1892 / 23 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 27 Jan 1892 18:00:01 GMT) scan diff

- r fei in dieser Beziehung nicht ass O g E a Dur(hs\, T Ens t ocentualbelastun der Waaren durch die Zölle auch alle inanzzölle der Schweiz aufgenommen habe. Man fönne | aber do nux die für die Einfuhr erheblih in Betracht kommenden Artikel be- rücksichtigen, welche die Schweiz felbst erzeuge und in denen n dem Deutschen Reih einen Wettbewerb mache. In allen diefen Artikeln sei die Schweiz bis diht an die Grenze des Prohibitivzolls ge- angen. Im übrigen könne ein Zoll von bestimmter Höhe für ein and als Prohibitivzoll wirken, für ein anderes niht. Auch sei es nicht ganz richtig, daß die absolute Höhe der schweizer Zölle noh hinter der der Wie, Wh zurückbleibe. Er erkläre wiederholt, daß es niht an den Fabrikanten gelegen habe, wenn fis Pie leise ein- garnspinnerei niht weiter entwickelt habe. Das fei bei einem Zoll von 30 und 36 F nicht mögli gewesen. Schuld sei vielmehr, daß man 1879 den Feingarnzoll niht auf 57 4 erhöht habe, wie es der Abg. Dolfuß \._ Z. verlangt habe. Den Schaden der elsässischen Fabriïtanten Î abe der Abg. Broemel übrigens zu niedrig berechnet : er betrage niht 36 000, fondern 72000 / Im Jahre 1879 habe der Abg. Broemel die „Freihandels-Correspondenz“ redigirt. Er (Redner) erinnere sich, daß damals in den Berichten über die Tarifverhandlungen kaum eine Zahl richtig gewesen sel. Am meisten habe er bedauert, daß der Abg. Broemel die in diejer Angelegenheit eingegangenen Petitionen als Bettelbriefe vezeihnet habe. Er (Redner) habe nie in diesem Hause cine shärfere Huieisung von Petitionen gehört, als diese, die die elfässishen Spinner aufs tiefste verletzen müsse. Trotz aller Bedenken werde seine Partei für den Vertrag stimmen.

Staatssecretär Freiherr von Marschall:

Der geehrte Herr Vorredner hat meiner gestrigen Bemerkung gegen den Abg. Menzer“ eine Deutung gegeben, die ich mir nur daraus erklären fann, daß der geehrte Herr Abgeordnete niht im Hause anwesend gewesen ist und daher weder den Angriff des Herrn Abg. Menzer noch meine Entgegnunç gehört hat Es i} mir nicht eingefallen, mit irgend einem Worte den Grundsay aufzustellen, daß die Berathungen in einer freien Commission Geheimniß blei- ben sollen; im Gegentheil, ih bin der Ansicht, daß solche freien Commissionen den selbstverständlihen Zweck haben. die Abgeordneten über Details zu informiren, damit sie nachher im Plenum in der Lage find, von diesen Informationen Vebrauh zu machen, soweit nicht aus bestimmten Gründen die Bitte ausgesprochen ist, den einen oder anderen Punkt geheim zu halten. - Wogegen ih mich gestern gewandt habe, das war, daß der Herr Abg. Menzer einen einzelnen Ausdruck eines Regierungscommissars aus dem Zusammenhang herausgerissen (Widerspruch xcchts) und hier vorgebracht hat zu dem Zweck, den Herrn Regierungscommissar und die verbündeten Regierungen an- zugreifen; und da habe ih gesagt: wenn wir auf zwanglose Be- sprehungen mit den Herren Abgeordneten eingehen, so ist selbstver- ständlih Voraussetzung, daß nicht der eine oder andere mehr oder minder zwanglose Ausdruck vor die Oeffentlichkeit gebraht und zum Gegenstand einer Polemik gemacht wird, die, wie ih mich ganz milde auêdrücke, gestern einen gewissen agitatorishen Beigeshmack gehabt hat.

Der Herr Abg. Freiherr von Stumm hat dann gestern über die gestrigen Ausführungen des Herra Commissars der verbündeten Regierungen gesprochen und dabei diesen Ausführungen eine Deutung gegeben, dié nah dem Wortlaut und dem Sinn detselben nicht richtig war. Ich habe den Herrn Commisiarius dahin verstanden, daß er vergleichende Zahlen gab zu dem Zweck, um einmal die Schwierigkeiten darzulegen, in welhen fih die Unterhändler befanden, wenn sie von der Gegenseite eine Concession bezüglih eines Zollfsazes verlangten, und von der Gegenfeite erwidert wurde : euer eigener Zollsaß ift ja viel höher. Da müssen zuweilen Argumente angewandt werden, die die Gegenfseite nahher auch anwendet. Der andere Zweck, den der Herr Regierungscommissar verfolgte, war der, zu zeigen, wie übertrieben die abfälligen Urtheile über den s{chweizer Zolltarif gewesen sind. Zu dem Zwedcke hat er vergleichende Zablen über die beiderseitigen Zoll- tarife beigebraht. Daß derartige Zahlen nur einen relativen Werth haben, ift außer Zweifel. Ih darf den Herrn Vorredner daran er- innern, daß ih bei meiner einleitenden Bemerkung selbst gesagt habe: ‘es is eine mißlihe Sache, zwei Zolltarife zu vergleihen. Denn Zoll- tarife verschiedener Länder bilden in gewisser Hinsicht incommensurable Größen, weil vershiedene Zölle denselben Schuß und dieselben Zölle verschiedenen Schuß bedeuten. Wenn wir den deutschen Zolltarif mit dem s{weizer vergleichen, so wird “man s\chon deshalb ‘zu keinem genauen Resultat kommen, weil ja in den Zoll- einnahmen des deutschen Tarifs die Hohen Finanzzölle ent- : halten sind auf Kaffee und Petroleum »., weil ferner in den Zoll- einnahmen des deutschen Zolltarifs die Getreidezölle enthalten sind, die die Schweiz gar nicht kennt. Danach ist zweifellos, daß folche Vergleichungszahlen nur einen relativen Werth haben. Und unter diesen Umständen hat der Herr Commissar nicht beabsichtigt und nicht beabsichtigen fönnen , irgend eine Kritik an unseren Zolltarif zu legen.

Ich kann deim Herrn Vorredner zum Schluß nur noch sagen, daß ih vollkommen aufreht erhalte, was ich in meiner Rede aus- gesprochen habe, daß nämlich die verbündeten Regierungen “entschlossen sind, den Grundsaß der Stabilität auch ‘bezüglich des Schußes unserer nationalen Arbeit aufrecht zu erhalten. Das if die allein maßgebende und autorisirte Erklärung.

Abg. Möller (ul.): Er müsse leider feststellen, daß draußen im Lande diejenigen, die am Handelsvertrag interessirt seien, es nicht , verstehen könnten, daß ein Vertrag, der nach deut her Seite hin den Schuy vermindere, nach der belter Seite aber erhöhe, ein guter Vertrag sein solle. Besonders tade ten sie, vaß bié deutschen Negierungs-Com- missare den autonomen Tarif als Grundlage ihrer Verhandlungen angenommen hätten. Die Schweiz habe derartige Versuche, fich “einen autonomen Tarif zu construiren und diesen für die Verhand: lungen zu verwerthen, {hon früher gemacht ; doch sei ihr das immer mißlungen, insbesondere habe Frankrei bei den Verhandlungen von 1884 es abgelehnt, ‘sich darauf einzulassen. So, meinten weite Kreise des Volkes und auch die „Frankfurter Zeitung“ habe es aus- ; en, hâ.te auch die deutsche Regierung nit auf die:er Basis verhandeln: sollen; daun wäre vielleicht der Vertrag günstiger

: ausgefallen. ‘Es werde_immer gesagt: man solle fich die Verträge erst

- ansehen, wenn die Schweiz mit ihren Verhandlungen wegen der Handelsverträge mit anderen Ländern fertig wäre, ins esondere werde „man auf den Abschluß der Verhandlungen mit Frankreich vertröstet ; “die Schweiz hätte Deutschland gegenüber nit alle Trümpfe aus der i Hand eben dürfen. Wenn sich. aber die Nachricht bestätige, daß

die Schweiz ihren Unterhändlern Vollmacht gegeben habe, mit Frankreich äuf Grund ihres Conventionaltarifs und des französischen Miuimal-

tarifs zu verhandeln, dann wäre man um eine Jlusion ärmer und inüßte den Vertrag hinnehmen mit all den Trümpfen, welche die Schweiz in der Hand behalten habe. Er Mie erklären, daß, troßdem der Vertrag so - ungünstig sei, er doch aus ähnlichen Gründen, wie der Abg. Freiherr ven Stumm sie ausgesprochen habe, für ihn stimmen werde. Es rage sich “nun, wo liege das größere Interesse an dem Vertrage? ie Ein-

Uhr der Schweiz nach Deutschland sei ia den leßten zehn Jahren

_meistbegünstigt zu

gestiegen von 1415 auf 181 Millionen, während die deutsche Ausfuhr nah der Schweiz in den leßten Jahren sehr [Ewamend gewesen ge und jeßt- sogar nur 177 Millionen gegen 180 Millionen im Ja re 1880 betrage. Andererseits betrage der Handel der Schweiz mit Deutschland 28 9/9 ihres Gesammthandels, die Gesammteinfuhr aus Deutschland nah der Amen 29,6 %% und die Gesammtausfuhr nah Deutschland 26 9/6. Dagegen betrage das Gesammtinteresse Deutschlands an dem s{hweizer Handel 5 9/6, die Gesammteinfuhr aus der Schweiz nah Deutschland 4,4%, die Gesammtausfuhr nah der Schweiz 5,4 9/0. Von den 181 Millionen der shweizer Einfuhr nah Deutsch- land feien noch 70 Millionen für Rohseide abzuziehen, weil die Seide vor allem mercantile Operationen verlange; es blieben also noch etwa 110 Millionen lwetaerisGer Ausfuhr nah Deutschland. Dem gegenüber sei Deutschland mit 165 Millionen an der Schweiz inter- essirt, weil von den 177 Millionen noch 12 Millionen für Brenn- materialien abgingen. Deutschlands Interesse am Handel mit der Schweiz sei ae ein größeres. Es komme auch darauf an, wie der Gesammthandel eines Landes im Falle eines Zollkrieges sich stellen würde, und da glaube er, daß kein Land es verwinden könne, im Kriegszustand mit einem Lande zu stehen, an dem es mit 28 9/6 seines Gesammthandels interessirt sei. Die Lage Deutschlands gegenüber der Schweiz sei noh eine verhältnißmäßig glücklihe gewesen und weite Kreise im Lande seien der Meinung, daß man bei diesen Verträgen nicht alles herausgeholt habe, was hätte herausgeholt werden können. Das erkläre sich au aus der Art, wie die Verträge abgeschlossen worden seien. In der Schweiz habe man mit den Unterhandlungen Leute betraut, die mitten im geschäftlichen Leben ständen ; in Deutsch- land sei das nicht verträglih mit der ganzen Art, _folche Dinge zu behandeln. Wohl habe man reihlich Informationen eingezogen, aber man fönne unmöglih von bureaukfratisch gebildeten Leuten ein volles Verständniß der Forderungen des praktischen Lebens verlangen. Die Schweiz sei bei den Verhandlungen geshickt und ofen zu Werke gegangen; sie habe seit Jahren offen erklärt, daß sie darauf ausgehe, die Industrieen, die bei ihr noch nicht existirten, groß zu ziehen. Bisher fei das bei einjähriger Kündigun nicht möglich gewesen, nun aber könnten nah Ablauf der zwölf Jahre ‘des Vertrages die ent- sprechenden Zweige der shweizer Industrie mit der deutshen in Wett- bewerb treten, und Deutschland habe einen werthvollen Markt ein- ebüßt. Die Verzollung nah dem Bruttogewicht bedeute eine Er- böbung der Zollsäte, die bei den erhöhten Säßen des Vertrages theilweise bis 200 9% gehe. Die Beunruhigung industrieller Kreise wegen des passiven Veredlungsverkehrs sei unbegründet. Bis- her habe die Regierung die Befugniß gehabt, in jedem einzelnen Falle zu prüfen, ob der Veredelungsverkehr vortheilhaft sei. igentlihe Verbote seien aber nur selten vorgekoramen ; es habe also der Vertrag nur die geringe Zahl der Fälle vo1 pa‘sivem Ver- cdelungsverkehr erlaubt, die hätten verboten werden können. Für den Transitveredelungsverkehr fl aber für jeden einzelnen Fall die Prüfung vorbehalten, also der gefa rdrohende englische Wettbewerb abgewehrt. Er hoffe, daß der Vertrag niht die ungünstigen Wirkungen haben werde, die man voraussage. Seine Partei hoffe, daß durch Handels- verträge das System gebrohen werde, das durch 9 Curopa, ja durch die ganze Welt gegangen sei und überall die Schußzollmauern höher gezogen habe.

Staatssecretär Freiherr von Marschall:

Meine Herren, der geehrte Herr Vorredner hat im Laufe unserer Verhandlungen in so sahliher und in so dankenswerther Weise mit- gearbeitet, daß es mir fernliegt, gegen ihn zu volemisiren. Ih möchte nur einige allgemeine Bemerkungen an seinen Vortrag knüpfen. Es ist eine Thatsache, daß dieser Vertrag in weiten Kreisen gewisse Be- fürchtungen erregt. Ich verstehe au) vollkommen, daß es für Leute des praktischen Lebens nicht mögli ift, sich in den Irrgängen der Meistbegünstigung zurechtzufinden, daß sie einfäh den gegenwärtigen Zustand mit einem späteren Zustand vergleichen. Jh bin auch weit entfernt etwa den Interéssenten, die von ihrem Petitionsrecht Gebrauh macher und vielleiht Unrichtiges behaupten, mit einer anderen Waffe ent- gegenzutreten als mit einer rein \@hlichen Entgegnung. Aber ih muß doch immer wieder, auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, sagen, daß die weit verbreitete Anshauung, der neue Vertrag ent- halte ungünstigere Zollsätße als der alte, ein vollkommener Irrthum ist. Die Schweiz hat nah dem alten Vertrag uns gegenüber ctwa 24 Zollsäße gebunden, die einen Exportwerth von noch nicht 20 Millionen Mark darstellen, ungefähr ein Zehnte! unseres Exports nah der Schweiz; für neun Zehntel unseres Expor*s im Werth von über 150 Millionen Mark find in dem alten Vertrage keine Zollsäße festgestellt. Jn dieser Beziehung hatte alfo die Schweiz vollkommen freie Hand, die Zollsäße anzuseßen, wie sie wollte. Sie konnte freihändlerish, sie konnte schußzöllaerish, sie konnte probi- bitiv verfahren; sie hatte nur die eine Verpflichtung, uns behandeln, also, wenn sie sich Beschrän- kungen auferlegte, dieselben uns auh zu gute fommen zu lassen. Diese Vortheile, die wir aus der Meistkegünstigung genossen, waren zwar unentgeltliche, aber auch jederzeit widerruflihe, und da sage ich: wer eine Einnahme, die ihrer Natur nah in das Extraordinarium ge- hört, in das Ordinarium eiunstellt, der wird eines Tages ‘eine Ent- täuschung erleben, und gerade so geht es denjenigen Interessenten , welche sih mit den Meistbegünstigungssäßen sicher gefühlt, sie als ein wohl erweorbenes Recht betrachtet haben und nun, da die Verträge, auf denen sie beruhen, außer Kraft treten, sich vorwurfsvoll an die Regierung wenden und fragen: wo bleiben meine Zollsäße? Die Antwort is einfa die: wer sih auf die Dauer die Zollsäße sichern will, der darf seine Handelspolitik nicht auf die Meist- begünstigung allein stüßen, der muß chen Tarifverträge abschließen, und daraus ergiebt sich eben die Nüßlichkeit und Nothwendigkeit des Vorgehens der verbündeten Regierungen. Aber eine Erscheinung ist zweifellos die allermerkwürdigste in der ganzen Discussion, und das ist die, daß auch principielle Gegner der Handelsverträge und spectell der Tarifverträge den verbündeten Regierungen einen Vorwurf dharaus machen, daß die bisherigen Meistbegünstigungésäße mit der Schwciz avßer Kraft treten. Seit Wochen, seit Monaten weisen wir auf den

‘4. Februar hin und sagen: da treten alle Verträge außer Kraft, damit ver-

liert die Meistbegünstigung ihren Werth, also ist es nothwendig, anderweit Fürsorge zu treffen. Und nun, wo es so weit gekommen ift, wo der 1. Februar vorder Thür steht, werfeu die Gegner der Handelsverträge den verbündeten Regierungen vor, daß wir es verschuldet hätten, daß die gegenwärtigen Meistbegünstigungssäße nicht mehr gelten. Das Heißt die Sache auf den Kopf stellen. Die Meistbegünstigungssäße sind am 1. Februar unwiderraflih verloren, und die verbündeten Megierungen haben es erreiht, zu verhindern, daß nun die autonomen Zolltarife in Kraft treten. Sie haben also jedenfalls das Verdienst , daß cin günstigerer Zustand eintritt, als ex soust eingetreten wäre.

Der geehrte Herr Vorredner hat auch die Frage angeregt, ob die verbündeten Regierungen wohl daran gethan haben, den neuen s{weizerishen Generaltarif als Basis der Verhandlungen zu acceptiren, und er hac auf einen Vorgang aus \chweizerisch - französischen .Ver- handlungen vom Jahre 1881 hingewiesen. Damals lag - aber die Sache wesentlich anders. Damals hatte die schweizerishe Regierung, weil sie nicht sicher war, wie die Volksabstimmung eventuell ausfallen

würde, den neuen Zolltarif gar nicht definitiv in der Bundes- versammlung durchberathen lassen, sondern eine zweite Be- rathung vorbehalten, und in diesem Stadium hat die schweizerische Regierung bei der französishen den Versuch gemacht, diesen noch nit fertigen, noch niht Geseß gewordenen Zolltarif als Verhandlungsbasis einzuseßen und dagegen hat si der Minister Tirard in der Erklärung gewendet, die der Herr Vorredner verlesen ‘hat. Also damals stand die Sache ganz anders. Wir haben in dem Augenblick die. Verhandlungen abgebrochen, wie es infolge des Referendums zweifelhaft wurde, ob der Zolltarif Gese würde; nachdem die Volks- abstimmung zu Gunsten des Vertrages erfolgt war, haben wir die Verhandlungen wieder aufgenommen.

Es is mir aus den Worten des Herrn Vorredners nicht klar geworden, auf welcher Basis denn eigentliß die Ver- handlungen mit der Schweiz hätten stattfinden fönnen. Er hat in einer Weise gesprochen, die vermuthen läßt, daß er eigentlih eine Verabredung über einen Zolltarif a4 hoc voraus- seßte, denn er hat ausdrücklich zugegeben, daß der alte Tarif für die Schweiz wohl nicht als Vertragsbasis hätte benußt werden können.

Es ist im Laufe der Verhandlungen auch der allgemeine Vorwurf gegen die s{hweizer Regierung erhoben worden, daß sie es in der Ge- wohnheit habe, immer dann neue Zolltarife zu errichten, wenn ihre Vertragstarife ablaufen und Verhandlungen mit anderen Staaten bevorstehen. Das it ganz richtig, liegt aber in der Natur der Sache. Ein Land, das, wie die Schweiz, umfassende Tarifverträge hat, ist, fo lange diese Tarifverträge laufen, in der autonomen Zollgeseßgebung gehindert, es kann allenfalls partielle, aber niemals totale Revisionen der Zollsäße vornehmen, für solhe ist der Augenblick erst ge- kommen, wenn die Geseßgebung wieder freie Hand hat, das ist also, wenn die alten Verträge abgelaufen sind. Wir werden, meine Herren, uns demnächst ganz in derselben Lage befinden, wir werden uns nah 12 Jahren der Pflicht nicht entziehen können, unseren autonomen Zolltarif zu revidiren, wir haben daher gar keinen Anlaß, jeßt das Prinzip aufzustellen, daß Zolltarife, die umnittelbar vor dem Eintritt von Verträgsverhandlungen errichtet werden, Popanze oder Papiercxistenzen werden. Wenn wir in zwölf Jahren unseren autonomen Tarif revidiren vnd dann irgend ein Staat den neuen Tarif als Vertragsbasis nicht annehmen wollte, glaube ich, würden wir uns das aufs entschiedenste verbitten, und auch im internationalen Leben gilt der Grundsaß: „Was du nicht willst, was man dir thu?“ u. \. w.

Der Herr Vorredner hat dann die Chance eines eventuellen Zollkrieges abgeroogen und dabei hervorgehoben, daß gerade die Schweiz ein stärkeres Interesse habe an der Aufrecht- erhaltung wirthschaftliher Beziehungen mit Deutschland als Deutsch- land umgekehrt mit der Schweiz. Das ist ganz richtig, und troßdem würde dieses Verhältniß allein keine genügende Basis geben, um darauf allein die bestimmte Hoffnung eines glücklichen Er- folges zu gründen. Gewiß würde die Schweiz dur eine Absperrung gegen Deutschland sehr schwer leiden, denn die Schweiz ist auf ihren Export angewiesen. Jch könnte mir aber immerhin denken, daß cs Staaten giebt, welche in einem wirthschaftlichen Bruch zwischen Deutschland und der Schweiz eine schr wünschenswerthe Gelegenheit erblicken könnten, nun ihrerseits der Schweiz entgegenzukommen unter der Vorausseßung, daß ihnen der shweizerische Markt eröffnet werde. Und fo köunte es

shließlih dahin kommen, daß wir im Vertrauen auf unsere Stärke

einen Kampf beginnen, shließlich aber zum Resultat kämen, daß wir die Geschäfte Auderer geführt haben. Nun, meine Herren, bin ih der Ansicht, daß, wer Vertragsverhandlungen führen will, sich nicht lediglich auf den Standpunkt stellen darf, zu fragen, was wir wünschen, sondern was wir von dem Anderen billigerweise verlangen können. Es ist durchaus kein unbilliges Verlangen seitens der Schweiz, wenn sie, nach alledem, was. fie erfahren hat seit 10 Jahren, nun auch ihrer- seits thren Zolltarif erhöht. Deutschland hat im Jahre 1885 scine Zölle gegen die _Schweiz erhöht, es is Oester- rveih nachgefolgt, desgleilhhen Italien im Jahre 1887, und \hließlich is durch die neueste französishe Gesetzgebung auch der Ring nah der Westseite geschlossen. Jch meine : wer das ins Auge faßt, wird nicht sagen köunen, daß es eine unbillige Zu- muthung feitens der Schweiz an uns war, daß sie einen neuen höheren Genctaltarif bei“ den Vertragsverhandlungen zu Grunde legt.

Ich kann Sie nach alle dem nur bitten, auch diesen Vertrag zu genehmigen, uud denjenigen Herren, die beeindrückt sind von den Be- unruhigungen, die vielfach in weiten Kreisen bestehen, möchte ih doch das eine entgegenhalten : sehr viele von denen, die heute nah wirth- schaftlihem Bruche und nah Zollkriegen rufen, sind nur deshalb so energisch, weil fie die beruhigende Gewißheit haben, daß der Reichstag av diesen Vertrag mit großer Mehrheit genehmigen wird. (Heiterkeit.)

Abg. Broemel (dfr.): Man habe Unrecht, fich über dic Zoll- erhöhung der Schweizer zu beklagen, Der s{hweizer Zoll für Woll- waaren z. V. betrage nah dem Vertrage nur 55 §80 Fr. für ‘den Doppelcentner, der deutshe 130—220 4 Was die Ausfuhr betreffe, so seien die Interessen, die sih gegenüberständeu, in ihrer

j} Bedeutung für das wirthschaftlihe und industrielle Leben gleich,

und der Abg. Dr. von Bennigsen habe mit Recht gesagt, daß das Interesse der deutsdhen Ausfuhr nah der Schweiz dem Umfange und Werthe nah viel größer sei als das der Schweiz nah Deutschland. Er bleibe dabei, daß die elfässishen Spinnereien infolge der Zoll- ermäßigung von durchschuittlih 9 „Z für das Kilogramm niht mehr als 36000 ## Verlust haben würden. Wenn der Abg. Pr. Petri meine, er (Redner) hätte sich wahrschein- lich um eine Null geirrt, so habe er für diese Behauptung au nicht den Schatten eines Beweises beigebracht. Ganz mit Recht habe der Abg. Dr. Barth angesichts dieser großen capitalkräftigen Jndustrie diesen Zollverlust als eine Lumperei bezeichnen können. Die Petition der elsässishen Spinner gehe mit den Zahlenangaben in einer Weise um, daß er sagen müsse: er habe in den 0 Jahren seiner parlamentarishen Praxis eine so übertriebene Art, den LOGELA zu verwirren, noch nicht erlebt. Der Abg. Freiherr von Stumm habe behauptet, daß zu der Zeit, als er (Nedner) die „Freihandelskorresyon- denz" herausgegeben habe, diese niht eine einzige richtige Zahl gegeben habe. Er verzichte darauf, in diesem Augenblick den BVe- weis zu liefern, daß - diese Behauptung falsch sei. Es wäre spott- billig, den Abg. Freiherrn von Stumm in diesem Augenblick daran zu erinnern, welchen Gebrauch er von sciner wirthschaftlichen Macht- fülle mache. Deun es stehe außer Zweifel, dcß, wenn es irgend einen Fabrikanten im Deutschen Reich gebe, der durch sein Auftreten gegenüber den wirtbschaftlih Sch{chwächeren die Bestrebungen der Socialdemokratie zu fördern bestrebt gewesen sei, so sei es der Abg. Freiherr von Stumm im „Königreih Stumm“ gewesen. Er weile dicse Art der Behandlung eines Gegners weit von sich ab, und er hoffe, daß sih in diesem Hause cine solche Kampfesweise nicht cin“ bürgern werde. j | S Abg. von Vollmar (Soc.): Seine Partei sei L den Handels- vertrag mit der Schweiz, wenn auch manche Zollpositionen ihr be-

gesammt also für 40 000 Arbeiter 44 Millionen Mark.

tragslose Zeit unter allen . auf ihn ganz gewiß nicht.

denklih erschienen. Ucbrigens habe man nah den gründlichen Aus-

führungen in der Presse viel bessere Beweife für die nachtheiligen

Einwirkungen des s{weizer Vertrages auf die Industrie hier er- warten müssen, als erbracht worden scien. Ob die Berechnung des Abg. Dr. Petri oder die des Abg. Broemel über den der Tertil- Industrie voraussichtlich erwachsenden Schaden richtig sei, sei

ggnz gleichgültig, der Schaden sei verschwindend klein gegenüber der :

edeutung dieser Industrie, zudem betrage der shweizer Zoll in Zukunft nur 7 Fr., der deutshe immer noch 24 Æ( Man fklage auch über die großen Lasten, die der deutschen Industrie im Vergleich zur s{hweizer aus den focialpolitishen Geseßen erwüchsen; folche Gesetze habe die Sei freilich niht, wohl aber den Normalarbeitstag und ein strenges Fabrikgesez, das ihrer Industrie viel größere Opfer auferlege. Abg. Freiherr von Stumm meine, der Schaden, der der elsässischen Textilindustrie aus dem Vertrage erwachse, würde die Fabrikanten ins französische, die Arbeiter ins fozialdemofratische Lager treiben; er (Redner) stelle fest, daß der Abg. Freiherr von Stumm eine, wenn diese Millionäre einen kleinen wirthschaftlichen Schaden bätten, gingen sie zu den Franzosen über! Außerdem seien aber die Fabrikanten in Mülhausen {hon heut Protestler, die Ar- beiter Socialdemokraten. Uebrigens werde der Abg. Broemel, dessen heutige Ausführungen er im Uebrigen unterschreibe, damit auch keinen Wall gegen die Socialdemokratie errihten die Socialdemcokraten zögen eben Nuyen von der Schugzöllnerei, wie vom Freihandel. Die Klagen der Textilindustrie E an die falsche Adresse gerichtet, eigentli müßten fie sih gegen die Rohmaterialpreise richten. Der Abg

reiherr von Stumm habe gestern gemeint, das Schußzollsystem habe die Phen Löhne und einen ungeahnten Wohlstand veranlaßt. In der That in Deutschland durchaus niht hoch,

seien die Löhne zumal

- mit Rücksicht auf die durh die Getreidezölle veranlaßte Theuerung.

Die Regierung selbs habe sid genöthigt gesehen, von dem Schuß- zoll etwas abzubröckeln; sie fage zwar, es solle mit diesem Abbröeln. nicht fortgefahren werden, und er glaube, daß sie den Willen dazu habe, aber dabei nüße kein Wille, sondern die Verhältnisse scien ausschlaggebend,“ und nah weniger Zeit als nah zwölf Jahren werde man in dieser Beziehung große Wunder erleben. Darum meine er, daß die Ansicht der Abgg. Freiherr von Stumm und Pr. von Benuigsen, man würde jeßt zu einer dauernden Sta- bilität kommen, unrichtig sei. Dem Abg. Dr. von Bennigsen scheine ‘diese Nuhe und Stetigkeit das leßte Mittel zu fein, um dem liberalen Bürgerthum in Deutschland mehr Einfluß zu geben. Er (Redner) i überzeugt, daß das liberale Bürger- thum den dazu nöthigen Zeitpunkt versäumt habe, und jeßt habe der vierte Stand, die Socialdemokratie, viel zu viel Macht ge- wonnen, als daß dás liberale Vürgerthum noch wesentlichen Einfluß ewinnen könnte. Der Abg. Dr. Petri habe gemeint, der schweizerische Partao habe, im Gegensaß zu dem österreichishen und italienischen, feine politische, sondern nur commerzielle Bedeutung. Er (Redner) könne das nicht zugeben. Deutschland habe mit der Cinführung des Schußzolles, wenn nicht den Anfang gemacht, so do den Ausschlag gegeben. Die Schußzollpolitik habe auh auf die politischen Ver- e ungünstig eingewirkt. Es sei nunmehr Deutschlands Pflicht, ei der Nückkehr von dem Schußzollsystem die Führung zu über- nehmen; müsse nian dabei Opfer bringen, so sei das die Folge der früheren Sünden. Uebrigens feien die Nachtheile, die Deutschland daraus erwüchsen, kleiner, als die Vortheile, und, abgesehen von allem Kleinkram, liege ein Vortheil namentlich darin, daß in dem Maß der Ausdehnung der deutschen Verträge die anderen Staaten \sih dem Reiche freundlich erweisen würden. Das sei das beste Mittel, die S in Frankreich und Spanien zu isoliren, und das müsse Deuts lands Aufgabe für die nächste Zeit sein. Ju diesem! Sinne werde seine Partei für den Vertrag stimmen, und er füge nur den Wunsch hinzu, daß dieser Vertrag nicht der leßte seiner Art sein möge, sondern er wünsche vielmehr, vop diese Verträge weiter aus- gebaut uad mit anderen Staaten auch solche abgeschlossen werden mögen zu gegenfeitigem Nußen, sodaß ste zu freundschaftlichen Ver- hältnissen mit immer mehr Staaten führten.

bg. Menzer E Er weise auf das entschiedenste die Unterstellung zurück, als habe er bei seiner gestrigen Klage im Inter- esse der Reßhaarfabrikanten agitatorishe Tendenzen verfolgt. Er habe sih ven vornherein als loyaler Gegner bekannt und \ih vor- behalten, sih überzeugen zu lassen. Er habe auch keine Indiscretion durch seine gestrigen Mittheilungen aus der freien Commission be- gangen, denn die verschiedensten Redner hätten auf diese Verhand- lungen Bezug genommen. Nachdem das fogar der Regierungscommissar gethan, habe er keine Veranlassung gehabt, mit der Erwähnung jenzr Aeußerung eines Regierungscommissars zurückzuhalten, die er auf eine ruhige und sachliche Frage gemaht habe. Den gestrigen An- griff des Staatssecretärs Freiherrn von Marschall habe er also nicht verdient. Hätten ihm die Aufklärungen in der Commission genügt, so hätte er gern noch in leßter Stunde für den Vertrag Via nun sei es thm unmöglich. ;

Abg. Hickel (Soc.): Mit der Löhnung ihrer Arbeiter hätten es die elsässishen Fabrikanten niht so genau genommen, wie mit diesem Vertrag, denn sie hätten, um nicht selbst den Nachtheil der ungünstigen Lage ihrer Industrie zu tragen, die Löhne herabgeseßt. Vet Herrn Schlumberger in Mülhausen habe eine Weberin früher in vierzehn Tagen 30 M, jeßt nur 16 M verdient und dazu kämen noch Geldstrafen. Die Elsässer übertrieben hier die Schädigung der Industrie duch den Vertrag gerade so, wie der Abg. Dr. Simonis es beim italienischen Weinzoll- gethan habe.

Abg. Winterer di k. &.): Die Elsässer übertrieben nicht, sondern thäten aur ihre Pflicht. Seine Devise sei nicht auf Agitation, sondern auf Ueberzeugung und Pflicht gegründet. Er habe bei diesen Vragen ganz besonders die Arbeiter im Auge. Der Abg. Hil sollte wissen, daß die Lage der Arbeiter im Elsa schr gedrückt und cine große Zahl arbeitélos sei. Er (Redner) befürchte von dem Vertrag, daß die Lage der Industrie noch E er werden könne als jeßt. Die Production in Mülhausen sei {hon E und eine weitere Befchränkung - auf drei Monate sei {on eshlossen. Er werde seine Stellung „vor der Arbeitershaft von Mülhausen wohl zu bercitworten wissen, die übrigens nicht socialdemokratisch fei, denn bei der lezten Wahl hätten die Socialdemokraten von 10 000 ab- egebenen Stimmen nur 2600 gehabt. Mülhausen habe 22 000 Arbeiter, sei Industriestadt, und alles hänge vom Zustande der Zndustrie ab, die insgesammt im oberen Elsaß 40 000 Arbeiter be- schäftige. Der Durchschnittslohn betrage nach- der Lohnstatistik der Berufsgenofsenfchaften 606 4 jährlih in dèr at ene n

enn dur den Vertrag eine Beschränkung von 20 bis 25% eintreten sollte, ias Gott verhüten möge, dann könnten die Arbeiter nicht begreifen, weshalb mau hier niht das Wort genommen habe. Er habe e enfalls Verkehr mit den Arbeitern, mchr als mit den Fabrikanten, aber er werde si niht von der Socialdemokratie Nath erholeu , was er zu thun habe.

, Abg. Graf von Kanißt (conf.): Er lege dagegen Verwahrung ein, daß die elsässischen Arbeitgeber die Löhne herabgeseßt haben sollten, um den Unterschied zwischen den früheren und den jeßigen in ihre Tasche zu stecken. Wenn die Löhne von 30 auf 16 1 gesunken seien, so sei daran der Rückgang des Preises der Waare und der Rückgang des Absaßes huld. Gerade die, welche si Vertreter der Arbeiter nennten, follten Bedenken tragen, für einen Vertrag zu stimmen, der: die Ausfuhr verhindere und den qusländischen Wett- bewerb erleichtere. Die Aeußerung des Staatssecretärs, daß Viele N „den Vertrag stimmten, weil er doch mit großer Mehrheit angenommen werde, während sie eine ver- Umständen vermeiden wollten, passe 1 l Er habe keine Bedeuken gegen eine vertragslose Zeit, denn der jeziger Vertragstarif mit der Schweiz

énthalte ganz unwichtige Positionen, und man habe bis 1883 über-

haupt ohne Vertragstarif gewirth si i

( haftet und sih ganz wohl dabei gesunden: Er bedauere, daz auf deutscher Seite auf diesen Vertrags- ù E so großer Werth gelegt sei, denn die Schweiz habe das erkannt nd fei deshalb rückhaltloser mit ibren Forderungen hervorgetreten. "e Franzosen bâtten nicht solhe Eile, sie warteten ruhig, bis sie

bessere Bedingungen bekämen. Die gestrigen Ausführungen des Re- gierungscommifsars seien für ihn die lehrreichsten aus den ganzen Ver- A E aen: denn er habe die Gründe offenbart, die für die Regierung maßgebend gewesen seien, um im österreichischen Vertrage Concessionen zu machen ohne entsprechende Gegenleistung, und den shweize- rischen Vertrag habe der NRegierungscommisfsar gestern damit vertheidigt, daß die deutschen Ee immer noch höher seien als die schweizerischen. Der Staatssecretär Freiherr von Marschall habe allerdings diese Aeußerung in anderem Lichte darzustellen gesun: der Regierungs- commissar habe nur auúf die Schwierigkeiten der Verhandlungen hin- weisen wollen. Warum habe sich der egierungscommissar die shwie- rige Arbeit gemacht, die einzelnen Durchschnittszölle zu berechnen ? Danach scheine do zuzutreffen, was er (Redner) vor sech3 Wochen gesagt habe, daß ein gewisser freihändlerisher Geist aus den Verträgen wehe. Weil die deutschen Zölle höher gewesen, seien sie herabgeseßt worden ; wohin folle man mit solcher Politik kommen? Deutschland habe in- folge des schweizerischen Generaltarifs bei diefen Verhandlungen den kürzeren gezogen. Wenn es richtig sei, daß die elsässishen Spinnereien nur für den Bedarf der C Weberei arbeiteten, weshalb habe man denn die deutschen Zölle herabgeseßt und eine Erhöhung der [PweuexisGen zugelassen? Die en lischen Garne würden jeßt mehr als bisher ihren Weg nah Deutsch and finden, um so mehr, als die englishe Garnausfuhr nah Amerika infolge der Mac Kinley-Bill sehr erheblih zurückgegangen sei. Keiner würde sich mehr freuen als er, wenn seine Befürhtungen nit einträfen, aber besser sei es, den Vertrag abzulehnen.

Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Die Freihändler hätten 1879 behauptet, daß unter dem neuen Zolltarife der ganze Holz- und Getreidehandel von Danzig und Königsberg zu Grunde gehen würde: Diese Prophezeiungen \eien nit eingetreten. Der Abg. Broemel habe wieder von einem „König“ Stumm gesprochen, aber in dem Districte dieses „Königs“ Stumm gebe es keine Socialdemokraten. Eine deutsche Lohnstatistik gebe es noch nicht, aber aus einer ihm vorliegenden Arbeit ersehe er, daß eine erheblihe Lohnsteigerung von 20 bis 30 9/6 seit 1879 eingetreten sei; und er sei bereit, den Beweis dafür zu liefern. Der Zolltarif von 1879 habe Deutsch- land auf eine vorher ungeahnte Höhe gehoben, das fönne niemand be- streiten. Und auf diesem Standpunkte bleibe er stehen.

_Abg. Dr. Barth (dfr.): Die „Freihandels-Correspondenz“ habe er stets aufmerksam gelefen, ‘die dort gegebenen Zahlen feien sämmt- lich richtig und wenn der Abg. Freiherr von Stumm sage, es sei in jener Correspondenz behauptet worden, durch die Getreide- und Holzzölle würde der ganze Getreide- und Holzhandel von Königsberg und Danzig vernichtet werden, so könne er nur sagen, eine folhe Be- hauptun abe niemals darin gestanden. Allerdings sei häufig und mit Recht hervorgehoben worden, daß die Getreide- und Holzzölle hon in dem kleinen Maßstabe von 1879 dazu bei- tragen würden, diesen Handel in den Ostseepläten zu schädigen, und diese Schädigung sei in der That eingetreten. Der Abg. Winterer habe darauf aufmerksam gemacht, daß die Verhältnisse im Elsaß ungünstig lägen und sih noch vershlimmern könnten. Wenn das geschehen sollte, so stehe das durchaus in gar feinem Causal- zusammenhang mit jener Verminderung der ölle auf Feingarn. Die Herren seien immer bereit, alle Sétiertei, die in Zukunft er- folgen könnten, zu erklären aus dem nicht genügenden Zollshuz. Es handele fich hier übrigens nur um 36 000

Darauf wird die Generaldiscussion geschlossen und in der Specialdiscussion die einzelnen Theile des Vertrags ohne Be- sprechung genehmigt, desgleichen der Vertrag im ganzen.

Darauf berichtet der Abg. Büsing (nl.) über die Be- rathungen der Commission, welche die Vorlage übér die An- wendung der vertragsmäßigen Zollsäße ait Getreide vor- berathen hat. Die Commission hat der Vorlage folgende Fassung gegeben: B

Ausländishes Getreide (Weizen, oggen, Hafer, Gerste, Mais und Hül enfrüchte) wird bis zum 30. April 1892 ein- e ohne Nachweis der Abstammung aus Vertrags- taaten oder meistbegünstigten Ländern zur Entrichtung der für diese Getreidearten am 1. Februar 1892 in Kraft treten- den ermäßigten Zollsäße zugelassen. Die Bestände an ausländishem Getreide, welhe nah amtlicher Fest- stellung am 1. Februar 1892 den Jnhabern von Mühlen auf Zollconto angeschrieben und in den der Zoll- behörde angemeldeten Räumen in Form von Körnern ‘oder Mehl leßteres unter Zugrundelegung des festgeseßten Aus- beuteverhältnisses berechnet gelagert sind, sind, soweit dieselben bis zur Abrechnung nicht zur Ausfuhr gelangt sind, ohne Nachweis der I aus Vertragsstaaten oder meist- begünstigten Ländern bei der Abrechnung zu den am 1. Fe- S A 1892 in Kraft tretenden ermäßigten Zollsäßen zu verzollen.

Außerdem ist die Vergünstigung der Vorlage ausgedehnt worden auf das Bau- und Nugzholz aus Nr. 13 c 2 und 3 dès + Se, Buhl ( j gy

dg. Dr. Buhl (nl.) beantragt eine gleiche Vergünsligung au für die ausländischen Weine. :

Die Vorlage hatte die Einfuhr zum A Zollsaße nur dem auf den Transitlagern und in den Zollausshlüssen vorhandenen Getreide zugestanden, die shwimmenden Ladungen aber ausgeschlossen.

Reichskanzler Graf von Caprivi:

; Wie die verbündeten Regierungen \sich zu dem vorliegenden Antrag im einzelnen stellen werden, bin ih mit Gewißheit zu über- sehen zur Zeit niht im stande. Jch glaube mih aber nicht wesent- lih zu irren, wenn ih annehme, daß die materiellen Erweiterungen der Regierungsvorlage, soweit sie si auf die Mühlenlager und was dazu gehört, sowie auf das Holz und auf den Wein beziehen, für die verbündeten Regierungen wenigstens nit unannehmbar sind. Welche Wahrscheinlichkeit vorliegt, daß der eine oder der andere dieser Punkte den Regierungen annehmbar erscheint, vermag ih nicht abzusehen; aber unmöglich is ihre Annahme nicht.

Anders dagegen liegt die Sache in Bezug auf die Veränderung, welche die Commission dem Gesetzentwurf, wie ihn die verbündeten Regierungen vorgeschlagen haben, gegeben hat. Diese Veränderung stellt sich. einfa dar als eine Ausdehnung des Meistbegünstigungs- rechts auf sold)e Staaten, denen dies Recht nicht zusteht. Es interessirt uns im Augenblick nicht allein Rumänien, sondern die verbündeten Regierungen haben ins Auge gefaßt, auch noch mit anderen Staaten in Verhandlungen einzutreten. Die Getreide- mengen, die in den Transitlagern und dem, was dazu gehört, in Deutschland vorhanden sind, sind so reihlich, daß von einer Schwierigkeit der Volksernährung für die nähste Zeit keine Rede sein kann. Wenn die Oeffnung dieser Transitlager einen Einfluß auf die Preisbildung hat, wie wir hoffen, was aber Niemand nah den Erfahrungen, die wir seit dem leßten Sommer gemacht haben, mit einiger Gewißheit voraussehen kann, so wird die Preiserniedrigung eintreten und nicht dadur alterirt werden, ob der Regierungsvorschlag angenommen wird, also lediglich die Lager aufgema{ht werden, oder ob der Vorschlag der Commission an-

| genommen wird, und noch bis zum 1. April diese Einfuhr auch den nit meistbegünstigten Staaten zu dem niederen“ Zollsat ge- stattet wird.

Der Umstand, der die verbündeten Regierungen veranlaßt oder veranlassen wird, gegen die Aenderung in Bezug auf Getreide, wie sie die Kommission vorgeschlagen hat, bestimmt Stellung zu nehmen, liegt eben darin, daß wir im Begriff sind, mit anderen Staaten zu verhandeln, und daß uns bei den Verhandlungen auf dem Wege, den wir weiter gehen wollen, ein sehr erheblihes Hinderniß aus der Annahme der Kommissionsvorshläge erwachsen würde. Dieses Hinder- niß ist so erheblih, daß ih mich nicht zu irren glaube, wenn ich- annehme, der Commissionsvorshlag in Bezug auf das Getreide ist für die verbündeten Regierungen unannehmbar und würte das ganze Gese scheitern laffen.

Ueber die hierzu eingegangenen Petitionen berichtet der Abg. Dr. Witte. Er beantragt, sie durh die gefaßten Be- {lüsse für erledigt zu erklären.

Reichskanzler Graf von Caprivi:

Ich habe meiner ersten Erklärung hinzuzufügen, was ich da vergaß : daß die verbündeten Regierungen auf alle Fälle bereit sind, in Bezug auf den Nachweis des Ursprungs Formalitäten zu wählen, die auchß den Be- sißern von Lagern die Sache so viel wie möglih erleihtern werden, und zweitens, daß der Bundesrath heute beschlossen hat, dem Hause eine Gesezesvorlage zugehen zu lassen, welche dahin geht: Der Bundesrath wird ermächtigt :

Vom 1. Februar 1892 ab die für die Einfuhr nah Deutsch- land vertragsmäßig bestehenden Zollbefreiungen und Zollermäßi- gungen aud) solhen Staaten, welche den Vertragsanspruch hierauf nit haben, gegen Einräumung angemessener Vortheile ganz oder theilweise bis längstens zum 1. Dezember 1892 zuzugestehen.

Die Herren werden auch hierin, wie ih hoffe, erkennen, daß die verbündeten Regierungen willens sind, in den Erleichterungen so weit zu gehen, als es mit ihrer Stellung und ihren Verhandlungen anderen Mächten gegenüber möglich ift.

Abg. Rickert (dfr.) beantragt nach dieser wichtigen Er- klärung des Reichskanzlers die Unterbrehung- der Berathung, damit man sich über ihre Tragweite klar werden und dem- entsprehend zu der Vorlage Stellung nehmen könne.

Das Haus stimmt dem zu.

Schluß 51/5 Uhr.

Sizung vom Dienstag, 26. Januar, Abends 81/2 Uhr.

Die Abkommen zwishen dem Reich und Oester- reih-Ungarn und mit Jtalien über den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschuß wurden in dritter

Verathung en bloc angenommen.

Sodann ' wird die zweite Berathung des Gesetent- wurfs, betreffend die Anwendung der vertrags- mäßigen Zollsäßze auf das am 1. Februar 18992 in Deutschland vorhandene Getreide, fortgeseßt. Dazu ist inzwischen ein Antrag der Abgg. Dr. Böttcher, Dr. Buhl, Fürst Haßfeldt, von Helldorff, Freiherr von Man- teuffel, Rickert und Dr. Witte eingegangen, der die ver- tragsmäßigen Zollsäße auch auf die in den Transitlagern be- findlichen Weine angewendet wissen will, der aber. von der von der Commission beantragten Ausdehnung der Ermäßigung auf das gesammte vom Auslande einzuführende Getreide absieht. Es würden danach die ermäßigten Zollsäße auf das am 1. Fe- bruar in Transitlagern u. st. w. befindlihe Getreide, Mehl, Holz und auf Wein anzuwenden sein.

Staatssecretär Freiherr von Malgahn: f

Meine Herren! Jch will mih in meinen Worten auf die beiden ersten Absäße desjenigen Antrags beschränken, welcher JFhnen unter Nr. 615 der Druckfachen vorliegt, auf diese beiden Absäße, welche entsprechen den beidèn ersten Absäßen Ihrer Commissionsbeschlüsse mit der Maßgabe, daß nah dem Abänderungsantrag der Herren Dr. Böttcher und Genossen an Stelle des ersten Absatzes Jhrer Com- missionsbeshlüsse die ursprünglihe Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt werden soll.

Daß der crste Absaß Ihrer Commissionsbeschlüsse bei den ver- bündeten Regierungen voraussichtlih so erheblichen Bedenken begegnen würde, daß bei sciner Annahme die Annahme des ganzen Gesetzes im Bundesrath gefährdet wäre, hat der Herr Reichskanzler heute Morgen hier im Hause erklärt, und er hat auhÿdie Gründe, welche ihn zu dieser Ueberzeugung bringen, Ihnen dargekegt. Es bleibt mir hier nur übrig, gegenüber einer Ausführung des Herrn Referenten einige Worte zu sagen.

Der Herr Referent hat den ersten Absaß Ihrer Commissions- beshlüsse mit dem Hinweis darauf vertheidigt, daß bei den früheren Zollerhöhur gen man doch dur Einführung einer angemessenen Ueber- gangsbestimmung für die Interessen der betheiligten Kreise Vorsorge getroffen habe. Jch kann aber nicht anerkennen, daß bei diesem Gesetz, daß im gegenwärtigen Moment die Sachlage die gleile wäre wie damals. Bei ver früheren Erhößung der Kornzölle handelte es ih darum, den Jmporteur von Korn gegen eine Schädigung durch die Kornzollerhöhung zu {hüßen, welche beim Abschluß des von ihm ge- schlossenen Vertrags noch nicht existent war. Jm gegenwärtigen Monient handelt es sich darum, ob man dem JImporteur, welcher unter der Herrschaft der hohen Kornzölle seinen Abschluß gemacht hat, den Vortheil der Erniedrigung der Kornzölle zuführen müsse.

Das ist meiner Meinung nach eine wesentli andere Lage, die es auch

rechtfertigt, daß man anders verfährt. als damals.

Was nun den zweiten Absaßz betrifft, der sich mit den Mühlen- lägern beschäftigt, so werden Sie aus den Ausführungen des Herrn Reichskanzlers wohl geschlossen haben, daß, wenn troß aller Be- denken der Reichstag hier bei den Commissionsbeschlüssen bleiben sollte, es doch niht ausgeschlossen wäre, daß die verbündeten Re- gierungen einem solchen Beschlusse des Reichstags zustimmen. Aber die Bedenken gegen den Beschluß Ihrer Commission bestehen un- vermindert fort, und es ist meine Pflicht, hier im Plenum des Reichs- tags diese Bedenken noch einmal vor Ihnen und vor dem Lande klar darzulegen.

Diese Bedenken gegen die Hineinbeziehung der Mühßlenläger sind nicht etwa finanzieller Natur, sondern sie beruhen in der Erkenntniß, deß der Reichstag, wenn er hier dem Beschlusse seiner Commission beitreten würde, in der Absicht, eine angebliche aber nicht wirklich vorhandene Unbilligkeit zu beseitigen, nur eine weit \{chwerere Unbilligkeit einführen würde. Meine Herren, ih sage, eine Unbillig- keit, die zu beseitigen ist, liegt überhaupt hier nicht vor. Erinnern Sie sich’ daran, daß die Inhaber der Mühlenläger ihrer Zeit bei der Er5öhung der Zölle für die volle Abrehnungszeit von 6 bis 9, durch- \{chnittli} 8 Monaten, die niedrigeren Kornzollzölle genußt haben,