1892 / 43 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Feb 1892 18:00:01 GMT) scan diff

Die heutige „Wiener Zeitung“ veröffentliht die Ein- berufung der Landtage zum 3. März.

_ Der ungarische Finanz-Minister Dr. Wekerle ist gestern Mittag in Wien eingetroffen; der Minister-Präsident Graf Szapary trifsstt_ heute früh ebenfalls daselbst ein. Es wird angenommen, daß es sih bei diesen Reisen um Besprechungen wegen der Ernennung eines neuen Gouverneurs der öster- reichish-ungarishen Bank, wegen Feststellung des Arbeits- programms des ungarischen Parlaments und Bestimmung eines Termins für die Einberufung von Fachenqueten zum Zwecke der Valutaregulirung handelt.

Das „Armeeblatt“ veröffentliht den angeblihen Wortlaut eines Erlasses des RNeichs-Kriegs-Ministeriums an sämmtlihe Militär - Territorial- Commandanten, worin der hohe Einfluß hervorgehoben wird, den die Belebung des religiösen Gefühls auf die sittliche Haltung der Soldaten ausübt. Zugleich werden die Bestimmungen des Reglements in Erinnerung gebraht, wonach die Mannschaft mindestens allmonatlih einmal zur Kirche zu führen ist.

Wie dem „Frdbl.“ aus Lemberg berichtet wird, melden die an die Statthalterei einlaufenden Berichte ein Zunehmen der Hungersnoth unter der Landbevölkerung in den westlihen Bezirken Galiziens. Nach cinem Berichte aus dem Krakauer Bezirke haben schon jeßt 1n 23 Gemeinden über 3000 Einwohner gar keine Lebensmittel, sie leben nur von milden Gaben. Gegen 1300 Landwirthe werden im Früh- jahr aus Mangel an Saatgetreide ihre Felder nicht beitellen fonnen. Der Krakauer Bezirks-Aus\huß wandte sih daher an die Militärverwaltung und die politische Behörde mit der Bitte um Beschleunigung der bei Krakau projectirten Fortifications- und Weisel-Reonulirunaaarieites

Nach dem gegenwärtig vorliegenden definitiven Resultate der ungarishenReichstagswahlen wurden 245 Anhänger der liberalen Partei, 86 Unabhängige, 61 Anhänger der Nationalpartei, 17 Anhänger Ugron's und 3 Parteilose ge- wählt. Eine Neuwahl is} erforderlich. Unter den liberalen Abgeordneten befinden sich 73 Neugewählte; 93 Liberale wurden mit Stimmeneinhelligkeit gewählt.

Großbritaunien und Jrland.

Das Ministerium hat beshlossen, die Bill über die staatliche Unterstüßung des Volksunterrichts in Jrland nicht vor dem Ende des laufenden Finanzjahres im Parlament einzubringen, wodurch die Erledigung anderer Bills beschleunigt werden dürfte. Wie nah der „A. C.“ verlautet, soll der Unterricht in neunzehn größeren irischen Städten obligatorish gemaht werden, während in dem übrigen Theil des Landes die Verhältnisse bleiben sollen, wie sie sind. Die Protestanten von Ulster wollen gegen diesen Compromiß energish protestiren, da er dem Clerus bei der Vertheilung der Subvention ungebührlich zu gute kommen würde. Die meisten Parlaments-Abgeordneten sind der Ansicht, daß die Bill erst im nächsten Parlament werde zum Austrag gebracht werden.

Der mit der Ausarbeitung eines Altersversicherungs- plans betraute Unterhaus-Aus\chuß is am 16. d. M. zusammengetreten, um die noch fehlenden Einzelheiten des während der Ferien weit vorgeschrittenen Werkes festzuseßen. Sobald der Entwurf vollständig fertiggestellt ist, sollen die Vertreter der großen Unterstüzungskassen zu einer Conferenz mit den Urhebern des Plans eingeladen und dieser selbst sodann dem allgemeinen Aus\{huß unterbreitet werden. Der Unterhaus-Ausshuß besteht aus den Abgg. Mr. Chamberlain, Mr. Ranken, Mr. Mallock und Mr. Hunter.

Jn Liverpool, wo wegen des Ablebens des Abg. Whitley, des bisherigen Vertreters des Wahlkreises Everton, eine Ersa §- wahl nothwendig wurde, ist der conservative Candidat Willox für gewählt erklärt worden, da kein anderer Candidat aufgestellt war.

Ueber den Nothstand in „A. C.“ folgende neueren Nachrichten 14. Februar vor :

Die Lage in den nothleidenden Districten wird immer trauriger. In der Präsidentschaft Madras wächst die Zahl derjenigen, velde an den Nothbauten beschäftigt sind oder öffentlihe Unterstützung erbalten, immer mehr. Salem is} jeßt auch amtli für einen District erklärt worden, . in welhem die für Hungersnoth gel- tenden geseßlihen Vorschriften zur Anwendung zu gelangen haben. În den Districten Kurnool, Bellary, Anantapur und Cuddapah im Deccan is die Noth größer als irgendwo anders. Fast zehn Lakhs Nupien sind hon für Darlehen und zum Brunnengraben ver- ausgabt worden und außerdem sind 1} Lakh für landwirthschaftliche Zwecke vertheilt worden. Die Regierung von Bombay hat amtlich constatirt, daß ein Nothstand herrsht, und die Vorschriften über die Hungersnoth auch auf Bijapur und Theile der Districte Belgaum und Dharwar für anwendbar er- klärt. In Bengalen hat ih der Himmel an den letzten Tagen umwölkt, aber es ist kein Regen gefallen. Die Zahl “der Districte, in welchen eine halbe Mißernte bevorsteht, ist groß. In eintgen Theilen von Behar ist die Noth ]chon aufs höchste gestiegen. Der im leßten Monat gefallene Regen hat bhoffentlih die Brunnen von Armere und Merwara gefüllt und die furhtbare Gefahr eines Mangels an Trinkwasser beseitigt.

Frankreich.

Nach amtlicher Ermittelung betrug, wie „W. T. B.“ meldet, die Gesammteinfuhr nah Frankreih im Monat Januar d. J. 489 Mill. Fr. gegen 308 Mill. Fr. im Jahre 1891, die Ausfuhr belief ih auf 239 Mill. Fr. gegen 201 Mill. Fr. in demselben Monat des Vorjahres. Die Einfuhr Frankreichs aus Deutschland im Jahre 1891 überstieg die vom Jahre vorher um 191/54 Mill. Fr., die Ausfuhr Frankreihs nah Deutschland betrug in demselben Jahre 173/4 Mill. Fr. mehr als im Jahre 1890.

Rußland und Polen.

Der Kaiser hat, wie der „St. Pet. Ztg.“ zufolge dur Tagesbefehl im Militär-Nessort Vern Sebi Dobbie if dem 47. Tatarischen und dem 48. Ukrainishen Dra- goner-Regiment, die im vorigen Jahre neu formirt wurden, die Standarten der früheren Ulanen-NRegimenter gleichen Namens und silberne Trompeten verlichen, und zwar dem 47. Tatarishen zwölf silberne Trompeten des früheren Ulanen - Regiments gleihen Namens mit der Aufschrift: „Dem Tatarischen Ulanen-Regiment am 18. August 1813 für Auszeihnung gegen den Feind in der Schlacht bei Kulm“ und dem 48. Ukfrainishen 11 silberne Trompeten des früheren 1. Ukrainischen Kosaken-, nachherigen Ulanen-Regiments mit der Aufschrift: „Dem 1. ÚfrainisGen Regiment am 30. August 1814.“

Das Communications-Ministerium hat, wie man dem „D. B. H.“ aus St. Petersburg meldet, beschlossen, den Bau der sibirischen Bahn gleichzeitig von zwei Seiten

Indien liegen in der aus Kalkutta vom

aus in Angriff zu nehmen, und zwar vom Ural und von Wladiwostock aus. Jn diesem Jahre sollen 400 Werst gebaut und die gesammte Bahn in zwölf Jahren fertig gestellt werden.

Ftalien.

Der Senat hat gestern die zwishen Deutschland und Jtalien vereinbarte Convention über den Marken- und Muster\schuß ohne Discussion angenommen.

_gJn der Deputirtenkammer erwiderte der Minister- Präsident Marchese di Rudini gestern auf eine Anfrage des Deputirten Grafen Antonelli: er halte die Gerüchte von dem Abbruh der Beziehungen zwishen Menelik und Ras Mangascha sowie von einem bevorstehenden Kriege mit Tigre für unbegründet. Der Minister - Präsident be- tonte dabei, nah dem „W. T. B.“, gugleich, er werde an der von Jtalien in Afrika befolgten Politik nichts ändern. Jn der dann folgenden Debatte über die Unruhen an den italienishen Universitäten erklärte der Unterrichts-Minister Villari: die jährlich wieder-

kehrenden Tumulte an den Universitäten seien eine Schande .

für das Land und durch nichts entschuldbar; er habe erst spät den Weg der Strenge eingeschlagen, sei aber nunmehr ent- schlossen, bis ans Ende zu gehen. Diese Erklärung nahm das Haus mit Beifall auf. Eine von der Regierung genehmigte Tagesordnung wurde angenommen, die von der Opposition beantragte jedoch iede en. Im weiteren Verlaufe der Sißung brachte der Abgeordnete Jmbriani eine JFnter- pellation über an lite offenkundige Verleßungen des Ber- liner Vertrags von Ren einer der Signatarmächte ein.

Ueber das Befinden des ¿ves cirkulirten in den leßten Tagen wieder ungünstige Gerüchte, die noch verstärkt wurden dur den Umstand, daß der päpstliche Leibarzt während der Nacht im Vatican verblieb. Thatsache ist, wie die „Ger- mania“ mittheilt, daß sih der Papst infolge des Todes seines intimen Freundes, des, wie {hon gemeldet, am 13. d. M. verstorbenen Uditore santissimo Msgr. Boccali, etwas an- gegriffen fühlt, daß aber irgendwelhe Befürchtungen nicht vorliegen.

Schweiz.

Dem Berner „Bund“ zufolge werden die Handels- vertrags-Unterhandlungen der Shweiz mit Frank- reich vor Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Ztalien kaum eröffnet werden, jedoh sei leßteres bald zu erwarten. Die Anwendung des italienishen und shweizerischen General- tarifs, sagt der „Bund“, sei noh kein Zollkrieg.

Der Zürcher Cantonsrath hat, der „Magdb. Ztg.“ Zufolge, nah langer Debatte mit 83 gegen 82 Stimmen den Regierungsrath für competent erklärt, ein Fremdenbureau einzurichten.

Niederlande.

Die Königin-Regentin und die Königin Wil- helmine werden, wie der „Hann. Cour.“ aus Amsterdam erfährt, demnächst eine Rundreise durch die Provinzen antreten. Die Generalstaaten, welhe am 1. März ihre parla- mentarische Thätigkeit wieder aufnehmen, werden sih zunächst mit der Regierungsvorlage über den obligaten Volks\chul- La und sodann mit der Militärreform zu beschäftigen haben.

Luxemburg.

_ Luxemburg, 15. Februar. Der Stadtrath hat die vier Mitglieder des Collegiums, welhe nunmehr seit einem Zahre aus Anlaß eines damals ausgebrochenen S sich jeder Betheiligung an den Debatten und jeder bstimmung enthielten, in seiner vorgestrigen Sißung, wie der „Mgdb. Ztg.“ gemeldet wird, von der ferneren Theilnahme an den Berathungen ausgeschlossen.

Velgien.

__ Die mit der Vorberathung der Verfassungsrevision beschäftigten Sectionen der Kammer discutirten in ihrer gestrigen Sizung über das Referendum. Drei Sectionen verwarfen, nah der „Frkf. Ztg.“, den Antrag, die drei andern nahmen ihn an. Jm ganzen ergab die Berathung 49 Stimmen sür und 33 dagegen bei 14 Enthaltungen.

Türkei.

Wie dic „Agence de Constantinople“ meldet, ist der seines Amtes entseßzte armenishe Erzbischof (vgl. Nr. 41 d. Bl.) vom Sultan begnadigt worden; er unterstehe aber der Aufsicht der Kirchenbehörden und bleibe deshalb den von dem Patriarchat zu verhängenden Kirche nstrafen unter- worfen.

Rumänien.

__ Bei den gestern vorgenommenen Senatswahlen wurden, wie „W. T. B.“ berichtet, 42 Conservative und 9 Oppositionelle gewählt. 9 Stichwahlen sind S

Nach einem Telegramm der „Magd. Ztg.“ von gestern hat die Opposition unter Protest gegen die jüngsten Wahlen beschloffen, von der Deputirtenkammer fern zu bleiben.

Serbien.

Eine Erklärung des Königs Milan, in welcher derselbe auf alle Rechte als Mitglied des R iniatiCen Hauses verzichtet, wird dem „W. T. B.“ zufolge dem- nächst an die Skupschtina gelangen.

Amerika.

Die canadishen Commissare, welche die Präliminar- Verhandlungen zum Abschluß eines neuen . also ees ages mit den Vereinigten Staaten geführt haben, sind am 15. d. M. von Washington wieder abgereist. Ueber das Ergebniß der Verhandlungen verlautet noh nichts.

Der Senat hat einen Beschluß genehmigt, wodur die Ausschüsse des Senats und des Repräsentantenhauses für die Einwanderung aufgefordert werden, eine Untersuchung über die Typhusfälle anzustellen, welche kürzlih bei ein- gewanderten russishen Juden vorgekommen sind.

_ Die demokratishe Mehrheit des Ausschusses des RNe- prafentantenhauses für Mittel und Wege beschloß, eine Bill einzubringen, wodur alles Garn zum Binden, welches ganz oder theilweise aus Tampico, Jute, Manilla, Sisalgras oder Sungras hergestellt ist, vom Zoll befreit werden soll.

Nach in Paris eingegangenen Meldungen des „W. T. B.“ aus Pernambuco sind auch in der brasilianischen Provinz Ceara Unruhen ausgebrohen und hat die Be- völkerung den Gouverneur der Provinz vertrieben.

Afien.

In Japan ist es bei den gegenwärtigen Wag dem neuen Parlament (s. d. gestr. Nr. d. Bl) nag es ja Reuter’shen Telegramm aus Yokohama vom 17. Sbee auch in Ogi zu einem Krawall gekommen. Die Polizei, #5 heißt es in der Meldung, sei von den Ruhestörern ange rif D worden und habe sih zurückziehen müssen. Bei den rie gemeldeten Unruhen in Saga seien mehrere Perionen ctódtet und eine beträchtliche Anzahl verwundet worden : die Aufregue in Saga dauere noch fort. g

Parlamentarische Nachrichten.

Jn der heutigen (176.) Sißung des Reichstags, der General-Mazor von Goßler belebte E Uns als Mitglied der Reihs-Schuldencommission an Stelle des aus- scheidenden Abg. Kochann O der Abg. Prinz von Arenberg (Centr.) aufVorschlag des Abg. Grafen von Ballestrem durch Acclamation gewählt und fodann die Specialberathun des Etats der Heeresverwaltung für das Etatsjahr 1892/93 fortgeseßt.

Ohne Besprehung wurden die Capitel 19 bis 23 (böbere Truppenbefehlshaber, Gouverneure, Commandanten und laß- majore, Adjutantur-Offiziere und Offiziere in besonderen Stellungen, Generalstab und Landesvermessungswesen, Jy- genieur- und Pionier-Corps) bewilligt. G

Cap. 24 enthält die Ausgaben für die Geldverpflegung der Truppen, dessen Tit. 7, Uebungen der Mannschaften des Beurlaubtenstandes, eine längere Besprechung ver- anlaßte, an der sih der Berichterstatter Abg. von Keudell (Rp.), der Abg. Richter (dfr.) und der Major Gaede be- theiligten. (Schluß des Blattes.)

Jn der heutigen (17.) Sißung des Hauses Abgeordneten, welcher der Finanz - Minister Dr. Mig und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei- wohnten, wurde die zweite Berathung des Staatz- S für 1892/93 beim Etat der Eisen- ahnverwaltung fortgeseßt.

ZU diesem Etat lagen vor: ein Antrag der Abgg. Hitze Dr. Lieber u. Gen. (Centr.), welcher die Ermöglichung einer größeren Sonntagsruhe für die Eisenbahnbeamten und -Ar- beiter, insbesondere dur möglichste Einschränkung des Güter- verkehrs an Sonntagen, wünscht, fowie ein Antrag des Abg. Broemel (dfr.), welher eine Fortführung der Reform der Personentarife auf Grund des Planes von 1891, jedo unter Ausschluß von S verlangt.

Bei dem Titel der Einnahme aus dem Personenverkehr referirte der Berichterstatter der Budgetcommission Abg. von Tiedemann (freicons.) cingehend über die Comnmissions- verhandlungen betreffend die Organisation der Verwaltung, die Vorbildung der höheren Beamten, die Betriebslängen und Grundsäße für weitere Eisenbahnbauten, die Betriebsergebnisse im allgemeinen, das Anwachsen der Ausgaben, die bisherige Ausführung des Eisenbahn-Garantiegeseßzes sowie das Verhält niß der Eisenbahnverwaltung zur allgemeinen Finanzverwaltung und zur Ober-Rechnungskammer.

Der Minister der e Arbeiten Thielen dankte der Budgetcommission für die wohlwollende Prüfung des Etats und betonte die Nothwendigkeit, in der jezigen Periode der Verminderung der Betriebsüber- [O sparsam zu wirthschaften. Dazu. bedürfe er

er Unterstüßung der Volksvertretung, um die er bitte. Das laufende Jahr schließe ungünstig ab, auch im Januar weise der Güterverkehr einen Einnahmeausfall auf, weil der milde Winter die Schiffahrt begünstige und die Handelsverträge die Transporte im Januar zurühielten.

Abg. von Puttkam er-Plauth (cons.) spra gegen eine Ermäßigung der Personentarife, welche die Verhältnisse des Ostens völlig verschieben würde, und befürwortete die Staffel- tarife. Nach der Ablehnung der Aufhebung des Jdentitäts- nachweises müsse dem Osten durch Herabseßung der Güter tarife geholfen werden. Ergäben sich Nachtheile aus den Staffeltarifen, fo könne man sie wieder aufheben, aber irgend etwas müsse für den Osten gesehen, denn die Noth sei groß. _ Abg. Simon-Waldenburg (nl.) bestritt den Werth des Eisenbahngarantiegeseßzes und wünschte, daß immer weniger von den Eisenbahnüberschüssen für allgemeine Staatszwedte verwendet und dafür die Eisenbahnshuld möglichst getilgt werde, damit Tarifermäßigungen eintreten könnten. Die mechanishe Aufstellung des Etats nah dem Durchschnitt der lezten Jahre sei niht empfehlenswerth. Redner wünschte ferner eine bessere tehnishe Vorbildung der höheren Eisen- bahnbeamten und empfahl dazu die Schaffung einer beson deren Eisenbahncarriere. Dem Bedürfniß für Secundär- N bat Redner dadurch besser Rehnung zu tragen, daß man den Bau derselben auch Meinen gestatte.

_ Der Minister der offentlichen Arbeiten Thielen hoffte, daß die jeßige Periode des Niedergangs nur vorübergehend sein werde. Würden die Einnahmen nicht erreicht, I würden auch die Ausgaben theilweise erspart werden. Mit der Orga- mjation der Staatseisenbahnen habe sich die Regierung Vertrauen und Anerkennung erworben, aber die Orga nisation leide noh vielfa unter dem übermäßigen Schreibwerk. Für eine Reform in der Ausbildung der höheren Beamten habe er bereits ein Project den Directions-Präsidenten zur Begutachtung vorgelegt. Der Bau von Eisenbahnen sei des Privaten nicht verschränkt. Die Staffeltarife wolle die Fehg al 9 nicht aufheben, bevor die neue Ernte transpor? fähig sei.

L Wg: Schmieding (nl.) wünschte gleichfalls die Z/ lassung des Privatcapitals zu Eisenbahnbauten und hielt den jeßigen Zeitpunkt für besonders günstig für eine Verbesserung des Eisenbahngarantiegescßes. (Schluß des Blattes.) nts

_ Die Budgetcommission des Reichstags nahm heutt die Berathung des Marine-Etats wieder i Bn Titel 2 der Ausgaben werden für 22 neue Stellen oberer Chargen 80340 M gf fordert. Nah längerer Besprehung wurden statt der forderten Summe nur 58260 Æ bewilligt. Die übrigen orde- rungen von Cap. 51 (Militärpersonal) wurden unverändert genehmigt In Cap. 52 werden 10 232 700 4 gefordert (Indiensthaltuns der Schiffe und Fahrzeuge). Auf Antrag des Abg. Frit (Centr.) wurden hier nach längerer Debatte gegen den Widerspr1!

des Staatssecretärs Hollmann 636515 4, welche als „Kosten d! vermehrten Indienst altungen“ angeseßt sind, gestrichen. L Cap. 60 Tit. 1 (Werftbetrieb, Besoldungen) wurden 893 600 #4 # fordert, 77 300 Æ mehr als im vorigen Jahr. Auch diese Me?r forderung wurde gestrichen.

n der Commission des Hauses der Abgeordneten für das Geseß über die Kosten Königlicher Polizeiverwal- tungen in Stadtgemeinden sind die ersten drei Paragraphen, nah Ablehnung des Antrags Krause auf Herabseßung der von den Communen zu zahlenden Beiträge, unverändert nah der Regierungs- vorlage angenommen worden. § 4 wurde mit einer unwesentlichen Abänderung genehmigt. In § 5, welcher besagt, daß, wenn sich die Ortspolizeiverwaltung auf benachbarte Gemeinden und Gutsbezirke erstrecke, diese au zu den Kosten herangezogen werden könnten, wur- den jedo die Gutsbezirke von diefer Verpflihtung ausgenommen. Die erste Lesuna des Geseßentwurfs, der neun Paragraphen ent- bält, soll morgen Abend zum Abschluß gebracht werden.

Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts.

Nach der Judicatur des Königlichen Ober-Verwaltungsgerichts bezüglih der Auslegung der SF§ 1 und 11 des Fluchtliniengeseßes vom 9 Juli 1875 ist die Wirkung der Baufluchtlinie an fi die, daß der Regel nah jede die Luftlinie der Bauflucht überschreitende bauliche Anlage, mag man sie nun Ausbau, Hinausbau oder Neubau nennen, seitens der zuständigen Behörde verhindert werden muß. Die 8&8 78 bis 82 Theil 1 Titel 8 des allgemeinen Landredhts geben der Polizeibehörde die Befugniß, nah ihrem Ermessen die Einrichtung von Kellerhälsen, die Anlegung von Erfkern, Läden, Wetterdähern und in Straßen sih hineinstreckenden Schildern u. \. w. zu gestatten. Bei einem Verwaltungsstreit war die Frage zu entscheiden, ob nunmehr nah Erlaß des Geseßes vom 2. Juli 1875 diese Möglichkeit ausgeshlo}jen et. n dem Erkenntnisse _ vom 13. November 1891 (IV 1047) hat das Königliche Ober- VRerwaltungsgeriht IV. Senat dieses verneint, indem es aus- fübrt, daß man, wie die Geschichte der Entstehung und Berathung des Gesetzes nachweise, davon ausgegangen sei, daß bezügli der hier fraglichen Wirkung der Fluchtlinie etwas von dem bisherigen Rechts- zustande Abweichendes nicht geschaffen, dieser vielmehr habe aufrecht werden sollen. Danach sei die wesentliche Bedeutung des § 11 des lediglich die Neuanlegung und Veränderung der Straßen betreffenden Gefeßes darin zu finden, daß durch denfelben zur Erleichterung der Straßenanlegung die durch die Bebauungspläne für Straßen und Plätze bestimmten Flächen schon vor ihrer Enteignung und Widmung zu Straßen diesen selbst bezüglih der Einschränkung ihrer Bebauung gleichgestellt würden; dagegen fehle jeder Anlaß, diese Ein- shränfung i über die für {hon vorhandene Straßen nach allge- meinen geseßlihen Bestimmungen bestehenden Grenzen hinaus derartig auszudehnen, daß inébesondere die Anwendung der obengenannten Bestimmungen des Allg. Landrechts für die vrojectirten oder nah dem Gesetze vom 2. Juli 1875 entstandenen Straßen ausgeschlossen würde. Jene landrehtlihen Vorschriften seien nicht besonders und ausscließlih für die Anlegung und Veränderung von Straßen gegeben und seien deshalb auch n dur das Geseß vom 2. Juli 1875 auf- gehoben; sie beherrshten vielmehr als allgemeine Norm auch die Handhabung des § 11 a. a. O. insofern, als die Beschränkung des Grundeigenthümers in der Bebauung feines Grundstücks an der projectirten künftigen Straße in den fraglichen Beziehungen feine größere fein solle, als an der vollendeten bezw. längst bestehenden Straße. Das Ober- Verwaltungsgericht weist hierbei noch darauf hin, daß es nicht die Absicht des Geseßzgebers hätte sein können, für ältere, fih weiter aus- debnende Städte zwei verschiedene räumlih getrennte Baurechte zu statuiren, eines für die älteren Stadttheile, nah welchem Erker u. f. w. gestattet sein würden, und ein anderes der neuen Stadttheile, in denen jeder Vorsprung 2c. bei entstehenden Straßen verboten wäre. Es habe vielmehr nah wie vor in Anwendung der landrechtlichen Bestimmungen die Polizeibehörde berechtigt sein sollen, Vorsprünge und Hinausbauten der dort genannten Art nach polizeilihen Gesichts- punkten und polizeilihem Ermessen zu gestatten, au über das Maß und den Umfang ihrer Zulassung Polizeivorschrifsten zu erlassen, wie dieses denn auch in fast allen Städten geschehen sei.

Kunst und Wissenschaft.

Nach einer in der Sißung der französischen Akademie der Wissenschaften am 15. d. M. gemachten Mittheilung sind auch auf den Observatorien in Meudon und Perpignan in der Nacht vom 13. zum 14. d. M. magnetishe Störungen in cinem Umfange beobachtet worden, wie bisher noch nie.

__ Von dem dreizehnten Bande des Jahrbuchs der König- lih Preußischen Kunstsammlungen ist unlängst das erste Heft erschienen, welches Studien über lombardische Bildwerke in Spanien von C. Justi enthält, auf die wir nah ihrem Abschluß, der für die nähsten Hefte in Aussicht gestellt ist, zurückzukommen ge- denken. An zweiter Stelle veröffentlicht der S Kunstforscher Sidney Colvin den jüngst vom Britischen Museum erworbenen Gntwurf zu einem der großen Wandbilder, die zwischen 1365 und 1515 in der Sala del maggior consiglio von den bedeutendsten venetia- nischen Künstlern ausgeführt wurden und 1577 einer Feuersbrunst ¡um Dpfer fielen. Die Zurückführung dieser merkwürdig frei und breit behandelten Federskizze, welche bereits im 17. Jahrhundert Rembrandt zur Nachzèichtina reizte, auf die Hand des Gentile oder Giovanni Bellini dürfte vielleiht hie und da kritishen Bedenken begegnen. Ge- sichert ist dagegen die Zugehörigkeit zu dem genannten Cyclus, welcher die Kämpfe riedrich Barbarossa's mit Papst Alexander III. be- handelte. W. Bode giebt gelegentlih der Publikation eines alt- persischen Teppichs aus dem Besiß der Königlichen Museen wichtige, lihtvolle Beiträge zur Geschichte der westajiatishen Tertilindustrie; das Vorkommen einzelner Tevppichmuster auf Bildern der nieder- ländischen und italienischen Schule im fünfzehnten, sechzehnten und hiebzehnten Jahrhundert bietet dem Verfasser werth- volle Ankhaltspunkte für die sonst so \{wierige Datirung der vershiedenartigen Tertilmotive. Man darf der Fortseßung dieser Studien mit der Grwartung entgegensehen, daß durch sie dieses noh vielfah dunkle Gebiet der Forschung wesentlih aufgeklärt werden wird. Den Beschluß des Heftes bildet eine Untersuchung J. Lessing's über den Hochzeitsbeher, welhen seiner Inschrift zufolge die Universität Wittenberg Martin Luther 1525 verehrte. Wenn auch die historishe Beglaubigung dieser Bezichung zu dem großen Reformator troß oder vielmehr wegen der Inschrift nicht über jeden Zweifel erhaben ist, behält doch der unlängst im Y nstgewerbe-Museum ausgestellte Pokal feine Bedeutung als eine treffliche Leistung der Augsburger Goldshmiedezunft um 1525. Die Lenwärtige Besiterin des werthvollen Stückes, die Greifswalder lniversität, bat die Nachbildung desselben für das Berliner Kunst- sewerbe-Museum gestattet, dessen Sammlung von galvanoplastischen ckopten älterer Goldshmiedewerke damit eine s{chäßenswerthe Be-

ah dem soeben erschienenen Jahresbericht über die tungs-Ergebnisse der forstlih-meteorol ogischen im Jahre 1890 (16. Jahrgang, herauêsgegeben von Dr. A. Müftrich, Professor an der Königlichen Forst- cademie zu Eberswalde und Dirigenten der meteorologischen theilung des forstlihen Versuch8wesens in Preußen ; Verlag von lius Springer in Berlin) hat die Zahl der Stationen (16) im erihtêjahr gegen 1889 feine Veränderung erfahren. Die Beob- ‘tungsresultate der drei in Elsaß-Lothringen belegenen Stationen genau, Neumath und Melkerei sind sowohl für die monatlich er- t inenden Publicationen als auch für den Jahresberiht durch ves forstliche Versuchsanstalt in Straßburg zusammengestellt Se Fur die übrigen Stationen (Frißen, Kurwien, arlsberg, Eberswalde, Schmiedefeld, Friedrihsrode, Sonnen- Holl arienthal, Lingßel, Hadersleben, Schoo, Lahnhof, Oerath) ift die Bearbeitung der Beobachtungen dur die

E zu theil geworden ist. ch

Beoba tationen

Hauptstation des forstlichen Versuhswesens in Preußen, in Ebers- walde, ausgeführt worden. Die höchste Gesammtmenge der Niederschläge sowohl im Freien wie im Walde wurde constatirt auf der Station Melkerei bei der Oberförsterei Barr in Unter-Elsaß (1593/7 bezw. 1223,4 mm). Die größte Anzahl von Tagen mit Niederschlägen im Freien (196) batte die Station Sonnen- berg (Oberförsterei Andreasberg). Was die Bewölkung betrifft, fo hatten die meisten trüben Tage (206) die Stationen Schmiedefeld (im Thüringer Walde) und Sonnenberg, die meisten hellen (79) die Station Melkerei zu verzeihnen. Die Windtabellen der 16 Stationen zeigen, von den Monaten Februar und Dezember abgesehen, ein ent- schiedenes Vorwiegen der westlihen und südwestlihen Richtung. Die größte Zahl der Eistage (74) meldete die Station Karlsberg (Re- gierungsbezirk Breslau), die meisten Frosttage (185) Sonnenberg, die meisten Sommertage (56) Kurwien (Regierungsbezirk Gumbinnen).

_ Dr. Preuß hat bei der Zerstörung Bueas seine wissen - \chaftlihen Sammlungen gerettet und am 15. v. M. an das Museum für Völkerkunde gelangen lassen. Von dieser außer- dem noch präparirte Pflanzen und einige Gesteinsproben enthaltenden Sendung sind der zoologishen Sammlung des Museums für Mae Tabs 20 Säâugethierfelle, zum theil mit Schädel, und 150 Vogelbälge und mumificirte Vögel überwiesen worden. Unter den Säugethieren sind fehr seltene und wahrscheinlich au neue Arten enthalten. Die Vogelsendung ist die beste, welche bisher aus West-Afrika hierher gelangt ist; einige zwanzig Arten sind neu für das Museum, 14 für die Wissenshaft ent- deckt, viele von hohem zoologishen Interesse. Von Dr. Büttner ist aus Bismarcksburg am 19. Dezember v. J. ebenfalls wieder eine Sendung bei der zoologishen Sammlung eingetroffen. Sie enthält u. A. 8 Säugethicre und 1 Schildkröte in Alkohol, 8 Vögel, 1 Eidechse, 300 Käferlarven, 200 Schmetterlinge und etwa die gleiche Anzabl anderer Kerbthiere. Wenn auch die Säugethiere und Rep- tilien in Alkohol nicht gut erhalten sind, so haben sie doch Werth in zoogeographischer Beziehung. Von den Schmetterlingen ist etwa die Hâlfte dur Rost oder Schimmel zerstört; etwa 50 Stück besißen wissenschaftlihen Werth. Die Mehrzahl der meist kleinen Käfer- specien fehlte bisher in der zoologishen Sammlung und ift noch unbeschrieben. Von Emin find vier Kisten mit natur- bistorishen und botanischen Gegenständen eingegangen. Der Kanzler für das Schutzgebiet der Neu-Guinea - Compagnie Schmiele hat feinen Aufenthalt auf der in ethnologisher Hinsicht besonders interessanten Insel Nifssan dazu benußt, um eine thunlichst vollständige Sammlung der den Eingeborenen diefer und der Frenh-Infeln eigen- thümlihen Gebrauhs- und Schmuckgegenstände, sowie Waffen zu- sammenzubringen. Herr Schmiele hat ch bereit erklärt, die Gegen- stände, über welche eingehende Notizen des Sammlers hier vorliegen, dem Museum für Völkerkunde unentgeltlih zu überlassen, und ist die Sammlung bereits mit dem Dampfer „Nierstein“ der Hanfalinie ab- gesandt worden.

Der bochselige König Karl von Württemberg bat, wie nach einer Meldung der „Mgdb. Ztg.“ aus Stuttgart erst jeßt bekannt wird, der Königlichen Staatsgalerie daselbst fünf höchst werthvolle Gemälde vermacht, und zwar „Italienische Madchen“ von Guffens, „Studienkovf“ von Landelle, „Interieur“ von van Hove, „Campagna“ von Bürkel und ein maurish-\panishes Architekturbild von Bofsuet. Auch der plastishen Sammlung hat König Karl zwei Werke vermaht. Seine gesammten Musikalien, über 1000 Nummern, darunter außerordentlich werthvolle Stücke, sind durch die lezte Willensverfügung des Königs Karl dem Con- fervatorium für Musik in Stuttgart zugewendet worden.

Das Denftmal für Andreas Sigismund Marggraf, den Pfadfinder auf dem Gebiet der Zuckerrübenindustrie, der im Jahre 1782 als Professor der Chemie und Director der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin starb, wird sh der „A. R. C.“ zufolge nicht, wie das anläßlih des bundertjährigen Todestages Marggraf’s zusammengetretene Denkmalscomité ursprünglich Pvlante, vor der Landwirthschaftlichen Hochschule erheben, fondern in Form einer Broncebüste nebst Gedenktafel die Front des Universitäts-Laboratoriums, Dorotheenstraße Nr. 10, zieren, und zwar als Seitenstück zu der Büste feines Schülers Franz Carl Achard, welcher die Marggraf*schen Entdeckungen über den Nübenzucker zuerst praktisch verwerthete. Die Anfertigung beider Büsten ist dem Bildhauer Ferdinand Lepke, einem Schüler Schaper’s, übertragen worden.

Wie man der „Wes.-Ztg.“ aus Amsterdam vom 14. Fe- bruar schreibt, hat der dortige Stadtarchivar Dr. de Roever im Königlichen Palais daselbst ein neues Bild von Rembrandt entdeckt. In der Correspondenz heißt es: „Bekanntlich war das Ge- bäude ehemals Rathhaus, allein nachdem dasselbe zu einem Palais für König Ludwig Napoleon umgebaut war, wurde die große Galerie, welche den inneren Hof umgab, in verschiedene Zimmer eingetheilt, wodurch die meisten Bogen mit den darauf gemalten Bildern das erforderlihe Licht Alelive mußten. In einer dieser Bogeuflächen befand D ein großes Bild, fast ebenso groß wie „die Nachtwache“, mit dem Namen: „Het Eedgenootschap der Batavieren onder Claudius Civilis“ (Die Eidgenossenschaft der Bataven unter Claudius Civilis.) Die Darstellung zeigt ein Festmahl der Bataven, nach welhem das Stammhaupt Claudius Civilis seine Landsleute zum Kampfe gegen die Herrschaft der Nömer auffordert. Dieses Bild, das im Halbdunkel und außerdem sehr hoh gestellt war, galt bisher für ein Kunstwerk des bolländishen Malers Jurriaan Ovens, der in der zweiten Hälfte des siebzehnten Jahr- hunderts lebte. Nach einer genauen Untersuchung hat der Archivar jeßt die Beweise gefunden, daß diefes Bild von Rembrandt gemalt ist. Eine zweite genauere Prüfung, nahdem das Bild beruntergeholt worden ist, muß noch erfolgen, bevor das Festmahl der Bataoen nach der Rembrandt-Galerie im NReichsmuseum gebracht werden kann.“

Theater und Musik.

Sing-Akademie. _

Der Herzoglih fächsishe Kammersänger Herr Benno Köbke ab gestern einen Liederabend, wie er einen folhen {on im vorigen Jahre veranstaltet hatte. Seine sehr umfangreiche, in der Höhe be- sonders wohlflingende Tenorstimme ift zugleich gut ge\{ult, wie aus der sicheren Intonation, der Deutlichkeit der Aussprache und aus der eshickten Verwendung des Falsets hervorgeht das seinem M Ao einen besonderen Reiz verleiht. In dem Vortrag der Lieder von Beethoven, Cornelius, Brahms, Liszt, Tappert, Leß- mann und anderen bewies der Künstler viel Geshmack und Lebendig- keit, nur in dem der Schubert'schen Lieder blieb ein tieferes Eingehen zu wünschen. Der bereits wohlbefannte Pianist Herr Hans Brüning unterstützte den Liederabend durch zwei recht efffectvolle Clavierstücke eigner Composition : „Impromptu“ und „Ballade“, denen er noch zwei Stücke von Gluck - St. Saëns und Chopin folgen ließ.

Nöômischer Hof.

Der Baritonist Herr Ernst Brodmann, durch manche Concert- [leistungen bereits bekannt, gab gestern hier seinen ersten eigenen Lieder- abend. Seiner Stimme Fehlt es niht an einer gewissen jugendlichen Kraft, doch ist sie noch nicht sorgfältig genug ausgebildet. Der Gebrauch des Piano ist noch ein zu unsicherer, auch is der Tonansaß mitunter s{chwankend. Der Vortrag zeigt ein lobenswerthes Streben nah Lebendigkeit dcr Ausdrucksweise, wie dies in Gesängen von Schumann, Jensen, Franz, Löwe, H. Hofmann und Weingartner zu erkennen war. Der a a Herr Günther Freudenberg unterstüßte das Concert dur einige correct und auédruckévoll vor- getragene Stücke von Chopin, Schumann, Thalberg und Liszt, die nh gleih den Vorträgen des Sängers einer sehr günstigen Aufnahme erfreuten.

Anton Rubinsteins Wohlthätigkeits-Concert hat mit der Hauptprobe einen Reinertrag von 16 854 Æ ergeben. Dem Auftrage des Künstlers gemäß hat der Concertdirector H. Wolff diesen Betrag nachstehenden Zwecken überwiesen: 5000 Æ für die Armen Berlins, 1500 4 für das Kaiser und Kaiserin Friedri Kinderkrankenhaus, 1500 Æ für die Feriencolonien, 1000 Æ für die

Kinderbeilftätten, 500 4 für den Verein für Speisung armer Kinder, 500 M. für die Wärmehallen, 500 A für Volkskindergärten, 500 M für die Fröbel’shen Volkskindergärten, 500 ÆA für das Asyl für Obdachlose, 1000 Æ für den Pensionsfonds des Berliner bilharmonishen Orchesters, 1000 4 für die Unterstüßungskassen des Vereins Berliner Musiklehrer und -Lehrerinnen, 2000 A für die russishen Colonien zu Händen des Propstes Maltew, 350 A an Un- genannte, 1000 Æ für das Denkmal für Haydn, Mozart und Beethoven. Am Sonnabend wird Anton RNRubinstein noch einmal in Berlin auftreten, und zwar in dem Concert der Claviervirtuosin Fräulein Sophie von Poznanska in der Sing - Akademie. Der geniale Pianist spielt an diesem Abend StticlasUitd mit der Concertgeberin Shumann's Variationen für zwei Claviere.

Der junge polnishe Componist und Claviervirtuose Sigis- mund Stojowski, der morgen in der Sing-Akademie ein Concert mit dem Philharmonishen Orchester veranstaltet, ist aus der Schule Zelenskis und Delibes? hervorgegangen ; er erwarb den ersten Preis des E und machte sich bereits in Paris und London durch eigene Concerte vortheilhaft bekannt. Im vierten Concert des Philharmonischen Chors wird Herr Dr. Hans von Bülew-das Cvncert dirigiren und im zweiten Theile die IX. Symphonie von Beethoven zur Aufführung bringen. Ein Solo-Quartett ersten Ranges is neben dem Chor für den vocalen Theil in Aussicht genommen. Herr Naimund von Zur- Mühlen veranstaltet am 9. März in der Sing-Akademie einen Liederabend, für den der Kartenverkauf morgen bei Bote u. Bock er- ¿ffnet wird.

Mannigfaltiges.

Die städtishe Schuldeputation hat in ihrer gestrigen Sizßung beschlossen, in Ausführung des Beschlusses der Stadtverord- neten-Versammlung wegen der Ertbeilung von Unterricht über Rechtsverhältnisse in den Fortbildungs\hulen dem Magistrat zunächst die Einführung dieses Unterrichts vom nächsten Winter-Halbjahr ab in zwei Fortbildungs\{hulen zu empfehlen.

In dem von der deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger soeben zur Vertheilung gelangten, in der „N. Pr. Ztg.“ mitgetheilten Jahresberiht für das Geschäftsjahr 1890/91 wird das leßtere als eins der erfolgreihsten seit dem Bestehen der Gefell- schaft bezeichnet. Die Rettungsstationen der Gesellschaft sind im ab- gelaufenen Jahre zwanzigmal mit Erfolg thätig gewesen und haben 120 gefährdete Menschenleben der Seegefahr entrissen. Seit dem Bestehen der Gesellschaft ist die Gesammtzabl der dur ihre Mannschaften Geretteten jeßt auf 1892 gewachsen, und zwar wurden 1579 Personen in 231 Strandungsfällen mit Booten und 297 Personen in 56 Fällen mit Raketen-Apparaten gerettet. Im leßten Jahre i}t der Verlust zweier Bootsleute von der Station Amrum zu be- klagen, die am 29. Oktober v. J. gelegentlih der Rettungsarbeiten des bei der Insel Sylt gestrandeten Schooners „Reintjadina* ihr Leben ein- büßten. Die Zahl der Rettungsstationen hat sich um zwei, und zwar um eine Doppelstation und eine Raketenstation auf der Insel Helgoland ver- mehrt und beträgt nunmehr 113, von denen 66 auf die Ostsee und 47 auf die Nordsee kommen. 45 dieser Stationen sind Doppelstationen, d. h. mit Boot und Raketenapparat ausgerüstete Stationen, 18 sind nur Naketen-, 50 nur Bootstationen. Der Gesellschaft gehören 58 Be- zirksvereine und 263 Vertretershaften an. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder if von 48 979 mit 145 298 4 Jahresbeiträgen auf 49 885 Mitglieder mit 145 228 4. Jahresbeiträgen gestiegen. An außerordent- lihen Beiträgen sind der Gesellschaft 86291 4 gegen 69 467 im Vorjahre zugeflossen. Sie bat scit threr Begründung im Jahre 1865 eine Gesammteinnahme von 4 438 524 M. zu verzeichnen gehabt, der cine Ge- sammtausgabe von 3 206 994 4 gegenübersteht. Der Preis Emile Robin, eine Ehrengabe, die alljährlich vom Vorstande der Gesellschaft zur Vertheilung gelangt, ist im leßten Jahre dem Schiffscapitän A. Schulß von dem Flensburger Dampfer „Glücksburg“ zu- erkannt, der am 30. November die aus fünfzehn Mann bestehende Besatzung eines spanischen Leichterfahrzeuges in den heimischen Ge- wässern gerettet hat. Die Gefellschaft vertheilte ferner an außer- ordentlichen Belohnungen zwet goldene, ses silberne und drei bronzene Medaillen, sowie 640 an baarem Gelde.

Wie die „Voss. Z.“ hört, wird mit Beginn des Sommerfahr- plans der Berlin-Kölner Jagdzug, der Mittags von Berlin über Stendal, Hannover, Minden, Düsseldorf geht, versuchsweise nah ameri- fanisher Art mit größerem Comfort, als wir ihn bisher bei uns ge- wohnt gewesen, ausgestattet werden. Die durchweg neuen, sehr elegant ausgestatteten Wagen find derart miteinander verbunden, daß die Meilenden sich ungehindert durch den ganzen Zug bewegen können. Die Verbindung zwischen je zwei Wagen ist, wie bei dem Kaiserlichen Sonderzuge, durch Schußleder ges{lossen. Selbstverständlich befindet sich im Zuge ein comfortabel eingerihteter Speisewagen. Die Wagen find sämmtlih als Salons bergettent, mit kleinen Tischchen, Sefseln, Spiegeln 2c. ausgestattet. Der Zug besteht aus Wagen erster und zweiter Klafse.

Die Gemeindevertretung in Schöneberg bat, wie der „N. Pr. Z.“ mitgetheilt wird, beshlossen, \{leunigst den Landesdirector zu er- suchen, wegen der Uebelstände im Betriebe der nah den E Vororten führenden Damwmpfstraßenbahn das Dampfbahn- Confortium aufzufordern, den Dampfbetrieb einzustellen und an seiner Stelle den Pferdebahnbetrieb einzuführen, wenigstens innerhalb des bebauten Gemeindebezirks.

Witterungsberichte. :

Königsberg, 16. Februar. Der orkanartige Schneesturm in der Nacht zu Sonnabend hat, wie der „N. A. 3." mitgetheilt wird, zahlreihe Fisher in die höchste Lebensgefahr gebraht. Am Freitag Abend befanden sich fast sämmtlihe Fischer aus den Dörfern Balga und Patersdorf auf dem Haff. Das Eis ftand ziemli sicher zu- sammengedrängt, und so fand die Fischerei auf diesem auf der Höhe von Kahlholz statt. Die Fischer waren in ihre Arbeit derart ver- tiest, daß sie den immer stärker werdenden Sturm nicht bemerkten. Erst als er das Eis zu zerreißen begann, bargen sie shnell die Nete, und wollten eben die Heimreise antreten, als fich das Cis plößlich unter ihnen langsam in Bewegung seßte. Troßdem eilten die Leute auf den langsam s{wimmenden Schollen mit ihren Handschlitten vorwärts, denn sie glaubten siher noch das Land zu erreichen. Da trat ein heftiges Schneetreiben ein und verwehte ihnen jede Aussicht. Das Eis frahte und prasselte ohne Unterbrehung in Nähe und Ferne, sodaß felbst den beherzten Männern der Muth vollständig verging. Da drehte sih der Sturm nah Westen und damit nahm auch das Treibeis eine andere Richtung. Um 5 Uhr früh erblickten sie Lichter, und gewahrten nun, daß sie dem Strand bei Follendorf zutrieben. Unter der Hilfeleistung dortiger Fischer erreichten sie denn auch mit äußerster Lebensgefahr das Land. : : :

Landsberg a. W., 17. Februar. Bei der Vietßer Ablage ift, wie der „Voss. Z.“ telegraphirt wird, eine drei Kilometer lange Eis - stopfung auf der Warthe eingetreten und der Abfluß des Grund- eises verhindert. Durch den befürhteten Wallbruh würde der untere Warthebruch übers{wemmt werden. 5

Aus dem Riesengebirge, 16. Februar. Infolge der un-

eheuren Schneefälle finden sich, nach einem Bericht der „N. A. Z.“, in diesem Winter auf dem Gebirge und an feinen Abbängen fo mächtige Schhneemassen, wie sie seit etner längeren Reihe von Jahren nicht vorgekommen find. In Spindelmühl z. B. werden die Häuser von 4 bis 6 m hohen Schneewänden umlagert, fo daß der Verkehr sehr ershwert ist. Den großen Schnee- massen verdankt die Linie Prinz Heinrih - Baude Krumm- hübel ein interessantes Vorkommniß. In der Gegend der Schlingelbaude bei dem sogenannten „Katenschloß“ hatten nämlich die Schneemassen eine völlige Unterbrehung der Hörnerschlittenbahn ver- ursaht. Das Hinderniß is nun dadurch beseitigt worden, daß man durch die Shneemassen hindur einen Stollen von fast 80 m Länge