Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.
Das Ober-Verwaltungsgeriht hat in dem Urtheil vom 7. Mai 1888 (Entsch. Bd. 16 S. 339) ausgesprochen, daß im §. 5 des Jagd- polizeigeseßes unter „Hof * das Gehöft, die Hofraite, der Hofplayz mit den darauf befindliGhen Wohn- und Wirthschaftsgebäuden verstanden sei. Hieran hat der genannte Gerichtshof in einer Entscheidung vom 29. Oktober 1891 (IIl 959) unter folgender weiterer Ausführung festgehalten: das Wort „Hof“ kommt im Geseh vom 7, März 1850 nit weiter vor. Es hat an sih sehr verschiedene Bedeutungen. Diejenige als Hofplay mit den darauf bef ind- lihen Wohn- und Wirthshaftsgebäuden is aber die gebräuhlihste. Dies spriht dafür, daß es in solher Bedeutung auh im §8. 5 gebrauht ist, zumal das Gefeß für die ganze damalige Monarchie erlassen worden und die übrigen Bedeutungen des Wortes „Hof“, welhe überhaupt in Betraht kommen können, keine allgemeine Geltung haben. Bedeutet hiernach das Wort „Hof im S. 5 den Hofplay mit Gebäuden, so ist es unerheblich, welchem Zwecke das Grundstück, dessen Theil der Hofplay ift, dient, insbesondere, ob es ein landwirthschaftliches Grundstü ist.
— In einer Verwaltungéstreitsahe verschiedener Hauseigenthümer gegen eine Stadtgemeinde wegen Unterhaltung des Bürgersteiges Hat das Königlihe Ober-Verwaltungsgericht, IV. Senat, in seiner Entscheidung vom 29. September 1891 (1V 881) wiederholt ausge- \sprohen, daß zwar nach gemeinem Recht der Stadtgemeinde die Pflicht zur Unterhaltung ihrer Straßen einshließlih der Bürgersteige obliege, diese auch weder durh den §. 81 Tit. 8 Th. T des Allg. Landrechts abgeändert sei, noch durch Polizeiverordnung oder Orts- statut ohne Weiteres von der Stadt auf die einzelnen ftädtischen Grundbesißer übertragen werden könne, daß es aber nah der Recht- sprechung der Civilgerihte wie des Ober-Verwaltungsgerihts keinem Zweifel unterliege, daß die Observanz als ein folcher öffentlich- rechtliher Titel anzuerkennen sei, durch welchen die Wegebaupflicht und demgemäß au die Unterhaltungslast der Bürgersteige abweichend von der nur subsidiären Norm des gemeinen Rechts geregelt und auf die Hausbesizer übertragen werden könne.
— Hat eine Gemeinde einen öffentlichen Weg durch eine bestimmte Wegebesserung in bedeutenderem Umfange derartig hergestellt, daß dieselbe ausreiht, um für mehrere folgende Jahre den Weg, abgesehen von geringfügigen Ausbefserungen, in verkehrsmäßigem Zustande zu er- halten, so ist es — nach einer Entscheidung des I1Y. Senats des Ober-Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober 1891 (IV 953) — unbillig, wenn die Gemeinde den Beitrag, welchen fie nah dem Gesetze, betreffend die Heranziehung von Fabriken u. #. w. mit Präcipualleistungen für den Wegebau, vom 16. April 1889 (G.-S. S. 100), von den Unternehmern zu verlangen berechtigt ist, lediglich nach dem Umfange der dur die Unternehmer in Einem Jahre veranlaßten Abnußung bemißt, während dieser Umfang möglicher- weise in den folgenden Jahren, für welche die Kosten mitverwandt sind, si erheblich verringert. Angemessen kann vielmehr in solchen Fällen nur fo verfahren werden, daß die Unterhaltungékosten auf die Fahre, für welhe sie aufgewandt werden, vertheilt und die Unter- nehmer zu Jahresbeiträgen nach dem Maße der jährlich durch sie
bewirkten Abnußung herangezogen werden.
Kunst und Wissenschaft.
# Jn Glasgow findet zur Zeit eine Ausstellung von Agquarellen statt, welhe die schottishe Aquarellisten-
gesellschajt veranstaltet hat. Bei dem großen Jnteresse, das entgegenbringt,
wäre eine Publikation der bedeutendsten Arbeiten in Re- produktionen oder eine Kollektiv:Ausftellung auf dem Kontinent erwünscht. Auch in Brüssel hat die Société des aquarellistes belges im neuen Mufeum am 21. Novem- ber eine umfassende Ausstellung von Wasserfarben-Malereien
eröffnet. i : 3 Die Vermuthung Schliemann's, daß der sogenannte
Grabhügel bei Marathon nicht die Grabstätte der 490 unter Miltiades hier im Kampf gegen die Perser gefallenen Athener, sondern vielmehr eine viel ältere prähistorishe Grabanlage sei, ist dur neuerdings vorgenommene Ausgrabungen der griechischen Regierung nicht bestätigt worden. Es haben sich nämli in dem Squtt jenes 12m hohen und 150m im Umfang messenden Hügels bei dem Dorfe Marathona neben zahlreichen Knochen- und Aschen- resten au griehishe Thongefäße in größerer Zahl gefunden, sog. Lekythoi mit shwarzfigurigen Darstellungen auf weißem Grunde, wie sie als Beigabe für die Todten und zum Be- gießen der Gräber mit geweihtem Del, insbesondere in Attila im fünften Jahrhundert v. Chr. verwendet wurden. Das Vorkommen einer korinthishen Amphora älteren Stils mit orientalisirenden Thierdarstellungen unter diesen Funden versucht man dadurch zu erklären, daß sich ein solches älteres Stück als besonderes theures An- denken in einer Familie aus dem sechsten Jahrhundert er- halten hat und den Todten beigegeben wurde. Damit wäre die ältere Ueberlieferung wieder zu Ehren gelangt, die in jenem Tumulus die klassische Grabstätte der Marathonkämpfer erblickte, und man darf den Einzelheiten der Fundberichte mit Interesse entgegensehen.
— Der Nestor der Berliner Universität, Professor Dr Karl Ludwig Michelet vollendet heute in geistiger und körperlicer Frishe sein neunzigstes Lebenejahr. Zur Beglückwünschung er- schien am Morgen bei dem Jubilar in Vertretung der Regierung der Staats-Minister Graf von Zedliß-Trüßschler mit dem Ge- heimen Ober - Regierungs - Rath Dr. Althoff, um ihm die Er- nennung zum ordentlichen Honorar- Professor zu überbringen. Den Glüdck- wünschen der Universität gab der Rektor, Geheime Regierungs-Rath Professor Dr. Förster in einer Ansprache Ausdru, die der wissenschaft- lihen Bedeutung des Gefeierten ehrend gereht wurde. Später er- hien auch der Dekan, Professor Dr. Diels, um die Glückwünsche der philosophischen Fakultät zu überbringen. Nus Jena fand sih als Beauftragter der dortigen Freunde der Professor Schäffer ein, der 1842 Mi(elet’s Schüler gewesen ist. Die polnishe Gesellschaft der Wissenschaft zu Posen übersandte das Diplom der Ehrenmitglied- schaft. Die hiesige philosopbishe Gesellschaft, die morgen zu Ehren ihres Gründers ein großes Festmahl veranstaltet, hat den Jubilar zum Ghrenmitglied ernannt und ließ ihm durch eine Abordnung ihre Glückwünsche aus\sprehen. Weitere Abordnungen entsandten die fran- zôsishe Kolonie und das französishe Gymnasium, an dem Michelet einst als Lehrer gewirkt hat.
Gesundheit&wesen, Thierkrankheiten und Absperrungs- Maßregeln.
Pr. Friedland, 30. November. In furchtbarer Weise wüthet, wie der „Danz A. Z.* mitgetheilt wird, am hiesigen Seminar, das zum größten Theil Internat ist, und au in der Präparanden-Anstalt die Influenza. Drei bis vier Tage nach dem Auftreten batte sie hon die Hälfte aller Zöglinge ergriffen, und gegenwärtig liegen
Rosto ck, 1. Dezember. Unter den vielen deutsGWen Schiffen, deren Besaßzungen ‘im Laufe der leßten Monate durch das gelbe Fieber in südamerikanishen Häfen Einbuße erlitten, ist, w:e der eN. Pr. Z * berihtet wird, die Rostocker Bark „ Elena *, die seither von dem Kapitän Gerber aus Dierhagen auf dem Fischlande gefübrt ward, besonders {wer heimgesucht worden. Das Schiff verlor während seines Aufenthalts in Rio de Janeiro bereits drei Personen von der Mannschaft durch den Tod. Auf der Weiterreise nah Kingston, Jamaika, starb ein vierter Matrose und bald darauf cr- krankte au der Kapitän, sowie einige Zeit später der Steuermann Voß aus Dierhagen. Beide erlagen ebenfalls dem gelben Fieber. Das Schiff befindet sich jtt führerlos unter Quarantäne im Hafen von Kingston und wird von hier aus erst wieder neu beseßt werd:n müssen, ehe es seine Weiterreise antreten kann.
Neustreliß, 2. Dezember. Die Influenza herrscht, wie der eN. Pr: Z.* berichtet wird, bier in einem Grade, daß die Bürger- schule für diese Woche geschlossen werden mußte. Elf Lehrkräfte und sehr viele Kinder sind zum Theil niht unbedenklih an der Iaflu:n:«æ
erfrankt.
Nach Schluß der Redaktion eingegangene Depeschen.
Wien, 4. Dezember. (W. T. B.) Gegenüber dem Protest der Reichenberger Gemeindevertretung wegen der Entsendung der von der Statthalterei abgeordneten Kommission zur Untersuhung der erhobenen Anklagen über die angeblide Vergewaltigung der czechishen städtischen Bevölkerung stellt die „Presse“ Fest, sofortige Erhebungen Betreffs dieser Beshuldigungen seien von dem Reichenberger Vize-Bürgermeister Prade in einer am 22. Ok- tober an den Minister Präsidenten im Abgeordnetenhause ge- rihteten Anfrage aus drüdcklich begehrt worden.
Paris, 4. Dezember. (W. T. B,) Aus Kreisen der republikanishen Deputirten verlautet, die Regierung beabsichtige, Angesichts] der fortgeseßt aggressiven Haltung der Bischöfe, den die allmähliche Trennung der Kirche vom Staat vorbereitenden Anträgen niht mehr zu opponiren. Zu diesen gehört das Geseh Betreffs der geistlichen Assoziationen, Betreffs der Güter der todten Hand und der Kultuspolizei sowie das Amendement Labrousse, wonach alle nah dem Abschluß des Konkordats geschaffenen Bischofs- siße aufzuheben seien. Ueberdies wäre die Regierung ent- schlossen, die gegenwärtig erledigten S vorläufig nicht zu besezen. Andererseits glaubt man, die Regierung werde fich anläßlich der Jnterpellation Hubbard mit entschiedenen Erklärungen begnügen, da sie sonst das Ausleben des religiösen Streits im JFnnern und in Folge des- selben Weiterungen mit dem Vatikan befürchten müsse, die mit Rücksicht auf die auswärtige Politik der Regierung doppelt unwillklommen seien.
Konstantinopel, 4. Dezember. (W. T. B.) Die „Agence de Constantinople“ is ermähtigt, die Meldung, wonach die Pforte an Frankreih das südarabische Territorium Scheikh-Said gegenüber der Jnsel Perim ab- getreten habe, als unbegrün det zu bezeihnen.
(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersien Beilage.)
neunzig daran krank ; au der Direktor der Anstalt ist erkrankt.
man gegenwärtig der schottishen Malerei A Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde.
Wetterbericht vom 4. Dezember, 8 Uhr Morgens.
\p.
red. in Millim
Celsius 40R,
Stationen. Wetter.
Temperatur
in 9
Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeres VINMOIINO 50.
Mullaghmore | 753 wolkig
5 Aberdeen .. | 751 2halb bed. Christiansund | 735 9Regen Kopenhagen . | 755 : Regen 4 1
Stodtholm . | 747 bedeckt aparanda . | 744 Schnee osfau... | 768 bedeckt
Cork, Queenê- town .….. | 758 3\heiter
Cherbourg . | 762 5 [Nebel E O 2 bedeckt E c O 4 bedeckt amburg . . | 760 4 Regen winemünde | 761 5 bedeckt Neufahrwasser| 760 bedeckt Memel .…. | 759 bedeckt O, 007 bededckt ünster .. | 763 bedecki Karlsruhe. . | 769 bedeckt Wiesbaden . | 758 bedeckt München .. | 771 heiter Chemniy .. | 768 bedeckt Berlin ...| 764 bedeckt Wien... | T2 heiter Breslau. . 767 halb bed. le d'Aix.. | 770 Regen 10 4:5 «070 2 heiter Triest ONO 4wolkenlos
Uebersiht der Witterung.
Dirigent :
’Arronge. Max Grube.
Klaus.
unk pmk p pk jnck pre 00 s O C P O O ONDIS
s H WNDNANODO-Y
pk
Schottland lag, is nordostroärts nah den Lofoten fortgeshritten und veranlaßt in Wecselwirkung mit einem Hdchdruckgebiete, welches über der Alpen-
Lessing -
gegend lagert, in Deutshland {wache bis frische | Cavalleria rusticana. Sicilianishes Volks- \shauspiel R, f Akt von Giovanni Verga. Vorher, ale: 1 Akt von Charles de Courcy. Zum Schluß: Temperatur liegt in Norddeutschland bis zu 9, im | Ney einstudirt: Ritterdienste. Lustspiel in 1 Akt von Eugen Labihe. Anfang 7 Uhr. Direktion: Emil Thomas. Sonnabend; Zum 3. Male:
\üdwestlihe Winde, unter deren Einfluß die Tem- peratur allenthalben gestiegen ist, Das Wettec ist
in Deutschland trübe und ungewöhnlich warm. Die | um 2.
Süden bis zu 64 Grad über dem Mittelwerthe. In den nordwestlichen Gebietstheilen ist allenthalben
Regen gefallen. Cts Deutsche Seewarte.
Sonntag : Montag:
Theater-Anzeigen. Königlihe Schauspiele. Sonnabend: Opern-
Abend. Ave verum von W, A. Mozart. von Emil Taubert, gesprochen von Fräulein Lindner. Neu einstudirt: Jdomeneus. Große heroische Oper E in 3 Akten von W. A. Mozart. Text nach Varesca,
von C. Niese. Tanz von Emil Graeb. In Scene gesetzt vom Ober-Regisseur Tetlaf. Dirigent ; Kapell-
N (Qua O Ma Uet enen pernhause zu München am 29, Januar , im 7 Königl. National-Theater in Berlin am“3, August Es Mit neuer 1806.) Anfang 7 Uhr. 4 Schauspielhaus. Trauerspiel in 5 Aufzügen von A. E. N e gelevn u Vere M eaux Dax Lte arziy: Perr chBeller, vom Hos-Yheater In Netl- | Ful. Frißshe. Dirigent: Kapellmeister Federmann., 4 : i: : Shnat Opernhaus. 256, Vorstel Ca Die neuen De a cls A A it Mas „Auf Helgoland, oder: Ebbe und Fluth*, onntag; ernhaus. « YO0orsleuUung. * üme vo arderobe-In]pektor Venzky. 5 “T2 valleria rusticana (Bauern-Ehre). Oper a T Ub O sp #0. | Ÿ Abtheilungen mit National-Tänzen (60 Damen), in 1 Aufzug, nah dem gleihnamigen Volks#{ück von Verga. Musik von Pietro Mascagni. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Teßlaff. Dirigent : Kapell- meister Weingartner. Vorher: Prometheus. Musik von Beethoven. dihtung E. Taubert's in 2 Akten von Emil Graeb. | godin. Musikdirektor Tauz-Divertissement von Emil Graeb. Musik von A. Pouchielli. Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. 268, Vorstellung. Wohlthätige rauen. Lustspiel in 4 Aufzügen von Adolph In Scene geseßt vom Ober-Regisseur
ningen, als Gast.) Anfang 7 Ühr.
Deutsches Theater.
von Berlichingen. Montag: Zum 1, Male: Die kleine Frau.
Schauspiel in 3 Aufzügen von Felix Philippi.
Orleans. — COE dr Ah SAUeAe Ada Cs Buß i tontag : er enbefsitzer. usha Bugte, Das Minimum, welches gestern nordwestlich von Agnes Sorma, Ludw. Barnáb, Lubw, Stabl)
4 Akten von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg.
lianishes Volksftück in 1 Akt von Giovanni Verga. Vorher: Die Vekehrung. Lustspiel in 1 Akt von
Charles de Courcy. Lustspiel in 1 Akt von Eugene Labiche.
Wallner-Theater. Sonnabend : Zum 19. Male:
267. Vorstellung.
Nah einer mythologischen Tanz-
Hertel. Zum Schluß: | und Raoul Toté.
fang 7è Uhr.
-Alliance-Theater. Anfang 7 Übr. Belle-Alliance-Th G 6 ermäßigten Preisen. Sonnabend ;
Anfang 7F Uhr: Hameln.
Adolph Ernst-Theater.
Friedrich - Wilhelmstädtisches Ausstattung:
z Polnische Wirthschaft. in 3 Akten von H. B und Rich. Genée. Musik | wissenschaftlißen Theater.
Narzif, von Hermann Zumpe (Komponist des „Farinelli“). | zettel. Brachvogel. | Für das Friedrich - Wilhelmstädtishe Theater be- arbeitet von Louis Herrmann. Jn Scene geseßt von
Sonntag : Dieselbe Vorstellung.
Refsidenz-Theater. Direktion: Sigmund Lauten- | chwimmerinnen drei Geshwister Johnson.
burg. Sonnabend: Zum 6. Male: Madame Mon- Schwank in 3 Akten von Ernest Blum
In Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. An- Sonntag: Dieselbe Vorstellung.
mittags 34 Uhr: Kinder - Vorstellung zu bedeutend Der NRattenfänger von
s e Vis 34 O ; Pee u Volkspreisen (alle e 1 A). Preciosa. — Berliner Theater. Sonnabend: Der Hütten- Abends: Der Rattenfänzer.
befißer. (Nusha Buße, Agnes Sorma, Ludw. e A E
Barnay, Ludw. Stahl.) Anfang 7 Uhr. Sonntag: Nachm. 2è Uhr: Die Jungfrau von
Theater. Zum | Am Landes - Ausftellungs - Park (Lehrter Bahnhof). Operette | Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglih Vorstellung im
Circus Renz. Karlstraße. Sonnabend, Abend&
bydrologishe Ausstattungs - Pantomime in
fällen, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffekten 2c.,
Schluß- Tableau: Grande Fontaine Lumineuse, MRiesen- Fontaine, in einer Hôhe von mehr denn 80 Fuß
Täglich: „Auf Helgoland“. Sonntag: 2 Vorstellungen, (1 Kind frei): „Aschenbrödel“. e Auf Helgoland“.
Näheres die Ans(lage-
Aufzügen 2c., Dampfsc;is{- und Bootfahrten, Wasser--
arrangirt und inscenirt vom Dir. E, Renz. Kunft-
ausstrahlend. — Außerdem: Eine Vergnügungs-- D ot Rit ma E Ae, eiainelle GEE T Scene von der neu engagirten Elton Troupe. — 4 hohe Swculen, geritten von den Damen Frls, A Hager, Sang au A N e jungen ck 5 elga Pager. — 6 trlan e Jagdpserde, zusammen Sonnabend, Nate | Fressirt und vorgeführt von Herrn Franz M L De, ntrilin von Lars e Renz g H G 11 — Sisters Lawrence am fliegenden Trapez. — es Doctor | Hameln. Phantastisches Volksftück mit Gesang | brüder Briatore. — Auftreten der vorzüglichsten. A „Bildern, 8 ee t Ce oi Reitkünstlerinnen und Reitkünstler. — Komishe N 0 G 9, _ Gi r ron ameln, frei bearbeite trées 2c. Sonntag: Ux. Goethe: Cyclus Abend. Göß Von 2A drr er, Musik von Catenbulea, Entrées 2c Der Ratteunfäuger von
Renz. —
Nachmittags 4 Uhr Abends 7X7 Uhr ::
Familien-Nachrichten.
Sonnabend: Zum
Abends 74 Uhr: Esther. — Der | 96. Male: Der große Prophet. Gesangsposse | Verehelit: Vikar: 1 E f ; j Wedell mit Fl. Grethen Johannes (Görliß).
Theater. Sonnabeno: Zum 2. Male: fang 74 Uhr
Lustspiel in
Die Bekehrung. ß: | Thomas-Theater. Alte
liegende Blätter.
Die Grofstadtluft. Schwank in
Cavälleria rusticana. Sizi-
Zum Stwluß: Ritterdienste. Concert-Haus.
Wallner.
in 4 Akten von Leon Treptow. Gustav Görß. Mußk von Gustav Steffens. Mit | Geboren: Ein Sohn: Hrn. O Dor
vollständig neuen Kostümen. Die neuen Dekorationen sind aus dem Atelier der Herren Wagner und Bukacz. In Scene geseßt von Adolph Ernst. An-
Sonntag: i Dieselbe Vorstellung.
Humworistishe Bilder mit l esang in 3 Ati und ¿en Vor- E éinem Nag 7u Le R I S Mans a Tochter Ruth (Schönau, Kaßbach). —
hr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung. Hr. Ober-Bau- und Geh. Regierungs - Rath
Concerte. Sonnabend: Karl Meyder-
Concert. Mozart-Feier unter gefälliger Mitwirkung haus. 255, Vorstellung. Mozart:Cyclus. Erster | Jmmer zerstreut! Posse in 3 Akten von Barrière e c
s Prolog | und Gondinet. Bearbeitet von Franz (4 add die Frau Betty Waibel. Anfang Hierauf, neu einstudirt: Die Hanui weint — der '
lacht. Komishes Singspiel in 1 Akt von acques Offenba. Anfang 7# Uhr. Sonntag : Dieselbe Vorstellung.
Donnerstag, 31. Dezember (Sylvester) : L. Familien - Vall - Fest.
(Gesellshafts-Anzug). Billets à 3 4
Couplets von
Dr. Swulteß (Hamburg). — Eine Hrn. Major von Ranke (Görlitz).
akob 30. M ._ S(1l.). —
berg-Schiry (S(hreibendorf Brandhoff (Elberfeld).
Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:
Verlag der Expedition (Scholz).
Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. Sechs Beilagen (einschließlich Vörsen - Beilage).
E T S E I E Hr. Prem -Lieut. Vivigenz von
ochter
Gestorben: Hr. Rittmeister a. D. August von Gundlach (Rostock). — Verw. Fr. Geh. Regie-:- rungs-Rath Wilhelmine Louise Gaede, geb. von Arnim (Berlin). — Hr. Hauptmann a. D. Karl Albert von Schulenburg (Berlin), — Frau Avguste von Tempsky, geb. prern von ibt 4
Bertha von Wietersheim, geb. Kabisch (Neuhof
bei Ingramsdorf). — Hr. Bürgermeister Julius riedländer (Ludlerwalde). — Hrn. Amtsrichter
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags+
zum Deutschen Reichs-Anzeiger und K
2 286.
S raa R e
Deutscher Neichstag. 133, Sißung vom Donne: stag, 3. Dezember, 1 Uhr.
Am Tische des Bundesraths der Staatssekretär Dr. von Boetticher.
Die zweite Berathung der Novelle zum Kranken- Versicherungsgeseß wird beim Act. 17 fortgeseßt, der L ase L UNgeN bezüglih der Betriebs-(Fabrik-) Krankenkassen umsaßpt.
Nach dem bisherigen 8. 63 sollten die in einem Betrieb mit besonderer Krankenkasse eintretenden Personen vom Tage des Eintritts an der Kasse angehören, soweit sie niht nah- weislih Mitglieder einer Jnnungs- (8. 73), Knappschafts- (S. 74) oder freien Hülfskasse (§. 75) sind. Nach der Vor- lage soll nur auf §. 75 Bezug genommen werden, der bezüglich der Mitglieder freier Kassen für die Befreiung vom Beitritt zu einer Zwangskasse den Nachweis genügender Versicherung fordert. Die übrigen Paragraphen handeln von der Anwen- fas der Bestimmungen der Ortzkassen auf die Betriehs-
n.
Die §8. 63 und 64 werden ohne Besprehun igt.
Beine L. 65 bemerkt S
Abg. von Strombeck: Na den in den vorhergehenden Parga- graphen der Novelle vorgeshriebenen Mehrleistungen der Kassen, namentlich der Betriebskrankenkassen, erscheine ihm die finanzielle Be- lastung dieser Kassen so erhöht, daß er befürchten müsse, der Fall two die Beiträge der Kassenmitglieder in Höhe von 3 9% ncht ausreiwten und nach dem vorliegenden Paragraphen die Ar- beitgeber_ für die weiteren Kassenleistungen aufkommen müßten, werde öfter eintreten, als wünschenswerth und für die ecin- zelnen Industrien erträglich fei. Er bitte die Reichsregierung um Auskunft darüber, wie die vorher beschlofsenen Mehrbelastungen der Kassen finanziell wohl wirkten und wie oft etwa die Heranziehung der Arbeitgeber nöthig werden dürfte; da er diese seinz Anfrage vorher M Dis dis G R auf ihre ers{öpfende Beant-
cute ni e e i i e eine solche Béantwortitig Aloe E s
Staatssekretär Dr. von BoetticGer:
I kann aus den Gründen, die der Herr Vorredner \foeben vorgetragen hat, auch nur enipfehlen, daß der Antrag, den ec zum Abfay 4 des §, 65 gestellt hat, die Zustimmung des Hauses finden möge.
Was sodann seine Vedanken dahin anlangt, ob die Betrieb5- krankenkassen in der Lage fein werden, die finanziellen Wirkungen der Beschlüsse, die bisher zur Novelle zum Krankenversicherung8gesetz gefaßt worden sind, zu tragen, so kann ic ihm darauf antworten, daß eine statistische Ecmitielung über die finanzielle Wirkung dieser Be- \chlüsse bisher niht aufgemaht is. Jch zweifle auch schr, ob es mögli sein wird, bis zur dritten Lesung des Gesetzes cine zuverlässige Berechnung in dieser Beziehung aufzumachen, weil ih annehme, daß die Zahlen, die uns biéher durch die Aufnahme über die Geschäfisgebah- rung der Krankenkassen zur Verfügung gestellt find, nit auêreichen werden, um mit voller Sicherheit das Ergebniß zu liefern, welches der Herr Vorredner zu haben wünscht. Dagegen möchte ih glauben, daß die Besorgniß, die er an den Mangel einer solchen Berechnung knüpft, doh eine niht gerectfertigte ist. I beruhige mi in Bezug auf die finanziellen Wirkungen der gefaßten Beschlüsse hinsihtliG der Betricbskrankenkassen vorwiegend mit folgenden Erwägungen, Einmal hat bisher der Centralverband der deutschen Industriellen, der sich in wiederholten Berathungen sehr sorgfältig wit unserer Novelle be- s\châftigt hat, gegen den §, 65 und gegen die Mehrleistungen, die den Betriebskrankenkassen durch die Abänderung8vors{hläge zu früheren Paragraphen erwachsen werden, Bedenken nicht erhoben, Der
Centralverband, dessen Mitglieder fa naturgemäß in der Hauptsache m Befig von Betriebskrankenkassen find, kat kein Bedenken auz den dur die Novelle diesen Betriebskrankenkassen angefonnenen Leistungen hergelcitct. Weiter aber möhte ih auch glauben, daß die Bedenken dcs Herrn Vorredners vielmehr bezügli der Oriskrankenkassen ge- rech!tfertigt sein würden, als bezügli der Betriebskranken- kassen; denn die Betriebskrankenkassen wirthshaften natur- gemäß wegen ihrer ganz konzentrirten Gestaltung sehr vicl billiger als die Ortskrankenkassen. Der dritte Gcund, weshalb ih glaube, daß die Besorgnisse des Herrn Vorredners der Begründung ent- behren, ift der, daß nach unserer Statistik die Betriebski ankeukassen wirths{aftlich am allergünstigsten stehen. Von ibnen haven bereits 94 °/o mehr, wie alle anderen Kafsenarten, cinen den Vorscriften des Gesezes entsprehenden vollen oder übervollen Reservefonds, und daraus ziehe ich den Schluß, daß weder die Betriebskrankenkassen dur die ihnen angefonnenen Mehrleistungen in ihrer Existenz- fähigkeit gefährdet noh die Betrieb8unternehmer in einen wirthschaft- li unerträglihea Natheil geseßt werden, Ich möchte deshalb L daß der Herr Borredner wohlthut, seine Bedenken ¿urlick- ¿uftellen.
Abg. von der Schulenburg wiederholt seinen Az t die Arbeiter U T lee d bai G E Drittel der Beiträge abziehen zu lassen, ftatt daß die Arkeitgeber verpflichtet fein sollten, die Beiträge abzuziehen. Er balte die von ibm vorgeschlagene Fassung troß der gegentheiligen Meinung des Staatsfekretärs Dr. von Boetticher für die rihtigere und bemerkt zur Begründung seines Antrags, daß dieser die Kommissionsbeschlüsse materiell durchaus niGs ändern wolle, soadern nur einer Gefahr vor- beugen, bte nah dem bisherigen Wortlaut leiht eintreten dürfte, daß nämli die Kassenmitglieder meinen könnten, es handle si bei den hier vorgeschriebenen Zuschüssen um eine Handlung freiwilliger Gene- rosität ihrerseits, während es sih do um eine nothwendig eintretende Handlungsweise handele.
Der Kommissionsvorschlag wird nach Ablehnung des An- trags von der Schulenburg unverändert angenommen.
Genehmigt werden die Art. 18 (88. 67a und 67 b), betr. Bestimmungen über die Vereinigung mehrerer Betriebskranken- E E en E Betriebe aus einem
nd, un ¡ ; ¿Di i joldder Kassen ; r (8. 68), betr. die Auflösung rt. 2: 73 und 74) betrifft die -
Knappidat ilen ) fft Jnnungs- und
ah dem Jepigan 8. 73 waren Mitglieder der Innungs- kassen nicht verpflihtet, den Ortskrankenkassen anzugehören,
Erste Beilage
Berlin, Freitag, den 4. Dezember
Mitglieder der Ortskassen, die bei einem Jnnungsmeist
arbeiteten oder deren Arbeitgeber der Jnnu belirat. Ta in M Sv bleiben. 9 Aa Tas, E | ah der Vorlage, die von der Kommission niht geändert ift, sollen in Zukunft die Arbeiter eines N bei Gründung einer neuen Fnnungskasse sofort Mitglieder der Kasse werden, bezw. mit dem Beginn der Beschäftigung bei etnem „Janungêmeister; sie scheiden aus den anderen Zwangs3-
kassen von selbst aus. Wenn ein Arbeitgeber erst nachträgli einer Jnnungskasse beitritt, erfolgt der ia n R Zwangskasse erst mit dem neuen Rechnungsjahre.
Nach 8. 74 bleiben die Mitglieder der Knappschafts- kas fen von jeder anderen Zwangsversicherung befreit; die ¡atutenmäßigen Leistungen dieser Kassen müssen die für die Vetriebskassen vorgeschriebenen Mindestleistungen erreichen.
L Abg. von der S chulenburg: Der Centralaus\{chuß der vereinigten Znnungêverbände Deutschlands wünsche die Einschaltung eines neuen S. 73 a, dur den die an anderen Orten den anderen Kafssenverbänden
; zugebilligten Vorrehte au auf die Innungsverbandskassen ausgedehnt
werden follten. Seine Partei werde einen dabingehe Antrag i der dritten Lesung einbringen, denn sie A L Aan das Handwerk, „dem der Nbg. Bebel sehr mit Unre{t das Todesurtheil gesproen babe, in jeder Weise unterstüßen und fördern.
Die §8. 73 und 74 werden genehmigt.
Na S des bestehenden Gesetzes reiht die Versicherung in einer freien Hülfskasse aus zur Befreiung von der Zwangs- versicherung, wenn die freie Hülfskasse das leistet, was die Gemeindeversihherung an ihrem Sitze gewährt; an die Stelle der freien ärztlichen Behandlung konnte eine Erhöhung des Krankengeldes (von der Hälfte) bis auf drei Viertel des orts- üblichen Tagelöhns treten.
Nach der Vorlage soll die Mitgliedschaft bei einer freien Kasse nur dann von dem Beitritt zu einer Zwangskasse be- freien, wenn die freie Kasse das gewährt, was die Gemeinde- versicherung des Wohnorts des Versicherten gewährt. Die Ersezung der freien ärztlichen Behandlung durch ein er- höhtes Krankengeld soll in Fortfall kommen.
Die Kommission hat noch folgende Zusäße zum
S. 75 beschlossen: 1) als Absagy 2: Tritt ein Mitglied einer eingeschriebenen Hülfskasse an einem Orte in Beschäfti- gung, an dem das Krankengeld der Mitgliederklasse, der er bisher angehörte, hinter dem von der Gemeinde-Kranken- versicherung zu gewährenden Krankengelde zurübleibt, so ist es befreit, wenn binnen zwei Wochen die Versicherung in einer Mitgliederklasse mit ausreihendem Krankengelde nahgewiesen wird. 2) als Absay 3: Mitglieder einer eingeschriebenen Hülfs- kasse, die zugleich der Gemeinde-Krankenversicherung oder einer auf Grund dieses Geseßes errihteten Krankenkasse angehören, können an Stelle der freien ärztlichen Behandlung und Arznei eine Erhöhung des Krankengeldes um ein Viertel des Betrages au 4 IOan Tagelohnes ihres Beschäftigungsortes bean-
Zwei gesonderte Anträge der Abgg. Dr. Hirsch und Ge- nossen einer-, der Abgg, Auer und Genossen andererseits ver- langen die Wiederherstellung des bestehenden §.. 75 und die Streichung des Abs. 3 der Kommissionsbeschlüsse.
Abg. Dr. Hir f d: Man stehe hier vor dem Kardinalpunkt des ganzen Gesecßes, Durh § 79 würden nit nur die wohlerworbenen Rechte fondern geradezu das Bestehen der freien Hülfskassen aufs Aeußerste gefährdet und geschädigt werden. Der ursprüngliche Borschlag der Regierung, daß die Mitglieder der freien Kassen nur auf besonderen jederzeit beim Besch¿ftigungswechsel zu wiederholenden Antrag und unter allerlei \chwierigen Anmeldungsformalitäten von der Zugehörigkeit zur Zwangskasse befreit werden follten, sei Dank dem autdauernden Widerstand namentlich des Centrums in der Kommission beseitigt worden. Stehengeblieben fei leider, daß die freien Kassen niht mehr das Recht haben soliten, nur eine Geldsumme als Krankenunterstützung zu gewähren, sondern daß sie die ärztlihe Hülfe und die Medizin in natura zu leisten hâtten. Cin Bedürfniß zu dieser Aenderung liege nit vor, Mißbräuche und Mißstände hätten sch bei der bisherigen Gepflogenheit der freien Kassen nit gezeigt, Auch seien von den Mitgliedern der freien Kassen Klagen nicht gefühct worden. Gbenso unberechtigt set der Vorwurf, daß bei den freien Kassen die Kranken entweder überhaupt keine ärztliche Hülfe oder zu spät erlangten. Dur die Borschrift ärztlicher Bescheinigungen zur Erlangung irgendwelcher Krankengelder sei Fürsorge getroffen, daß die ärztliche Hülfe auch thatsächlich eintrete, Im Gegentheil, die freien Kassen leisteten in Dezug au? ärztliche Hülfeleistung mehr als die Zwangskassen. Fedem Arzt seien die Mitglieder der freien Hülfskassen die liebsten Kranken, denn die Aerzte würden angemessen bezahlt, außerdem daucre bei den freien Kassen die Krankenunterstüßung nit 13, sondern überwiegend 26 und mehr Wochen. Vei den Zwangskassen entsprehe der Pauschal- bezabhlung der Aerzte auch cine Pauschalbehantlung der Kranken. Die freien Kassen zahitea beinahe das Doppelte des ortsüblihen Tage- lohns der Oitskassen, während sie vorgeschriebenermaßen nur + davon für die ärztlihe Hülfe leisten soliten. Dur zweckmäßige Medizinalverbände bezw. Kaffen sei au für Verbilligung und Siqher- stellung der ärztliben Behandlung und Arznei gesorgt. Er meine, es sei cine woralishe Pflicht des Gesetzgebers, niht ohne Noth einen Zu- stand zu vernichten, der sich anerkanntermaßen bewährt habe. Scchon 1869 sei die Berettigung der freien Kassen anerkannt worden; in der Mitte der siebziger Jahre fei das Gesey über die Hülfskassen erlassen worden, und es habe damals scheinbar die Absicht des Gesche gebers bestanden, die Zwangskassen vollständig dur die freien Kassen zu erseßen. Auch das Geseß von 1883 habe ihnen noch großen Spiel- raum gelassen, sodaß die Zahl ihrec Mitgliedec sih immer mehr gesteigert habe und die Kassen im Stande gewesen seien, ihre ganze Organisation auszugestalten. Niemand habe den freien Kassen irgend einen Vorwurf machen können. Es sei rührend, was die Hundert- tausende von Arbeitern für die Festigung und Ausbreitung ihrer Kassen gethan hätten. An der Versiherung des Staatssekretärs, daß die verbündeten Regierungen die freien Kassen nicht schädigen wollten, ¿zweifle er nicht, aber es komme nit auf {öne Absichten, sondern auf die Folgen an. Die Verbreitung der freien Kassen über das ganze Deutsche Reih sei kein Fehler, sondern ein Vorzug von ihnen, weil dadur die Freizügigkeit der Arbeiter gewährleiitet und eine Ausgleichung der Krankenlastea einzelner Bezirke, z. B. bei Epidemien, herbeigeführt werde. Darin liege aber allerdings die Schwierigkeit, Arzt und Medizin in natura zu liefern. Fast einstimmig hätten ihm die Kassen, deren Anwalt er sei, versichert, daß beim besten Willen die Naturalleistungen sich nit dur{führen ließen. Deshalb follte man es sih überlegen, ob man mit einem Strich eine seit Jahrzehnten bestehende Einrichtung der Arbeiter beseitigen solle. Man sollte einen geseßlich bestehenden Zustand niht einer bloßen Theorie zu Liebe ändern. 900 000 Mitglieder der freien Kassen warteten mit Spannüng auf die Entscheidung des heutigen Tages.
Man möge nit die Grundlagen der freien Kassen zerstören !
öniglih Preußischen Slaats-Anzeiger.
1896,
Abg. von der Schulenburg: Es habe der Regierung fern gelegen, die freien Hülfskafsen jeßt von vornherein zu boscitigen, fie habe nur gewollt, daß an erster Stelle die Kassen in Betra§t kommen sollten, die das Gefeß von 18833 neu ge\chafen habe. Die damals den freien Hülfskaffen gebliebenen Vorrechte hätten die durch das Gese eingeführten Kassen benactheiligt. Es handle si da nicht um wohlerworbene Rechte der freien Hülfskassen, und man bätte besser {on 1883 reinen Tis{ch maten sollen. Angesichts der Schwierig- keiten, mit denen die Ortskassen, namentli auf dem Lande, zu kämpfen hâtten, bedürfe der jetzige Zustand einer Aenderung. Man müsse jede Kasse die neben dem Gesetz bestehen dürfe, als“unbedingt gleihbere{tigt mit den anderen behandeln, und daher müßten die freien Hülfék-sen die Mindefileistungen erfüllen, die für die übrigen Kassen ge{ehlich vorgeschrieben seien, und den anderen Kassen dürfe kein SHaden dur die, freien Kassen „erwa@sen. Das sei nur re§t und billig Zur Mindestleistung gehöre auch die ärztlihe Hülfe und die Gewährung der Medizin in natura, Auf dem Lande besonders nehme der kleine Mann lieber Geld als den Arzt und verwende das Geld zu anderen Zweken. Der Segen dieser Gesetzgebung sei gerade, daß die bi8her arztlose Bevölkerung auf dem Lande ärztliche Hülfe erbalte, die nit in Geld auf- gewogen werden könne. Die freien Hülfskassen eien für die Arbeiter viel theurer als die Zwangskafsen, da bei den letzteren die Arbeiter ein Drittel der Beiträge leisteten, während bei den freien Kassen die Arbeiter allein beizutragen hätten. Die Beitragspflit der Arbeit- geber liege gerade im Interesse des Einverständnisses zwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Die freien Hülfskassen seien auch ‘wie der Staatssekretär neulih bewiefen habe, niht fo poteat wie die übrigen Seine Partei könne nur der Regterungsvorlage zustimmen und müsse auch E O e :
40g. Molkenbuhr: eine Partei sei gegen die Aend des jetzigen Zustandes. Jn der Kommissionsfassung stehe eius davon, daß die beiden Kategorien von Kassen gleigestellt würden Die Arbeiter, die zwei freien Hülfskassen angehörten, würden dur die Kommissionsfassung gezwungen sein . zwei Nerzte zu nehmen anstatt für den einen eine Erhöhung des Krankengeldes Seine Partei wolle die freien Hülfskassen erhalten, weil sie den Arbeitern vielfa mehr gewährten als die Ortskassen. Die Arbeiter bâtten sich diese Einrichtungen s\{chon lange vor dem Krankens Tassengesectz „„Hegründek. In größeren Oiten beständen so- genannte Medizinalverbände, durh welhe die Mitglieder für sih und ihre Familie Arzt und Medizin frei erhielten Lieferten die Krankenkassen Arzt und Medizin, so seien die Medizinal- verbände für das Familienoberhaupt bedeutungslos, und dadur werde au die Versicherung der Familie in den Medizinal- verbänden aufhören. Schwierigkeiten habe dieser Paragrayh für die centralisirten Kassen, deren Mitglieder über ganz Deuts{land ver- breitet fcien, denn die kleineren Orte mit wenigen Mitgliedern er- hielten einen Vorzug, weil die Beschaffung eines Arztes für diese viel theurer sei, als an großen Orten; bei der Geldgewährung ftatt des Arztes sei von einer Bevorzugung keine Rede. Die Ausgaben der Kassen würden sih vielfah erhöhen. So habe beispiels- weise eine cingeshriebene Hülfskasse in Hamburg 1889/90 für 11366 Tage Krankengeld bezahlt und dafür wveraus- gabt, da sie freien Arzt und Medizin geliefert habe, an den Arzt : _3461 M, für Medizin: 1461 4, zusammen 4922 (( während sie, hâtte sie ein Drittel des ort8süblihen Tagelohns zahlen müssen 8924 M gebraucht hätte. Wünschenswerth würde ja fein, wenn au für die freien Hülfskassen die Arbeitgeber an den Beiträgen theil- nähmen. Daß aber die Arbeiter darauf verzihteten, zeige, daß ihnen diese Einrichtungen lieb geworden seten, umsomehr, da sie für längere Dauer Krankengeld zahlten, als die Übrigen Kassen. Nachdem „die Mehrheit es abgelehnt habe, die anderen Kassen zu einer üngeren Unterstüßung zu verpflihten, könne man es den Arbeitern nicht verdenken, wenn sie die freien Hülfskassen vorzögen Bei dreizehn Wochen Krankengeld seien von den eingeshriebenen Sn nur etwa 13% stehen geblieben, die meisten freien ülfskassen zahlten fo lange Krankengeld, bis die Invalidenunter- stüßung eintrete, Ducch eine Zerstörung dieser Einrihtung werde man nur Unzufriedenheit erregen. Den Uebertritt von den Zwangskafsen zu den freien Hülfskassen wolle seine Partei jederzeit ofen lassen Daß die dauernd an demselben Orte und bei demselben Arbeitgeber beschäftigten Arbeiter nur am Schlusse des Rechnungsjahres, da- gegen die, welche Arbeitgeber oder Ort wechselten, jederzeit übertreten könnten, sei eine Ungerechtigkeit für die ersteren Arbeiter. Man möge bedenken, wieviel Erbitterung man unter den Arbeitern dur diefen Paragraphen hervorrufe, wieviel Einrichtungen man’ zerftöre,
Abg. Möller: Er betrachte den § 75 nach den Kommissions3- beshlüfsen als ein Kompromiß der großen Mehrheit der Kommission Die Regierung scheine nit versuchen zu wollen, die Wieder- berstellung ihrer Vorlage zu beantragen — um so mebr sollte man das Kompromiß genehmigen. Damit werde über die freten Kassen keineswegs der Stab gebrochen; diese Kassen, deren Verdienste niht bezweifelt _werden follten, hâtten, wie er meine, nah der Einführung des Versicherungszwangs die Aufgabe, ergänzend neben den Zwangskassen zu stehen, sodaß der Wuns der besseren Arbeiter auf vollen Ersatz des durch die Krankheit er- littenen Swhadens hierdurch geleistet werden könne. Der auf diesem Gebiet wohlerfahrene Abg. Oechelhäuser und sehr viele Arbeiter felbst theilten seine Meinung. Unter diefen Umständen müßten die freien Kassen einen Umbau durhmachen. Trotz der Be- O un E O On dieses Paragraphen Uunlerztehen Tönnte, bitte er, an diesem Kom j ) i ines leî, unverändert festzuhalten. G E
Staatssekretär Dr. von Boetticher:
Der Herr Vorredner hat am Eingang seiner Äusführungen der Meinung Ausdruck gegeben, daß der §8. 75 und die damit in Zu- fammenhang stehenden, von der Kommission festgestellten Paragraphen ein Kompromiß darstellten, und daß es ihm scheine, als ob die ver- bündeten Regierungen die Wiederherstellung derjenigen Paragraphen, welche von der Kommission gestrihen worden sind, aufgeben. Meine Herren, das ist niht rihtig, Wir können ja jeßt niht Anträge stellen; aber wir behalten uns vor, bis zur dritten Lesung darauf hin- zuwirken, daß auch diese Paragraphen, die die Kommission gestrichen hat, einen größeren Beifall im Hause finden als bisher. (Hört! hört! links.)
Was nun die Ausführungen üker die freien Hülfskassen im All- gemeinen anlangt, so hat der Herr Abg. Dr. Hirs, wenn der Saß richtig isl: pectus facit oratorem eine ausgezei{nete Rede gebalten; denn er hat mit dem vollen Bruftton der Ueberzeugung ausgeführt, daß es cine Vergewaltigung sei, wenn jeßt dazu übergegangen werde,
den freien Hülfskassen Lasten aufzulegen, welhe sie bisher nit zu tragen gehabt haben. Jh freue mi, daß seine Ausführungen und diejenigen des Herrn Abg. Molkenbuhr sih do wesentli und vortheilhaft von denjenigen Ausführungen unterscheiden , welchen wir in verschiedenen Preßorganen ¿u der Zeit begegnet sind, als die Novelle zum Krankenversiherungsgeseß erschien, und welche dabin gingen, daß die Regierungen hier im politishen Interesse einen gar