1892 / 16 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 19 Jan 1892 18:00:01 GMT) scan diff

15 000 Æ, einen fehr lebendigen Briefverkehr habe, beziehe nur 910 A Gehalt dafür. Wenn der Staatssecretär nach dieser Richtung hin eine Verbesserung eintreten lassen wollte, - würde er die Unterstüßung seiner Partei finden. “Gegenüber den großen Anforde- rungen, die in dèm Familien-, in dem ganzen socialen Leben heran: träten, sei für etwas, was zur Befriedigung des Gemüths- und Familienlebens diene, keine Ausgabe zu groß.

Staatssecretär Dr. von Stephan:

Meine Herren! Jh würdige ja vollkommen die Gesichtspunkte, aus denen der verehrte Herr Vorredner seine Wünsche vorgebracht, beziehungsweise seine Anträge zunächst auf mündlihem Wege an meine Adresse gestellt hat. Wenn er aber gesagt hat, es würden Alle ganz befriedigt sein, wenn wir diese Einschränkungen in dem Sonntagsdienst eintreten lassen, so glaube ih, war das doch eine etwas einseitige Auffassung oder doch eine etvas einseitige Ausdrucks- weise. Denn wenn Sie die große Mehrzahl derjenigen fragen würden und fragen könnten, wenn Sie dazu im stande wären, die beim Sonntagsdienst betheiligt sind beziebungsweise bei der Fort- seßung des Verkehrs an Sonntag - Akenden namentlih, so würden Sie, glaube ih, wahrscheinlich zu einem ganz anderen Resultat kommen. Uebrigens würde die Postverwaltung ihrerseits sehr gern bereit sein, auf diese Ansichten einzugehen von dem Augen- blick an, wo es dem geehrten Herrn Vorredner gelingt, durchzusetzen, ‘daß an Sonntag-Abenden überhaupt keine Eisenbahnzüge nah der ‘ganzen Welt von Berlin abgehen, nah Königsberg so gut wie nach London, nah Konstantinopel so gut wie nah Paris dann würden wir im Stande sein, die Schalter von 5 bis 7 Uhr geschlossen zu halten. Er hat gesprohen von den ankommenden Zügen; die kommen

Abends überhaupt nicht in Betracht, die find Morgens. Aber, meine

Herren, die abgehenden, um die handelt es sich. Es würde der Ver- fehr mit der ganzen Welt unterbunden werden, und wie gesagt, die Postverwaltung fühlt sih vollständig außer Stande, so lange die großen Züge Abends hier abgehen, den Verkehr vollständig zu unterbinden.

Der zweite Punkt, den er mit dem Charfreitag zur Sprache gebracht hat, ist auh ein folcher, in welchem die Postverwaltung allein beim allerbesten Willen die Sache i mir persönlich äußerst sympathisch mit dem Charfreitag niht vorgehen, nichts erreichen kann. Dem geehrten Herrn Abgeordneten Menzer, den ih neben dem Herrn Vorredner habe stehen sehen, ist {hon vor Jahren vorgehalten worden, daß die Postverwaltung sih nach den landesgeseßlich geregelten Festtagen mit ihrem Dienst richten muß. In Baden is der Char- freitag nit als ein solcher angesehen, der landesgeseßliher Festtag ist, und es ist damals schon darauf hingewiesen worden, daß der Herr Abgeordnete bei der badischen Landesvertretung und Landesregierung einséßen möchte, um diesem Zustande Abhilfe zu schaffen. Ist das geschehen, gut, so bin ih der Erste, der im Interesse der Beamten vad namentlich im religiöfen Interesse deu Dienst am Charfreitag beschränken würde.

Es fommt dann der dritte Punkt er is mir auch fehr sympathish —, den der gechrte Herr Vorredner angeregt hat, die Gehälter einer Klasse von Beamten zu erhöhen. Mir ist eine Erhöhung über- haupt sympathish. Ich, wenn es keinen Finanz-Minister auf der Welt gäbe und keinen Bundesrath und Reichstag, ih erhöhte am liebsten sämmtliche Klassen, das können Sie mir aufs Wort glauben: dazu brauche ih keine Anregung von irgend einer Seite, sei sie cu noch so hochachtbar und mild und gutgesinnt, wahrlih niht! Es kommt aber dabei noch in Betracht, daß die Poslagenten, für die ih das größte Wohlwollen hege, im vorigen Etat erst erhöht worden sind. Das scheint in der Eingabe vershwiegen zu sein, wie es ja öfter vorkommt, daß die guten Seiten vershwiegen und bloß die Wünsche zur Sprache gebracht werden, die sie hegen. Daß Gehalts- erhöhungen das Gemüthsleben und das Geistesleben fördern würden, wie der Herr Vorredner seine Ausführungen geschlossen hat, mag doch dahingestellt sein. Jch glaube, daß das Gemüthsleben und das Geisteéleben von ganz anderen Quellen abhängig ist, als von äußeren materiellen Gütern; es ist vielmehr abhängig von der inneren Zu- friedenheit des Menschen, die die Ursache des wahren Glüs ist, und ‘der wahren Harmonie seiner verschiedenen Gemüthsseiten. Die Zu- ‘Tagen, die im vorigen Etat bewilligt worden sind, haben allein bei ‘der Neichs-Postverwaltung 114 Millionen jährlih beträgen. Darunter leiden wir heute noch und unsere Finanzen und unsere Abschlüsse ‘tehen keineswegs so günstig, daß sie etwa weitere Ansprüche nach dieser Richtung hin befriedigen könnten. Im Gegentheil, wir werden jahrelang daxan zu tragen haber, bis wir wieder auf die Höhe unserer früheren Uebershüsse kommen und daran denken können, die Verkehrseinrihtungen auf dem Lande, namcntlich auf dem platten Lande weiter auszudehnen. Ich bin sehr damit ein- verstanden und habe mit äußerster Kraft im Reichs-Schaßamt und auh im Bundesrathe mid) dafür verwendet, daß diese Gehälter er- höht würden ; aber die Verwaltung ist für eine ganze Zeit lahm gelegt und wir werden uns bezüglich der Wünsche, die da geäußert werden, wohl in Acht nehmen und die, welche niht so dringend sind, zurück- stellen müssen, jedenfalls. einstweilen, bis wir uns erholen in unseren Finanzen, namentlih bis die wirthschaftlichen Verhältüisse sih ver- bessern, die im leßten Jahre ziemlich \{chlechte waren, und hierzu scheint mir Aussicht vorhanden zu sein. Dann dürfen Sie überzeugt sein, daß wir auf die Wünsche, die. hier geäußert werden, namentli au in Bezug auf die Postagenten, eingehen werden.

Abg. Bebel (Soc.): Die Besserung der wirthschaftlichen Ver- “hältnisse werde noch lange auf sich warten lassen; ja, die Ver- hältnisse würden f in den nächsten Jahreu noch bedeutend ver- schlechtern. Für ihre Mißlichkeit \prächen auch die in der preußischen “Eisenbahnverwaltung durchgeführten Ersparnisse, von denen jüngst in der Presse die Rede gewesen sei. Aus den ihm zugegangenen

rivatmittheilungen gehe allerdings hervor, daß 18 000 Staats- éamte sich durh Musikmachen einen Nebenverdienst zu verschaffen suchten; er könne die volle Richtigkeit dieser Ziffer nicht vertreten, aber man könne si _doch cinen ungefähren Begriff machen, wenn man lese, daß z. B. in Hannover vicr Capellen aus lauter Beamten zu- samniengeseßt seien, daß in Köln eine Capelle nur aus Postbeamten bestehe, daß in Braunschweig die verschiedenen Verwaltungen in Verordnungen ihren Beamten das Musikmachen als Nebengewerbe verböten, hingegen die Post in dieser Beziehung eine recht weitgehende Latitude zeige. Die fraglihen Capellen seien Abends be-

äftigt; außerdem müßten sie doch auch Proben veranstalten. : E bleibe nun keine andere Zeit als der Sonntag oder die Zeit

u nach Mitternacht. Werde cin allgemeines Verbot , ‘wie es do noth-

wendig sei, erlassen, so werde natürlih unter jenen Beamten der Ruf nah Aufbesserung der Gehälter érschallen. Dieser Umstand sei es vermuthlih auch, der die Postverwaltung veranlaässe, thren Beamten das Musikmachen zu gestatten. Wenn die Postverwaltung ‘exfläre: ein solhes Verbot zu erlassen, heiße die Freiheit der ._* Staatsbürger einschränken, fo \olle sie doch in Sachen der Vercins-

und Verfammlungsfreiheit ebenso streng denken. Was würde sie ¿. B. dazu sagen, wenn sie hôre, ein Beamter wohne einer freisinnigen oder focialdemokratischen Versammlung bei oder trete als Redner

. daselbst auf? Dann wäre von einer Freiheit des Staatsbürgers nicht

mehr die Rede. é

Abg. Dr. Bachem (Centr.): Der Director Dr. Fischer habe ge- sagt, daß diejenigen Postassistenten, die fich activ am Verbande betheiligt hätten, nux dann gemaßregelt würden, wenn sie ihre Lan e Zeit zu Dienstreisen u. st. w. im Interesse des. Verbandes mißbraucht hätten. , Ein Tadel gegen den Verband sei niht aus- gesprochen; ein Verbot, ihm beizutreten, bestche nicht. Daraus entnehme er, daß an und für sich jedem Beamten der Beitritt freistehe, und die erwaltung gegen die Be- strebungen dieses Verbandes nichts einzuwenden habe, (Staatssekretär Dr. von Stephan: D ja!) Warum sage man denn nicht die Gründe, warum man gegen diese Leute so vorgehe, Gründe rechtlicher oder wirthschaftliher Art, warum man diesen Verband nicht haben wolle? Es fei ferner gesagt, pes die Maßregelungen nicht im Wege der Beschwerde an die Reichs-Postverwaltung gekommen [ales Wie sollten sie denn das.? Wenn si an irgend einem Orte ein Verein gebildet habe, so würden eines s{hönen Tages die Em laliezer «im Interesse des Dienstes“ anderswohin “verseßt. ‘Man hüte sich wohl, den Leuten zu sagen, ihr werdet verseßt, weil ihr Mitglieder seid obschon die directen Vorgeseßten ihnen dies bisweilen unter der Hand mitgetheilt hätten! Er wisse von einem Manne, den man nicht disciplinirt habe, dem man gekündigt habe, weil er eben wg nicht fest angestellt gewesen sei die Anstellung erfolge ja gewöhnlich ay nach dreizehn Jahren, dort sei die O angebli wegen Un- gehorsams geschehen. (Director e ischer: Richtig!) Er habe nämlich egen das Perbot eines Postverwalters ein Verbandscirkular versandt ! Wenn aber gegen die Bestrebungen des Verbandes von der Verwaltung nichts einzuwenden sei, so sei es das Necht eines jeden Mitgliedes, für die darin vertretenen Anschauungen zu wirken. Und wenn darin ein dienstlicher Ungehorsam gefunden werde, so sei eben der Grund der Maßregelung die Betheiligung. Aber wenn der Verband nicht ver- boten werden könne und der Staatssecretär sage nicht, daß er ihn verbieten werde —, dann könne die Agitation für den Verband nicht strafbar sein. Zur Frage der Sonntagsruhe sei thm vorgeworfên, er hätte keine besonderen Fälle vorgebracht; das habe er doh_ gethan. Er habe erwähnt, daß ein Beamter nur jeden dreizehnteu Sonntag frei habe, daß ein anderer Jahr aus Jahr ein den ganzen Vormittag Dienst und nur den Nachmittag frei habe, also im ganzen Jahre nicht feiner Pflicht als katholischer Christ na kommen ftönne, den vormittäglichen Gottesdienst zu besuchen. Fr bitte daher den Staatksfecretär, jeßt oder bei einer anderen Gelegenheit einmal die Grundsäße "mitzutheilen, welche er für die Beschäftigung sciner Beamten am Sonntag beachtet wissen wolle. Den Aus- führungen des Abg. Stöcker könme er nur voll und ganz zustimmen. Auch für die Katholiken sei es ein Aergerniß, daß am Sonntag Geld ausgetragen werde, Packete herumgesahren würden. Der Staatssecretär sage: Wir fköunen den ge- sammten Verkehr nicht unterbinden dur) 48 0 am Sonntag Nachmittag. Heute stehe er noch auf diesem Standpunkt; er (Redner) hoffe aber, daß die Verhältnisse ihm bald ermöglichen würden (Staatssecretär Dr. von Stephan: Aha!),

einen anderen Standpunkt einzunehmen. Heute seien die Kaufleute -

im Begriff, einen Schritt voranzuthun zur besseren Heilighaltung des Sonntags. Die Kaufleute seien - die maßgebenden Kunden der Postverwaltung, alle anderen Kreise hätten weniger Interesse. Wenn die Kausleute aber den Verkehr an den Sonntagen beschränkten, so sei jeßt der richtige Augenblick auch für die Postverwaltung, mitzuthun und noch einen Schritt weiter zu gehen, dann würden die Kaufleute auch wieder nahkommen; und shließlich werde sich der Sonntagsdienst so weit beschränken lassen, daß nur das wirk- li Nothwendige übrig bleibe. Es würden si dann auch die Schalter dés Sonntags Nachmittags von 5 bis 7 Uhr {ließen lassen, troß der wichtigen Züge, die des Abends nach allen Weltgegenden von Berlin abgingen. Denn wénn die Kaufleute Sonntags keine Briefe mehr schrieben, so würden sie auh des Abends keine abschickea! Der Staatsfecretär follte nur einmal einen Versuh machen; die Kauf- leute würden ihm nah einer kurzen Uebergangsperiode dankbar sein. So werde auch das Reichs-Gewerbegescß gar niht mehr als Zwang empfunden, sondern weite Kreise hätten seit seinem Erlaß aufgeathmet. Die Bedeutung der Sonntagsruhe für alle Beamten sei eine viel weiter gehende, als sie hier gewürdigt zu werden scheine. Alle diefe Kategorien von Beamten würden dann niht mehr in dem Umfange den umstürzlerislhen Tendenzen zügänglich sein, wie bisher. Er habe das Vertrauen zu der Solidität dieser Beamten, - daß sie blieben, was sie seien, loyale Unterthanen! Sie wüßten, daß sie im Staats- dienste niht reiche Leute würden, aber sie würden für ein aus- kömmliches Gehalt arbeiten bis au ihr Lebensende, und zwar auf dem Grunde der heutigen Staatsverfafsung. Der Sonntag sei für diee Leute der einzige Tag, wo sie für moralische und religiëse Einflüsse zu haben seien. Sonst hätten sie Tag für Tag mit Briefsortirea und Paet- sortiren zu thur; dazwischen läsen sie eine ganze Menge social- demokratisher Flugblätter. Wie könne man aber diesen Bestrebungea entgegenwirken, wenn der einzige Tag fehle, an dem man es könne, der Sonntag? Derselbe Vorwurf sei der Staatseisenbahnverwal- tung in Preußen zu machen; sie werde sih ebenso wie die Post- verwaltung vazu entschließen müssen, die Pflege der moralischen und religiösen Interessen ihrer Beamten in die Hand zu nehmen.

Director imtNeichs-Postamt Dr. Fisch2r: Wenn man nur den Abg. Dr. Bachem hörte und nicht die Verhandlungen kennte, di: seit Jahren in diesem Hause und in der Kommission gepflogen seien, so möchte man glauben, die Postverwaltung habe sich über thre Grundsäße in Bezug auf die Heiligung des Sonntags niemals ausgesprochen. Bereits vor zehn Jahren habe die Postverwaltung als Richtschnur aufgestellt, daß den Postbeamten mindestens der dritte Sonniag ganz frei oder zwei halbe von drei Sonntagen freizugeben seien. Bei jeder Etatsberathung habe sie über die Fortschritte z1 diesem Ziel Mechenschaft gegeben. Dieses Ziel sei heute nahezu erreicht; am 31. März 1891 hatten 99,52 9/6 der Postbeamcen und «Unterbeamten den dritten Sonntag oder zwei halbe von drei Sountagen frei. In der Anerkennung dex Grundsätze, die der Abg. Dr. Bachem in Bezug auf Sonntagsheiligung so lebhaft vorgeführt habe, sei die Verwaltung mit thm vollkommen einig; er habe in seinem Eifer wirkli} Bekehrten gepredigt. Was die Fräge des Postassistenten- Verbandes betreffe, se habe sich der Abg. Dr. Bachem ein Dilemma für die Verwaltung zurectzule en versucht: Entweder Ihr könnt den Verband verbieten, dann thut es; thut Jhr es nicht, dann E Ihr ihn. Ein solches Dilemma erkenne die Verwaltung gar nicht als vorhanden an. Sie habe niemals gesagt, daß sie den Beamten den Beitritt zu dem Postassistenten-Verein verbieten wolle. Wenn man aber daraus den Schluß ziehe: èrgo billigt Ihr, daß Beamte dem Veéreta beitreten, so sei das keineswegs richtig. Die Verwaltung billige das durchaus nicht, und sie habe den Beamten die Gründe dargelegt, gestüßt auf die Erfahrungen, die sie mit A einseitigen Vereins- interessenvertretungen wiederholt gemacht habe. Junge, unerfahrene Männer stellten sich die Ziele, denen sie finanziell niht gewalhsen seien, es würden Beiträge erhoben für e „die N lebensfähig seien, es würden Unterstüßungen verheißen, die man nicht leisten könne. Er habe bereits früher auf die Erfahrungen hingewiesen, die man innerhalb der Verwaltung gemacht habe, und es hieße den Rahmen der Verwaltung viel zu enge begrenzen, “wenn man sie zwingen wollte, über folde Erfahrungen zu schweigen. Sie habe von vornheréin exklärt: Je werde nicht dulden, daß auf Grund solcher Vereinsbestrebungen den dienstlihen Pflichten Abbruch geschehe, daß dienstliche Reisen benußt würden, um den Verein zusammenzuberufen, in etner Zeit, die der E bleiben müsse, wie bei Eisenbahnreisen, und fe sei eingeschritten, wo cin folher Mißbrauch agitatorischer Art stattgefunden habe. Das sei thr gutes Recht, und fie d bereit, für jeden einzelnen Schritt hier Male zu geben, im Beschwerdewege den Beamten.

Abg. Richter (dfr.): Er balte das Verfahren der Postverwaltung

gegenüber dem Verbande auh nicht für gerechtfertigt. Es: würde uicht

so gehässig wirken, wenn sie den Verein verböte, als hinteunherunr einen thatsächlich zugelassenen Verein unmöglich zu machen. Jeßt | age nun der Commissar: Wir wollen die jungen Leute verhindern, weitgehende finanzielle Engagements zu übernehmen, denen sie nicht ewaBien sind. Das hóre man zum ersten Male. Auch die Post- eamten könnten keinen Lebensversicherungsverein gründen, ohne daß die Staatsregierung diesen Verein vorher genehmigt, auf seine Leistungsfähigkeit und seine rihtigen Grundlagen geprüft habe. Man könne also ruhig den FURIO anes die Sorge überlassen und brauche niht von Retgvegen die Betheiligung an einer Versicherung zu verhindern. as die Musikerfrage betreffe, so habe er früher ähnlihe Beschwerden vorgebracht, wie der Abg. Bebel. Er meine, daß die Frage allgemein behandelt werden müsse. Das sei noch wichtiger für die Justizverwaltung als für die Postverwaltung. Wenn man überhaupt eine gewerblihe Thätig- keit neben der Beamtenthätigkeit zulasse, so könne man an sih nit verbieten, daß die Beamten des Abends Musik machten. Die Quelle der Uebelstände ese in den Militärcapellen, in der künstlichen Verméhrung der Musiker durch die Maßnahmen der Militärver- waltung. Die Capellen und mit ihnen die Zahl der Musiker sei er- heblich vermehrt worden, und sobald der Musiker nicht mehr felddienst- fähig sei und aus dem Militärverbande aussheide und in der Sultis oder der Post thätig werde, so werde er naturgemäß, was er früher beim Militär gelernt habe, in den arien fortseßen. Daran würde auch nichts geändert, wenn das Gehalt dieser Beamten um 10 oder 20% erhöht werde. Mit dem Gedanken einer hinreichenden Sonntagsruhe für die Beamten an sich sympathisire er durchaus, ohne daß er sich etwas besonders Christliches darauf einbilde; er habe auch im preußischen Ab- aue in dieser Nichtung eine Enquête für die Eisenbahn- camtenz vorgeschlagen. Aber wenn man diese Frage so übertreibe und zuspiße, wie der Abg. Stöcker, dann müsse man zuleßt auch verlangen, daß die Geistlichen aufhörten, ihrem Beruf am Sonntag Mae „denn die Geistlichen tauften, trauten am Sonntag und begleiteten die Begräbnisse, und diese häufigen Hochzeiten, Begräb- nisse und Taufen hätten eine große Menge materieller Dinge im Gefolge, die nur am Sonntag von der Post besorgt würden. olle man etwa die Post verhindern, einen Kranz, der erst am Sonnabend habe auf die Post gegeben werden können, zu bestellen? Er theile auh nicht die Ansicht, daß es gewissermaßen ein Aergerniß sei, wenn jemand am Sonntag Geld bekomme. Soweit eine Ein- schränkung des Verkehrs stattfinde, werde von selbst auch eine Ein- füräufing des Postdienstes eintreten. Eine wirklich rationelle Re- gelung der Sonntagsruhe würde eintreten, wenn es mögli wäre, die Postangelegenhetten {hon am Vormittag zu erledigen. Anderer- seits seien Soldaten, Dienstboten und andere kleine Leute nur am Sonntag in der Lage, Briefe zu s{hreiben und zur Post zu geben. Es wäre gut, wenn dem Reichstag eine Statistik darüber gegeben würde, z. B. in welchem Umfange die Bestimmung gelte, daß der- jenige Beamte, der an einem Sonntage beschäftigt werden müsse, an gewissen anderen Tagen dafür frei habe. Auf Grund solcher Statistiken könnte man leichter zu praktischen Vorschlägen gelangen. __ Abg. Ulrich (Soc.): Wenn D Nei sich zauch wirklich Mühe gebe, die materielle Lage ihrer Beamten zu verbessern, so thue sie dies nur, weil sie fürchte, sie würden sonst in das Lager der Socialdemokraten übecgehen, wie es ja thatsächlih auh der Fall sei. Was die Sonntagsruhe anbetreffe, für die seine Partei natürlich voll und ganz eintrete, so meine er, könne es der Verwaltung E gültig sein und den Beamten überlassen bleiben, ob sie in die Kirche gingen oder in eine socialdemokratische Versammlung. Jn Betreff des Heitungsverkehrs der Post scheine {hon seit einiger Zeit die Ab- sicht zu bestehen, ihn einzuschränken; fo sei in Belen die Verfügung erlassen, daß Ueberweisungén an einzelne Personen überhaupt nicht, sondern nux an Redactionen gestattet sein sollten, und hier auh auf 10% der Postabonneuten beschränkt. Doch, glaube er, werde hierbei ein Unterschied zwischen socialdemokratischen und Amtsblättern gemacht, und werde die Praxis auch bei den ein- zelnen Postanstalten verschieden gehandhabt. Die Post müßte 1 Alle Pat Recht walten lassen und den Verkehr nah Möglichkeit erleichtern. Abg. Samhammer (dfr.) tadelt, daß gerade bei kleineren Postämtern während der Weihnachtszeit das Geld ausgehe, fo daß die Auszahlungen sich unliebsam verzögerten.

Damit schließt die O die Einnahmen werden bewilligt, ebenso der größte Theil der Ausgaben ohne Be-

sprechung.

Bei den Ausgaben für die Landbriefträger bittet

Abg. Singer (Soc.), die traurige Lage der Landbriefträger, vieser Parias- im Postdienst, zu verbessern; ihnen würden Aufgaben zugemuthet, die kein Mensch erfüllen könne. So sei ihm ein Fall aus MNosenberg berichtet worden, wo ein Landbriefträger täglich 45 km zurüczulegen habe und Packete nicht aus der nächstgelegenen Post- agentur, sondern aus dem 9 km weiter entfernten Postamte be- fördert werden müßten. Von Sountagsruhe könne man in vielen

ällen überhaupt nicht sprehen. Diesen Leuten müsse bei ihrem hweren Dienst bald eine Vergünstigung zu Theil werden. Nachdem sie sechs bis acht Jahre Dienst geleistet, ‘würden sie untauglich und fielen dem Pensionsfonds zur Last. O .

Director im Neichs-Postamt Dr. Fischer: Das vom Abg. Singer entworfene Bild entspreche der Wirklichkeit in keiner Weise. In: den Zabhbren 1880 bis 1891 sei eine Reform des Landbestellwesens vor- genommen worden, die sih als wesentliche As der Landbrief- träger darstelle. Die Durchschnittsleistung eines Landbriefträgers seien 22 km täglich das sei niht zu viel, dabei hätten die Leute niemals Nachtdienst, und die Sonntagsruhe genössen sie, wie alle andere Beamten. Den Mann, der täglich 45 km gehen müsse, bitte er, ihm doch namhaft zu machen, die Verwaltung werde sofort Nemedur eintreten lassen. - Das Urtheil, das der Abg. Singer über die Stellung der Landbriefträger ausgesprochen habe, indem er sie_als Parias bezeichnet, beruhe auf einer einseitigen unrichtigen Dar- stellung. Er (Redner) habe oft Gelegenheit, die Landbriefträger bei threin Ausmarsch zu sehen und freue sih immer, zu schen, wie die jungen frishen Leute ihren Stock in die Hand nähmen und mit ihrem Tornister abgingen. Dieser Dienst fei der Gesundheit sehr zuträglidh), und wenn es einmal nicht der Fall sein Ee so komme der Vetreffende in den inneren Dienst, wie denn überhaupt der Land- Lee nux ein Uebergangsposten für den inneren Dienst

ilde.

Abg. Singer (Soc.): Er habe nur die ihm wahrheitsmäßig erscheinenden Mittheilungen zur Kenntniß bringen wollen, weil er ketnen anderen Weg wisse, um solche Dinge an der richtigen Stelle zur Sprache zu bringen. Eine Kritik habe er daran nicht Li Wenn die Maximalleistung 22 km betrage . . (Durchschnittlich!), also was nüße es, wenn 22 km die Durchschnittsleistung seien, dann dem, der 30 oder 40 km zu machen habe, a ein Anderer nur 10 bis 16 km mache? Welches sei denn die höchste Leistung ‘der Landbrief- träger? Vielleicht werde gegen die Meinung der Centralverwaltung von einem einzelnen Vorgeseßten. ein größerer Anspruch erhoben. Wer habe denu das Maß der Arbeit \zu bestimmen? Bestehe eine allge- meine Verfügung oder werde das von jedem Postamt besonders an- geordnet ? E

Abg. Freiherr von Dietrich (b. k. p hat auch davon ge- hört, daß die Landbriefträger, noch dazu auf gebirgigen Wegen, mehr als 40 km zurücklegen müßten. , S /

Director im Reichspostamt Dr. Fischer: Die 44 km seien wahr- scheinlih bei einem Landbriefträger vorgekommen, der mit -.einem Wagen fahre. Wo eine N Strecke wirklih zu- Fuß gegangen werden müsse, bitte er, sofort der Centralbehörde Anzeige zu madhen, es werde dann fogleih Remedur eintreten. 8

Abg. Freiherr von Dietrich (b. k. F.): Er sei überzeugt, daß die Centiralstelle so große Leistungen nicht verlange, aber von den einzelnen Postvorständen würden sie verlangt; in dem Fall, von

dem er gesprochen habe, handele es sich um mehr als 40 km, die zu Fuß hätten zurückgelegt werden müssen.

Abg. Hinze (dfr.):. Es wäre wünschenswerth, [wenn man dem Reichstage das Maximalmaß angeben könnte, das der Durchschnitts- berechnung der Leistungen der Landbriefträger zu Grunde liege. Man Tomme ganz unwillkürlich auf einen Vergleih mit den Leistungen, die den Soldaten auf dem Marsche zugemuthet würden. Das Durchschnittsmaß der Leistung für den bepackten Infanteristen betrage täglih 21—22 km, dazu fei nach den geen Vorschriften in der militärischen Ordnung. der vierte Tag ein Nuhetag. Der mit Gepäck marschirende einzelne Mann habe allerdings weniger An- strengung zu leisten als in geschlossener Kolonne, dennoch halte er ein Maß von 30 km für das Höchste, was ein Landbriefträger leisten könne, wenn er am nächsten Tage dieselbe Leistung voll- führen solle. Er würde den Vertretern des T SA e dankbar sein, wenn sie schon jeßt pen könnten, ob das Maß von 30 km bei den Landbriesträgern jeßt überschritten werde.

Staaissecretär Dr. von Stephan: Ich bin gern bereit, die leßbtgestellte Anfrage zu beantworten. Zuerst möchte ih aber noch im Anschlusse an das, was der Com-

missar der verbündeten Regierungen bereits gesagt hat, die Bitte

wiederholen, uns den Ort zu nennen, wo- die 44 km vorkommen follen. Jch bestreite es, daß das vorkommt, ih halte es für ganz un- möglich, schon einfa aus dem Grunde, weil es physish unmöglich ist, daß ein Mann täglich 6 Meilen, Tag für Tag, zurücklegen könnte. Vielleicht stechen sie auf dem Papier ; daß er diese Kilometer aber in Wirklichkeit nicht zurücklegt, dafür spricht mir die menschliche Natur; da können Sie Riesen anstellen, die werden es niht machen.

Ganz einverstanden bin ih mit dem, was der Herr Abg. Hinte gesagt hat: Sie wollen also das Normalmaß wissen? Das haben wir auch niht nah Zahlen uud können es nicht haben wegen der Verschiedenheit des Maßes der Tagesleistung. Jn Gebirgsgegenden ist es ein ganz anderes als in der Gbene, auf Chausseen ein völlig anderes als in weihen Aeckern und auf zerfahrenen Geleisen in Gegenden, wo Zukerrübenfabriken sind, wo die Wege außerordentlich {let sind, wo- Bergwerke, z. B. Kalibergwerke sind u. \. w., da ist das Maß überall ein verschicdenes. Das Normalmaß , was wir haben, deckt sich genau mit dem, was der Herr Abg. Hinte gesagt hat, es ist die Leistung cines kräftigen Mannes, wenn er sie täglih ausführen foll. Wie weit die gehen kann, und das ist das Maximum sind 30 km. Nun glaube ih nicht, daß die Fälle im Deutschen Reih häufig vorkommen werden, wo dieses Maß über- {ritten wird, wohl aber wo es unterschritten wird. Sie schen näm- li, daß der Durchschnittésat, den der Herr Commissarius angegeben hat, 22 km ist. Wenn ein Landbriefträger 45, cin anderer 44 km zurücklegt, so fann aber der Dur(hshhnitt uicht bestehen, es muß eine ganze Anzahkl’ geben, die null Kilemeter, ja sogar minus Kilometer znrücklegen. (Heiterkeit.)

Das ist mathematisch klar. Meine Herren, es ist so viel für den Stand der Landbriefträger geschehen, daß es mir ganz -uncrfindlich ist, wie dicse Klagen hier haben vorgebraht werden können. Es sind seit zehn. Jahren alle Jahre Zulagen für die Landbriefträger im Etat aus- gebraht worden, und der Bundeêrath und der Reichêtag haben mit großem Wohlwollen diese « Zulagen jährlichß bewilligt. In dem leßten Etat bei der großen Zulage sind sogar 120 4 für jede Stellc ausgebracht worden.

__ Daß der Dienst nicht so {wer is im Gegensaßze zu dem, was der Herr Abg. Singer gesagt hat, geht ja daraus hervor, daß ein sehr grofer Andrang zu den Stellen vorhanden is (fehr richtig! Lachen links) jà, meine Herren, die Thatsache können Sie doch nicht bestreite", daß ein großer Audrang da ist, also daß sich meistens viele junge Leute dazu melden, auch in der Auésicht, taß sie nachher, wie {on erwähnt worden ist, in die Briefträgerstellen einrücken. Daß “diè Bewegung - in freier Luft besser ist als der Dienst. im Zimmer, namentlih wo so viel Nachtdienst damit verbunden ist, und der ‘s{hwierige Dienst der Perronboten bei uns, der Pater, dic avf den Bahnhöfen den Nachtdienst zu thun haben, in dem Zugwind bei Sturm und Schnee, während der Landbriefträger ruhig in seinem Bett {chläft, das ist ganz unzweifelhaft. Wir hatten früher 10 000 Postanstalten, und jeßt haben wir 22 000. Dadurch sind natürlich die Landbrief-Bestellbezirke ganz außerordentli verringert .und ver- Tleinert worden. Wir hatten vor dem Beginn der großen Reform 12 000 Landbriefträger, jeßt 25 000, die Zahl ist also mehr wie verdoppelt worden. Wie kann denn da die Nede sein von solchen Leistungen, die gegen die menschlihe Natur wären? Davon ift abfolut keine Nede, und ih bin der (einung, daß gerade für diese Beamtenklasse nicht der geringste Anlaß zu Be- {werden vorliegt, und so sehr ih sympathisire mit allen Bedrängs- nissen unserer Beamten, und fo ehrlich ich jederzeit bereit bin, ihnen Abhilfe zu verschaffen, fo muß ih do sagen, ih finde das unerhört, daß diese Klasse, für die so viel gethan ist, noch mit Beschwerden an die Neichstags-Abgeordneten herantritt nud sie damit behelligt, ohne Beweise für die Wahrheit beizubringen. Die ganze Discussion hat fi jeßt seit ciner halben Stunde um das Wörtlein wenn gedrceht : „wenn das richtig ist“, „wenn das wahr ist“, „wenn diese Vor- ausseßungen zutreffen“. Ja, Philipp von Macedonien schrieb einmal an die Sparlaner: Wenn ih nah Lacedaemon fomme, so werde ih sengen und brennen; und die Spartaner antworteten ihm einfach: „wenn!“ (Heiterkeit.) Diese Antwort is hier ebenfalls am Plat. ,__ Vei den Vergütungen an die Eisenba nunternehmungen für Beförderung der zahlungspflichtigen Postgüter weist

Abg. Schrader (dfr.) auf das F Deuts g E Hebung des Postverkelcs nid Ven Srient i Se R be: ben Piräus wäre ebenfo vortheilhaft wie der über Saloniki. Eine Ueber- leitung der Post auf den vollständigen Landwea wäre ja möglich wenn die bereits begonnene Bahn durh Kleinasien fertiggestellt sei. Aber da vor zehn bis zwölf Jahren darauf nicht zu rechnen sei, folle die Postverwaltung diesen Zeitpunkt nicht abwarten, ondern \chon

jeßt nah einer für Deutschland möglic#| günstigen Route fix Sts Dricntponi bemüht sein. sigen. Route für dié Der Titel wird bewilligt. Bei den Ausgaben an Miethe für Geschäftsrä Post macht | f schäftsräume der vg. Dr. Gndemaun (nl.) darauf aufmerksam, daß für die Cassel mit ihren 72000 Einwohnern und einex lib eir bie um 2000 Einwohier nicht mehr das Haupt-Postamt und das Postamt auf dem Bahnhof ausreichten, wünscht für Cassel und ebenso auch tell _Lracrburg die Errichtung neuer Postanstalten und bittet, bei Auf- ste ang des. nächsten Etats dies berüsichtigen zu wollen. _Staatssecretär Dr. von Stephan: / Ich begreife die von dem Herrn Abgeordneten ausgeführten Lünsche vollklommen und halte sie au), zum theil wenigstens, für

berechtigt. Wir werden im Laufe des Etatsjahres die Sachen in Er-

wägung nehmen. Sie sind mir in Cassel sowohl wie in Marburg

«genau bekannt, und wenn die Finanzmistände fo liegen sollten, daß

wir bis zum nächsten Jahre in der Lage sind, beide Anstalten, oder wenigstens vorläufig eine, in den Etat einzustellen, so wird uns das mit großer Befriedigung erfüllen.

Der Titel wird bewilligt. Z

Bei der Ausgabeposition für die von der Post zu leistenden Entschädigungen für die Verluste infolge von Veruntreuungen durch Beamte bemerkt der

Berichterstatter Abg. Dr. Buhl (nl.): Gestüßt auf Mitthei- lungen der Zeitungen, seien Zweifel an der Integrität der Post- beamten hervorgetreten. Der Regierungs-Commissar habe aber an der Hand aktenmäßigen Materials nachgewiesen, daß bei den großen Summen, die durch die Hände der Postbeamten gingen, - und bei der Leichtigkeit, Veruntreuungen zu verüben, die Anzahl der wirkli vor- neues Unterschlagungen und Verluste eine sehr geringe sei. So )abe bei cinem Umsaß von 1900 Millionen Mark im Jahre 1890 die Summe, welche veruntreut worden sei, nur 82 000 Æ betragen. Auch sonst zeige die Statistik eine stetige Abnahme der von den Postbeamten begangenen Veruntreuungen.

Der Titel wird bewilligt, ebenso der Rest des Ordinariums.

Schluß 51/4 Uhr.

Aus dem Staatshaushalts- Etat für 1892/93.

, Der Etat des Ministeriums für Haudel und Gewerbe sett bei der Abtheilung für Handel und Gewerbe, bei der auch der Etat des Ministeriums eingestellt ist, die Einnahmen auf 1 656 997 M, 242 381 M. höher als im Vorjahre, an. An Mehreinnahmen kommen auf die Gewerbe-Inspection 107 000 4, auf die Baugewerksculen zu Nienburg, Posen und Königsberg i. Pr. 25 000 4, auf die Aichungs-

| ämter 11 401 4, auf die Porzellan-Manufactur 94 600 (6 und auf die

Musterbleiche in Sohlingen 1723 46, Die dauernden Ausgaben belaufen sich im ganzen auf 5 731 230 4, 451 663 M mehr als im Vorjahre. Unter den Mehrausgaben befinden sich 21320 A für die neu zu errichtenden Stellen für einen vortragenden Rath, einen Registrator und drei Kanzleifecretäre bei dem Ministerium, 2500 4 für einen infolge der raschen Entwikelung der von der Geeste aus betriebenen Hochseefischerei in Geestemünde anzustellenden zweiten Hafenmeister, sowie 147 570 M. zur weiteren Ausführung der im Etat für 1891/92 bereits vorgesehenen weiteren Regelung der Gewerbe - Inspection, und zwar entsallen hiervon auf drei neu anzustellende Regierungs-Gewerberäthe und 18 Gewerbe-Inspectoren 100 620 6 und auf die Nemunerirung der nicht fest angestellten Beamten 46 950 A Für das gewcrbliche Unterrichtswesen sind 106 878 mehr ausgeworfen, davon 9394 M. für die Baugewerkschule zu Posen, 4850 4. für die Baugewerkschule zu Königsberg i. Pr. und 10615 4 für die Kunstgewerbc- und Hand- werkershule zu Magdeburg. Für die Königliche Porzellan-Manufactur sind 982 840 4 eingestellt, 75 140 mehr als im Vorjahre. Von diesem Mehr entfallen 41 640 46 auf den Fonds für die Betricbs- kosten, 25 400 6. auf Materialien und Utensilien und 8000 4 auf die Unterhaltung der Gebäude. Die einmaligen und außer- ordentlichen Ausgaben stellen sich auf 265700 1%, 142100 M höher als im Vorjahre, wovon 150000 4 als erste Nate für die Errichtung cines Dienstwohngebäudes für den Minister für Handel und Gewerbe auf dem fiscalishen Grundstücke Königgräßerstraf:e Nr. 123 und 123A, 35 000 als Schlußrate für die Errichtung eines Dienstgebäudes für das Aichungsamt in Magdeburg, 10 000 4 als erste Nate zur Beschaffung von Lehrmitteln und einer kleinen Bibliothek für die Baugewerkshule in Königsberg i. Pr., 100 000 als erste Nate zur Errichtung eines besonderen Gebäudes für die Färberei- und Appretur-Abtheilung der Webeschule in Krefeld, 20000 A. als erste Nate zur Ausrüstung der Webeschule in Reichenbach und 17 600 46 zur Abhaltung vonCursea für Zeichenlehrer an gewerblichen Fort- bildungsschulen. Bei der Berg-, Hütten- und Salinenvertvaltung sind_ dic Einnahmen aus den Bergwerken auf 102 596 340 M, 6 525 490 A] höher als in 1891/92 ges{häßt. Die Mehreinnahme be- ruht darauf, daß der Verkaufspreis der Saarbrücker Steinkohlen, der für die Gestaltung des Etats bedeutsam ist, auf 10,2 MÆ, um 0,50 6 für die Tonne höher, bemessen werden{konnte als im Vorjahre. Er entspricht annähernd dem Preisstande, wie ex sich aus den Bertragsabschlüssen für das erste Halbjahr 1892 ergeben wird. Die Absaßmenge der Saarbrücker Werke i um 181 620 t höher als im vorigen Etat, nämlich auf 6 018 000 t veranschlagt wordepo. Für die Königsgrube und Königin Luise-Grube in Oberschlesien konnten ebenfalls höhere Ver- kaufépreise und für die erstere auch eine größere Absatzmenge angenommen werden. Das Steinkohlenbergwerk bei Wettin wird 1892/93 nach er- folgtem Abbau der Lagerstätte eingestellt werden. Auch bei dem Vlei- und Silbererzberghau konnte für den Obexrharz eine um 283 710 f höhere Einnahme veranschlagt werden. Die Einnahme aus den Hütten ist mit 25 225 930 1, 1 644 830 / niedriger als im vorigen Etat, die aus den Salzwerken mit 7 190 130 A, 91160 M niedriger, die aus Werften, welche mit anderen Staaten gemeinschaftlich betrieben werden, wit 4 668 132 1, 108 920 niedriger, die aus den Badeanstalten mit 236 140 , 4810 :16 höher, und die übrigen Ein- nahmen auf 7272 360 16, 1969 520 M. höher, augeseßt worden. Die leßtgenannte Mehreinnahme kommt fast allein auf die Bergwerk- abgaben und Steuern nach dem Geseß vom 20. Oktober 1862. Die gesammten Cinnahmen stellen sich fomit auf 146 714522 \, oder um 6654910 4 höher als in 1891/99. Die dauernden Ausgaben betragen 124 537 854 6, 5 552 876 16 mehr, die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben 1 399 102 4, 11 102 6. mehr, sodaß fich die (Sesammtsumme der Ausgaben auf 125 936 956 16, 5 563973 4 höher als im Vorjahre, stellt und fomit ein Uebershuß von 20777 560 M, 1090932 6 mehr als in 1891/92, verbleibt. Den veranschlagten Mehreinnahmen gegenüber konnten bei den Bergwerken erhebli )2 Mehrausgaben nicht vermieden werden, fo stellen sih die Betriebs- löhne, Gratificationen u. \. w. um 4 308 590 , die Betriebsmaterialien und Utensilien um 1 840 480 4, die Abgaben, Grundentschädigungen und Landerwerb um 201 876 4, die Unterhaltung der Gebäude, Wege und Betriebsanlagen um 299 960 46, und die Zuschüsse zu Knappschaftska sen, Pensionen Ausgaben auf Grund des Haftpflicht- und Unfallver iherung8geseßes und des Invaliditäts- und Alters- versicherung8ge}eßes u. |. w. um 505 186 s höher als im Vorjahre. Bel den Hütten dagegen ist es mögli gewesen infolge des geringeren Preises für die anzukaufenden Schmelzgüter und bei den Salzwerken aus Aulaß des in regelmäßigere Bahnen: zurückehrenden unterirdischen Betriebes des Staßfurter Werkes Minderausgaben in Aussicht zu nehmen. Bei der stetig zunehmenden Betriebs- und Geschäfts- erweiterung der Staätsw. rke war es auch nothwendig, auf die Grün- dung von 24 neuen Stellen, nämlih für 3 Betriebs-Inspectoren, 2 Gruben-Markscheider, 2 Factoren, 5 R ter, und 12 obere Werksbeamte, Bedacht zu nehmen. Für das ber-Bergamt zn Halle mußte ene neue Kanzlistenstede und für das Bergrevier Süd-Gelsen- lirhen ‘eine Stôèlle für einen Revierdiätar vorgesehen werden. Ferner follen- den Bergrevierbeamten, und zwar besonders denjenigen, welche zu Vorsitzenden von Kammern von Gewerbegerihten in Aussicht enommen sind, zu ihrer Entlastung ständige etatsmäßige Bureau- beamte beigegeben werden, und sind zunächst 20 derartige Stellen in den Ctat eingestellt worden. Unter den einmaligen und Ae Ausgaben befinden sich wie im Vorjahr 150 000 46 außerordentlicher Zuschuß zur Ausführung von Bohrarbeiten; zum Ankauf von Grundstücken im Interesse der Königin Luise-Grube als zweite Theilzahlung 503 000 4; zur Erweiterung der Saarwasser- leitung u. \. w. als zweite Theilzahlung 541 800 /6 und zur Ablösung einer auf dem Rittergut Bielschowitz bestandenen Hypothek 204 302 46

Der Etat der Ansiedelungscommission für Westpreußen und Posen sett die Einnahmen auf 1 032704 %, um 388764 höher als im Vorjahre, an. Hiervon kommen auf den Zuschuß aus dem im § 1 des Geseßes vom 26. April 1886 bereit gestellten Fonds zur Deckung der Verwaltungsausgaben der Ansiedelungscommission 339 704 M, 96 764 e. mehr als im Vorjahre, auf die Einnahmen

aus der Ucberlassung von Stellen, sowie aus wicderveräußerten

Grundstücken und Pag tennusuingen, der Miethe für Guts- inventar, den Ueberschüssen aus der Wirthschaftsführung - der An- siedelungsgüter, aus dem Betriebe der auf ihnen befindlichen Ziegeleien, Mühlen u. \. w. und aus den Entschädigungen für die an Ansiedler abgegebenen neuen Baumaterialien 650 000 A, auf die Einnahmen aus Rückzahlungen für Zinsen von Darlehnen und Aus- tigen, fowie durch RNückgewähr des Geldbetrages für leihweise verab- folgtes Saatgetreide und Vieh 40000 Æ, für beide leßtere Posten zusammen 290 000 mehr, und auf sonstige Einnahmen 3000 M, 2000 Æ mehr als im Vorjahre. Die Ausgaben betragen für D Uldangen und Wohnungsgeldzuschüsse 142379 4, 37434 M mehr als in 1891/92. Nachdem die Stelle des Belgten der Anfiedelungs-Commission bei dem Umfang, den die Geschäfte dieser Behörde angenommen haben, niht mehr von leßterer nebenamtlih beseßt werden fonnte und einem Beamten im Hauptamt übertragen worden ist, ist sie nunmehr mit einer Besoldung von 9300 , 900 Wohnungsgeldzushuß und einer Functionszalage von 1500 M auf den Etat gebracht worden. Für einen Ober-Regierungs-Rath als ständigen Vertreter des Präsidenten ist eine ulage von 900 ( und außerdem die Besoldung eines Vermessungs-Inspectors mit 4800 M neu eingestellt worden. Ferner sind die Stellen für vier Bureau- beamte in den Etat neu aufgenommen worden. Die anderen persönlichen Ausgaben stellen sich „auf 102000 4, um 40000 Æ höher als im Vorjahre, und zwar ist der dur die Zunahme der Geschäfte bedingte Mehrbedarf zur Remunerirung von Hilfsarbeitern u. \. w. auf obige Mehrausgabe veranschlagt worden. Die \sächlichen Ausgaben betragen 99 330 M, 19330 M. mehr, wovon 12300 M. Us Miethe für Bureauräume entfallen. Die Ablieferungen an den im § 1 des Ge- seßes vom 26. April 1886 bezeichneten Fonds sind mit 693 000 Á, um 292 000 höher als im Vorjahre, eingestellt worden.

Statistik und Volkswirthschaft. Invaliditäts- und Altersversiherung.

Im Kreise Bunzlau beträgt, wie die Schweidnißer „Tägliche Rundschau“ berichtet, gegenwärtig die Zahl h , g

Altersrentner 300.

__ Wobhlfahrtseinrichtungen.

Der Neußer Verein für Gemeinwohl verhandelt mit der Spar-

fasse zu Neuß wegen Errichtung einer Prämien-Spar- und

Sam melfkaf se; auch bereitet der Vercin eine Agitation zu Gunsten

einer Volks-Badeanstalt vor, zu deren Erri tung die städtische Vertretung bisher nicht zu bewegen war.

i _ Wohlfahrts-Correspondenz.

Die Centralstelle für Arbeiter-Wohlfahrtsein - rihtungen giebt eine Correspondenz heraus, deren erste Nummer am 15. Januar erschienen ist. Diese „Wohlfahrts - Correspondenz“ soll dazu dienen, bemerkenswerthe Veranstaltungen sowie auch litera- rishe Erscheinungen auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege zur Kenntniß zu bringen. Monatlih“ einmal erscheinend, wird sie in erster Linie den Behörden, Corporationen, ständigen Correspondenten und deu Zeitschriften der Vereine zugehen, welche ih der Centralstelle angeschlossen haben, sfovann aber auh den Mitarbeitern _ und gegen ein bestimmtes Abonnement der Tagespresse. Jede Nummer der Correspondenz soll in der Negel zwei größere Hauptartikel bringen, in welchen Fragen von besonderer Wichtigkeit und Einrichtungen von hervorragender Bedeutung be- handelt werden. Neben diesen größeren Artikeln wird in kürzeren Referaten über nahahmenswerthe Wohlfahrtsmäßregeln auf den ver- schiedenen Gebieten, wie z. B. Fürsorge für jüngere. Kinder, Kinder- heime und Kinderhorte, Handarbeitsunterricht für Knaben bezw. für Mädchen, Feriencolonien, _hauswirthschaftlihhen Unterricht, Lehr- verträge, Fabrifordnungen, Lohnform und Verwandtes, Sparkassen, Wohnung u. \. w. berichtet werden; den einzelnen MNeferaten ange- schlossen, sollen in literarischen Notizen die einshlägigen wichtigen Er- sceinungen im Buchhandel, Berichte aus Zeitschriften u. dgl. m. mit den nothwendigen Angaben aufgeführt werden. Als Mitar eiter sind zuständige Persönlichkeiten gewonnen, und zwar sowohl mit Rüctiihe auf die verschiedenen Gebiete der Woblfahrtspflege als auch nach geo- graphischen Begrenzungen, sodaß die Haupt-Industrieländer sämmtlich in den Kreis der Betrachtung gelangen werden. Der Grundsaß bei der Herausgabe wird fein, möglichst nur solche Aufsätze zu bringen, welche, frei von theoretischen Erörterungen, dem praktis hen Nußen dienen und wirklich Vorhandenes schildern.

Nr. 1 der „Wohlfahrts-Correspondenz“ enthält folgende Artikel : Der Spar- und Bauverein, eingetragene Genossens, aft mit be- schränkter Haftpflicht, in Hannover; eine Normal-Arbeitsordnung ; ferner eine Anzahl Berichte und Correspondenzen über Arbeitsord. nungen, Invaliden und Halbinvaliden, Krankenfürsorge, Trunksucht, Hautpflege und Wohnung.

_ Mittheilungen an die „Centralstelle für Arbeiter - Wöohlfahrts- einrihtungen“ find an deren Geschäftsführer, Professor Dr. Post, Berlin W., Leipzigerstraße 2, zu richten. :

Zur Wohnungsfrage. Oel begründete gemeinnüßige Bauverein in Neu hat er- sreulihe Fortschritte aufzuweisen. Bis zum Winter sind zehn Häuser für Einzelwohnungen unter Dach gebraht worden : auch wird der Bau eines größeren Miethha:\es geplant, in welchem die städtische Armenverwaltung diejenigen Familien unterbringen wird, für welche die Miethe ganz oder theilweise aus Armenmitteln gezahlt wird.

__ Zur Arbeiterbewegung.

Wt jocialdemokratishe Parteitag für die Provinz Shleswig-H olstein, das Herzogthum Lauenburg, das eFurstenthum Lübeck und die freie Hansastadt Hamburg findet am 28. Februar zu Neumünster statt. : __ Wie der Berliner „Volksztg.“ aus Dortmund berichtet wird, haben die Vertrauensmänner der Unterstüßungskasse der Berg - eute in Rheinland und Westfalen besblossen, die aus- ständigen uassauischen Erzarbeiter nachdrücklich zu unterstützen. 2 i de E A Lege soll ‘nach -der „Westf. sr. pr. mckt geflüchtet sein, sondern cine Gefängnißstrafe haben. (Vgl. Nr. 13 d. Bl) E ee

Hier in Berlin fand am Sonntag eine von etwa 2000 Personen besuchte Versammlung der Maurer und Pugtér statt, in der die Entscheidung zwischen den Anhängern des Centralverbandes und der örtlichen Verbände herbeigeführt werden sollte. Nach der Berliner „Volksztg.“ unterlagen die Berliner Maurer den vereinigten Centralverbändlerr- Das En A E '

ie Verbändler hatten in der Versammlung die Major:tät un

seßten nah Ueberwindung eines heftigen Widerstandes e Bines ibrer Richtung durch. An Stelle des verhinderten socialdemokratishen Reichstags-Abgeordneten Ullrich fette Schuhmachermeister Theodor Meßgner den Werth der Centralverbände auseinander. Die Debatte dauerte gegen fünf Stunden- und endete gegen eine be- deutende Minorität mit der Annahme einer Compromifß-Resolution, die einen Zwitterzustand herbeiführen foll, wie er bei den Zimmer- leuten bereits besteht. Die NRefolütion bestimmt, daß die Vertrauens- männer beider Richtungen von jeßt ab gemeinsam öffentliche Maurer- versammlungen einzuberufen haben, in welchen über einé Lohnbewegun zu berathen is und die ein gemeinsames Vorgehen zu diesem wed ermöglichen sollen. on Hamburg fand vorgestern eine von ctwa 4000 Personen besuhte Arbeiterversammlung statt mit der Ta esordnung: Der Gesetzentwurf des hamburger Senats, betreffend das ham- burgische Gewerbegeriht. Erster Redner war nah dem „Hamb.

Corr.“ der Socialdemokrat Henry Meyer. Die Versammlung nahm