschner in seiner Schrift über zeugend dargelegt. Manche Vororte sind fast steuerfrei, andere von {weren Steuern niedergedrückt. Kann nur die Ein gemeindung diese Ungleichheit der Besteuerung beseitigen ? Die Frage der Stadterweiterung von Groß-Berlin _ ist bisher in der Erörterung im Hintergrund geblieben. 80- bis 100 000 Menschen fommen jedes Jahr für Groß-Berliu hinzu; Unterkunft für sie zu schaffen und für von ihnen zu leistende gewerbliche Arbeit, ist eine Riesenaufgabe. Jeßt maht jede kleine Ge- meinde ihren Bebauungsplan für \ich; einzelne sind fkünst- lerisch entworfen, die große Masse \chematisch angefertigt. Das ganze Elend dieser TLatsäahe kam erst zur allgemeinen Kenntnis, als der Wettbewerb Groß-Berlin ausgeschrieben war. Dieser Zustand is unhaltbar; es muß eine Zentralstelle für die Stadterweiterung von Groß-Berlin geschaffen werden, und die Erfüllung dieser Aufgabe i} dringlich und notwendig. Die Berliner Etagenhäuser mit vier und fünf Stockwerken und engen Höfen gefährden dgs Familienleben aufs allershlimmste. Da Abhilfe zu schaffen, sollten alle Beteiligten sih zusammentun. Die Vorlage bringt in dieser Nichtung leider außerordentlich wenig ; die Befugnisse des Verbandes sind da viel zu beschränkt, so beschränkt, daß es auch den besten Kräften niht möglih sein wird, gesunde Verhältnisse herbeizuführen. Bestehende Fluchtlinien- pläne müssen durch den Verband beseitigt werden können. Das Ab- geordnetenhaus hatte auch eine Form dafür gefunden, die dem Berbande wenigstens etwas Luft gewährte. Gerade diesen Beschluß hat die Kommission aber gestrichen, und ich beantrage, ihn nach der Fassung des anderen Hauses wièder herzustellen. Es geschieht damit allerdings ein starker Eingriff in die Selbstverfügung der Gemeinden, ohne daß Sicherheit für den Erfolg gegeben wird; entwickelt fich aber der Verbands8aus\{huß wirkli zu einem Zentralpunkt für die Wohnungsverhältnisse von Groß-Berlin, so wird man über dies Be denken hinwegkommen können. Auch die Bestimmung über die Ver- fassung des Verbandes ruft große Bedenken bervor. Die Verbands- versammlung soll nur von Delegierten beschikt werden; das bat die große Gefahr, daß diese sih von vornherein als Vertreter der Inter essen der einzelnen Städte, Kreise und Gemeinden fühlen. Der Londoner County council wird dur die ganze Grafschaft London direkt gewählt. Das Wort „Stadterweiterung“ kommt leider im ganzen Geseß nicht vor. Auf diesem Gebiete sind stärkere Eingriffe notwendig. Die Abgrenzung des ganzen Bezirks ist rein willkürlih; es fehlt an einem Plan. Für die Auslafsung des Kreises Osthavelland bin auch , ih; die Revision des Gesetzes, die kommen muß, wird da ein- zugreifen haben. Ein weiterer Uebelstand ist, daß der Zweckverband feine eigenen Einnahmen hat, dadurch wird das Verantwortlichkeits gefühl niht gefördert. Befonders da die Arbeiter in Groß-Berlin geeignete Wohnungen haben müssen, habe ih beantragt, als eine Auf- gabe des Zweckverbandes aufzustellen: Förderung und Unterstüßung des Kleinwobnungs8baues, insbefondere auch Erwerbung von Flächen für den Bau von Kleinwohnungen. Leider ist das unglückliche all- gemeine Zweckverbandsgesep mit diesem Geseß verquickt worden. Zwei so große Geseße zusammen zu erledigen, i unmögli. Man kann die Tragweite jenes Geseßes gar mcht übersehen. Die An s{hauung ist verbreitet, daß es ein Gese gegen die großen Städte ist. Wenn einige von uns dem vorliegenden Ge)eß zustimmen, so tun sie es in der Empfindung, daß man si bescheiden muß, daß man ver- suchen muß, auf diesem Wege weiterzukounnen.. Man wird Erfahrungen sammeln und könnte etwaige Mängel dur Novellen beseitigen, wie es bei dem Geseß geschehen ist, das meinen Namen