1892 / 9 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 12 Jan 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Mannigfaltiges.

ie gemischte Deputation zur Durhführung der für den all Tite Eseucruns beshlofsenen Maßnahmen bielt geftern unter Vorfi des Ober-Bürgermeisters Dr. von Forckenbeck wiederum etne Sizung ab, in der eine weitere S namhaften Geld- unterstüßungen an verschiedene Woblthätigkeits-Institute bewilligt wurde. So is zugesprochen worden: dem Berliner Verein für häusliche Gesundhettspflege 6000 , dem Berliner Kindershuß- Nerein 3000 Æ#, der Holz- und Brotvertheilungs-Gefellscha\t 5000 #4, dem Verein zur Beförderung der Kleinkinder-Bewahr- Anstalten 3000 4; dem St. Vincent-Verein 2000 #; der Com- mission für firhlibhe Armen- und Krankenpflege in der Zionsgemeinde 1500 A; dem St. Afra-Stift 1000 Æ; der Unterstüßungsfasse zur Ver- sorgung Notbleidender mit Volksküchen-Speifen 1000 Æ; dem Krankenpflege-Verein in Moabit 600 Æ und dem Oberlin-Verein der

St. Andreas-Gemeinde 300 Æ

Der Verein für Besserung entlassener Strafgefan- ener nabm in feiner gestrigen Sißung den Jahresbericht über die Sürsorgethätigkeit des Vereins entgegen. Das verfloffene Jahr bat den Verein danachß mebr in Anspru genommen als je ein Jahr vorber: 3980 Personen und darunter 918 jugendliche futen die Hilfe des Vereins auf. Zur Linderung der ersten Noth mußten 10 500 Nolfsküchenmarken zu 15 4, 500 zu 6 F und 800 Speisemarken der Wärmehallen vertheilt werden. Insgesammt erfordere die Verpflegung der Strafentlassenen 1983 K Non den 3302 in Arbeit gebrachten Pfleglingen find 385 in Berlin geblieben, für 2917 dagegen sind auswärtige Arbeits- stellen beshafft worden, und zwar find 1729 von ihnen der Land- wirtbschaft zugeführt, die zeitweise mehr Kräfte verlangte, als dem Vereine zur Verfügung standen. 960 der Pfleglinge erhielten Be- schäftigung bei Erd- und Ziegeleiarbeiten, 165 in Fabrikbetrieben, 180 als Kutscher, Hausdiener, Gärtner u. dergl, 217 im Hand- werfsbetriebe und 51 als Buchhalter, Verkäufer, Schreiber u. dergl. JInsgesammt hat der Verein im leßten Jahre für seine Pfleglinge 30 831 verausgabt, von dieser Summe aber sind 9800 Æ zurück- gezahlt worden aus Lohnabzügen, die auf Grund der bestehenden Ver- einbarung von den Arbeitgebern gemabt werden.

Der Billetverkauf des Invalidendank für sämmtliche Theater Berlins (Markgrafenstraße 51 a) findet Wochentags von 9 bis 4 Uhr, Sonntags von 9 bis 10 und 12 bis 2 Ubr statt.

Die alljährlich zur Winterszeit an der Friedrichébrüce si ein- stellenden M öven, die durch ihr munteres Wesen Alt und Jung erfreuten, sind, wie die „N. Pr. Z.“ mittbeilt, seit kurzem dort wieder zu finden. Man sieht die zierlihen Thieren auh an der Eberts- brüdcke und an der Weidendammer Brüe.

Breslau, 12. Januar. Nach Meldungen des „W. T. B.* aus Königshütte ist der Schacht 1 der Deutschlandgrube gestern aus- gebrannt. Das Feuer soll dur die Unvorsichtigkeit eines Arbeiters entstanden fein.

SFnsel Sylt, 4. Januar. Den „Flensb. Nachr.“ wird ge- schrieben: In der Zeit vom leßten Sonnabend Abend bis zur leßten Nacht hat hier ein fliegender Stu rm aus SW. getobt, infolge defsen gestern Nachmittag die Meeresfluth mit furhtbarer Gewalt si gegen die Dünen stürzte und große Sandmafsen zum Fall brachte. Es baben die Dünen abermals einen starken Abbruch erlitten. Auf einer weiten Strecke, die ih diesen Vormittag am Strande zurückgelegt habe, fand ich keine einzige Stelle, wo ich im Stande gewesen wäre, die Dünen zu erklimmen : denn allenthalben sind die Dünen steil wie eine Mauer abgespült worden. Unsere Dünen haben namentli neben Wester-

fie eben dort wenig zuzus baben. In einer Länge von 320 Schritten ist die Da deiTee, wie vom Strand irt, vex- loren Cn und die neue, sehr kostspielig gee: ergangs- treppe an Dünen fammt dem Geländer an beiden Seiten und der Plattform an der Außenseite völlig zertrümmert. Die nördlichste UVebergangêtreppe am Herrenstrande ift ebenfalls an der Strandseite freigestellt und fann leiht umstürzen. An Höhe hat der Vorstrand wieder stark eingebüßt. Die Buhnenwerke sind ebenfalls furchtbar mitgenommen worden und die Vordüne hat auch, infofern sie Ga vollständig weggerissen ist, sehr gelitten. Einiges Wraholz treibt nah dem Sturm hin und wieder auf den Strand.

Arolsen, 5. Januar. In dem Dörfchen Wichte bei Mel- fungen hat, wie man der „Köln. Ztg.“ schreibt, ein Bauer beim Umgraben eines seit längerer Zeit bra gelegenen Landes, zwischen Steinen eingemauert, eine Anzahl schr gut erhaltener Münzen von der Größe eines Fünfmarkstücks gefunden. Die Münzen stammen aus der zweiten Hälfte des 16. und dem Anfange des 17: Jahr- bunderts und sind spanischen, s{weizeriscen, braunschweigishen und fächsishen Ursprungs. Das Geld ist wahrscheinlich in der Zeit des dreißzigjährigen Krieges an der Stelle vergraben worden.

Nowgorod. Ueber den unglücklihen Verlauf einer Bärenjagdcim Gouvernement Nowgorod wird der „Mosk. D. Ztg.“ Folgendes mitgetbeilt: Ein bekannter Moskauer Bärenjäger Fürst Sch. war mit einem Herrn W. nach Nowgorod gekommen und hatte sich am Sonntag früh auf die Jagd begeben. Bald war ein fapitaler Bär aufgetrieben und kam auf W. zugetrollt. Statt rubig zu zielen und loszudrücken, begann W. im Jagdfieber zu freien: der Bär kehrte um und wandte sich den Trei- bern zu. W. {oß nun eine Kugel auf das Thier ab und ver- wundete es auch. Vor Schmerz stieß der Bär ein Wuthgebrüll aus, vackte mit seinen Pranken ein Baumstämmchen und fknickte es wie einen Strobhalm ab, {lug dann von den Treibern zwei mit einem

Schlage nieder, die auf der Stelle todt waren, verwundete noch zwei -

endere, deren einer ebenfalls seinen Verleßungen bald erlag, und fügte, che er ganz aus dem Gesichtskreife verschwand, noh mehreren An- deren Verleßungen zu, an deren Folgen fie theilwéise noch darnieder- liegen. y

Solothurn. Nach dem bereits in Nr. 6 des „R.- u. St.-A.“ gemeldeten Felssturz in der Klus waren sofort die geeigneten Maß- regeln getroffen worden, um die locker gewordenen Felspartien herunter- zuîprengen und fo weiterem Unheil vorzubeugen. Zwei Mal wurden wie dem „Hamb. Corr.“ berihtet wird, Dynamitentladungen bewerk- stelligt, obne daß der Zweck erreiht worden wäre. Erft bei einer dritten itärferen Ladung fam am 6. d. M. der Erfolg. Der überhängende Felsen wankte, {hob si langsam von seinem Ruhepunkt ab und stürzte mit wuhtigem Aufschlag auf die unterhalb gelegene bewacsene Terrasse; bier tbeilte sih der gewaltige Felsblock in mebrere ungleich große Stücke, von denen jedes seinen eigenen Weg nahm. Das größere, etwa zehn Cubifmeter enthaltende Stü flog scharf an dem Hause vorbei, das durch den jüngsten Sturz zerstört worden war, und grub ih tief in die Erde ein. Von den anderen Stücen wurde die Umfassungsmauer eines Neubaus theilweise zer- stört ; die angebrachten starken Wehren wurden wie Kartenhäuser um- gefnickt nnd zu Boden gedrückt. Nach dem Sturze donnerten von der Höhe Freudenshüsse. Der Leiter der Unternehmung, Baumeister Weber ließ sich an einem Seile über den Felsen herab, was in der unbeimlichen Gesellshaft des nahbröckelnden Gesteins feineswegs ge- fahrlos war, und wurde unten mit stürmishem Hurrah begrüßt. Die Hauptgefahr erscheint nun beseitigt. Immerhin i auch jeßt noch ein bedroblich überhängendes Felsftück oben, und die Unterfuchung der Fachleute wird festzustellen haben, ob auch diefes Stück noch weg- gesprengt werden muß.

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(F.) Christiania, 9. Januar. Der Bau von Dr. Nansen* Polarsch iff, das in Näkvik, einer kleinen Bucht an der des Laurviffjords, hergestellt wird, ist jeßt so weit g Spanten aufgestellt find. In vollendeter Gestalt wird es Spotfeasabrzenge, mit Tafkelage und Schornstein gleichen. Ruder wird an dem spißen Achtersteven so angebrat, daß das untere Loh wh for pa gleich unter der Wasserlinie mündet. Der Vordesteven neigt

ächtlih vornüber und ist weniger gebuchtet als der Hintersteven. Die Form der Mittelspanten nähert sih dem Durchschnitte eines Balles; die Längenlinien find die eines Lootsenbootes. Um gegen die Wir- kungen des v4 5 noch mehr gesichert zu sein, erhâlt daë Schiff keinen Kiel : ferner hat man es mit runden Seiten gebaut, um von dem Druck des Eises leihter gehoben werden zu fönnen. Der Hintertheil hat zwei senfkrehte Steven, einen Schraubensteven und einen Rudersteven, über denen je ein gebogener eichener Balken befestigt ist. Zwischen diefen Balken längs der Steven befinden sich die Brunnen für die Schraube und das Nuder, sodaß beide gehoben werden fönnen. Die Länge des Schiffes an der Wafserlinie beträgt 100 Fuß, die Decklänge 125 Fuß, die größte Spantenbreite 34 Fuß und die Tiefe 16 Fuß Das Schiff erhâlt zwei Verdecke, die Kajüten kommen unter Deck, jedoch fo, daß ms hinten ein 3 Fuß hohes Halbdeck bleibt. Außer scinem eigenen Gewicht verinag das SHI 500 t zu tragen, davon 300 t Kohlen. Die Maschine soll dem Schiff eine Geschwindigkeit von 6 Knoten geben.

New-York, 11. Januar. Das Hauptgebäude der Staats- Universität in Missouri is, wie „H. T. B.“ meldet, aus- gebrannt. 40000 Bände wurden zerstört; der Schaden beträgt 400 000 Dollars.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

Wien, 12. Januar. (W. T. B.) Die „Neue Freie Presse“ veröffentliht den Text dreier Refactienverträge der ungarishen Staatsbahnen mit der Generalagentie der ungarischen Handels - Actiengesellshaft und hebt hervor, daß das Datum des Vertragsabschlusses der 5. November 1891 sei. Nach amtlihem Ausweis wurden in Wien in der Beit vom 3. Januar bis 9. Januar 521 Fälle von Jn-

luenza constatirt.

St. Petersburg, 12. Januar. (W. T. B.) Jm Reichsbudget für 1892 sind die ordentlichen Einnahmen auf 886 544 325 Rbl. veranschlagt gegen 900 757 570 im Jahre 1891, die Ausgaben auf 965 303 066 Rbl. gegen 962302521 Rbl. im Vorjahre.

Neapel, 12. Januar. (W. T. B.) Gestern Abend ergoß sich ein Lavastrom vom Vesuv gegen Atrio del Cavallo.

Bern, 12. Januar. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nah empfichlt die mit der Vorberathung der Handels- verträge beauftragte Commission des Nationalraths die Ratification der Verträge mit Deutschland und Oester- reich-Ungarn, troß mehrfach geäußerter Bedenken und trozdem manche gerechtfertigten Wünsche ihre Befriedigung in diejen Verträgen nicht gefunden hätten.

Belgrad, 12. Januar. (W.T.B.) Das der Skupschtina vorgelegie neue Budget berechnet einen Uebershuß von 200 000 Dinars. Die Ausgaben wie die Einnahmen belaufen sich auf ungefähr 60 Millionen.

(Fortsezung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

land abermals an Breite viel verloren, was umsomehr zu beklagen ist, da ———

t vom 12. Januar, Morgens.

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Schnee. Uebersicht der Witterung.

Ein tiefes barometrisches Minimum liegt nördlih von den Lofoten, einen Auéläufer südwärts nach den \hwedishen Seen entfendend, welcher an der deut- ichen Küste schwache westliche Luftstromung verursacht. Am höchsten ist der Luftdruck über den britischen Inseln und über Ost-Eurova. Jn Deutschland dauert die trübe, falte Witterung fort: Ferall, die Küste stellenweise ausgenommen, herrscht Frostwetter, indessen hat der Frost in Bayern erheblich abge- nommen. Im Innern Frankreichs berrsht ziemlich strenge Kälte, auch Südwest-Eurova hat Frostwetter. Schneehöhe zu Hamburg 27, Königsberg 21, Berlin 8, Kasfjel 7 ecm.

Deutsche Seewarte.

Theater - Anzeigen.

Königliche Schauspiele. Mittwoch: Opern- haus. 11. Vorstellung. Cavalleria rusti- eana (Banern - ( E: Oper in, 1 Aufzug Von Pietro Mascagni. Tert nah dem gleich-

; Klaus.

vom Ober-Regisseur Tetlaff. Dirigent: Kapell- meister Weingartner. Die Verlobung bei der Laterne. Operette von J. Offenbah. Tert aus dem Französischen von M. Carré und L. Batty. Dirigent: Musikdirector Wegener. Coppelia. Phantastishes Ballet in 2 Aufzügen von Ch. Nuitter und A. Saint-Leon. Musik von Leo Delibes. Für die biesige Königlihe Bühne be- arbeitet von Paul Tagliont. Dirigent: Musikdirector Hertel. Anfang 7 Uhr.

Schauspielhaus. 13. Vorstellung. Der zer-

brochene Krug. Lustspiel in 1 Aufzug von H. von Kleist. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Marx Grube. Der eingebildete Kranke. Lustspiel in 3 Aufzügen von Molière, mit Benußung der Baudissin'schen Uebersetzung. In Scene ge]eßt vom Ober-Regifseur Mar Grube. Anfang 7 Ühr. Donnerstag: Opernhaus. 12. Vorstellung. Neu einstudirt: Dinorah. Oper in 3 Aften von G. Meyerbeer. Tert nah dem Französischen des M. Carré und J. Barbier, deuts bearbeitet von I. C. Grünbaum. Jn Scene geseßt vom Ober-Regisseur Teblaff. Anfang 7 Uhr. Schauspielhaus. 14. Vorstellung. Neu einstudirt: Uriel Acofta. Trauerspiel in 5 Aufzügen von Carl Gußkow. In Scene geseit vom Ober-Regisseur Mar Grube. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater.

Anfang 7 Ubr. Donnerêtag: Die Welt,

in der man fich langweilt. Freitag: Dritter Goethe-Cyclus.

4. Abend. Torquato Tasso. Die erste Aufführung von College Crampton, Lustspiel in 5 Aufzügen von Gerhart Hauptmann, findet am Sonnabend ftatt.

Mittwoch: Doctor

Berliner Theater. Mittwoch: Der Hütten- befißer. (Nuscha Bute, Agnes Sorma, Ludw. Barnay, Ludw. Stahl.) Anfang 7 Uhr.

Donnerstag: Nah Madrid! :

Freitag: 18. Abonnements-Vorstellung. Neu ein- studirt: Othello.

Lessing-Theater. Mittwoch: Das vierte Gebot. Cavalleria rusticana. Donnerstag: Die Grofßstadtluft. Freitag: Zum 1. Male: Helga. : Nächste Nachmittags-Vorstellung zu kleinen Preisen : Die Ehre.

Wallner-Theater. Mitiwoch: Zum 4. Male: König Krause. Posse mit Gesang in 4 Acten von F. Keller und L. Herrmann. Musik von V. Hollän-

der. Anfang 74 Uhr. Donnerstag u. folg. Tage: König Krause.

Friedrih - Wilhelmstädtishes Theater. Mittwoch: Der Mikado. Burleske-Operette in 2 Acten von W. S. Gilbert. Deutsch von I. Fritzsche. Musik von Arthur Sullivan. Regie: Herr Binder.

Donnerstag u. folg. Tage: Der Mikado. Donnerstag, 21. Januar: Mit neuer Ausstattung zum 1. Male: Das Sountagskind. Operette in 3 Acten von Hugo Wittmann und Julius Bauer. Musik von Carl Millöcker. In Scene geseßt von Julius Fritsche.

Residenz-Theater. Direction : Sigmund Lauten- burg. Mittwoch: Madame Mongodin. Schwank in 3 Acten von Ernest Blum und Raoul Toché. Deutsh von Emil Neumann. In Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. Vorher: Zum 6. Male: Modebazar Violet. Schwank in 1 Act von Benno Jacobson. In Scene geseßt von Emil Lessing. Anfang Uhr.

Donnerstag: Madame Mongodiu. Vorher: Modebazar Violet.

Belle-Alliance-Theater. Mittwoch: 13. En- semble-Gastspiel der Münchener unter Leitung des Königlich bayerishen Hofschauspielers Herrn Mar Hofpauer. Zum 2. Male: Der ledige Hof. Volks- schausviel mit Gesang in 5 Acten von Ludwig Anzengruber. Anfang 7F Uhr. /

Donnerstag : 14. Ensemble-Gastspiel der Münchener. Der ledige Hof.

Adolph Ernst-Theater. Mittwech: Zum 20. Male: Der Tanzteufel. Gesangsposse in 4 Acten von Ed. Jacobson und W. Mannstädt. Couplets theilweise von Gustav Görß. Musik von Gustav Steffens. In Scene geseßt von Adolph Ernst. Anfang 7# Uhr.

Donnerstag: Der Tanzteufel.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direction: Emil Thomas. Mittwoch: Zum 5. Male: Luftschlösser. Pcsse mit Gesang in 3 Acten (5 Bildern) von W. Mannstädt und A. Weller. Musik von Adolph Mohr. In Scene geseßzt vom Director Thomas. Anfang 7# Uhr.

Donnerstag: Luftschlöfser.

In Vorbereitung. Zum 1. Male: Cacao. (Novität!) Poffe in 4 Acten von Friß Berend.

Urania, Anstalt für volksthümliche Naturkunde. Am Landes - Ausstellungs - Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im wissenschaftlihen Theater. Näheres die Anschlag- zettel. Anfang 74 Uhr.

Concerte.

Concert-Haus. Mittwoch: Karl Meyder- Concert. Anfang 7 Uhr. :

Ouv. „1812“ von Tschaikowsky. „Dichter und Bauer“ von Suppé. „Mozartiana“, Suite Nr. 4 von Tschaikowsfky. „Ange d’Amour“, Walzer von Waldteufel. Phantasie aus der Oper „Cavalleria rusticana“ von Maëécagni. „Dann schau ins Auge

Circus Renz. Karlstraße. Mittwo, Abends 71 Uhr: Auf Selgoland oder: Ebbe und Fluth. Große bydrol. Ausftattungs-Pantomime in 2 Ab- theilungen mit Nationaltänzen (69 Damen), Auf- zügen u. f. w. Ferner Dampfschiff- und Boot- fahrten, Wasferfälle, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffecten u. s. w. sowie neuen Arrangements vom Director E. Renz. Außerdem: Great Steeple Chasse von 6 englishen Vollblut-Spring- vferden, dressirt und vorgeführt von Herrn Franz Renz. „Johanniter“, geritten von der Schul- reiterin Frl. Oceana Renz. Contredanse, ge- ritten von 9 Herren. The 3 Eltons, Afrobaten. Mlle. Therefina auf dem 20 Fuß hohen Draht- seil. Auftreten der vorzüglichsten NReitkünst- lerinnen und Reitfünstler. Komische Entrées und íIntermezzos von sämmtlichen Clowns.

Täglich : Auf Helgoland.

Sonntag: 2 Vorstellungen. Nachmittags 4 Uhr (1 Kind frei). Auf vielfeitiges Verlangen: Amor in der Küche. Abends 7x Uhr: Auf Helgolaud.

E E S E Familien-Nachrichten.

Verlobt: Frl. Anni von Uebel mit Hrn. Dr. jur.

Wilhelm Jordan (Stolp i. P.)._ Geboren: Eine Tochter: Hrn. Rittmeister pellationsgerihts-Rath

Kurt von Döringen (NRibbekardt). G milie Pfeiffer geb. Stelger (Neu R milie Pfeiffer, geb. elßer (Neu-Ruppin). Verw. Fr. Gräfin Mathilde von Pfeil, geb. von Steinmetz (Berlin). Hr. Geh. Rechnungs- Nath a. D. Ferdinand Krüger (Potsdam). Fr. Oberin Anna von Morozowicz (Kammin i. P.). Hr. Pastor Wilhelm Zechlin (Gröffin). Verw. Fr. Professor Mathilde Hünefeld, geb. Dietrich (Greifswald). Hr. eher Eduard Hartwig (Schönau, Kr. Schlochau). Hr. Re- gierungs-Präsident und General-Landschaftödirektor a. D. Eduard Willenbücher (Zerbst). Verw. Fr. General der Infanterie Auguste von Brauchitsch, geb. von Schenck (Potsdam). Or. Frhr. Ernst von Lüttwitz (Stettin). Hrn. Geh. Rechnungs-Rath Seidel Tochter Marie (Berlin). Hr. Director der Preuß. Renten-Versiche- rungé-Anstalt Georg John (Berlin).

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin:

Verlag der Expedition (Scholz).

Druck der Norddeutshen Buchdruckérei und Verla” Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

._ . e Des .- Fünf Beilagen ¿ianella (einschließlich Börsen-Beil

owie die Inhaltsangabe zu Nr. 2th gefaßte

Laden Ac S (Commaudir (11g und Ver-

Actien und Äctiengesellschaften) für?esettlichen vom 4, bis 9. Jannar 1892,

namigen Volksftück von Verga. In Scene geseßt

Dirigent: Herr Kapellmeister Karpa. Anfang 7 Uhr.

deinem Kinde“, für Piston von Häser (Herr Böhme).

0

zum Deutschen Reihs-Anz 9.

Erste Beilage

Berlin, Dienstag, den 12. Januar

eiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

1892.

Statistik und Volkswirthschaft.

Innungswe?ken.

Am 31. März 1891 waren in Berlin 70 Innunaen vorhanden. Wie aus einer Nachweisung, welche die Gewerbe-Devutation des Magistrats nah Angaben der Innungsvorstände aufgestellt hat, dervorgeBh bestanden bier 11 Kranfkenftassen für Gesellen und Lehrlinge, die den Anforderungen des S. 73 des Reichsgeseßtzes vom 15. Juni 1883, betreffend die Krankenver)icherung der Arbeiter, entsprachen und zwar bei folgenden Jnnungen : 1) Schornsteinfeger, 9) Pfefferküchler und Conditoren, 3) Barbiere und Frifeure, 4) Glaser, 5) Schmiede, 6) Weber und Wirker, 7) Damen- mäntelsGneider, 8) Strumpswirker, 9) Steinfeßer, 10) Fubrherren, 11) Schneider. Die Rechte aus § 100e der Reichs-Gewerbeordnung besaßen siebzehn Innungen: Bäcker, Barbiere und Friseure, Bund der Bau-, Maurer- und Zimmermeister, Drecbsler, Glaser, Korb- macher, Kupfershmiede, Maler, Perrückenmacher, Sattler, Riemer und Täschner, Schmiede, Schneider, Schornsteinfeger, Schuhmacher, Stell- und Rademacher, Tapezierer und Tischler; aus § 100 f cit. zwei: die Schubmacher- und Gastwirth-Innung. Dem Innungs- Ausschusse der vereinigten Innungen zu Berlin gebörten 45 Innungen an. Bet dem Scicdsgericht des Innungs-Ausschusses. welches über Streitigkeiten der im § 120a der Reichs - Gewerbeordnung bezeihneten Art zwischen den Mitgliedern der dem Innungs- Auss{usse angebörigen Innungen und Gefellen (Gebülfen), insofern die betreffenden Jnuungen einen Gesellen-Auss{uß besitzen, zu ent- scheiden hat, find während des Verwaältungéjahres 1. April 1890/91 790 Klagen eingegangen und wie folgt erledigt: 1) dur contradicte- rishe Verhandlung a. mit Beweiéëaufnahme 143, b. ohne Beweis- aufnahme 290, zu’ammen 433, 2) durch Vergleich 123, 3) durch Ver- säumnißurtbeil 94, durch Entsagung 140. Bei dem Schiedêgericht der Bâäcker-Innung Concordia find während des Verwaltungsjahres 1890/91 16 Sachen zur Entscheidung gelangt.

Aufnahme ländlicher Arbeiterverhältnifse.

Im Auftrage des Vereins für Socialpolitik versendet der Gebeime Ober-Regierungs-Rath Dr. Thiel in Berlin an die größeren Land- wiribe im Deutschen Reih Fragebogen mit etwa folgendem Begleit- s{reiben: „Der Verein für Socialpclitik hat bes{lofen, eine Auf- nabme der ländliden Arbeiterverbälinisse zu veranstalten und zu diesem Zwecke die gefällige Mitwirkung der ländlichen Arbeit- geber anzurufen. Unter allen Fragen, welhe die Land- wirthe jeßt bewegen, steht die Arbeiterfrage oben an, und wird dieselbe aus verschiedenen Gründen wirthschaftlicer und socialer Natur auch sobald nicht von der Tagcéordnung verschwinden. Um rorbandene Schâden in dem ganzen Arbeiterverbältniß verbessern, mangelhaften Zuständen abhelfen, unberehtigten Anforderungen mit Erfelg entgegentretcn und die öffentliche Meinung und damit auch den Gang der Geseßgebung retzeitig becinflussen zu können, ist eine ilare und zuverlässige Darlegung der thatsächlichen Verhältnisse erste Vorbedingung. Sie wollen uns über die Verhältnisse Ihres Districts bis Ende Januar genaue Auskunft geben 2c.“ :

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Gelsenkirchen theilen die Zeitungen ein Telegramm des „D. B. H.“ mit, welches berichtet, daß dort am Sonntag ¿zur Gründung eines Volksvereins als Gegenwirkung gegen die socialdemokratishen Bewegungen eine stark besuchte Verjammlung stattgefunden hat. Die Mehrzahl der Ér- schienenen waren Bergleute. Die Redner warnten vor der Verstocktheit der Socialdemokraten. Unter großem Beifall der Zuhörer fand cine starke Beitrittserklärung zu dem Verein siatt.

Der bergmännische Rehtsshußverein im Saar-

revier ist in leßter Zeit dur die Verhaftung seines Vor- sigenden Warken und früher shon dur die Theilnahmlosig- leit einer Mitglieder und dur die über das Vereinsorgan „Schlägel und Eisen“ hereingebrochene Calamität in arge Vedrängniß gerathen. Die bisherigen Maßnahmen, dem Verein sein früheres Ansehen wiederzugewinnen, hatten nur geringen Erfolg. Jezt s{hreibt man der „Köln. Zig.“ von der Saar: „Aus Anlaß der Verhaftung des Vorsitenden des bergmännischen Rechtéschußvereins Warken fand am Dreikönigstag eine Versamm- lung der Vertrauenêmänner des Vereins statt, in der das Vorstands- mitglied Berwanger zum stellvertretenden Präfidenten gewählt wurde. Ferner wurde beschlofsen, für den verhafteten Warken eine Bürgschafts- wmme zu stellen. Das Gericht hat bereits eine von Warken angebotene Vürgschaft von 3000 4 zurückgewiesen. Die Zeitung des Vereins -SWlägel und Eisen“ foll in Zukunft wieder in Bildstock er- (einen, die Maschinen, die der bisberige Verleger Eisenaher be- \Blagnahmt hatte, sollen zu diesem Zweck eingelöst werden. Die Kedaction des Verecinsblattes wird der Herausgeber der „Tage8post“ Vrenner in Neunkirchen übernebmen.

Bier in Berlin fand am Sonntag eine öffentlibe Mau rer- versammlung statt, die sich mit dem von der Generalcommissiou ter Gewerks aften Deutschlands auf den 14. März nah Halber- Nadt cinzuberufenden Gewerkschafts- Congreß beschäftigte. T Congreß joll endgültig über cine Neugestaltung der gewerkschaft- liden Organisation Beschluß fassen. Der Einbcrufer des Congresses, Frechsler Legien- Hamburg, war in der Versammlung der aurer anwesend. Es fam zu heißen Erörterungen über die alte Streit- lege, ob Centralverband oder lose Centralifation mit dem System èr Vertrauensmänner. Die Versammlung erhob in einer Refolution gegen die Form der Einberufung des Congresses Einspruch und (Miete an säammtlihe Gewerkschaften, welche fi mit der Form der Cinberufung nicht cinverstanden erklären ftönnen, die Aufforderung, A oftentlichen Versammlungen zu dieser Frage Stellung zu nebmen. ey nächsten Sonntag soll in einer von den hiesigen Zweigvereinen ne Centralverbandes der Maurer Deutschlands einberufenen Ver- ammlung die Angelegenbeit erörtert werden. rin D einer Verjammlung der Tabackarbeiter und -Arbeite- e n die vorgestern hier in Berlin stattfand, handelte es sich Na e Einführung einer Arbeiterschußmarke in der Tabaindustrie. All den Ausführungen des Referenten, die wir nah der „Nordd. b Ztg.“ wiedergeben, sollen die focialdemokratifchen Arbeiter u verpflichten, nur solche Erzeugnisse der Taback- und Cigarren- Me ‘zu faufen, die mit einer Schußmarke versehen werb und nur _ solche Waaren dürfen alfo gekennzeichnet en, die von Fabrikanten stammen, welche die Forderungen eA Arbeiter in Bezug auf Lobn und Arbeitszeit erfüllt

In Amerika sei der Stempel bereits eingeführt und leiste den

n wesentliche Dienste. In Berlin liege die Sache für Ein-

] . Marfèn sebr günstig, weil hier die Tausende von

Æ. Hten nur Arbeiter verkehren, ohne Weiteres gezwungen

Maurenbrec T „gestempelte Cigarren“ zu führen. Folgende Geheftet 8 4 „angenommen: „Die Versammlung verpflichtet beate Jahrga Ung der Arbeitershubßmarke in der Cigarren-

odemann das G der allgemeinen Unterstägungskasse für C Prix «teten. Troßdem erfolgte nur der Eintritt then - in den Verband. Ueber die Art der Cigarrenschußz- “man nit einig. Bekommt nämlih jede Cigarre eine

Werk

Marke nah Art der „Importirten*, so vertheuert sich dadur das Taufend um 10 # Begnügt man sich aber mit einem Stempel auf jeder Zebntelfiste, so hindert den Verkäufer nihts, aus den ge- stempelten Kisten au ungestempelte Cigarren zu verkaufen.

__Aus Wien schreibt man der „Voß. Ztg.“ : Das Gremium der

Wiener Buchdrucker und Schriftgießer lebnte die Forde- rung der Gehilfen auf Herabminderung der Arbeitszeit von 91 auf 9 Stunden mit Hinweis auf die ungünstige Geschäfts- lage und die Productionsverhältnise in Berlin und Leivzig ab. Die Lohnbewegung unter den österreichischen Koblenbergwerks-Arbeitern hält an. Die Behörde verbct den Ausständigen die Abbaltung von Versammlungen. Bei der Uebergabe von Entlafsungsbescheiden und Lobnabre{nungen waren Gendarmen anwesend. Militär {ritt bisher nicht ein; es überwacht nur Kassen, fowie die Sprengmittel in den Pulvermagazinen. / __ Wie der „Frkf. Ztg.“ aus Paris telegraphirt wird, vers{ärft sh der Conflict zwishen der Omnibus - Compagnie und thren Angestellten. Die Arbeitnehmer droben mit einem Strike, falls die Compagnie niht die anläßlich des leßten Aus- standes gemachten Concessionen, vor allem den zwölfstündigen Ar- beitêtag genau ecinhâlt. Der Ausstand der Kutscher der Fiaker- Gesellschaft Urbaine dauert fort. Ein Pariser Telegramm des «D. B. H.* berichtet, es stehe in den Bergwerken von Car- maurx (Dev. Tarn) ein allgemeiner Ausstand bevor: die Beraleute verlangen böbere Löhne. / : L Aus Bern wird der „Köln. Ztg.“ vom gestrigen Tage gemeldet : Die Centralcomités des Grütlivereins der s{chweizerischen focialdemofkratishen Partei und des s{hweizerishen Gewer k- s[chaftsbundes haben einstimmig beshlossen, Zürich zum Congreß - ort für den diesjährigen internationalen Arbeitercongreß zu wäblen, ferner eine s{weizerische Arbeiterbibliothef beraus- zugeben und für eine einheitlihe Einrichtung der Maifeier zu forgen. /

Kunft und Wissenschaft.

Rücckblick auf die Kunstliteratur des Jahres 1891. T.

__L. K. Wir wollen versuchen, den Fortshritt unserer fünstlerishen und kunstwissenschafilihen Erkenntniß, wie er sih in den Erscheinungen der Fachliteratur des vergangenen Jahres fund giebt, in fnappen Umrissen zu kennzeihnen, indem wir die wichtigsten kunstwissenschaftlichen Leistungen im Zusammen- hang rückshauend betrachten, die durch sie vertretenen Rich- tungen und Strömungen in Vergleich zu denjenigen verwandter Wissensgebiete stellen und so die Beziehungen dieser Einzel- disciplin zu den übrigen Geisteswissenschaften darlegen. Daß die Kunstwissenschaft, diese verhältnißmäßig noch junge Frucht vom Baume der Erkenntniß, auch außerhalb der engeren Fachkreise lebhaftem Juteresse begegnet, das haben erade im vergangenen Jahre die in weitesten Bildungs- hichten fast leidenshaftlihe Theilnahme und Erregung weckenden Discussionen bewiesen, die, an den Namen Rembrandt's anfnüpfend, einer Reform unseres gesammten Geisteslebens und unserer Gesittung das Wort redeten. Daß der Name eines niederländishen Künstlers des siebzehnten Jahrhunderts zum Schlachtruf im Kampf der Geister angerufen wird, ist fein Zufall. Nur eine mit kunstwissenshaftlihen Bildungs- elementen gesättigte Zeit wird den Träger entscheidender Anschauungen unter den Künstlern suhen. Der Versuch, Rembrandt seines geistigen und fkünstlerishen Glorien- scheines zu berauben, wie ihn mit sheinbarer Wissenschaftlich- keit kurz darauf Max Lautner in seinem sensationellen Buche: „Wer ist Rembrandt?“ unternahm, scheiterte niht nur an der Unzulänglichkeit seiner wissenschaftlichen Begründung, sondern auch an dem tiefwurzelnden Bewußtsein aller Gebil- deten, daß die Grundlagen unseres kunstgeschichtlichen Wissens ein unantastbares Besißthum unserer Bildung geworden sind. Auf fachwissenshaftlihem Gebiet aber gab Lautner's Buch zu einem Streit über die Methode der Kunstgeshihte Anlaß, dessen erfreulihste Frucht Schmarsow's s{hon früher an dieser Stelle besprochene

Broschüre über die „Kunstgeschichte an unseren Hochschulen“

war. Eine straffere methodishe Schulung auf historischer Grundlage ist die beahtenswertheste Forderung Shmarsow's; eine folgerihtige E der historijhen Kunstforshung von der ästhetishen hätte vielleiht in der genannten Broschüre schärfer betont werden können. Daß troß einer solhen Trennung eine nüßlihe Wechselwirkung zwischen beiden Disciplinen bestehen kann, beweist z. B. der Versuh F. Laban's, die äfsthetischen Anschauungen zweier Jahrhunderte in Bezug auf ein spezielles Problem, den „Gemüthsausdruck des antiken Antinouskopfes“ in ihrer historischen E zu registriren. Die dabei si ergebenden Widersprüche liefern cine |charfe Kritik der specula- tiven Aesthetik, aber ein solches Verdict wird im Lager der modernen zunftmäßigen Aesthetiker kaum besondere Streitlust entfachen, denn auch hier ist man auf neuen Bahnen emsig be- {haftigt, sodaß man für die Vergangenheit nicht viel Zeit übrig hat. Freilih hat sich auch hier eine historishe Section ebildet, aus deren Kreis z. B. die verdienstlihe Arbeit L ostinsky’s hervorgegangen ist: „Herbart's Acsthetik in ihren grundlegenden Theilen quellenmäßig dargestellt“: aber die Führung hat doch die naturwissenschaftliche Richtung, als deren Vertreter und populärer Vorkämpfer Georg Hirth mit seinen „Aufgaben der Kunstphysiologie“ sih hervorgewagt hat. Es sei daran erinnert, da er zujammenfassende Versuch einer psychophyfishen Aesthetik, die fich an Fechner's und Wundt's Untersuchungen anlehnte, bereits im Jahre 1878 in Welljamowiish's Elementen einer psyco- physischen Aesthetik (in russisher Sprache, St. Petersburg) erschienen ist. Aber niht nur im Lande des Nihilismus, sondern auch in der fonnigen Heimath der Kunst, in Jtalien, bricht die naturwissenschaftlihe Betrahtung des Schönen sich Bahn. Paolo Mantegazza's „Physiologie des Schönen“ (in deutsher Uebersezung von Teu)shner unlängst erschienen) wird durch den Nebentitel „Epikur“ zur Genüge gekennzeichnet. Den Arbeiten der deutschen Naturforscher auf dem Gebiete der Acsthetik, wie die Bruchstücke aus der Theorie der bildenden Künste des am 7. Januar verstorbenen Professors Brüe, denen der greise Gelehrte noch kurz vor seinem Tode das

über S Gans 1 ler der menshlihen Gestalt“ hinzufügte, und Hasse's Untersuhungen auf dem Gebiet Aihlologischer Anatomie, schließt sich in diejem Jahre der

Tübinger Professor der Anatomie Wilhelm Henke mit einer Sammlung von „Vorträgen über Plastik, Mimik und Drama“ an, die ältere und neuere Aufsäße über bildende und drama- tische Kunst vereinigt. Professor Dubois-Reymond hat in einer Akademierede dieses Jahres die Beziehungen zwischen Naturwissenshaft und bildender Kunst treffend erortert.

_ Verhôältmßmäßig klein ist die Zahl der Künstler, die über ihre Kunjt shreiben, wie Knkllé: nennenswerth find hier Klinger's „Aphorismen über Malerei und Zeichnung“, die wirtlich neue Gedanken und Anregungen enthalten. Der künjtlerishe Naturalismus unserer Zeit fpriht mehr in Thaten, als in Worten. Selbst in das Gebiet der Ornamentif hält er seinen O: eine Schrift von M. Meßgtger, die unter dem Titel „Zurück zur Natur!“ die Reorganisation des ornamentalen Naturstudiums an gewerblihen und kunstgewerblichen Bildungsanstalten fordert, findet ihre Jllu- stration in den praftishen Bestrebungen Professor Meurer's, die wir an dieser Stelle bereits zu würdigen Gelegenheit hatten. Gelegentlih der neuerdings mit so großem Eifer discutirten Schulreformpläne erhoben sich auch zahlreihe Stimmen, welche die Kunststudien und den kunstgeshichtlihen Unterricht in den Rahmen der Reform hineinbezogen wissen wollen. Jn den Verhandlungen der vierzigsten Verjammlung der Philologen und Schulmänner in Görliß berührte Professor Conze das Thema, soweit es die arhäologishe Schulung der Lehrer anlangt, und in Gymnafsialprogrammen und pädagogischen Zeitschriften wird die Frage immer häufiger und lebhafter erórteri. Das Anschauungsmaterial versuchte A. Baumeister in den „Bilderheften aus dem griechishen und römischen Alter- thum für Schüler“ (München, Oldenbourg) zusammenzustellen, und auch für die neuere Kunstgeschichte bietet die Schulausgabe der fkunsthistorishen Bilderbogen (Leipzig, Scemann) einen [eidlih brauchbaren Handailas, dem sh zahlreihe populäre Darstellungen der allgemeinen Kunstgeschichte als Tert beigesellen.

Was die selbständige wissenshaftlihe Kunstforshung an- langt, so seien hier zunächst die sih von Jahr zu Jahr mehrenden Materialsammlungen, wie sie in Zeitschriften, Jnven- taren und Ka talogen vorliegen, erwähnt. Unter den in leßter Zeit gegründeten Zeitschriften nahmen das italienische Archivio storico dell’ arte, dessen Bestehen vor zwei Jahren gefährdet ersien, sowie die in Köln herausgegebene „Zeitschrift für christlihe Kunst“ und das vorzugsweise der modernen Kunst gewidmete „Atelier“, das im Oftober seinen zweiten Jahrgang begann, rüstigen Fort- gang. Eine Veränderung steht dagegen, wie wir horen, den beiden in Wien redigirien Blättern „Zeit- schrift für bildende Kunst“ und „Chronik für ver- vielfältigende Kunst“ demnächst bevor. Die französischen Kunstzeitschriften haben in einer sechsmal im Jahre erjcheinen- den Revue „[L’Amatenr“ einen neuen erfreulihen Zuwachs erhalten, während die trefflihen holländishen Publicationen, Oud-Holland und Archief voor nederlandsche Kunst- geschiednis, einen ernsten Fampf um ihre Eristenz führen müssen, in welhem die leztgenannte Zeitschrift bereits erlegen ist. Die Benußung der älteren Jahrgänge des „Zahrbuchs der Königlih preußishen Kunst- sammlungen“ wurde durch die Herausgabe eines Sachregisters der ersten zehn Bände wesentlih erleih- tert. Schließlich sei hier noch einer neu ins Leben Ferenen Zeitschrift, der „Neuen Heidelberger Jahr-

ücher“, gedaht, welhe neben historishen und literarishen Beiträgen auch beachtenswerthe kunstgeschichtlihe Aufsäße zu bringen verspricht. f

__ Die Jnventarisation der Kunstdenkmäler Deutschlands wird eifrig fortgeseßt; das Großherzogthum Hessen hat sich neuerdings diesem Unternehmen angeschlossen, in der Rheinprovinz ist ein gy man Kunitgelehrter P. Clemen mit der Herausgabe eines Verzeichnisses der Kunstdenkmäler beauftragt, von welhem bereits zwei Hefte vorliegen. Auch in Bayern ist man eifrig an der Arbeit. An dieser Stelle mag auhch das im Auftrage des österreichishen Cultus- Ministeriums herausgegebene „Handbuch der Kunstpflege in Desterreih“ genannt sein.

Unter den neu erschienenen wissenschaftlihen Katalogen bedeutenderer Kunstsammlungen find bemerkenswerth derjenige der Herzoglihen Gemälde-Galerie zu Gotha von Alden- hoven, der Großherzoglihen Sammlung zu Oldenburg sowie das beschreibende Verzeichniß der neu gegründeten städtishen Gemäldesammlung Straßburgs von Hubert Janitschek. Das städtishe Museum zu Leipzig hat seinen Geschichtsschreiber in J. Vogel gefunden, dessen Publication besonders durch den Reichthum der Ausstattung auffällt. Sehr verdienstlich sind - die Studien Th. Frimmel's über den Gemäldebefig kleinerer deutsher Galerien sowie die kritishe Besprehung der italienishen Bilder in deutshem Privatbesiß, welhe F. Harck im Archivio storico dell’ arte erscheinen ließ. Von Katalogen auswärtiger Sammlungen erhebt das Verzeihniß der Antiken Roms von F. Helbig, sowie das Verzeihniß der Handzeihnungs-Samm- lung der Uffizien von Ferri berehtigten Anspruch auf das Interesse der Fachleute. Von Wicckhoff, dem wir bereits einen fkritishen -Handzeichnungskatalog der Alber- tina in Wien verdanken, steht ein noch schärfer gesichtetes Verzeichniß der Florentiner Zeichnungen in Aussicht.

Von den historishen Darstellungen der Kunstentwickelun und den dazu gehörigen Einzelforshungen wollen wir zunäch die wichtigsten Erscheinungen der Archäologie im Jahre 1891 aufzählen. Ein kürzeres Handbuch der Archäologie ist in London erschienen: Ely, Mannal of archaeology, währendMurray's verdienstlihe „History of Greek Sculpture“ eine neue ver- besserte Auflage erfahren hat. S. Reinach’'s „Chroniques d’Orient“ folgen allen neueren Ereignissen im Gebiet der Archäologie mit großer Umsicht und Sachkenntniß. Von den großen archäolögishen Publicationen find die im Auftrage des Nas preußishen Cultus - Ministeriums her egebenen „Alterthümer von Pergamon“ durh die röffentlihung der Jnschriften von Perg (8. Band I. Hälfte) gefördert worden, während der vierte Band der großen Olympia-Publication die Be-