1891 / 283 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Dec 1891 18:00:01 GMT) scan diff

Sidi A ECINRE N T us.

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i Cn ia R GGELENTE H:

Ankündigung habe fogar in einem Widerspru mit den Ausführungen der KFreitagsrede selbst gestanden, insofern sie vor einer UVebershäßung der Quantität gewarnt habe. Es sei ja allerdings nur angedeutet worden, daß man werde suchen müssen, die steigende Bevölkerungs8ziffer für die Heeresorganisation nußbar zu maden. Danach follte man glauben, daß fol(e Nuytbarmachung bisher niht stattgefunden bâtte oder vernacklässigt worden fei. Das sei nicht der Fall. Die Bevölke- rung habe in den zehn Jahren von 1880—90 nit in dem Maße zugenommen wie die Aushebung verstärkt worden sei. Wenn man die Freiwilligen in den amtlihen Uebersichten über die Aushebung unberücksichtigt lasse, ergebe sich. daß 1880 die Aushebung 140 009, 1889 161 000 und 1890 183000 Mann betragen habe. Es sei ja mögli, daß die Aushebung von 1891 defwegen so besonders groß gewesen fei, um die einmalige Heeresverstärkung mit einem Swhlage durhführen zu können. Im Sommer 1890 feien bei der legten Heeresverstärkung auf Antrag des Centrums gewisse Resolutionen an- genommen, die eine Verkürzung der Präsenzzeit und eine Verminde- rung der Prä'enzstärke anstrebten. Es moe 18 le, daß die zweijährige Dienstzeit, um die Kadres wieder au®êzu- füllen, eine vorübergebende Verstärkung der Aushebung mit h bringen müsse, aber in ihrem Wesen liege es durchaus nicht, daß auch nur die jetzige Präsenz aufre@t erhalten werden mühe. Daß auch der Reicékan;ler tros der Ankündigung einer neuen Militärvorlage hiervon niht gesprochen, habe ihn etwas befremdet ; ebenso be- fremde ibn die Forderung für außecrordentlide Uebungen, nachdem folhe in den beiden leßten Jahren in großem Umfange mit dem neuen Gewehr stattgefunden hätten. Außer der Aussicht auf die neue Militärvorlage habe man ja auch noch das Verlangen einer Ber- stärkung der Marine um 3000 Mann, und cs fei doch dasselbe Volk, aus dem man beiderlei Verstärkungen berausnehmen müsse. Die Aus- führungen des Reichskanzlers über Militärpessimismus und Chauvinismus bâtten ihn (den Redner) mit großer Genugthuung erfüllt, er unterschreibe sie voll und ganz. Auf die Erörterurgen über die auswärtige Politik gehe er nit ein, weil er für die Kritik keine Handhabe finde und in der Hauptsache einverstanden sei. Er könne sona die Rede des Reichskanzlers mit Avs\chaltung des Punktes über das Militär unterschreiben. Es würde aber grundfalsch sein, arzunehmen, daß der Reichskanzler ch freisinnigen In\hauungen genähert habe. Der Reichskanzler habe verschiedene Fronten zu vertheidigen. Seine Freitagêrede habe si auf einer anderen Front befunden, sie sei nach Friedrih8ruh gerictet worden. Es sei in den leßten Tagen ein Buch eines Verehrers des früheren Reitsfkanzlers erschienen: „Fürst Biëmarck in Ruhestand“ ; da seten alle Aeußerungen gesammelt, die Fürst Bismarck gegen seinen Nach- folger in Bezug auf innere und auswärtige Politik seit seinem Austritt aus dem Amte gethan habe. Seit dem Erscheinen diejer Schrift habe der Reichskanzler, besonders in sciner leßten großen Rede, Blume auf Blume aus dem Strauße der früberen Politik gepflückt. Dow wolle er (Redner) die Gegensäße hervorheben, die seine Partei von dem Reicskanzler schieden. Die Freisinnigen seien nit, wie die Nationalliberalen, Gegner der in der Polenpolitik eingeschlagenen Ricktuna, wenigstens sei ihm eine Opposition dagegen inner- balb seiner Partei nicht bekannt geworden; er seinerseits mae dem Kanzler dabei nur den Vorwurf, daß die Konsequenz der neuesten Maßnahmen doch dazu hätte führen müssen, auch das andere Inventurstück der bisherigen Polerpolitik, das Hundert- millionengesez und die Ansicdelungtkommission zu beseitigen, Das Meine aber nicht beabsichtigt zu sein. Die übrigen Gesetze lägen auf dem Gebiet der Einkommensteuer und der Rentengüter. Seine Partei bedauere, daß der Reichskanzler die sozialpolitishe Geseßgebung als Erbschaft seines Vorgängers übernommen und die Novelle zum Krankenkafsengeseß gebracht habe, statt an Stelle dieses Gesehes ein ganz neues vorzus{lagen; diese Novelle bedauere die Partei deshalb,

weil sie darin eine Verbrängung der freien Hülfskassen sehe und weil daraus Ansprüche an den Staat erwachsen würden, die kein Staat erfüllen könne. Ferner scien die Freisinnigen Gegner des Reichékanzler3 auf dem Gebiete der Kolonialpolitik. Sie bedauerten, daß auf demn Gebiete des Marinewesens der Reichskanzler den Staatssckretär Hollmann, die Zügel bei seinen Forderungen in einer Weise \chießen lasse, die weit über den der Marine gesteckten Rahmen hinausgebe. Sie seten vor allen Dingen darin Gegner des Reichskanzlers, daß er troy der hohen Korrpreise die Kornzölle aufreht erhalten habe; sie freuten d, daß bierin durch die Handelsverträge eine Aenderung herbeigeführt werde, hielten diese aber nicht für genügend zur Beseitigung der schweren Schäden.

Neichskanz!e: von Caprivi:

Der Herr Abgeordnete hat den Versu gemacht, mir nachzu- weisen, daß ih mich in meiner Rede neulich gegen zwei Fronten ge- \chlagen hätte, und er führte dann eine Schrift an, aus der ih nach seiner Ansicht einen Anlaß entnommen haben soll, meinen Herra Amts8- vorgänger anzugreifen. Ih habe diese Schrift nicht mit einem Auge gesehen, vermeide au Alles, was es mir {wer machen könnte, troß Allem, was geschieht, die Stimmung der Dankbarkeit gegen den großen Mann, der so wesentlich an der Schöpfung Deutschlands be- theiligt war, mir niht zu trüben. (Bravo.)

Der Herr Abgeordnete hat es im Eingang seiner Rede bemängelt, daß Kundgebungen des Deutschen Kaisers und des Königs von Preußen veröffentlicht scien, ohne Contrasignatur eines Ministers bezw. im Reich des Reichskanzlers zu finden, Die Kundgebungen, auf die er abzielt, betreffen Dinge, in denen der Monarch seine Ans{@auungen dem Staats-Ministerium oder dem Neichskanzler kund 1hut. Ich bin nit leitfertig in diesen Dingen verfahren; es sind Rechtsgelehrte und die berufenen Rechtsinstanzen gehört worden, um festzustellen: wie weit ist rechtlich cine Contrasignatur solcher Kunbgebungen des Monarchen nothwendig? und ich bin in Uekereinstimmung mit der

Königlich preußischen P Kundgebungen, auf die d Contrafignatur rit bedurften.

Der Artikel 4 der Preußischen Verfassung sagt:

Alle Regierungsakte des Königs bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeihnung eines Ministers, welcher dadurch die Verant- wortlihkeit übernimmt.

und der Art, 17 der Reichsverfassung :

Die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers werden im Namen des Reichs erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeihnung des Reichskanzlers, welher dadurch die Verant- wortlichkeit übernimmt.

Nun bin ich bder Meinung, daß, wenn der Monarch dem Staats- Ministerium eine Anregung zu seiner Thätigkeit giebt, wie es in diesem Falle geschehen ist, das nicht NRegierungsakte sind, die der Gegenzeichnung bedürfen. Zu solhen werden sie erst dann, wenn das Ministerium in die ihm nun aufgegebene Berathung eingetreten ist und auf Grund dieser Berathung dann dem Monarchen seine Vor- {läge matt, der sie entweder billigt oder ändert. Dann erst tritt die GegerzeiGnung des Ministeriums oder des Reichskanzlers ein, dann erst ift fie nötbig

Auch der Umstand, daß diese Allerböchsten Kundgebungen im amtlichen Theile des „Reibs- Anzeigers" erschienen sind, ändert daran nichts. Es hat diese Publikation feinen anderen Zweck und keinen anderen Effekt, als den authentis&en Text der Kundgebungen festzu- stellen und bekannt zu geben. Der Monarch kann ebenso gut mündli seinen Ministern diese Kundgebungen mittheilen, im Kronrath

î er Herr Abg. RigHter abzielte, einer solchen

egierung der bestimmten Ansicht, daß die |

aus\prechen, was er will, als er es {reiben karn. Ih weiß nit, was dem im Wege steht, solche Aeußerungen des Monarchen, wenn sie seinen Ministern kundgegeben sind und ihrer Natur nah eine Ge- heimhaltung nit erfordern, zu veröffentlichen.

Fch komme dann auf eine zweite Aeußerung des Herrn Abge- ordneten. Er sagte, i hâtte, indem ich von bevorstehenden Mehr- forderungen für die Armee gesprochen hätte, die zweijährige Dienstzeit in Ausfi&t gestellt (Widerspru links) nun, oder von der zwei- jährigen Dienstzeit gesprohen (Widerspruch links) dann habe ich ihn mißverstanden. Jch wollte feststellen, daß ih das niht gethan habe. Er fügte aber hinzu, ih hätte die Qualität der Truppen in den Vordergrund gestellt und käme nachher doch wieder mit Mehrforde- rungen. Ih möchte mir hier nur die kurze Bemerkung erlauben, daß die Qualität der Truppen im Wesentlihen von ihrer Jugend bedingt wird. Jugend ift niemals ein tmilitärischer Feh=er und jeder Offizier wird viel lieber mit einer jungen Truppe ausrücken, als mit einer von Großbätern. Wenn wir also die Qualität der Truppen verbessern wollen, ist das Erfte, was wir thun können: wir müssen sie verjüngen. Um sie aber verjüngen zu können, müssen wir mehr junge Leute als bisher einstellen. Das war der Zusammenhang, den ih zwishen Qualität und Quantität finden würte.

Der Herr Abgeordnete hat gemeint, es wäre auffällig, daß ih von dieser künftigen Mehrforderung gesprochen hätte und ih will ihm sagen, warum dies geshehen ist. Ich habe neulich gesprochen, um zu beruhigen ; nichts beunruhigt aber mehr als dunkle umlaufende

Gerüchte. (Sebr richtig !)

Fch habe gesagt, wie die Sache liegt, daß die verbündeten Re: gierungen vielleiht im nächsten Jahre vor das Haus treten würden. Hâtte ih von der Sache ges{chwiegen und der Herr Abg. Richter selbst ist ja oft ausgezeichnet in militaribus unterrihtet —, und wären dann auf dem einen oder anderen Wege in das Publikum die GBe- rüchte gedrungen: da geht wieder was vor, so würde mit un- endlichen Zahlen gerechnet worden sein, und es würden eben \olche Gerüte zur Beunruhigung beigetragen baben. Ih bin der Mei- nung, wenn ih hier öôffentlich ausspreche, daß die verbündeten Regierungen Rath pflegen nah einer oder anderer Richtung bin, dann übers Jakr mit diesem Rath vor Sie hintreten, so is von meinem Standpunkt Alles geschehen, was einer Beunruhigung vorbeugen kann. (Bravo !)

Weiter babe ih nichts tamit gewollt.

Wenn nun der Herr Abg. Richter für das nächste Jahr in Aus- si&t stellt, daß in Folge meiner vorgestrigen Rede die Verhandlungen über Militaria mehr als früher nüchtern, rubig und sachlich würden geführt werden, so acceptire ich das mit Dank, (Lebhafter Beifall.) Abg. Dr, von Frege erklärt, daß er auf dem Kongreß der Steuer- und Wirthschaftsreformer, der stets der konservativen Strömung seine Unterstüßung zugewandt. babe und noch jeßt zuwende, aufgetreten sei gegen eine dunkle allgemein verlangte Ermäßigung der Getreidezölle. Bei den Handelsverträgen set nichts zu machen ; da heiße es annehmen oder ablehnen. Bezüglih der Preisbildung bleibe Redner dabei, daß der Schwerpunkt bei der Börse lUege und leider niht mehr bei den Produzenten, es müsse cine direkte Ber- bindung zwishen Produzenten und Konsumenten des Getreides hergestellt werden. Die Agrarier hätten dur ihren Widerspruch gegen die Ermäßigung der Zölle die Stellung der Regierung kei den Handelsvertrags-Verhandlungen verstärkt, ohne dafür Dank zu erwarten, wie sie denn überhaupt bei ihrem Verhalten niht von Rüksibten auf Dank oder persönlichen Nußen, sondern auf das öffentlihe Wohl geleitet würden; sie bätten bewiesen, daß sie ich von der Regierung nicht beeinfl.\ssen ließen.

Damit schließt die Diskussion; nah einer Reihe von per- sönlichen Bemerkungen werden die meisten Spéezial:Etats der Budgetkommission überwie}en.

Sdluß 51/5 Uhr.

Dritte ordentliche Generalsynode.

In der Sonnabendsißung wurde betreff8 de Regelung des Rolks\hulwesens folgender Beschluß gefaßt: „Der konfessionelle Gharafter der Volkéschule ist grundsäßlih zu wahren, namentlich auch durch folcende Bestimmungen: a. für jede konfessionele Schule ift ein konfessioneller Schulvorstand zu erhalten, bezw. zu bilden; V n n Co E E Vorsig einem Geistlichen der betreffenden Konfession zu über- tragen; e, die Volksschullehrer sind auf konfessionellen Lehrer- bildungsanstalten für ihren Beruf vorzubereiten; d konfessionellen Minder heiten ist beim Vorhandensein einer möglichst gering zu be- mecssenden Minimalzahl von \chulpflictigen Kindern das Recht auf eine konfe’sionelle Schule zuzuerkennen; e. da, wo den evangelischen Minderheiten in der Diaspora wegen einer zu geringen Minderzahl eine dôffenllihe Schule niht zugestanden werden kann, ift die Errichtung Ckonfessioneller Privatshulen nit ¿u ershweren und hierbei eine doppelte Belastung der Eltern zu Scul- ‘weden möglihst zu vermeiden; f. die Entlassung aus der Schule ist in mögli enger Verbindung mit der Konfirmation zu erhalten und deshalb die doppelte Squlentlassurg nit zur all- aecmetinea Vorschrist zu macenz; g. die Lokal-Schulinspektion für die fonfesNonelle Volksschule ist in der Regel einem Geistlichen der be- treffenden Konfession zu übertragen und auch die Kreit-Schulinspektion mögli konfessionell zu orvnen; h. das für Schulzwecke benußte Vermögen der Kirhen und Kirchengemeinden ist den leßteren unter allen Umständen zu erhalten.

Ferner wurde in der Trunksuchtsfrage eine längere Resolu- tion bes{lossen, in welcher der Staatsregierung Dank für den Gesetz- entwurf zur Bekämpfung des Mißbrauchs geistiger Getränke au®ge- sprohen und die zuversihtlihe Hoffnung ausgedrückt wird, „daß es durch die kräftige Unterstüßung Aller, die von der Ueberzeugung er- füllt find, daß ohne durcbgreifende Maßregeln des Staats eine wirk- same Hülfe gegen diesen farchtbaren Schaden in unserem Volke nit mögli ist, der Königlichen Staatsregierung gelingen werde, die Be- denken gegen den vorgelegten Gesetzentwurf, tvelhe an das Maß des durch die Trunksuht unserem Volke bereiteten Elends nit heranreihen, zu überwinden. Die Generalsynode erwartet, daß die Aemter der Kirche in dem energishen Vorgchen der Staatsregierung in jedem Falle die ernste Mahnung finden müssen, alle Mittel der Seelsorge und der barmherzigen Liebe aufzubieten, um der Unmäßig- feit und Völlerei entgegenzuwirken und die an Leib und Seele {on Geschädigten zu heilen.“ Demnach stellt die Generalsynode dem Evangelishen Ober-Kirchenrath zur Erwäzung anheim, zu geeigneter Zeit die Geistlichen und Gemeinde-Kirchenräthe der Landeskirche hierauf hinzurveisen.

Fn der Montagssitung wurde das Kirchengeseß Über Akbände- rungen des (Seseßes wegen des Ruhegehalts auf Grund eines Kommissionéberihts berathen. Die Debatte drehte sfih vornehmlich um die Frage, ob, wenn noch dienstfähige Geistliche aus disziplina- rishen Gründen emeritirt werden müssen, ihnen geeigneten Falls ein mäßiges Rubegehalt auf Zeit oder Lebensdauer bewilligt werden kann. Die Kommission hatte diese Frage bejaht und einen bezüglichen & 2 formulirt. Die Vorlage des Evangelischen Ober- Kirchenraths

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Barkhausen bat, sch in diesem Sinne zu entscheiden. Es wurde \{ließlich folgender Antrag angenommen: „Dur Beschluß des Ober- Kirchenratbhs soll außer dem Falle des §. 11 Abt 2 des Kirchen- gesetzes, betreffend die Dienstvergehen der Kirchenbeamten, solchen Geistlichen, die sh ihrer aus disziplinarishen Gründen erforder- liden Amtsentscßung zur Vermeidung eines förmlichen Disziplinar- verfahrens freiwillig unterwerfen, auch wenn sie noch dienstfäbig sind, ein mäßiges Rußegehalt auf Zeit oder Lebensdauer be- willigt werden können, Falls Umstände vorliegen. wel{e ein Abstandnehmen von einem förmlichen D'sziplinarverfahren im fkir{lihen JIateresse erscheinen lassen.“ Ferner wurde auf Antrag der Kommission folgender Artikel 3 angenommen: „Falls die Lage des Pensionsfonds es gestattet, wird durch kirblice, vom Lande8- herrn zu erlassende Verordnung, welche in der dem §. 6 der General- Synodalordnung entsprechenden Form zu verkünden ift, den der neuen Pensionsordnung nicht beigetretenen Geistlihen der sieben östlichen

Provinzen eine neue Anschlußfcist von einem Jahr gewährt werden.“ Scließlih gelangte auch noch folgende Reso- lution zur Annahme: „Mit Rückficht darauf, daß die in 8 14 des Ruhegebaltsgeseßes vom 26. Januar 1880 fest-

geseßzte actjährige Abgabe von einem Viertel des Pfründen- oder etatsmäßigen Einkommens an den Pensionsfonds und insbesondere die Abgabe dieses Viertels auch nach dem Tode des Emeritus als etwas sehr Drückendes empfunden wird, diese Einnahme des Fonds aber zur Zeit durhaus nit entbehrt werden kann, ersucht die General- synode den Evangelischen Ober-Kirchenrath, in Erwägung zu nehmen, ob nicht eine Erleihterung dur anderweitige Vertheilung dieser Last zu ermöglihen sei und éventuell in diesem Sinne der nächsten Gencral- \ynode eine Vorlage zu machen.“

SPHließlich wurde das KircWengescß wegen Abänderung des Ge- seßes über die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der Geist- lichen mit einigen Abänderungen genehmigt.

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Der Generalsynode, die vorautfi®tlih am Freitag ges{lossen wird, liegt noch folgender Antrag über die öffentliche Sittlichkeit zur Berathung vor: Synode wolle in ebrerbieriger und dankbarer Be- grüßung des vor Kurzem ergangenen Allerhöchsten_ Erlasses, betreffend die öffentlie Sittlichkeit, beschließen: 1) allen Organen der Kirche zur Pflicht zu maten, gegenüber dem in ershreckender Weise zu- nehmenden und am Marke unseres Volkes in allen Ständen zehrenden Verderben der Unzucht, gegenüber der Macht der unser êffentliches Leben vergiftenden Verführung zur Unzucht, gegenüber der fast zur öfentlihen Meinung gewordenen Entschuldigung und NeWtfertigung der Unzuht von dem heiligen Ernst des sehiten Gebots, welches die Unzubt in jeder Form als Sünde verurtheilt, Zeugniß abzulegen ; 9) dur den Evangelischen Ober-Kirchenrath an dsten Kaiser die Bitte zu richten, es möge ibm als Schuße und Schirmherrn unserer evangelishen Kirche gefallen, bei den zum Zweck der Bekämvfung der Prostitution ¿zu fassenden Entschließungen sol@de WMaß- nahmen abzuwehren, welche eine Verwirrung der sittlich-religiöfen Anschauungen unseres christliGzen Bolkes tm Gefolge haben müßten; 3) die Hoffnung aus¡usprehen, es werde den Organen der Staats gewalt doch ncch gelinzen, die Unzucht und Unsittlichkeit dur) ener gische Unterdrückung ihrer öfentliwen Bethätigurgen erfolgreih zu bekämpfen; zugleib aber auch die Staatsregierung zu ersuchen, um die Quellen der Verführung so viel als möglich zu verstopfen : a. eine Verschärfung des §, 184 des Reichs-Strafgeseßbuch? in der Weise berbeizuführ:n, daß niht blos die Verbreitung so»dern auh die Herstellung und Anbietung unsittliGer und sittlich anftößiger

Darstellungen, Bilder und Schriften nahdrücklich verfolgt werde; b im Hinblick auf die Angriffe, welche auf zahl- reihen Theatern fortdauernd auf Sittlichkeit und Swham- gefühl, namentlich unserer Jugend, gemawt werden, eine

{härfere Ueberwachung der Theater ins Auge zu fassen; e. endlich dem immer weiter um sch greifenden Unfug der Anrlockung und Ver- führung dur weiblihe Bedienung in Stanklokalen entgegen- zuiretenz 4) den Evangelishen Ober-Kirchenrath u bitten, weil die Rettung der Verführten und Gefallenen cine unabweisbare Auf- gabe der barmherzigen Liebe ist, alle Veranstaltungen zu fördern, welGe diesem Rettung8werke dienen, insonderheit die Anregung zur Gründung von Zuflutsftätten für Gefährdete und Gefallene zu geben, au ibm bierfür durch Bewilligung einer Landeékolickte die erforder-

lihen Mittel zur Verfüzung zu stellen,

Statiftik und VolkEwirthschaft.

ie einstweiligen Ergebnisse der Volk8zählung vom 1. Dezember 1890 in der Stadt Berlin.

ie Zabl der bebauten Grundstücke in Berlin betrug nah den vom Statistishen Amt der Stadt veröffentlihten einstweiligen Ec- gebnifsen der leßten Volkszählung 22336, von denen indessen nur 21 614 (gegenüber 18473 in 1880 und 19615 in 1885) bewohnt waren. Die auf das bewohnte Grundstück entfallende Bewohnerzah stieg von 61 im Jahre 1880 auf 67 in 18385 und 73 in 1890. Jn der jenseits des Kanals belegenen östliben Luisenstadt betrug die durb\cnittlihe Vewohnerzaßl sogar 127. Vo3a den Grund- stücken gehörten 1890 552 dem

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Staat und Reih, 312 der Gemeinde, 798 Korporationen, Stiftungen und Geseüschaften, 11 504 Privaten im Hause und 9170 Privaten außerhalb des Hauscs. An bewohnten Gebäuden waren 28 765 vorhanden. Neben der

Grundftüden kamen noch 1184 SHiffe in Betracht, auf denen 3741 Menscben gezählt wurden. Die Zahl der Haushaltungen wurde f 369 027 ermittelt, die der ortsanwescnden Bevölkerung auf 1 578 794 (759 623 m. und 819 171 w.), darunter wa gehend anwesend, 10 825 waren vorübergehe wesend, sodaß sich eine Wobhnberölferung vor von 19 596 aftiven Militärperfonen cin Die Zunahme der Bevölkerung gegen zember 1885 hat 20 %% oder durchschnittlih mittleren Bevölkerung betragen. H ; 4.28 Einwohner gegen 4,31 in 1885 Einwohner kamen 1820 40,87 qm 1880. Am ungünstigsten ist das Verhältniß in der Luiscnstadt jenseits des Kanals mit 17 qm, am günstigsten im Wedding mit 92 qm auf den Kopf der Bevölkerung. Die Zusammensetzung der Bevölkerung nach dem Gesclc@t hatte in den Jahren von 1875 vis 1885 allinätlih zu

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ren 21 614 Personen vorüber- nd aus der Haushaltung ab- 1 568 005 und nach Abseßung o i 1 548 409 ergiebt.

[lung vom 1, De- irlih 3,65 % der

einem Ueberwiegen des weiblichcen Geschlewts gefühit Nach de Zählung von 1890 ift das zwar noŸ der Fall, aber ni@t mebr fo bedeutend wie 1885 Während im leßtgenannten Jahre von 1000 Ein-

wohnern 480 wännliwen und 520 meibliwen Gesclechts warcn, waren in 1890 481 mänrlihen und 519 weiblihen Geschlechts. Dem Civilstand nach waren 482 §47 Personen männlicen Geschlehts ledia, 277 874 verheirathet, 15 308 verwittwet, 2284 geschieden und 1310 obne Anaabe, 452013 weibliche Persoren ledig, 277 429 ver- heirathet, 76 829 verwittwet, 5188 geschieden und 782 ohne Angabe. Der Antheil der Ledigen männlichen Geschlehts in tem Alter von 99 bis 39 Jahren ist seit 1885 etwas zurückgegangen, von 949 auf 931 unter 1000 im Alter von 20 bis 25 Jahren und von 583 auf 564 in dem Alter von 25 bis 30 Jahren. Die Zahl der Ber- beiratbeten ist von 59 auf 65 unter 1000 in den ersteren, von 409 auf 423 in der leßteren Klasse gestiegen. Den größten Antheil an Berheiratheten wies 1890 wie 1885 beim männlichen Geschlecht die Altersklasse von 45 bis 50 Jahren auf mit 856 bez. 864 %/0, beim weiblichen die Klasse von 35 bis 40 Jahren mit 743 bez. 738 9/00. Nach der Konfession befanden sich unter den Einwohnern im Jahre 1890 1 356 648 evangelische, 135 031 rômish-katholische, 378 griechisch- fatholishe, 4899 deutsch-katholiswe, freireligiöse und Dissidenten, 79 286 Suden, 1835 anderen Religionen Angehörige, und 717, deren religiöse Zugebörigkeit nicht bckannt war. Gegenüber der durhschnittlichen Bevölkerungézunahme von 20 °/9 gegen 1885 ergab si eine Zunahme bei der evangelishen Bevölkerung von 18,4%, bei der rôömish-katho- lishen von 36,19% und bei der jidishen von 23,2%. Die Zahl der

dagegen empfahl die Aufhebung dieses §. 2, und Präsident

Mischehen ist bei den evangelish-römis ch-katholischen von 20587 in

1885 auf 26 083 in 1890, Bei den evangelisch-jüdishen von 910 auf 1175, bei den rôömisch-katholisch-jüdiscen von 81 auf 118 gestiegen. Die Zahl der geborenen Berliner belief sih auf 306 308 männliche und 336 325 weibliche Personen, gegenüber 453 415 männlichen und 482 846 weiblichen auferhalb Geborenen. Auf 10039 Einwohner kamen 1890 403 geborene Berliner männlichen und 411 weiblichen Geshlechts, in 1885 429 bez. 427 und in 1880 427 bez. 440. Der Antheil der geborenen Berliner, der übrigens beim weiblihen Ges{lecht ständig cin größerer ist, hat also gegenüber den beiden Vorzäblungen eine Verminderung erfahren. Dem Alter nah kamen auf 1000 Unerwahsene 857, auf 1000 Erwachsene 249 geborene Berliner. Reichsausländer wurden 1890 17 866 ermittelt, 10 642 männliche und 7224 weibliche, etwa die gleice L2ahl wie in 1885. Das ftärkste Kontingent bildeten die Oesterreicher, auf die allein 7295, aus\{ließli4d 920 Ungarn, entfielen; es fo!gten Rußland mit 2416, die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika mit 1462, England mit 1173, die S@weiz mit 747, Italien mit 557 Staattangehörigen. Die Zabl der Familienhäupter, 589 365, ist von 4010/00 sämmtlicher Hausbaltung8mitglieder im Jahre 1880 in 1885 auf 405 9/0 und in 1890 auf 4109/00 gestiegen. In der Zunahme der einzelnen Kategorien, aus welchen si die Haushaltungen zusammenseßen, zeigen sih große Unterschiede. So sind die Dienfiboten, einsch{ließlich der Wirt hschafterirnen, zwar in größerer Zahl vorhanden als bei den Vor- zäblungen, relativ haben sie aber abzenor.men; während sie nämlich 1880 57,4%‘vo der Bevölkerung aus8machten, betrugen fie 1885 nur 55,9 9/00 und 1890 nur 51,49%/00. Die Zahl der Schlafgänger hat von 59 087 im Jahre 1880 auf 84687 in 1885 und 95 365 in 1890 zugenommen. Im Vergleih mit der Gesammtheit sind sie dagegen weniger zahlreih als früher. Der Antheil war 1890 60,89/00 gegen 64,4900 in 1885.

Die Verschuldung des ländliwen Grundbesitzes in Preußen.

In einem Artikel in der „Deutschen Landw. Présse* fübrt der Geh, Ober-Reg -Rath Dr, H. Thiel aus, daß die freie Dis- positionsbefugniß, die das Edikt vom 14. September 1811 über das Grundeigenthum ecinführte, nicht von den wohlthätigen Folgen in Bezug auf die Befreiung von Schalden begleitet gewesen fei, die man damals erbofft hatte, und er wirft die Frage auf, wie dem Uebel zu steuern sei.

„Auch bie Uiheber des Edikts haben den \{chuldenfreien Zu- stand des ländlichen Besißes für den normalen gehalten; sie sind si der shädliden Folgen der dauernden Verschuldung für die all- gemeine Landeskultur wohl bewußt gewesen, und es wäre au sckwer zu begreifen, warum sie mit so energischen, fast revolutionären Maß- regeln die Befreiung des Grundbesißes von allen feudalen Lasten und sonstigen Betriebshemmnissen durchgeseßt hätten, wenn sie gegen die Schuldknectschaft gleichgiltig gewesen wären. Auch ihr Ideal war im Gegentheil der freie Mann auf freier Scholle, in dem sie mit Recht den werthvoüsten Theil der ganzen Bevölkerung und die sicherste Grundlage der staatlihen Wohlfahrt und der politischen Freiheit erblickten, sie irrten nur in dem Mittel zum Zwecke. Denn wer wollte heute, gestüßt auf cine nunmehr 80 jährige Crfabrung, noch bebaupten, daß die freie Dispositionsbefugniß den Grundbesiß in der That vor Verschuldunz bewahrt habe. Die stetig steigende Vermehrung der Scdulden ist ihrem ganzen Betrage nah leider statistisch nit nach- weisbar, da wir seit den 40 er Jahren aufgehört haben, die Summe der bypothekarishen Belastung jährlich festzustellen, aber geleugnet wird dieses Zunehmen au von denen nicht, die unsere Agrar- verfassung in jeder Beziehung für vortrefflich finden und fch über die Vermehrung der Schulden mit dem Steigen des Werthes von Grund und Boden trösten, Wenn wir auch keine \tatistishen Zahlen über die Gesommtsumme der Vershuldung besitzen, so haben wir doch seit fünf Jahren Dank einer vom Landes-Dekonomie- Kollegium ausgegangenen Anregung cine Art von Barometer für die Zu- oder Äbnahme der Verschuldung îin den jährlichen Aufzeiwnunçcen der Summe der hypo- thekarishen Eintragungen und Löschungen getrennt nah städtischen und ländlihen Bezirken, Die betreffenden Zahlen sind für den ganzen

Staat: Städtische Bezirke Ländliche Bezirke | Mehr- | Mehr- e i 2 5Gun- | bet Fint Hun [be Fab Eintra- | Löscqun- | betrag der | Eintra- Löschun- | betrag d. gungen gen Eintra- | gungen | gen | Eintra- i E congen | | gungen in Millionen in Millionen -4« 1886/87 } 1004,81 | 570,52 |+ 434,29] 624,16 | 491,00/+ 133,16 1887/88 | 1128,05 | 561,27 |+ 566,781 567,62 | 479,59|+ 88,03 1888/89 f 1348,40| 62441 |\+ 723,99f 583,12 | 462,10|+ 121,02 1889/90 1484,99 670,01 4+ 814,581 651,93 | 472,80|+ 179 13 1890/91 | 1380,36 | 670,59 |4- 709,77f 621,64 | 465,27|+ 156,37 Zusammen] 6346,21 3096,80 + 3249,41] 3048,47 | 2370,76 + 677,71

Beim flädtischen Besiß betragen demnach die Löschungen im Durchscritt 48,8 9% der Eintragungen, beim ländlichen Besiy da- gegen 77,8 9/0. Dieser leßtere Prozentsaß ist in den meisten Ober- Lande8geriht8bezirken ziemlich gleichmäßig, nur ia Posen und Kassel erhebt sich die Summe der Löschungen über die der E ntragungen, weil im ersten Bezirke bei den Ankäufen seitens der Ansiedelungs- kommission alle Hypotheken geiilgt und im letzteren Bezirke bei Regu- lirung des Grundbuchs alle obsolet gewordenen Verpflichtungen ge- ló\{cht wurden. In den Bezirken Frankfurt a. M. und Köln ist der Prozentsaß der Löschungen 97,4 bezw. 91,4 %/4 der Eintragunzen, die Verschuldung hai in diefen Gegenden mit parzellirtem Besitz be- reits eine solche Höhe erreicht, daß eine Art von Beharrung®zustand eingetreten ist. Man mag nun die absolute Bedeutung dieser Zahlen noch so sehr abschwäen wollen dur den Hinweis auf die bekannte Thatsache, daß vielfah bypothekaris%e Schulden abbezahlt, aber niht im Grundbu gelöscht wérden, man mag auch hervocheben, daß die Eintragungen vielfa nicht eine Vermehrung der gcsamimnten Schulden, sondern nur eine Umwandlung der Personalsulden in Realsculden darstellen was l: zteres übrigens ein \{chlechtes Zeiten für die Lage der Landroirthshaft ist, denn diese Umwandlung tritt meistens daun ein, wenn die Personalshulden unsicher werden und niht mehr abgezahlt werden können —, so wird man doch nicht leugnen können, daß die nach allen diesen Abzügen übrigbleibende Vermehrung der hypothckaris@en Schulden in den ländlihen Bezirken ein um so be- drohlicheres Symptom darstellt, als ihr nit, wie in den städtischen Bezirken, besondere Wertherhöhungen gegenüberstehen. In den Städten werden dur Neubauten fortwährend neue Werthe geschaffen von den 3249 Millionen Mehreintrazungen fallen allein auf das so kolossal wachsende Berlin ungefähc die Hälfte ; aber wer möchte wohl behaupten, daß in den legten fünf Jahren der ländlihe Grundbesiß überhaupt im Werthe gestiegen sei, oder daß der Mehrverschuldung irgend beträhtlihe Werthsteigerungen durh produktive Anlagen von Gebäuden, Meliorationen 2c. gegenüberständen. Selbst wenn man zu- geben wollte, daß die Zunahme der Verschuldung keine befonders [nelle und daß sie gegenüber den Gesammtwerthen des Grund und Bodens noch keine direkt bedrohliche sei, muß man doch die Thatsache der zunehmenden Verschuldung für eine sehr bedenkliche erklären. Für sol{he krankhaften Prozesse, welhe am innersten Marke des Staats A es ein {lechter Troft, daß di: Sache nit gar zu akut ift La n an (N Gendes Uebel darfiellt ; ein Uebel bleibt es troß- wie a lolids \ ten Untergang führen muß, wenn ihm nit gesteuert vet vol Mie {on so sehr die Empfindung für die Be- dAE ane Volke ig unabhängigen Gutsbesiger- und Bauernstandes verf Guben, Suftand agd Staatsleben verloren haben, daß wir den mehr in der Perspekti Ur den normalen ansehen und nihts Bedrohliches nur ned dn A el daß shließlid) der ganze Grundbesiß alt cin ViSt Gestellt er sogenannte Besiger nur noch ein \{lechter fet wied) Baan lets D ltLave des fkapitalistischen Gläubigers Gesellschaftsordn es vielleicht besser gewesen, es bei der feudalen

ung zu belassen, Sicht man aber in der steigenden

X a 1c

Verschuldung des ländlichen Grundbesitzes eine der bedenkliGsten Er- \ceinungen, dann muß man auch iur Abbülte \hreiten, p A es überhaupt noch Zeit ift, solange also die Widerstandskraft der jetzigen Besiger noch nicht so geschwäct is, daß sie zur Mitwirkung bei der Sculdentlastung unfähig geworden. Bevor man sih zu irgendwie \chârfer eingreifenden Maßregeln entscheidet, muß freilih die Thatsache der Verschuldung in ihrer absoluten Höhe und ihrer steigenden Tendenz so festgestellt fein, daß keine Ausflüchte irgend welwer Art mehr möglich sind. Zunächst wäre da eine Vervollständigung unserer Hypothekenstatiftik unentbehrlih, welche es ermöglichte, die gcsammten, wirklih zu Ret bestehenden Schuldverhältnisse und die hieraus ent- springende Zinsenlast genau zu übersehen, dann eine längere Fort- führung der jeßigen Aufnahmen über Eintragungen und Löschungen, um den Einfluß guter und s{hlechter Ecnte- und Preisjahre konstatiren zu können. Sind diese Thatsachen unleugbar festgest:llt, und kein Geld dürfte zu theuer sein, um in dieser Fandamentalfrage der Beurtheilung unferer volkswirthichaftlihen Verhältnisse Gewißheit zu verschaffen, dann würde man si auch den Konscquenzen nibt entziehen können, die aus den wirths{chaftlihen Resultaten der bestehenden Erwerbs-, Veräußerungs- und Verschuldungsfreibeit und des damit im engsten Zusammenhang stehenden Erbrehtes für die Aenderung dieser Gesetze gezogen werden müßten.“ |

Woßhlfahrtseinrihtungen in Shlesien.

_ Die Schweidnißer „Tägliche Rundschau" berichtet: In dem Kinderbeim in Alt-Seidenberg haben nah dem dieser Tage aus- gegebenen Jahresberiht bis jeßt überhaupt 26 Kinder Aufnahme ge-

funden, Von 5 Kindern waren die Väter oder Mütter bestrafte Verbrecher, von 4 Kindern die Väter oder Mütter ganz dem

Trunk ergeben, 5 Kinder waren verroaist, 4 aus geschbiedenen Eben und 9 uncehelich. Gegenwärtig sind 9 (zeitweise 10) Pfleglinge im Heim. Von ihnen zahlen nur 2 das volle Pflegegeld mit jährlih 100 A, die anderen die Hälfte und zwei gar nichts. Dem Verein tritt dadurch eine Sorge nahe, daß das als Heim- stätte erpachtete Haus fkontrakiliÞh nur bis zum Juli 1892 ge- sivert ist, und bis dahin kann es nebst Dbstgarten und Aerland für 2400 A fäuflih erworben werden; wird es jedoch bis dahin nit angekauft, fo kann nicht nur die Herberge verloren gehen, sondern au noch etwa 600 4, die son hineingebaut werden mußten. Der vaterländishe Frauen- Verein für den Kreis Grottkau hat eine Verloosung von verschiedenen Gegenständen zu Gunsten des Siechenheims und der Unterstüßung Nothleidender gespendet. S Get Die Gei gute Ita und Die Kaiserin Friedri haiten für die Verloosung Geschenke ge- spendet. In Neustadi OD.-S(l. beabsihtigt der vaterländische Frauen-Zweigoerein die Errichtung einer Volksküche. Die städtischen Behörden haben dazu einen Beitrag von 500 (4 gewährt. In Oels ift der Frauenvzrein mit seinen Einrichtungen für die Unter- bringung der Kraukenpflezgerinnen, der Suppenanstalt u. #\. w. bisher auf unzurzihende Mieth8räume angewiesen gewesen. Jetzt beabsichtigt er die Erbauung eines eigenen Heims, das zur Aufnahme einer An- zahl von S&western aus dem Muiterhause in Kraschniß und zur sonstigen Erweiterung der mildthätigen Wirksamkeit des Vereins die nöthigen Räume enthalten soll. Die Bauakoîiten sind auf 50 000 #4 veranschlagt und follen darlehnsweise aufgebracht werden. Als Beitrag zur Siwersteluug der Amortisation und Verzinsung haben die städti- [hen Körperschaften einen jährlichen Zuschuß von 300 A aus Kämmereimitteln widerrufli@ bewilligt. i

Zur Wohnungsfrage.

Aus Braunschweig wird gemeldet, daß die dortigen Bäkergesellen vor einiger Zeit eine Eingabe an die Polizei-Direktion richteten, in der auf die dürftigen und ungesunden Verhältnisse der Wohn- und Schlafräume der Bäergesellen hingewiesen wurde. Auf Ver- anlassung des Herzoglichen Staats-Ministeriums wurden dur) die Polizei die Schlafräume der Bäkergesellen untersucht. Es haben fich dabei große Mißstände berausgestellk. Zum Theil befanden sich

die Slafräumne der Bäckergesclen über Backräumen, Aborten, Pferdeställen und sogar in der Mehlkammer. Aus gesund-

hcitlihen und baupolizeilißen Gründen wird nun gegen die betrefffen- den Bälck-rmeister vorgegangen und ibnen aufgegeben, entweder die Schlafräume zu verbessern oder ibren Leuten andere Näume anzu- weisen. Großindustrielle auf Steimvärder bei Hamburg baben den Plan gefaßt, auf den benachbarten fleineren Elbinseln für ihre zahl- reihen Arbeiter gesunde und freundlitße Wohnungen zu erbauen M u O n d Dies die Arbeiter übergehen t In Bromberg wurde ein Volksbauverein gegründet, der sh die Anlage einer „Heimstätten - Kolonie" zur Aufgabe stellt. Es ist zunächst der Bau von 200 solher massiver Heimslätten in Au?sicht genommen, Die gemeinnützige Aktienbau- gesellschaft in Solingen hat drei an verschiedenen Enden |?

gelegene Grundstücke angekauft und auf diesen fünf {mucke Dopvel- wohnhäuser für Arbeiter und Handwerker“ erbaut, die auch {hon sämmtlich vecmiethet siad; fünf Kontrakte zielen auf den Erwerb von ganzen oder halben Doppelhäusern ab. Für Grundstück und Bauten hat der Verein 64 000 # verausgabt, er wird jetzt eine neue Ein- zahlung von 14000 4G = 109%/o des Aktienkapitals veranlassen und 1

Vit 50 14:

4 , A uf. dem einge]@lagenen Wege ruüslig 1

Zur Arbeiterbewegung. Jn Bochum fand am Sonutag eine Bergarbeiter-

E Lr

entnehmen, die Unterstüßung der ausständigen französischen Bergarbeiter beshloß. Zu diesem Zweck sollen Sammlungen veranstaltet werden. Die Vertrauensmänner senden die ein- gegangenen Gelder an den Verbandskassirer Meyer, der die Weiterbeförderung zu besorgen hat, Die in den einzelnen Bezirken abgehaltenen Ve: sammlungen waren jehr s{chwach Vei N 221 d B) i

Us O Se OIrS De E Sa ber das publizistishe Organ des Rehtsshußvereins geschrieben :

Die Vorstandsmitglieder des bergmännishen Rechts\Mußzvereins sind niht in der Lage gewesen, das Bergarbeiterblatt und Drudckerei im Bezirk am Leben zu erhalten. achdem die sozialdemokratise Mannheime

} Versammlung statt, die, wie wir der Berliner „Volksztg.“

l De Das Blatt wird jegt, s ie i ti d a „Bolksstimme“ einige Male den Text geliefert, in Gelsenkirchen als Filiale der „Zeitung der deutschen Bergleute* (Verbandsorgan) herausgegeben, die in der gleihen Richtung zu arbeiten scheint.

Der Correspondent bemerkt zur Lage der Bergarbeiter- bewegung im Saarrevier, daß, da der äußerlich parteilose „Nechtsschuzverein“ durch seinen Führer ins Wanken gerathen habe, der Mangel einer richligen Organisation der Bergarbeiter empfunden werde; es wäre zu wünschen, daß es gelänge, eine solche bald zu Stande zu bringen.

In Schwarzenbac a. S. hat, wie der „Vorwärts“ berichtet, das Malerpersonal der Porzellanfabrik Oskar Schaller u. Co. wegen Lohn- und sonstigen Differenzen die Arbeit eingestellt.

Jn Wien verhandelte vor einigen Tagen eine Versamm- lung von etwa 100 Damen und Herren über den Br üsseler Studentenkongreß, und faßte, wie der „Vorwärte“ mit- theilt, eine Resolution, die den „Kopfarbeitern und : Arbei- terinnen“ den Anschluß an die sozialdemokratishe Partei empfiehlt. Außerdem wurde mit 45 gegen 19 Stimmen unter Begründung folgender Beschluß gefaßt : E L

Die Versammlung erklärt: Es ist völlig belanglos, eine politische Studentenbewegung ins Leben zu rufen oder zu föcdern, vielmehr ift

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4 Kop bab en der SIadIl

es nothwendig, daß si die proletarishen Elemente unter den Stu- denten mit den Organisationen der übrigen Intellizenz-Proletarier, der Arbeiterbewegung eines jeden Landes anschließen unter der fteten Betonung der Interessengemeinshaft aller Arbeiter.

_Nach telegraphischen Nachrichten vom gestrigen Tage darf der Bergarbeiter- Ausstand in Nordfrankreich, nachdem der Kongreß der Delegirten der Bergarbeiter gestern beshlossen hat, daß die Arbeit heute früh in allen Gruben wieder aufgenommen werden sollte, als beendigt betrachtet werden. Fn Lourches (Departement Nord) und Marles (Departement Pas de Calais) wurde von vielen Bergleuten die Arbeit bereits gestern wieder aufgenommen. Die Situation in Auzin (Departement Nord) ist andauernd günstig.

Vom Parteitag der \hweizerishen Sozialdemo- kraten in Olten berichtet man der „Frkf. Ztg.“:

: Am Sonntag Nathmittag wurde die Neuorganisation der sozialdemokratishen Partei fertig berathen, und die verhandelten Vorschläge wurden im Wesentlißen unverändert angenommen. Von den weiteren Beschlüssen sind zu erwähnen : In der französischen Schweiz soll ein neues Parteiorgan „Le Socialiste“ gegründet werden. Zum Parteivorort wurde nahezu einitimmig Basel gewählt, zum Partei-Präsidenten: Redacteur Wullschläger (Basel). Das Recht auf Arbeit soil auf dem Wege der Volksinitiative in die Bundesverfassung aufgenommen werden; die hierzu vöthig-n Arbeiten wurden dem neuen Parteicomité übertragen. Den ähsten inter- nationalen Arbeiterkongreßort hat das Parteicomité zu bestimmen doh ist Zürich gesihert. S E

Kunft und Wiffenschaft.

# Ja den Aus stellungsräumen des Vereins Berliner Künstler im Architektenhause sind zur Zeit eine Reihe von Arbeiten unserer Berliner Landschafstsmaler ausgestellt, unter denen wir nur kurz zwei fehr feingestimmte Waldinterieurs von Müller-Kurzwelly, ein? Frühlings- idylle von Walter-Leistikow, das Schloz Runkelstein bei Boyen von Otto von Kameck e, zwei nordische Fjordland- schaften von Normann, ein außerordentli reichfarbiges \{hwedishes Dorf bei Abendstimmung von Bergström sowie kleinere Bilder von Marr, Douzette, Müller-Kämpf, Junghenn, Köhnert, Pflugradt, Lessing, Günther- Naumburg und Frenzel nennen. Besonderes Jnteresse nimmt eine phantastishe Komposition von Hermann Hendrih in Anspruch, die der Künstler „Seemärchen“ genannt hat. Auf einer Klippe sehen wir, vom freien Meere dur ein wunderliches Felsenthor abgeschnitten, eine Najade sigen, deren feuhtes Blondhaar in allen Farben des Regen- bogens schillert; dur den Eingang naht ihr ein phantastisches Seeungethüum in Dragwengestalt, Aus der Grotte

4 4 I

heraus, deren Lichtspiel vorzüglich wiedergegeben ist, blidt man auf ein hellbeleuhtetes Felsenschloß am Ufer. Da der Darstellung kein näher bezeichneter Fnhalt zu

Grunde liegt] und die Handlung selbst ihn mcht klar ausspricht, wendet sich die Aufinerksamkeit nothwendigerweise lebhafter den Einzelheiten der Schilderung zu, und hier ist es, wo der Beschauer enttäusht wird. Böcklin versteht es, uns durh die Fntensität der Farbenstimmung auch bei einem unergründlihen Räthselinhalt zu entschädigen, er fesselt unsere Aufmerksamkeit durch rein fünstleriiche Me o Oi nitt li O oe Bann seiner Räthselgestalten gerathen. Hendrih versteht das nitt in dem Maße; Erfindung und Darstellungskraft stehen nicht uf gleiher Höhe. Jnsbesondere fühlt man d bei einem Vergleih des Meeres spie il C

A ipiegels in seinem Bilde mit den tief leuhtenden Wogenmassen, wie sie Bölllin's Pinsel auf die Leinwand zu zaubern versteht. Der Märchenapparat scheint bei ihm einem an sih gleihgültigen Vorgange äußerlich hin zugefügt. Damit sollen dem Werke Hendrich's keineswegs bedeute! malerishe Q

rische Qualitäten abgesprohen werden. Nur wandelt er nicht ungestraft auf den Pfaden der Märchenpoesie eines Bölin. | In demselben Oberlichtsaale begegnet uns noch neben den schon früher an dieser Stelle besprochenen Werken Oswald e C) O C O venezia- nisches Marktbild von Ettore Tito, das recht lebendig und [rish in der Farbenwirkung ist, Hochmann's „am Ziel“, ein Momentbitd vom Jennplaß von überraschender Schärje der Beobachtung, jowie eine ältere Arbeitvon C. R öchling,„Schwarz- wälder Flößer an der Enz“ mit hübshem mittelalterlichen Stadtprospekt im Hintergrunde, eine an Nibera erin

nernDe

große Studie von Leuenburger und mehrere tleinere Ar-

| | beiten von Seiß, Theuerkauf, Feldmann, Dannen- | berg u, A. Unter den Bildwerken fallen einige Statuetten | von Brü tt und vLepkte in geiungenem, gut patinirten Bronze guß der Firma Schäffer und Walker auf. Sp, Physikalische Gesellschaft.

In der leßten Sißung wurde von Herrn A. du Bois-Rev | mond ein Experimentalvortrag gehalten über d nteressa No | distiation des galvants@en Stromes d inter den

Namen Drehstrom für die Technik fo wichtig zu werden versprict und die niht zum Mindesten durch die Kcrastübertrazaan 0: Lauffen nah F rt a. M, bereit geis rühmtheit ei it De b in der Teénik verwendeten Ströme unter\ch{ | man bekannilih als Wechselstrom und Gleichstrom Während dem letzteren der Strom die Leitung immer in demselben Sinn durchläuft, t dies bet dem exsteren ni@t dexr Kall. Biel j mehr findet Die an sre Wesel bex cinen und t j anderen _ Richtung ftatt. Beide Arten des Stromes haLe1 | ihre besonderen Vorzüge und Nahtheile; Kraftüberti 6 u weite Strecken hin werden vermuthlih niemals anders als mit Wechselsirom betrieben werden, da nur in diesen Falle die Anlage cine ôsfonomishe werden kann. Es ist nämli dec Verlust an

Arbeitskraft, den man dadur erfährt, daß #ch auf einer langen Drahtleitung cin Theil des Stromes in Wärme umseßt, ad- hängig von der berußten Spannung. Ist die Spannung der Elektrizität eine hohe, so erfährt man beim Uebertragen eines gewissen Quantums von Arbeitskraft einen geringeren Verlust als bei niedriger Spannung. Dies gilt unter der Borausseßzung, daß man in beiden Fällen gleih starke Drahtleitungen benußt; führt man den Strom dur

jei und an Vertrauen bei den Mitgliedern bedeutend verloren | ¿‘ine dünne Leitung, so wird zwar in bciden Fällen der Verluft größer,

do fällt das offenbar für die hohe Spannung weniger ins Gewicht, da eben bct ihr der Verlust überhaupt nicht fo groß ist, Aehnlich wie man um ein vielbenußtes Beispiel anzuführen bei einer Wasserleitung Rohre von verhältnißmäßig kleinem Querschnitt zur Fortführung der Wassermnafsen verwenden kann, falis der Druck hin- länglih stark ist, so kann man nach dem Vorangegan zenen einen stark gespannten Strom au auf weite Strecken hin dur verhältnißmäßig dünne Leitungen fortführen, und in diefer Beziehung erfüllt alfo der Strom von bober Spannung die wichtigste Bedingurig der Rentabi- lität. Denn diese ist in erster Linie von den Kosten des Leitungs- materials abhängig. Hat man z. B. einen Strom von 1000 Volt, d. h. von einer solchen Spannung, daß man 10 der üblichen Glühlampen hintereinander in den Stromkreis ecinscalten und zum Leuchten bringen kann, so würde hierfür die Uebertragung in die Ferne höchstens für Streck2n von 10 km rentabel sein; für größere Ent- fernungen reiht diese Spannung nicht aus, Die Gleichstrom-