1892 / 42 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 17 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

TJolde geistlihen Uebungen {on vielfah in Casernen stattfänden. Vielleicht benuge der Herr Reichskanzler seinen großen Einfluß in der Verwaltung dazu, um diese bereits eingeführten Conventikel wieder abzuschaffen? Ferner habe der Reichskanzler gesagt, daß man doch in der Armee, wo Gchorsam und Kameradschaft gepflegt werden müßten, nicht darnach fragen dürfe, in welhem Glauben der Mann aufgewachsen sei, und daß in den Casernen, wo Leute ver- schiedener Confessionalität zusammenwohnten, keine religiösen Uebungen vorgenommen werden dürften. Der Reichskanzler denke hier auf militärishem Gebiet ganz anders, als im bürgerlichen Leben. Warum denn? Sollte es nicht auch falsch sein, die Jugend in der Schule fo confessionell zu erziehen, und die Gegensäte auf diesem Gebiete so zuzuspiten ? General - Lieutenant von Spiß: Die Ausführungen des errn Vorredners gäben der preußishen Militärverwaltung Veranlafsung, einige Punkte zu beantworten. Wenn der Vorredner zunächst dem Reichskanzler rathe, doch vorher die Urtheile der be- fragten General-Commandos abzuwarten, wie sie über den Ent- wurf einer neuen Militär - Strafproceßordnung sich aussprechen würden, fo könne er die Mittheilung machen, daß diese Beurtheilungen der General-Commandos eingegangen seien. Dieselben würden im Kriegs-Ministerium bearbeitet und zusammengestellt. Das sei eine ungeheure Masse an Material, und erst, wenn das gesichtet und erläutert fei, könne das Kriegs-Ministerium mit dem Reichskanzler in Verbindung treten und ein Austaush darüber stattfinden, was die Meinung des Reichskanzlers und was an höchster Stelle vorzutragen sei. Soviel sei aber siher das dürfe wobl hier {on gesagt werden —, daß die Befürchtung des Abg. Richter, daß die General- Commandos vielleicht ganz andere Meinungen äußern würden, als der Neichskanzler naher haben würde, soviel lasse sih jeßt shon übersehen, daß das nicht der Fall sein werde. Wenn die Armeeverwaltung ih an die Civilprozeßordnung anlehnen solle, dann sei es doch kein unbilliges Verlangen, daß diese zuerst fertig gestellt werde. Dann gestatte er sih, auf die Resolution noch näher einzugehen. Es sei da immer gesagt: der Beschwerdeweg solle erleichtert werden, und zwar werde das in Bezug auf die Geltendmahung von Klagen wegen Mißhandlungen gefordert. Bei Mißhandlungen sei der Beschwerdeweg gar nit einzushlagen. Der Beschwerdeweg könne nur eingeschlagen werden, wenn Klage erhoben werde aus Gründen, die auf dem Gebiet der Disciplinargewalt lägen; eine Beshwerde wegen Dingen, die bloß gerihtlich bestraft werden könnten, bedürfe deren nicht. Jede Mißhandlung könne aber nah dem Militärstrafgesezbuh nur gerichtlich bestraft werden. Deshalb sei einfach eine Anzeige, eine Klage erforderlih. Eine Furcht, daß die rihtigen Wege, welche die Beschwerdevorschrift vorschreibe, dabei etwa nicht S ae ag würden, sei eine unnöthige. Der Mann, der mißhandelt sei, brauche bloß zum Feldwebel zu gehen und, ohne Innehaltung einer Frift, zu melden: Ich fklage darüber, ich bin da und in der Weise mißhandelt worden! Da müsse bei den schwersten Strafen, die im Strafgeseßbuch angedroht seien, der Vorgeseßte die Klage weiter geben, und dann gehe die gerichtlihe Verfolgung ihren Gang. Wenn der Feldwebel das niht weiter gebe, dann gehe der Mann direct zum Hauptmann und bringe die Klage an. Die Klage müsse weiter gegeben werden; sonst verfalle der baupf mann und Compagniechef in die {weren angedrohten Strafen. Es brauche bloß jemand die Mannhaftigkeit zu haben, diesen Weg einzuschlagen, dann sei es ganz unmöglih, daß eine Mißhandlung und folche empörenden Rohkheiten, wie die, wovon man gehört habe, ungeahndet blieben. Er möchte also constatiren, daß die

Resolution, die hier vorgeschlagen werde, nicht genau festhalte den Unterschied zwischen den Dingen, die für den Beshwerdeweg ge- eignet seien, und denen, welche ein Vergehen resp. Verbrechen seien, welche bloß der gerihtlihen Verhandlung unterlägen. Dann erlaube er sih, in Betreff des in Köln niht todtgeshossenen Marine-

soldaten zu bemerken, beim Militär im Frieden keine Hin- rihtung ohne Oeffentlichkeit stattfinden könne. Denn die Militärbehörde vollziehe dieselbe im Frieden gar nit, sondern die Civilbehörde; denn der Inculpat werde dem Staatsanvalt zum Vollzug der Strafe übergeben. In Bezug auf die Bemän- gelung der Erziehungsproducte, welhe die Unteroffiziershulen erzielen follten, gestatte er sich zunächst zu bemerken, daß vom Jahre 1881 ab 10814 ehemalige Unteroffiziershüler in die Armee getreten seien. Von denen hätten sih 9777 gut geführt, 1037 seien nit gut eingeschlagen. Diese Ziffer spreche im Vergleich zu den Unteroffizieren, die niht durch die Ünteroffiziershulen gegangen, sondern glei in die Armee eingetreten seien, fehr zu Gunsten der Unteroffiziershulen. Weiter gestatte er sich, zu bemerken, daß von der angegebenen Zahl 9836 dieser Unteroffiziershüler in besondere Stellen gekommen seien, als Feldwebel, Zahlmeisteraspiranten, Schreiber u. \. w. Ferner spreche gegen die Annahmen des Vorredners der Umstand, daß, wenn man die peinlihen Meldungen zusammenstelle über Mißhandlungen, es cine auffallende Erscheinung sei, daß Gemeine, Gefreite, die im Vorgeseßtenverhältniß, z. B. als Exrerziergefreite fungirten, wie das oft vorkomme daß gerade viele dieser jungen Leute zu Miß- handlungen neigten. Diese seien aber doch nicht durch die Unter- offiziershulen gegangen. Das liege daran: Die Machtfülle, die sie im Augenblick bekämen, gebe ihnen einen Anreiz dazu, ihre Macht zu brauchen. Sie \eien jung, jähzornig; sie empfänden nun am eigenen Leibe, obgleih fie noch dem Mannschaftsstande angehörten, wie man sih über einen Mann ärgern könne, und sie führen los. Iedenfalls sei es eine auffallende Erscheinung, daß Mannschaften, die in das vorgeseßte Verhältniß aus dem Dienststand vorübergehend kämen und dem vielges{mähten Unteroffizierstand gar nicht angehörten, ich zu Gewaltthätigkeiten hinreißen ließen. Dann habe der Herr Abg. Richter abgelehnt oder wenigstens si darüber gewundert, wenn es ge- \hehe, daß auf das Urtheil der Armee besonders Bezug genommen werden folle, wenn es sich darum handele, eine das innerste Leben der Armee berührende Einrichtung zu schaffen und umzuwandeln. Der Herr Abgeordnete frage: Ja, was is das denn, die Armee ? FE das sind die alten Generale 2c., die werden da gefragt und die geben dann ihr Urtheil ab. Es dürfe doch daran erinnert werden : wie ist die preußische Armce entstanden? Die Grundmauern zur preußischen Armee seien gelegt von einsihtsvollen, fraftvollen Fürsten, weiter gebaut worden von anderen Fürsten in demselben Geiste, von den nachfolgenden obersten Kriegsherren unter Zuhilfenahme von eisenfesten klugen Männern und Kriegsführern. Im Laufe der Zeiten durch Glück und Unglück hindurch habe sich die Armee weiter aufgebaut mit immer festerem Gefüge bis zu einem immer mächtigeren Bau: und Dank ibren obersten Kriegsherren, Dank ibren Führern und Dank dem tüchtigen Sinne des Volkes sei die preußishe Armee eine Institution geworden, welche si die Anerkennung der Welt errungen und erzwungen habe. Diese Armee sei in ihrem geschichtlißen Aufbau selten in der Lage gewesen, von anderen Armeen, was ibre besondere eigenartige Einrichtung betreffe, etwas anzunehmen : nicht könne aber E ete, werden, daß andere Armeen nicht in der Lage gewesen feien, sie sich ihrerseits zum Muster zu nehmen und nach der preußischen Armee ihren Bau weiterzuführen. Und gerade das sei Gegenstand des Studiums ewesen, wie denn eigentlih das Gefüge, wie die Grundmauern be- fbaffen seien, wie das ganze Gebäude zusammengeseßt sei vom Keller bis zum Boden und bis zur äußersten krönenden Spiße, daß dadurch ein so mächtiger Bau entstanden fei, der allen inneren und äußeren Stürmen troßen könne. Die vreußishe Armee fei ein Studium gewesen und sei ein Gegenstand der Nachahmung für Fremde gewesen. Wenn nun also eine fo wichtige Institution wie das Gerichtsverfahren neu geschaffen werden solle, dann fei es doch wahrhaftig ein außerordentlich billiges Ver- langen, wenn gesagt werde: diejenigen Fafttoren, die jetzt maßgebend seien in der Armee für Aufrechterhaltung des Baues und Weiterbauecs, die das durchaus von ihrer Jugend an studirt hätten, was dazu erforderlich, ihre Liebe, ihr Denken ledigli darauf gerichtet hätten und fort- während unter sich, neben sich erfahren hätten, was der Armee gut sei und was ihr noth thue, wie gesagt, aus ibrer Eigenart heraus könne man wohl verlangen, daß dem Urtheil, was sie abgäben, auch von Andersdenkenden volle Beachtung geschenkt werde. (Bravo ! rets.) _—. Abg. Haußmann (Vp.): Die Rede des General-Lieutenants Spiß habe eigenthümlich berükrt, insofern, als er damit trösten wolle,

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daß die Reform der bürgerlihen Rechtspflege ebenso langsam vorwärts ehe, wie die der militärishen. Sei es doch dieselbe Regierung, dic auf eiden Gebieten das hindere, was seine Partei wolle. it dem Schlag- wort der Mannhaftigkeit der Leute, welhe Beschwerde führen follten, könne man bei dieser Gelegenheit nichts anfangen. Es fei do sehr die Frage, ob nicht die „eijenfesten Männer“ ihre Eigenschaften häufig mißbrauchten zur Mißhandlung factisch rechtloser Personen. Im übrigen wäre es vielleicht interessant, wenn die Regierungen und ihre Ver- treter sich noch etwas bestimmter darüber äußern wollten, in welchem Stadium si die Reform befinde. In der Commission höre man, der zweite Entwurf sei gescheitert; gestern habe der Reichs- kanzler gesagt, die Gutachten der General-Commandos ständen noch aus. Heute erfahre man, daß sie bereits eingelaufen seien. Man habe dabei das unklare Gefühl, daß die Re- form nicht vorwärts komme. Im Uebrigen sei an den beiden Reden des Reichskanzlers ihm etwas aufgefallen. Früher habe es geheißen: ja diese Dinge sird niht wahr, es sind Denunziationen, Maat Behauptungen. Diesmal habe der Reichskanzler vielleicht eingesehen, daß angesichts dessen, was Prinz Georg von Sachsen in seinem Er- laß niedergelegt habe, sich nicht mehr mit dieser Taktik auskommen lasse, und deshalb habe er in seiner ersten Rede die Front nah einer anderen Seite genommen und gesagt, solhe Dinge kämen überall vor. Als er in der zweiten Nede Le dem Abg. Bebel geantwortet habe, habe er sich auf den früheren Standpunkt zurückgezogen und gesagt, das seien unbewiesene Dinge, und habe Namen verlangt, während ihm eine ganze Fülle von Namen genannt worden seien. Dieselbe Taktik habe der erste Redner von heute eingeschlagen. Er sei leider in der Lage, mit einigen Beweisen dienen zu können. Die Dinge seien Gottlob niht so häßlich und entseßlich, wie in Sachsen, aber fie ließen doch hineinschen in den Zusammenhang der mangelhaften Rechtspflege mit den Ausschreitungen. Die folgenden Thatsachen hätten eine Neihe von Gerichten beschäftigt, und zwar nicht die Militärgerichtsbarkeit, sondern die Civilgerichts- barkeit. Bei den säcsishen Mißhandlungen handele es si immer nur um Unteroffiziere, deshalb sei die Vorstellung verbreitet, es kämen Mißhandlungen seitens höherer Offiziere niht vor. In Ulm habe im Jahre 1890 ein Rittmeister Lauenstein seine Necruten in cinen Stall hineincommandirt und dann den älteren Soldaten befohlen, die Rekruten dur{zuprügeln. Er habe davor- gestanden und sich durh das Geschrei der unglücklichen Opfer überzeugt, daß sein Befehl ausgeführt worden sei. Erst auf die Anzeige von Privatpersonen sei die Sache untersucht, vom Negiment geleugnet und erst dur das ordentliche Gericht aktenmäßig fest- cane Das allershlimmste sei, daß der Rittmeister Lauenstein jeute noch den Rock des Königs von Württemberg trage. Der württembergishe Militär-Bevollmächtigte werde heute vielleiht noch keine Kenntniß von den Dingen haben. Ein anderer Fall liege nicht auf dem Gebiete der eigentlihen Mißhandlung, aber er babe den Tod eines Menschen zur Folge gehabt. Im Herbst 1891 sei in der Garnison Ludwigsburg ein Mann zum Schwimmen kommandirt, der erst zum sechsten Male den Sc{chwimm- unterriht genommen habe. Der Shwimmmeister habe die Leine nicht festgehalten, und der Unglüliche sei vor den Augen von sechs Schwim- meistern und einem Lieutenant ertrunken. Der Schuldige habe dann fünf Wochen Arrest bekommen. Bei diesem Anlaß sei es ibm ein Bedürfniß, eine Gepflogenheit der Militärbehörde zu rügen, daß nämlich, wenn ein so s{chweres Unglück geschehe, nit einmal den nächsten Verwandten Mittheilung gemaht werde. Auch in diesem Falle habe der Offizier dem alten Vater den Sachverhalt ver- s{hwiegen, und ihm gesagt, er dürfe ibm Nichts darüber mittheilen, wie sein Sohn umgekommen, weil es ihn sonst um den Dienst und vielleicht ins Zuchthaus bringen würde. Dann sei der alte Mann zum Oberst gelaufen, der habe sich aber nicht stören lassen. Am 16. August 1890 sei der Ersagreservist Karl Schmidt, ein fleißiger, gesunder, in seiner Heimath wegen seines Charakters allgemein beliebter Mensch, in einer württembergischen Garnison in die Armee eingetreten und am 9. Oktober sei er als dauernd invalide, gänzlich erwerbsunfäbig und fremder Pflege und Wartung bedürftig in die Irrenanstalt gebraht. Die V ißhandlungen seines Unteroffiziers hätten ibn in sechs Wochen zum Wahnsinn getrieben. Der Unteroffizier habe ihn vom ersten Tage an mit der Faust ins Gesicht und auf die Brust, mit den Stiefeln in die Kniekehlen, mit dem Seitengewehr in den Rücken geschlagen, ihm die Ohren blutig ge- rissen, ihn vor der Front und im Mannschaftszimmer mißhandelt. Kein Tag fei ohne solhe Mißhandlungen vergangen, weil der Mann nicht sehr gewandt A sei. Von der zweiten Woche an sei er in sich gekehrt, allmählich abgemagert, habe in den Zügen den Eindruck der Schlaffheit getragen, wenn der Unteroffizier ih ibm genähert habe, habe er angefangen zu zittern und s{ließlich fei er ins Lazareth gekommen. Die Aerzte hätten so wenig Einsicht in seinen Zustand Ee daß sie diesen noch als Trotz bezeichnet hätten. Auf Veran- assung des alten Vaters habe das Schultheißenamt seiner Heimath eine Untersuhung durch einen Offizier erzielt. Der Unteroffizier Sieke habe angegeben, den Schmidt niemals mißhandelt zu haben, und von der Corporalschaft wolle niemand Mißhandlungen geschen haben. Sicke habe es so _dargestellt, als sei der Mann von anfang an krank gewesen. Oberamt und Schultheißenamt hätten aber bescheinigt, daß der Mann beim Eintritt nit krank ge- wesen sei, und der Auditeur habe \{ließlich berausgebracht, daß viermal geschlagen worden sei, mehr niht als im ganzen viermal, und das habe der Unteroffizier selbst zugegeben. Als die Mann- haft hart angelassen worden sei, weshalb sie das nit früher gesagt habe, hätten fie geantwortet, sie hätten aus Furcht vor dem Unteroffizier ges{chwiegen und ihrem guten Premier - Lieutenant zu Liebe, um nit zu sagen, daß in seiner Corporalschaft so etwas vorkomme, theils weil der Unteroffizier ihnen gesagt, der Premier- Lieutenant habe ihn angewiesen, die Mannschaft dahin zu belchren, daß sie nihts von dem Schlagen sagen solle. Er glaube nicht, daß der Premier-Lieutenant eine folche Anweisung ertheilt babe, aber wie dürfe der Unteroffizier diese Behauptung wagen! Sieke habe fünf Wochen Arrest erhalten, sei aber nicht degradirt worden. Die Urtheils- gründe sagten u. A., eine weitere Mißhandlung sei von einem Soldaten angegeben, aber derselbe habe einmal gelogen, man fönne ihm also nicht glauben; der Mann sei früher {on geisteskrank gewesen, es genügten daber fünf Wochen. Der Vater Schmidt's habe sich an das Kriegs-Ministerium um civilrechtlichen Ersaß für die Ent- ziehung der Stütze seines Alters gewandt. Das Y inisterium habe eine neue Untersuchung veranlaßt, die Ersatzreservisten seien inzwischen entlassen gewesen, seien vom Civilrichter vernommen und hätten nun auégesagt, daß Schmidt Tag für Tag mißhandelt sei. Auch unter ihrem Eide vor dem Auditeur hätten ne, von dem Zwange der Dis- ciplin niedergehalten, die Wahrheit verschwiegen. Ein oberärztliches Gutachten fei eingezogen worden und Schmidt habe an Pension eriler Kasse für eine Verstümmelungszulage und Zulage für Nichtbenußung des Civilverforgungsscheines insgesammt (9 A monatlih dauernd zuerkannt erhalten. Darin liege die Anerkennung des Kausalnexus, daß der Mann durch die Mißhandlungen zum Wahnsinn getrieben fei und daß nur der Civil- riter diefes außerordentli harafteristisGe und betrübende Resultat habe feststellen können. Nachdem das Alles erwiesen sei, habe der Vlvistonär auf die Acten geschrieben: „Es ist mir auffallend, daß keiner der beaufsihtigenden Vorgeseßten die Mißhandlungen, welche fich fast tägli wiederholt haben, wahrgenommen hat“. Es sei das eine sehr einfache Art, seine Ansichten über Unbegreiflichkeiten auszudrücken. n einem anderen Fall habe die Grausamkeit der Bestrafung den Tod eines Menschen _herbeigeführt Dieser Fall beweise auch, wie verschieden die Strafe für Unteroffiziere und Gemeine sei.

urch einen Proccß sei vor kurzem dieser Fall aus dem Jahre 1881 aufgedeckt. Drei Soldaten seien im Wirthshaus mit einem Unter- offizier zufammengetroffen und hätten ihn, als er sie wegen seiner Nichtachtung hinausgehen geheißen habe, zu Boden geworfen. Sie hätten scharfe Strafe verdient, vielleiht bis zu zwei Iahren, aber sie hätten mit einander 17x Jahr Zuchthaus erhalten. Der eine habe im vierten Jahre die Auszehrung befommen und“ sei im funsten infolge der Strafe gestorben. Der Unteroffizier babe

fünf Tage Arrest crhaltcn, weil er niht cnergisch genu s sei, und der Oberst habe zu ihm afbat: Menn E auh in Württemberg von dem Hauptmann Miller gering. shäßig sprehe, so halte ihn doch niemand einer Unwabrheit für fähig. Kämen fsolhe Dinge in Württemberg, Sachsen reußen, Bayern vor, so seien Ehre, Gesundheit und Menschen. eben im deutshen Heere in Gefahr. Die Würde des Landes die Interessen der Armee erforderten energischere Abhilfe, alé die Erklärungen der Regierung versprähen. Die Armee fei hon deshalb interefsirt dabei, weil bei jenem Ulmer Dragoner-Regiment in einem Vierteljahr 16 Deserteure vorgekommen seien. Der Reiché- kanzler habe in seiner gestrigen Rede ausgesprochen, daß die i nehmende Verrohung des Volfs der Grund aller dieser Fälle fs Eine ähnliche Aeußernag habe er bereits in der Reichsrathskammer von Bayern von den Vertretern des hohen fatholishen Adels ge- hört. Von dieser Seite habe er das bis zu einem gewissen Grade verstehen können, denn da bestehe immer der Hintergedanke, daß Culturkampf das Volk verroht habe. Aber wenn der erste Beamte des Deutschen Reichs hier im Reichstag aus\preche, daß das deutsche Volk zunehmend verrobe, so müsse er fagen, daß man damit den Be. strebungen, die man aufs äußerste bekämpfen wolle, den denkbar rößten Succurs leiste. Es erscheine ihm aber auch für das Ansehen nach außen hin niht richtig, eine solde Beha tung auf- zustellen. Wenn das das Resultat der zwei ersten Jahrzehnte des Bestehens des Deutschen Reichs wäre, dann könnte der Reichéfanzler kein grausameres Urtheil über die Thätigkeit seines Amtsvorgängers aus. sprechen, als mit feiner Behauptung von der zunehmenden Verrobung des Volks. Er würde wünschen, daß der Reichskanzler dem Reichêtage das genauere Material vorlege, auf welches er solche {weren Anklagen basire. Bloße Aeußerungen und Wahrnehmungen vereinzelter Offiziere könnten nicht genügen, um derartige Behauptungen zu retfertigen. Man werde dann auch sehen, auf welche Gegenden und welchen Zeitraum si diese angebliche Verrohungsstatistik beziehe. Vielleict liege beim Reichskanzler das vor, was er dem Abg. Bebel vor- geworfen habe, nämlich eine Verwechselung von Ursache und Wirkung. Wenn es wahr sci, daß es derartig in der Armee zugebe wie man es aus Sachsen gehört habe, und daß es in früheren Jahren noch viel s{limmer gewesen sei, danu müsse er zu dem Schluß gelangen: diese Zustände in der Armee wirken auf die Verrohung des Volks zurück. Sei das nicht vielleiht näber-

[liegend als die Behauptung, die Verrobung des Volks wirke auf die Armee zurück. Der Reichskanzler befinde sich in einem eigenthüm- lihen Widerspruch; er sage: die Mißhandlungen in der Armee seien im Abnehmen begriffen und die Verrobung im Volke nebme zu. Seiner Meinung nach liege die Ursahe der Mißhandlungen einfa darin, daß der Drill in der Armee aufs äußerste angespannt werde. Die Beschwerderegelung beim Militär sei nah der Aeußerung des Reichskanzlers cine ganz ausreichende, vorzügliche, er habe namentli auf den §117 des Militärstrafgesezbuches bingewiesen, welcher es verbiete, Denen, die Beschwerde führen wollten, entgegen- zutreten. Der Reichskanzler hätte auh den § 7 des Reglements vor- lesen sollen, welcher den Vorgeseßten verpflichte, den Untergebenen, welcher sih zu beshweren beabsichtige, auf die etwaige Grundlosigkeit seiner Beschwerde hinzuweisen und ihn ferner darauf aufmerksam zu machen, daß er durch eine unbegründete Beschwerde \ich \traf- bar mache. Dieser § breite einen wohlthätigen Schuß über alle Diejenigen, welche ihre Amtsgewalt mißbrauchen wollten. Man unterdrücke in der Form der Abmahnung von un- berehtigten Beschwerden die Beschwerden überhaupt, und militärische Schriftsteller hätten daher ausgesprochen, das jetzige Beschwerde- ret fei eine Wolfsgrube mit Fangeisen für den Mann. Die Pflicht- anzeige des Betroffenen möge ein gutes Mittel gegen die Soldaten- mißhandlungen fein, aber besser wäre es vielleiht noch, die Anzeige- pfliht in der Weise zu regeln, daß nicht bloß der direct Betroffene, fondern jeder, der von der Mißbandlung Kenntniß habe, Anzeige zu machen verpflichtet sei. In der Trupve selber sei die Meinung ver- breitet, daß man mit den Mißhandlungen sehr rasch und mit einem Schlage fertig werden würde, sobald man ausfprehe, daß, sobald eine Mißhandlung unter der Truppe vorkomme, die OfF- ziere felbst für die Mißhandlungen verantwortlich gemacht würden, wie es der Erlaß des Prinzen Georg thatsächlich thue. Die Erklärungen des sächsischen WBundesbevollmäc- tigten zu diesem Punkte hätten den sympathishsten Eindruck gemacht von allem, was man bisher vom Bundesrathstische gehört habe. Seine Partei sei darin einig, daß Disciplin sein müsse, aber man stebe zugleich auf dem Standpunkt des Allerhöchsten Erlasses vom 6. Februar 1890, welcher verlange, daß der Mann menshenwürdig behandelt werde. Der Reichskanzler habe eine große Rede über die Untergrabung der Disciplin gehalten, diese Aufklärungen seien aber belanglos, solange er nit bewiesen habe, daß in der bayerishen Armee eine Disciplin nicht bestehe. Ohne Gefährdung der Discivlin könnten die bumanen MNechtseinrichtungen geschaffen werden, die dieser Staat habe. Die Liebe zum Vorgeseßten fei das beste Band für die Disciplin, aber eben deë- balb müßten Dinge, die Haß erzeugten, unmöglich gemaht werden. Der Reichskanzler habe eingeladen, zu ihm auf das Blachfeld herab- zukommen, er (Redner) möchte den Reichskanzler einladen, nahdem er sih fo lange auf dem Blachfeld aufgehalten habe, do nun auf die Höhe zu kommen, wo man einen allgemeinen Ueberblick über die bürgerlichen Verhältnisse, über die Culturbedürfnisse der Bevölkerung ewinne. Die Bevölkerung habe den Eindruck, daß aus dem Grafen Saprivi gestern mehr der preußische General, als der deutsde Meichsfanzler gesprochen habe. Die bürgerlichen Interessen könnten eine größere Geltung beanspruchen, al sie bisher in Deutsch- land gehabt hätten. Es sei aufs hödste zu wünschen , daß das Parlament das Vollgewicht seiner inneren Ueberzeugung in die Wag- schale lege gegen den außerordentlich starken Widerstand der mili- tärishen Interessen, den es zu brechen gelte. Das Centrum habe bin und wieder auf eine Forderung verzichtet, um niht das Zustande- kommen eines Geseßes zu verhindern, welches einen guten Kern in sich getragen habe. Hier handele es sih darum, der Rei »8regierung zW zeigen, daß das Parlament auf dem Standpunkt stehe, den die bayerische Rechtépflege erprobt habe, und hier wolle das Centrum zurüd- treten und mit weniger zufrieden sein. Damit werde selbstverständ- lih der militärische Widerstand aufs höchste angefaht. Er ct deshalb aus allen diefen Gründen der Ansicht, dah nur die Refo- [lution Buhl-Richter, die von Schroffheit in der Form gar nichts ent- halte, der Situation wahrhaft gerecht werde, und fürchte, wenn er für eine andere Resolution einträte, daß er sih mitschuldig machen würde an den Mißhandlungen, die künftig ges{hehen würden.

_ NKöôniglich württembergisher Oberst - Lieutenant von Neid- hardt: Zu den von dem Abgeordneten Haußmann erwähnten Fällen, die in Württemberg vorgekommen seien, habe er Folgende anzuführen: Der erste Fall, welcher beim Dragoner-Regiment König Nr. 26 vorgekommen sein solle, sei ibm, und, wie er als sicher an- nehmen dürfe, auch dem württembergischen Kriegs-Ministerium nit bekannt. Er fomme zum zweiten Fall, des Musketiers Schneider vom Infanterie-Regiment Kaiser Wilhelm , König von Preußen , Nr. 120, der aber, wie der Abgeordnete ihm zugeben werde, nit in daë- Capitel der Soldatenmißhandlungen gehöre. Daß der ‘Mann bei der Shwimmübung ertrunken sei, sei ein Unglüfsfall, allerdings mit- veranlaßt dur die höchst bedauerliche Fahrlässigkeit des Schwimm- lebrers, des Gefreiten ‘Net, der gegen alle Vorschrift und sonstige Vebung die Leine, an welcher der Schüler festgebunden gewesen, n der Hand behalten habe, statt daß er sie an den Kahn gebunden. Hierfür sei der Gefreite Uet durch kriegsrehtlihes Erfenntniß zu einer Gefängniß- strafe von fünf Wochen verurtheilt worden. Strafmildernd hätten die auë- gezeichnete Führung, sein von ihm sonst bezeigter Diensteifer und vor allem seine Bemühung bis zu eigener Lebensgefahr, den Schneider zu retten, gewirkt. Daß der Vater, der am Tage nah dem Unglücksfall alë- bald in der Garnison eingetroffen sei, nicht gleih zur Leiche geführt! worden, habe seinen Grund darin, daß an diesem Tage die gericht liche Deffnung der Leiche stattgefunden habe. Am anderen Tage, Le der Vater sofort zu der Leiche des Sobnes im Lazareth geführ worden. Er komme nun zu dem dritten Fall, des ECrfahreservistcn Schmidt vom Infanterie-Regiment Alt-Württemberg Nr. 12?-

- sei, daß dieser Mann von seinem Unteroffizier und Corporal- Thatlährer beim Exerciren durh Schläge mebrfach mißhandelt us wal sei und daß sich diese Mißhandlungen jeder Kenntniß der Vor- 2 eßten entzogen hätten. Erst, nahhdem der Mann in das Lazareth wegen Melancholie gebraht worden sei, sei die Sahe Schmidt zur Kenntniß des Naters gekommen, der sih an den Truppentheil gewandt habe. Non Erheblichkeit sei das Gutachten der Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke in Winnenthal, wohin der Schmidt zur Beobachtung seines Geisteszustandes vom Garnifonlazareth gebracht worden fei Hiernach fei die Wirkung der erlittenen Behandlungen

fel. und das stehe im Widerspruh mit den Folgerungen abe die

Abg. Haußmann nicht 96 na ear und Beschädigung des Gehirns durh die erlittenen Mißhandlungen nicht stattgefunden. Der Unteroffizier sei im November 1890 wegen dieser Mißhandlungen mit fünf Wochen mittleren Arrest bestraft und, nachdem eine Ergänzung dieses Verfahrens wegen ver- schiedener Delicte angezeigt erschienen und angeordnet gewesen sei, zu Degradation und 12 Wochen Gefängniß im Juni 1891 verurtheilt. Daß der Unteroffizier niht habe strenger bestraft werden können, fei nur dem Umstande zuzuschreiben, daß die Folgen der Mißbandlung zur Zeit seiner beiden Verurtheilungen noch nicht klar zu Tage gelegen ßâtten und, als dies der Fall gewesen sei, der Beschädigte , mit vernehmbar gewesen, also das Verfahren hätte ruhen müssen. Nachdem nun der Beschädigte bleibend S n aeaen. werde das Verfahren wohl für immer ruhen müssen. Der Erjatreservist Schmidt sei von militärisher Seite als infolge des Dienstes, nicht infolge der Mißhandlung dienstunbrauchbar entlassen und mit einer monatlichen Pension von 57 A. invalidirt worden. _ Die Acten seien dem Abg. Haußmann von dem Regiment behufs Führung einer civilrechtlichen Klage des Vaters gegen den Unteroffizier ausgehändigt worden. Wie der Militärverwaltung bekannt, habe aber Haußmann den Proceß fallen lassen, weil er anscheinend den Zusammenhang der erlittenen Mißhandlung mit der Geisteskrankheit doch niht habe nach- weisen fönnen. Sodann habe der Abg. Haußmann gefragt, warum die Regierung gegen den Herrn Miller nicht Strafantrag gestellt habe. Er babe hierauf zu entgegnen: Nachdem dieser Verfasser verschiedener Schriften schon wegen seiner ersten Schrift aus dem Offizierstand ent- fernt und dies öffentlih bekannt gegeben worden sei, habe die Re- ierung weiter keine Veranlassung, sich mit den ferneren \{riftlihen Frzeugnissen zu beschäftigen und ihm dadurch eine weitere Bedeutung beizulegen. Was fodann die Angabe der Desertionen in Ulm betreffe, so müsse er dieselbe als unrichtig bezeichnen. Er könne ih diese Angabe nur dadur erklären, daß vielleicht eine Verwechselung mit denen, die aus Ungehorsam abwesend, und denen, die chne Erlaubniß ausgewandert seien, vorliege.

Reichskanzler Graf von Caprivi:

Der Herr Abg. Haußmann hat mir den Rath gegeben, mich gelegentlih vom Blachfelde zu feiner Culturhöhe zu erbeben. Jch bin nicht im stande, zu ermessen, welche Anstrengung meinerseits dazu erforderlich sein würde, weil ich zu wenig das Vergnügen habe, den Herrn und seinen Culturstandpunkt zu kennen. (Heiterkeit rechts.) Nach der Nede, die er heute gehalten hat, könnte ih der Gefahr ausgeseßt sein, diese Höhe zu untershäßen:; denn ich kann mir nit ganz klar darüber werden, welhen anderen Zwe diese Rede bätte haben können, als Mißtrauen und Mißvergnügen zu erregen. (Große Unruhe links. Sehr richtig! rets.)

Meine Herren, was foll es denn, wenn jemand sich hierher stellt und vor dem Lande eine Anzabl von Fälle, die hier zu beurtheilen fein Mensch im stande ist, vorträgt ? (Heiterkeit links.) Er denuncirt hier die Handhabung des Gerichtswesens, er denuncirt den ärztlichen Dienst, ganz abgesehen von dem militärishen Dienst, und i glaube, von uns allen ift fein einziger in der Lage, zu übersehen, wie der Fall wirklich lag. Der Herr Abgeordnete kann nach meinem Dafürhalten mit dieser Rede keinen anderen Zweck gehabt haben, als das Land darauf aufmerksam zu machen und den Glauben zu er- regen, daß von Seiten der competenten Stellen niht das geschehe, was geschehen müsse. (Sehr richtig! links.) Das ist eine Cultur- höhe, auf die ih dem Herrn Abg. Haußmann zu folgen nicht ge- sonnen bin. (Bravo! rets.)

Der Herr Abgeordnete bat eine Differenz constatiren zu müssen geglaubt zwischen dem, was ih gestern über die von den preußischen General-Commandos eingeforderten Berichte gesagt habe, und dem, was heute hier gesagt worden ist. Diese Differenz existirt nicht: ih habe nit gesagt, daß diese Berichte noch nicht da wären; ich verweise den Herrn Abgeordneten in dieser Beziehung auf den stenographischen Bericht.

Der Herr Abgeordnete hat den einen und den anderen Fall hier erwähnt, der ja so beklagenswerth ist, wie die Fälle, die wir gestern gebört haben. Jch kann aber, sofern diese Fälle nicht schon ihre ge- rihtlihe Erledigung gefunden haben, nur wiederholen, was ih gestern gesagt habe: die Militärbehörde kann auf diese Dinge nur dann eingehen, wenn die Herren die Güte haben, die Gewährs- männer zu nennen. (Zurufe.) Es ist in meinem Auftrag beute früh an den Herrn Abg. Bebel ein Schreiben gerichtet worden, er möge die Güte haben, die Gewährémänner zu nennen (Bravo !), damit da- gegen cingeschritten werden fann.

Der Herr Abg. Haußmann hat mir cinen Vorwurf daraus ge- mat , ih bâtte mebr als preußisher General wie als Reichskanzler gesprochen. Wenn ih meinen Pflichten als Reichskanzler dadurch nicht gere{cht geworden wäre, so würde ih das beklagen. Den Beweis it er mir aber s{uldig gebliebén, und im allgemeinen glaube ih aus- Iprechen zu fönnen, daß au ein Reichskanzler sih nichts vergiebt, wenn er als preußisher General auftritt. (Bravo! rechts.)

] Der Herr Abgeordnete hat den §8 7 des Beschwerdereglements S den Kreis seiner Betrachtungen gezogen und ihn natürli auf seine Cle gedeutet, was ih ihm nit verdenken kann. Dieser Paragraph hat Und das ist ganz ersichtlih aus dem ganzen Zusammenhang R feinen andern Zweck, als einen für den Mann, für den Be- \hwerdeführer , woblwollenden. (Lachen links.) Denn, wenn der Mann cine unbegründete Beschwerde anbringt, so wird er nah § 1592 des Strafgeseßbuchs bestraft. Da nun der Mann wohl wissen kann, alle Soldaten wissen, bei wem fie sich zu melden haben, wenn sie eine Beschwerde an E E so reicht das hin. Aber der Maun kennt den § 152 idt de R nicht ; er ist eben fein Jurist. Er fann auch s s Fleines Handbuch in der Tasche haben; das würde ihm ok L S nußen. Alfo den Mann darauf aufmerksam zu Mae cine if E dem § 152 des Strafgeseßbuchs in Conflict seßt oder weiß, bia er Zweck diefes Art. 7, und der Art. 7 ist, so viel ih Man her wirksam gewesen (sehr richtig! links) im Interesse der =-tannschaften. e t e Abgeordnete hat zwischen der starken Inanspruchnahme uh wies en, zwischen der abnehmenden Zahl der Mißhandlungen s ’cn meiner Behauptung, daß die Verrohung in der Be- völkerung ¿zunehme, daß das aus den Vorstrafen zu ersehen fei, einen Zusammenban "me, daß das aus den Vorstrafen E n )ang construirt, aus dem er sich für berechtigt gehalten

hat, mih cines Mangels an Logik zu zcihen. Ich bin, muß ih ge- stechen, nicht im stande gewesen, seinen Betrachtungen zu folgen. Die Verrohur.z liegt vor dem Eintritt; je verrohter der Soldat, um so leiter die Versuhung für den Vorgeseßten, ibn zu mißhandeln. Wenn also troy der verrohteren Soldaten die Zahl der Miß- handlungen abnimmt, fo ist das eine Erscheinung, welche für die Ver- geseßten spriht. (Bravo! rets.)

Der Herr Abgeordnete hat dann weiter gemeint, ih bätte den

Ausdruck „Verrohung“ niht vor dem Auslande gebrauchen sollen.

Ja, wenn wir vor dem Auslande sprechen, so will ich zunächst dem Herrn Abg. Richter meinen Dank dafür aussprechen, daß er sih an der shmußtigen Wäsche, die wir hier vor dem Auslande vorgenommen haben, nit betheiligt hat. (Bravo! rets.)

Der Herr Abg. Richter hat mir aber vorgeworfen, ih bâtte Preußen gelobt auf Kosten von Bayern; ih bätte nicht an- erkannt, daß das bayerische Verfahren ein gutes sei. Der Herr Abg. Richter muß nicht gegenwärtig gewescn sein, als ich spra, oder ih habe vielleiht nicht laut genug gesprochen. Ich spreche niht gern laut, weil ich dann auch gerade beim Herrn Abg. Nichter, wie ih heute wieder gesehen habe, leiht den Eindruck mache, ih wäre gereizt. Das war gestern nit der Fall und ift auch beute nicht der Fall.

Ich will nun aber doch dem Herrn Abg. Richter aus dem stenographischen Berichte vorlesen, was ih gesagt habe:

Der Herr Vorredner hat die Ansicht ausgesprochen, in Bayern hâtte man die besten Erfahrungen gemacht, Dank des vorzüglichen bayerischen Verfahrens, dessen Vortheile nicht anzuerkennen mir fern liegt. Ich habe selbst einmal die Ehre gehabt, bayerische Truppen zu commandiren: ich bin diesen Verhältnissen näher ge- treten. Ih wünsche von dem Herrn Abg. Richter nur, daß er dem preußishen Verfahren eine ebenso unparteiische Beurtheilung ent- gegenbringt, wie ih dem bayerischen.

Und an einer andern Stelle, wo ich von dem bayerischen Ver- fahren sprach:

Es liegt mir fern, diese Vorzüge in Abrede zu stellen.

Nun, ih weiß niht, was ich eigentlih noh sagen soll. Worauf gründet der Herr Abg. Nichter seine Behauptung, ih hätte vom bayc- rischen Verfahren nicht das gesagt, was ih hätte sagen müssen? Ich vermuthe, der Herr Abg. Richter hat hier die Absicht, zwischen der preußischen und bayerishen Regierung Mißtrauen zu erregen; ih glaube aber nit, daß ihm das glücken wird.

Der Herr Abg. Nichter hat dann weiter gesagt: Die bayerischen Erfahrungen haben sich nah der Ansicht Aller bewährt. Ich zweifle nicht daran, daß viele bayerishen Erfahrungen ih nach der Ansicht Vieler bewährt haben; aber ganz fo allgemein und ausnahmslos ift das denn doch nit.

Ich citire aus einer bayerischen Zeitung die Aeußerung . des Königlich bayerischen Kriegs-Ministers, der eine Erklärung abgegeben hat, die zu 2 dabin lautet :

Die Staatsregierung ist deshalb zur Zeit nicht in der Lage, bezüglih der Militärgerichtéverfassung und der damit zusammen- hängenden Fragen eine bindende Erklärung abzugeben, obglei sie sehr geneigt ift, die Grundsäße der bayerisden Militärstrafgerichts- ordnung, tnsoweit sie sich durch die Erfahrungen erprobt haben, auch zu vertreten und anzuerkennen.

Wenn man alfo die Frage aufwerfen wollte, ob die bayerischen Erfahrungen sich erprobt haben oder niht, so muß mindestens zu- gegeben werden, daß diese Erklärung des bayerishen Herrn Kriegê- Ministers einen Spielraum läßt, der auf anderer Stelle zu der Frage Anlaß giebt: is es denn nun wirkli räthlich, die Dinge einfa fo einzuführen ?

Der Abg. Nichter hat in die Tage seiner Jugend zurückgegriffen und si daran erinnert, daß die Soldaten damals vielfa auf den öffentlichen Plätzen exercirten, und daß da solche Dinge wie heut zu Tage nicht vorgekommen wären. Ich erinnere mi solcher Dinge auch; aber ich drehe die Sache um. Jch sage: wir sind viel empfind- licher geworden. Auch früher ist beim Ererciren manches passirt, was nicht {ön und nicht recht war; aber man fand eben nichts dabei, das Niveau der ganzen Welt war in diesen Dingen anders, und jeder, der älter ist und in der Armee vor 30, 40 Jahren gestanden hat, wird mir zugeben, daß damals in einer Art und Weise geschimvft wurde, von der wir heut zu Tage gar keine Vorstellung baben. (Heiterkeit links.) Wenn dergleihen Dinge auf öffentlichen Plätzen geschahen, so hatten eben der Betheiligte und der Zuschauer ein Schimpfwort mehr gehört ; es machte aber nichts aus. Heut zu Tage ist der Mann aber empfindlicher, und nun hat man die Presse, und es geht durch die ganze Welt. Jch glaube also, diefer Versuch eines Beweises war dem Herrn Abgeordneten niht ganz gelungen.

Er hat ferner gemeint, die Presse sei ein Surrogat für die Oeffentlichkeit; da wir die Oeffentlichkeit hier noch niht hätten, fo wäre es gut, daß dic Presse da wäre. Jch kann die Besorgniß nicht ganz unterdrücken, daß, wenn wir die Oeffentlichkeit des Militärstraf- verfahrens haben, es mit der Presse noch s{limmer würde. (Schr richtig! rechts. Ach! links.) Denn wenn ih ein Socialdemokrat wäre (Heiterkeit links) und die Ziele verfolgte, die die Herren verfolgen, dann würde ih bei Einführung des öffentlichen Verfahrens sofort eine Enguête unter meinen Gesinnungsgenossen veranstalten nicht eine Enquête mit Worten, sondern eine mit dem Klingelbeutel, um einen Fonds zu gründen für Advocaten, die als Neporter in allen diesen Gerichten herumgingen; und ich bin überzeugt, daß bei dem Geschick vieler dieser Herren es eine Kleinigkeit wäre, täglich hier aus Berlin aus Stand- und Kriegsgerichten eine Sammlung von gut arrangirten, packenden fleinen Geschichten zusammenzustellen, mit denen man eine Zeitung füllen könnte. Es kommt eben bei diesen Dingen lediglich darauf an, mit welchen Augen man sie ansieht. (Ach! links.)

Geht denn aus dem, was der Abg. Bebel gestern sagte, nicht hon hervor, daß wir auf dem besten Wege sind, eine Sammelstelle für Militärklagen zu gründen? Das nimmt ja natürli zu; jeder Vater, jeder Anverwandte eines nicht mit seiner Lage zufriedenen Sol- daten hat, indem er sich an Herrn Bebel wendet, ein sehr bequemes Mittel, seinen Gefühlen - Luft zu machen, es kann ibm gar nichts dabei passiren. (Ah! links.)

Unter der Flagge der Redefreiheit eines Abgeordneten segelt das vergnüglih in die Welt. Warum sollte man diesen Zustand, wenn man eben Socialdemokrat wäre, nicht noch viel weiter ausbilden ? Ich bin fest überzeugt, er wird weiter ausgebildet werden, und des- halb eben thut es mir leid, daß die Herren uns Wege bezeichnen, von denen ih überzeugt bin, daß sie manches Gute enthalten, aber

vielfach lediglih dieser Partei zugute kommen werden. (Heiterkeit links.)

Dann hatte mich, glaube ich, der Herr Abg. Richter noch an einer anderen Stelle mißverstanden. Ich habe gesagt, daß die Leistungen der Armee Friedrih's des Großen niht sowobl dem Stock zu verdanken gewesen wären, als vielmehr dem inneren Ver-

bâltniß der Truppen zum großen König, der Verehrung, der Liebe zu

ihm. Die Gloria, die er hatte, unter der prosperirte der Soldat.

Nun sagt der Herr Abgeordnete: ja, aber die Disciplin blieb dieselbe, und dann kam Jena. Damit bestätigt er doch nur, was ih gesagt habe. Die Disciplin blieb dieselbe, der große König war aber nicht mehr da, dieses Verhältniß der Liebe zwischen Feldherrn und Truppe war nit mehr da, und damit fam Jena. Dieses Verhältniß der Offiziere aber zur Truppe zu erhalten, ist die erste Pflicht der Militärverwaltung bei jeder Vorlage,. die sich auf die Disciplin der Truppe bezicht, und die Militärverwaltung kann und wird diese Pflicht nicht aus den Augen lassen. (Lebhaftes Bravo rets.)

Abg. Gröber (Centr.): Es sei ja recht s{chsn, hier eine rei akademische Erörterung vorzutragen, bei welcher man schöne, vollfklingende, muthvolle Säße in die Welt {leudere; aber es sei doch richtiger, praktische Politik zu treiben, wenn man etwas Prafktisches er- reichen wolle. Man habe bier eine Reibe von Fällen vorgebracht, in denen es fich nicht um Soldatenmißhandlungen handele, sondern um Nachlässigkeit, Fahrlässigkeit, ein falshes Strafmaß u. s. w. Wie wolle man alle diese Fälle durch die Resolution Richter treffen? Als den leßten Hauptgrund der Soldatenmißbhandlungen habe der Abg. Haußmann den Drill bezeihnet. Wenn das wahr wäre, dann fönnten alle Parteien ihre Refolutionen einpacken, dann müßten sie resolviren: die Soldaten müssen viel weniger exerciren, sie müßten ein Erercirreglement machen. Wenn man freilich vom Re- gierungstishe auch Aan höre, wie die, man könne in eine Reform der Militär-Strafproceßordnung deshalb nicht eintreten, weil ja die bürgerlihe Strafproceßordnung au nicht das voll- ktommenste Werkzeug der Strafrehtspflege sei, dann dürfe man sich niht wundern, wenn die Militärverwaltung scharf angegriffen werde. Negierung, Militärverwaltung und Volksvertretung bêiten alle das dringendste Interesse und den aufrichtigen Wuns, daß diesen Miß- handlungen vorgebeugt werde. Das beweise die Allerhöchste Cabinets- ordre von 1890, der Erlaß des Prinzen Georg von Sachse und auch die gestrige Erklärung des Reichskanzlers. Dem Neichs- tanzler sei aber s{lecht gedankt worden durch die Aus- führungen des Abg. Bebel. Er habe gar nichts dagegen, daß man in ciner folhen Debatte gerihtlich festgestellte Fälle verwerthe, wie dies bezüglih der Fälle in Ulm und Ludwigsburg heute geschehen sei. Der Abg. Bebel fei gewiß von der Richtigkeit der von ihm vorgebrachten Thatsachen überzeugt, aber die subjective Ueberzeugung fei nit gleihbedeutend mit der objectiven Wahrbeit. Fordere man von den Militärbehörden strenge Gerechtigkeit, dann müsse man sich auch hüten, selbst eine Ungerechtigkeit dadur zu be- gehen, daß man cine öffentlihe Proscription vornehme über Offiziere und Unteroffiziere, die sich nit vertheidigen könnten. Geschehe dies dennoch, so liege die Auffassung nabe, daß die Herren andere Zwecke verfolgten, als sonstiges Material zur Beurtheilung der Sache vorzulegen. Es werde den Militär- behörden der filliweiaanbe Vorwurf gemacht, Ihr wollt gar nicht eintreten, und darum zeigten sie die Fehler in der Behandlung den Vorgeseßten garniht an. Warum habe der Abg. Bebel die ihm bekannten Fälle nicht selber angezeigt? Er sei über- zeugt, daß in Deutschland eine jede Behörde auf die Anzeige eines Abgeordneten die Untersuhung eröffnen würde. Ein foles Vorgehen fkönne nur verbitternd wirken, wenn die Eltern in die Meinung verseßt würden, daß ihre Söhne beim Militär s{huß- und rechtlos seien, aber auch verbitternd für die Behörden, denen vorgeworfen werde, daß sie niht Recht und Gerechtigkeit walten ließen, sondern nur Willkür und Laune. Gerade weil er für die Oeffent- lichkeit des Militär-Strafproceßverfahrens fei, darum bedauere cr, daß der Abg. Bebel so viele Angriffspunkte gegen dieses Verfahren dargeboten habe. Das Bedenken, daß die Oeffentlichkeit von der Presse ausgenußt werden fönnte, dürfe niht auss{laggebend sein. Das Fn- teresse für die öffentlihen Verhandlungen würde sich bald verlieren, aber das Vertrauen des Volkes in die Nechtsprehung würde zunehmen. Was sei denn der Unterschied zwischen den beiden vorliegenden An- trägen? Man habe anerkannt in dem Antrag, daß die Oeffent- lihkeit in gewissen Fällen ausges{lossen werden könne. Der andere Antrag verweise auf die bayerishen Bestimmungen, welche di Ausscbließung der Oeffentlichkeit im weitesten Umfange gestatteten. In Bayern bestehe eine gute Praxis troß der \{chlechten Be- stimmungen. Glaube man, daß bei gleichen Bestimmungen in

"reußen die gute Praxis eintreten werde? Er glaube das nit. Dazu kenne er die Herren in Preußen zu gut. Wenn einmal die Militär-Strafproceßordnung vorgelegt werde, dann sei man dur den Antrag der Commission garnicht beschränkt : man könne die Oeffent- lichkeit einführen, in welhem Umfange man wolle. Nothwendig sei allerdings die Erleichterung des Sescbwerberéchkes für die Soldaten. Daß man Ausnahmen von dem allgemeinen Militärstrafre{t für Bayern statuiren wolle, könne um fo weniger auffallen, als ja auch bei der Justizreorganisation im Jahre 1879 cine Anzahl von Aus- nahmen bestehen geblieben scien. Wenn man eben nit Alles erreihen fönne, so müsse man mitnehmen, was man be- komme. Schließlih müsse sich .das Militärstrafre{t dem civilen Strafrecht accommodiren. Die Herren verlangten die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens: aver wer habe denn die Oeffent- lichkeit in dem Militärstrafverfahren früber gehindert, als gerade die Nationalliberalen ? Schliéßlih wolle auc dieser Antrag niht weniger, denn über die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des Verfahrens brauche man heut zu Tage niht mehr zu discutiren. Ob der Proceß mündlich oder nach den Acten geführt werde, könne auf die Zahl der Soldatenmißhandlungen keinen Einfluß autüben. Wolle man das Militärstrafverfahren ändern, fo feien andere Punkte viel wichtiger, als die von den Nationalliberalen hervorgehobenen. Das Beschwerdeverfahren müsse wesentlich geändert werden, namentlich müsse in dringenden Fällen vom Instanzenweg abgegangen werden - dürfen, auch müsse dem Beschwerdeführer das Resultat der Beschwerde mitgetheilt werden; gutgläubig ein- gereihte Beschwerden müßten, auch wenn sie unbegründet seien, \traflos bleiben. Solle aber die Pflicht der Beschwerde eingeführt werden, so werde dem Soldaten eine böse Zwickmühle geschaffen: beshwere er sih zu Unrecht, so werde er zu bestrafen sein, und unterlasse er die Beschwerde, weil er niht wisse, ob sie begründet sei, so werde er auch bestraft. Gegen den Antrag seiner Partei mache der Reichskanzler einen Competenzeinwand: er richte sich an die ver- bündeten Regierungen, während die Ordnung des Beschwerdewesens als eines Zweiges der Disciplinargewalt dem Kaiser zustehe. Erstens werde, wenn die Nesolution angenommen werde, dieselbe {on an die richtige Adresse kommen. Dann sei aber au formell die Adreffe gerechtfertigt, denn die Beschwerde gehe über die Disciplinarstrafe heraus, sie rihte sih au gegen gerichtlihe Urtbeile, gehöre also nah der Militär-Strafprozeßordnung vor die verbündeten Regierungen. Aber mit folhen Maßregeln könne man dem Ucbel niht steuern, man müsse sich auf die Religion stützen, wie ja auch der Erlaß des Prinzen Georg in so {chöner Weise auf das Ehrgefühl hinwetse. Daß die Religion die Grundlage des öffentlichen Lebens scin müsse, sei allseitig anerkannt. Die Reli- gion müsse gelten im ganzen Leben des Mannes. Sie müsse gelten im Rath der Könige und im Parlament, im Privathause und in der Caserne. Unter der Pflege der religiösen Dinge verstehe seine bede durchaus nit die Abhaltung von Bétstunden: die Soldaten hätten Gelegenbeit außerhalb der Casferne, ihren religiösen Verpflichtungen nachzukommen, aber cs müßte in der Cascrne manches unterbleiben, was jetzt geschehe. Die Zunahme der Verbrechen und der Nohheit

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