1892 / 32 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Theater und Musik.

Königliches Opernhaus.

Gestern wurde Wagner's „Tannhäufer“ zum 300. Male ge- eben. Herr Sylva fang die Titelrolle, Frau Sucher die Venus, Sräulein iedler die Elisabeth, Herr Stammer den Landgrafen, rr Bulß den Wolfram, Frau Herzog den Hirtenknaben. Leider waltete fein günstiger Stern über der Vorstellung, wenigstens niht im ersten Act. Der Chor, fowohl der der Najaden wie der der Pilger, sang nicht mit der sonst üblichen Präcision, und Herrn Sylva's üppige, volltönende Stimme war zu unruhig und unstät, als daß der Hörer zu einem reten Genusse fommen konnte. Dagegen wurden Frau Sucher, Fräulein Hiedler, Herr Stammer und Herr Bulß allen Anforderungen gere: insbesondere gilt dies von der erstgenannten Dame, deren Venus eine ihrer vorzüglichsten Nollen ist. Fr. Peroge etwas A Herne: und doch dabei zierliche, feine und frishe Stimme erwies sih für die Partie des Hirtenknaben als sehr gut geeignet. Die erwähnten Mängel brauchen umsoweniger vershwiegen zu werden, als dadurh das Gesammturtheil über die gerade in den leßten Jahren hervorragenden und außerordentlichen Leistungen der König- lihen Bühne in keiner Weise beeinträhtigt werden kann; auch der Kunst spielt zuweilen der böse Zufall einen Streich, der aber nur dazu beitragen kann, die sonstigen Leistungen um fo glänzender er-

scheinen zu lassen. Sing-Akademie.

Eine junge sehr begabte Sängerin, Fräulein Marie Bluhm aus Lübben, Tochter des dortigen Musikdirectors, ließ sich gestern zum ersten Male hören. Ihre weiche, schr wohlklingende Mezzosopran- stimme ist aufs sorgfältigste ausgebildet. Dies zeigt fih in der leihten Behandlung der Höhe, in der Reinheit der Intonation und dem geshickten Verhüllen des Athemansates bei längeren Bindungen der Töne. Hierzu kommt eine seelenvolle Art des Vortrags, die besonders in den beiden, auch von Fräulein Barbi jüngst gesungenen altitalienischen Arien: „Morir voglio“ von Astorga und „Star vicino“ von Sal- vator Rofa vortrefflih zur Geltung kam. Ein gleiches Lob verdient die Ausführung von Schumann's „Mignon“, einiger Lieder von Schubert und Brahms und der originellen slavischen Volksweisen von Procházka. Die Pianistin Fräulein Alice NReinshagen aus Moskau, die sich schon im vorigen Jahre hier hören ließ, unterstüßte das Concert dur einige Clavierstüke von Schumann, Schubert, Paderewski, Rubinstein, Chopin Brahms und Liszt. Ihre gut geschulte Technik, sowie ihre meist sehr eingehende Vortragsweise würden den Inhalt noch klarer darstellen, wenn nicht mitunter ein Uebermaß des Pedalgebrauchs daran hinderte, wie dies zum Beispiel in den Allegrosätßen der Schumann’schen Phantasie und in der Staccato-Etude von NRubinstein der Fall war. Das zahlreich er- schienene Publikum spendete beiden Künstlerinnen reichlihe Beifalls-

bezeugungen.

Die „Münchener“ ‘im Belle - Alliance - Theater werden, da der „Herrgottshnizer von Ammergau“ sich sehr zugkräftig erweist, die angekündigte Neuheit „Der Nothhelfer“ erst Mitte der nächsten Woche zur Aufführung bringen. In diesem Stück wird Fräulein Erna Grunert, die wieder in den Verband der „Münchener“ eingetreten ift, eine gesanglihe Hauptrolle schaffen. : Die morgen im Thomas- Theater in Scene gehende Neu- heit „Rothköpfhen“ ist sehr reich mit Gesangsnummern ausgestattet, zu O Nichard Genée die Texte sowohl wie die Musik ver- aßt hat. K Die öffentliche Hauptprobe zu dem nächsten VII. Philharmo- nishen Concert unter Hans von Bülow's Leitung und solistisher Mitwirkung der Claviervirtuosin Fräulein Sophie von

oznanéfi findet am Sonntag, Vormittags 114 Uhr, in der Phil -

armonie statt. Das Programm lautet wie folgt: Concert-Duverture in italienischem Stil (zum ersten Male), Mozart; Clavierconcert D-moll, Rubinstein ; zwei Orchesterstücke (Duverture zu „Ruslan und Ludmilla“ und „Kamarinskaja"“), von Glinka; Clavier- soli: „Du bist die Ruh“ _von Scubert-Liszt und „Polo- naise" von Liszt; C-dur-Symphonie von Schubert. Der Kartenverkauf (2 A) i bei Bote und Bock eröffnet. Liederabend von Fräulein Alice

Barbi, der am Dienstag in der Sing-Akademie stattfindet, sind die Eintrittskarten bei Bote u. Bock bereits erhältlih. Die Künst- lerin wird bei dieser Gelegenheit ein fast ganz neues, aus italienischen und deutschen Werken zusammengeftelltes Programm zu Gehör bringen.

Im Concerthause wird die Concertsängerin Frau Betty Waibel morgen die Arie der Mathilde aus „Wilhelm Tell“ von Nossini („Du schöner Wald“) und die Arie der Gräfin aus „Figaro?s Hochzeit“ von Mozart („Und Susanna kommt nicht“) singen. Der Cornet- à- piston -Virtuose Herr Böhme wird „The Favorite“, Phantasie von Hartmann, vortragen.

Mannigfaltiges.

. Die Verwaltung der Berliner Feuerwehr hat, wie die „N. A. Z.“ erfährt, neuerdings die Bedingungen der Aufnahme in das Corps insofern verschärft, als die sih Meldenden das 25. Lebens- jahr noch nit überschritten haben dürfen. Bisher war die Alters-

grenze auf 28 Jahre normirt.

Die immer mehr sich erweiternde Ausdehnung des elekt rischen Lichtes in Berlin fängt an, empfindlich einzuwirken auf die Zunahme des Gasverbrauhs. Dies macht sich auch fühlbar bei den städtischen Gasanstalten; denn für die Befriedigung des Bedarfs der Privat- abnehmer it bei diesen Anstalten im Betriebsjahre 1890/91 nur ein Mehrverbrauh von etwas mehr als 24 Millionen Cubikmeter, gegen nahezu 5 Millionen Cubikmeter im Vorjahre eingetreten. Im Laufe des Jahres 1890/91 haben die elektrischen Lampen eine Vermehrung erfahren um 35 113 Flammen oder um 31,79 9/6, während im Vorjahre die Vermehrung nur 29,12 9% betragen hatte. Während am Schlusse des Jahres 1889/90 der Werth der sämmtlichen vor- handenen elektrischen Lampen, auf Gasflammen umgerechnet, 13,01 9/0 der gesammten von den städtischen Gasanstalten verforgten öffentlichen und Privatflammen ausmachte, stellt sich am Schlusse des Jahres 1890/91 der Werth der vorhandenen elektrischen Lampen auf 16,83 9/6 der sämmtlichen Gasflammen der städtischen Gasanstalten.

Morgen, am 6. Februar, findet am Himmel eine eigenartige Erscheinung statt, die wegen ibrer Seltenheit Aufmerksamkeit verdient. Die beiden hellsten Planeten Jupiter und Venus, die man gegen- wärtig beim Eintritt der Dämmerung am südwestlichen Abendhimmel stehen sicht, nähern sich mehr und mehr und treten an dem genannten Tage in Conjunction. Wir erblicken fe dann so nah zusammen- stehend, daß ihr Lichtshein für das unbewaffnete Auge, ähnlich wie bei einem Doppelsterne, zu einem cinzigen \tarkleuchtenden Punkte zu- sammenfließt. Der Augenblick größter Annäherung findet aber für unsere Gegenden {on am Vormittag statt, sodaß bei der Tageshelle die vereinigte Leuchtkraft beider Weltkugeln nicht zur Geltung kommen kann. Bei klarem Himmel wird indeß die Erscheinung in den frühen Abendstunden immerhin beachtenswerth sein, da sih beide Gestirne alsdann kaum um Vollmondsbreite von einander entfernt haben werden. Ihr Abstand is noch \o gering, daß beide Planeten als Scheibchen im Gesichtsfelde gleichzeitig wahrgenommen werden können. Auf der Sternwarte der Urania, wo die bevorstehende Er- scheinung am besten wird beobachtet werden können, ist auch Geleger- heit geboten, den großen Nebelfleck im Orion zu betrachten, der sih bekanntlich niht in einzelne Sterne auflösen läßt, sondern aus selbstleuchtenden Gasmassen besteht. Auch Saturn . mit seinem wunderbaren Ringsystem und aht Monden wird Ende dieses Monats gegen 8 Uhr Abends aufgehen und von da ab auf der Urania-Stern- warte bei klarem Himmel gezeigt werden können. Für die Besucher des Instituts, welche die Gebirgslandschaften der Mondoberfläche im grpes Nefractor betrachten wollen, sei noch einmal ausdrüdlih er- wähnt, daß die passendste Zeit hierfür die des ersten Mondviertels ist. Der Vollmond i} für die Beobachtung wenig geeignet und wegen der großen Lichtfülle, die er am Himmel verbreitet, werden auch Sternhaufen und Nebelflecke nicht gezeigt werden können.

Die fünfstündige Geschäftszeit für das Handels- gewerbe an Sonntagen wird nach Angabe des „Gewerkvereins“ vom hiesigen Polizei-Präsidium dahin bemessen werden, daß die Ge-

-

Ein erweiterter Verkehr ist Auber der bereits dur Geseß vorgeschenen Zeit den Geschäften mit Bek BMIR Ca I an den Sonntagen vor Ostern und Ft sowie dem Verkehr mit Lebensmitteln (Mehl- und Vorkostwaaren u. \. w.) an Sonn- und Festtagen Nach- mittags von 6 bis § Uhr zugestanden worden.

Auf dem Montag, den 8. Februar, Abends 8 Uhr, im Architekten- baus, ilhelmstraße 92/93, stattfindenden Herren-Abend der Ab- theilung Berlin der Deutschen O LOn a R S wird Herr Capitän Jobst von Gun dläch einen Vortrag halten über das Thema: „Das europäische Völkerrecht in der Anwendung egen Eingeborene“. Gästen ist der Zutritt zu dieser Ver- ammlung gestattet.

Kesselsdorf (Schlesien), 2. Februar. Neue Kartoffeln aus dem freien Lande, im evangelischen Pfarrgarten Hierselbst gezogen, werden jeßt geerntet. Die Saat war Anfang September gelegt, das Kraut bei Eintritt des Winters behutsam umgelegt und mit einer zehn Zoll starken Strohdecke ges{chüßzt und der Nand der Beete mit Laub eingedeckt worden. Die neuen Früchte sind nah der „N. Görl. Ze“ völlig reif, gesund und wohlshmeckend und von der Größe der Malta-Frühkartoffeln. Das Kraut ift, jedenfalls weil es zu warm gehalten wurde, abgestorben.

Budapest, 3. Februar. Wegen starken, andauernden Regens und Schmelzens des Schnees wuchs, wie der „Frkft. Ztg.“ gemeldet wird, das Donauwasser so stark, daß mehrere Dörfer des Deher Comitats in größter Gefahr stehen. Vajka und Dombori ind bereits übershwemmt, Bogyiszlo, Fajsz und Batya- stchen in Gefahr. Die Dämme sind durch die NRegengüsse arg gefährdet.

London, 3. Februar. Monat Januar die Anzeige 56 englishen Segelsch1iffen Tonnengchalt der Segelschiffe war 15 783, Bei diesen Schiffsunfällen kamen zusammen ums Leben.

Das britische Handelsamt empfing im von dem Untergang von und 10 Dampfern. Der der der Dampfer 8097. 148 Personen

London, 5. Februar. Nach einer Meldung des „W. T. B.“ ausFMalta ist das englische Panzershiff „Victoria“, das am 29. v. M. in der Nähe von Missolonghi aufgefahren war, nun- mehr wieder flott gemacht worden. adrid, 3. Februar. In Malaga überfielen nah einer Mittheilung der „N. Pr. Z.“ heute am hellen Tage acht bewaffnete Männer das Haus des Engländers William C ornwa ll, des Directors der Bergwerke von Ojen. Die Näuber entführten, nachdem sie das ganze Haus geplündert hatten, die Frau und drei Töchter Coruvall's und fordern jeßt 20 000 Lstrl. Lösegeld. Drei Bergleute, die si den Räubern entgegenstellten, wurden von ihnen niedergeschossen.

Madrid, 4. Februar. Ein furhtbarer Sturm richtete nah einer Meldung des „H. T. B.“ große Verwüstungen an und warf zahlreihe Schornsteine, Mauern, Veranden und Kioske um. Zehn Menschen wurden s{chwer und sehr viele leiht verwundet.

Nach Schluß der Redaction eingegangene Depeschen.

Posen, 5. Februar. (W. T. B.) Seit heute früh ist hier Eisgang. Die Warthe steigt rapid. Einzelne Straßen der unteren Stadt sind bereits übers{chwemmt.

Bromberg, 5. Februar. (W. T. B.) Auf der Weichsel bci Schuliß und Fordon herrscht seit heute früh starker Eisgang.

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten und Zweiten Beilage.)

ß \chäftszeit von 64 bis 95 und von 123 bis 24 Uhr élnzutpellen ist.

Auch für den zwetten S A H E Me O I E E E E Ae I Lat I C N E I A C E E E I A P P A? T C S S T I S I T

iht vom 5. Februar,

Wetter Morgens.

05A co Da 2 es

haus.

Wind. Wetter.

Stationen.

Bar. auf 0 Gr. u. d. Meeres\p. red. in Millim.

Frauen.

6 halb bed.

5\heiter

4 wolkenlos

1 bedeckt

2 Nebel till Nebel

2/Schnee

749 |[W

740 |[W

738 |SO 743 [WNW 746 748 741 748

Mullaghmore Aberdeen Christiansund Spedagen ; Stockholm . S Petersb ;

„Petersbg. Moskau .

Mar Grube. Oper in 4

W)

S S

fang 7 Uhr

l

Theater - Anzeigen. Königliche Schauspiele. Sonnabend : Opern-

34. Vorstellung. Große Oper in 3 Acten von Philipp Nüfer. von Dr. Ludwig Hoffmann. Ballet von Emil Graeb. Dirigent : Kapellmeister Kahl.

Schauspielhaus. Lustspiel in 4 Aufzügen von Adolph

L'Arronge. In Scene geseßt vom Ober-Regisseur Anfang 7 Uhr.

Sonntag: Opernhaus. 35. Vorstellung. Carmen. Acten von Georges Bizet._- H. Meilhac und L. Halévy, nach einer Novelle des Prosper Mérimée.

fang 7 Uhr.

Merlin.

Neu einstudirt: Tert

Anfang 7 Uhr.

37. Vorstellung. - Wohlthätige

Modebazar Violet. Anfang 74 Uhr. Tert von

Tanz von Emil Graeb. An-

Costume vom Garderoben-Inspector Ventky. An-

Sonntag: Das Sonntagskind.

Residenz-Theater. Direction: Sigmund Lauten- burg. Sonnabend: Zum 9. Male: Musotte. Sitten- bild in 3 Acten von Guy de Maupassant.

Scene geseßt von Sigmund Lautenburg. Schwank in 1 Act von

Benno Jacobson. Jn Scene geseßt von Emil Lessing. Die Aufführung von „Musolte" beginnt um 8 Uhr. Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Belle-Alliance-Theater. Sonnabend: 37. En- semble - Gastspiel der Münchener unter Leitung des

Concert-Haus. Sonnabend; Karl Meyder-

Concert unter freundlicher Mitwirkung der Concert-

lean Frau Betty Waibel. anang 7 Uhr. Arie der Mathilde aus „Wilhelm Tell“ von

Nossini (Frau Waibel). Arie der Gräfin aus „Figaro's E " von Mozart (Frau Waibel). „The Favorit“

Sn | für Piston von Hartmann (Herr Böhme).

Vorher :

Circus Renz. Karlstraße. Sonnabend, Abends 74 Uhr: Gala - Vorstellung. JZE| Auf Helgo- land “Wg oder: Ebbe und rluth. Große hydrol. Ausstattungs - Pantomime in 2 Ab- theilungen mit Nationaltänzen (60 Damen) , Auf- zügen. Neue Einlage: „Die Garde - Husaren“ und „Tscherke))en“. Dampfschiff- u. Bootfahrten, Wasser- fälle, Riesenfontänen mit allerlei Lichteffecten 2c, arrangirt und inscenirt vom Director E. Renz.

| Staaten Amerikas sich zufammenges{lossen hatten,

die Naturgeseßze der

[Q O:

Cork, Queens-| town .…. | 759 Cherburg . . | 759 IDeL E u. A mburg .. | 744 be winemünde | 745 3|Schnee Neufahrwasser| 747 |L 1/bedeckt2) Memel . ….,| 746 N 1/bedeckt Das D NNW 2 Regen ünster .. | 747 3\bedeckt Karlsruhe. . | 7592 |SW d95Schnees8) Wiesbaden . | 750 |SW 2 bedeckt München .…. | 753 |SW 6 bedet Chemniy .. | 748 S 4 Schnee Berlin .…. | 747 SW__3/Sqnee‘) NDieNt -.| (0D |2 3 \wolfenlos Breslau . . |_ 751 2 \bedeckt Ile d’Aix . . | 762 6 Negen Nizza .….. | 758 5 heiter Triest... | C7 1 heiter

| W Z3heiter 4 bedeckt 3 halb bed. W 2halb bed.1) W 3bedeckt

L _-

QM

ZOABEEBBS ROOHHR O

S

—_— O Om O

dD

1) Nachts Schnee. ?) Nachts Schnee. ?) Gestern

Schnee. 4) Nachts Schnee. Uebersicht der Witterung.

Ein tiefes barometrishes Minimum liegt E von den Shetlands, einen Ausläufer südostwärts na dem Skagerak hin entfendend. Das barometrische Maximum befindet sih über Südwest-Europa. Bei durhschnittlich mäßiger, vorwiegend südlicher bis westlicher Luftströmung ist das Wetter in Deutsch- land trübe, ohne wesentliche Aenderung der Tempe- ratur; stellenweise ist etwas Niederschlag gefallen. Im nordöstlichen Deutschland fowie in Bayern herrscht leichter Frost; am Bottnischen Busen \trenge Kälte, dagegen im innern und südlichen Rußland

Thauwetter. : j Deutsche Seewarte.

1 Regen Schauspielhaus. 38. Vorstellung. Die Quitow's.

Vaterländishes Drama in 5 Aufzügen von Ernst

von Wildenbruh. Anfang 7 Uhr.

Deutsches Theater. Carlos. Anfang 7 Uhr.

Sonntag: College Crampton. :

Montag: Das Käthchen von Heilbronn.

Berliner Theater. Sonnabend: Esther. Der SOLIE, (Ludw. Barnay, Agnes Sorma.) Anfang 7 Uhr. :

Sonntag: Nachmittags 25 Uhr: Der Hütten- besißer. Abends 74 Uhr: Kean.

Montag: Der Hüttenbefiter.

Lessing-Theater. Sonnabend: Zum 1. Male: Fräulein Frau und Der LEEne Siun von Gustav von Moser und Nobert Misch

Sonntag: Nachmittags 25 Uhr: Der Probe- pfeil. Abends 7 Uhr: Fräulein Frau und Der sechste Sinn.

Montag: Die Grofstadtluft.

Wallner -Theater. Sonnabend : Zum 7. Male: Lumpengesindel. Komödie in 4 Acten von Ernst von Wolzogen. Anfang 74 Uhr.

Sonntag u. folg. Tage: Lumpengesindel.

Sonntag: Nachmittags - Vorstellung zu bedeutend ermäßigten Preisen. Ein toller Einfall. Schwank in 4 eten von Carl Laufs. Parquet 1. 2c. An-

fang 4 Uhr.

Friedrich - Wilhelmstädtisches - Theater. Sonnabend: Mit neuer Ausstattung zum 17. Male: Das Sonutagskind. Operette in 3 Acten von Lugo Wittmann und Julius Bauer. Musik von

cl Millôcker. In Scene geseßt von Julius

Sonnabend: Don

Königlich bayerishen Hofschauspielers Herrn Marx Hofpauer. Zum 9. Male: Der PerrgottsWniger von Ammergau. Oberhayerisches Bolks\tück mit Gesang und Tanz in 5 Aufzügen von Ludwig Gang- hofer und Hans Neuert. Im 3. Act: „Schuhplattl- Tanz“. Anfang 74 Uhr.

Sonntag: 38. Ensemble-Gastspiel der Münchener. Der Herrgottschuißer von Ammergau.

Adolph Ernst-Theater. Sonnabend: Zum 44. Male: Der Tanzteufel. Gefanapone in 4 Acten von Ed. Jacobfon und W. Mannstädt. Couplets theilweise von Gustav Görß. Musik von Gustav Steffens. In Scene gesezßt von Adolph Ernst. s 7x Uhr.

Sonntag: Der Tanzteufel.

Thomas-Theater. Alte Jakobstraße Nr. 30. Direction: Emil Thomas. Sonnabend: Zum 1. Male : (Novität!) Rothköpfchen. Vaudeville - Posse in 3 Acten von Meilhac und Halévy, frei bearbeitet von Richard Genée. Musik von Richard Genée. I M aas geseßt von Emil Thomas. Anfang

r. Sonntag: Dieselbe Vorstellung.

Am Landes - E - Park (Lehrter Bahnhof). Geöffnet von 12—11 Uhr. Täglich Vorstellung im wissenschaftlichen Theater. Näheres die Ansch

zettel. Anfang 7} Uhr.

lag-

Concerte. Sing-Akademie. Sonnabend, Anfang 77 Uhr:

Urania, Anstalt für volksthümlihe Naturkunde. |

Außerdem: 4 Orientalen, dargestellt von 4 Herren auf arabischen Vollblut - Schulpferden in Pracht- costumen. „Elimar“ (Strikspringer), vorgeführt von Frl. Oceana Nenz. Fahnenquadrille, geritten von 16 Damen. „Colmar“, geritten von der Schulreiterin Go Clotilde Hager. 4 Gebrüder Briatore, Akrobaten. Sisters Lawrence am fliegen- den Trapez. Auftreten der Parforcereiterin Mlle. tatalie, sowie des Saltomortalesreiters Mr. Adolf Delbosq und des Joeyreiters Mr. Jules 2. eue Entrées und Intermezzos von sämmtlichen owns. :

Sonntag: 2 Vorstellungen. Nachmittags 4 Uhr (1 Kind frei). Aschenbrödel. (Ballet - Einlage: Frühlingsreigen - Walzer.) Abends 74 Uhr: Auf Selgoland.

Familien-Nachrichten.

Verehelicht: B Otto Graf Bothmer auf Hoose mit Frl. Elisabeth Edle von der Planit. Vf Lieut. Hugo von Walther-Croneck mit # rl. Erna von Weltien (Schwerin i. M.)._-

Geboren: Ein Sohn: Hrn. Hauptmann Eber- hard Frhrn. von Rheinbaben. Eine Tochter: Hrn. Rittmeister z. D. Horst von Sauen (Karl®- ruhe i. B.). ;

Gestorben: Fr. Bertha Freifrau von Richthofen, geb. Schröder (Berlin). Hr. Hugo von Schmer- feld (Haina).

uis

Redacteur: Dr. H. Klee, Director. Berlin:

Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.

Sechs Beilagen

Fribßsche. Dirigent: Kapellmeister Federmann. Die

Decorationen aus ‘dem Atelier von Falk. Die neuen

Klavier-Abend von Alice Dessauer.

(eins{ließlich Börsen-Beilage)

Deutscher Reichstag. 163. Sißung vom Donnerstag, 4. Februar. 2 Uhr.

Arn Tische des Bundesraths die Staatssecretäre Dr. von octtiher, Dr. von Stephan, Frei hal Bo Dr. Bosse 5 pH E öreiherr von Marschall

Jn dritter Berathung werden die Declarati i theilweise Verlängerung des . a Son, und der zweite Nachtrag zum Etat für 1891/92 definitiv ohne Debatte genchmigt, worauf das Haus in die erste und event zweite Berathung des Weltpostvertrags nebst den fünf dazu gehörigen Uebereinkommen eintritt.

Staatssecretär Dr. von Stephan:

Meine Herren! Wenn die Ihnen zur Beschlußfassung und even- tuellen Genehmigung vorgelegten Verträge bis zum 1. Juni die Nati- fication der betreffenden Staatsoberhäupter erlangen, wozu allerdings in einer Anzahl von Fällen die vorherige Genehmigung der Volks- vertretungen erforderlih ist: dann wird vom 1. Juli 1892 ab, nach- dem in Wien der leßte dem Postverein noch niht angehörig gewesene Welttheil, Australien, demselben beigetreten ist, auf dem ganzen be- wohnten Erdenrund die Niederlegung aller Grenzen der Staaten und der Welttheile erfolgt und auf diesem Gebiete die völlige Verkehrs- freiheit hergestellt sein. (Lebhaftes Bravo.)

Was diese Umwälzung besagen will, das brauche ich Jhnen nicht erst zu schildern; es charakterisirt sih am besten durch die Thatsache daß der Minister eines kleineren deutshen Staats vor noch nicht 50 Jahren den souveränen Ausspruch thun konnte: unsere Landes- grenzen sind niht dazu da, um von dem Auslandsverkehr niedergetreten zu werden. (Heiterkeit.) |

Nun, meine Herren, die Zeiten und die Ansichten und die Men- hen wechseln, wie schon ein altes Wort sagt; und wenn der Wechsel sich immer in so erfreulicher Weise vollzieht, so werden wir gewiß alle damit einverstanden sein.

5s ist Ihnen bekannt, geehrte Herren, daß der Anfang des Welt- postvereins in Bern liegt, wo im Jahre 1874 der allgemeine Post- verein, wie er damals hieß, begründet wurde. Er bestand aus 22 Staaten, im Verhältniß zu den 52 Staaten der Erde der kleinere Theil der Zahl nach, aber ein sehr gewichtiger. Es waren sämmtliche Länder Europas und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie das Vice-Königreich Egypten, welches damals noch den Sudan be- herrschte, mithin waren {hon Bruchstücke von den beiden anderen

| Velttheilen mit dem allgemeinen Verein verbunden. Es war aber

dadur, daß die sämmtlichen Staaten Europas und die Vereinigten cin wichti

Krystalisationskern, ein Centralkörper hergestellt, N Masse und Festigkeit es wohl unzweifelhaft war, daß d Gravitation bei den anderen Körpern fich sehr bald äußern mußten. Und das geshah denn auch. Bereits in der Zwischenzeit bis zum zweiten Congreß, .der in Paris 1878 stattfand, hatten cine ganze Anzahl von Staaten, dem Zuge der Idee und Zeitströmung folgend, auf dem schriftlihen Wege in der vor- geschriebenen diplomatischen Form ihren Beitritt zum Verein erklärt,

# und es konnte daher in Paris, wo der neue Vertrag von 1878 unter-

zeichnet wurde, dazu übergegangen werden, den Namen des Weltpost- vereins als Firma darüberzuschreiben. Schon damals wurden An- fäße gemacht, auch Australien mit in den Verein zu nehmen. Jy- dessen sie gelangten noch nicht zum Ziele, und der auf dem Lissaboner Post- congreß im Jahre 1885, ein Congreß, der sich allerdings wesentlich mit dem inneren Ausbau des Vereins zu beschäftigen hatte —, ebenfalls gemachte Versuch, diesen Beitritt des fünften Welttheils herbeizuführen, scheiterte. Wir ließen uns aber nicht entmuthigen, und wenn wir den einen Bolzen abgeschossen hatten, der zunächst sein Ziel nicht erreichte, so verfuhren wir nah dem Princip des Bafssanio, und schossen einen zweiten Bolzen desselben Wegs entlang. Das ist gesehen und diesmal ist das Ziel getroffen. Auf dem Postcongreß der sich im vorigen Sommer in Wien versammelt hatte, haben )ammtliche Staaten Australiens ihren Beitritt erklärt. Es sind das die fünf festländischen Staaten und Colonien von Australien, ferner E und Neu-Seeland mit dem gesammten pacifishen Archipel. Sa juinea gehört schon seit der deutschen Colonisation zum Verein. “le diese Staaten und Länder und Inseln sind unter dem jeßt gang- baren Namen „Austral-Asien“ dem Verein beigetreten und derselbe umfaßt alfo den ganzen Erdball. Sein Umfang fällt mit der Peripherie des Globus zusammen und er reiht bis zu unseren Gegen- füßlern in Neu-Seeland. 8 kann sagen, es war ein eindrucksvoller Moment, als nach jîâbhriger Arbeit, 1878 hatten wir mit Australien angefangen ; es

waren viele Shwierigkeitea zu überwinden, die ih nicht einzeln auf-

O brauche, als nach dieser langen Arbeit endlich das Ziel Blau war, und nun der Senior der australischen Abgesandten L aen deren fünf in Wien anwesend im versammelten Congreß, fr aus etwa 130 Mitgliedern aller Länder der Erde bestand, sih erhob und folgendes sagte: | N schen in dem Anschluß unserer Kolonien ein historisch 4 4) iges Ereigniß. Fürwahr, es ist ein glüdcklicher Tag, an welchem ¡cle jungen Staaten mit den größten Nationen der Erde zu einem e eitlichen Postwesen sih verbinden, zu ciner Verkehrsorganisation, P dazu ausersehen ist, die commerziellen, politischen, ethischen und Sialen Beziehungen des ganzen Universums zu pflegen und zu erweitern.“ Nun, meine Herren, wenn man bedenkt, daß noch im Jahre 1872

‘allein von Deutschland nah Australien 25 verschiedene Portosäte be-

dia bis zur Höhe von 154 Sgr. für den Brief, wenn Sie ) vergegenwärtigen, daß jeßt ein Saß von 2 Sgr. zu zahlen ist, N außerdem eine einheitlihe Gewichtsprogression erreicht ist, was e: auch nicht der Fall war, so illustrirt das am besten den Fort- bei ilt, der auf diesem Gebiet gemacht worden is. Die Union, welche

i ihrer Begründung in Beru im Jahre 1874 40 000 000 qkm

“Umfaßte und 350 000 000 Einwohner zählte, * zählt jeßt, ‘falls dieser

: : Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staals-Auzeiger.

M 32.

Berlin, Freitag, den 5. Februar

Vertrag die Natification crhält, also vom 1. Juli ab 96 0 ak und 946 000 000 E tie L a5

Abgesehen von dieser Ausdehnung des äußeren Umfangs des Vereins, hat derselbe auch in intensiver Beziehung, was seiñén Inhalt betrifft, die Gebtete der Thätigkeit, auf welchde sid feine Lebensäußerungen erstrecken, ebenfalls eine erhebliche Mehrung er- ren, Während noch in Bern und in Paris man die allgemeine Beretnmigung nur auf die Briefpost: Briefe, Postkarten, Zeitungen Kreuzbandfendungen, Waarenproben beschränkt hatte, begann all, mählich auch das Einheitsbedürfniß weiter zu greifen auf die Abecad Zweige der postalishen Thätigkeit, und es gelang auf einer SviS conferenz in Paris im Jahre 1880 eigentlih damals wider unser Hoffen und Erwarten, weil eben eine große Anzahl Staaten in Europa keinen Fahrpostdienst hatte, namentli England, Frankreich Italien Holland, Spanien, Portugal 2c. doch bereits 17 Staaten iu u einigen für die Herstellung cines Packetpostdienstes. Es wurde dann weiter gegangen und der Verein ausgedehnt auf die Beförderung von Geldbriefen, Packeten mit Werthangabe, kleine Behälter mit Pretiosen, Juwelen, was für diese Geschäfte und Fabrikations- zweige, deren Import und Export von erheblicher Wichtigkeit ist. Dem {loß sich an der Austaush von internationalen Post-An- weisungen über einen schr großen Theil der Erde, sodann der Post-Auftragsverkehr: die Einziehung von Forderungen bis in die fernen Gegenden, und endlich ein Novum auf déi Wiener Kongreß, der Entwurf cines Vertrags zur Herstellung eines einheitlichen Betriebes für das Zeitungswesen, und zwar nad) dem Muster des in Deutschland bestehenden Zeitungsabonnements- wesens. Die Zahl der in unserer Postzeitungsliste aufgeführten aus- ländischen Blätter hat sih in 30 Jahren von 739 auf 2549 und bie Zahl der mit dem Auslande gewechselten Zeitungseremplare von jährlich 30 Millionen auf 70 Millionen vermehrt. Das waren die intensiven Verbesserungen, die eingetreten sind. Es erstrecken sich natürlich diese Zweige noh nicht auf den ganzen Umfang des Ver- eins; aber es ift do hocherfreulih, wie nah und nah das Weiter- umfichgreifen des Cinheitsbedürfnisses doch so stark und die Gravitation fo bedeutend ist gegen den Centralfkern, daß beispielsweise die Paet- beförderung, welche, wie ich {hon die Ehre hatte, zu erwähnen, 1880 sih auf 17 Staaten beschränkte, heute schon ausgedehnt ist auf 34 von den 52 Staaten, die die Erde enthält und die in Wien vertreten waren.

Ich erwähnte, daß der Umfang des Wesltpostvereins mit der Peripherie der bewohnten Erde zusammenfällt. Jch habe da aber noch zwei Einschränkungen zu machen : einmal, was Süd-Afrika betrifft. Das Capland, der Oranje-Freistaat, der mebr oder weniger in einem gewissen Abhängigkeitsverhältniß zu demselben teht, und die füdafrikanishe Republik Transvaal hatten bisher dem Verein nicht angehört. Jn Wien ist die südafrikanishe Republik Transvaal vertreten gewesen und hat sich das Protokoll ofen gehalten, indem der Bevollmächtigte sein volles Einverständniß mit dem Beitritte aussprah, das er aber noch nit bekräftigen konnte, weil zuvor, che der Vertrag von ihm unterzeichnet werden kann, die Genehmigung des Volksraads einzuholen ist, der in Prâtoria erst im Mai dieses Jahres zufammentritt. Es ist aber wohl nit zu bezweifeln bei dem großen Interesse, das die afrikanische Nepublik hat, mit dem Verein mehr in Berührung zu kommen, und bei dem Um- stande, daß sie jeßt eine vom Kapland unabhängige Verbindung bekommt, nämlih durch die Linie über die Delagoabai, wo die deutschen Reichspostdampfer anlaufen, daß der definitive Beitritt ge- \chehen wird.

Was das Capland betrifft, so war dasselbe nit vertreten, aber die britishen Bevollmächtigten hatten den besten Willen, ihre Ver- mittelung eintreten zu lassen. Es bedurfte vorher noch eines Einvernehmens mit der Capcolonie, und bei den weiten Ent- fernungen war es nicht möglich, dasselbe herzustellen bis zum Schluß des Wiener Congresses, der im ganzen nur / Es ist aber wohl niht zu bezweifeln, daß, nachdem diese Verhandlungen eingeleitet sind und auch die großbritannische Regierung sich dafür interessirt, auch der Beitritt dès Caplandes erfolgen wird. ;

Was dann endlich China betrifft, so ist dasselbe nach feinen staatlihen Traditionen und da es keine eigentliche Post hat, bisher dem Weltpostverein nit beigetreten und wird das wohl auch nicht in einer absehbaren Zeit. Indessen hat das weiter nicht viel zu sagen für die Vermittelung des internationalen Verkehrs; denn die Haupt- mächte des Abendlandes haben in den Häfen, welche nach den politishen Verträgen dem Handel ofen sind, europäische Postämter es giebt daselbst auch amerikanische —, “und diese vermitteln den Verkehr mit dem himmlishen Reiche und zu den Säßen des Weltpostvereins. Wir haben selber ein Kaiserliches deutsches Postamt in Shanghai eingerichtet, und wie fehr sih der Verkehr auch dort hebt, geht daraus hervor, daß in dem Jahre 1891 bei unserem Postamt in Shanghai bereits 140 000 Stück Postsendungen zu behandeln gewesen sind, daß die Einnahmen 23 734 M, die Aus- gaben 9436 #. betragen haben, und daß sich also ein Uebershuß von 14 298 M. ergiebt. Man kann fonah sagen, daß in der That die Action des Vereins sich über die ganze Erde erstreckt.

Abgesehen hiervon nun war die Aufgabe des Wiener Congresses, Verkehrserleihterungen und -Verbesseruns gen einzuführen, von denen ih nur die wichtigeren streifen will. Also einmal die Herstellung des {on erwähnten einheitlichen Zeitungspostdienstes, zweitens die Gründung eines allgemeinen Ab- rechnungsbüueaus, welhes in Bern cingerihtet werdea foll ein Clearinghouse —, für die noch verbleibenden Abrechnungen der Staaten über die Postanweisungen und die Transite. Ueber das Porto findet ja, wie Sie wissen, keine Abrehnung mehr statt. Sodann namentli eine directe Verbindung mit unseren Kriegsschiffen; bisher war es nicht thunlich, von der Heimath unter allen Umständen direct

64 Wochen gedauert hat.

Postkartenschlüsse auf dice in fremden Häfen befindlichen deutschen Kriegsschiffe zu senden, fondern es mußte die Vermittelung

1892,

dort befind- Anspruch

der betreffenden Landespostverwaltungen bezw. der lihen englischen, französischen Schiffe. u. #. w. in genommen werden, und es ist das, oft von den Besaßzungen in den fremden Gewässern nachtheilig empfunden worden, daß sie diese Heimathspost dadurch öfter verspätet und mit mandhen Umständen er- hielten. Es hatte die englis Negiérung bisher Anstand genommen, den directen Verkehr auch auf die Kriegsschiffe allgemein auszudehnen. Jebt ist es aber auf dem Congreß infolge eines von Deutschland und Frankreich gemeinsam gestellten Antrags gelungen, \{ließlich mit Einstimmigkeit durchzusetzen, daß die Kriegsschiffe ebenso behandelt werden, wie Theile des Heimathlandes, die von demselben augen- blicklich getrennt sind, sodaß unter den Bestimmungen und Reglements der Heimath directe Briefpackete auf unsere Kriegsschiffe an- gefertigt werden können und daß dieselben von den betreffenden Landesverwaltungen und fremden Post- und Kriegsschiffen unmittelbar an Bord unserer Orlogschiffe ausgchändigt werden müssen Endlich ist, um von den wichtigeren Verkehrserleichterungen zu spre@en, die Postkarte mit Antwort für den Vereinsverkehr cingeführt worben mit der Erweiterung, daß die Antwortkarte, welche ja die Marke der Heimath trägt, gleihwohl frei für die Nücksendung benutzt werden fann. Wenn wir uns also denken, daß cine Postkarte mit Antwort von hier nah Amerika geht, so trägt die Blankoseite ja auch den deutschen Freimarken- stempel, und die Karte kann in Amerika verwendet werden zur Antwort sodaß der deutshe Stempel für die Bezahlung des Portos gilt, obtie daß Amerika von uns etwas einzuziehen hat. Es würde das vom finanziellen Standpunkt vielleicht etwas bedenklih erscheinen. Indessen hat sih doch im Postverkehr ein allgemeines Gefeß herausgevildet, wonach ziemli gleichmäßig die Strömung des Verkehrs in der Richtung von dem einen Staat nach dem anderen geht und umgekehrt also wenn wir 50 Millionen Briefe nah Amerika chien , s9 kommen auch ungefähr so viel zurück. Darauf beruht das Princip daß über das "Porto niht mehr abgerechnct wird. Es waltet alfo ein ähnlihes Geseh wie das hydraulishe, z. B: in den communicirenden Röhren der Ausgleich zwischen den beiden Flüssigkeiten, die Herstellung des Niveaus. Man hat an den eben genannten Fortschritt {on große Hoffnung geknüpft und von einer allgemeinen Freizügigkeit der Postmarken gesprochen, von der Herstellung ciner cinheitlihen Marke für alle Länder der Welt. Indessen gehört das wohl noch in das Reich der Zukunftsideen : denn ehe wir dazu übergehen fönnen, müssen zwei nothwendige Voraus- seßungen erfüllt werden. Es muß das M ünzsystem mehr veretn- facht werden, und es muß die Papiervaluta abgeschafft werden in den Ländern, die damit noch, ih möchte sagen, behaftet sind; denn fonst würden die Marken in den Ländern mit der minderwerthigen Währung getauft, von Speculanten in andern Ländern weiter verbreitet werden. Sodann muß die ganze Strafgeseßgebung in Betreff der Nach- ahmung, Fälshung und Wiederverbrauch bereits eutwertheter Marken in allen Ländern gleichmäßig und niht minder das Strafverfahren geregelt werden. Das sind zwei große, erst zu erfüllende Voraus- leBungen, und deshalb kann jeßt nicht davon die Rede sein. Die Abrechnungen würden uns keine Schwierigkeiten machen: da giebt es ein Verfahren, um die gegenseitigen Ausgleichungen unter den Staaten auszuführen.

Die leßte Aufgabe, die dem Wiener Congreß oblag, war die Codification des gesammten Materials, welches in den drei vorhergehenden Congressen verarbeitet worden war, und das liegt Jhnen eben in diesen ses Verträgen mit den Schlußprotokollen vor, zu denen auh die be- treffenden Ausführungsreglements gehören. Es war das eine große, ungemein umfassende Arbeit, und wenn man si vergegenwärtigt, daß 47 Staaten von den 52 persönlich in Wien vertreten waren, die anderen hatten sih durch Substitution vertreten lassen und daß 74 mit Vollmacht versehene Vertreter anwesend waren, nicht um einen der Congresse zu halten, wie sie jeßt vielleicht zu häufig vorkommen, wo Reden und Vorträge akademischer Art gehalten und mehr oder weniger vage Resolutionen gefaßt werden, sondern mit der Mission, positiv etwas auf dem Gebiete der Thatsachen zu schaffen, Verträge abzuschließen und zu verhandeln, so wird man zugeben, daß bei solher bedeutenden Anzahl von Bevollmächtigten eine erheblide Anstrengnng dazu gehörte, diesen Congreß zu leiten. E waren abzugeben unter diesen Dokumenten, die Sie vor sih schen, im ganzen von all den Bevollmächtigten, die anwesend waren, 25 366 Unterschriften. Da das unmöglich war das würde den Congreß über Gebühr verlängert haben —, fo ist nur ein Exemplar von jedem dieser Verträge von sämmtlichen Bevoll- mächtigten unterschrieben worden. Das ift in der Wiener Staats- kanzlei niedergelegt, und es sind die Abschriften davon gedruckt und an die einzelnen Regierungen vertheilt worden. Die Verhandlungen des Congresses nahmen 1920 Drukseiten in Folio ein, und diese mußten in 37000 Exemplaren gedruckt werden. Ez gab das zusammen 71000000 Drufseiten, eine überaus respectable Leistung der fkaiserlihen Staatsdruckerei in Wien. Jch muß hier ein Wort der wärmsten Anerkennung aussprehen für die Kaiserlich österreihishe Negierung und den Leiter des Kaiserlichen Handelsministeriums sowie den Präsidenten des Internationalen Post- congresses, den Generaldirector der Posten und Telegraphen in Oester- reich, welche mit Unterstüßung dessen ausgezeihneter Räthe mit einer außerordentlichen Umsicht, namentli auch in den Vorbereitungen für den Congreß, die bis auf das Einzelnste, wie bei einer Mobilmachung, voraus berechnet waren, sich der ganzen Leitung dieser großen Sache mit bewundernswerther Energie und zugleih im ver- föhnlichsten Geiste unterzogen haben. Das will etwas besagen; denn mit den Secretären waren es gewiß 130 Personen aller Rassen, Staaten, Nationen, Sprachen es wurden 24 Sprachen auf dem Congreß gesprochen, obwohl die eigentliche diplomatische Sprache das Französische war. Es gehörte viel dazu, diese verschiedenen Eigen- schaften, und befonders die verschicdenen Temperamente unter einen Hut zu bringen und in gleihmäßiger, rascher undedoch befonnener

Arbeit zu erhalten, besonders bei der oft starken Lebhaftigkeit der Dis=