1911 / 145 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 22 Jun 1911 18:00:01 GMT) scan diff

S 2E E S Ui a L A IS S D R P I N R T

E E E E

Es E L E E

stimmungen dahin, daß auch die Zusammenlégung mehrerer Städte zu Zweckverbänden ermöglicht würde. Es ist im Abgeordnetenhause \{ließlich mit überwältigender Majorität eine Resolution des Ab- geordneten Linz, eines Bewohners der Rheinprovinz, zur Annahme gelangt, in der die Negierung ersucht ist, im Sinne der oben erwähnten Resolution einen Gesezentwurf einzubringen, nah welchem die Be- stimmungen der Landgemeindeordnung mit der Maßgabe auf die west- lichen Provinzen ausgedehnt werden sfollen, daß auch die Zusammen- legung mehrerer Städte ermögliht werden möchte.

Wenn all dem gegenüber noch kein Bedürfnis nah dem Erlaß dieses Gesetzes anerkannt wird, so ist mir niht recht verständlich, in welchen Fällen die Bedürfnisfrage bejaht werden soll. Alle berufenen Instanzen find einmütig für eine geseßliche Regelung der vorliegenden Art eingetreten. Die Behörden sind mehrfach seitens der Staats- regierung befragt worden, es hat. im Jahre 1907 eine allgemeine Enquete stattgefunden auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs, welcher dem jeßt vorliegenden annähernd entsprach. Nach den damaligen Er- mittlungen hat eine Umarbeitung stattgefunden, im Jahre 1910 ist eine neue Enquete veranstaltet worden, jedesmal sind Vertreter der großen Städte und der Provinzen gehört worden. Wenn also da ein Bedürfnis nicht anerkannt werden soll, so ist ein Bedürfnis für ein folhes Gese wohl überhaupt nicht zu konstruieren.

Nun meint der Herr Vorredner, es wäre ja möglich gewesen, einfah durch einen Paragraphen die Bestimmungen der Landgemeinde- ordnung auf diejenigen Provinzen auszudehnen, in denen sie bisher noch nicht in Geltung steht. Aber das war aus dem Grunde nicht möglih, weil von den Interessenten, und zwar mit Necht, eine Er- weiterung nach der Richtung hin gewünscht * wurde, daß auch die Möglichkeit gegeben sei, Städte mit Städten zu verbinden. Nach dieser Richtung mußte deshalb eine matertelle Aende- rung eintreten und ferner eine Aenderung nach der Richtung, daß auch die Vorbedingung der nachbarlihen Lage der Gemeinden wegfallen mußte, weil bei etner Verbindung mehrerer Städte mit- einander die Bedingung der nachbarlichen Lage regelmäßig nicht erfüllt ist, und diesem Umstand im Interesse der Bildung freiwilliger Zweck- verbände durch Geseß Nechnung getrazen werden mußte. Es mußte dann bei der außerordentlichen Mannigfaltigkeit, welhe in neuerer Zeit die fommunalen Aufgaben angenommen haben, auch in dem vorliegenden Gesetzentwurf die Erweiterung derjenigen Zwecke, zu deren Lösung die Gemeinden im Wege der freiwilligen Vereinigung zusammentreten können, freigegeben werden, während nach den biéherigen Bestimmungen auch nah dieser Rihtung hin eine recht weitgehende Beschränkung statthattie. Mit Rücksicht darauf, daß die Zahl der Aufgaben, die im Wege des freiwilligen Verbandes gelöst werden können, {fich im Laufe der Jahrzehnte außerordentlih vermehrt hat, war es auch unmöglich, an dem starren Verteilungsmaßstabe festzuhalten, der in der Landgemeinde- ordnung vorgesehen ist und dahin geht, daß die Beträge lediglich nah dem Verhältnis der Staats-, Kreis- und Provinzialabgaben verteilt werden. Eine derartige starre Verteilung ist mindestens für die frei- willigen Zweckverbände niht möglich, in ter Mehrzahl der Fälle wird fie es aber auch für die zwangsweise zu bildenden Verbände nicht sein. Es mußte deshalb eine ziemlich weitgehende materielle Aenderung des Gesetzes stattfinden. Nun hatte der ursprünglihe Entwurf noch über die von mir soeben angedeuteten Punkte hinaus, die meines Er- achtens an sich schon ausreihend find, die Vorlegung eines Gesetzes zu rechtfertigen, noch eine weitere Neuerung vorgesehen, die allerdings das muß ich zugeben geeignet gewesen wäre, die Selbst- bestimmung auch der größeren Städte im Vergleich zu dem bisherigen Nechtszustand in weitergehendem Maße einzuengen. Das war die Bestimmung, daß autoritative Verbände auch gebildet werden könnten zur gemeinsamen Wahrnehmung der Elektrizitätsversorgung und des Betriebs von Kleinbahnen. Diese Bestimmung, die einzige, die meines Erachtens eine materielle Vershlehterung der Lage der großen Städte bedingt haben würde, ist im Abgeordnetenhause gestzihen worden. Das Abgeordnetenhaus hat sih aber damit niht begnügt, sondern es hat eine weitere Abschwächung der Bestimmungen der Landgemeinde- ordnung, die jeßt allgemein für Landgemeinden und Städte in Geltung sind, nah der Nichtung vorgenommen, daß nicht mehr wie bisher Zwangsverbände dann gebildet werden können, wenn es fich um die gemeinsame Wahrnehmung von obligatorischen und folchen fakul- tativen Aufgaben handelt, welche die Gemeinden bereits als Gemeinde- aufgaben übernommen hatten. In Zukunft sollen nah den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses Zwangszweckverbände nur gebildet werden k?nnen, wenn es fid um die gemeinsame Wahrnehmung von obliga- torishen, das heißt geseßliÞh den Gemeinden obliegenden Aufgaben handelt.

Wir haben darin eine weitgehende Abschwächung der jeßt {hon in dem überwiegenden Teile der Monarchie auch für die größten Städte in Geltung stehenden geseßlihen Bestimmungen erblickt.

Fch meine, daß sich aus dem Gesagten ohne weiteres und ohne daß andere Motive, als die tatsählich vorliegenden, unterstellt zu werden brauchen, ergibt, daß ein Bedürfnis zur Einbringung dieses Gesetzentwurfs vorgelegen hat, und daß andere Tendenzen hierbei nicht in Frage gekommen sind. Nun ist, metne Herren, wiederholt gesagt worden, es hätte eigentlih keinen rechten Zweck, diese Be- stimmungen allgemein einzuführen, denn sie seien bisher niht ange- wandt worden. Dabei ist eine Aeußerung, dle ih in der Kommission getan habe, in etwas weitergehender Weise interpretiert worden, als es vielleiht gerechtfertigt gewesen wäre. Jch hatte auf eine Frage, ob Fälle bekannt geworden wären, in denen Zroeckverbände unter Hinzunahme von Städten gebildet worden wären, geantwortet, es wäre mir nicht mögli, sofort eine Auskunft zu geben, es sei mtr aber eben mitgeteilt worden, daß erst vor einigen Wochen ein der- artiger Fall zur Kenntnis gekommen wäre, wo es fich um einen Zwek- verband zur gemeinsamen Anlage eines Friedhofs gehandelt hätte. Daraus ist dann gefolgert worden, daß tas der einzige Fall fei, der vorgekommen sei, und daß bisher lediglih die Verwaltung von Fried- höfen in Frage gekommen sei.

Ich möchte hiermtt, um dieser Legende ein Ente zu bereiten, erklären, daß das eine ganz harmlose Aeußerung meinerseits war, die sich auf die letzten vier Wochen bezog, nicht aber auf die lezten 20 Jahre.

Wenn nun gesagt worten ist, es wäre do in verhältnismäßig wenigen Fällen von den Bestimmungen der Landgemeindeordnung Gebrauch gemaht worden, fo liegt meines Dafürhaltens doch im Gegenteil der Beweis dafür vor, daß auh in Zukunft von der Er- mächtigung, die das Geseß den Behörden gibt, ebenfalls nur in geringfügigem Maße Gebrauh gemacht werden wird. Es liegt ja doch

o aiÆæn V0. mindeste Anlaß vor, anzunehmen, daß die Erfahrungen, die Gilbert.

in den leßten 20 Jahren gemaht worden sind, lediglih auf Zufällig- keiten beruhen und daß in Zukunft noch ganz andere Zu- stände eintreten würden, als es bisher der Fall gewesen ist. Jh bin fogar der Ansicht, daß in der Tat eine Vermehrung der autoritativen Bildung von Zweckverbänden nur in dem Maße stattfinden wird, als es notwendig der Fall fein muß nach erfolgter Ausdehnung des räumlihen Geltungsgebiets der bestehenden Vorschriften, und daß die Bildung freiwktlliger - Zwelk- verbände nur insoweit zunehmen wird, als mit der steigenden Kultur auch die Mannigfaltigkeit derjenigen Aufgaben außerordentlih zu- genommen hat, deren Lösung zweckmäßigerweise von den Kommunen in Angriff genommen wlrd. Das ist ja auch der Hauptgrund, warum man im Westen darauf dringt, daß die Bestimmungen dieses Geseh- entwurfs auh für den Westen Anwendung finden. Wenn künftig bet dem Vorliegen der angedeuteten Vorausseßungen Zweckverbände ge- bildet werden, so liegt darin nach meinem Dafürhalten doch- kein Anlaß zur Beschwerde, sondern eher ein Grund, für das Geseß zu stimmen. Die Beforgnis, daß infolge dieses Geseßes Eingemeindungen in Zukunft ausgeschlossen sein würden, ist nah meinem Dafürhalten absolut hinfällig. Eingemeindungen werden nah wie vor stets not- wendig sein. Sie werden immer vorkommen in allen den Fällen, in denen eine vollständige oder überwiegende Gemein- \chaftlihkeit der kommunalen und wirtschaftlichen Interessen in den benachbarten Gegenden und Ortschaften vorliegt. Dieses Gese wird tann in Frage kommen, wenn es sich um eine Interessengemeinschaft handelt, die sich auf einen einzelnen Ver- waltungs8zweig, auf eine einzelne Aufgabe beschränkt, eine partielle Interessengemeinshaft. Jn solhem Fall wird man auch in Zukunft wie bisher niht von Zweckverbänden Abstand nehmen können, wenn das öffentlihe Interesse es erheischt. Und diese Negelung, die der bisherigen Geseßgebung entspriht und keineswegs etrvas Neues ent- hält, halté ich für unbedingt notwendig, und darum muß ih mich mit aller Entschiedenheit gegen den Antrag aussprechen, die \ämt- lihen Bestimmungen des Geseßentwurfs mit Ausnahme des § 1 zu streihen. Das wäre eine vollkommene Abkehr von den bisherigen Gesetesprinzipien, nah denen der Zwang unter Umständen ermöglicht wird, ein motwendiger und heilsamer Zwang, den die Staatsregierung nit wird entbehren können.

Der Herr Vorredner hat mehrfach \sich über seinen Antrag Nr. 138 ausgesprochen, der dahin geht, . daß in den Fällen, in denen ein Kreis beteiligt ist, die nicht hier im Geseß vorge- sehene Bestimmung zur autoritativen Bildung von Zweckverbänden vplatgreifen soll, vielmehr ‘es jedesmal eines Geseßes bedürfen soll. Meine Herren, wenn unter dem Ausdruck „Kreis“ Stadtkreise mit einbegriffen sein sollen, so würde das meines Dafürhaltens eine ztem- lih willkürlihe und nicht ganz berehtigte Differenzierung der einzelnen Stadtgemeinden bilden. Die Stadtgemeinden mit 24 000 Einwohnern würden dem vorliegenden Geseßentwurf, unterliegen, die mit 25-, 26000 nicht mehr. Schon aus dem Grunde wird dies meines Dafürhaltens wohl ret bedenklih sein.

Was nun die Landkreise anbetrifft, so möchte ih darauf hin- weisen, daß eine derartige Ausnahmebeskimmung schon aus dem Grunde nicht gerechtfertigt ist, weil die Fälle, in denen eine obligatorische Zusammenlegung von Gemeinden und Kreisen oder Kreisen mit- einander stattfindet, außerordentlich selten sein werden, weil die Zahl der obligatorishen Aufgaben der Kreise außer- ordentlich gering ift. An obligatorishen Aufgaben der Kreise wüßte ich augenbli#lich nur aufzuführen: Die Durchführung der Kreisverwaltung, Wahrnehmung von Armenlasten unter gewissen Vorausfetzungen und die Wegeunterhaltung in den Fällen, in denen sie durch die Provinzialgesezgebung den beteiligten Kreisen auferlegt ist. Dann kommen noch sporadish obligatorische Leistungen der Kreise zur Unterstüßung einzelner Gemeinden unter besonderen Umständen hinzu. Es dürfie in hohem Grade unzweckmäßig sein, in derartigen, immerhin feltenen Fällen unbedeutenden Fällen doch rein lokaler Art einen Aft der Geseßgebung für erforderlich zu erklären, während das in der Vorlage vorgesehene einfahere Verfahren weit- gehende und auéreihende Kautelen zu Gunsten der beteiligten Korpo- rationen enthält. (Zuruf: Zwang!) Jawohl, ih meine die Kautelen, die das Gesetz gibt, sind auKeihend, um die Kommunen und Gemeinden gegen eine unangemessene Anwendung des Zwanges vollständig zu s{üten.

Jch kann dem Herrn Vorredner au darin niht beitreten, daß die Kreisausshüsse und die Bezirksaus\{hüsse bei den Städten und Kreisen kommen nur Bezirksausshüsse in Frage —, nicht genügende Garantien dafür bieten, daß die Interessen der Städte unpartetisch wahrgenommen werden. Jch glaube, daß dieser Argwohn gegenüber den Scelbstverwaltungsbehörden nicht berechtigt ist.

Die Erwägung, daß die Städte unter Umständen dadurch benachteiligt werden könnten, daß in ihrem Bezirk befindliche kostspielige Einrichtungen und Anlagen in den gemeinschaftlichen Besiß des Verbandes und seiner besonderen Verwaltung einbezogen werden, hat die Stellung zweier Anträge veranlaßt, die bereits in der Kommission erörtert worden sind. Der Antrag des Herrn von Bitter und dann der Antrag des Herrn Oberbürgermeister Scholtz, die meines Dafürhaltens vollkommene Garantien dafür bieten, daß der- artige Anlagen den Gemeinden auf deren Wunsch verbleiben, nicht nur in ihrem Eigeutum, sondern in deren Verwaltung Und ich fann nur wiederholen, was ich auch \{chon in der Kommission gesagt habe, daß ih. gegen das Prinzip, welches diescn An- trägen zugrunde liegt, Einwendungen nicht geltend zu machen habe, da dieses Prinzip an sich wohl mit der Tendenz und den Zwecken des vorliegenden Geseßentwurfs vereinbar ist. Ich habe in der Kommission mih lediglich gegen die Fassung, gegen die Aus- gestaltung der einzelnen Bestimmungen gewendet, die meines Dafür- haltens doch zu einigen Besorgnissen Anlaß geben ; das Prinzip aber und die Fassung, wie sie bei flühtiger Durchsicht mir jeßt klar ge- worden ist, würden meines Dafürhaltens für die Staatsregierung keinen Anlaß geben, gegen die Annahme dieser Anträge wesentliche Bedenken geltend zu machen. Jch glaube, daß dann tatsächlich alle irgendwie berechtigte Befürchtungen, die seitens der Herren Vertreter der größeren Städte geltend gemaht worden sind, behoben sein würden, und glaube, daß sie im übrigen wohl in der Lage sein würden , diesem Gesetzentwurf ihre Zustimmung zu erteilen, der zweifellos sehr nüßli}Þ und wohltätig für das ganze Land, ins- besondere für diejenigen Landestcile, die der Wohltaten der Be- stimmungen der Landgemeindeordnung bisher sich nicht zu erfreuen hatten, wirken würde.

Herr Tortilowicz von Batocki-Friebe: Die große Mehrheit Y

meiner konservativen Freunde erwartet von dem Entwurf eine ünstige Fortentwicklung der kommunalen Interessen und ist geneigt für ihn zu stimmen. Bedenken hätte sie nur auf finanziellem Gebiet. Es könnte vorkommen, daß Kommunalverbände mit sehr hoher kommunaler Belastung zusammengeshweißt werden mit steuerlich sehr niedrig belasteten Gemeinden und UUrO noch stärker belastet würden. Das ist von Zufällen abhängig und die Möglichkeit dazu könnte unter Umständen Bat werden, Wünschenswert wäre hier ein Ausgleih. Die sehr bedrohlihe Differenzierung unserer kommunalen Belastung würde dadur noch bedrohliher werden, und sie ist {on heute ein Schaden unserer kommunalen und der nen staatlihen Entwicklung. Die hoc belasteten Kommunalverbände werden genötigt sein, ihre Steuerlasten noch weiter zu erhöhen, und dadur die LEErTD Bata Elemente gab- stoßen. Diese Differenzierung trägt in si die O steten An- wachsens, und es muß dieser Gefahr ein offenes Auge zugewendet werden. Jch kann das in der Provinz Ostpreußen ganz besonders beahten. Der Gefahr könnte begegnet werden bei Gelegenheit der Neubearbeitung des Einkommensteuergeseßes, besonders wenn die Ab- sicht, die Staatseinkommensteuerzuschläge organish in das Gesetz ein- zuarbeiten, zur Tat wird.

Minister des Jnnern von Dallwißt:

Meine Herren! Soweit ih den Herrn Vorredner verstanden habe, geht er von der Ansicht aus, daß durch diesen Geseßentwurf das Staatss\teuersoll oder Kommunalsteuersoll als obligatorisher Maßstab für die Verteilung der Verbandsbeiträge eingeführt werden foll, Gerade das Umgekehrte ist der Fall. Nach den jegt geltenden Be, stimmungen ist obligatorisch die Verteilung nah dem staatlichen, be- ziehung8weise Kreis- oder Provinzialabgabensoll. Dieses Gese aber hat die Härte erkannt, welche in einer derartig starren Verteilung liegen kann, und hat in erster Reihe als möglih genannt die Ver- teilung der Beiträge nah dem Maßstabe der Beteiligung an den von dem Zweckverbande zu erfüllenden Aufgaben, mithin nah dem Maßstabe des Interesses, das die einzelnen Gemeinden an der zu erfüllenden Aufgabe besißen. In zweiter Neihe würde nur das Steuersoll in Frage kommen, und auch dieses nur insofern, als niht durch die Satzung ein anderer Maßstab vorgesehen wird. Es ist also der freien Vereinbarung der Gemeinden in bezug auf den Maßstab für die Verteilung der Bei- träge gerade durch dieses Gesez der weiteste Spielraum gelassen, sodaß die Befürchtung, daß dieses Gesez irgendwie eine Ver- {lechterung der Lage der etnzelnen Gemeinden hervorbringen könnte, der Begründung entbehren dürfte.

Herr Veltmann- Aachen: Die Ausführungen des Ministers haben meine Bedenken nicht zerstreuen können. Jch wundere mih, daß man immer noch auf die Landgemeindeordnung ver- weist, die doch nur für den historishen Werdegang des Entwurfes in Betracht kommt. Es handelte sich ursprünglich nur darum, einzelnen leistungss{wachen Landgemeinden und leistungs{chwachen Städten den Zusammenschluß zu Zweckverbänden zu erleichtern; dazu sollte die Landgemeindeordnung entsprehend geändert und auf die west- lichen Provinzen ausgedehnt werden. Das geschieht aber nicht, sondern man legt ein ganz allgemeines Geseß vor. Der Minister stellt eine städtefeindliche Tendenz in Abrede und beruft sich darauf, daß bisher die Landgemeindeordnung in der Weise nicht angewendet worden fei. Das scheint“ mir absolut nicht folgerihtig. Wenn auch die Eingemein- dungen künftig niht ganz unmöglich gemacht werden, fo werden fie doch sehr eingeshränkt werden, und die Entwicklung der größeren Städte wird in Zukunft auf viel größere Schwierigkeiten stoßen. Der Minister mag ja persönlih den Städten freundlich gesinnt sein, aber das bedeutet keine Bindung für die Zukunft, und das böse Schicksal, welches seit 1896 Berlin betroffen hat, steht uns ja als warnendes Beispiel vor Augen. Sind die Zwangsverbäntde erst gebildet, so ver- lieren die Städte ihren maßgebenden Einfluß auf die wichtigsten fommunalen Anlagen. Die Beschränkung auf die „obligatorischen“ Aufgaben der Städte gibt keine Sicherung, denn dieser Begriff ist sehr s{hwankend. Das Oberverwaltungsgeriht hat zwar die be- treffenden Aufgaben festgelegt, aber diese Judikatur kann sich ändern, und wenn dieser Geseßzentwurf Gesetz wird, wird es leiht sein, die obligatorishen Aufgaben der Städte noch zu vermehren. Der Minister hat nur einen einzigen Fall anführen können, in dem auf Grund der Landgemeindeordnung ein Zweverband gebildet wunde. Gibt es noch mehrere Fälle, so bitte ich, sie zu nennen. Im Nhein- land hat man nur für die kleinen Gebilde eine Zusammenlegung ge- wünscht. Die Gegensäße zwischen Stadt und Land, zwischen Land- wirtschaft und Industrie werden durh dieses Geseß noch mehr ver- schärst werden. Man hat das allgemeine Zweckverbandsgesetz in der Kommission mit der Steinschen Städteordnung verglichen. Dies Gese unterscheidet sich aber von jenem Gefes dadurch, daß es für die Städte unheilvoll wirken wird. Es ist kein Wunder, daß alle preußischen Städte \sich diesem Geseg widersegen. Wir haben eine Reihe von e gehabt, die die Städte schädigen, aber kein anderes Geseß greift so ein in die Selbstverwaltung und Selbstbestimmung der Städte wie dieses. Eine Neihe von Städten ist reichsfrei geworden und fühlt si jeßt unter preußischer Herrschaft, unter der preußishen Städteordnung wohl : das foll nun anders werden. Der Zweckverband ist keineswegs ein kommunales Gebilde, wie die bestehenden organisch zusammen- wirkenden Selbstverwaltungskörper, die Städte. Die Kreis- und Bezirksausschüsse, die eine Nechtsgarantie bieten sollen, haben keine Selbstverwaltung im Sinne der Städte. Die Vorsitzenden sind doh Staatsbeamte und die meisten Mitglieder Angehörige der Landwirt- schaft, .wir können also zu thnen fein Vertrauen haben. Auch der Hinweis auf England ist niht stihhaltig. Die Grafschaftsräte waren ein Verlegenheitsausweg, und man schaut mit Neid und Bewunderung auf die Entwicklung unserer Stadte unter der Städteordnung. Wir können mit Stolz auf die Entwicklung unserer Hauptstadt und der großen Provinzialstädte blicken. Das ist zu danken der Städte- ordnung und der historishen Entwicklung dieser Städte. Das Herren- haus soll doch ein Hüter der historisch begründeten Rechte sein. Neuer- dings bestehen Bestrebungen auf Reform unseres Oberhauses, wie in England. Nichts wäre geeigneter, diese Bestrebungen zu fördern, als wenn das Herrenhaus in diesem Punkte versagte. Die Städte find bisher diefen Bestrebungen ferngeblieben, aber sie könnten anderen Sinnes werden, wenn das Herrenhaus seinen historischen Beruf außer acht ließe. Die Mitglieder aller preußishen Städte find e'nstimmig gegen den Grundgedanken des Gesetzes, gegen den Zwang. Hoffentlih werden unsere Bedenken zu einer nochmaligen Nachprüfung im Abgeordnetenhause führen und zu der Ueberzeugung, daß das Geseß in dieser Form nicht verabschiedet werden kann. Wenn wirklih in einem einzelnen Falle die Beteiligung eines Vorortes an einer großen Stadt notwendig isl, dann mag es durh Gesetz geschehen.

Herr von Wedel: Gegen den vorliegenden Geseßentwur! wird eingewendet, daß er nicht notwendig sei. Ja, was ist in der Welt notwendig ? Bestehen kann man allerdings au ohne dies Geseg. Dann wäre aber auch das Feuerbestattungê- geseß niht notwendig gewesen. Wir machen viele Geseße, die nicht unbedingt notwendig, aber nüßlich sind. Die Bor- lage ist in der Tat nichts so Erschreckentes und Gefährlicheé, wie es von derx linken Seite dargestellt wird. Es sollen Zwed- verbände gebildet werden können für die gemeinfame Erfüllung kow munaler Aufgaben, auch gegen den Willen einzelner Beteiligker zwangèeweise. Darin erblicken die Herren fast den Untergang del preuß {hen Städteverwaltung. Es soll doch die Bildung nur nas dem Bedürfnis und nur innerhalb der geseßzlich den Kommu obliegenden Aufgaben stattfinden. Der eigentlihe Grund A Besorgnis liegt in der Annahme, daß die Eingemeindungeu n h großen Städten nicht mehr in demselben Maße wie bisher stattfin ge fönnten. Der Minister hat ih bereits gegen diese An}icht au

ohen, und auch wir hegen sie nicht. Es ist ja aller- E ge Fall denkbar, daß eine große Gemeinde eine fleine, au wenn diese ihren kommunalen Aufgaben durchaus genügt, gegen ihren Wilken p Eingemeindung zwingen kann; es ist on auf den Hallenser Fall hingewiesen worden; einen \olhen Macht- mißbrauch wird man allerdings zu verhüten haben. Die geäußerten Bedenken sind um fo weniger angebraht, wenn die Anträge Velt- mann und Scholß angenommen werden. Darum bitten wir Sie, für das Geseß zu stimmen. Der Gefahr, daß die Annahme des Gesetzes Bestrebungen auf Reform des Herrenhauses hervorrufen wird, sehe ich mit Ruhe entgegen; diejenigen, die das Herrenhaus ändern wollen, werden sich nach anderen Gründen dafür als nah diesem Zweck- pverbandégeseß umsehen müssen. ; S

Herr Bender - Breslau: Es ist merkwürdig, wie verschieden Wert und Bedeutung dieses Geseßes angesehen werden. Bei denjenigen, die mit dem Gefeß zunächst zu arbeiten haben, be- steht die einheitlihe Meinung, daß es an den Grundlagen der Selbst- verwaltung rührt. Man kann nicht gut verwalten, wenn einzelne Becwaltungszweige abgetrennt und anderswohin verlegt ind. Eine Gemeinde, der Wasserleitung, Wegebau, Kanalisation, Feuer- wehr usw. entzogen find, ist gar nicht mehr die alte Gemeinde. Jn dem Verhältnis von Zweckverband zum allgemeinen Kommunalverband fann ih der Bürger gar nicht mehr zurechtfinden. Man verlangt von uns Vertrauen ; aber die Ausführungen des Herrn Veltmann in dieser Richtung. sind doch unwiderleglih. Die Personen im Pro- vinzialrat und Bezirksaus\{huß wechseln und kennen die Interessen der Städte nicht; wir haben sie auch nicht in der Gewalt; wie follen wir zu ihnen Vertrauen haben? Der* Antrag Locning bietet immer- hin eine Verbesserung; die weiteren Anträge Veltmann und Scholtz machen einen weiteren Schritt nah dieser Richtung und zeigen, daß, je länger wir beraten, desto mehr wir uns einander nähern. Ich bitte Sie ret schr, auch den Antrag Loening anzunehmen, der dem bestehenden Rechtszustand entspricht. Die Frage der Eingemeindung wird hier künstlich im Hintergrund gehalten; es bleibt zunächst nichts übrig, als sih an die Worte des Ministers zu halten. Was Herr von Batocki angeführt hat, \priht durhaus niht gegen Ein- gemeindungen.

Damit ließt die Generaldiskussion.

Der Neferent hebt noch hervor, daß die Minderheit eine Ein- gemeindungspolitifk à tout prix feinesweas zu treiben empfehle, sondern nur eine gesunde, den allgemeinen Interessen dienende Ein- gemeindungêpolitik. Sie sieht das Erschreckende in tem Entwurf darin, daß er unter Umständen den Gemeinden wichtige Teile ihrer fommunalen Verwaltung und selbst Teile ihres Eigentums entziehe.

Jn der Spezialdiskussion wird § 1 ohne Debatte in der Kommissionsfassung angenommen.

S 2 handelt von der zwangsweisen Bildung von Zwek- verbänden. Die Kommission hat dem Paragraphen folgenden Oas E Sibi wle 4

„Auf die ädte, welche selbständige Glieder des 2Zweck- verbandes Groß-Berlin e finden bie Bestimmungen A Paragraphen keine Anwendung.“

__ Herr Dr. Rive- Halle beantragt die Streichung der auf die Zwangsbildung bezüglihen §8 2 bis 23, eventuell den Zusaß der Kommission in seinen Eingangsworten dahin zu ändern: „Auf die selbständigen Glieder des Zweverbandes Groß-Berlin usw.“

Ferner liegt folgender Antrag Loening vor: „Ist einer der Beteiligten ein Kreis, so erfolgt die Bildung eines Zweckverbandes durh Gesetz, das die Nechtsverhältnisse des Zwekverbändes zu regeln hat. Die Auflösung eines durch Gesetz gebildeten Zweverbandes fann, wenn die Beteiligten nicht ein- verstanden sind, nur durch Gese erfolgen. Andernfalls finden die Bestimmungen des § 4 Anwendung. Erfolgt die Bildung oder Auflösung eines Zweckverbandes durch Gesetz, so finden über die bierdurch notwendig werdenden An befemen zwischen den Beteiligten die Bestimmungen des § 6 Anwendung."

jowie ein Antrag Veltmann:

„Die Bildung eines Zweckverbandes nach Maßgabe der vor- stchenden Bestimmungen unterbleibt, sofern und solange ein Be- teiligter bereit und im stande ist, die gemeinsame Aufgabe dadurch zu erfüllen, daß er den übrigen Beteiligten die Mitbenutzung einer fommunalen Anstalt gegen angemessene Entschädigung einräumt. Varüber, ob die vorangegebenen Voraussetzungen vorhanden find, sowie über die Höhe der Entschädigung beschließt im Streitfalle der Kreis-(Bezirks-)Ausschuß, dem auch die Entscheidung über sonstige aus diesem Verhältnis entstehende Streitigkeiten zusteht.“ Verr Dr. Rive: Wenn die §8 2 bis 23 gestrichen werden, so bleibt die Landgemeindeordnung in Geltung. Wie dem Wunsche, sie auf den Westen zu übertragen, entsprochen werden könnte, ist bereits genügend erörtert worden. Durch das Gesclz will man es möglich machen, die großen Städte mit den kleinen Vororten zu- sammenzuzwingen. Das wird zu den \{chwerwiegendsten Folgen führen. Was die großen Städte von dem Gefeß zu erwarten haben, beweist das Beispiel des Vorgehens des Vororts Diemitz gegen die Stadt Halle. Leßtere hat mit einem Aufwand von vielen Millionen ein Wasserwer errichtet. Diemiß bat mit der Stadt verhandelt wegen der Wasserlieferung, die Verhandlungen aber abgebrohen mit dem Dinweis auf das bevorstehende Inkrafttreten des Zweckverbands- ge)eBes, dur das die Stadt Halle ja zur Erfüllung der Wünsche des Vorortes Diemißz gezwungen werden würde. In den 20 Iahren, in denen die Landgemeindeordnung gilt, hat noch niemand an die Anwendung gedacht, wo es sich um eine Landgemeinde und auf der anderen Seite um eine große Stadt bandelte. Das Eigentum wird durh das Geseß im höchsten Grade bedroht. Beim Zwekverbands- es {ür Groß-Berlin habe ih gesagt, daß der Eigentumsbegriff durh jenes verdünnt und ges{chwäht werde. In diesem Gesetz ist er geradezu verflüchtigt. Wenn der Reiche niht dem Armen gibt, was dieser brauht oder haben will, fann man dann jagen, der Reiche mißbraucht seinen Neichtum gegenüber dem Armen ? EGbensowenig kann Herr von Wedel sagen, daß in einem Falle, wie in dem oben geschilderten, die großen Städte ihre Macht gegen die kleinen Gemeinden mißbrauchten.

( yingemeindungsabsichten liegen bei uns in Halle in diesem Falle über- aupt nicht vor. Die Eingemeindung ist von der kleinen Gemeinde

wiederholt gewünscht worden, wir danken aber dafür.

Minister des Innern von Dallwiht:

_ Meine Herren! Jch habe mich vorhin hon zu dem Antrage geäußert und ausgeführt, daß der Gedanke tes Antrags wohl mit den vwecken des Geseßzes vereinbar ist, und daß die Negierung keinen Anlaß hat, sich gegen den Antrag auszusprehen. Jch tue dies unter der Voraus- legung, daß die Worte : „darüber, ob die vorangegebenen Vorausfetungen borhanden sind usw., entscheiden Kreis- und Bezirksaut{hüsse“ den eis haben, daß der Kreis- und Bezirksausshuß tarüber zu ent- äe, hat, ob ein Betelligter ernstlih bereit und dauernd imstande F: die gemeinsamen Aufgaben zu erfüllen. Denn nur in diesem Be würde eine Gewähr dafür gegeben sein, taß niht zum Zwecke cth I eines Zweverbandes eine Anstalt einstweilen zur R gestellt wird mit dem Vorbehalt, diese Bereitwilligkeit

air ost zurüzuziehen. Meiner Ansicht nah würde der Kreis- bezw. hafte SALLEUN darüber zu befinden haben, ob das Angebot eine ernst- verfol erte ist. Da ih annehme, daß der Antrag diesen Zweck

sgt, so fann ih ihn der Annahme empfehlen. Bedeoete Dr, Loening: Der Minister hat volles Verständnis für die weihen i tnirrer Se aber die wesentlichsten Momente, mit nen Antrag begründet habe, hat er nit gewürdigt.

Die bestehende Landgemeindeordnung gewährt bei. der Bildung von Zweckverbänden strikte Schußbestimmungen für die Interessen Ver be- teiligten Städte, und die werden dur das vorliegende Gesetz be- seitigt. Bezirksaus\hüsse und Provinzialräte haben die disfkretionäre Gewalt, über die Zusammenseßung der Verwaltungsausfchüsse zu be- stimmen. Der Sinn des Paragraphen ist : Der Bezirksausschuß kann machen, was er will. Ist es wirklich richtig, das Schicksal unserer Städte in die Hand der Bezirksausshüsse und Provinzialräte zu legen? Wir kennen doch die betreffenden Personen nit; wie soll man aber Vertrauen haben, daß diese die Interessen der Städte vertreten 2 Wollen Sie den berechtigten Interessen der Betreffenden Rechnung tragen, so müssen Sie meinen Antrag annehmen. Eine große kom- munale Bureaukratie, wie sie hier geschaffen wird, liegt nicht im Sinne der Steinschen Geseßgebung. Mein Antrag will gar nicht eine Eingemeindung direkt befördern, sondern nur ciner Vergewaltigung der Städte vorbeugen. Um dem Minister entgegenzukommen, wi ih meinen Antrag dahin abändern, daß ih im ersten Sah ftatt „Kreis“ „Landkreis“ sege. Würden die Herren von der rechten Seite das Schicksal ihrer Landkreise in die Ms einer so zusammengesetzten Behörde legen? Jch glaube niht. Dasselbe Neht müssen aber au die Städte haben. Die Anträge Veltmann und Scholtz haben nur einen sehr problematishen Wert. Sie behalten zwar den Gemeinden das Eigentum vor, gewähren ihnen aber keine Rechte und legen ihnen neue Lasten auf. Ih möchte Sie vielmehr bitten, meinen Antrag anzunehmen.

Minister des Jnnern von Dallwiß:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat zwei Anträge gestellt : den ersten Antrag, der dahin geht, den legten Absatz des § 2 in folgender Weise zu fassen: „Auf die selbständigen Glieder des Zweck- verbandes Groß-Berlin finden die Bestimmungen dieses Paragraphen keine Anwendung“ kann ich zur Annahme empfehlen, und zwar aus den Gründen, die der Herr Antragsteller vorhin selbst dargelegt hat. Zu dem andern Antrage Nr. 136, der die Streihung der 88 2 bis 23 des Geseßentwurfs verlangt, habe i mich bereits bei der all- gemeinen Dit kussion geäußert. Jch glaube, daß er durch die allgemeinen Betrachtungen, die der Herr Antragsteller selbst an seinen Antrag geknüpft hat, auch erledigt sein dürfte. Nur in einigen wenigen Punkten möchte ih ihm entgegentreten. Er hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, behauptet, daß jeßt {hon die Möglichkeit gegeben \ci, auf Grund der Bestimmungen der Landgemeindeordnung Städte zu einem Zweckverband zu vereinigen. (Widerspruch von Herrn Rive.) Dann habe ih ihn mißverstanden. Jedenfalls besteht zurzeit diese Möglichkeit nicht, und das ist ein Grund mit, warum meines Dafür- haltens die Annahme des Gesetzentwurfs notwendig ist. Der Herr Antragsteller hat übersehen, daß im Falle der Annahme seines Antrags die Ausdehnung der Bestimmungen der Landgemeindeordnung auf die westlichen Provinzen scheitern würde, daß damit in den westlichen Provinzen alles beim alten bliebe, daß einem dort bestehenden Bedürf- nisse, die Bildung von Zweckverbänden zu ermöglichen, niht Nechnung getragen werden würde. Ich möchte also aus diesen positiven Gründen und mit Nücksicht auf die Ausführungen, die ih {hon vorhin in sehr eingehender Weise gemacht habe, bitten, den Antrag abzulehnen.

Ich möchte nun noch eins hinzufügen. Der Herr Vorredner hat wiederum das berühmte Beispiel der Vorortgemeinde in der Nähe von Halle erwäßnt und daran eine weitere Schlußfolgerung geknüpft. Ich fann Ihnen die Versicherung geben, daß, wenn setne Ausführungen zutreffend find, wenn mithin die Stadt Halle bereit ist, das Wasser zu geben, und ein öffentlihes Interesse zur Bildung eines Zwek- verbands mithin nit vorliegt, dann ein Zweckverband nicht zustande kommen wird, gleihviel, ob Sie dieses Gese annehmen oder ablehnen. Liegen die Verhältnisse dagegen anders, und zwar derart, daß ein öffentlihes Interesse vorliegt und daß sih die Stadt Halle unbe- rechtigterweise weigert, einer kleinen Vorortgemeinde die Mitbenugzung des Wassers unter angemessenen Bedingungen zu gestatten, \o wird, auch, wenn Sie das Gesetz ablehnen, der Oberpräsident pflihtgemäß auf Grund der jezt bestehenden Bestimmungen der Land- gemeindeordnung einen Zweckverband bilden. Ste werden also durch die Ablehnung des Gesetzes, falls diese Vorausseßungen gegeben sind, der Bildung dieses Zweckverbands nicht entgehen. Meine Herren, es wird ja immer geltend gemacht: die Landgemeinde- ordnung enthalte die Bestimmung, daß Städte mit Landgemeinden zu Zwekverbänden vereinigt werden können; aber das bätten die Ge- seßgeber nicht im Auge gehabt und auch gar nicht gewollt. Ich halte das für eine unzutreffende Annahme. Ich bin überzeugt, daß im Jahre 1891 die Geseßgeber und die einzelnen Herren in den parla- mentarishen Körperschaften \sich genau so der Tragweite der Augs- drucksweise des Gesetzes bewußt gewesen sind, wie Sie sich heute der Bedeutung der Bestimmungen des vorliegenden Entwurfs bewußt sind. Wenn einzelne Herren vielleiht andere Absichten damit ver- bunden haben, so ist damit doch keineswegs gesagt, daß die sämtlichen Beteiligten sih nit darüber klar gewesen wären, daß durch die Be- stimmung des § 138 der Landgemeindeordnung dke Möglichkeit er- öffnet werden sollte, Städte auch mit Landgemeinden zu verbinden.

Tatsächlih hat es sih allerdings bei der Zweckoerbandsbildung nah dem bisherigen Neht um Fälle geringerer Bedeutung, um Ver- bände zwischen mittleren und Landgemeinden gehandelt. Das wird auh fünftig so sein. Nach wie vor kaun ih es aufrecht erhalten, daß aller menshlichen Voraussicht nah alle die Fälle, daß größere Gemeinden mit Landgemeinden verbunden sein werden, immer nur die Ausnahme bilden dürften.

Meine Herren! Der Herr Vorredncr hatte vorhin ausgeführt, daß er die wesentlihe Garantie, welche die Bestimmung der Land- gemeindeordnung den großen Städten bietet, darin erblickt, daß nah § 135 Ziffer 7 unter allen Umständen im Fall einer zwangsweisen Verwaltung eines Zroeckverbandes die Verteilung der Lasten nah dem Maßstabe der kommunalen und provinzialen Abgaben erfolgen müsse und dementsprehend auch die Verteilung der Stimmen in gleicher Weise zu erfolgen hat. Meine Herren, gerade diese Bestimmung ent- hält meines Dafürhaltens den Keim großer Ungerechtigkeit, ins- besondere den größeren Städten gegenüber. Nach dieser Bestimmung kann sehr häufig der Fall eintreten, daß eine Stadtgemeinde zwar die Bildung eines Zweckverbandes wünscht, der Hauptnutzen aber einer kleinen Landgemeinde zufällt. Troßdem muß zu den Kosten dieses gesamten Unternehmens, der Lösung der gemeinschaftlichen Aufgaben, die Stadtgemeinde nah dem vollen Betrage ihres kommunal-\taat- lihen Steuersolls beitragen und die Landgemeinde, die den wesentlichen Vorteil hat, nur mit dem geringen Betrage, der ihrer \teuerlichen Leistungsfähigkeit entspriht. Gegen derartige Eventualitäten, wenn sie überhaupt eintreten werden, soll ja gerade die weniger starre Fassung des jeßigen Entwurfs Schutz bieten. Es foll die Möglichkeit gegeben sein und. zwar is das als Negelfall vorangestellt —, daß in

solhen Fällen die Lasten nah dem Interesse verteilt werden.

Um ein Beispiel zu erwähnen, seße ich den Fall, daß z. B. in einer Vorortgemeinde es braucht sich nicht gerade um eine große Stadt zu handeln, sondern um etne kleinere, mittlere ein dringendes Bedürfnis nah Entwässerung bestehl wegen der dortigen Vorflutverhältnisse sei das Bedürfnis auf einen ganz geringfügigen Teil der Stadt beschränkt, die Entwässerung muß aber gemeinsam er- folgen, weil es fonst niht möglich is —, dann würde bei Bei- behaltung des § 137 der Landgemeindeordnung die Stadtgemeinde den Löwenanteil an den Kosten zu t-agen haben, während die Vorort- gemeinde nur minimal daran beteiligt ist. Nach den Bestimmungen des Geseßentwurss wird in diesen Fällen die Sache so geregelt werden, daß die Hauptbelastung derjenigen Gemeinde zufällt, die au den Hauptvorteil hat, mithin der an \ich kleinen Landgemeinde. Hat sie aber den Löwenanteil an den Kosten zu tragen, fo wird es in solchem Fall nur billig sein, daß sie auch entsprechend in dem Verbands- aus\{chuß vertreten und nicht vollkommen der Willkür der anderen Gemeinden preisgegeben ist. Ich glaube mithin, daß tatsächlich die Bestimmung, die vom Herrn Geheimen Nat Loening angefochten ift, doh gerade in den meisten Fällen zum Vorteil der großen und leistungsfähigen Gemeinden aus\{chlagen wird und einen Schutz bietet gegen Ungerechtigkeit, die sonst nur zu leiht eintreten kann.

Meine Herren, die Gründe, die gegen den Antrag sprechen, hake ih vorhin ausführlih darzulegen mir erlaubt. Jch habe darauf hin- gewiesen, daß die Unterscheidung von kreisfreien und kret8angehörigen Städten eine durhaus willkürlihe Grenze bildet, daß bei Landkreisen wenn sie aufrehterhalten wird, die Sache {hon aus dem Grunte nicht zweckmäßig ist, weil es \sich verhältnismäßig um geringfügige Sachen handelt, die doch zweckm äßigerweise nicht immer vor das Forum der beiden Häuser des Landtags zu bingen fein dürften, und daß es auch bei den lokalen Verhältnissen wobl kaum lohnt, in jedem einzelnen Fall die Klinke ter Gesetzgebung in die Hand zu nehmen.

Ich möchte bitten, den Antrag abzulehnen und es bei den Bez flimmungen des Gesetzentwurfs bewenden zu lassen.

Herr Velt mann : Mein Antrag hat den Zweck, ein Haupt- bedenken gegen das Geseß abzumildern. Daß er wenigstens eine Milderung bringen würde, hat auch Herr Dr. Loening anerkannt.

i Herr Dr. von Dziembowski: Ohne den S 2 und ohne die Möglichkeit der Bildung von Zwangszweckverbänden würde dem Gedanken und der Absicht des Gesetzes die Bollstreckbarkeit fehlen, es würde ein Nahmen ohne Inhalt übrig bleiben. Danach er scheint mir der Antrag Nive unannehmbar. Man hat betont, daß die Bezirks8aus\hüsse und Provinzialräte die städtishen Interessen nicht voll vertreten. Demgegenüber hebe ich hervor, daß Sonder- oder Be rufsinteressen in diesen beschließenden Körperschaften nicht vertreten werden, fondern die Interessen der Gesamtheit ; niht Majorität, sondern die Autorität der sahlihen Gründe entscheidet. Es liegt diesen Körperschaften eben die Entscheidung zwischen widerstrebenden Interessen ob. Die Entscheidung über Stimmrecht und Umlage- maßstab liegt auch keineswegs in der Willkür dieser Beschlußbehörden ; nur wenn die Beteiligten sh über den Inhalt des Statuts nit verständigen können, soll die angefohtene Regelung eintreten. Wenn Eingemeindungen sih als untunlih oder bedenklih erweisen, ist die Bildung von Zweckverbänden cin gangbarer Weg, um vorwärts zu kommen. Der Antrag Loening ist auch in der L eshränkung auf die Stadtkreise niht annehmbar; es liegt feine Veranlassung vor, einen so willkürlihen Schritt zu machen und für die Stadtkreise die Zweck- verbandsbildung auf den Weg des Geseßes zu verweisen. Man foll do Vertrauen haben sowohl zu den Kommunen wie zu den hier in Betracht kommenden höheren Behörden. Das Gesetz wird jedenfalls einen Fortschritt bringen. :

Herr von Buch verzichtet aufs Workt.

Derr Fuß - Kiel: Mir \ch{eint der Antrag Nive der glück- liste, eventuell würde ich den Antrag Loening empfehlen. Für die übrigen Anträge kann ih stimmen. An sich sind Zweckverbände eine sehr segensreiche Einrichtung, sci es zwishen Städten und Land- gemeinden, wie zwischen Städten und Städten, wie auch zwischen Städten und Kretsen, fofern sie auf freiwilliger Vereinbarung beruhen. In diesen Tagen wird ein solcher freiwilliger Zweckverband zwischen Stettin und der Provinz Pommern hinsihtlih der Herstellung elektrischer Kraft zustande kommen. Die Vorlage will nun auc) Zwangszweckverbände, und ihre Wirkung wird eine Erschwerung der Eingemeindungen sein. Bei der Prüfung von Eingemeindungsvorlagen haben wir im anderen Hause und auch hier Aeußerungen gehört, die von Feindschaft gegen Eingemeindungen diktiert waren, wir haben hier im Hause das harte Wort gehört: „Wir lehnen die Vorlage ab, die Großstadt kann noch viel mehr bluten.“ Wenn kleine Vororte die Beteiligung an Wasserleitungen, Kanalisationen auf Grund eines Gesetzes erlangen können, fällt ein sehr starker Anreiz zur Ein gemeindung und auh ein starker Hebel zur Erreihung der Ver- ständigung auf anderen Gebieten zwischen den Vororten und den Städten fort. Jch kann daher nur dringend die Annahme des An- trages Loening empfehlen.

Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Der Antrag Rive auf Beseitigung des § 2 wird nah Probe und Gegen- probe abgelehnt, ebenso der Antrag Loening. Zur Annahme gelangen dagegen der Antrag Veltmann und der Eventual antrag Rive und mit diesen zusammen 8 2.

Die 88 3, 3a, 4 und 5 werden ohne Debatte nah den Kommissionsvorschlägen angenommen.

5 6 betrifft die Auseinanderseßzungen. Der zweite Absatz lautet: L „Bei dieser Negelung sind erforderlichenfalls Bestimmungen zur Ausgleichung der öffentlihrehtlichen Interessen der Zwecks- verbandsglieder zu treffen. Insbesondere können einzelne Beteiligte zu Vorausleistungen verpflihtet werden, wenn diejenigen, mit welchen sie verbunden werden sollen, für gewisse Verbandszwecke bereits vor der Verbindung für sich allein in genügender Weise Fürsorge getroffen haben oder aus anderen Gründen nur einen geringeren Vorteil von der Verbindung haben.“

Verr Fu ß - Kiel befürwortet einen Antrag, in dem zweiten Saße anstatt „können“ zu sagen „müssen“ (verpflihtet werden). Der Sinn werde dadur besser getroffen: da der erste Satz eine Mußvorschrift enthalte, könne der zweite, der mit dem Worte insbesondere eingeleitet werde, nicht eine fafkultative Bestimmung treffen. Die Beschlußbehörden müßten angewiesen sein, die Voraus leistungen festzuseßen. Die Gefahr, daß die Vorausleistung einmal zu Unrecht gefordert werde, sei niht so groß, als daß die Voraus leistung unterbleibe.

Minister des Jnnern von Dallwißgz:

Meine Herren! Die Deduktion, die der Herr Vorredner soeben gemacht hat, spricht, glaube ih, nicht für seinen Antrag, sondern da- gegen. Er hat ausgeführt, daß in dem ersten Satz des zweiten Ab- saßes des § 6 bereits eine Mußbestimmung enthalten sei, welde die Ausetinanderseßungsbehörde binde, weil in dem ersten Saße des zweiten Absatzes folgende Bestimmungen enthalten sind: bei dieser Negelung \ind erforderlichenfalls Bestimmungen zu treffen. Der Herr Vorredner hat übersehen, daß diesem Worte „sind“ das Wort „erforderlihenfalls“ hinzugefügt ist, und daß in diesem Zusammenhange die Worte „erforderlichenfalls“ und

„sind" nur „können“ bedeuten. Es ist mithin keine Mußbestimmung,

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