1891 / 296 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 16 Dec 1891 18:00:01 GMT) scan diff

An den Nahmittagen der drei Weihna{tsfeiertage gelangt um 4 Uhr im Wallner-Theater zu bedeutend ermäßigten Preisen (Parquet-Fauteuil 1,50 „, I. Parquet 1 S, II. Parquet 75 S, II. Rang Balkon 75 & H und 50 S 2c.) das beliebte Volksftück mit Gesang „Ihre Familie* zur Aufführung. Billets für diese Nach- mittagsvorftelungen werden ohne Vorkaufsgebühr an der Kasse des Wallner- Theaters {hon von heute an verabfolgt.

Das Residenz-Theater wird am zweiten und dritten Weih- nabtsfeiertag Nachmittagsvorstellungen zu volksthümlichen Preisen veranstalten. Für den zweiten Weibnachtsfeiertag ist Augier's Sittenbild: „Die arme Löwin*, für den dritten Sardou's „Marquise“ in Aussiht genommen.

Bis zur ersten Aufführung der Posse „Kläffer® bleibt die bumoristishe Revue „Fliegende Blätter* auf dem Spielplan des Thomas-Theaters.

In dem morgigen Concert der Sängerin Fräulein Ellen Tosca in der Sing-Akademie übernimmt Fräulein Rosa Stindler die violinistische Mitwirkung mit Wieniawski's „Faust- Phantasie*, Sarasate's „Spanishem Tanz“ und „Uoto perpetuo“ von Paganini; den orchestralen Pa1t führt das Philkarmonisce Orchester aus. Für das Concert des Pianisten Paolo Gallico, das am Freitag in der Sing-Akademie stattfindet, haben die Sopranistin Fräulein Hedwig Stein und der Violinvirtuose Herr Charles Gregorowitsch ihre Mitwirkung zugesagt.

In dem Beethoven-Concert des Philharmonischen Chors (Dirigent S. Ocs) am Freitag wird im Anschluß an die schottischen Kieder eine in Berlin unbekannte, aber durch ihren Inhalt merk- würdige Komposition des Meisters aufgeführt werden. Es ist das von Beethoven für eine Solostimme, Chor und CTriobegleitung bearbeitete „Heil Dir im Siegerkranz“.

Die nächste, 1V. Quartett-Soiré2 der Herren Professor Jof. Foachim und Genossen findet am Dienstag, 29. Dezember, statt; der Kartenverkauf bei Bote u. Bock ist bereits eröffnet.

Jagd.

Die letzte der diesjährigen Königlichen Parforce- jagden findet Freitag, den 18, d. M., statt. Stelldichein: Mittags 123/, Uhr Sagdschloß Grunewald, 11, Uhr am Saugarten.

Mannigfaltiges.

Ihre Majestät die Kaiserin Friedrich besuhte gestern in Begleitung Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Margarethe die Ausstellungsräume der Kunsthandlung von Amsler u. Ruthardt, Behrenstraße 29 a, und befahl dort mehrere Einkäufe.

Gestern fanden in sechs Kommunal-Wahlbezirken der III. Ab- theilung Stichwahlen zur Stadtverordneten-Versamm- lung statt; die Liberalen standen in allen sechs Bezirken zur Wahl, die Kandidaten der Bürgerpartei in vier und die der Sozial- demokraten in zwei; gewählt wurden, wie wir der „Nat. Z,* ent- nehmen, fünf Liberale und cin Sozialdemokrat.

Wie der „N. Pr. Z.* aus verschiedenen Ortschaften der Umgegend gemeldet wird, befinden s im freien Felde Fliedersträucher, die vollständig neu ausgebildete Triebe besigen.

Sturmnachrihten. j

Danzig, 15. Dezember. Der gestrige Seesturm hat, wie „D. B. H.* meldet, bier vielfah Schaden angerihtet. Das von Kopenhagen kommende Schif „Vorwärts* mußte, da es durch hohen Seegang leck geworden war, dur Lootsendampfer in den Hafen

Fuß des Baues wirr durcheinander. Als ein Glüdck ist es bei diesem

einges{leppt werden. Im Frishen Haff bei Balga kenterte ein Boot ; Gei seiner Insassen wurden gerettet, der dritte ertrank.

Dresden, 14. Dezember. Auch im Laufe der leßztverflofsenen Na@t hat, wie die „Leipz. Z.* berihtet, ein Überaus heftiger Süd- weststurm das Elbthal durzogen und abermals an Gebäuden, Bäumen u. \. w, erheblihe Schäden angerihtet. Der Gewalt des Sturmes hat selbst das solid gebaute Gerüst am neuen Finanzhause nit zu widerstehen vermocht, denn die çcanze dem Osten zugekehrte Rüstung ist von oben bis zur Erde hinab in sih zusammengebrohen und die Balken liegen am

bedauerlihen Vorkommniß anzuschen, daß der Einsturz zur Nachtzeit erfolat ift, da dort tagsüber bei der gegenwärtig noch immer milden Temperatur eine niht geringe Zahl Arbeiter beschäftigt wird.

London, 15, Dezember. Das S e Working“, von Glasgow nah Brisbane unterwegs, ging, wie der „N... Pr. Z.“ telegraphirt wird, am Sonnabend während des Sturms im Aermel- Kanal unter.

Perpignan, 15. Dezember. Gestern herrschte nach einer Mel- dung des „H. T B.“ ein heftiger Sturm, der großen Schaten an- Ee Im Golf von Lyon sind mehrere Strandungen vor- gekommen.

Riga, 15. Dezember. Ein heftiger Sturm hat, wie dem „D. B. H.“ mitgetheilt wird, auf der Dúna arge Verwüstungen angeritet. Ses mit Hol beladene Sch iffe sind gesunken. Das ziemlich feste Eis des Flufses wurde durch den Sturm aufgebrochen, in Folge dessen ist ein rihtiger Eisgang eingetreten.

Brügge, . Dezember. Gestern Naht wurde, wie der „K. Z.* berichtet wird, zwishen hier und Jobelle der Mascbinifst des von Ostende na Schaerbeek fahrenden Zuges durch den Sturm von der Lokomotive geworfen und durch UÜeberfahren getödtet. ¿s

London, 15, Dezember. Der Führer der Fishershmadcke eBritish Pride” meldete nach der „A. C.* gestern bei seiner Ankunft in Ramsgate, daß er am Sonntag Morgen ein Vollschiff gesehen habe, das auf den Galloper Sandbänken gestrandet war. Das Schiff war ein vollständiges Wrack, In den Masten saß ein Schiffejunge Namens Lewis, der so ershöpft war, daß es Mühe kostete, ihn her- unter und in das Boot zu bringen. Das Schiff war der „Enterkin“ aus Glasgow. Es hatte sih mit einer Ladung von eisernen Röhren auf der Fahit von Hull nah Brisbane befunden. Der „Enterkin“ ist wäh- rend des Ockans der Sonnabend-Nacht gestrandet, nahdem er vorher alle Segel verloren hatte. Die Mannschaft suchte ihr Heil in dem Ret- tunatboot. Dieses kenterte aber. Bald darauf kippte auch das Voll- \chiff um, und diejenigen Seeleute, welhe noch richt bei dem Kentern des Bootes ertrunken waren, büßten dann ihr Leben ein. Der Siffäjunge Lewis klammerte sih an eine Rae und kletterte später, als sih der „Enterkin® theilweise wieder aufrihtete, höher in den Mast hinauf. Es befanden sich auch viele Avsländer unter der 32 Köpfe zählenden Besaßung. Wahrscheinlich ist Niemand außer dem Swiffsjungen gerettet worden.

Kairo. Ein Theil der vom Mahdi seit ungefähr aht Jahren in Omdurman bei Kartum gefangen gehaltenen Europäer is, wie {on gestern telegraphisch unter „Afrika“ ge- meldet wurde, nunmehr freigekommen und auf egyptishem Boden angelangt. Leider wird nur die Ankunft der Mitglieder der früheren österreihishen Mission im egyptischen Sudan gemeldet, nämlich des Missionars Urwalder und der Schwestern Chincarini und Ven- turiniz; von den übrigen Gefangenen, nämlich von Luptoa Bey, Slatin Bey und Neufeld \{chweigt das Telegramm; fie sind also nit befreit. Die „N. Pr. Ztg.“ erinnert daran, daß die leuten sicheren Nacrichten über die Gesangenen des Mahdi im Mai 1888 nah Kairo kamen und von Dr. Junker an „Peter- mann’s Mittheilungen" übermittelt wurden. In Kairo waren

damals zwei Boten aus Kartum eingetroffen, welche kleine Zettel von Slatin Bey, von Ucwalder und von der Wittwe eines früheren egyvtishen Beamten überbraLtea. Diese Zettel enthielten Anweisungen an die egyptishe Regierung und an die katholische Mission über Summen, welcke die Boten in Empfang nehmen sollten. Da die Briefe unzweifelhaft echt waren und die bekannten Handschriften der fraglihen Personen zeigten, o wurden die Zahlungen anstandslos geleiste. Aus den Briefen der Boten ging im Allgemeinen Folgendes hervor: Die Missionare und Schwestern befanden ih in verbältnißmäßig erträg- licher Lage, si: waren frei und konnten ihr Leben durch Arbeiten fristen. Sie bereiteten Lebensmittel und verkauften sie, jedoh nur heimlich, da jeder Handel, jede Art von Gelderwerb ihnen verboten war. Sclimmer erging es den anderen Gefangenen, was ein anderer zu Anfang Juli 1888 zu Kartum eingetroffener Bote bestätigte. Dieser Bote brahte wiederum kleine Zettel, einen von Lupton Bcy an den englishen Generalkonsul und einen von Ur- walder an die fatkolishe Mission; beide baten um Ausjablung von Geld. Urwalder bat noch um ein Rezipt über das Färben des gewöhnlihen grauen Baumwollenzeuges der Donagolaner, damit die Missionare durch Ausübung diefer Kunst ihren Unterhalt gewinnen könnten, Nah der Aussage des Boten, eines Berberiners; war Slatin Bey Boab des Mahdi, d. h. er mußte während des ganzen Tages vor der Thür des Mahdi sigen, wo er dissen fort- währenden De nüthigungen “ausgeseßt sowie dem Gespött und der Verachtung der Bevölkerung preisgegeben war. Auch körperliche Meißhandlungen waren nicht ausgeschlossen, er durfte mit Europäern nit verkehren, den Bazar nicht besuchen u. \. f. Ganz ähnli erging es Lupton Bey, auch er stand unter steter Bewahung. Neufeld, der aus Thorn stammt, war im Gefängniß und wurde der Bevölkerung als Spion verdächtig gema#t. Die griechischen Händler durften ebenso wie die Missionare frei umberaehen; sie durften aber nit aus den Thoren. Eine Ausfiht auf Loskauf oder Auttausch der euro- päischen Gefangeäen. war nit vorhanden.

Bloemfontein, 23. November. Leßte Woche wurde, wie das „B. R.“ meldet, Blocmfontein von einer furhtkaren Ueber- \chwemmung himgesu&t. Alle BrücLten, mit Aaznabme der Eisenbahnbrücke wurden von den Wassern fortgeshwemmt. Auch eine Anzahl Häuser stürzte ein Der größere Theil der Stadt steht unter Wasser. Zum Glück ist kein Verlust von Menschenleben zu beklagen.

Nach SÔ@&luß der Redaktion eingegangene : Depeschen.

Bayreuth, 16. Dezembec. (W. T. B.) Die über die Ersatzwahl zum Reichstag’ bis jeßt vorliegenden Ziffern lassen die Wahl des Nationalliberalen Casselmann als un- zweifelhaft erscheinen.

St. Petersburg, 16. Dezember. (W. T. B.) Heute ist eine Verordnung veröffentliht, nah welcher die aus zwei neuen Dragoner-Regimentern, einem tartarishen und einem ukrainischen, sowie aus einem Uralkosaken-Regiment gebildete 15. Kavallerie-Division dem 15. Armee-Corps, mit dem Stabsquartier in Warschau, einzuverleiben ist; die 13. Ka- vallerie-Division soll aus dem Verbande des 15. Armee- Corps ausscheiden und dem Kommandirenden der Truppen des Warschauer Militärbezi:ks unmittelbar unterstellt werden.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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t vom 16. Dezember, r Morgens.

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Stationen.

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Cork Queens- town ... | 76 Gherbourg . | 76

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3 3 5\woikig 9|Regen 9|Regen 2\wolkig 7|Regen 4|Regen 2\Schnee 1l\bededckt 58 | 2 bedeckt

63 till |bedecktt

Uebersicht der Witterung. Ein barometrishes Minimum liegt an der Elb-

mündung, auf Borkum s\teife

nordwestlihe, zu

Münster Nordweststurm verursahend; auch Karls- ruhe meldet Südweststurm; im Uebrigen ist die Luftbewegung in Deutschland schwach, nur am Nord- fuße der Alpen weben starke westlihe Winde. Die

Witterung ift in

Central-Europa mild, trübe und

vielfa regnerisch. - Im Westen der britishen Jnseln ist das ab bei lebhafter nordwestliher Luft-

ftrômung, stark ge

demnächst kältercs warten ift.

tiegen, sodaß für unsere Gegenden und veränderlihes Wetter zu er-

Deutsche Seewarte.

O

The

ater-Anuzeigen.

Königliche Schauspiele, Donnerstag: Opern- haus. 266. Vorstellung. Fidelio. Oper in 2 Akten von L. van Beethoven. Text nah dem Französischen

von F. Se:

gartner. Anfang 7 U

S(wauspielhaus. Lustspiel in 2 Akt von Edmond Abo vom Regisseur

Dirigent: Kapellmeister Wein-

hr.

279. Vorstellung. Die Büste. en, nah der gleihnamigen Novelle 118, von F. Zell. In Scene gesept A. Plas(hke. Herrn Kaudel*s

Gardinenpredigten. Lustspiel in 1 Aufzug von G. v. Moser. Regie : Hr. Krause. Anfang 7 Uhr. Freitag: Opernhaus. 267. Vorftellung. Oberon. Romantishe Oper in 3 Aufzügen. Musik von G. M. von Weber. Die Recitative von F. Wüllner. Ballet von Gmil Graeb. In Scene geseßt vom Ober-Regifseur Tehlaff. Dirigent: Kapellmeister Kahl. Anfang 7 Uhr.

Schaus jelbaus. 280, Vorstellung. Der neue SHerr. chauspiel in 7 Vorgängen von Ernst von Wildenbruch. Jn Scene gelebt vom Ober-Regisseur Mar Grube. Anfang 7 Ühr.

Deutshes Theater. Donnerstag: Der Com-

paguon. Greitag: Die Stügen der Gesellschaft. onnnabend: Ll. Goethe-Cyclus. 8. Abend. Faust's Tod. , Sonntag: Die Mitschuldigen. —- Hierauf : Die Kinder der Excellenz.

Berliner Theater. Donnerstag: Der Hütten- besiger. (Nusha Buhe, Agnes Sorma, Ludw. Barnay, Ludw. Stahl.) Anfang 7 Uhr.

Freitag: 16. Abonn.-Vorst, Der Väter Erbe. Sonnabend; Der Hüttenbefitzer. (Nuscha Buye, Agnes Sorma, Ludw. Barnay, Ludw. Stahl.)

Lessing - Theater. Donnerstag: Die Grof:- ftadtluft. Schwank in 4 Akten von Oscar Blumen- thal und Gustav Kadelburg. Anfang 7 Uhr. Freitag: Satisfaktiou. G in 4 Akten von Alexander Baron von Roberts. Hierauf: Cavälleríia rusticana. Sizilianishes Volks8- \hauspiei in 1 Akt von Giooanni Verga. Sonnabend: Die Grofistadtluft. Schwank in 4 Akten von Oscar Blumenthal und Gustav Kadel-

burg.

Sonntag: Die Grof:stadtluft.

Drei Nachmittags-Vorstellungen zu kleinen Preisen (Parquet 2 u. ï w.) finden an den Weihnacht€- tagen statt. (1. „Die Ehre“. 2. „Der s 3, „Das vierte Gebot“.) Vorverkauf ohne Aufgeld von heute ab.

„Die Sesam wird als Abendvorstellung an allen drei Feiertagen aufgeführt. Billetverkauf von heute ab.

Wallner-Theater. Donnerstag: Zum 31. Male: Jwmmer zerstreut! Posse in 3 Akten von Barrière und Gondinet. Bearbcitet von Franz Wallner. Vorher, neu einstudirt: Die Hannui weint der Ls lacht. Komishes Singspiel in 1 Akt von

acques Offenba. Anfang 7# Uhr.

Freitag: Dieselbe Vorstellung.

Voranzcige. Am 25., 26, und 27. Dezembcr: Nachmittags-Vorstellungen zu bedeutend ermäßigten Preisen, 1. Parquet 1 K 2c. Jhre Familie. Bolks\stück mit Gesang in 3 Akten von Stinde rnd Engels. Anfang 4 Uhr.

Friedrih - Wilhelmstädtisches Theater. Donnerstag: Neu einstudirt: Der Zigeuner- baron. Operctie îin 3 Akten nah M. Joka1's Erzählung von M. Schnizer. Musik von Joharn Stravß. Regie: Herr Binder. Dirigent: Herr Kapellmeister Federmann. Anfang 7 Uhr.

Freitag: Dieselbe Vorftellung.

Residenz-Theater. Direktion : Sigmund Lauten- burg Donnerstag: Zum 19. Male: Madame Mon- godin. S{wank in 3 Akten von Ecnefst Blum und Raoul Toché. Deutsh von Emil Neumann. In Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. An- fang Uhr.

Freitag: Dieselbe Vorstellung.

Belle-Alliance-Theater. Donnerstag: Er- mäßigte Eintrittspreise! Zum 17. (323.) Male: Der Rattenfäuger vou Hameln. Phantastisches Volksstück mit Gesang in 12 Bildern. Nach Sprenger's Geschichte und Ehrih's Chronik der Stadt Hameln, frei bearbeitet von C. A. Göcner. Musik von Catenhusen. Anfang 7} Ubr. Freitag: Zum 18 (324,) Male: Der Ratten- age von Hameln.

oranzeige. Sonnabend, Nachmittags 35 Ukr: Lebte Kinder-Vorstelung zu bedeutend ermäßigten Preisen! Zum 19, (325.) Male: Der Natten- fänger von Hameln.

Adolph Ernst-Theater. Leßte Woche. Donnerstag: Z. 1083. Male: Der große Prophet. Aufang 7# Uhr.

Freitag: Zum 109, Male: Der grofte Prophet.

Zahlreihen Wünschen entsprechend erhält jeder Besucher der heute statifindenden Vorstellung ein Souv:nir-Notenheft gratis.

Thomas-Theater. Alte Jakobfiraße 30

Direktion: Gmil Thomas. Donnerstag: Z. 15. Male: Rllegene Vlätter. Humoristishe Bilder mit

esang in 3 Akten und cinem Vor- und einem Nach- spiel , arrangirt von Alfred Schönfeld. Anfang

74 Uhr um Besten der Sanitätswahen im

Freitag: Z 28, Polizei-Revier. Dieselbe Vorstellung.

In Vorbereitung: Zum 1. Male: Kläffer. Posse mit Gesang in 4 Akten von Heinrih Wilken.

Concerte. Sing - Akademie. Donnerstag, Anfang 74 Ubr: harmoniscen Orchester.

Concert von Ellen Tosca (Sopr.) mit dem Phil- |

Concert-Haus. Donnerstag: Karl Mevder- Conceri. Gísellshafts: Abend. Anfang 7 Uhr.

Donnerstag, 31. Dezember (Spl oester): Familien - Ball - Fest. Billets à 3 6 im Bureau des Hauses.

Urania, Anstalt füc volksthümlihe Naturkunde. Am Landes - Ausftellungs3 - Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorftellung im Men Ga ges Theater. Näheres die Anschlag? zettel,

Circus Renz. Karlstraße. Donnerstag , Abends

7} Uhr: „Auf Helgoland, oder: Ebbe und Fluth“, große hydrologische Ausstattungs - Pantomime tin 2 Abtheilungen mit National-Tänzen (60 Damen), Aufzügen 2c., Dampf\chis{- und Bootfahrten, Wasser- fällen, MRiesenfontänen mit allerlei Lichteffekten 2c., arrangirt und inscenirt vom Dir. E. Renz. Kunst- \{chwimmerinnen drei Geshwister Johnson. Schluß- Tableau: Grande Fontaine Lumineuse, Riesen- Fontaine, in einer Hôhe von mehr denn 80 Fuß ausftrablend. Außerdem: Bal et Concert hippique von 8 Schmimmelhengsten, dre1sirt und vorgeführt von Herrn Franz Renz. Schulpferd Cyd, geritten von Herrn Gaberel Joßanniter, geritten von Frl. Oceana Rerz. Orientalishe Manöver, geritten von 16 Dawer. Sisters Lawrence am fliegenden Trapcz. Eine Vergnügungsfahrt mit verschiedenen Hindernissen von der Elton Troupe. Auftreten der Reitkünstlerinnen Fris. Natalie und Adele, sowie der Reitkünstler Herren Alcxander Briatore, Jules und Adolf Delbosq 2c. Komische EGntrées von sämmtlihen Clowns, Täglich: „Auf Helgoland“. Sonntag: 2 Vorstellungen.

Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Anna Lucke mit Hrn. Prem.-Lieut. p Ribbentrop (Ellershaujen—Brandenbutg a. H.).

Geboren: Ein Sohn: Hrcn. Oberförster Dalmer (Neu-Ramuck). Hrn. Baron Edmund von Heyking (Simla). Eine Tochter: Hrn. Hauptmann von Rauschenplat (Posen).

Gestorben: Hrn. Albert Frhrn. von Poaeils Sohn Hugo (Sees bei Sulz a. j Franiióka Fre n von Hammerstein Loxten (Berlin). Hr. Hofrath Emil Peglow (Berlin).

Redacteur: Dr. H. Klee, Direktor. Berlin:

Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Ver Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße N

Sechs Beilagen

(einschließlich Börsen - Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 296.

Deutscher Reichstag. 141. Sißung vom Dienstag, 15. Dezember, 11 Uhr.

Am Tische des Bundesraths der Reichskanzler von Caprivi, die Staatssekretäre Dr. von Boetticher, Freiherr von Malyahn und Freiherr von Marschall sowie die O preußishen Staats-Minister von Heyden und

ielen. i j

) Die zweite Berathung des Handelsvertrags mit Oeslérre{S-Ungark wird fortgeseßt.

Abg. Dr. Freiberr von Stauffenberg: Bei den einförmigen Darlegungen der Nothwendigkeit der Getreidezölle und der {weren Schädigung Deutschlands in Folge ibrer Ermäßigung sei weder der vorliegende Vertrag näher beleuhtet, noch irgend etwas Neues vor- gebracht worden. Als Nachzügler in dieser Besprehung wolle er nur an die wahre Enistehungsgeshichte dieser Zölle erinnern. Sie seten niht die Folge einer wahsenden . Bedrängniß durch die ungeahnte Entwickelung der Verkehrs- und Produktionsmittel gewesen, sondern noch kurz vor der Umkehr in der Zollpolitik habe im Reichstag eine freihändlerishe Vereinigung bestanden, der er nicht angehört habe, wohl aber ein sehr großer Theil der Mitglieder, nahezu alle, die ih später ‘in den Kampf für die Kornzölle geworfen hätten, und zwar aus allen Parteien des Hauses, auch der Rechten und dem Centrum. Die Umkehr sei dadurch gekommen, daß in den Industriezöllen eine wesentlihe Verschiebung dur Uebergang von dem gemäßigten zu einem höchs ungemäßigten NOuRo A ein- getreten sei, und die früher freibändlerishen Landwirthe mit einigem Recht nun auch für __ dieselbea Vortheile ver- langt bâtten. Diese ausgleihende Erwägung habe damals dem Korn- zoll wesentlich im Reichstag mit geholfen, obwohl. der Wettbewerb des Auslandes fast genau in derselben Stärke seit Jahren fo wie heute bestanden, der Seeweg von Amerika nah Deutschland seit jeher ofen gestanden habe und Frachten früher auch nicht wesentlich höher gewesen seien als jeßt. Und noch heute sei ein Theil der Land- wirthe bereit, auf den früheren Standpunkt zurückzukehren, wenn mit den Industriezöllen ebenso verfahren werde. Der Standpunkt lasse sh hören und auf dieser Grundlage sei auch wohl eine Verftän- digung mögli. -In Erstaunen müsse die Erklärung der Freunde der hohen Getreidezölle 4s daß sie ihnen troß zwölfjährigen Be- stehens keine sehr große Bedeutung beilegten. Den geringsten Nutzen habe von ibnen der kleine Bauer, für den Verkaufsafsoziationen ser viel nüßlicher seien, als die mit ihnen unverträglihen hohen

ôlle. Manchen Gegenden hätten sie geradezu Schaden gebraht, wie die Klagen aus dem preußishen Osten und die Petitionen aus Oberschlesien bewiesen, dessen gesammtes Müller- gewerbe vollständig zu Grunde gerihtet und zum Stillstand gebracht sei. In diesem Jahre der Mißernte fei der Nußen der Zölle für einen sehr großen Theil der Landwirthe ein vers&windend geringer gewesen, ja sie hätten ihnen Schaden gebracht. In seiner Heimath hätten die meisten zu sehr hohen Preisen Roggen kauf:n müssen. Außerdem sei der Preis für die Futtermittel, die \tets zugekauft werden müßten, um mehr als die Hälfte gestiegen, und diese Fontanelle nehme einen großen Theil dessen wieder aus der Tasche, was die Zölle hineingelegt hätten, der Nußen sei also ein trügerischer. Dazu komme noch als ein besonderer Krebs\haden für den Süden Deutschlands mit seinen wesentlich kleinen Grundstücken die außer- ordentlihe Preissteigerung für Grund und Boden. Seine durch die Hypothenbanken bestätigte Erfahrung gehe dahin. daß sie die Ursahe des Unterganges für viele Besißer fei, die ihre Zinsen nicht aufbringen könnten. Sie habe allerdings \{chon vor den Zöllen in Folge der hohen Getreidepreise von 1870 bis 76 bestanden und berukle auf dem im Charakter des deutschen wie des französishen Bauern begründeten unausrottbaren Drang, zu- zukaufen, er könne niht Grund und Boden genug haben. Großgrund- besißer werde man in Süddeutschland leiht, {hon mit dem Besiß eines märkishen Bauern; auch Bauern mit einigen bundert Morgen nennten sich plößlich Gutsbesißer und nähmen deren Bedürfnisse an, während der wirklihe Bauer mit besheidener Lebensführung verhält- nißmäßig ein gutes Eeshäft mache. Der sog. Grundbesigzer habe nun Ausgaben für Repräsentation, sodaß daraus unter Umständen wirklich großes Elend entstehe, und er friste auf derselben Fläche ein kümmer- lihes Dasein, auf der \sich ein Bauer ganz gut durch{bringe. An diese kostspielige Lebenshaltung habe man fich rasch gewöhnt, da die hohen Getreidepreise feststehend zu werden versprochen hätten, aber den fetten Jahren seien die mageren gefolgt und nun sei allerorten Jammer und Elend, während man in anderen Berufskreisea {ih mit seinem Gebrau} nach seinen Ein- nahmen zu rihten pflege. Auch auf ‘die eigentlichen Bauern treffe das zu. Früher hätten in seiner Heimath Volkstrahten be- standen, Bauer und Bâäuerin hätten sih ihr Gewand für ihre ganze Lebenszeit gekauft. Das sei in vielen Orten verschwunden, dafür seien Bazar und andere Modezeitungen verbreitet, und Sonntags in der Kirche habe man das Vergnügen, die neuesten Hüte, von ländlihen Putmahherinnen nach den Mustern des Bazar angefertigt, zu finden, und zwar gerade in den Gegenden, wo noch ein leistungsfähiger Bauernstand bestehe. Die Petition mit 15 000 Unterschriften gegen die Verträge und gegen die Herabseßung der Getreidezölle, auf die sich der Abg. Luß berufen habe, mache seinem Talent als Agitator alle Ehre, da er selbst sage, daß der größte Theil der ländlichen Besißer in seinem Bezirk weniger als 5 ha besie. Denn welhen Nutzen diese von den Zöllen hätten, sei ihm eines der allergrößten Geheimnisse. Auf einem seiner Güter in Württemberg sei einmal eine Petition für Einführung von Getreidezöllen von fast sämmtlichen Ortsangehörigen unterzeichnet worden, während außer ihm bôhstens ein paar von den 2000 Einwohnern des in- dustriellen Ortes überhaupt Getreide verkauften, alle anderen hätten keines zu verkaufen und müßten kaufen. Warum macht ihr die Petition ? habe er die Leute gefragt. Ja, hâtten sie gesagt, man sage immer, das sei das Einzige, was der Landwirthschaft helfen könne, und desLalb hätten sie unterschrieben. Es gehe damit wie mit den Petitionen zu Gunsten des Bimetallismus, der \{ließlich als Heilmittel für die Landwirthschaft von Leuten empfohlen werde, die in ihrer Ein- fachheit so \{chwierize Fragen nit übersehen, geschweige denn entscheiden Fönnten. Die Herabseßung des Zolles um 1,50 #4 helfe wirklich dem Nothstand jo wenig ab, als sie den Landwirth zu Grunde rihten könne. Hätte man 1887 die jeßigen hohen Preise, die Mißernten und das russishe Ausfuhrverbot gehabt, dann wäre es damals gewiß Niemand in den Sinn gekommen, den Zoll von 3 auf 5 zu erhöhen. Man habe aber einmal die 5 # und wolle sie niht loslassen. So habe sich au das ledigli aus sanitären Gründen eingeführte Verbot des amerikanis@en Schweinefleishes durch die Gewöhnung weniger Jahre in ein Schuß- oder Prohibitivzollverbot ver- wandelt, dessen Beseitigung man als eine persönlihe und eine Vermögenskcänkung empfinde. Mit dem Vieheinfuhrverbot aus Oesterreich sei es ebenso ergangen, obwohl beiläufig kein einziger Fall der wirklihen Einschleppung der Maul- und Klauenfaide aus Oesterreich festgestellt worden sci. Die Herabseßung des Gerstenzolles um 25 H Z für den Doppelceutner habe der Abg. Luß als \{chwer- wiegend für die Landwirthschaft bezeichnet, ais ob deren Untergang mit diesen 25 Z aufzuhalten wäre. Als der Gerstenzoll erhöht worden sei, babe sih die bayerishe Regierung unter Uns sämmtlicher Reichstags-Abgeordneten undi'ohne Widerspru der land-

Berlin, Mittwoch, den 16. Dezember

wirth\s{chaftlihen Vereine Bayerns gegen die Pecon eun des Gersften- zolles ausgesprohen, weil Bayern ein bierbrauendes Land fei, dieser Gerstenzoll wesentlih von den Bierbrauern getragen werden müsse und ihnen dadurch der Wettbewerb sehr ers{wert werde. Aber auch für den süddeutshen Gerstenbau sei die Sache nit gefährlich. Er baue selb} viel Gerfte und wisse, wie und zu welchen Preisen gute Gerste sich verkaufe. Aver der Wettbewerb mit Oesterreich werde nidt durch die Höhe und Niedrigkeit des Zolles beeinflußt, sondern liege auf ganz anderen Gebieten. Ec habe darüber verschiedene Anregungen im bayerishen Landtag gemacht, leider ohne Erfolg. In diesem Ausnahmejahr sei in Bayern die Gerstenernte mindestens um vier Wohen verspätet, in Folge dessen österreihish:c Gerste früher auf dem Markt gewesen. Unterschiede der Witterung könnten aber nit durch einen Zollsaß ausgeglichen werden, und zugleih lehre die Erfahruna, daß die Brauerei die besten pekuniären Erfolge habe, die ohne Rücksiht auf den Preis die ausgiebigste Gerste nchme. Da handle es sich in erster Linie um die mährishe, niht um die \slawonishe oder andere Gerste. Die mährishe werde in deù größeren Brauereien am meisten verwendet. Diese hätten in Bayern eine gemeinsame Versuchsstation, in der jede Gerste, die eingeliefert werde, einem Probeversuh unterstellt und ganz genau die Ausgiebigkeit der einzelnen Sorten festgestellt werde. Lediglih nach dieser Ausgiebigkeit werde der Ankauf der Gerste beschlofsen, und ein sehr verdienter Techuiker, Professor Holzner in Freising, habe genau naGgewiesen, daß man mit billiger Gerste, die nicht ausgiebig sei, viel \{lechtere Geschäfte mache als mit guter, au wenn sie viel theurer sei. Die österreiGishe sei aber {on in ihrer Heimath ohne Zoll immer theurer als die bayerishe. Es handle sich niht um einen Wettbewerb des Preises, sondern der Beschaffen- heit und er habe auch für die mittleren und kleinen Brauereien die Etabliruny solcher staatlicher Versuchs\stationen empfohlen und wiederholt angeregt, bis jeßt sei das aber niht in wünshenswerther Weise gesehen. Was den Nothstand betreffe, so habe man keinen, wenn das entscheidende Kriterium der Nachweis zahlreiher am Hungertyphus oder durch Verhungern Verstorbener sei. Aber nur im Roman und Feuilleton spiele die Sache niht, und die Lage in seiner Heimath sei eine sehr bedrohlihe, wenn au dur den milden Winter vorläufig noch erträglihe, so daß die Ersparung an Kohlen für Nahrungsmittel verwendet werden könne. Aber wer in die Hütten der Armen auf dem Lande wie in den Städten trete, der finde hoch\ bedauerlihe und bedrohlihe Zustände. Wer die Petitionen des Personals großer Verwaltungen und der Arbeiter lese, und mit den Betreffenden so viel verkehre, wie er in den leßten Wochen, der müsse sagent so viel ausnahmsweises Elend ist jeßt zu Tage getreten, wie seit langer Zeit nicht. Die Dinge würden dadur® niht besser, daß man sie besprehe, und das Elend werde dadurch nicht aus der Welt geschafft, daß der Getreide- zoll um 1,50 Æ ermäßigt werde. Aber wenn die Preise darum nit ent- sprechend fielen, s" werde do wenigstens eine Grhöhung bis zu einem ge- wissen Grade abgewendet, nit bloß des Preises für Brot, sondern für alle Gegenstände des Vorjahrs vom Ei bis zum Fleisch, was für kleine Budgets immer schon etwas bedeute. Jedenfalls habe er als Groß- grundbesizer niht das Ret, über cinen ihm entgehenden Nutzen zu klagen, wenn fo und so viel Leute in Deutschland zum Theil eben wegen dieses Nußens bungerten. Ueber die politishe Seite des Ver- trages habe der Abg. von Massow gesprohen. Er habe gesagt, daß er ein Anbänger des Dreibundes sei, der durch diese Verträge, welche die Staaten gegenseitig tributpflihtig machten, nicht gefährdet, sondern erschüttert und immer unpopulärer werde. Aber es sei ein \{werer Irrthum, zu glauben, daß die bisherige Zollpolitik auf die Stimmung des österreihischen Volkes ohne Einfluß geblieben sei. Die erste Antwort darauf habe der öfterreihishe Reichstag 1880 ge- aeben, wofür man in Bayern mit einer ganz hübschen Zahl von Millionen habe büßen müssen: den Bau der Arlbergbahn , diesen ersten Shachzug der österreihishen Regierung gegen die neuen Getreidetarife und die neue Eisenbahntarifpolitik, um einen Abfluß für ihre Erzeugnisse in die Schweiz und andere damals noch dem e a huldigende Länder zu schaffen. Hausner aus Galizien abe damals unter dem Beifall des ganzen Hauses in Wien gesagt: „Diese Bahn is der erste Schritt zu der freien Hand, zu der Un- abhängigkeit nit nur in wirthschaftlicher, sondern au in politischer Beziehung. Sie is der erste S{hritt zur Emanzipation von einem angeblihen Bundesgenossen, der mit unglaubliher Rüdsichtslosigkeit uns Wunde um Wunde \{chlägt und der uns ökonomish und kommerziell nichts gewährt und nichts gewähren will, aber politisch und militäris{ das Aeußerste von uns verlangt.“ Das sei die Stimmung in Oesterrei gewesen; nun möge man |ch den Zusiand der Dinge aus- malen ohne die Verträge! Eine Anzahl seiner bayerishen Partei- genossen habe ihre schweren Bedenken gegen die Verträge unterdrüdckt, weil ibnen in erster Linie das politshe Ziel der Einigung mit Oesterreich, die zu ihrem Lebenselement gehöre, vor Augen stehe. Solche große Gesichtspunkte dürften unter der Last von Kleinigkeiten und kleinen Unzufriedenheiten nit erstickt werden.

Abg. Graf v on Mirbach: Für den Landwirth komme es nit darauf an, daß das, was er verkaufe, theuer, und was er kaufe, billig sei, er kônne nur angemessene Preise verlangen. Nach den Aus- führungen des Vorredners müßte der Grundbesitz eine sinkende Ten- denz haben, aber dann würde man ihn gar nit mehr kaufen. Er (Redner) bestreite, daß der Bauer in der Lage sei, Grundbesiß in großem Um- fange zu erwerben. Er könne es nit, und es sei auch nicht sein wirthschaftlihes Bestreben. Der Grundbesiß werde ja gerade dur das Kapital expropriirt. Das „Berliner Tageblatt“, ein freifinnigesBlatt, habe einen Leitartikel aus Südwest-Deutshland gebraht, worin es heiße, daß der weitaus größte Theil des landwirthschaftlihen Bodens in Deutschland im Besiß des mittleren und kleinen Bauernstandes sei. Die Kraft der Landwirthschaft beruhe noch auf lange Zeit hinaus und vielleicht für immer auf dem Getreide- und Futterbau. Daß die Landwirthschaft zur Kultur der sogenannten Handels8gewähse über- gehen und den Getreidebau verringern müsse, gehöre zu den vielen hoblen Phrasen, die auf volkswirthschaftlihem Gebiete auftauhten und vershwänden. Es heiße dann weiter in dem Arlikel: „Auf diesem Bauernstande ruhen alle Lasten, er werde gedrückt und ge- shunden wie kein anderer Stand.“ So das freisinni e „Berliner Tageblatt“. Der süddeutsche Bauer, der nur d h besige, verkaufe niht allein seine nte Gerste, sondern auch die Schweine, in Bayern das Rindviezh, und die Preise des Viehes seien kongruent dem Preis des Getreides, Der Abg. Dr. Freiherr von Stauffen- berg habe dem deutshen Bauer Mangel an Sparsamkeit vorgeworfen. Nach feiner Kenntniß gebe es keinen Stand, dem ein solches Maß von Entbehrung, Enthaltsamkeit , Sparsamkeit inne wohne, wie gerade dem deutschen Bauer. Ausnahmen kämen natürlih vor. Die Behauptung, daß der deutsche Bauer nihts von der Währungs- frage verstehe, sei irria. In seiner Gegend sei nihts volksthümlicher und werde nihts besser verstanden, als die Theorie der Valuta- differenz. An der russishen Grenze wisse man ganz genau, daß, wenn der Rubel \inke, sofort von Rußland Getreide herübergebraht und verkauft werden könne. In der Währungsfrage komme es lediglich darauf an, daß man sie verstehen wolle. Als Mitglied und Vor- sißender des Vereins der Steuer- und Wirthschaftsreformer habe er gegen diesen Vertrag M gemacht und er werde es wahrscheinli auch hier thun müssen. Von dem Abg, Grafen von Kanig unterscheide er sich nit nur in der Einzelfrage der Suspension der Getreidezölle, sondérn auch binsichtlih des ganzen Wirthschaftssystems. Der Abg. Graf

1891.

von Kani sehe einen gesunden Zustand wesentlich in einem starken, na allen Rihtungen wirksam ausgebildeten Schußzollsystem. Ihm (dem Redner) \chwebe eine Ausgleichung der Valutadifferenz mit ge- mäßigten Scußzöllen vor. Wie allerdings gegenwärtig die Währungs- verhältnisse lägen, stehe er ganz auf dem Boden des Abg. Grafen von Kari. In diesem Augenblick müsse man ein wirksames System von Schutßzöllen verlangen. Ob das*Gebotene für die nähsten zwölf Jahre ausreihe, darüber könne man sehr verschiedener Meinung sein. Den Reichskanzler möchte er bitten, er möge in eine sorgfältige Prüfung darüber eintreten, ob ihn “bei den gegenwärtigen Währungsverhbält- niffsen und dem verringerten Zollshußtz die wirth\{aftliche Lage der Land- wirthschaft gesichert erscheine, und, wenn dies nit der Fall sei, dann möge er selbst im Interesse der deutschen Landwirthschaft und der gesammten Wohlfahrt des Reichs, die ihm gewiß mehr am Herzen liege als irgend einem Andern, die fremden Nationen einladen, diese Frage zu prüfen. Deutschland habe einen Anlaß dazu, denn es habe selbst das Silber zu Falle gebracht, es sei also verpflichtet, die Initiative zu er- greifen. Der Frage eines mittelcuropäishen Zollbundes stehe er durchaus nicht feindlich gegenüber, und er bedauere nur, daß die politishen Verhältnisse eine Annäherung an Frankrei in dieser Be- ziehung verhinderten. Industrielle und landwirthschaftlihe Zölle ständen nit auf gleihem Niveau. Industriezölle sollten Arbeit \chaffen, naturgemäß auch auf dem Wege der Einfuhr. Landwirth- \(aftlihe Zölle hätten daneben noch eine bedeutende soziale Wirkung. Je mehr Deutschland zu einem Industriestaat werde, um so mebr wachse die soziale Gefahr; je mehr man das Familienleben in der Land- wirthschaft stärke, ein um so festeres Bollwerk schaffe man gegen die soziale Bewegung, und gerade der Reichskan;ler, der bei jeder gegebenen Gelegenheit mit vollem Recht darauf sche, welche Wirkung geseßgeberische Vorschläge nah der sozialen Seite hin haben könnten, müßte von diesem Standpunkt aus einen sehr wirk- samen S{hug der Landwirthschaft überall in die Wege leiten. Leider sehe er (Redner) in dieser Vorlage das Gegentheil, und wenn nihcht auf anderen Gebieten sehr werthvolle Kompersationen einträten, so werde in dieser Vorlage die Möglichkeit einer \{chwer- wiegenden Schädigung der landwirthschaftlihen Interessen gefunden werden können. Der Staatssekretär Freiherr von Marschall babe ausgeführt: wir werden in Deuischland en!weder ein maßvolles Shutz- zollsystem haben, oder wir werden keins haben. Man könne den Werth der Schußtzölle niht einfah nah Prozenten bemessen. Ent- scheidend sei do eigentlich die wirthshaftlihe Lage des Ge- werbes, das geschüßt werden solle, und wenn sich herausftelle, daß sie ungünstig sei, dann müsse dem Gewerbe durch ein Zurückhalten der ausländishen Produktion geholfen werden. Im Jahre 1887 habe der Staatssekretär doch \chon eine Bundesregierung im Bundesrathe vertreten; damals hätten die verbündeten Regierungen erklärt, daß die Lage der deutshen Landwirthschaft in Folge des Rückganges der Preise, die wiederum eine Folge des ausländischen Wettbewerbs gewesen sei, eine derartige sei, daß sie einen Schuy- ¿oll von 6 # erfordere. Die konservative Partei habe damals für den Zoll von 6 # gestimmt, auch Diejenigen, die teßt für den Vertrag stimmten. 1879 habe er (Redner) allerdings die Ver- doppelung des Zolls von 0,50 auf 1 durhgeseßt: er freue sich darüberänoh heute, es sei eine rettende That gewesen. Damals sei auf diesem Gebiet zum ersten Mal die volle Gleihberechtigung der Landwirtbschaft mit der Industrie und mit dem Gewerbe zum Ausdruck gebracht worden, und er befürchte, daß diese Auffassung von der Gleiberehtigung dieser Faktoren jeßt etwas verblaßt sei. Daß die gegenwärtigen hohen Preise etwas nie Dagewesenes seien, müsse er bestreiten. Jn der Periode von 1816— 26 habe der Weizenpreis über 200 M gestanden. Seien denn in Frankreih nit dieselben Preise? Eine starke und gerehte Regierung habe durchaus keinen Anlaß, sich durch derartige Dinge einshüchtern zu lassen. Díe ganze Agitation sei erst losgegangen mit dem Augenblick, wo die Herren erfahren hätten, daß die Regierungen eine Ermäßigung der Getreidezölle herbeizuführea beabsich- tigten. Die ganze Sache sei allerdings sehr ge\s{chickt von der Regie- rung durchgeführt worden. Wo sei denn der Nothstand vorhanden? Nur die Städte seien troy der Belastung durch die Getreidezölle fchnell gewabsen hinsihtlich der Bevölkerungsziffer und der Wohl- babenbeit, das platte Land sei in dieser Beziehung unverändert ge- blieben, im Often sogar zurückgegangen. Er sei ein Gegner der Vor- lage. Nach feiner Ueberzeugung thue man einen verbängnißvollen, mindestens gefährliGen Schritt. Er würde aber troßdem , wenn er in einer Kommissionsberatbung, die do einen ganz anderen Charakter babe als eine Plenarberathung, widerlegt worden wäre, sich mög- liherweise entshlofsen haben, für die Vorlage zu stimmen. Er würde es vielleicht auch thun, wenn man ihm Gelegenheit gäbe, über Weihnachten si mit der Gesammtheit seiner Partei und mit seinen Ver- trauensmännern darüber zu unterhalten. Mit dieser Vorlage übernähmen die Regierungen eine weitgehende moralishe Verpflibtung, auf allen anderen Gebieten der Landwirthschaft zu helfen. Mit diesem Vor- behalt würde er der Vorlage zustimmen können, und darum richte er die dringende Bitte an den Reichstag, hier bei der zweiten Be- rathung abzubrehen und dann nach den Ferien ohne Bitterkeit die Sache in dritter Lesung zu Ende zu bringen. Werde seinen politischen ieqnven diese Möglichkeit genommen, so würden sie die Vorlage ablehnen, denn sie übernähmen das Risiko niht für zwölf Jahre. Dieses eine Mißwachsjahr, wie es vielleiht nur zweimal in einem Jahrhundert vorkomme, beweise in seiner Preishöhe gar nihts. Nach zwei Jahren könnten die Getreidepreise wieder sinken, könne die russishe Valuta dieses Sinken e Das fei sein Standpunkt, und er wünsche nur, daß er sh in Bezug auf alle seine Befürchtungen irre. Möge die Frage weiter erledigt werden in patriotisher und hingebender Weise.

Aba. Thomsen (auf der Journalistentribüne \{chwer verständlich) spricht der Regierung zunächst seinen Dank für dieje Verträge aus. Die Doppelwährung an sich wäre ja insofern ganz gut, als sie eine Erhöhung des Werths des Bodens herbeiführte, aber man würde in Folge davon auch niedrige Arbeitslöhne haben, und die könne man nit so leiht ertragen, wie die Russen und Rumänen mit ihren von den deutschen so verschiedenen Verhältnissen. Ein großes Uebel sei in Deutschland die übermäßige Entwicklung des Großgrundbesißes. Da, wo das noch nicht in so großem Umfang gesehen sei, wie in Oldenburg und S{hleswig-Holstein u. s. w., da seien noch wahre Oasen der Landwirthschaft, da sei keine Mißftimmung in der Land- bevölkerung vorhanden, da seien die Leute glücklich, und noch glücklicher würden sie sein, wenn fie von der bureaukratishen Verwaltung O Kardorff: Die Einführung der Doppelwährung habe keine niedrigen Arbeitslöhne zur Folge, das beweise das Beio spiel Frankreihs, wo zur Zeit der Doppelwährung die Leute gut gestellt gewesen seien, während der Bauernstand in Frankreich jeyt bekanntlich zu Grunde gehe. Daß seine Scilderung der Lage der englishen Landwirthschaft rihtig gewesen sei, beweise die kürzlich von

errn Gladstone gehaltene Rede, wona in England die Arbeiter- evölkerung wegen des in der Landwirthschaft gezahlten niedrigen Lohnes in die Stadt, in die Fabriken ziehe. Der deutschen Industrie könne nuran keinen Vorwurf wegen des Abshlusses der Handelsverträge maden ; soweit sie im Centralverband deut]cher Industrieller vertreten sei, habe sie genug gegen die Herabseßung der landwirthschaftlichen

ôlle gekämpft, die Handelskammern, die das nicht getvan hätten, ônne man auch niht als vollgültige Vertreter der Industrie an-

S A a ie V 06 R S2 R E S AC R A R E E E N ERIINA