1892 / 19 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Jan 1892 18:00:01 GMT) scan diff

\{ließlih auf bestimmte Parteien ffüßt. Es tritt in unserer Partei- bildung das Moment, die wirthschaftlihen Motive bervorzukebren, stark hervor, und je mehr dies geschieht, um so mehr liegt in der Thâtigfeit der Parteien eine gewisse Gefakr,' daß das Ganze außer Acht gelassen wird, daß man zu Extreme: kommt, die nachher in andere Extreme ebenso {nell ums{lazen. Jch glaube auch, daß in einem wesentli monarchischen Stacte, wie der unsrige es ift, eine Regierung sih niemals verpflichten kann und darf, auf die Dauer mit gewissen Parteien zu“ gehen, und ih halte noch heut an dem Standpunkt fest: man soll das Gute nehmen, wo man es findet. Die Herren von der freisinnigen Partei haben mir diese Aeußerung bei jeder Gelegenheit, wo sie glaubten, daß das Gute mehr nach ihrer Seite lag, vorgehalten. Nun, wo der: Pendel nah der An- \chauung des Herrn Abg. Rickert etwas mchr nach der anderen Seite s{wingt, und ob er darin Necht hat und wieweit dies begründet ist, das wird sich bei der Debatte über das Volksschulgeset zeigen nun sollen wir an dem- Grundsaß, das Gut? zu nehmen, wo es sich findet, nicht mehr festhalten.

Finanz-Minister Dr. Miquel:

Meine Herren! - Beide Herren Vorredner zum Etat haben im großen und ganzen meine Auffassung über die Finanzlage und die daraus zu ziehenden Consequenzen für die Finanzverwaltung gebilligt. Jch kann damit also sehr zufrieden fein und mich darauf beschränken, auf einzelne Fragen etwas näher einzugehen, die die beiden- Herren Vorredner im wesentlichen berührt haben.

Die Hauptfrage, die in den Vordergxund getreten ist, ift das Verhältniß der Eisenbahnverwaltung zur allgemeinen Finanzverwal- tung. Der Herr Abg. Rickert, feinem von jeher innegehaltenen Standpunkt getreu, will aus der jeßigen Entwickelung des Finanz- wesens in Preußen nun eine nahträglihe unmwviderleglihe Bestätigung seines Standpunktes gegen die Verstaatlichung der Eisenbahnen her- leiten. Vom finanziellen Standpunkt aus kann ihm das unmöglich gelingen, denn unsere Staatsbahnen verzinfen, auc selb nah dem vorliegenden Etat, nicht bloß die gesammte Staatsschuld, auch die- jenige, welche nit unmittelbar für Eifenbahnzwecke contrahirt ift, und decken die geseßliche Tilgung derselben, föndern liefern außerdem úicch in die allgemeine Staatskaße einen Uebershuß von 116 Millionen ab. Nun, nieine Herren, im gewöhnlichen Leben wird man sagen: das war ein sebr gutes finanzielles Geschäft bisher. Wenn der Abg. Rickert nun aber weiter sagt, dies System der Staatseisenbahnen babe bankerott gemacht, weil es fih nicht im ftande gezeigt habe, ivirthschaftliche Neformen durchzuführen, so will ih an die Ausführungen des früheren Herrn Ministers von Maybach erinnern, welche lange Liste von Reformen auf dem Gebiet des Tarif- wesens, die hunderte Millionen oder wenigstens über hundert Millionen betrugen, gerade unter dem Systein der Staatsbahnen zur Durch- führung gelangte. (Sehr richtig! rets.)

Meine Herren, wenn Herr Rickert nun fagt, für die Landeswobh[- fahrt, für die Meliorationen in den versciedenen Landestheilen set seiteus der Eisenbabuverwaltung nicht geung geschehen, so steht ex im Widerspruch mit seinen Warnungen gegen das Uebermaß von Secundär- bahnen, mit welchen der Minister die Landestheile-beglükt babe, und mit seinem Tadel gegen das Abgeordnetenhaus, den Ministcr in dieser Vezichung noch mebr bestärkt zu haber. Darüber kaun gar tein Zweifel sein, -daß, wenn der Staat nicht die großen rentableu Linieu

«in Händen gehabt hätte, er nun und nimmer in der Lage gewesen wäre, so viele s{wach rentirende Bahnlinien zu bauen in solchen Gegenden, in denen cine folhe Aufhilfe seitens des Staaics unbedingt nothwendig war. (Sehr richtig ! rechts.) Meine Herren, soviel hierüber.

Nun komme ih als Finanz-Minister allerdings auf die andere Seite der Sache. Meine Herren, gewiß, und das haben diejenigen, die da-

mals -— zu denen ich selbst gehört babe für die Verstaatlichung des Eisenbahnwesens eingetreten sind, niemals verkannt, liegt in der großen Ausdehnung der Betriebsverwaltungen für die gesammte Staats- verwaltung ein Element großer Unsicherheit, ein Element großer Schwankungen, und es war allerdings das Bestreben angezeigt, d.ese Schwankungen mögli klein zu machen (hört, hört !), nicht alle Ueberschüsse, die das cine Jahr brachte, in dem einen Zahre auch zu verzehren und zu verbrauchen und gar darauf daucrnde Staatsausgaben zu basiren, sondern die Möglichkeit von Ausgleibungen dur Ausfammlung entsprechender Fonds von Jahr zu Jahr herzu- stellen. Das Gese von 1882, das fogenanute Eisenbabn - Garautie- gefeß, hat diese Aufgaben seinem Inhalt nah nicht voll erfüllen Tonnen, und heut, wo wir in so erheblicher Maße übrigens mit Zustimmung aller Parteien des Hauses obne Ausnahme dauernde Staatéausgaben auf diese Veberschüsse basirt haben, ift die Correctur in dicser Bezichung anßerordeutlich schwierig geworden. Ich würde mich allerdiugs, wenn ih dazu noch Gelegenheit habe, gern mit dem Herrn Minister für die öffentlichen Arbeiten darüber ins Benehmen seßen das ift sogar zum Theil schon gescheßen —, Un Erwägungen anzustellen, was in der bezeichneten Richtung noch zu geschehen bat. Denn wie in allen andern Beziehungen, so möchte ich nochmals betonen, ist auch hier das JIuteresse der allgemeinen Finanz- verwaltung durchaus nicht selbst deu Nessortinteressen der Eiseubahu- verwaltung entgegen. Ich kaun aber uicht vorbersagen, welches 9tiesultat diese Erwägungen haben. Daß etwa ähulich allerdings die großen Ueberschüsse der Vorjahre auf die allgemeine Staatsverwaltung ‘in “h R N M wie die Ueberweisuugen nach der lex

uf e Krele, das kann nicht in Abrede gestellt werden,

und das ist au fein Vorwurf, den mau - den Einzeluen daraus machen kann, weder der Staatsregierung occh dem Abgeordnetenhause - und den verschiedenen Parteien, es liegt vielmebr in der Natur der Sache, es ist ein Fehler der Organisation gewefen. Nun laben wir allerdings in den leßten fünf bis fechs Jahren für die verschiedensten, durchaus nützlichen und theilweise uothwendigeu „wee unseren Ausgabe-Etat in einer ganz außerordentlichen Weise erhöht. Jch braucbe Zbnen, die ja selbst E e die einzelnen Sunmuuen nicht zu neunen.

D: leicht - Velrag von etwa 150 Milliouen dauernder

; Mehrausgaben, die aus den verschiedenen Bewilligungen der leßten : sechs Jahre hervorgegangen find, herausrechneu können. Demeat- serfend sud aber, meine Haren, mere usern, fabller Gianabnen

, nit gewachseu (sebr. ri tig): wir. bofen allerdingé, daß es gelingen wird, die Uebetrschüsse der -Cisenbahuen wicder erheblich zu steigern. Zch habe eiu Element für dieje Hoffnung hergeleitet aus der bis jet n durchaus _ günstigen Entwickelung der Eiunahmeseite, und aitf der anderen Seite balte- ih „die Hoffnung fest, daß cin erheblicher Theil der? in - den letzten zwei Jabren -- vorzugêweise so. rapide

Natur, fondern nur vorübergehender Natur fein werde. Was ergiebt fich üun aus diescr Lage? “Es ergièbt \ich einmal, daß wir die Ausgaben bei der Eifenbahnverwaltung genau daraufhin prüfen müssen, ob -ohnc Gefährdung der Gesammtaufgabe, welche die Eisenbahnverwaltung zu erfüllen hat, an diesen Ausgaben selbst Er- sparungén möglich sind, und sodann, daß wir in der allgemeinen Finanz- verwaltung auch bezüglich der Ausgaben einigermaßen vorsichtiger sein müssen, wie es uns in den Vorjahren nöthig zu \ein hien. Wenn die Herren mir nicht neue Einnahmequellen eröffnen köunen innerhalb des preußischen - Staates, weun die Ausgaben zur Zeit nit voll- ständig gedeckt werden dur die Einnahmen, so ergiebt sich für den verständigen Menschen von selbst, daß er sih nah der Decke \treckt, und daß das, was in den Vorjahren vielleicht zu viel geschehen ist, nun in den nachfolgenden Jahren vorsichtiger erwogen wird.

Meine Herren, ciner der Herren Abgeordneten ih glaube, es war der Herr Abg. Rickert hat gemeint, es habe ih in dieser Be- ziehung die Welt einigermaßen geändert, auh aus den Vertretungs- körpern gehe heute cin starïes Drängen nicht nah Verminderung von Ausgaben und sparsamer Verwendung, sondern nah Steigerung der Ausgaben, ferner das Greifen auf den allgemeinen Beutel fei stärker geworden. Jch kanu ihm dies, ohne daran eiuen Vorwurf gegen irgend jemand zu kuüpfen, allerdings aus meiner Erfahrung bestätigen. Nicht bloß in dem Staatsleben, sondern auch in unserin Communallebeu baben wir vielfach genau dasselbe. (Sebr richtig!) Während die Stadtverordneten-Collegien früher diejenigen waren, welche Sparsam- keit predigten und handhabten gegenüber den naturgemäßeu vorwärts- treibenden Wünschen der Etxecutive, findet man auch in manchen großen Städten und in den Gemeinden heute vielfach das gerade Gegentheil. (Sebr richtig!) Wenn die Vertretungskörper in dieser Beziehung im Staat und in der Commune sich wieder mebr auf ihre Haupt- aufgabe besinnen, so wird das eine große Garantie für eine dauernd folide Finanzverwaltung sowohl im Staat als in den Communeu sein. (Sehr richtig !)

Meine Herren, ih habe ausgesprochen, daß die Grundlagen unserer preußischen Finanzverwaltung troß dieser morentanen, hoffent- lich vorübergehenden Schwierigkeiten durchaus gesund und solide find, und ih habe zu meinem Erstaunen in den* Zeitungen gelesen, {daß man dies für unvereinbar hält mit meiner Gesammtauffassung von dem jeßt vorliegenden Etat uud mit den Aufforderungen zur Sparsam- keit. Nun, ih habe Jhuen schon gezeigt, was unsere Eiseubahnen heute noch leisten selbst in diesen Jahren geringeren Erträgnisses, Ich brauche anicht daran zu erinnern, daß außerdem der preußishe Staat ein reiches Domanium, gewaltige Forstkomplere mit schr bedeutenden Ueber- schüssen besißt und große Beträge aus seinen Bergwerken zieht. Es braucht für die Verzinsung der Staatsschulden weitaus nicht ein Pfennig einem Steuerpflichtigen in Preußen abgefordert zu werden. Wo ist ein anderer großer Staat, der solche soliden und festen Finauz- grundlagen hat? Jh wiederhole, wir brauchen diese soliden Finanz- grundlageu, die wir uufern Vorfahren verdanken, uicht zu sc{affen, sondern wir baben uur die Aufgabe, aber auch die Pflicht und Schuldig- keit, fie zu erhalten. (Bravo!)

Meiue Herren, wir sollen heute uicht bloß auf dem moralischen Gebiet, auf dem Gebiet der nationalen Gemeinsamkeit und des inneren lebendigen Bewußtseins davon, sondern auch auf dem finan- ziellen Gebiet unsere Kräfte schonen und zusammenhalteu. (Schr gut!) Die Zeiten find dazu angethan, daß die Nation in ihrer Gesammt- heit ¡hre Kräfte zusammenzubalten und zu verstärken bestrebt sein muß. (Bravo!) i

Meine Herren, der Herr Abg. Rickert hat dann ein Streiflicht geworfen auf die ‘vermuthlichen Nesultate der Eiukommensteuer- eins{äßgung. Namentlich bat er Befürchtungen ausgesprochen, daß diese Mesultate mangelhafte und unrichtige sein würden in den lôudlichen Bezirken. Nun, wir ini Finanz-Minsterium wür- den uns gegeuwärtig ein folches Urtheil niht erlauben, denn wir kennen diese Ergebuisse noch gar nicht. Einzelne Nachrichten, die in den Zeitungen erscheinen, können kein Gesammtbild geben und können auch die Verhältnisse im einzelneu sehr vielfach gar nicht

wir vorher gewußt, und ich habe das mebrfach bei der Beratl\ung des Einkommensteuergeseßes ausgesprocheu -—: daß die Œinscäßung unF vie Durchführung dieses neuen Verfahrens naturgemäß viel schwieriger und daher much vielleicht im Aufang unvollkommener sein wixd be- züglich des Einkommens aus landwirthschaftlichen VBetricben als aus Capital und aus Gewerbebetricben: es liegt dics in der Natur der Sache, nicht vorzugéweise in einer mangelhaften Organisation, sondern in den Schwierigkeiten der Dinge selbst, Davon bin ich aber fest überzeugt, daß sowoh! in der Stadt als auf dem Lande na und nach die Veraulagung eine immer besscre und sicherer werden wird. Heute sind sowobl die Behörden als die gesammte Bevölkerung noch unerfalren: Tausende vou zweifelhaften Fragen s{wirren berum. Ehe nicht iu dieser Beziehung, namentlich durch dice demnächstigen Ent- scheidungen des Ober-Verwaltungëgerichts bestimmte Principien zur festen Norm geworden siud, kaun unmöglich ein jolches Werk im ersten Jabre schon vollendete Nefultate ergeben. Jn den übrigen Läudern in Deutschland, in denen die Selbstdeclaration eingeführt it, hat man diefelbeu Crfahrnnugen gemacbt, und erst heute ist man in Sachsen nach vicien Jahreu anf eineu Standpunkt gekommen, von dem die Sachverständigen fagcn, vaß man arnäherud richtig das velle Ein- fommen der Steuerpflichtigen erfaßt.

Meine Herren, so viel aber allerdings hat sich {ou bisher, bis zum gestrigen Tage, da herausgestellt, wo wir es haben unmittelbar beurtheilen können, daß fein Gesez notlwendiger war als die Neforn1 der Siaatssteuern. (Sehr richtig!) Es hat sich schon jeut ergebeit, daß fehr große Sunmen des Eiukommens bisher völlig dunkel und unversteuert blieben. (Sehr richtig!) Daß dies in höherem Grade der Fall ist bei dem Capitaleinkommen, welches nicht fichtlih vor uns liegt, als bei dem Einkommen aus Grundbesiß und Gewerbebctrieben, wo ¡nan wenigstens über die Quelle nicht zweifelhaft is, das liegt auch in der Natur der Sache. Aber, meine Herren, die Gerechtigkeit steht uicht still. vor bestimmten Klassen uud Einkommenarten. Wie die Veranlagung der neuen“ Grundfteuer das: zziel ciner gleichuräßigen Heranzichung der Grundbesitzer zur Grundsteuer verfolgte, so war ‘es auch an der Zeit, nunmehr mittels der allgemeinen (Finkommensteuer rück- sichtslos das Ziel durchzuführen, alle Klassen ohne Ausnahme glci{inäßig an den Staatslastea contribuiren zu lassen. Cin alter Schriftsteller jagt ‘ineinem gewiß mangelhaften Latein : „Justitia fundamentum regnorum, et etiam in distributione onernm publicorum.“

‘gestiegenen Ausgaben der Eisenbahnverwaltung nicht dauernder

is y D A N a D beh et p E) Ml )R N eNNs R ME T5; -ar.e9d ew wnen ams

richtig darstellen. So viel steht aber gewiß fest nund das baben !

und mittleren Einkommen erheblih entlastet worden. Das kalte ich au für eine Wohlthat. ‘Es werden die höheren ihrer größeren Leistungsfähigkeit entsprehend in maßvoller Weise stärker belastet. Aber daran wird-man si auch gewöhnen und es als ein Gebot der Gerechtigkeit erahten. Jch glaube also, daß diejenigen Herren, welche für die Reform der Einkommensteuer gestimmt haben, welche nicht direct oder indirect bemüht gewesen sind, diese Neform zu erschweren, die- jenigen Herren, welche ihr niht, sei es mit der Faust oder mit feinen Fingerspißen, Hindernisse bereitet haben, werden diefe Stellung nicht bereuen, und das Land, wenn auchß momentan der Einzelne sich etwas stärker angespannt fühlt, wird ihnen {ließlich Recht geben. (Bravo!)

Meine Herren, der Herr Abg. Nickert hat nun noch von seiner engeren Heimath einige Worte gesprochen und hat gemeint, die Reise zweier Minister in die östlichen Provinzen babe dort sehr große Hoffnungen erweckt. Die beiden Minister haben sih wohl gehütet, Hoffnungen zu erregen, die sie nicht erfüllen können ; es war lediglich eine Informationsreise, welche allerdings den Zweck hatte, der Frage näher zu treten, ob und was für diese Provinzen durch die Ein- wirkung des Staates geschehen könnte. Meine Herren, die Schwierig- keit dieser Provinzen liegt in ihrer Lage, in ihrem Klima und in der wirthschaftlichen Politik des Nachbarn. Diese Schwierigkeit kann keine Staatsregierung beseitigen, und“ es konnten daher unmöglich an unsere Reise selbst ungemesseue Hoffnungen geknüpft werden. Aber doch sind hon aus den Erfahrungen und Kenntnissen, die wir dort gesammelt haben, eine Reihe von Maßregeln getroffen, ‘und ih glaube auch noch. immer, daß die versuhsweise Einführung des Staffeltarifs im großen und ganzen der Provinz in erheblichem Maße zu gute kommen wird. Wenn sich herausstellen sollte, daß die Seestädte da- durch geschädigt werden, was bis jeßt nicht vorliegt und noch nicht nachgewiesen ist, dann wird die Staatsregierung gewiß in Erwägung nehmen, wie man einen folchen Schaden von diesen shwergeprüften Handelsstädten abwenden kann.

Meine Herren, es finden sih aber auch vor im Etat eine ganze Reihe von Positionen, welche“vorzugsweise den am meisten bedrängten Provinzen zu gute kommen, und es ist ‘die Staatsregierung im vollen Maße durchdrungen davon, daß der Gesanuntkstaat Preußen die Ver- pflichtung hat, und sein eigenes dringendstes Zuteresse es erfordert, diefen durch die besonderen Verhältnisse der Gegenwart am s{chwerst- betroffenen Provinzen - au nöthigenfalls mit finanziellen Opfern zu Hilfe zu kommen. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, der Abg. Rickert hat si nun über die Einstellung einiger Positionen in den Ausgave-Etat beschwert, von denen er glaubte, daß sie nicht nothwendig gewesen seien.

Meine Herren, was die Position von 750 000 4 für die Unter- stüßung der evangelischeu Kirche in ihrem Bestreben, die Stolgebühren zu beseitigen, betrifft, so habe ich s{on angeführt, daß dic Staats- regierung in dieser Beziehung vor allem dem fast einstimmigen Be- schluß beider Häufer des Laudtags in der vorigen Session gefolgt it. Wenn cine solche Frage vorliegt, wie diese, von der man sich sagen. muß : sie muß doch einmal zu irgend ciner gegebenen Zeit gelöft werden: wenn die, Staatsregierung in dieser Beziehung in Uebereinstimmung mit dem Landtag ist, welcher ausdrücklich gewünscht batte, daß diefe Summe in den jeßigen Etat eingestellt werde, so war keinerlei Grund vorhanden, hier sich ablehnend zu verbalten, umfomehbr, - als nan ja doch die Ausgabe dauernd ‘nit würde von sich abwehren tönnen, und es nicht wahrscheinli ist, daß wir im nächsten Etat iu einer viel günstigeren Lage uns befinden werden.

Ich glaube also, ein Vorwurf gegen den Finanz-Minister, daß er in dieser Beziehung seine Grundsäße nicht inuegehalten und durch- geührt habe, kaun hieraus in feiner Weise abgeleitet werden.

Meine Herren, der Finanz-Minister bat gewiß neben der Auf- gabe, niit den Mitteln des Staates sparsam umzugehen und die douerude feste Grundlage der Finanzverwaltung aufrecht zu erhalten, noch eine viel sdwierigere Aufgabe, die doppelt schwierig ist in knappen Zeiten, nämlich mitzuwirken an der distributiven Gerechtigkeit bei der Verwendung aus dem allgeineinen Staatssäcel, und ich glaube, wenn Sie ven Etat bierauf ansehen, so werden sie finden, daß dieser dis- tributiven Gerechtigkeit im vollen Maße Genüge geschehen ist. Mit den mäßigen Mitteln haben wir da hauptsächlich gekargt, wo es sich um Ausgaben handelte, die nicht den Charakter nothwendiger oder sonst dringend gebotener Meliorations8ausgaben hatteu, das wird der Herr Abg. Nickert uamentlich erkennen, weun er das Erxtra- ordinarium in seinen einzelnen Positionen genau prüft. Sollten aber die Herren noch unnöthige Auëgabeu in dem Etat finden, sollten sie uns aufmerksam machen können, wo ohne Schaden für das Land weitere Ersparungen durchgeführt werden können, so werden die Herren bei mir ein fehr williges Obr finden. (Heiterkeit.) Wenn ih aber die Erfahrungen der leßten Jahre unserer Etatsberathung bier in Rücksicht ziehe, so habe ih nit gefunden, daß cs dem Ab- geordnetenhaufe gelungen ist, die Ausgabepcsitionen in irgend einer erheblihen Weise herunterzuseßen (fehr richtig), und ist die Hauptlaft und die Hauptaufgabe doch hier immer beim Finanz-Minister ge- blieben. (Bravo!) Jch fürchte, meine Herren, es wird diesmal wieder fo geben, als in dem Vorjabre. (Bravo!)

Minister der geistlichen 2c. Angelegenhciten Graf Zedliß Trübsht O Meine Herren! Es kaun niht meine Aufgabe seiu, - bei dieser Debatte eine eingehende Nede über das Volksschulgeseß zu haltea. Ich war deswegen schwankend, ob ih auf die Provocationen des Herrn Abg.. Rickert in dieser Beziehung überhaupt antworten sollte oder nicht. Wenn ih mich bejahend ceutschieden labe, so geschieht es nur, um in einigen kurzen Ausführungen thatsächlihe Behauptungen, die der Herr Abg. Nickert aufgestellt hat, nach meiner Auffassung richtig- stellen zu können. :

Meine Herreu , zunächst ist an meine Adresse gerichtet der Vorwurf, daß jeßt wieder erneut die officiöse Presse in Gang gesetzt würde, nur mit dem Unterschied, daß sie uicht mit demsclben Geschick inscenirt wäre, wie das früher der Fall war. Mir ist dieser Vorgang unbekannt. Wenn eine’ Reibe von-Zeitungen vor der Veröffentlichung des Wortlauts des Entwurfs gewisse Mittheilungen aus dem Inhalt des Volksschulgesezes gebracht haben, so lag das cinfacch daran, daß ih cs für meine Pflicht ‘erachte, die Thür -des Cultus-Ministeriums für niemanden- verschlossen zu halten, und daß, wenn Herxcn zu mir fommen und fich über so wichtige Dinge mit mir unterhalten, ih ofen und ehrlich denselben meine Meinung sage. Ich kann vielleicht hierbei in einzelnen Fällen mißverftändlich aufgefaßt worden sein, in

Durcb dieses Einkommenstevergesez werden aber auch die ‘geringeren

anderen Fällen richtig, aber ih glaube, das fan man nicht eine Be-

wverdacht werdén. Der Umstand ist ja doch auch charakteristisch, daß

zu fönnen.

Jahren errcicht. habeu; in der Landwirthschaft wie im Bergbau, in

einflussung-der Prefse nennen - und kann ebensowenig einem Minister

‘diese Mittheilungen in Zeitungen der allerverschiedensten Richtungen stattgefunden haben. Ih erinnere daran, daß mich Herren dex conservativen, der freisinnigen und nationalliberalen Presse mit ibrem Besuche beehrt haben, und daß- ih mich allen diesen Herren gegenübcr ganz in derselben Weise und offen soweit ausgesprochen habe, als ich glaubte, dies ohne Verletzung des Amts8geheimnisses thun

Meine Herren, der Tenor der Ausführungen des Herrn Abg. Rickert ging aber nah einer anderen Richtung; er sagte: mit diesem Gefcßentwurf, den das Ministerium vorgelegt hat, wird ‘das Schulwesen Preußens, ein Glanzpunkt der preußischen Cultur- entwickclung so ungefähr wird der Gedankengang gewesen sein zurüdfgeshraubt auf einen Zustand, der hinter den großen Friedericianischen Traditionen liegt. (Heiterkeit rets.)

Dieser Schulgesetzentwurf i} eine der weitgehendsten Concessionen an den Ultramontanismus, an die Kirche. Die Schule, die Staats- \hule Preußens wird mit diesem Gesetzentwurf eine Kirchenschule, und der Einfluß der Kirche ist in Kürze der maßgebliche.

Mcine Herren, nah solchen Ausführungen möchte ih beinahe glauben, daß der Herr Abg. Nickert den Geseßentwurf doh noch nicht ganz durchgelesen hat (Heiterkeit), sonst müßte es ihm doch klar sein, daß das wesentlichste Hoheitsrecht, das der Aufsicht, in diesem Geseß- entwurf völlig sür den Staat unangetastet bleibt. Und dann, meine Herren, müßte es dem Herrn Abg. Rickert doh au klar geworden sein, daß das. vorliegende Gefeß an keine Partei und an keine Con- fession eine Concession macht, sondern ledigli eine Concession an das Verfassungsrecht des preußischen Staats ist (Lebhaftes Bravo im Centrum und rechts), und sich unmittelbar anlehnt an das, was alle meine Amtsvorgänger auf diesem Gebiete als Verwaltungsrecht practish durchgeführt haben. (Bravo!) Von Concessionen an Parteien oder Confessionen is absolut nicht die Rede, und wenn der Herr Abg. Riert glaubt, daß hier ein Bruch mit der Entwickelung un- seres gesammten Schulwesens vorliege, dann weiß ih nit, wie eine folche Behauptung begründet werden foll, wenn der Gesetzentwurf lediglich das geseßgeberisch festlegt, was seit hundert Jahren Praxis in Preußen gewesen is. (Lebhaftes Bravo rechts und im Centrum.

Wibverspruch links.) Abg. Hobrecht (ul.): Die Finanzverhältnisse seien bedenk- li; sie fordern zur Borsicht auf, aber r Berteger seien sie nicht erade. Wünschenswerth würde es sein, daß die Finanzen etwas osgelöôöst würden von den Eisenbahnen. Aber die verschiedenen Versuche, die gemaht worden seien, seien nicht D die Uen: Etwas würde dadurch vielleiht geholfen werden, daß man die Ueber- \chüsse, welche man dauernd für Staatsausgaben verivenden wolle, für eine ritte von Jahren fixire. Denn die Ansammlung eines Reservefonds fei \chließlih nicht viel besser als dic Eintragung guter Vorsäbe, die nachher doch nicht A würden, in ein Tagebuch. Der Eisenbahn-Etat solle nach einem Antrage seiner politishen Freunde einer besonderen Kom- mission überwiesen werden, um diese Frage zu erörtern. Der Reichs- fanzler habe von dem unbegründeten Pessimisinus gelpreen Aller- dings habe die Landgemeindeordnung unmer mehx Anhänger ge- unden, die Handelsverträge Hätten allgemeine Billigung erhalten. Aber troßdem bestehe ein großer Pessimnismus, der auch einen festen Inhalt gefunden habe. Ueber das Volksschulgeseß werde in den nächsten Tagen eingehend verhandelt werden, jeßt näher einzugehen auf die Varlage, fei nicht in T Aber unerwähut lassen könne man diese Frage nicht. Die erste Lesung ‘des Etats fei ja beinahe die einzige Gelegenheit, wo uian einmal ohne befondere Fesseln über die allgemeine Lage rgen könne. Als der Kampf um ‘die Maigesetz? beendet gewesen tei, habe Windthorst seinen Schulantrag eingebracht, gegen den die Staatsregierung und die Mehrheit des Hauses fih durchaus ablehnend verhalten hätten. Der Entwurf erfülle aber im wesentlichen die Forderungen des Windtheorst'schen Schulantrags. (Sehr wahr! bei den Nationalliberalen und Freisinnigen.) Die Verfassung gehe davon aus, daß Staat und Kirche sich völlig einig seien in Bezu auf die religióse und sittlihe Erziehung der Kinder. Ueber dieses ständen große Meinungsverschiedenheiten. Die Entscheidung des Streites werde nun in die Brust des Lehrers gelegt, und da es sich um die Existenz handele, so werde er gezwungen, Heuchler und Augen- diener zu sein; denn er könne niht zweien Herren dienen. Daß die Schule zwei Herren habe, werde ja in dem Geseß ausgesprochen. (Lebhafte Zustimmung links.) Er sei sih mehr wie je bewußt, daß er hier im Namen weiter Kreise des Volls spreche. Er tadele es nicht, daß die Regierung in Bezug auf die polnischen Ginwanderer sich einer milderen Praxis lege er sei auch zufrieden mit der Be- rufung des Herrn von Stablewski zum Erzbischof von Posen und Gnesen, aker eine principielle Bedeutung habe die Oeffnung. der Volksschule für den poluischen Privatunterricht. Mit der Förderung der deutschen Cuütur in den polnischen Landestheilen erfülle der Staat ein Gebot der Selbsterhaltung und wende auch der polnischen Bevök-

Das sei aber durchaus nicht der i 1

kerung eine große Wohlthat zu. Jedes Abweichen von diesem Stand-

punkt habe sich immer bitter geräht. (Zustimmung links.) Fractionus- interessen sollten bei dem Volksschulgeseß nicht entscheidend eini feine Freunde wollten alles aufbieten, um die Volksschule richtig zu ge- stalten und die Autorität des Staats aufrecht zu erhalten. Er habe die Hoffnung,- daß sie auch uuter den Conservativen f nicht ver-

ebens nah Kampfgenossen- in dieser Beziehung umsehen würden.

(Beifall links.)

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Wenn ic mir gestatte, meine Herren, an die Ansfühßrungen, die mein Ressort betreffen, hier einige kurze Bemerkungen anzuknüpfen so veranlaßt mich hierzu der. Wunsch, s{hon heute Jhnen wenigstens übersichtliche Aufklärungen über diejenigen Gründe zu gewähren, die in erster Linie dazu beigetragen haben, das Ergebniß des Staats- eisenbahnbetriebes im laufenden Jahre ungünstiger zu gestalten, sodann abcr auch die Pflicht, die Annahme nicht Räum gewinnen zu lassen, als ob dieses minder günstige Ergebniß des Staatseisenbahnbetriebes hervorgerufen sei

durch univirthschaftliche- Maßnahmen oder Unterlafsungen der Verwal- -

tung. Meine Herren, die umsichtige, thätkräftige und zielbewußte Leitung der - Staatseisenbahnen durch meinen hochverehrten Herrn Amtsvor- gänger, dessen Verdienste um die wirth\caftliche Entwickelung: des Landes: im Lande selbst wie im hohen Hause ftets mit aller Wärme anerkannt worden sind, dürften schon vön voruhercin diese Annahme als irrig erscheinen lassen. Meine Herren, der Staatseisenbahnbetrieb ist ein gewagtes Geschäft, wie jedes andere Erwerbsunternehmen auch; er unterliegt denselhen “Bedingungen und Geseßen feines Gedeihens wie die Privaterwerbsunternehmungen auch. , A

Nun bègegnet es gar keinem Zweifel und bedarf meinerseits keiner Ausführung, Sie wisseu es Alle, daß in allen Erwerbsunternehmungen des Landes. die Ansgaben eine unverhältnißmäßige Höhe in den leßten

der Industrie - wie “im “Handwerk sind die Ausgaben gestiegen und haben mindergünstige Renten des Unternehmens hervorgebracht. In dem Riesenunteraehmen dec Staatseisenbahuverwaltung drückt {i

roblem be- \

Beziehung noch eine größere Bedeutung dadurch, daß erfahrungsgemäß in allen sinkenden Conjuncturen die Einnahmen viel rascher: eine flache Linie einnehmen als die Ausgaben. Die Ausgaben verfolgen noch eine Zeit lang eine aufstcigende. Linie. Es gleicht sich das im Laufe der Zeit, wenn wir wieder zu einer anschwellenden Fluth des Ver- kehrs tommen, aus.

Meine Herren, wenn ich mir nun gestatte, auf die einzelnen hauptsählich hier in Betracht kommenden Momente einzugehen, so glaube ich mich Ihres Einverständnisses damit erfreuen zu können, daß heute nicht die Zeit und nicht der Ort ist, in Zahlenangaben einzutreten. Den breitesten Raum bezüglih der Mehrausgaben gegen den An- schlag ‘im laufenden Jahre nchmen die Personalausgaben ein. Die Gründe für diese Erscheinung sind sehr übersichtlih. Sie liegen ein- mal darin, daß dieLöhne der Arbeiter und die Besoldungen der Diätarien sehr erheblih erhöht sind und erhöht werden mußten. Die Staats- eisenbahnverwaltung konnte sich und wollte sich nicht der allgemeinen Erhöhung der Löhne entziehen. Die Erhöhung der Personalkosten wird aber ferner dadurch begründet, daß eine ziemlich erhebliche Ver- mehrung des Personals hat stattfinden müssen. Der Verkehr hat an ih zugenommen und hat naturgemäß dementsprechende Vermehrungen des Personals herbeigeführt. Wir haben aber auch die Dienststunden den vielfachen Anregungen des Landes und des Hauses hier entsprechend beschränkt ; wir sindin der Ausdehnung der Sonntagsruhe weiter gegangen, und auch in dieser Beziehung sind erhebliche Mehrausgaben in den Personalkosten - erwachsen. f

Der zweite Grund der Erhöhung der Kosten liegt in der Ver- mehrung der Ausgaben für die Züge, und zwar sind es auch in dieser Beziehung zwei Momente, die hauptsächlich hervortreten. Es hat einmal eine ziemlich große Vermehrung der Züge stattgefunden und stattfinden müssen. Bezüglich des Güterverkehrs liegt die Sache ja so, daß die Züge lediglih entsprechen der jeweiligen Lage des Verkehrs überhaupt. Bezüglich des Personenverkehrs sind die Verhältnisse nicht so einfah. Wir hatten nicht nur der Vermehrung des Verkehrs uns anzuschließen, sondern wir waren im Personenverkehr allmählich dahin gekommen, daß auf ciner großen Anzahl unferer Hauptlinien die Personenzüge absolut überlastet waren. (Hört, hört!) Wir haben auf eine Neihe der Hauptlinien eine Anzahl Personenzüge und ins- besondere Schnellzüge fast regelmäßig mit zwei Maschinen fahren müssen. Meine Herren, das entspricht nicht dem Bestreben, die Sicherheit 1nd die Pünktlichkeit des Ver- kehrs in jeder Beziehung zu erhöhen. Im Gegentheil entspricht es diesen Rücksichten, die Züge nicht zu stark anwadchsen zu lassen. Wir sind daher auf den Hauptlinien zu einer Vermehrung der Züge übergegangen.

Fernerhin liegt ein Hauptgrund zu der Vermch- rung der Kosten der Züge in der Erhöhung der Kohlenpreise. Ursächlich und der Zeit na ist diese Erhöhung der Kohlenpreife auf den großen Bergarbeiteraus\tand im Herbst 1890 zurückzuführen. Die Frage ift so vielfach erörtert worden, daß ih hier auf dieselbe nicht mehr einzugehen brauche. Ich bemerke nur noch, daß die Mehrausgabe infolge der Erhöhung der Kohlenpreise ungefähr einen Betrag von vier Millionen erreiht. Wir sind auch genöthigt worden, zu“ der Zeit des Bergarbeiterstrikes und zu der Zeit, die ibr unmittelbar folgte, und die mit sehr wesentlichen Erschwerungen des Verkehrs, namentlih in" den Koblenrevieren zu kämpfen hatte, die Koblen zu nehmen, wo wir fie finden fonnten- Wir haben daher im Auslande zu fehr hohen Preisen Kohlen kaufen müssen. Daß wir dabri die Erfahrung gemacht baben, daß unsere einheimischen Koblen troß der vielfachen Anpreisungen der fremden, namentlich der englischen Kohle für unsere Zwecke doh noch immer besser sind, hat zwar unsere Erfahrungen bereichert, aber einstweilen haben wir doeh die hohen Preise für die englischen Kohlen bezahlen müssen. (Hört !: hört!)

Meine Herren, unter den Nachwehen dieser Zeit leiden wir hbeut- zutage ‘immer: noch. Wir haben noch immer unter unseren Vor- räthen einen großen Theil, ver zu sehr theueren Preisen angekauft worden ift.

Dann kommt ferner bas des Betriebsmittelparks, welches ebenfalls zu sehr erheb- lichen Mehrausgaben gegen den Etat. Veranlassung gegeben hat. Meine Herren, wir sind in den Etat deé laufenden Jahres am 1. April 1891 mit einem Betriebsmittelpark eingetreten, der durch die unmittelbar vorhergegangene Periode alleräußerster Anstrengungen abgesegt war. Wir konnten die Wiederherstellung der Locomotiven und Wagen nicht in dem Maße vornehmen, wie es eigentlich nothwendig gewesen wäre, wie es namentlich nothwendig ge- wesen wäre, wenn man lediglih wirthschaftlihe Rücksichten hätte wollen gelten laffen. Wir haben die Betriebsmittel, Locomotiven sowohl wie Wagen, bis zum leßten Athemzuge in Betrieb halten müssen. Die außerordentlich großen Kosten der Herstellung haben {ich dadurh naturgemäß zum großen Theil abgewälzt: auf das laufende Jahr. Wir haben auch diefe Wiederherstellung, nachdem die Fluth des Verkehrs einigermaßen ablief, sofort in die Hand nehmen müssen. Wir. haben dabei gleichzeitig cine Verbesserung - unseres Betriebsmaterials, der Güterwagen, vornehmen können und nah unserer Auffassung auch vornehmen müssen, das is die Erhöhung der Tragfähigkeit der Güter- wagen. Meine Herren, wir find heute so weit, daß wir von unseren Güterwagen bereits gegeu 30000 Wagen in der Tragfähigkeit erhöht haben, und zwar um 259/06, sodaß wir also 7000 Wagen à 10 t damit mehr gewonnen haben.

(s wäre unwirthschaftlih gewefen, diefe Maßnahmen etwa hinauszuschieben- und allmählich vorzugehen, unwirthfchaftlich cinmal deswegen, weil durch diese Maßregel große finanzielle Erfolge zu erzielen find, und. zweitens unwirthschaftlich deswegen, weil gerade dic vorhin geschilderten Verhältnifse es' zu wege gebracht ‘haben, daß wir eine

Capitel der Unterhaltung

ziehen müssen. - Die 7000 Wagen, die: wir auf diese Weise gewonnen baben, haben uns verhältnißmäßig außerordentlich wenig gekostet. Das Rangiren und an Befördern derselben kostet, so zu sagen, gar nihts. Es ist also dadurch ein schr wesentlicher Erfolg erzielt worden. Es find endlich die. Kosten für: die Vermehrung - ‘der Betriebs- mittel und die Unterhaltung und Erneuerung des Oberbaues auch über ‘den Etat ziemlich bedeutend, hinausgegangen. Dieselben Unr- ftände, die dazu geführt Haben in den leßten Monaten des Etats- jahres 1890/91, den Betriebsmittelpark in außergewöhnlicher Weise in Anspru ‘zu nehmen, - haben naturgemäß auch dahin : geführt,

große Anzahl von unseren Güterwagen in die Werkstätten haben

elementaren Ereignisse außerordentli ungünstig auf dei Zustand der

Bahnen gewirkt haben. Es haben. auch in dieser Beziehung sehr erheblihe Mehrausgaben angelegt werden müssen, und zwar um fo erbeblicher, als auch hier die Erhöhung der Löhne und die Erhöhung der Materialpreise eine große Rolle spielen.

Meine Herren, angesichts der unbestreitbaren Thatsache, daß das Ergebniß der Staatseisenbahnverwaltung ein minder günstiges ge- worden ist, \timme ich mit dem Herrn Finanz-Minister darin voll- ständig überein, daß hierin eine dringende Mahnung zur Sparsamkeit. liegt, und ih bin mir der Pflicht in vollstem Maße bewußt, daß es meine Aufgabe i}, in Uebereinstimmung mit dem Herrn Finanz-Minister dieser Sparsamkeit auch prafttishen Aus- druck zu geben. Ich stimme mit dem Herrn Finanz-Minister auh darin überein, daß wir durchaus niht aus Neigung sparsam werden, sondern nur nah den Geboten der Vernunft. Namentlih würde es ja für cinen neu eintretenden Minister der öffentlichen Arbeiten eine viel lohnenderè und viel dankbarere Aufgabe sein, an die Neform und Ausgestaltung der Eisenbahnen mit offener Hand heranzutreten, als vorsichtig zurückzuhalten.

Meine Herren, eine folhe Periode hat aber doch andererseits auch eine gewissermaßen wohlthätige Wirkung, und zwar insofern, als sie Veranlassung giebt, von oben nah unten und von unten nah oben genau zuzuschen “und zu prüfen, ob auch noch alles in Ordnung und so ist, wie es erwartet werden muß, ob auch nod) jedes Organ der großen Verwaltung feine Schuldigkeit thut und nach der bestehenden Ordnung der Dinge in vollem Maße thun kann. Auch in der Beziehung erkenne ih die mir obliegende Pflicht an und werde bemüht sein, dieselbe nah meinen besien Kräften zu erfüllen. Die gegenwärtige Situation legt aber andererseits dex Staatsverwaltung auch die Verpflichtung auf, in der Aus- gestaltung und Vervollklommnung des Verkehrswesens, fofern damit eine erheblichße Verminderung der Einnahmen oder Vermehrung der Ausgaben oder gar beides verknüpft ist, eine vorsihtige Zurückhaltung zu beobachten. Unter diesen Gesichtspunkt faklen zunächst zu meinem leblaften Bedauern auch die bereits vielfa geplanten und in Vor- bereitung begriffenen umfassenderen Reformen und Ermäßigungen im Personen- und Gütertarif.

Meine Herren, die Reform des Personentarifs ist in der letzten Zeit mit einer Wärme in den Vordergrund ges{choben worden in der Preffe, wie in öffentlichen Versammlungen, daß man glauben follte, es wäre das erste Postulat socialer Staatsweisheit, nun diese Reform sofort einzuführen, und es wäre jeder Tag verloren, der uns noch trennt von der Einführung des allein seligmachenden Zonentarifs, und zwar des Zonentarifs in der allerradicalsten Form. Meine Herren, ich hege nicht die Ueberzeugung, daß die Reform des Personentarifs so überaus dringend ist, daß sie au in Zeiten einer minder günstigen allgemeinen Finanzlage des Staats unbedingt durhgeführt werden muß. Jch bin zu dieser Ueberzeugung gekommen erstens dur die Thatsache, daß au unter der Herrschaft des gegenwärtigen Personentarifs der Verkehr noch sehr erheblih gewachsen ist und fortwährend im Wachsen begriffen ift. Es führte mih aber auch fernerhin zu dieser Ueberzeugung der Um- stand, daß im Lande, wie in den betheiligten und gehörten wirth- schaftlichen Kreisen zur Zeit die Frage, in welcher Hauptrichtung und in welchen Hauptpunkten eine Reform des Perfoneutarifs durdl)zuführen sein würde, noch uicht genügend geklärt ift.

Mein Herr Amtsvorgänger hat feiner Zeit ein Project - einer Reform des Pexrsonentarifs herausgegeben und uaumentlich die Bezirks- Eisenbalznräthe darüber um ein Gutachten ersucht. Jeder Bezirks- Eisenbahnrath aber hat ein «nderes Gutachten abgegeben. Es hat zwar keiner den Entwurf, wie er vorgelegt worden ift, sich. voll- ständig zu cigen gemacht, es hat aber auch jeder immer wieder etwas anderes gewollt, wie der andere. Der eine wollte die Retourbillets abschaffen, der andere ste beibehalten. Die vierté Klasse ist von einzelnen als zu beseitigen angesehen während Andere behaupten, sie wären absolut unentbehrlichß. Der eine will die Gepäfreibeit vollständig abgeschafft wissen und einen nicdrigeren Tarif einführen, der andere will in der Beziehung einen Mittelweg gehen, der eine will Zuschläge für die Schnellzüge, der andere verwirft die Zuschläge.

Es geht also daraus hervor, daß man sich im Lande selbst darüber noch nit klar ‘ist, nah ‘welher Richtung die Reform gehen soll. Nah meiner Ansicht würde die Reform wesentlich darin zu suchen sein, daß der Personentarif auf einfache und über- fichtlihe Normen und auf Preise zurückgeführt wird, die mit der Art der Beförderung thunlich im Einklange stehen, und daß endliche namentlih im Nahverkehr, Erleichterungen . geschaffen werden , die. Jedermann zu gute kommen.

Inzwischen hat die Staats-Fiscnbahnverwaltung, wie Sie wissen, meine Herren, einen Versuch bezüglich des Nahverkehrs gemacht. ih meine die Einführung des Vorortstarifs für Berlin. Alle Wünsche haben wir damit auch nicht befriedigt, wie das ja im-Eiseubahnleben überhaupt nit möglich ist. Aber ih glaube doch, ohne Ueberbebung fagen zu können, daß im großen Ganzen dieser sehr einfache, sehr übersichtliche Tarif als eine große Wohlthat anerkannt worden ist.

Mehr noch als im Personenverkehr bedauere ich, daß die gegen- wärtige allgemeine Finanzlage des Staates es zur Zeit wenigstens nit gestattet, mit größeren Reformen und Ermäßigungen im Güter- verkehr vorzugehen. Es ist vorhin vielfah der Getreide-Staffeltarif erwähnt worden; es ist ja auch der Staffeltarif, wenn Sic wollen, gewissermaßen der Versuch einer theilweisen Reform des Gütertarifs. Ich habe mich nur darüber gewundert, daß der Herr Abg! Rickert, der bei der ersten Lesung des Etats im vorigen Jahre es \er aufs dringendfte empfohlen hat, inan möge sich nah den Vorschlägen des jeßigen Bürgermeisters und früheren Mitgliedes einer Eisenbahnverwältung Brösicke richten (Widerspruch des Abg. Rickert) daß der heute den Staffeltarif durchaus verurtheilt bat. Die Ausführungen, - die fich seitens des Herrn Abg. Rickert daran geknüpft haben, und die fich auf angebliche Abstinunungen in dem Bezirks-Eisenbahnrath Bromberg beziehen, und welche darauf hinausgingen, daß die Majorität einmak

soll, ‘diese Ausführungen richtig zu \téllen, bin. ih heute nicht in der Lage, da mir vorläufig die Protokolle noch nicht vorliegen. Aber soweit ih unterrichtct bin, Haben | nicht bloß--der Bezirks-Eifenbahn- rath in Bromberg, sondern äu der cbenfa[ls gehörte in Berlin und au in Breslan sich dahin ausgesprochen, daß der Staffeltarif für Ge- treide, wenn auch untex gewissen Modificationen und Bedingungen bei- behalten werden folle. Jch muß aber nochmals béêtonen, daß mit die maß-

daß der Oberbau “der Bahnen in dieser ‘Periode * ganz außer-

das nur viel schärfer aus, uyd es gewinnt das in finanzieller

ordentlich in Ansvruch genommen worden ift. Dazu kam, daß die

gebenden Protokolle noch nicht vorliegen. ‘Wenngleich also nach den

für die Beibehaltung ¿md das andere Mal dagegen gestimmt habn